27
ETH Zürich, Departement Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2 Text 3 Text 4 Das Pathos des Mauerwerks Ákos Moravánszky in: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003 Zur Metaphysik des Sichtbetons Andrea Deplazes in: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003 Holz: Indifferent, synthetisch, abstrakt - Kunststoff Andrea Deplazes in: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003 Wozu Stahlbau? Alois Diethelm in: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003 GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf + Konstruktion I/II Vorlesung 11 _____________________________________________________________________________________ Prof. Andrea Deplazes BAUWEISEN

GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

ETH Zürich, Departement Architektur, Professur Andrea Deplazes

Text 1

Text 2

Text 3

Text 4

Das Pathos des Mauerwerks

Ákos Moravánszkyin: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003

Zur Metaphysik des Sichtbetons

Andrea Deplazesin: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003

Holz: Indifferent, synthetisch, abstrakt - Kunststoff

Andrea Deplazesin: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003

Wozu Stahlbau?

Alois Diethelmin: Architektur konstruieren, Vom Rohmaterial zum Bauwerk - ein Handbuch, Dezember 2003

GRUNDKURS ARCHITEKTURTexte zur Vorlesung Entwurf + Konstruktion I/II

Vorlesung 11_____________________________________________________________________________________Prof. Andrea DeplazesBAUWEISEN

Page 2: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

23

Einführung

Das Pathos des Mauerwerks

SchichtungenPathos hat Konjunktur – trotz des Verdachts, hohl zusein –, was jedes Pathetische wie seinen Schatten be-gleitet. Region, Identität, Raum – Begriffe, die früher ein-mal mit Augenmass verwendet wurden, bekommen eineübergrosse Wucht; wohl um in einer eher spannungslosenSituation zu Orientierungspunkten zu werden oder einfachAufsehen zu erregen. Und was ist pathetischer in der Ar-chitektur als das Mauerwerk? Wenn es um ein Mauerwerkgeht, denken wir immer an einen Charakter mit Eigen-schaften, die das Mauerwerk an einen Ort binden, wieMaterial, Farbe, Schwere oder Permanenz. Wand, Maueroder Mauerwerk sind Unterscheidungen, die in anderenSprachen kaum existieren. Es ist vor allem das Werk imMauerwerk, das für die ethische und ästhetische Reso-nanzfülle sorgt und vieles legitimiert. Eine Mauer mit einerPutzschicht, sei sie noch so perfekt gemauert und ver-putzt, muss noch lange kein Mauerwerk sein. Unter Mau-erwerk verstehen wir nur ein «in seiner Oberfläche sicht-bar bleibendes und durch sie wirkendes Gefüge»1, egal obes aus Naturstein, Backstein oder aus anderen Mauer-steinen zusammengefügt wurde.

Die Verzahnung von Natur und Menschenwerk im Bilddes ruinösen Mauerwerks, wie es in der Spätrenaissance-Kunstgattung Capriccio dargestellt wurde, sollte die Ver-geblichkeit der Anstrengungen des Bauens und die Ero-sionskräfte des Todes vor Augen führen. Die Natur wartetam Ende der Geschichte, um sich für ihre Vergewaltigungzu rächen, «als sei die künstlerische Formung nur eineGewalttat des Geistes gewesen»2. Der ZusammenhangMauerwerk – Natur kann jedoch auch aus einer weniger

melancholischen Sicht betrachtet werden. RudolfSchwarz, in seinem 1949 veröffentlichten Buch «Von derBebauung der Erde», beschrieb die stoffliche Struktur derErde als Mauerwerk, das vom Flöz «aus den hauchdünnenMembranen des Weltstoffs», aus Niederschlägen der Luftund des Wassers Schicht um Schicht gebaut wird.3

Das Mauerwerk in sich soll einem unvoreingenomme-nen Betrachter im Vergleich zu den komplexen Gebildender High-Tech-Industrie als ein banales Produkt erschei-nen. Das Pathos spüren wir jedoch deutlich, wenn es zumBeispiel zum Sinnbild des Erdbaus, der Schöpfung – oderder Heimeligkeit gegen Modernisierung wird. Die back-steingemusterte Tapete im Partykeller zeigt die sentimen-tale Bedeutung, die vom Mauerwerk erwartet wird.

Es gibt mindestens zwei Diskurse zu Mauerwerk: Dereine wird über seine Oberfläche als Bedeutungsträger undRaumgrenze, der andere über seine Masse als Produkthandwerklicher Arbeit geführt. Obwohl ständige Inter-ferenzen zwischen diesen Diskursen bestehen, werde ichin diesem Beitrag beide Aspekte zunächst getrennt be-trachten.

Vom Leichten: Die Wand, die KunstKeine theoretische Untersuchung hat mehr neue Ge-danken zur doppelten Identität des Mauerwerks formuliert(und weitere inspiriert), als Gottfried Sempers zwei Bände«Der Stil in den technischen und tektonischen Künstenoder praktische Ästhetik». Die Grundlage von SempersSystem ist eine Typologie menschlicher Produktions-formen: Textilweben, Töpferei, Tektonik (Holzkonstruktion)und Stereotomie (Steinkonstruktion). Diesen vier Typender Herstellung entsprechen die vier Urelemente der Ar-chitektur: Wand, Herd, Dach und Substruktur (Erdauf-schüttung, Terrasse). Wichtig ist die ontologische Dimen-sion dieser Aufteilung: Diese vier Elemente sind nicht for-mell definiert, sie sind vielmehr Aspekte der menschlichenExistenz. Bemerkenswert ist die Flexibilität, die die schein-bar starre Aufteilung der architektonischen Techniken inBezug auf die Bestimmung ihrer Bestandteile erlaubt.Selbst eine skizzenhafte Darstellung würde den Rahmendieses Beitrags sprengen; wichtig ist hier die Feststellung,dass Mauerwerke Produkte der zwei «Urtechniken» Textil-weben und Stereotomie sein können. Tektonik, «die Kunstdes Zusammenfügens starrer, stabförmig gestalteterTheile»4 (deren Beispiel der Dachstuhl ist), hat mit demMauerwerk nichts zu tun.

Sempers Beobachtungen waren von Mauerteilen ausAusgrabungen der assyrischen Hauptstadt Ninive beein-flusst, die er 1849 im Louvre besichtigte. Er sah in diesenMauerresten die Bestätigung seiner Bekleidungstheorie:Die Wand als Raumbegrenzung ist das primäre Element,die Mauer als lasttragendes Element der Konstruktion istsekundär. Die flächenbildenden Steine der assyrischenMaurreste wurden horizontal auf dem Boden zusammen-

Abb. 1: Die Verzahnung von Natur und Menschenwerk im Bild des ruinösen MauerwerksMario Ricci: Capriccio mit antiken Ruinen, Obelisken und Staffage

Ákos Moravánszky

Page 3: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

24

Einführung

gefügt, dann bemalt, emailliert, gebrannt und erst nach-her eingebaut: «Man sieht, der Ziegelbau, obgleich uraltbei den Assyrern, war dennoch nicht konstructiv durchge-bildet. Seine Ornamentik ging nicht aus der Konstruktionhervor, sondern entlehnte sie von anderem Stoffe.»,schrieb Semper in seinem Manuskript zu «VergleichenderBaulehre»5. Diese Theorie provoziert – und inspiriert –noch heute in ihrer scheinbaren Umkehrung von Ursacheund Ergebnis. Es ist das Erscheinungsbild des Mauer-werks, seine flechtwerkartige Oberfläche, das die Technikbestimmte, und nicht umgekehrt. Für Semper ist der Kno-ten «das älteste technische Symbol und (...) der Ausdruckfür die frühesten kosmogonischen Ideen»6, also dasGrundmotiv der menschlichen «Techné», indem einestruktive Notwendigkeit (die Verbindung von zwei Elemen-ten) zum ästhetischen, sinnhaften Bild wird. Der orientali-sche Teppich entfaltet seine Wirkung durch die rhythmi-sche Wiederholung von Knoten; die ganze Oberfläche isteinheitlich bearbeitet. Die Kunst ist immer ein Flechtwerk:Ein Maler, ob ein Landschaftskünstler des 19. Jahr-hunderts oder ein «action painter» der fünfziger Jahre wieJackson Pollock, bearbeitet immer die ganze Oberflächeder Leinwand einheitlich, anstatt farbige Details auf einerweissen Fläche zu verteilen. Durch diese Kalligraphie wirddas Mauerwerk erst erlebbar. «Das alles überziehendeMaschennetz der Fuge gibt (...) der Fläche nicht nur ganzim allgemeinen Ton und Leben, sondern es prägt der Flä-che auch einen scharf ausgesprochenen Maßstab auf undbringt sie dadurch in unmittelbare ‹Beziehung zumVorstellungsvermögen des Menschen›», schrieb FritzSchumacher 1920.7

Sempers Theorie über den textilen Ursprung der Wandist zwar im Historismus verwurzelt und später von vielenVertretern der modernen Theorie der Materialwahrheitmissverstanden und kritisiert worden, hat jedoch dieÄsthetik der Mauerwerke auch im zwanzigsten Jahr-hundert nachhaltig beeinflusst. Diese Tatsache ist natür-lich nicht immer auf einen direkten Einfluss der Semper’-schen Theorie zurückzuführen. In der Wiener Architekturist jedoch die Rezeption der Gedanken Sempers unüber-

sehbar, und Architekten wie Boris Podrecca fühlen sichheute noch dieser Tradition verpflichtet. Es war vor allemder Kreis um Otto Wagner, der die Semper’schen Thesenschon früh innovativ auslegte. Die Fassaden der Steinhof-kirche (1905–07) oder der Postsparkasse (1904–06) inWien folgen Sempers Unterscheidung der unteren, stere-otomischen, und der oberen, textilen, Felder der Fassade.

Wagners slowenischer Schüler, Joze Plecnik, hat inseinen Arbeiten in Wien, Prag und Ljubljana diese Themenneu interpretiert. «Neu» heisst hier allerdings, dass er seinWissen der archaischen Bauformen mit virtuosem Könnenins Spiel setzte – Verzerrungen, Verfremdungen, Vorge-fundenes und frei Erfundenes halten sich die Waage. DieFassade von Plecniks Herz-Jesu-Kirche in Prag (1932–

Abb. 3: Leichte Putzfassade über schweremMauerwerkJoze Plecnik: Herz-Jesu-Kirche, Prag (CZ) 1939

Abb. 4: Stereotomische und marmorverkleidete MauerwerkeOtto Wagner: Steinhofkirche, Wien (A) 1907

Abb. 2: Die Wand als Raumbegrenzung ist das primäre Element, die Mauer alslasttragendes Element der Konstruktion ist sekundärNinive, Ausgrabungen der Stadtmauer zwischen 1899 und 1917

Abb. 5: Gewebe von Naturstein und BacksteinJoze Plecnik: Universitätsbibliothek in Ljubljana (SLO) 1941

Page 4: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

25

Einführung

39) ist sehr klar in eine untere, klinkerverkleidete und eineobere, weiss verputzte Zone gegliedert; aus der dunklenZiegelverkleidung ragen Granitblöcke heraus. Die Fas-sade der Universitätsbibliothek in Ljubljana (1936–41) istebenfalls ein Gewebe von Stein und Ziegel; hier soll dieKombination wohl die zweifache Bindung Sloweniens zuder germanischen bzw. der mediterranen Baukultur ver-sinnbildlichen.

Louis Henry Sullivan verglich die Wirkung der Fas-saden, die mit Ziegeln aus grobkörnigem Ton gemauertsind, mit dem weichen Schimmer alter anatolischer Tep-piche: «a texture giving innumerable highlights and sha-dows, and a moss-like appearance»8.

Schon der Name zeigt, dass Frank Lloyd Wrights Er-findung, die so genannte «textile-block»-Konstruktion diegewebeartige Wirkung der vorgefertigten Leichtbeton-blöcke sucht. In einem 1932 geschriebenen Text bezeich-nete Wright sich selbst als «Weber» im Gegensatz zu denBildhauer-Architekten, um die Fassaden seiner kaliforni-schen Bauten wie La Miniatura oder die Storer Residence(1923) zu charakterisieren: «Die Blöcke begannen dasSonnenlicht zu erreichen und zwischen den Euka-lyptusbäumen hochzukriechen. Der ‹Weber‹ träumte von

ihrer Wirkung. Es wurden Visionen einer neuen Architekturfür ein neues Leben (...). Die Normung war tatsächlich dieSeele der Maschine, und hier benutzte der Architekt sieals Prinzip und «strickte» damit. Ja, er häkelte damit ein

freies Mauergewebe, das grosser Vielfalt in der architek-tonischen Schönheit fähig war (...) Palladio! Bramante!Sansovino. Bildhauer – sie alle! Hier war ich, der ‹We-ber›».9

Antike und byzantische Mauerwerke oder die sakraleArchitektur des Balkans zeigen viele Beispiele, wie dieOberfläche des Mauerwerks zu einem Gewand wird, dastatt mit einer struktiven Gliederung mit Pilaster- oderSäulenordnungen, etwa mit in die Mörtelfugen einge-steckten glasierten Keramikstiften oder Steinchen, berei-chert werden kann. Diese Bauten verzichten auf eine mitÖffnungen und bildhauerischem Beiwerk strukturierteFassade zugunsten der homogenen Wirkung des Mauer-gewebes. Der griechische Architekt Dimitris Pikionis hat inder zweiten Hälfte der fünfziger Jahre am Hügel Philo-pappos, in der Nähe der Akropolis von Athen, die Umge-bung einer kleinen byzantinischen Kirche mit Fussweg,Eingangstor und anderen kleinen Bauten gestaltet. Dimit-ris, noch eher als Wright, war hier als «Weber» tätig, derLandschaft, Vorgefundenes und Neues in einer bunten Er-zählung zusammenwebte. Ähnlich arbeitete Carlo Scarpamit historischen Mauerfragmenten und neuen Schichtenim Castelvecchio von Verona. Auch Dominikus Böhm, Ru-dolf Schwarz oder Heinz Bienefeld verwendeten dekora-tive Mauerkleider, oft mit Schrägschichten, Rollschichten

und Stürzen, um die Unabhängigkeit der Schale von derUntermauerung vor Augen zu führen. Die Fassaden derMarkuskirche von Sigurd Lewerentz in Björkhagen(1956–60) zeigen wieder eine andere Strategie: Die hori-zontalen Fugenschichten erreichen die Höhe der Stein-schichten. Dadurch wirkt der Backstein «entspannt», alswäre er ein völlig anderes Material als der Stoff, aus demz.B. das Monadnock-Gebäude in Chicago gebaut wurde,ein archaischer Wolkenkratzer, der in der Ära der Skelett-bauten auf Wunsch des Bauherrn als Backsteinmauer-werk gebaut wurde. Dort gelang es, den enormen Druckoptisch zum Ausdruck zu bringen .

Die textile Haut entsprach der vom amerikanischen Ar-chitekten Robert Venturi propagierten Idee des «decorated

Abb. 6: BacksteinornamentikLouis Henry Sullivan: National Farmers’ Bank, Owatonna (USA) 1908

Abb. 8: Ineinanderweben von Umgebung und BauwerkDimitris Pikionis: Weggestaltung und Renovierung der Kirche St. DimitrisLumbardiaris, Hügel Philopappos, Athen (GR) 1957

Abb. 7: Wrights zweites «textile-block»-Haus in Los AngelesFrank Loyd Wright: Storer Residence, Hollywood (USA) 1923

Page 5: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

26

Einführung

shed». Das Venturi-Büro, eine ideenreiche Werkstatt derPostmoderne, hat statt der ornamentalen Gestaltung derBaumasse eine durchaus rationale (und der amerikani-schen Billboard-Kultur entsprechende) Trennung von Bau-körper und Bedeutungsträger angestrebt. Die Fassadenvieler Bauten des Büros sind grossformatige Tafeln, mit ei-nem naiv-ironisch wirkenden Blümchenmuster überzo-gen. Die dekorativen Ziegelfassaden des texanischen Ar-chitekturbüros von Cesar Pelli betonen ebenfalls, dass dieäussere Haut eine Schale ist – wie fast alle Mauerwerkespätestens seit der Ölkrise, als die neue Wärmeschutzver-ordnung massive Vollmauerwerke unrentabel machte.

Das Mauerwerk als Hülle wird in den Werken derKünstlergruppe SITE um James Wines zum Emblem derKonsumgesellschaft, sein Charakter als unechte, aufge-klebte, sich vom Grund ablösende Dekorationsschichtwird in mehreren Warenhausprojekten thematisiert. Einesolche Vorarbeit war wohl notwendig, um dann jeglicheMoralisierung über Bekleidung als Täuschung, über Mau-erwerk als Maske fallen zu lassen. In der heutigen Archi-tektur wird die Materialwahrheit des Mauerwerks oft alsMythos verstanden – ganz im Sinne der SITE-Gruppe, nurweniger plakativ. Urs Burkard und Adrian Meyer stellenmit ihrem Dienstleitungs- und Verwaltungszentrum inWinterthur (1999) die Frage, ob ein Fassadensystem mitim Werk vorgefertigten Backsteinpaneelen trotz der indu-

Abb. 9: Historische Mauerfragmente, neueSchichtenCarlo Scarpa: Rekonstruktion des Castelvecchio vonVerona (I) 1958–74

Abb. 10: Fugenbreiten erreichen die Höhe ein-zelner Ziegel Sigurd Lewerentz: Markuskirche in Björkhagen beiStockholm (S) 1960

Abb. 11: Höchste selbsttragende Backsteinfassade der WeltBurnham & Root: Monadnock Building, Chicago (USA) 1884–91,Erweiterung: Holabird and Roche1893

Page 6: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

27

Einführung

striellen Technologie noch das Pathos des Handwerk-lichen braucht, oder – vielleicht auf den zweiten Blick,dank der ungewöhnlichen Präzision und der Fugen zwi-schen den Paneelen – dem modernen Ideal eines von derManufaktur emanzipierten Baustoffs Ziegel (im Sinne vonErnst Neufert) näherkommt. Die Tragstruktur des Mehrfa-milienhauses von Urs Burkard und Adrian Meyer in Baden(2000) besteht aus dem Mauerwerk der Fassaden, demErschliessungskern aus Beton bzw. den OrtsbetondeckenDie markanten Deckenstirnelemente erlauben die Stape-lung der Scheiben der einzelnen Geschosse, indem ge-schlossene Mauerwerkscheiben und grosse Fenster-öffnungen etagenweise verschoben auftreten können.

Vom Schweren: Die Mauer, das HandwerkIn Sempers System der Urtechniken ist Stereotomie einarchaisches Element. Die wuchtigen Erdaufwürfe und Ter-rassen haben nicht die antropomorphischen, organischenZüge der anderen Komponenten des Bauwerks, sonderneher eine unbelebte, mineralische Qualität, die höchstensrhythmisch unterteilt ist. Die Stereotomie arbeitet mitWerkstoffen, «die wegen ihres festen, dichten und homo-genen Aggregatzustandes dem Zerdrücken und Zerknik-ken starken Widerstand leisten, also von bedeutenderrückwirkender Festigkeit sind, die sich durch Abnehmenvon Theilen der Masse zu beliebiger Form bearbeiten undin regelmässigen Stücken zu solchen festen Systemen zu-sammenfügen lassen, wobei die rückwirkende Festigkeitdas wichtigste Prinzip der Konstruktion ist.»10 Die archai-sche Funktion der Stereotomie ist die Darstellung des«festen Quaderbaues der Erde», eine artifizielle Erhöhung,die als Weiheplatz dient, auf den man einen Altar stellenkann. Das Sinnbild des stereotomischen Mauerwerks istder «urthümlichste und einfachste Bau»: der «Rasen-be-kleidete und so in Etwas gefestigte Erdhügel».11 Es gehtalso hier um Hohlkörper, «Zellenstrukturen» – Semper be-tont, dass die Wurzel des Wortes konstruieren, «struere»,die Ausfüllung der hohlen Zwischenräume bedeutete.12

Giovanni Battista Piranesi hat die vier Bände seiner Anti-chità Romane der überwältigenden Wirkung kolossalerMauerwerke der Festungen «Carceri d’invenzione» ge-widmet. Seitdem wird Mauerarchitektur mit der unterirdi-schen Atmosphäre von Gefängnissen assoziiert. Dies ent-sprach auch der Konstruktionsweise der Befestigungen;die Etymologie des Wortes Mauer beweist dies: «mei-/moi-» bedeutet befestigen. Mauerkonstruktion war alsoursprünglich die Auffüllung der Befestigungen; im Unter-schied zum Flechtwerk der Wände eine schwere körperli-che Arbeit, bestimmt für den Mann, im Gegensatz zurKunst des Webens und Flechtens.

Fritz Schumacher spricht in seinem Buch «Das Wesendes neuzeitlichen Backsteinbaues» sogar von zwei «Back-stein-Welten», einem okzidentalischen und einem orienta-lischen Modell des Mauerwerks: «Der Hauptunterschied

liegt darin, dass im Gegensatz zu unserer struktiven Ge-staltungsweise die flächenschmückende Gestaltung denAngelpunkt und die Glanzleistung dieser islamischen Bak-ksteinkultur darstellt. Das ist angesichts der Teppich-

Phantasie der morgenländischen Künstler keine Überra-schung.»13

Entsprechend wird im «struktiven», schweren Mauer-werk auch die Fuge, das «schwache» Element des Mauer-werks, anders interpretiert. Im Konzept Sempers ist dasFugennetz das Abbild der rhythmischen Reihung der Kno-ten des Teppichs oder des Flechtwerks. Rudolf Schwarzassoziiert dagegen in seinem zitierten Werk die Fugen mitdem kosmischen Prozess des Erdbaus: «Der irdische Bauist waagrecht geschiefert und durchfugt und senkrechtgefasert. Seine Gliederung erhält das Geschichtete durchdie Fugung. Die Fuge ist der raumlose Ort, wo sich eineSchicht gegen die andere ansetzt, ein Drittes.»14

Das Pathos des Mauerwerks als Folge ehrlicher Hand-werksarbeit im Dienste einer nationalen Ideologie schreitaus jeder Zeile des Buches «Mauerwerk», das von WernerLindner und Friedrich Tamms veröffentlicht wurde. «Wirhaben gelernt, die Naturkräfte zu meistern, aber habendie Ehrfurcht verloren», behaupten die Autoren, um dieZiele klar formulieren zu können: «Die Entwicklung desHandwerks des Mauerns zeigt den Weg, den die ganzeKultur beschreiten wird.»15 Hier geht es nicht um eine äs-thetische Forderung, sondern um eine unentbehrliche Ge-

Abb. 14: Kolossale HausteinmauerGiovanni Battista Piranesi: Grundmauer desTheaters vin Marellus in Rom

Abb. 15: Zyklopenmauer antikes Apollo-Heiligtum, Delphi

Abb. 13: Vorgefertigte BacksteinpaneeleUrs Burkhard, Adrian Meyer: Dienstleistungs- undVerwaltungszentrum, Winterthur (CH) 1999

Abb. 12: Backsteinmauer als ablösbare HautSITE: Peeling project (Best Warenhaus), Richmond,Virginia (1971–72)

Page 7: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

28

Einführung

sinnungspflege. «Ist solche Gesinnung erst wieder auchim bescheidensten Handwerker geweckt und gefestigt,dann erfüllt sie ihn mit der wahren Schaffensfreude; dannwerden der Werkende und das Werk wieder eins: Und dastut not!»16 Lindner und Tamms beginnen ihre Erzählungmit den Futtermauern der Weinbergstufen am Rhein, umdie Anfänge einer «bis zur höchsten Vollendung gestei-gerten Formkraft» zu zeigen – die dann im 19. Jahrhun-dert zusammenbricht. Das «Verlangen zurück zu den We-sensgrundlagen allen guten Gestaltens» macht es not-wendig, gute und schlechte Beispiele von Mauerwerkennach dem bewährten Heimatschutzmuster von PaulSchultze-Naumburgs Kulturarbeiten zu vergleichen.

Wir können diese Argumentation zur Idee derMaterialwahrheit zurückverfolgen. John Ruskin verband inseinen verschiedenen Schriften die Forderung nachMoralität mit ästhetischem Ausdruck. In der amerikani-schen Architektur des späten 19. Jahrhunderts entstan-den wuchtige Mauerwerke aus Granit und Backstein alserste Ergebnisse der Suche nach einem nationalen Bau-stil, der als «amerikanisch» empfundene Eigenschaftenwie Originalität, rohe Kraft oder Naturverbundenheit aus-zudrücken vermag. Die ersten, einflussreichen Beispieledieser Richtung sind die Bauten von Henry Hobson Ri-chardson in den Vereinigten Staaten, wie das Ames GateHouse, North Easton (1880–81), und der Gerichtshof vonAllegheny County, Pittsburgh (1883–88).

Die moderne Vorstellung von der wahren Identität desMaterials, die den Charakter eines Mauerwerks bestim-men soll, hat die Bekleidungsästhetik Semper’scher Prä-gung zunehmend verdrängt. Die Frage, warum eine Klin-kerverkleidung als Materialwahrheit gefeiert, aber einePutzschicht als Täuschung abgelehnt ist, wurde nicht ge-stellt. Ein Problem wurde jedoch schnell erkannt: Mit dermaschinellen Massenherstellung des Bausteins ver-schwinden jene individuellen Unregelmässigkeiten desMauerwerks, die immer als Zeichen einer handwerklichen«Ehrlichkeit» goutiert waren. Architekten betrachteten(wie Ruskin früher) «das Streben nach Exaktheit» als «dieQuelle des Übels», als die Ursache der Eintönigkeit undder Langweiligkeit der Ziegelarchitektur der Jahrhundert-wende. Materialgerechtheit, Ehrlichkeit waren nichtsmehr als Codewörter, die die Nostalgie kaschieren sollten.

Die «Backsteinmüdigkeit» wurde um die Jahrhundert-wende als Folge technischer Perfektion, des Strebensnach Reinheit erkannt. Viele Architekten schlugen dienachträgliche, handwerkliche Bearbeitung der Mauer-flächen vor. Der Vorteil dieser Methode ist laut Walter CurtBehrendt, dass das «Ursprüngliche, Handwerkliche» ge-wahrt wird, was dem fertigen Bau eine gewisse Frische si-chert. Das Mauerwerk gewinnt laut Behrendt an künstleri-scher Ausdrucksfähigkeit, wenn seine Oberfläche nach-träglich bearbeitet wird. Die Herstellung von Ziegelprofilenam Bau – ein Vorschlag, der mit dem am Baugerüst auf der

Fassadenfläche Ornamente meisselnden Bildhauer unter-strichen ist – bedeutet, dass der Bauprozess nicht ratio-nalisiert, industrialisiert werden soll, sondern ein indivi-dueller schöpferischer Akt bleiben soll. In diesem Sinnewurden die Ziegelfassaden des Ledigenheims von Theo-dor Fischer in München (1925–1927) mit figuralen Dar-stellungen «individualisiert».

Fritz Schumacher dagegen erwartete die Lösung vomMaterial selbst: Für ihn war der Backstein ein Individuum,ein Erzieher, der – anders wie der Putzbau, der «allen gei-len Instinkten der Unfähigkeit und Anmassung» willig ent-gegenkommt – es nicht erlaubt, unreifen Launen Gestaltzu geben: «Es ist nicht so leicht, ihn für irgendein willkür-liches Lüstchen gefügig zu machen, sein ernstes Antlitzwiderstrebt der Prostitution, und so liegt in ihm ein natür-

Abb. 18: Die Kraft des Bossenmauerwerks, Ausdruck der StaatsgewaltHenry Hobson Richardson: Gerichtshof und Gefängnis von Allegheny County,Pittsburgh (USA) 1888

Abb. 17: Suche im Naturverbundenen als Ausdruck für einen nationalenBaustil der Vereinigten Staaten von AmerikaHenry Hobson Richardson: Ames Gate House, North Easton (USA) 1881

Abb. 16: Mauerwerk Berlin (1937)Vergleich von Mauerwerken aus: Werner Lindnerund Friedrich Tamms

Page 8: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

29

Einführung

licher Damm gegen das Überschäumen unverstandeneroder abgestandener Unternehmerphantasie.»17

Die Bauten Schumachers werden heute vor allem ausder Perspektive der Reformbewegung der Jahrhundert-wende untersucht, und es werden deshalb vor allem seinefrühen, dekorativen Backsteinfassaden reproduziert, ob-wohl seine um 1928–1930 entstandenen Schulen her-vorragende Bespiele des modernen Mauerwerks sind(Volksschule Wendenstrasse, Hamburg-Hammerbrook1928–1929). Stein- oder Backsteinmauern waren Stief-kinder der modernen Bewegung, zu viele Schichten habendie Reinheit des «internationalen Stils» kontaminiert, diedie reine Fläche mit Land, Region, Zeit oder Arbeit in Ver-bindung gebracht hätten. Zeit ist hier nicht nur als Stil-epoche zu verstehen. Sie ist in Form von Ablagerungenund Verschmutzungen präsent, die die Oberfläche einestraditionellen Mauerwerks bereichern, aber den Purismusder klassischen Moderne zerstören würden.

Und doch haben Architekten der klassischen Modernewie Hugo Häring, Mies van der Rohe oder Alvar Aalto auchBauten mit Ziegel- oder Steinmauern gebaut. Die Bak-ksteinmauern von Mies van der Rohe, wie sie etwa in denbekannten Publikationen von Werner Blaser gezeigt wer-den, sind geeignet, Präzision als eine sublime Qualitätauch zeichnerisch zu vermitteln. Bei Aalto geht es aller-dings um eine andere Frage. Indem er die Idee der «flexi-blen Standardisierung» verfolgt, die wie die Zellen der Le-bewesen eine Vielzahl der Formen erlaubt, findet er denBackstein als einen gemeinsamen Nenner, der sowohl dieWerte der Massenfertigung und Mechanisierung als auch

der Wärme und Lokalisierbarkeit, Zeichen für einen«neuen Humanismus», miteinschliesst.

Diesen neuen Humanismus der Nachkriegszeit such-ten auch Louis Kahn und Eero Saarinen. Kahns Bibliothekder Philips Academy in Exeter, New Hampshire (1965–72), ist ein Kompromiss: Ursprünglich hat er massiveBacksteinmauern mit gewölbten Öffnungen vorgesehen,ausgeführt wurde ein Betonkern mit Backsteinschale. DieRegierungsbauten in Dakka (heute Sher-e-Bangla Nagar,1973–76) suchen bewusst die Verbindung zu einer piran-esischen Formensprache antiker Ingenieurbauten. Kahnbetonte in einem Interview den gesuchten Kontrast zwi-schen der Grobheit der Viaduktarchitektur und der Fein-maschigkeit der Bauten der menschlichen Institutionen.18

Diese ästhetische und zugleich soziale Vision war auch einThema vieler amerikanischer Studentenheime der Nach-kriegszeit. Die Atmosphäre einer befestigten Stadt wollteEero Saarinen im Campus der Yale-Universität erwecken:Die Bauten des Ezra Stiles College und Morse College(1960) sind gegossene Betonwände mit grossenNatursteinbrocken, die im Aggregat «schwimmen». Saari-nen meinte, dass einer der Gründe, warum die moderne

Architektur keine Mauerwerke verwende, der Anachro-nismus der handwerklichen Ausführung sei: «Wir fandenjedoch eine neue Technologie, um diese Mauer herzustel-len (...) Diese sind Mauerwerke ohne Maurer, ‹moderne›Mauerwerke.»19

Ziegel im Vergleich zu Beton oder sogar Stein ist keingeeignetes Material, um Räume zu überdecken. Das

Abb. 19: Nachträglich behauenes BacksteinmauerwerkTheodor Fischer: Ledigenheim in München (D) 1927

Abb. 20: Beispiel eines modernen Gebäudes in SichtmauerwerkFritz Schumacher: Volksschule Wendenstrasse, Hamburg-Hammerbrock (D) 1929

Page 9: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

30

Einführung

kleine Format der Ziegelsteine macht entweder die Ver-wendung von Ziegelgewölben oder eine zusätzliche Ver-stärkung wie Eisenarmierung oder Betongerippe notwen-dig. Entsprechend seiner Überzeugung, dass es geradedie Schwächen sind, die Leistung herausfordern, meinteSchumacher, dass von einem ästhetischen Standpunktaus die Kunst der Schalengestaltung wohl «der Höhe-punkt aller Möglichkeiten» ist, die der Backsteinbau be-sitzt.20 Zu den Höhepunkten der Schalengestaltung gehö-ren zweifelsohne die Werke des uruguayischen Archi-tekten Eladio Dieste, der das konstruktive Denken von An-toni Gaudí fortsetzte. Dieste hat Konoidflächen und dop-pelt gekrümmte, freistehende Ziegelschalen verwendet(Kirche in Atlántida, 1960). Er hat ein Vokabular der Struk-turformen für Mauerwerke entwickelt, die rational und zu-gleich ausdrucksstark sind, wie die Konstruktionen Gau-dís. Damit wendet er sich gegen die herrschende Denk-

weise der grossen Firmen, bei welcher Rationalisierungund Effizienz nichts anderes als Routine, Bürokratie unddie unflexible Anwendung vorhersagbarer Lösungen be-deuteten. Es ist akkumuliertes Kapital und nicht Effizienz,die laut Dieste die Denkweise solcher Organisationen be-stimmt. Deshalb geht er den anderen Weg, indem er einarchaisches Material mit konstruktiver Intelligenz verwen-det, anstatt die neuesten Entwicklungen der Materialfor-schung als «veneer», dünne Bekleidungsschicht, einzu-setzen.

Der Hemmungswiderstand des MauerwerksDie rein dekorative Verwendung von Backsteinmauernlässt sich mit historischen Assoziationen immer verteidi-gen. Für einen Künstler wie Per Kirkeby, der Mauerwerkeals Kunstwerke baut, ist dies viel schwieriger – das Werkmuss in sich bestehen, auch als Fragment überzeugendund abgeschlossen wirken. Das Mauerwerk in seinemDoppelwesen von struktureller Reinheit und handwerk-licher Kontaminierung eröffnet weite historische Perspek-tiven. Ein Künstler wie Per Kirkeby findet gerade dadurchseine Identität: «Der Ziegelstein und seine Regeln, derVerband also und was sonst noch zu diesem tausendjäh-rigen Handwerk gehört, sie bildeten eine reine Struktur,die ganz dem, was man konzeptuelle Vorstellungennannte, entsprach. Und andererseits war der Backsteinvoller Assoziationen und Hinweise auf die grosse, histori-sche Architektur mit ihren Ruinen und anderen Versatz-stücken, den Nebelschwaden und dem Mondlicht. Und fürmich voller Assoziationen zu Kindheitserlebnissen imSchatten gewaltiger Brocken von Backsteingotik.»21

Ein früher Versuch, die Idee der Standardisierung miteiner verstärkten Materialpräsenz zu verbinden, war Ba-ker House, das Studentenheim von Alvar Aalto am Cam-pus des Massachusetts Institute of Technology (1946–49). Aalto wies darauf hin, dass in der Natur Standardisie-rung «bei den kleinsten Einheiten, den Zellen» vorkommt.«Dies hat Millionen von elastischen Verbindungen zurFolge, in denen kein Formalismus zu finden ist. Darausfolgen auch der enorme Reichtum und die ewige Ab-wechslung der organisch wachsenden Formen. Densel-ben Weg muss auch die architektonische Standardisie-rung beschreiten.»22

Wie könnte jedoch ein Ziegelstein dieselbe «elastischeSeele» haben wie ein Wechseltierchen? Aaltos Ent-scheidung, deformierte, verbrannte Steine zu verwenden,ist eher eine metaphorische Darstellung des Problems als

Abb. 21: Grösstmögliche Öffnung...Louis I. Kahn: Bibliothek der Philips Academy inExeter (USA) 1972

Abb. 23: Nicht gemauertes MauerwerkEero Saarinen: Ezra Stiles College und Morse College der Yale-Universität (USA) 1960

Abb. 24: Geschwungene ZiegelschalenEladio Dieste: Kirche in Atlántida (Uruguay) 1960

Abb. 22: ...versus Geschlossenheit einer Festung Louis I. Kahn: Regierungsbauten in Dakka, heute Sher-e-Bangla Nagar (Bangla Desh) 1976

Page 10: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Mauerwerk

31

Einführung

Anmerkungen1 Werner Lindner, Friedrich Tamms: Mauerwerk

Berlin 1937, S. 8.2 Georg Simmel: «Die Ruine», in ders., Philo-

sophische Kultur (Berlin 1998), S. 119.3 Rudolf Schwarz: Von der Bebauung der Erde

Heidelberg 1949), S. 22-23.4 Gottfried Semper: Der Stil in den technischen

und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik (...) Bd. II, S. 209.

5 Gottfried Semper: «Vergleichende Baulehre», in Wolfgang Herrmann: Gottfried Semper – Theo-retischer Nachlass an der ETH Zürich. Katalog und Kommentare, Basel 1981, S. 199. Anm.

6 Gottfried Semper: Der Stil, Bd. I, S. 180.7 Fritz Schumacher: Das Wesen des neuzeitlichen

Backsteinbaues, München o.J. (1920), S. 19.8 Louis Henry Sullivan: «Artistic Brick» in: Robert

Twombly (Hrsg.), Louis Sullivan, The Public Papers» Chicago and London. The University of Chicago Press, 1988, S. 202.

9 Frank Loyd Wright: «La Miniatura», in ders.: Schrif-ten und Bauten, München, Wien 1963, S. 164.

10 Semper: Der Stil, Bd. II, S. 351.11 Ebenda: S. 378.12 Ebenda: S. 381, Anm.13 Schumacher: op. cit., S. 116.14 Schwarz: op. cit., S. 24.15 Lindner/Tamms: op. cit., S. 8.16 Lindner/Tamms: op. cit., S.8.17 Schumacher: op. cit., S. 46.18 «...contrast of the toughness of the viaduct archi-

tecture and the gossamer delicacy of the buil-dings of the institutions of man», in John Peter:The Oral History of Modern Architecture,New York, Abrams 1994, S. 220.

19 Eero Saarinen on his Work, New Haven and London: Yale University Press 1962, S. 84.

20 Schumacher: op. cit. S. 105.21 Per Kirkeby: «Backsteinskulpturen», in ders.,

Kristallgesicht, Bern / Berlin 1990, S. 180.22 Alvar Aalto: «Die Entwicklung von Konstruktion

und Material...», in ders., Synopsis: Painting,Architecture, Sculpture» Basel, Boston,Stuttgart 1980, S. 29.

23 Sigfried Giedion: Raum, Zeit, Architektur. Die Entstehung einer neuen Tradition, 4. Auflage Zürich, München 1989, S. 376 f.

dessen Lösung. Er weist damit auf archaische Formen derZiegelarchitektur hin, auf die massiven Mauern, die ausamorphen, luftgetrockneten Ziegelklumpen gebaut wur-den. Die Steine des Baker House, nach seinen Worten die«lousiest bricks of the world», sind Elemente dieses al-chemistischen Prozesses, in dem das Vulgäre und Wert-lose in der erstrebten Harmonie eine wesentliche Rollespielen. Aalto vermied eine Entweder-oder-Stel-lungnahme für das Neueste oder das Archaischste; Archi-tektur verbindet die zwei und ist keines von beidem. Es istwesentlich, dass sein Werk kein individueller Protest blieb:Siegfried Giedion reagierte in seiner Geschichts-schreibung der Moderne sofort mit der Einführung von «Ir-rationalismus» in sein Vokabular. Die Materialität der Fas-sade übt einen Hemmungswiderstand aus angesichts derdrohenden Auflösung der Architektur in den von ErnstNeufert vorgeschlagenen allumfassenden Raumrastern.Dieser Widerstand des Werkstoffes ermöglicht es Aalto,seine Idee von Standardisierung als Opposition zur restlo-sen Verfügbarkeit der Architektur im Dienste technizisti-scher Ansprüche zu konzipieren.

Auf den ersten Blick erscheint Baker House mit derstarken Materialwirkung seiner Fassade verwandt mitheutigen Bestrebungen, Materialität zu inszenieren. Wirspüren andererseits, dass die Aura des Sakralen, heute oftdas Ergebnis semantischer Bereinigungsversuche, AaltosStudentenheim nicht umgibt. Die «lausigsten Ziegel derWelt» versetzen den Mauerverband mit so viel lokalerErde, dass jeder Traum von Rückzug in einen reinen Zu-stand eine Illusion bleiben muss.

Eine andere, ernst zu nehmende Alternative ist heutedie Revision der Situation, die mit der Einführung derneuen Wärmeschutzvorschriften nach der Ölkrise ent-stand. Die Verwendung von Vollmauerwerken mit hoherWärmespeicherkapazität, kombiniert mit entsprechendenHeizsystemen, die gerade diese Eigenschaft des Mauer-körpers benützt, kann massive Mauern wieder sinnvollmachen. Die Kunstgalerie in Marktoberdorf, Bayern, ent-worfen vom Büro Bearth & Deplazes (2001) besteht – wiedas System der mittelalterlichen Donjons und Stadt-befestigungen – aus Hallenräumen und Mantelräumen.Letztere sind an der Peripherie der Volumina angeordneteTreppen und Zwischenräume, womit die von Kahn ange-strebte Trennung von «dienenden» und «bedienten» Räu-men erreicht wird.

Das Pathos des Mauerwerks muss also nicht zwangs-läufig zur Neubelebung metaphorischer Qualitäten wieHandwerklichkeit, Regionalismus oder – als Antwort aufdie zunehmende Mediatisierung der Architektur verstan-dene – Schwere führen. Die genau und richtig gestelltenFragen addressieren Themen der Nutzung und Herstel-lung aus der Perspektive der Rationalität, nicht derRomantik. Wenn das Denken bei bequemen Konventionen

nicht Halt macht, wird das Mauerwerk aus metaphori-scher Darstellung der Fragen zur genauen Antwort.

Abb. 25: Organische Form unter Gebrauch der immer gleichen kleinsten«Zelle»Alvar Aalto: Baker House, Massachusetts Institute of Technology, Cambridge (USA) 1954

Abb. 26: Verstärkte Materialpräsenz durch die Verwendung von deformierten,«misslungenen» ZiegelnAlvar Aalto: Baker House, Massachusetts Institute of Technology,Cambridge (USA) 1954

Page 11: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Beton

57

Einführung

Rohbauten in Stahlbeton prägen den Alltag unsererStädte. Wann immer es möglich ist, setzt die Bauindustriedieses Konstruktionsmaterial ein. Es ist relativ kosten-günstig im Vergleich zu anderen Baumethoden, denn derArbeitsfortschritt auf der Baustelle ist effizient und bedarf(scheinbar) keiner hochwertigen Spezialisten für die Ver-arbeitung. Stahlbeton ist schlichtweg zum Baumaterialdes 20. Jahrhunderts geworden – und zum Inbegriffmassloser Bautätigkeit: Die «Verbetonierung der Umwelt»ist ein sprichwörtliches Schimpfwort, das die Zerstörungvon Landschaft, Natur und Lebensraum anprangert.

Je weniger vom Stahlbeton allerdings wahrnehmbarist, wenn er also nur als «konstruktives Zweckmaterial» fürentsprechende Ingenieur- oder eben Rohbauten einge-setzt und später noch verputzt wird, umso eher scheint erakzeptiert zu sein (ob aus Resignation oder Desinteresseist gleichviel, denn oft scheint sich keine konkurrenzfähigeAlternative zum Beton anzubieten). Ganz anders verhält essich mit dem Stahlbeton, der sichtbar in Erscheinung tre-ten soll, mit dem so genannten «Sichtbeton».

Um die Besonderheit des Sichtbetons zu bemerken,müssen wir uns von der heute üblichen pragmatischenSichtweise distanzieren. Nur schon die Bezeichnung«Sichtbeton» lässt aufmerken: Sofern es den unsichtbarenBeton nicht gibt – was wird dann am Beton sichtbar? Undwenn der Stahlbeton nicht sichtbar, sondern als «kon-struktives Zweckmaterial» eingesetzt wird – wie wirkt ersich auf die Entwicklung und Gestaltung von «Form» aus?

OberflächeAm Sichtbeton wird sichtbar – die Betonoberfläche. Diesescheinbar lapidare Feststellung wird bedenkenswert imVergleich zum Sichtmauerwerk: Das Sichtmauerwerkzeigt die Ordnung und Logik des Gefüges der Mauer-steine, der Verfugung und die Präzision und Abfolge desArbeitsprozesses. Der Mauerverband ist demnach mehrals die Summe seiner Teile, sein Gefüge wird als ästheti-sches Ornament wahrgenommen, das einen «wahrenSachverhalt» festhält oder abbildet. Louis Kahn argumen-tierte, das Ornament habe sich, im Gegensatz zur Deko-ration, die eine Applikation ist, eine «fremde» Hinzufügungalso, immer aus tektonischen Schnittstellen entwickelt biszu seiner Verselbständigung oder Eigenständigkeit (durchTransformation von Materialien und Emanzipation von ur-sprünglich konstruktiven Funktionen). Vor dem Hinter-grund einer solchen kulturellen Auffassung bedeutetÄsthetik: Schönheit ist der Glanz des Wahren (Mies vander Rohes Interpretation von Augustinus, auf die moderneBaukultur angewandt).Im Gegensatz dazu verhüllt der Sichtbeton – oder besser:die zwei bis drei Millimeter dünne Betonzementhaut –seine innere konglomeratische Beschaffenheit. Der Sicht-beton legt sein Innenleben nicht frei, sondern verbirgtseine Tiefenstruktur unter einer äusserst dünnen Ober-fläche. Sie abstrahiert und entzieht, was für die Sinnenachvollziehbar wäre: das Verständnis, wie der Beton zu-sammengemischt ist und «wie er wirkt». Und so wird er

Zur Metaphysik des Sichtbetons

Andrea Deplazes

Abb. 1: Schalungsbildsägerohe Bretter

Page 12: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Beton

58

Einführung

nicht als natürlicher Baustoff wahrgenommen, der er tat-sächlich ist, sondern als «künstliches, kontaminiertes Ag-gregat».

SchalungWährend also aus dem Inneren des Betonkonglomeratskeine sichtbaren «Gestaltungskräfte» an die dünnhäutigeOberfläche dringen, so zeigt sie trotzdem Textur – Spureneines Bauwerks, das nicht mehr vorhanden ist: die Scha-lung. Alles, was am Sichtbeton noch feststellbar ist, sind«Fingerabdrücke». Der Begriff Textur gehört zum selbenWortstamm wie Text oder Textil, Gewebe also, und ver-weist somit auf das, was im Voraus mit Filigranbau be-zeichnet wurde. Die Schalung aus Holz oder Stahl gehörtin diese Kategorie der Tektonik. Sie ist gerade in den An-fängen der Stahlbetontechnologie eine selbständige,meist kunstvolle Zimmermannsleistung auf Zeit (z. B. Ri-chard Corays Lehrgerüstbauten für Brücken). Schalungund Beton bilden ein scheinbar unauflösbares Junktim.

Da der Beton, um geformt zu werden, in eine Schalunggegossen werden muss, stellen sich drei Fragen: Ist nichtjeder Beton am Schluss Sichtbeton? (Wie klassifizierenwir die Qualität der Betonoberfläche?) Nach welchen Kri-terien entwickelt sich die Form der Schalung? (Wie wirktsich Material und Technik des Schalungsbaus auf dieGussform des Betons aus?) Ist es nicht sonderbar, einephemeres Bauwerk (Filigranbau) zu erstellen, um darausein anderes (Massivbau) zu generieren? (Durch welche Ei-genschaften ist der Beton an seine Schalung gebunden?)

InkrustationDie römischen Baumeister versuchten, dieser metamor-phischen Unfassbarkeit dadurch entgegenzuwirken, in-dem sie das Wesen des Betons «offen legten», und seinepragmatische Komponente, das lapidare Gemisch ausKies, Sand und Zement, kaschierten: Das opus caementi-tium ist ein Verbundwerk aus «verlorenen» Mauerschalenin Stein oder Ziegel und innerem Kern aus Schüttgut vonBeton. Beton ist ja nichts anderes als das Material derMauerschalen in verschiedenen Korngrössen, versehenmit geeigneten Bindemitteln wie gelöschtem Kalk oderZement, das mit Wasser zu einem Brei vermengt wird.

Es ist offensichtlich, dass wir es wie beim Lehmbaumit einer der ursprünglichsten Schöpfungen des Erdwerkszu tun haben: Der formlose Erdbrei wird im aufgeschich-teten Steinbau ausgewiesen. Diese Form des Sicht-betonbaus hat sich z. B. mit den Viadukten der RhätischenBahn bis in unsere Zeit erhalten. Es ist die Verleihungsichtbarer Form und Ausdruck für ein Materialgemisch,das keine eigene Formqualität besitzt, im Sinne einer«Interpretation» des Betonsediments durch die Technikder Inkrustation: eine Art «verlorene, steinerne Schalung»aus Naturstein- oder Ziegelmauerwerk, die gleichzeitig alssichtbare Oberfläche eine gestaltprägende Kruste bildet.

TransformationDer andere, bereits angesprochene Weg einer «Strategiedes Schalungsbaus» führt über den Holzbau und die Zim-mermannskunst, also über die Tektonik, die ihre eigenenkonstruktiven Gesetzmässigkeiten kennt und von daherbereits den Formfindungsprozess des Betongusses be-einflusst. Dem Holz ist zudem ein vergänglicher, provisori-scher Charakter eigen, der die Verwendung von Holzscha-lungen zu präjudizieren scheint. Es gehört in unseremWeltbild offenbar zum ethischen und religiösen Ver-ständnis von Natur und Leben, dass Dauerhaftigkeit nurüber Vergänglichkeit und laufende Erneuerung (Optimie-rung) zu erreichen sei.

Damit wird, bewusst oder nicht, ein Transformations-prozess ausgelöst, denn die Übertragung des Holzbausauf den Steinbau ist ein weiteres grundlegendes Themader morphologischen Entwicklung in der abendländischenArchitektur. Obwohl wie beim Beispiel antiker Tempel dieGesetzmässigkeiten des Steinbaus angewendet werden,bleiben die Formen ursprünglicher Holzbautechnik als or-namentale Stilelemente sichtbar, oder anders ausge-drückt: Der technologischen Immanenz, die drängend vor-anschreitet, steht die kulturelle Permanenz widerspenstigentgegen.

Nicht anders beim Sichtbeton, wo im simplen Vorgangdes Ausgiessens der Schalung der Abdruck eines Holz-bauwerks manifest wird, obwohl der in seiner Schale er-starrte und erhärtete Betonbrei nichts mit Holz zu tun hatund alles andere als ephemer ist.

Ein glatter Widerspruch zur plastisch-kubischen Formeines «Beton-Räumlings», der überdies wie aus Stein ge-gossen scheint?

MonolithDie monolithische Wirkung von Sichtbeton lässt ein Bau-werk wie einen bearbeiteten Rohling oder eine Plastik er-scheinen, ein Werkstück also, das durch Subtraktion vonMaterie aus einem Block gewonnen wird. Dies gelingt be-sonders dann sehr gut, wenn die Arbeitsspuren des Beto-niervorgangs, die Betonetappen, unterdrückt werden oderin der dichten Textur der Schalungsspuren untergehen.Diesem Charakter steht in Tat und Wahrheit eine Vielzahladditiver Arbeitsprozesse entgegen!

Die Qualität der Schalung bzw. ihre Beschaffenheitkann den Charakter des ganzen Bauwerks entscheidendmitprägen: Mal ist sie raufaserig, ungehobelt, mit un-dichten Stossfugen und der Beton grob mit Kiesnesternversetzt, sodass mitunter doch das konglomeratartige ei-nes Sedimentgesteins und die Metapher eines archai-schen Findlings spürbar wird wie beim «Haus Allemann»in prekärer Topographie von Rudolf Olgiati. Mal ist siehautartig glatt, sodass die Schalungsstösse wie Zeltnähteerscheinen und dem Sichtbeton jede «Schwere» entzie-hen wie im «Koshino House» von Tadao Ando, wo die

Abb. 2: Tadao AndoKoshino House, Ashiya, 1980

Page 13: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Beton

59

Einführung

kaum wahrnehmbare Unebenheit der Schalung und die«Überzähne» des Betons der Wand im Streiflicht textileStofflichkeit oder sogar «keramische Zerbrechlichkeit»verleihen.

HybridWir gingen von einer pragmatischen Arbeitstechnik ausund finden ein unerwartet komplexes Resultat: Das Bau-werk als schwerer Monolith stellt den einen dialektischenPol unserer Betrachtungen dar, indem es die wesentlichenEigenschaften der Erdwerk-Komponente des Sichtbetonsfesthält: Masse, Schwere, Plastizität, Körper, Dichte,Druck. Folglich, so vermuten wir, müsste die andere dem«Filigranwerk» entstammen, und dementsprechend lies-sen sich daraus neue Formfindungskriterien ableiten. DieKombination von Beton und Stahl führt im Grunde zu ei-nem einzigartigen Hybridstoff, bei dem der Beton fürDruckfestigkeit, der Stahl aber in Form eines Armierungs-netzes, eines tensilen Geflechts mit einem Minimum anMaterialaufwand, für Zugfestigkeit sorgt. Stahlbeton weistals einziger Werkstoff diese materielle und ideelle Bipola-rität auf, wobei die Zuweisung «hybrid» zu korrigieren ist:Die beiden morphologischen Komponenten existieren,sich gegenseitig ergänzend, auf unterschiedlichen «Be-wusstseinsebenen», sozusagen in ständiger Wechselwir-kung oder Transposition von einem System ins andere,vom bewusst Wahrnehmbaren ins Unbewusste und um-gekehrt. (Im Gegensatz zum Beispiel zum reinen Stahlbau,der im selben Tragelement Druck und Zug aufnehmenkann). Die Aussenform des erstarrten Betons ist sinnlicherfahrbar (Optik, Haptik, Akustik usw.) und hat jededumpfe Metaphysik, die ihm im embryonischen Zustandals Erdbrei anhaftete, abgestreift. In ihn eingebettetschlummert jedoch das cartesianische Netzwerk der Ar-mierung, dem Auge vollständig entzogen. Seine Anwe-senheit manifestiert sich in der Aussenform nur mittelbar.Es ist lediglich erahnbar und «spürbar», indem gerade diefiligransten Tragwerke in Sichtbeton die Gesetze der Phy-sik ausser Kraft zu setzen scheinen: Der ehemalsschwere, massige Monolith verliert seine Erdverbunden-heit und verwandelt sich in sein pures Gegenteil, in einstabförmiges Raumgitter z. B., eine blattartige Schale,eine vertikale Stapelung von dünnen Platten und Tragstä-ben usw.

In der Architekturtheorie von Carl Bötticher wurdendiese beiden «Bewusstseinszustände» definiert als «Kunst-form» (aussen, kulturell konnotiert, Tektonik) und «Kern-form» (innen, Funktion, Newton’sche Physik). Als gestalte-rische Bemessungsregel wurde die möglichst schlüssigeÜbereinstimmung der beiden Formen moniert, wobei der«Kern» als «wahrer Sachverhalt», von innen nach aussenreflektierend, mit seiner kunstvoll gefertigten Hülle oderOberfläche verschmelze und sich darin verpuppe und so-mit sichtbare Gestalt annehme (Ikonographie).

Diese Theorie und der Umstand, dass der Beton vonder rationellen Verfügbarkeit der Schalung abhängig ist,kommen der wissenschaftlichen, ingenieurmässigen Be-trachtungsweise des Kräfteflusses tief unter der Ober-fläche entgegen. Es handelt sich nämlich – technologischbedingt! – um die Verinnerlichung vormals sichtbarer tek-tonischer Formkriterien (z. B. die Veranschaulichung vonLast und Stütze im Formenkanon des antiken Tempel-baus), um eine Inversion von Form und Kern, sodass dieForm aussen bereinigt und dadurch abstrahiert wird (Bei-spiel: Morphologie der Säule). Der vormals sichtbare Aus-druck des tektonischen Kräftegleichgewichts an der Formwird wie ein umgestülpter Handschuh nach innen gekehrtund rationalisiert im Modell dreidimensionaler Span-nungstrajektorien, dem die Verdichtung und Bündelungder Armierung möglichst folgt und zu entsprechen sucht.

KnochenbautenHier liegt die Quelle eines Konsens, den Ingenieure zuräusseren Formfindung von Tragwerken wie z. B. bei Brük-ken oder Tunnelgewölben gerne vortragen, wenn sie diekomplexe Logik des Kräfteflusses als «Motor für die Form»darstellen.Tatsächlich entwickelt sich die Form jedoch vielöfter z. B. nach dem massgebenden kritischen Quer-schnitt eines statischen Bauteils und nach der ökono-misch einfachsten Verfügbarkeit des Schalungsmaterials.Dieses ist mittlerweile vom «verlorenen» zum «wieder-ver-wendbaren» mutiert und prägt dem Bauprozess einen ge-ordneten Ablauf (Schalungsetappen) und dem Bauwerkdie Spuren der Modularität von Schaltafeln und Grossflä-chenschalungen in Stahlblech auf. Der Kräftefluss wird je-doch entsprechend der auftretenden Kräftekonzentratio-nen durch Verdichtung und Verteilung der Armierung tiefim Beton drin organisiert, was sich höchst selten in deräusseren Form ausprägt.

Die auf diese Weise entstandenen filigranen Struk-turen scheinen der reinsten Wissenschaft zu entspringen,getragen vom Geist des Rationalismus, der mit Kalkül,Geometrie, Ordnung und Abstraktion operiert. Folgerichtigversucht man, am Sichtbeton alle «irdischen» Spuren zubeseitigen, ihn aus seiner primitiven Vergangenheit als«Erdwerk» zu einem glatten, nahtlosen, von keinem Ar-beitsprozess verschmutzten Artefakt zu transzendieren.

Aufschlussreich ist auch der Begriff «Knochen-bauten», den ich von verschiedenen Ingenieuren zur Cha-rakterisierung ihrer Brückenbauwerke hörte. Während imeinen Fall eine vollständige, elementare Versachlichung«von innen nach aussen» gemeint war, die sich nur durchäusserste Abstraktion der Form und die Reduktion auf dasnackte Traggerüst in Form einfacher geometrischer Ele-mente manifestiere, wird im anderen eine biomorpheAnalogie zum Skelett beschrieben. Der Knochenbau derNatur entwickelt sich jedoch selbstorganisierend entlangeinem Netzwerk aus Spannungstrajektorien. Seine Form

Abb. 3: Rudolf OlgiatiHaus Dr. Allemann, Wildhaus, 1968

Page 14: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Beton

60

Einführung

ist das unmittelbare Resultat daraus unter Berück-sichtigung der Position seiner Teile im statischen und dy-namischen Gesamtsystem «Skelett». Solche kongruentenÜbereinstimmungen von Ursache und Wirkung, Kraft undForm sind im Sichtbetonbau aus bereits genannten Grün-den nicht durchsetzbar und auch selten sinnvoll.

Befreiter BetonEine weitere Eigenheit ist zu diskutieren: Der Beton alsGemisch (Amalgam) hat keine implizite Form – kann alsojede denkbare Form annehmen. Genauso besitzt dasStahlgewebe der Armierung keine zum Voraus festgelegteBegrenzung, keinen «Rand». Dies impliziert die Möglich-keit freier, biomorpher Formbarkeit von Stahlbeton, ähn-lich, wie wenn man einen Klumpen Ton von Hand model-liert. In Tat und Wahrheit muss im Fall des Stahlbetonsdazu aber die «Sperrigkeit» der Schalung überwundenwerden, die ihr eigenen Gesetzmässigkeiten eines tekto-nisch starren Gefüges. Das ist zwar machbar mit den Mit-teln der Verleimungstechnologie im heutigen Holzbau(Formsperrholz) oder mit Kunstfasertechnik, aber unterdem Diktat der Ökonomie schwierig. (Beispiel: Observato-rium «Einsteinturm» von Erich Mendelsohn, projektiert inStahlbeton, ausgeführt schliesslich als verputzter Bak-ksteinbau).

Bleibt nur eine letzte Konsequenz: Der Beton müsstevon seiner Schalung – diesem tektonischen, technologi-schen und ikonographischen Korsett - befreit werden!Das flexibel biegbare, relativ stabile Armierungsnetz undSpritzbeton (so genannter «Gunnit») bieten die Mitteldazu. Allerdings hat der Einsatz dieser Technik als Sicht-beton bisher keine nennenswerten Spuren in der Archi-tektur hinterlassen – bis auf ein paar klägliche Ausstaffi-erungen provinzieller Landdiscotheken. Dort wird der be-freite Sichtbeton allerdings wieder in sein primitives Ur-sprungsgebiet zurückgeführt – als Metapher der dump-fen, platonischen Erdhöhle.

Fazit1. Obwohl die Gestaltung und die Formentwicklung desSichtbetons mit rationalen und technischen Gründen be-legt werden, finden laufend irrational anmutende Bau-prozesse statt.

2. Der Sichtbeton ist der Endzustand verschiedenerTransformationsprozesse und Metamorphosen, dieSpuren hinterlassen haben (eine Art «Gedächtnis» odermemoria vorheriger Aggregatszustände).

3. Zwischen Aussenform und «Innenleben» herrscht eineprekäre Kongruenz. Die dünne Oberfläche des Sichtbe-tons spielt dabei selten die Rolle der ikonographischenVermittlerin.

4. Die Qualität der Betonoberfläche charakterisiert dasGesamtbauwerk im Rahmen seiner architektonischenThematik. Sie tendiert entweder zur Archaik oder zur Ab-straktion.

5. Form ist per Definition die bereits erfolgte Syntheseverschiedener Einflussparameter, wobei die technologi-sche Immanenz der kulturellen Permanenz selten ent-spricht.

6. Die Betonform ist relativ gegenüber dem innerenKräftefluss: Dieser wird entweder als konstruktiv-ideellesGleichgewichtssystem interpretiert oder als naturwissen-schaftlich-reelles Spannungsmodell gelesen.

7. Jeder Beton zeigt eine Sicht.

Abb. 6: Erich MendelsohnEinsteinturm, Potsdam, 1914

Literatur- Carl Bötticher: «Die Tektonik der Hellenen», Potsdam 1852- Louis I. Kahn: «Die Architektur und die Stille. Gespräche und Feststellungen»,

Basel 1993- Fritz Neumeyer: «Ludwig Mies van der Rohe. Das Kunstlose Wort. Gedanken zur

Baukunst», Berlin 1986- Werner Oechslin: «Stilhülse und Kern: Otto Wagner, Adolf Loos und der evolutionä-

re Weg zur modernen Architektur», Zürich 1994- Gottfried Semper: «Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten..., 1.

Band, Frankfurt a.M. 1869, 2. Band, München 1863- Eugène Viollet-le-Duc: «Definitionen. Sieben Stichworte aus dem Dictionaire rai-

sonné de l’ architecture», Basel 1993- Urs Widmer: «5 Schweizer Brückenbauer: Othmar H. Ammann, Richard Coray,

Guillaume-Henri Dufour, Hans Ulrich Grubenmann, Robert Maillart», Zürich 1985- Roland Barthes: «Der Eiffelturm», München 1970

Abb. 5:

Abb. 4:

Page 15: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Holz

78

Einführung

Holz: Indifferent, synthetisch, abstrakt – KunststoffZur Präfabrikationstechnologie im Holzbau

In den vergangenen zehn Jahren sind Entwicklungen vonSystemen und Halbfabrikaten in Gang gekommen, die al-les ausser Kraft setzen, was bisher an tektonischenGrundlagen des Holzbaus Praxis und Lehre war. Tatsäch-lich wirkt der «klassische Holzrahmenbau der neunzigerJahre», der den Aufbruch in das «freie», nicht-modulareFeld des präfabrizierten Holzbaus mustergültig vordemon-strierte, heute bereits anachronistisch.

Es ist wohl kein Zufall, dass sich die neuesten Holz-bauweisen in Zentraleuropa und in Skandinavien heraus-gebildet haben, in Ländern also, die auf die wirtschaftlicheFörderung der Ressource Holz setzen müssen. Um dieStagnation des traditionellen Holzbaus überwinden zukönnen, sind sie auf Innovationen angewiesen, die geeig-net sind, Marktanteile aus dem Bereich des Massivbauszu erkämpfen. Massenhaft ungenutztes «Sturmholz» ausWäldern, von orkanartigen Böen flachgelegt, verschärfendie Situation zusätzlich und provozieren einen Verdrän-gungskampf, der wohl zum ersten Mal in der Geschichtedes Bauwesens in die umgekehrte Richtung – vom Mas-sivbau zum Holzbau – verläuft.

Handwerkliche GrundlagenIm «klassischen Holzrahmenbau der neunziger Jahre» fin-den noch eine ganze Reihe althandwerklicher Zimmer-mannsverfahren Anwendung: das Fügen von Kant-holzstäben zu einem flächigen «Rahmen» mit Ober- undUntergurt oder das Beplanken des Rahmens mit Bretternoder Platten, womit ihm erst die Stabilität und Steifigkeiteines baulichen Elements (Wand oder Decke) als statischwirksame Scheibe verliehen wird. Eine Öffnung in einemsolchen Element ist immer eine Störung, die der präzisen«Auswechslung» bedarf.

Komplementärer Schichtenaufbau im HolzrahmenbauDas tektonische Ziel scheint mit dem bauphysikalischendirekt übereinzustimmen: Der Rahmen aus Kanthölzernträgt, die innere Beplankung steift aus, die äussere Be-plankung schliesst den Rahmen, in den die Wärmedäm-mung eingebettet ist, und hält so das ganze Sandwich-Paket zusammen. Schliesslich wird aussen mit Hilfe einerSchiftung eine weitere Schicht mit Hinterlüftung als Witte-rungsschutz für das Sandwich und innen in gleicher Weisedie sichtbare Wandoberfläche in gewünschter Qualitätaufgebracht, die dazwischen einen Hohlraum zur Führungvon lnstallationen birgt. Der Schichtenaufbau eines sol-chen Fassadenelements in Rahmenbauweise ist demzu-folge komplementär, d.h. so aufgebaut, dass sich dieSchichten gegenseitig ergänzen, wobei jede einzelneSchicht hauptsächlich monofunktional ausgerichtet ist.Die Zusammensetzung und die materielle Qualität derKomponenten des Rahmenbausystems definiert haupt-sächlich der anbietende Unternehmer. Der Architekt oderPlaner muss sich in das lnnenleben eines solchen Sand-

wichs nicht mehr eindenken und es konstruktiv nichtmehr detaillieren. Er bestimmt lediglich die ästhetischeQualität der äusseren, sichtbaren Oberflächen.

Formungsdefizit neuer TechnologienDas steigende Interesse an neuen Holzbautechnologienlässt die These zu, dass wohl zum ersten Mal in der Archi-tekturgeschichte tendenziell eine Entwicklung vom Mas-sivbau zum Holzbau, der zur Kategorie des Filigranbaus(Tektonik) gehört, stattfindet. Nehmen wir als Beispiel dieso genannte «Stoffwechseltheorie» von Gottfried Semper,die sich weniger mit der Bautechnik selbst als mit ihrenKonsequenzen auf den architektonischen Formenaus-druck im Moment des Wechsels von der Tektonik zur Ste-reotomie befasst, einer Art Übertragung des Holzbaus aufden Massivbau (ich bezeichne diesen Konflikt mit techno-logische lmmanenz versus kulturelle Permanenz), oder dieersten Stahlbetonstrukturen von Hennebique, die nochganz dem tektonischen Gefüge von Holzbauten verpflich-tet sind, mit hierarchisch angeordneten Pfosten, primärenUnterzügen und sekundären Balkenlagen: Erst nach einergewissen Gewöhnungszeit sind danach durch RobertMaillart die immanenten Prinzipien von Stahlbetonstruktu-ren entwickelt worden: Pilzkopfstützen, die atektonischmit Flachdecken verschmelzen und dabei so etwas wie ei-nen hybriden plastischen Knoten am Stützenkopf entwik-keln, in den die später nicht mehr sichtbare Armierungeingelegt wird.

Damit findet eine Inversion der «Kunstform» in die«Kernform» (Carl Bötticher) statt, die das Kräftebild nurnoch in der nicht ausgegossenen Schalung durch Ver-dichtung und Bündelung der Stahlbewehrung anzeigt.Diese Betrachtungen lassen folgenden Schluss zu: Die sy-stemimmanenten Formungskriterien neuer Technologienbilden sich erst durch Überwindung kulturpermanenterBilder (Stereotypen) heraus.

Suche nach einer adäquaten Struktur und FormWenn der klassische präfabrizierte Rahmenbau mitBinnenständern und beidseitiger Beplankung also eineZwischenform in der Entwicklung darstellt, die sich nochklar am hergebrachten Zimmermannshandwerk und anden strengen, tektonischen Regeln des Holzbaus orien-tiert, wie sieht dann die der aktuellen Holzbautechnologieimmanente und adäquate Struktur und Form aus?

Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir uns erstden heute gebräuchlichen Weg der Holzverarbeitung vorAugen führen. Die Bearbeitungsstufen der Halbfabrikat-herstellung kennzeichnet eine absteigende Abfolge: In derersten Stufe werden hoch- und mittelwertige Schnitt-hölzer, wie Bohlen, Kanthölzer und Bretter, für die traditio-nelle Verarbeitung gewonnen. Brettschichtholz gehört hierzum wichtigsten Halbfabrikatsprodukt. Die Abschnitte undSeitenschnitte werden weiter zerkleinert: Die zweite Stufe

Andrea Deplazes

Page 16: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Holz

79

Einführung

produziert Leisten, Latten und Lamellen, die zu Mehr-schichtplatten, Blockholztafeln usw. verarbeitet werden.Was davon an «Abfällen» übrig bleibt, wird weiter zerklei-nert: Aus geschnittenen oder geschälten Furnieren ent-steht z. B. hochfestes Furnierstreifenholz oder Span-platten. Danach werden die Feinabfälle, z. B. Sägemehl,verwertet und in der letzten Stufe zu einem faserigen Breizerkocht: Das Holz wird in Fasern und holzeigenen Saft(Lignin) getrennt und in Pressen zu Platten verfestigt:Hartfaser-, mitteldichte Faser- und Weichfaserplatten run-den die Produktepalette ab.

Jeder Stufe der Zerkleinerung entspricht eine gegen-läufige des Zusammensetzens, des Neuformierens, zurHauptsache in Form von Platten und Scheiben. Und jedesMal ist die Verleimung die konsistierende Technologie.Hier liegt der Grund, weshalb sich in der nachfolgendenBearbeitung der Halbfabrikate, der «Veredelung» und derWeiterverarbeitung in Richtung Präfabrikation eines Bau-werks, eine erstaunliche Geschmeidigkeit des Materialsabzeichnet, das sich beinahe widerstandslos jedem for-menden Zugriff – dem CNC-gesteuerten Fräsenkopf, derRoboting-Bearbeitung – ergibt. Der Begriff Modellierentrifft hier durchaus zu, denn es werden nicht nur komplexeSchnittmuster, sondern auch plastische Formungen wieReliefierungen und auch dreidimensionale Werkstückeausgeführt, die über ihre Oberflächenabwicklungen rech-nerisch definiert und bearbeitet werden können.

CAD – CAM – RobotingDer Werkstoff Holz nimmt in diesem Produktionsverfahrenden Charakter eines frei modellierbaren und damit indif-ferenten Grundmaterials an. Es ist leicht, sich vorzustel-len, welche Möglichkeiten sich damit abzeichnen: Durchdie Produktionslinie von CAD beim Architekten und CAMsowie CNC-Roboting beim Unternehmer wäre es durch-aus realistisch, sich in «Unikatsherstellung» die Kopie ei-nes komplizierten handwerklichen Gefüges – z. B. die ei-nes japanischen Shinto-Schreins – zu bestellen, sogar zueinem relativ moderaten Preis. Das wäre der Beginn einerseriell begrenzten Produktion von architektonischen Ra-ritäten (wie im Modedesign oder in der Automobilindu-strie), die sich eine erlauchte, ausgesuchte Klientel leistenkönnte.

Diese Phantastereien führen uns zurück an den Aus-gangspunkt eines Projekts, zum Entwurf:

Die Projektierung mit CAD-Programmen ist heute inden Architekturbüros Standard. Daran schliesst sich dieDatenlinie nahtlos an, sodass sich die Art und Weise derPlanbearbeitung am Bildschirm, unabhängig von der klas-sischen Bautechnik, z. B. des Holzbaus, rückkoppelnd aufdie Produktion und die Tektonik des Bauwerks auswirkenmuss. Es werden nichtmodulare, objektspezifische Bau-teile erzeugt. Oder anders gesagt: Das konkrete archi-tektonische Projekt wird in handhabbare Elemente (Schei-ben, Platten und Schalen) zerlegt, über die Datenlinie inProduktion geschickt und auf der Baustelle wieder zumBauwerk zusammengefügt. Diese Art der Plattentektonikund des baulichen Gefüges von Geschoss-Schichtungenoder Element-Stapelungen ist im Massivbau längst Alltag,im Holzbau provoziert sie neue Konstruktions- und Bau-verfahren. Die technologische Entwicklung führt zudem zuimmer tragfesteren Materialien und folglich zu dünnerenBauteilen.

Kartonmodell in der Dimension eines BauwerkesDas «Grundelement» des aktuellen Holzbaus ist konse-quenterweise die Platte, nicht mehr der Stab. Sie bestehtaus drei und mehr Lagen kreuzweise aufeinander ver-leimter Schichten von Schnittholz, z. B. Lamellen oder Lei-sten, die aus relativ minderwertigem Holz (früher Ab-schnitt- und Ausfallholz) gewonnen werden. Dieses«Überkreuz-Verweben» verleiht dem Element Platte hoheFestigkeit und Steifigkeit und damit eine statische Schei-benwirkung. Ähnlich wie ein Gewebe ist die homogenePlatte ohne erkennbare innere Hierarchie produktions-technisch in den zwei Flächendimensionen frei ausdehn-bar (Grenzen setzen lediglich die Grösse der Plattenpres-sen und die Transportfähigkeit der Sattelschlepper) und inder Materialdimension aufschichtbar (spezifische Platten-dicken, je nach Lastfall und Beanspruchung). Sogar dieQualität der «Gewebefäden» – Leisten in Weich- oderHartholz und Konsistenzmischungen – kann der vorgese-

Abb. 1: Montage RahmenbauBearth & Deplazes: Haus Hirsbrunner, Scharans (CH) 1995

Page 17: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Holz

80

Einführung

henen Anwendung entsprechend optimiert werden. DiePlatte ist also richtungsneutral oder besser «richtungsin-different».

Sie kann theoretisch in beliebiger Dimension endlosproduziert werden, praktisch in maximalen, gerade nochtransportablen Abmessungen. Beide Voraussetzungenwirken sich im aktuellen Holzbau aus: Platten-Tektonikund dünnwandige Scheiben (z. B. Blockholztafeln) verhal-ten sich im Massstab 1:1 wie Kartonage, als ob ein Kar-tonmodell in die Dimension eines Bauwerks transportiert

worden wäre. Das betrifft nicht nur die physische Wahr-nehmung. Offensichtlicher wird dies beim Umgang mitÖffnungen: Scheinbar beliebig in die Scheiben gestanztoder aus den Scheiben herausgeschnitten, wie mit demCutter aus dem Karton, wird die unglaubliche Resistenzder Platten-Tektonik am Bauwerk sichtbar. Ein ähnlichesVerhalten kennen wir beim amerikanischen «Balloon-Frame», der Konstruktion mit der Nagelpistole, bei derman bedenkenlos nachträglich noch eine ganze Gebäu-deecke wegschneiden kann, ohne dass das Konstrukt insich zusammenbricht, denn es ist statisch bei weitemüberbestimmt (an so etwas darf beim europäischen Rah-menbau nicht einmal gedacht werden!). Im Vergleich zuraktuellen europäischen Platten-Tektonik erscheint dieamerikanische Balloon-Frame-Technik jedoch geradezu

altertümlich, ganz zu schweigen von den «lapidar» anmu-tenden, nachträglich vor Ort auszuführenden lsolations-und Beplankungsarbeiten.

Prognose: KompaktsystemeDer Stand der europäischen Platten-Tektonik lässt nunetwa folgende Entwicklungsprognosen zu: Es werden nurdie Systeme interessant sein, die das Problem Tragwerk–Bauphysik–Witterungsschutz kompakt lösen (Sandwich-Fassadenelemente, so genannte Kompaktsysteme) unddabei den Schichtenaufbau des Elements vereinfachen,sprich: reduzieren. Ich nenne sie komplexe synthetischeSysteme aus polyfunktionalen Komponenten. Die totaleAufsplitterung der Fassade in unzählige Schichten wurdein den siebziger Jahren ausgelöst, bedingt durch den mitder Ölkrise verbundenen Bedeutungszuwachs der Bau-physik. Die Konstruktion wurde in Einzelfunktionen auf-gespalten, die heute durch intelligente Synthesemass-nahmen wieder auf wenige Komponenten zurückgeführtwerden. Das entspricht auch einer Tendenz im Massivbau,bei dem neue einschalige trag- und dämmfähige Werk-stoffe eingesetzt werden, als Reaktion auf die planerischkomplizierten und garantiemässig immer aufwendigerenLeistungen, die vielschichtige, monofunktionale Komple-mentärsysteme erfordern (Zweischalenmauerwerke etc.).

Ein synthetisches Fassadenelement könnte dann wiefolgt aussehen: Das Grundelement besteht aus einerdünnwandigen Rippenplatte, z. B. einer Blockholztafel mitSchichtstärke 3,5 cm. Die aufgeleimten, 20 cm tiefenQuerrippen aus demselben Material, deren Zwischen-raum die Wärmedämmung ausfüllt, dienen der Knick-stabilisierung. Dieses Grundelement, mit der flächigenSeite warmseits angeordnet, funktioniert als tragendeScheibe (Tragen, Aussteifen, Stabilisieren), als Fassungfür die Wärmedämmung und als Dampfbremse (die innereVerleimung verleiht der Blockholztafel diese Eigenschaft).Die homogene, innere Wandoberfläche kann einfach unddirekt nachbearbeitet und z. B. gemalt oder tapeziert wer-den. Die innenseitige Schiftbeplankung entfällt, sofernkeine Elektroinstallationen entlang den inneren Fassaden-abwicklungen angeordnet sind. Eine einfache Holzscha-lung, aussen auf die Rippen aufgebracht, verschliesst dasWand-Sandwich und wird zum Träger der Aussenhaut.Beim Haus Bearth, das anschliessend erläutert wird, sindes Holzschindeln in Lärche, die ohne Hinterlüftung direktauf die Schalung genagelt wurden.

Die dünnwandigen Rippenplatten repräsentieren eineKonstruktionsweise, die dem Karosseriebau und demFlugzeugbau verwandt ist, wo dünnschalige, mit Spantenausgesteifte Membrantragwerke aus Leichtmetall undKunststoff höchsten Belastungen ausgesetzt sind: ein Op-timum an Steifigkeit und Stabilität bei einem Minimum anMaterialaufwand. Wenn beim Flugzeugbau vor allem dasGewicht der Konstruktion ausschlaggebend ist, dann ist

Abb. 2: Montage Blockholz-TafelbauBearth & Deplazes: Haus Bearth-Candinas, Sumvitg (CH) 1998

Page 18: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Holz

81

Einführung

es in der Platten-Tektonik des aktuellen Holzbaus vor al-lem die Kompaktheit und die gleichzeitige Fähigkeit zurMehrfachfunktion synthetischer Elemente.

Ein Vergleich mit dem eingangs erläuterten Holz-rahmenbau erhellt die feine «Umwertung» schlagartig: Istdie innere Beplankung des Rahmens lediglich Aussteifungund der Rahmenständer deutlich Tragpfosten, so drehtsich das formal und konstruktiv ähnlich scheinende Bildder Rippenplatte um: Die 3.5 cm dünne Platte trägt, aus-gesteift von feinen Querrippen – wobei diese analytischeBetrachtungsweise sofort korrigiert werden muss: Diebeiden Komponenten (Platte und Rippen) bilden ein unab-dingbares, kompaktes, synthetisches Junktim (dank kraft-schlüssiger Verleimung), wo Tragwerk (tragen, aussteifen)und Bauphysik (Dampfdiffusion), konstruktives Innenlebenund sichtbare Oberflächen miteinander verschmelzen undjedes Bestandteil im Zusammenwirken mit allen anderenBestandteilen eine Mehrfachfunktion übernimmt. Deshalbsprechen wir im aktuellen Holzbau von Kompaktsyste-men.

Vertikal als Fassadenelemente aufeinander gestellt,zeigt sich, dass die Trag- und die Dämmschichten ohneUnterbrechung kontinuierlich durchlaufen, da die Deckenlediglich auf die 3.5 cm starke Blockholztafel aufgelagertwerden. Anders ist es beim Rahmenbau mit Ober- undUntergurten, wo die Fassadenkonstruktion durch die Dek-kenauflager vollständig unterbrochen wird oder nur Aufla-ger aus vorkragenden Stahlwinkeln (Z-Profilen) solchesverhindern können. Ich will dies an einem konkreten Bei-spiel erläutern:

Zum Beispiel: Stretch-Pullover über Platten–Tektonik Das Haus Bearth-Candinas steht als schlanker, vierge-schossiger Wohnturm am Dorfausgang von Somvix. SeinGrundriss-Dispositiv ist ein einfaches Rechteck, das längsdurch eine tragende Mittelwand gegliedert wird. Es ent-stehen pro Geschoss zwei Langräume, die nutzungsneu-tral sind, indem sie je nach Gebrauch weiter unterteilbarsind. Weil der Berghang viel Wasser führt, ist das Hausnicht unterkellert. Man betritt im Erdgeschoss eine offene,gläserne Halle (Winterraum für Pflanzen und Spielbereichfür die Kinder der Familie), in der sich der eigentlicheHauseingang befindet, von wo aus man in die darüber lie-genden Wohngeschosse gelangt. Da alle Holzbausystemeüber wenig Speichermasse verfügen und deshalb tenden-ziell das Dämmkonzept verfolgen, einen niedrigenWärmehaushalt zu erreichen, sind die Fensteröffnungender Räume in alle Fassadenrichtungen orientiert, sodasssich im Sommer keine Überhitzung einstellt. Im Winterwird die Sonnenwärme der Eingangshalle, über alle Ge-schosse aufsteigend, in die Wohn- und Schlafräume ver-teilt.

Die Wandoberflächen der im Rohzustand grob wirken-den Blockholztafeln – um zum Thema zurückzukehren –

sind weiss und zitronengelb gestrichen, sodass die Ele-mentstösse der Fassaden- und Tragwände überspielt unddie Räume homogen werden. Der Eindruck eines «hölzer-nen Hauses» tritt zurück zugunsten eines fragilen, fast pa-pierenen Bauwerks, dessen Räume wie mit Tapeten aus-gekleidet erscheinen. (Von nahem betrachtet überziehentausend feine, regelmässige Faserrisse die Wände: einewahrhaftige «Kultivierung des Risses», die nie mehr Män-gelrügen von Bauherren nach sich zieht!) Weil der einzigeBündner Schindelmacher im 0rt sein Handwerk ausübt,schien es opportun, die Fassadenbekleidung als Schin-delschirm auszuführen. Wie ein enger Stretch-Pulloverüberspannt er den Baukörper, sodass das Bauwerk auchaussen homogen erscheint und die Platten-Tektonik ver-gessen lässt. So gehen an diesem Gebäude industrielleHigh-Tech-Produktion und altbewährtes Handwerks-Know-how nahtlos ineinander über.

Weg vom hölzernen Vorbild Wenn man die Platten-Tektonik und die Technik der Fas-sadenhaut ohne Hinterlüftung weiter verfolgt, entdecktman unweigerlich, dass sich der aktuelle Holzbau von sei-nem «hölzernen Vorbild» löst, und zwar in zweierlei Hin-sicht:

Zum einen sind heute zahlreiche holzfremde Fassa-denbeplankungen verfügbar, wie Flachbleche, Glas- undKunststoffpaneels oder sogar Folien, Putzträger- und Faser-zementplatten sowie Wellblechtafeln. Letztere prägen z.B.die isländische Architektur der Hauptstadt Rejkjavik aufverblüffende Weise, indem sich als Konsequenz des ame-rikanisch-isländischen Wirtschaftsförderungsprogramms«sheep for sheets» (Schafe gegen Wellblech: Island isteine baumlose Insel) die leistenartigen Profilierungen derbunt bemalten Fassaden eben nicht als hölzerne Decken-schalung mit Fugenleisten entpuppen – ganz im Sem-per’schen Sinn. Oder etwas allgemeiner: Der aktuelleHolzbau verbirgt sich hinter anderen, holzfremden Mate-rialien, deren Vorzüge grosse, dichte Flächen mit wenigenFugen, Leichtigkeit und äusserst geringe Materialstärkensind. Natürlich wird auch an der Möglichkeit herumge-dacht, die Trägerschalung der Schutzbeplankung direktdurch diese selbst zu ersetzen, um die kompakteste Kon-struktion eines Fassadenelements zu erreichen. Damitwird allerdings das Problem der Elementstösse und desFugennetzes umso akuter, wie dies übrigens vom massi-ven Plattenbau der Planwirtschaft ehemaliger Ostblock-staaten hinlänglich bekannt ist.

Die zweite Tendenz ist meiner Meinung nach nochinteressanter: Die Platten-Tektonik des aktuellen Holzbauswird ausschliesslich strukturell gelesen werden und nichtmateriell wie beim herkömmlichen. Was im Vorfeld alsKartonage bezeichnet wurde, als technologisch bedingterBearbeitungsprozess von grossflächigen Tafeln aus dünn-wandigen Rippenplatten in Blockholz, aber auch von so

Abb. 3: Balloon-Frame-Technik:Mehrgeschossige, durchlaufende Ständerkonstruktion

Page 19: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Holz

82

Einführung

Blockholztafeld = 3.5 cm (tragend,inkl. Dampfbremse!)

Blockholzrippen 4 x 20 cm

Wärmedämmung 20 cm

Schalung Fichte(Nut und Kamm)Schindeln Lärche(ohne Hinterlüftung)

Windpapier

genannten Dickschichtplatten, das wird sich architekto-nisch in der Abstraktion äussern. Holzplatten werden als«Kunststoff» – vor allem, wenn sie durch einen Farban-strich innen und aussen neutralisiert werden – eine ähn-liche Position einnehmen wie der homogene Beton imMassivbau, der strukturell alle tektonischen Elemente ei-nes Bauwerks besetzen kann, ohne jemals materiell zumAusdruck zu gelangen. (Man ahnt höchstens, dass be-stimmte Auskragungen, Raumkonstellationen und Raum-weiten nur dank dem «nichtsichtbaren Beton» zu realisie-ren waren.) Tatsächlich wird das architektonische Themader Abstraktion durch das Konzept der Kartonage berei-chert werden um das Phänomen der «weissen Räum-linge», die mit dünnwandigen Elementen grösstmöglichePlastizität erzeugen werden (vergleichbar den Arbeitenvon Absalon in der Kunst). Auf der andern Seite werdendie simple Technik des laubsägeartigen Zuschnitts vonPlatten mit (beinahe) beliebig eingesägten Öffnungen unddie modellartige Montage der Wände und Decken eineDo-it-yourself-Bauweise fördern, wie sie gerade für dieamerikanische Balloon-Frame-Architektur heute typischist und sich ausserdem in den Bauanleitungen des nieder-ländischen Künstlers Joep van Lieshout niedergeschlagenhat als edle Bricolage.

Architektonische ProfessionalitätDer aktuelle Holzbau wird angesichts der aufkeimendenInteressen an energetischen, ökologischen und baubiolo-gische Fragen an Bedeutung noch gewinnen. Konkurrenz-fähig werden zwar nur kompakte, polyfunktionale Lösun-gen sein, aber die Könnerschaft in der Synthese unter-schiedlichster Anforderungen wird sich nicht auf die Ent-wicklung und Beherrschung technologischen Know-howsbeschränken; in erster Linie wird sie sich durch intelli-gente und kompetente Strategien im architektonischenEntwurf ausweisen, der allein Garant für architektonischeProfessionalität und damit «Nachhaltigkeit» ist. Damit sindnicht die Holzfachleute, Holztechnologen, Baubiologenoder Energiespezialisten gefordert, sondern in erster Liniedie Architekten.

Blockholztafeld = 5 cm (Spannweite 3 m)

Trittschalldämmung 40 mm

Trennlage

Unterlagsboden

Bodenbelag

Blockholztafeld = 3.5 cm (tragend,inkl. Dampfbremse!)

Wärmedämmung 20 cm(Bereich der Querrippen)

Schalung Fichte(Nut und Kamm)

Schindeln Lärche(ohne Hinterlüftung)

aus: «werk, bauen + wohnen», 1/2 2001, S. 10-17

Abb. 5: Grundrissausschnitt WandBearth & Deplazes: Haus Bearth-Candinas, Sumvitg (CH) 1998

Abb. 4: Schnitt Wand – DeckeBearth & Deplazes: Haus Bearth-Candinas, Sumvitg (CH) 1998

Page 20: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE - MODULE Stahl

114

Einführung

Wozu Stahlbau?

Stahl hat ein Problem: Öffnete das Produkt aus Erzgesteineinst den Weg zu Architekturen, die zuvor unvorstellbarwaren und genoss es noch in den Zwanzigerjahren denRang eines von der Avantgarde bevorzugten Materials,hinterlässt Stahl hinsichtlich seiner Bedeutung im gegen-wärtigen Architekturschaffen einen zwiespältigen Ein-druck. Auf der einen Seite aus der allgemeinen Baupro-duktion kaum mehr wegzudenken, sind andererseits die

Gründe für die Verwendung von Stahl – vor allem auch alsGrundlage für den Entwurf – nicht so schnell zur Hand.Feuerpolizeiliche Vorschriften, welche bis vor wenigenJahren festlegten, dass bei mehrgeschossigen Stahl-bauten der Brandschutz ausschliesslich mit einer Verklei-dung zu erreichen sei, und wärmetechnische Anforderun-gen, die ein Durchdringen der Klimagrenze (Fassade)wegen der guten Wärme- oder Kälteleitfähigkeit vonMetall erschweren, mögen eine Erklärung dafür liefern.Zudem fehlen jene Attribute, wie «natürlich», «ökologisch»oder «heimelig», aufgrund derer z. B. der Holzbau in brei-ten Bevölkerungsschichten so grosse Akzeptanz findet –dabei handelt es sich, was aber kaum bekannt ist, bei90% des Baustahls um recyclierten Stahl aus entsorgtem,metallhaltigem Zivilisationsmüll (Autos, Kühlschränke,etc.).

Auf der anderen Seite war an der Expo.02 zu beob-achten, dass mutmasslich die Hälfte aller Ausstellungs-pavillons aus Stahl gefertigt war – der Reigen reichte vonJean Nouvels Monolithen in Murten über die Wolke vonDiller & Scofidio in Yverdon bis hin zum Klangturm vonCoop Himmelb(l)au in Biel. Auch reisst die Bilderflut vonneuen Flughäfen aus der ganzen Welt nicht ab, deren weitgespannte Dächer aus fachwerkartigen Trägern und anBäume erinnernde Stützen aus Stahl bestehen. Der Lö-

wenanteil an Baustahl ist aber nur während jenes kurzenAugenblicks ersichtlich, solange das Bauwerk noch Bau-stelle ist – und damit ist nicht alleine die Armierung vonStahlbeton gemeint.

MaterialtransformationenInteressant ist, dass Stahl als Produkt der Industriali-sierung zwar gleichzeitig Anwendung im Bau von Maschi-nen, Fahrzeugen und Schiffen fand, die branchenüber-greifende «Urbarmachung» des neuen Werkstoffes aberkaum zu technologischen Ableitungen aus der jeweils an-deren Disziplin führte. Vom Bauingenieurwesen abgese-hen, dessen Einfluss nicht hoch genug einzuschätzen ist,sind Parallelen im besten Fall in der so genannten Ma-schinenästhetik zu orten, die jedoch weniger im Zu-sammenhang mit einer bestimmten Materialisierungsteht, als vielmehr ein Entwurfsverfahren meint, das sich– vor allem im Kontext des Neuen Bauens – am Ideal ei-ner aufs Notwendigste reduzierten Ingenieurlogik orien-tiert. So schrieb Le Corbusier in Vers une architecture(1923): «Les ingénieurs font de l’architecture, car ils em-ploient le calcul issu de la nature, et leurs œuvres nousfont sentir l’harmonie.» Eine Erklärung für die geringegegenseitige Befruchtung ist darin zu sehen, dass dasBauen von Häusern nur in den seltensten Fällen auf eineserielle Produktion angelegt ist – auch wenn im Umfelddes Neuen Bauens die industrielle Fertigung von Häusernprophezeit wurde –, der Aspekt von Montage und De-montage zweitrangig ist (oder erst heute zu einem wichti-gen ökologischen Kriterium wird) und Gebäude auchkeine dynamische Beanspruchung kennen. DieAusschliesslichkeit eines einzigen Materials, wie sie dieHerstellung von Maschinen und Transportmitteln kenn-zeichnet (Metall löste Holz, wo es sich überhaupt um ei-

Abb.1: Mutmasslich die Hälfte aller Pavillons war aus Stahl gefertigt.Schweizerische Landesausstellung expo.02, Murten, 2002

Abb.2: Hinter Kunststeinplatten verborgener StahlbauDiener & Diener: Vogesenschulhaus, Basel (CH) 1994

Alois Diethelm

Page 21: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Stahl

115

Einführung

nen Gegenstand handelte, der nicht erst mit dem neuenMaterial Gestalt fand, erstaunlich schnell ab), ist demBauwesen fremd. Massiv- und Filigranbau, welche sichschon bei den ersten menschlichen Behausungen – jenach Region und Kultur – in Form von Höhlen und Jurtenetablierten, bilden noch heute die Pole, innerhalb derersich das Bauen bewegt. Aus dieser traditionellen Dualitäterklärt sich, dass neue Materialien nie einen eigentlichenAblöseprozess verursachen, sondern vielmehr zu Materi-altransformationen und Vermischungen führen. Denn so,wie später der Stahlbeton erst die Prinzipien des Holzbausmit Stützen und Balken in Beton übersetzte (vgl. Hennebi-que-Rahmen), ehe die Flachdecke entstehen konnte, ver-hielt es sich auch bei Stahl nicht anders. Saulniers viel be-achtete Schokoladenfabrik Menier (1871/72) basiert aufeinem Fachwerk, das sich von einer Ausführung in Holznur dadurch unterscheidet, dass die Querschnitte gerin-ger sind; und bei Labroustes Bibliothèque Nationale in Pa-ris (1875) erinnern die Rippen der Kuppeln an (gotische)

Konstruktionen aus Stein. Im Spannungsfeld zwischenMassiv- und Filigranbau brachte Stahl schliesslich eineForm der Vermischung hervor, bei der das Partnermaterialnicht mehr länger «nur» als Füllung ohne statische Funk-tion vorkommt, wie es bei den Ausmauerungen in denRiegelbauten aus Holz der Fall ist, sondern in gegenseiti-ger Abhängigkeit zu einem integralen Bestandteil derTragkonstruktion wird. Die Rede ist von der Kombinationvon Stahl und Beton - und zwar von jener Paarung, bei derStahl weiterhin in Form von Stützen und Balken ein Ske-lett bildet, die Stabilität jedoch erst im starren Verbund mitBeton erreicht wird. In wechselhafter Beziehung ergänzensich sodann die beiden Materialien gegenseitig; so erset-zen beispielsweise Stahlträger die Betonunterzüge, undTrapezbleche fungieren als verlorene Deckenschalungund Bewehrung. Neben statischen Gründen, zu denen beiden Decken auch eine gleichmässigere Lastverteilungzählt, sprechen auch bauphysikalische Argumente (Betonbringt Masse für eine gute Luftschalldämmung) und vorallem die Verbesserung des Brandschutzes für die so ge-

nannten Verbundkonstruktionen, denn die Feuerbestän-digkeit der Stahlprofile bemisst sich nach dem Verhältnisvon ungeschützter Oberfläche (Abwicklung) undQuerschnittsfläche. Jede plane Berührung zwischen Stahlund Beton bedeutet demnach eine Reduktion der Oberflä-che, welche dem Feuer ausgesetzt ist.

Aufgrund der erwähnten Vorteile und der rationellenBauweise sind Verbundkonstruktionen zwischen Stahlund Beton aus der heutigen Bauproduktion – vor allem beimehrgeschossigen Büro- und Gewerbebauten – nichtmehr wegzudenken und verweisen damit auf die grosseVerbreitung von «unreinen» Konstruktionen. Versteht mandie Vermischung als Hilfestellung, ist auch jenes Charak-teristikum getroffen, das einen wesentlichen Zweig derAnwendung von Stahl in der Architektur kennzeichnet: das«versteckte Hilfsmittel». Daneben erscheinen als weitereKategorien Bauten ohne bauphysikalische Anforderungen(meist temporäre Objekte und Kleinbauten) sowie Inge-nieur-Bauwerke mit grossen Spannweiten.

Grosse Spannweiten – ErsatzmaterialNoch vor dem Aufkommen des armierten Betons ermög-lichten die hervorragenden statischen Eigenschaften vonStahl den Bau von grösseren Häusern. Häuser, die, ver-glichen mit einem Stein- oder Holzbau, bei gleicher odergar geringerer Anzahl lastabtragender Komponenten diebisherigen Gebäudehöhen zunächst um ein paarGeschosse und in der weiteren Entwicklung schliesslichum ein Vielfaches überschritten. Stahl schuf somit dieGrundvoraussetzung für einen gänzlich neuen Gebäude-typ, das Hochhaus, dessen Grundrisslayout von Aufzügenund Treppen geprägt ist, um die nunmehr gestiegeneZahl von Benutzern rasch in die entsprechendenGeschosse zu transportieren. In der Fassade schlug sichdas Bauen in Stahl in der Möglichkeit nieder, aufgrundder grösseren Spannweiten grössere Fenster zu machen– etwas, was in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsin Chicago eindrücklich demonstriert wurde. Unabhängigdavon, ob das Stahlskelett sichtbar in Erscheinung tratoder hinter einer Verkleidung verborgen lag: Fenster, wel-che als strukturelle Öffnungen von Boden bis Decke undvon Stütze zu Stütze reichen, verweisen auf den dahinterliegenden Stahlbau. Daneben entstanden aber auchBauten, bei denen allein deren Grösse den Einsatz neuerTechnologien verriet. Umhüllt von einem steinernenMantel und darin ausgesparten Lochfenstern waren dieFassaden dieser Skelettbauten von jenen einesMassivbaus kaum zu unterscheiden. Gekoppelt mit eineraus dem Industriebau gespeisten Pragmatik wurde Stahlschnell auch als ein Material begriffen, das – vor allembei hohen Gebäuden – die Rolle als strukturelles Ersatz-material einnehmen konnte: Ersatz für Stein und Holz,deren Tragfähigkeit sich ab einer bestimmten Höheerschöpfte, und später teilweise auch für Tragwerksteile

Abb.3: Verwandtschaft des Stahlbaus mit demHolzbauJules Saulnier: Schokoladenfabrik Menier,Noisiel sur Marne (F) 1872

Abb.5: Stahlskelett im Verbund mit OrtsbetonRoland Rohn: Fabrik BBC, Baden (CH) 1952

Abb.4: Übersetzung einer steinernen in eine gusseiserne Struktur Henri Labrouste: Bibliothèque Nationale, Paris (F) 1875

Page 22: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE - MODULE Stahl

116

Einführung

in Beton, deren Erstellung aufgrund der vielen Arbeits-schritte (schalen, bewehren und betonieren) material-und arbeitsintensiv ist. Dass die Bedeutung alsErsatzmaterial ungebrochen ist, wird auch von jeneraktuellen Entwicklung unterstrichen, bei der sich Stahl-und Holzbau (erneut) berühren; denn die Übertragung derPrinzipien des Holzrahmenbaus (dünne Stützen und aus-steifende Beplankung) auf den Stahlbau findet in

Regionen mit geringeren Holzvorkommnissen grössereVerbreitung als anderswo. Dabei haben die Systeme mitden dünnwändigen Blechprofilen gegenüber demHolzrahmenbau unübersehbare Vorteile, so etwa, dass sieverzugsfrei sind und dass sie weniger wiegen. Sie sinddeshalb prädestiniert für Gebäudeaufstockungen, beidenen es darum geht, Gewicht zu sparen, eignen sichaber genauso gut für Neubauten. In seiner strukturellenund tektonischen Logik mit dem Holzrahmenbau iden-tisch, liefert der «platform frame» in Stahl allerdings keinenur ihm eigene Entwurfskriterien. Insofern ist er als einweiteres teilsynthetisches System zu betrachten, das ausWandscheiben besteht, die gleichzeitig tragen und dämmen.

Fast scheint es, als sei der Technologietransfer immernur in eine Richtung erfolgt – nämlich vom Holzbau zumStahlbau. Ein Blick auf den zeitgenössischen Ingenieur-holzbau zeigt aber, dass sich die heute üblichen, axialenStabfügungen und Schraubverbindungen direkt aus demStahlbau ableiten lassen.

Eine herausragende, fast singuläre Stellung nimmtder Stahlbau noch immer bei grossen Spannweiten ein.Weit gespannte Hallendächer, wie z. B. jene vonFlughäfen und Ausstellungshallen, werden fast aus-

schliesslich aus Stahl gefertigt. Hier wird dieFeingliedrigkeit der Tragstruktur zum raumprägendenMotiv und erzeugt damit eine Formensprache, die alleindem Stahlbau vorbehalten ist. Da es sich um einge-schossige Gebäude handelt, bedarf es keinerBrandschutzverkleidungen, welche gemeinhin alsHemmnis bei der Wahl von Stahl als Konstruktions-material fungieren und die Erscheinung der Konstruktionbeeinträchtigen.

Kleine Querschnitte – der Weg zum GlashausWaren bei den Hochhäusern die Dimensionen der Stahl-stützen und -träger insofern von Belang, als dass sie –verglichen mit Stein oder Holz – bei gleichem Querschnittwesentlich mehr zu tragen vermochten oder grössereSpannweiten erlaubten, fanden die Exponenten desNeuen Bauens in Stahl ein Mittel, um schlankere Kon-struktionen zu erzielen. Material- und gewichtssparendwurden zwischen die dünnen Stützen häufig nichttra-gende Leichtbauplatten gestellt, die alsdann beidseitig –und über die Stützen hinweg – verputzt wurden. Zusam-men mit den bündig zur Fassade gestellten Fenstern ver-mittelten die oft vom Boden abgehobenen Bauten das Bildschwereloser, abstrakter Körper. Das Stahlgerüst dieser«leichten» Bauten trat – wenn überhaupt – nur punktuellin Erscheinung, wobei «leicht» sowohl physisch – imSinne einer Materialoptimierung – als auch optisch zuverstehen ist. So wurde Stahl auf der einen Seite in denDienst der Baurationalisierung gestellt und auf der ande-ren Seite als Mittel zum Erlangen einer puristischen, weit-gehend entmaterialisierten Architektur betrachtet. Dascharakteristische Relief der aus Stegen und Flanschenbestehenden Stahlprofile und die Prinzipien der Skelett-bauweise blieben hinter einer äusseren und einer innerenVerkleidung verborgen; dass es sich um einen Stahlbauhandelt, fand einzig in der Schlankheit der KonstruktionNiederschlag – eine Schlankheit, bei der sich die Stützenwie bei Neutras Lovell House (1927–1929) kaum nochvon den Fensterrahmen abhoben und dadurch ein Öff-nungsverhalten (grossflächige Verglasungen und Band-

Abb.7: Versetzen von «Platform Frame» ausStahlAnalogie zum Holzbau: Blechprofile statt Bohlen

Abb.8: Die Stahlstützen heben sich kaum von den Fensterprofilen ab.Richard Neutra: Lovell House, Los Angeles (USA) 1927–1929

Abb.6: Das Öffnungsverhalten verweist auf die Skelettbauweise.Louis Henry Sullivan: Schlesinger & Mayer Department Store, Chicago (USA) 1904

Page 23: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Stahl

117

Einführung

fenster) ermöglichte, das sich nicht mehr an die Trag-struktur zu halten hatte.

Schon mit Paxtons Kristallpalast (1851) zeichnete sichab, dass die Kombination mit Glas – zumindest im Haus-bau – zum herausragenden Gestaltmerkmal des Bauensmit Stahl respektive Eisen werden würde. Gespiesen mitErkenntnissen aus dem Palmen- und Gewächshausbau,gewährten die filigranen, in Fachwerke aufgelösten Trägerund die von dünnsten Metallleisten gefassten Gläser ei-nen Lichtdurchlass, der mit einer Ausführung aus Holz un-denkbar gewesen wäre. Selbst 150 Jahre später fungiertnicht nur im Verständnis des Laien das Begriffspaar«Stahl/Glas» und die damit verbundene Assoziation licht-durchfluteter Räume als Inbild modernen Bauens. Tat-sächlich vermochte das Glashaus wie kaum ein anderer,an eine bestimmte Materialität gekoppelter Bautyp die Ar-

chitekten des 20. Jahrhunderts immer wieder neu her-auszufordern; und verfolgt man die jüngsten Projekte vonArchitekten unterschiedlichster Gesinnung, scheint es, alssei Glas zu Beginn des 21. Jahrhunderts von den ideolo-gischen Grabenkämpfen der neunziger Jahre (Stichwort:steinernes Berlin) befreit und nicht mehr länger Ausdruckeiner einzigen Architekturauffassung. Bei Mies van derRohes Entwurf für ein Hochhaus an der Friedrichstrasse(1922) noch Vision, ermöglichte die Glasindustrie schonbald Scheibengrössen, die frei von Sprossen dem Wunschnach beinahe entmaterialisierten Wänden entsprachen.Dass ein Grossteil dieser Häuser nur unter aufwändigemEinsatz von Klima- und Heizungsanlagen bewohnbar war,schien nach der Erdölkrise und dem gewachsenenUmweltbewusstsein in den achtziger Jahren das Ende desGlashauses zu bedeuten. Gekoppelt an alternative Ener-giekonzepte, bei denen Glas zur Gewinnung solarer Wär-mestrahlung auch als «Kollektorlinse» eingesetzt wird,und verknüpft mit der Bereitschaft der Architekten, einenäusseren Sonnenschutz anzubringen, sind Glashäuseraufgrund neuartiger Glasscheiben, die einen U-Wert(Anm.: Dämmwert) von bis zu 0,4 W/m2K aufweisen, ak-tueller denn je. Dabei öffnete das hoch wärmedämmendeGlas gleich noch ein Feld, das schon aufgegeben schien:

das von innen wie aussen sichtbare Stahlskelett. Diedämmende Schicht legt sich nunmehr wie ein transpa-renter Schleier um das Gebäude und kommt dem nahe,was Mies van der Rohe als Haut- und Knochen-Architek-tur bezeichnete, selber aber in dieser Konsquenz – derglatten Membran – aus technologischen Gründen nie er-reichte.

Das Thema der Ausfachung, bei dem Fenster oder Pa-neele platzsparend zwischen den sichtbar bleibendenStützen angeordnet werden, und das Bild von Le Corbu-siers «Immeuble Clarté» in Genf (1932) genauso prägt wieviele, meist in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ent-standene Industriebauten, scheitert heute an den wärme-technischen Anforderungen. Denn anders als Holz, das ei-nen relativ guten Wärmedämmwert aufweist, fungiertStahl als ein Wärmeleiter.Allerdings darf nicht ausser Achtgelassen werden, dass selbst in der Fassade sichtbareStahlprofile alter Industriebauten häufig Teil einerSekundärkonstruktion sind, die allein die Verkleidung, z. B.

Abb.10: Oben: Baustellenfoto des Stahlskellets. Links: Die tragendeStahlstruktur verschwindet hinter dem VerputzWassili und Hans Luckhardt: Haus am Rupenhorn, Berlin (D) 1928

Abb. 12: Die Fenster sind als Paneele zwischen das Stahlskelett gesetzt.Le Corbusier & Pierre Jeanneret: Immeuble Clarté, Genf (CH) 1932

Abb. 11: Das Glashaus ist ein immer wiederkehrendes Thema des 20.Jahrhunderts.Ludwig Mies van der Rohe: Farnsworth House, Plano (USA) 1945-1950

Abb.9:

Page 24: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE - MODULE Stahl

118

Einführung

die Vormauerung aus Backstein, tragen. In diesem Sinnereflektiert die äussere Teilung nur mittelbar die dahinterliegende Tragstruktur. Unscharf ist die Unterscheidungzwischen Ausfachung und Verkleidung auch dort, wo dieGrösse der gläsernen Elemente mit dem Raster des Ske-lettes übereinstimmt und folglich Stützen und Träger vonden Elementrahmen – die je nach Ausbildung selber wieTeile des Skelettes aussehen – abgedeckt werden unddamit die Erwartung erfüllen, wonach sich das Wesen dergewählten Konstruktion – hier das schlanke Raumgitter –im Ausdruck des Gebäudes niederschlagen soll.

Vorfabrikation und «anything goes»Mehr noch als der Holzbau ist das Bauen mit Stahl von derVorfabrikation geprägt, denn allein aufgrund der Tatsache,dass die Bedingungen für das Schweissen auf dem Baunicht optimal sind und Anpassungen während der Mon-

tage bedeuten, dass der Korrosionsschutz (Zinkstaubbe-schichtung mit entsprechenden Deckanstrichen oderFeuerverzinkung) verletzt wird, werden Bauteilverbindun-gen nach Möglichkeit immer zum Schrauben vorbereitet.In dieser Konstruktionsart ist auch gleich die einfache De-montage angelegt, was unter anderem die grosse Ver-breitung von Stahl an Ausstellungen wie der eingangs er-wähnten Expo.02 erklären mag. Vom Aspekt der Vorfabri-kation ist aber nicht nur die Tragstruktur berührt, sondernauch die Hülle, die gerade in der Ausführung aus Metalleine Vorfertigung quasi einschliesst; denn das Potenzialdünner Bleche ist direkt an die Möglichkeit geknüpft,durch Falten und Biegen eine Stabilität zu erlangen, diebei anderen Materialien erst durch das Aufbringen von zu-sätzlichen Rippen oder Unterkonstruktionen erreicht wird.Dabei geht es weniger um eine graduelle Unterscheidung,ob die an der Fassade sichtbaren Paneele als funktions-fertige Einheit (Sandwich) auf die Baustelle geliefert wer-den oder ob sie eben erst dort im Sinne einer Teilvor-fabrikation (Vorfertigung einzelner Schichten) zusammen-

gefügt werden. Ebenfalls ist zweitrangig, dass die Vorfa-brikation den Transport vereinfacht, die Bauzeit verkürztund die Fertigung grosser Serien erlaubt. Das Abkantender Bleche ist schlicht ein maschineller Prozess, der andie Werkstatt gekoppelt ist und allenfalls – z. B. bei derHerstellung von Kassetten – Weiterbearbeitungen wieSchweissen und Oberflächenbehandlungen wie Ein-brennlackieren oder Eloxieren erfordert.Ist vom Bauen mit Stahl – oder besser: mit Metall – die Re-de, kann man deshalb von einer Ausschliesslichkeit derWerkstattproduktion sprechen. Darin gründet auch das imMetallbau früh entwickelte Bestreben nach Standardisie-rung, die entweder für ein einziges Bauwerk angelegt istoder ein Baukastensystem (z.B. USM Haller) bezweckt.

Abb. 13: Die sichtbaren Stahlstützen halten nur das Mauerwerk.Ludwig Mies van der Rohe, Illinois Istitute of Technology, Chicago (USA) 1940–1950

Abb. 14

Abb. 15: Maschinelle Fertigung von Fassadenelementen, links: einzelnesElement, rechts Einzelteile des ElementesJean Prouvé: CIMT, Paris (F) ca. 1955

Abb. 16: Baukastensystem MAXI von Fritz Haller; in vier Etappen ausgebaut.Fritz Haller, Betriebsanlage USM, Münsingen (CH) 1963–1984

Page 25: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Stahl

119

Einführung

Wird im erstgenannten Fall mit der seriellen Wiederholungnur eine kostengünstige Herstellung verbunden, ermög-licht der Baukasten ferner den Austausch einzelner Eleme-nte und nahtlose Erweiterungen. Zudem ist der Baukastennicht an einen spezifischen Gebäudetypus gebunden.

Auf der einen Seite ist der Stahlbau somit meist seriellund orthogonal aufgebaut; auf der anderen Seite über-setzt er aber in Form gebündelter Stäbe beliebig geformteKörper. Der Linienzeichnung eines Rendering gleich, wer-den sodann plastische Baukörper wie die eines FrankGehry in gerade Stäbe aufgelöst, wodurch konkave undkonvexe Deformationen sowie Verdrehungen und Verjün-gungen auf die einfachste ökonomische Formel gebrachtwerden. Da die Stäbe, welche die vielgestaltige Formnachbilden, nicht überall dem Kräftefluss entsprechen,werden weitere Druck- und Zugglieder eingeführt, diesich einer Bricolage gleich hinter dem Schleier einer ho-mogenen Verkleidung mit dem Balloon Frame vermengen.Nach wirtschaftlichen Kriterien in einem anderen Materialkaum denkbar – man stelle sich bloss die aufwendigenund nur einmal verwendbaren Schalungen für eine Bau-weise in Beton vor – wird Stahl auch hier zum Material,das alles möglich macht.

Oder müsste der negativ gefärbte Unterton einer Be-geisterung weichen, da Stahl – mit der Unterstützung vonComputer in Planung und Produktion – offenbar Architek-turen ermöglicht, die unsere bisherigen Begriffe vonSkulpturalität und Gravitation ausser Kraft setzen oder zu-mindest erweitern?

Der Computer hat die Orthogonalität als vorrangigesKriterium für ein ökonomisches Tragwerk ausser Kraft ge-setzt; die «neuen» Räume sind nun finanzierbar. Werdensie aber auch anderen Nutzungen als Museen und Kon-zertsälen ein gut bespielbares Behältnis bieten?

Konstruktives OrnamentAngesichts einer Reihe jüngst entstandener oder noch imBau befindlicher Bauten ist der spielerischen Plastizitätund der cartesischen Ordnung eine dritte Form hinzuzufü-gen: die Diagonale, respektive die schräge Stütze. DerZeitpunkt für die Wiederentdeckung der Diagonalenscheint nicht zufällig. Nach dem einengenden Minima-lismus der neunziger Jahre und der nach einem Befrei-ungsschlag zur Beliebigkeit neigenden Opulenz vermögennicht-orthogonale Tragwerke nämlich gleichermassenSachlichkeit und eine neu gewonnene Freude am Orna-ment zu vereinen. Wies der Stahlbau mit den Nietverbin-dungen einst jene Verzierungen auf, die - weil technischbedingt - selbst von den Puristen akzeptiert wurden, lie-gen Stahlbau und konstruktives Ornament zu Beginn des21. Jahrhunderts erneut nahe beieinander. Im Zentrumstehen aber nicht mehr Verbindungen, sondern Struktu-ren, die vom Primat des rechten Winkels abweichen undaus statischen, wirtschaftlichen und/oder architektoni-schen Gründen (Schlankheit der Konstruktion) hauptsäch-lich aus Stahl gefertigt werden. Diese Strukturen müssennicht schon im Rohbau einen ornamentalen Charakteraufweisen, sondern können zu einer dahingehenden Be-arbeitung der Ausbauteile anregen. Damit ist das Aufgrei-

Abb. 17: Hinter den plastisch geformten Körpern liegt ein Stahlskelett.Frank O. Gehry: Guggenheim Museum, Bilbao (E) 1997

Abb. 18: Die bewegten Formen finden sich in eine lineare Gitterstruktur über-setzt.Frank O. Gehry: Guggenheim Museum, Bilbao (E) 1997

Page 26: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE - MODULE Stahl

120

Einführung

fen einer strukturell bedingten Form gemeint, die mass-stäblich verändert und mehrfach wiederholt als Ornamentwahrgenommen wird. Dabei dürfte es wohl unsererKenntnis vom Formenvokabular kunsthandwerklicher Ver-zierungen oder facettierter Edelsteine zuzuschreiben sein,dass wir der Repetition nichtrechtwinkliger Flächen(Dreiecke, Waben, Trapeze oder Rauten) unweigerlich or-namentale Qualitäten zusprechen, während es bei Recht-ecken unterschiedlicher Farben,Texturen oder Materialienbedarf, damit wir an Schmuck oder Verzierung denken.

Als Beispiel seien zwei jüngst fertiggestellte Bautenerwähnt, deren Fassaden rautenförmige Öffnungen auf-weisen und schiefwinklige Stützen das Tragwerk bilden.Auf den ersten Blick recht ähnlich, korrespondiert die eng-maschige Fassadengliederung im Fall des Epicenter Storevon Prada exakt mit dem Raster der dahinter liegendenTragstruktur, während es sich im Fall des Swiss Re Towersum ein skaliertes Abbild davon handelt. Finden im erstenFall innerhalb eines Geschosses zwei Rauten Platz, bedarfes im anderen Fall vier Geschosse, bis das Tragwerk über-haupt eine Raute formt. Es gibt noch weitere Unter-schiede, den beiden Gebäuden aber gemein ist, dass dieFassadengitter steife Korsette bilden, wodurch die Kernekeine aussteifende Funktion mehr zu übernehmen haben,und dass Rauten dargestellt werden, obwohl Dreiecke ge-baut wurden. So griff der Architekt Norman Foster beimSwiss Re Tower in London (2004) zu schwarzer Farbe, um

die horizontalen Glieder gegenüber den weissen Diagona-len in den Hintergrund treten zu lassen, während die Ar-chitekten Herzog & de Meuron die waagrechten Zugbän-der beim Prada Epicenter in Tokio (2003) in die Decken-ebene verlegten. Es wurde also beiderorts eine Entflech-tung gesucht: farblich hier und räumlich dort.

Raute und GebäudeformNebst dem Tragverhalten der Diagonalstrukturen stelltsich die Frage nach ihrer Bedeutung für die Volumetriedes Hauses. Halten wir uns an die beiden Beispiele, soscheint nur beim Swiss Re Tower ein Zusammenhang zwi-schen Struktur und Form gegeben. Mit dem rautenförmi-gen Gitter, das sich beim Prada Epicenter über die ge-samte Gebäudeoberfläche erstreckt, fiel die Wahl aber aufeine Struktur, die sowohl tektonisch wie formal die Konti-nuität zwischen den geknickten Flächen des prismati-schen Körpers herstellt. Verläuft eine Gebäudekante nichtparallel zum Fassadenraster, wird die Abweichung inner-halb der ohnehin von Schrägen dominierten Hülle kaumwahrgenommen. [Aus mathematischer Sicht zur Familieder Vierecke gehörend, ist das Potenzial der Raute in ihrerformalen Wandlungsfähigkeit zu sehen. Ausgehend voneinem auf die Spitze gestellten Quadrat, ändert sich durchStauchen und Strecken der Diagonalen fast unmerklichdie Proportion; andere Deformationen führen zum Paral-lelogramm oder zum Trapez. In dieser Kategorie ist der

Abb. 19: Herzog und de Meuron, Epicenter Store Prada, Tokio (Japan), 2001 Abb. 20: Herzog und de Meuron, Epicenter Store Prada, Tokio (Japan), 2001

Page 27: GRUNDKURS ARCHITEKTUR Texte zur Vorlesung Entwurf ...cms.deplazes.arch.ethz.ch/storage/uploads/2018/02/...ETH Zrich, Departeent Architektur, Professur Andrea Deplazes Text 1 Text 2

BAUSTOFFE – MODULE Stahl

121

Einführung

rechte Winkel die Ausnahme und der spitze Winkel die Re-gel - ein Formenvokabular also, in das sich selbstDreiecke mühelos einfügen lassen: Dreiecke, die einenstatischen Sachverhalt wiedergeben oder stereometri-sche Ursachen haben.] Anders als bei orthogonalen Tei-lungen, wo der Betrachter die Felder nur horizontal undvertikal zueinander in Beziehung setzt, bilden Rauten,selbst wenn sie vertikal über- und horizontal nebeneinan-der angeordnet sind, schräg verlaufende Bänder, die dasZuweisen einer eindeutigen Richtung erschweren. DieGitterstruktur des Prada Epicenters wirkt deshalb in einemMass hierarchielos, als dass sie nie in Konflikt mit derOrdnung des Baukörpers gerät.

Irreguläre Plastizität lässt sich demnach auch andersherstellen als durch massgeschneiderte Strukturen, diemeist Skelette aufweisen, die einer Verkleidung bedürfen.

Literatur- Sigfried Gidieon: Bauen in Frankreich, Berlin 1928.- Schweizer Stahlbauverband (Hrsg.), Bauen in Stahl, Zürich, 1956.- Kunstverein Solothurn (Hrsg.), Fritz Haller – Bauen und forschen, Solothurn 1988.- Schulitz, Sobek, Habermann, Stahlbau-Atlas, Basel 2001.- Laurence Allégret, Valérie Vaudou (Hrsg.), Jean Prouvé et Paris, Paris 2001.- Friedrich Grimm, Konstruieren mit Walzprofilen, Berlin 2003.

Abb. 21: Foster & Partners, Swiss Re Tower, London 2000-2004