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Begleitunterlagen
zur Referendarausbildung
Grundzüge des Insolvenzverfahrens
WILLMER Rechtsanwälte • Insolvenzverwalter
Rechtsanwalt Marc Kampfenkel
Georgstr. 5
27283 Verden
Tel.: (04231) 88445
Fax: (04231) 88455
www.willmer-inso.de
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I. Ziele des Insolvenzverfahrens
1. Befriedigungsfunktion
- Die Gläubiger des Insolvenzschuldners sollen gemeinschaftlich befriedigt
werden. Das Vermögen des Insolvenzschuldners wird dazu verwertet, der
daraus erzielte Erlös wird auf die Insolvenzgläubiger verteilt bzw. zur
Fortführung des insolventen Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzplans
genutzt (§ 1 InsO).
- Gläubigergleichbehandlung der InsO steht im Gegensatz zu dem
Reihenfolgeprinzip der ZPO: Die Gesamtvollstreckung bezieht alle Gläubiger
ein und kommt ihnen in gleichem Maße zugute (quotale Befriedigung).
- Befriedigung bei Unternehmensinsolvenzen durch:
- Regelverfahren (quotale Verteilung des Vermögens auf Gläubiger)
oder
- Insolvenzplanverfahren (Abwicklung weicht durch Vereinbarungen mit
den Gläubigern vom gesetzlichen Verfahren ab)
2. Ordnungsfunktion
Voraussetzung für die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger ist die
ordnungsgemäße Abwicklung der massebezogenen Rechtsverhältnisse des
Insolvenzschuldners. Das Insolvenzverfahren erfüllt daher auch eine
Ordnungsfunktion.
3. Restschuldbefreiung
Grundsätzlich bestehen die Gläubigerforderungen nach Abschluss des
Insolvenzverfahrens in der Höhe fort, in der sie nicht quotal befriedigt wurden.
Natürliche Personen können Restschuldbefreiung beantragen. Voraussetzungen für
deren Gewährung durch d. Insolvenzgericht (§§ 286 ff InsO):
- Forderungen beruhen nicht auf rechtswidrigen Handlungen des Schuldners
- Während der Dauer von sechs Jahren (Wohlverhaltensphase) zahlt der
Schuldner seine über der Pfändungsfreigrenze liegenden Einkünfte an die
Gläubiger
- Der Schuldner bemüht sich während der Wohlverhaltensphase um eine
Erwerbstätigkeit
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II. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
1. Der Insolvenzantrag
Das Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag eröffnet. Keine Prüfung und Eröffnung
durch das Insolvenzgericht von Amts wegen (§ 13 Abs. 1 InsO).
a) durch den Schuldner (Eigenantrag)
⇒ Insolvenzfähigkeit (§ 11 InsO)
Insolvenzfähig ist nur ein Vermögensträger, d.h.:
- natürliche Personen
- juristische Personen des Privatrechts (zum öff. Recht: § 12 InsO)
- nicht rechtsfähige Vereine
- Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (z.B. OHG, KG)
Ausnahme: Bei der GbR ist das Insolvenzverfahren auf das
Gesamthandsvermögen beschränkt (Verfahrensbeteiligte sind nur die
Gesellschafter)
- Nachlass
- Gesamtgut einer Gütergemeinschaft
⇒ Antragsrecht
Bei jur. Personen, Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit und KGaA (§ 15
InsO):
- jedes Mitglied des vertretungsberechtigten Organs (GF, Vorstand)
- jeder persönlich haftende Gesellschafter
- Abwickler (bei Gesellschaft in Liquidation)
- Ausnahme: Bei „nur“ drohender Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO
bedarf es des Antrags aller Mitglieder des Vertretungsorgans/aller
Abwickler oder desjenigen, der zur Vertretung berechtigt ist.
⇒ Antragspflichten juristischer Personen
Die Vertretungsorgane folgender jur. Personen treffen Antragspflichten:
- Kapitalgesellschaften (§ 92 Abs. 2 AktG, § 64 GmbHG)
- Gesellschaften ohne natürliche Person als haftender Gesellschafter
(§§ 130 a, 177 a HGB)
- rechtsfähige Vereine (§ 42 Abs. 2 BGB)
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- Antragsfrist: Unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen ab
Vorliegen des Insolvenzgrundes
- Versäumen des Antrags = Insolvenzverschleppung mit zivil- und
strafrechtlichen Folgen für das Vertretungsorgan
⇒ Antragsgründe
Der Insolvenzantrag ist gem. § 16 InsO begründet, wenn einer der in §§ 17-19
InsO genannten Insolvenzgründe vorliegt:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) = Schuldner ist nicht in der Lage, die
fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. I.d.R. (+), wenn der Schuldner
seine Zahlungen eingestellt hat
- Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) = Schuldner ist
voraussichtlich nicht in der Lage, die bestehenden Verbindlichkeiten
bei Fälligkeit zu erfüllen (Liquiditätsplan erforderlich).
- Überschuldung (§ 19 InsO) = Das Vermögen des Schuldners deckt
nicht mehr die bestehenden Verbindlichkeiten, wobei für die
Vermögensbewertung die Fortführung des Unternehmens zu
unterstellen ist, wenn diese überwiegend wahrscheinlich ist.
Gilt nur für jur. Personen und u.U. für Gesellschaften ohne
Rechtspersönlichkeit (§ 19 Abs. 3 InsO)
b) durch den Gläubiger (Fremdantrag)
Antragsberechtigt ist auch jeder Gläubiger, der ein rechtliches Interesse an der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat (§ 14 Abs. 1 InsO).
- Gläubiger muss eigene Insolvenzforderung und Insolvenzgrund glaubhaft
machen
- kein rechtl. Interesse bei ausreichender Sicherung der Forderung durch dingl.
Recht (Absonderungsrecht)
- keine rechtliches Interesse bei Unterdrucksetzen des nur zahlungsunwilligen
Schuldners (Druckantrag)
c) Bis zur Entscheidung über den Eröffnungsantrag kann dieser zurückgenommen
werden gemäß § 13 Abs. 2 InsO (Kostenfolge: § 4 InsO, §§ 269 Abs. 3 S. 2 u.3
ZPO), Ausfluss der Dispositionsmaxime
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2. Maßnahmen des Insolvenzgerichts
a) Insolvenzgericht:
- örtlich zuständig: Das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen
allgemeinen Gerichtsstand hat bzw. der Schwerpunkt seiner selbständigen
wirtschaftlichen Tätigkeit liegt
- sachlich zuständig: Das AG, in dessen Bezirk ein LG seinen Sitz hat (Bsp.:
Der Schuldner wohnt in Langen, Niedersachsen. Langen hat ein AG, aber kein
eigenes LG. Das AG Langen gehört zum Bezirk des LG Stade. Zuständiges
Insolvenzgericht ist somit das AG Stade). Weitere Gerichte können bestimmt
werden.
b) Hinzuziehen eines Gutachters
Das Insolvenzgericht kann zunächst einen Gutachter mit der Prüfung
folgender Fragen beauftragen, um sich die notwendigen Kenntnisse von der
Situation des Insolvenzschuldners zu verschaffen:
(1) Prüfung des Eröffungsgrundes
(2) Prüfung der Kostendeckung
(3) Prüfung der Erforderlichkeit von Sicherungsmaßnahmen
3. Sicherungsmaßnahmen
Häufig insbesondere erforderlich bei Betriebsfortführung, nicht kooperativen
Schuldnern, nachteiliger Veränderung der Vermögenslage des Schuldners. Nicht
abschließende Aufzählung gem. § 21 Abs. 1 InsO:
a) Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
b) Beststellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
aa) Mit Verfügungsmacht („starker“ Verwalter)
(1) Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht auf den vorläufigen
Verwalter über
(2) § 240 ZPO anwendbar
(3) Verwalter kann Masseverbindlichkeiten begründen
bb) Ohne Verfügungsmacht („schwacher“ Verwalter)
cc) Mit Zustimmungsvorbehalt („halbstarker“ Verwalter)
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(1) Rechtshandlungen des Schuldners sind nur mit Zustimmung des
vorläufigen Verwalters wirksam
(2) § 240 ZPO nicht anwendbar
(3) grundsätzlich kein Vollstreckungsverbot
(4) praktisch häufigster Fall
c) Postsperre
d) Denkbar sind weiter:
aa) Ermächtigung zum Forderungseinzug
bb) Ermächtigung zur Kassenführung
cc) Ermächtigung zur Insbesitznahme von Geschäftsunterlagen u.a.
4. Rechtsmittel im Eröffnungsverfahren
- sofortige Beschwerde gegen Anordnung einer Sicherungsmaßnahme gem.
§§ 6, 21 Abs. 1 S. 2 InsO, 567 ZPO (keine aufschiebende Wirkung)
- ggf. Aufhebung unzweckmäßiger Sicherungsmaßnahmen und
Bekanntmachung der Aufhebung einer Verfügungsbeschränkung gem. §§ 25
Abs. 1, 23 InsO
- Streit über die Massezugehörigkeit eines bestimmten Gegenstandes zwischen
Insolvenzverwalter und Schuldner:
- Insolvenzverwalter: Feststellungsklage gg Schuldner
- Schuldner: Vollstreckungsgegenklage gg Insolvenzverwalter, § 4 InsO
i.V.m. §§ 795, 767 ZPO
III. Die Entscheidung über den Eröffnungsantrag
1. Prüfung durch das Insolvenzgericht
a) Zulässigkeitsvoraussetzungen (§§ 2, 3, 11 ff InsO)
- Zuständigkeit des Gerichts
- Antragsrecht des Antragstellers
- Parteifähigkeit des Antragstellers
- Prozessfähigkeit des Antragstellers
- Insolvenzfähigkeit des Schuldners
- zutreffende Verfahrenswahl
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Verbraucherinsolvenz:
- Schuldner ist natürliche Person und übt keine selbständige
wirtschaftliche Tätigkeit aus ODER
- Schuldner ist natürliche Person, übt selbständige wirtschaftliche
Tätigkeit aus und seine Vermögensverhältnisse sind trotz dieser
Tätigkeit überschaubar (§ 304 Abs. 2 InsO)
Regelinsolvenz:
Betrifft in erster Linie Unternehmen. Natürliche Personen nur dann,
wenn selbst. wirtschaftlich tätig bzw. ehemals selbständig tätig und
Vermögensverhältnisse nicht überschaubar.
b) Eröffnungsgründe gem. §§ 17 – 19 InsO
Eröffnungsgrund muss glaubhaft gemacht werden durch Gläubiger als
Antragsteller, § 14 Abs. 1 InsO. Wesentliche Merkmale des Eröffnungsrundes
müssen mitgeteilt werden, wenn Schuldner Antragsteller ist (vgl. BGH NJW
2003, 1187)
(1) Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO: Schuldner ist nicht in der Lage, die
fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. I.d.R. (+), wenn Zahlungen
eingestellt wurden.
(2) Überschuldung, § 19 InsO: Vermögen des Schuldners deckt die
bestehenden Verbindlichkeiten nicht. Gilt nur für :
- jur. Personen
- grds. auch Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, wenn
kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person
ist (lies § 19 Abs. 3 InsO)
(3) Drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO: Schuldner wird
voraussichtlich nicht in der Lage sein, die bestehenden
Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Gilt nur, wenn:
- der Schuldner selbst den Eröffnungsantrag gestellt hat
- bei jur. Personen und Gesellschaften ohne
Rechtspersönlichkeit: Wenn alle Mitglieder des
Vertretungsorgans bzw. alle pers. haftenden Gesellschafter
bzw. alle Abwickler bzw. der Vertretungsberechtigte den
Eröffnungsantrag gestellt haben/hat
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c) Deckung der Verfahrenskosten
Die Finanzierung des Verfahrens muss sichergestellt sein. Deckt das
vorhandene Vermögen die Verfahrenskosten nicht, wird das Verfahren
mangels Masse nicht eröffnet (§ 26 InsO). Allerdings kann ein Vorschuss auf
die Verfahrenskosten geleistet werden. Einer natürlichen Person kann auch
Stundung gewährt werden, wenn sie den Insolvenzantrag selbst gestellt und
Restschuldbefreiung beantragt hat, welche nicht offensichtlich zu versagen ist
gem. § 26 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 4 InsO. Wenn sich erst nach
Verfahrenseröffnung ergibt, dass die Masse zur Deckung der
Verfahrenskosten nicht ausreicht, stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein
(§ 207 InsO); man spricht dann auch von „Massearmut“.
2. Entscheidung durch Beschluss
a) Abweisung des Antrags als unzulässig (Voraussetzungen s.o.)
b) Abweisung des Antrags als unbegründet:
aa) mangels Masse, wenn Verfahrenskosten nicht gedeckt
sind, § 26 InsO
(1) Rechtsfolgen:
- GmbH und AG: Mitteilung an das Handelsregister und Auflösung der
Gesellschaft gem. § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG und § 60 Abs. 1 Nr. 5
GmbHG > Liquidation
- bei allen anderen: Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes,
d.h. es kann wieder in das Vermögen ein Vollstreckungsversuch
unternommen werden, etc. Eintragung in das Schuldnerverzeichnis
gem. §§ 26 Abs. 2 InsO, 915 ff ZPO hat Warnfunktion.
(2) Rechtsmittel: § 34 Abs. 1 InsO > Dem Antragsteller und dem (auch
nicht antragstellenden) Schuldner (Verweis auf § 26 InsO) steht die
sofortige Beschwerde zu
(3) Erneuter Antrag: Ein neuer Eröffnungsantrag ist zulässig, wenn der
Antragsteller glaubhaft machen kann, dass inzwischen ausreichendes
Schuldnervermögen vorhanden ist
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bb) Eröffnungsgrund wurde glaubhaft gemacht, aber nicht zur
Überzeugung des Gerichts festgestellt
(1) Rechtsfolgen: Das Verfahren wird nicht eröffnet. Keine weiteren
Rechtsfolgen für den Schuldner.
(2) Rechtsmittel: § 34 Abs. 1 HS 1 InsO > Dem Antragsteller steht die
sofortige Beschwerde zu
c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aa) Beschlussinhalt (§§ 27 ff InsO)
Der Eröffnungsbeschluss enthält:
- Firma/Name , Geschäftszweig/Beschäftigung, gewerbliche
Niederlassung/Wohnsitz des Schuldners
- Namen und Anschrift des Insolvenzverwalters
- Stunde der Eröffnung
- Aufforderung an Drittschuldner, nur noch an den
Insolvenzverwalter und nicht mehr an den Schuldner zu leisten
(„offener Arrest“)
- Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen innerhalb
einer bestimmten Frist anzumelden und etwaige
Sicherungsrechte an beweglichen Sachen oder Rechten des
Schuldners mitzuteilen und näher zu bezeichnen
- Bestimmung des Berichtstermins und des Prüfungstermins (§
29 InsO)
- Berichtstermin = Gläubigerversammlung, in der auf der
Grundlage eines Berichts des Insolvenzverwalters über
den Fortgang des Verfahrens beschlossen wird
- Prüfungstermin = Gläubigerversammlung, in der die
angemeldeten Forderungen geprüft werden
- beide Termine können zusammengelegt werden
bb) Bekanntmachungen
Die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts muss den
Eröffnungsbeschluss sofort öffentlich bekannt machen, was durch
teilweisen Abdruck im Bundesanzeiger und seit neuestem auch im
Internet auf der Website www.insolvenzbekanntmachungen.de
geschieht.
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cc) Rechtsmittel
- der Eröffnungsbeschluss kann vom Schuldner mit der sofortigen
Beschwerde angefochten werden, § 34 Abs. 2 InsO
IV. Durchführung des Insolvenzverfahrens
1. Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger
a) Insolvenzgläubiger
§ 38 InsO: Legaldefinition der Insolvenzgläubiger > „Die Insolvenzmasse dient zur
Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner
haben…“. Persönlicher Gläubiger ist, wer in einem schuldrechtlichen Verhältnis
zu dem Schuldner steht.
aa) Insolvenzforderungen
(a) Forderung in Geld
Da es sich um einen „Vermögensanspruch“ (§ 38 InsO) handelt,
hat die Befriedigung des Gläubigers in Geld zu erfolgen; nur
hierdurch ist die Bildung einer Quote und damit die
gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung möglich. Bei anders
gearteten Ansprüchen (Gewährleistungsrechte, etc.) ist der
Anspruch von dem Gläubiger in Geld umzurechnen gem. § 45
InsO.
(b) Anmeldung der Insolvenzforderungen
Die Gläubiger haben ihre Forderungen zur Tabelle anzumelden
gem. § 174 InsO. Dies geschieht schriftlich und unter Beifügung
der den Rechtsgrund bezeichnenden und die Forderung
belegenden Urkunden (ein Titel ist nicht Voraussetzung)
gegenüber dem Insolvenzverwalter. Häufig können von den
Insolvenzverwaltern bereit gestellte Formulare auch online
ausgefüllt und versandt werden.
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(c) Nachrangige Gläubiger
Gem. § 39 InsO werden bestimmte Gläubiger nachrangig
befriedigt (Durchbrechung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung der Gläubiger), bitte lesen Sie die einzelnen
Fallgruppen im Gesetz nach.
bb) Prüfung der angemeldeten Forderungen:
Der Insolvenzverwalter prüft die angemeldeten Forderungen. Er wird
die Forderung, wenn diese nicht besteht oder nicht hinreichend belegt
ist, bestreiten. Ein vorläufiges Bestreiten ist in der Praxis trotz Fehlens
einer entsprechenden Regelung im Gesetz üblich; hierdurch wird dem
Gläubiger ermöglicht, nicht eingereichte Unterlagen nachzureichen u.ä.
Wenn die Forderung hingegen besteht und nachgewiesen ist, wird sie
zur Tabelle festgestellt, d.h. in die Tabelle aufgenommen.
b) Aus- und absonderungsberechtigte Gläubiger
Neben den Insolvenzgläubigern gibt es Gläubiger, die über ein
Aussonderungsrecht oder ein Absonderungsrecht verfügen. Diese Gläubiger
nehmen an der gemeinschaftlichen, quotalen Befriedigung aller Gläubiger nicht
teil, sondern werden gesondert befriedigt.
aa) Absonderungsrechte
Ein Absonderungsrecht besteht, wenn der Gläubiger über eine
persönliche Forderung gegen den Schuldner verfügt, die durch ein
dingliches Recht an einem zur Insolvenzmasse gehörenden
Gegenstand gesichert ist (§§ 49 ff, 165 ff InsO). Es handelt sich also
um Drittrechte, die von dem Insolvenzverwalter zu beachten sind. Bsp.:
- Vermieterpfandrecht
- Grundschulden
- Globalzession
- Sicherungsübereignung
Dem Insolvenzverwalter steht an den Gegenständen, an denen ein
Absonderungsrecht besteht, das Verwertungsrecht zu, wenn er die
Sache in seinem Besitz hat, § 166 ff. InsO.
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(1) Kostenbeiträge
Kostenbeiträge werden vom absonderungsberechtigten Gläubiger
gem. § 171 InsO in Höhe von 9% des Erlöses, zzgl. USt. erhoben.
(2) Anmeldung „für den Ausfall“
Der absonderungsberechtigte Gläubiger meldet seine Forderung für
den Ausfall – also in dem Umfang, in dem er bei abgesonderter
Befriedigung ausfällt – an, § 52 InsO.
bb) Aussonderungsrechte
§ 47 InsO: „Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts
geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse
gehört, ist kein Insolvenzgläubiger.“ Dieser Gläubiger kann außerhalb
des Insolvenzverfahrens von dem Insolvenzverwalter die Herausgabe
des in seinem Eigentum stehenden Gegenstandes verlangen. Ist der
Gegenstand bereits veräußert worden, gilt § 48 InsO
(Ersatzaussonderung). Achtung: Sicherungseigentum und die
verlängerten bzw. erweiterten Formen des Eigentumsvorbehalts
gewähren kein Aussonderungs- sondern ein Absonderungsrecht, § 51
InsO.
cc) Zur Aufrechung berechtigte Gläubiger (§ 94 InsO)
Der Gläubiger, der zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein
Aufrechnungsrecht hat, behält dieses auch nach Eröffnung. Er ist also
nicht verpflichtet, seine Verpflichtung an die Masse zu erfüllen und
dafür die quotale Befriedigung zu akzeptieren.
Aber Einschränkungen gem. § 96 InsO, keine Aufrechnung
⇒ mit Gegenforderungen, die nach Eröffnung entstanden sind, § 96 I
Nr. 1 InsO
⇒ bei Erwerb der Gegenforderung nach Verfahrenseröffnung, § 96 I
Nr. 2 InsO
⇒ wenn Aufrechnungsmöglichkeit in anfechtbarer Weise erlangt
wurde, § 96 I Nr. 3 InsO
⇒ mit Gegenforderung, die aus dem insolvenzfreien – insbesondere
unpfändbaren Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist
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⇒ Bei Fälligkeit der Gläubigerforderung nach Fälligkeit der
Masseforderung, § 95 I 3 InsO
⇒ eingeschränkte Aufrechnung im Rahmen von Verrechnungs- bzw.
Aufrechnungsvereinbarungen (BGH)
2. Vorrangige Befriedigung von Masseverbindlichkeiten
Verbindlichkeiten der Masse sind vorrangig zu tilgen, d.h. die Verbindlichkeiten, die
durch die Verwaltung oder Verwertung der Masse durch den Insolvenzverwa lter
entstehen, müssen vorweg ausgeglichen werden (§§ 53 ff InsO).
a) Masseverbindlichkeiten
(1) aus Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse, z.B.:
⇒ Umsatzsteuer
⇒ Grundbesitzabgaben
⇒ Usw.
(2) aus gegenseitigen Verträgen („aufgedrängte“ Masseverbindlichkeiten)
- Kündigungsfristen: Es gelten besondere Kündigungsfristen für
den Insolvenzverwalter. Bsp.:
- Mietverhältnis (Schuldner = Mieter): Es gelten die ges.
Kündigungsfristen, vertragl. Fristen sind unbeachtlich, § 109
Abs. 1 S. 1 InsO
- Dienstverhältnis (Schuldner = Dienstberechtigter):
Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende oder ggf. kürzer,
§ 113 S. 2 InsO
(3) Aus ungerechtfertigter Bereicherung der Masse
b) Masseunzulänglichkeit
⇒ Voraussetzungen
Masseunzulänglichkeit besteht, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens
zwar gedeckt sind, die Masse aber nicht mehr ausreicht, um die sonstigen
Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, und auch, wenn abzusehen ist, dass die
Masse nicht ausreichen wird, künftig fällig werdende Masseverbindlichkeiten
zu erfüllen (§ 208 InsO). Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, dem Gericht
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die Masseunzulänglichkeit anzuzeigen, welches sie öffentlich bekannt zu
machen und den Gläubigern anzuzeigen hat.
⇒ Rechtsfolgen der Anzeige
Die bis zur Anzeige begründeten Masseschulden (Altmasseschulden) sind
zweitrangig hinter den danach begründeten Masseverbindlichkeiten
(Neumasseschulden) zu befriedigen. Wegen des Massemangels werden die
Massegläubiger in folgender Reihenfolge befriedigt:
1. Verfahrenskosten
2. Neumassegläubiger (nur die vom Insolvenzverwalter gewollt
begründeten Verbindlichkeiten, § 209 Abs. 2 InsO)
3. Altmassegläubiger
Reicht die Masse nicht mehr aus, innerhalb dieser Reihenfolge alle
Forderungen vollständig auszugleichen, werden die letzten Gläubiger nur
noch quotal befriedigt (wie sonst die Insolvenzgläubiger).
3. Die Insolvenzmasse
a) Legaldefinition in § 35 InsO: „Das Insolvenzverfahren umfasst das gesamte
Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und
das er während des Verfahrens erlangt…“
aa) Verwertung der vorhandene Masse
Die Insolvenzmasse wird beschlagnahmt und verwertet. Zu ihr gehört
das Vermögen des Schuldners:
- Forderungen des Schuldners (z.B. mater. und immater.
Schadensersatz, Warenlieferungen)
- Sonstiges Vermögen (z.B. Eigentum, Patente)
- Pfändungsverbote beachten: Wie in Einzelzwangsvollstreckung
- „Übertragende Sanierung“: Der Insolvenzverwalter kann das
gesamte Unternehmen des Schuldners verwerten, indem er die
einzelnen Vermögenswerte auf den Käufer überträgt. Übrig
bleibt nur der Träger des Unternehmens selbst, der weiterhin
Schuldner des Insolvenzverfahrens ist und über kein
nennenswertes Vermögen mehr verfügt. Besonderheit: § 25
HGB findet keine Anwendung.
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bb) Neuerwerb
Zur Masse gehört auch das während des Verfahrens von dem
Schuldner erworbene Vermögen (von Eröffnung bis Verfahrensende).
b) Rückschlagsperre als „Sonderaktiva“
Die Masse wird durch die sog. Rückschlagsperre geschützt, durch die eine
Einzelzwangsvollstreckung, die im letzten Monat vor Antragstellung oder
danach vorgenommen worden ist und zu einer Sicherung an einem
Massegegenstand geführt hat, unwirksam ist, sobald das Verfahren eröffnet
worden ist (§ 88 InsO).
c) Sonstige „Sonderaktiva“
Zum Vermögen zählen auch die Sonderaktiva, die nicht in der Bilanz aktiviert
werden, die aber auch zur Masse gehören:
aa) Anfechtungsrechte des Verwalters
Häufig versucht der Schuldner noch vor Verfahrenseröffnung, sein
Vermögen durch Verschiebung und Übertragung auf Dritte zu retten
oder aber einzelne Gläubiger vor und zum Nachteil der anderen
Gläubiger zu befriedigen. In diesen Fällen kann eine Anfechtung der
Vermögensübertragungen erfolgen:
(1) Anfechtung wegen kongruenter Deckung (§ 130 InsO)
Der Schuldner hat eine vorbereitende Handlung vorgenommen,
die des dem Gläubiger ermöglichte, rechtmäßig eine Sicherung
oder Befriedigung zu erlangen.
(2) Anfechtung wegen inkongruenter Deckung (§ 131 InsO)
Der Schuldner hat es dem Gläubiger ermöglicht, eine Sicherung
oder Befriedigung zu erlangen, auf die er keinen Anspruch
hatte.
(3) Sonstige Anfechtungsmöglichkeiten
- Vorsatzanfechtung (Schuldner wollte sein Vermögen auf
wissenden Dritten übertragen, wobei er die Benachteiligung
seiner Gläubiger mind. billigend in Kauf genommen hat),
Anfechtung kann bis zu zehn Jahre (ab Antrag) zurück liegende
Geschäfte betreffen, § 133 Abs. 1 InsO
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- Schenkungsanfechtung (alle unentgeltlichen
Vermögensübertragungen des Schuldners bis zu vier Jahre vor
dem Antrag), § 134 InsO
bb) Gesellschaftsrechtliche Ansprüche
⇒ Einzahlung der Stammeinlage
⇒ Kapitalersatz
⇒ § 64 II GmbHG
4. Gläubigerausschuss
Der Gläubigerausschuss ist das Organ der Insolvenzgläubiger. Er kann schon vor der
ersten Gläubigerversammlung vom Insolvenzgericht eingesetzt werden gem. § 67
Abs. 1 InsO. Grundsätzlich entscheidet jedoch die Gläubigerversammlung, ob ein
Ausschuss eingesetzt bzw. beibehalten werden soll und wer seine Mitglieder sein
sollen (§ 68 InsO). Der Gläubigerausschuss soll den Verwalter unterstützen und
kontrollieren und hat entsprechende Informationsrechte (§ 69 InsO), können sich in
diesem Rahmen aber auch schadensersatzpflichtig machen (§ 71 InsO). Die
praktische Bedeutung der Gläubigerausschüsse ist als eher gering einzustufen.
5. Restschuldbefreiung
Der Schuldner, der eine natürliche Person ist, kann auf seinen Antrag hin von den
Verbindlichkeiten, die während des Insolvenzverfahrens nicht getilgt werden können,
nach Abschluss des Verfahrens befreit werden (Neuerung der InsO, die es in der vor
dem 01.01.1999 geltenden KO nicht gab!)
a) Antrag
Antrag des Schuldners ist zwingend notwendig und soll mit dem Insolvenzantrag
verbunden werden (§ 287 InsO), im Verbraucherinsolvenzverfahren muss sich
der Schuldner bei Insolvenzantragstellung zwingend hierzu erklären (§ 305 Abs. 1
Nr. 2 InsO)
b) Abtretungserklärung
Dem Antrag auf Rechtschuldbefreiung muss eine Abtretungserklärung beigefügt
werden: Der Schuldner tritt seine pfändbaren Forderungen auf Dienstbezüge für
die Zeit von sechs Jahren nach Verfahrenseröffnung an einen vom Gericht zu
bestimmenden Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 InsO) > sechsjährige
Wohlverhaltensperiode
c) Keine Versagungsgründe
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Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Restschuldbefreiung zu versagen:
- Antrag eines Gläubigers
- Vorliegen einer der Versagungsgründe des § 290 InsO
V. Beendigung des Insolvenzverfahrens
1. Aufhebung des Verfahrens, § 200 InsO
Die Aufhebung nach dem Schlusstermin stellt die „normale“ Beendigung des
Verfahrens dar.
a) Schlusstermin
Schlusstermin = vom Gericht bestimmter Termin einer Gläubigerversammlung
zum Zweck der Zustimmung zur Schlussverteilung gem. § 197 InsO
b) Verteilungsverzeichnis
Vor jeder Verteilung, also auch vor der Schlussverteilung, hat der Verwalter ein
Verteilungsverzeichnis zu erstellen, das bei dem Insolvenzgericht eingesehen
werden kann. Aus dem Verzeichnis ergeben sich die bei der Verteilung zu
berücksichtigenden Forderungen (§ 188 InsO)
c) Schlussverteilung
Die Schlussverteilung erfolgt, sobald die Verteilung der Insolvenzmasse mit
Ausnahme eines laufenden Einkommens beendet ist (§ 196 InsO)
d) Aufhebung durch Beschluss, § 200 Abs. 2 InsO
e) Rechtsfolgen
Wenn keine Restschuldbefreiung gewährt wurde, können die Insolvenzgläubiger
ihre restlichen Forderungen unbeschränkt geltend machen, § 201 InsO (freies
Nachforderungsrecht).
2. Einstellung des Verfahrens
Das Verfahren kann auch eingestellt werden:
a) Mangels Masse, § 207 InsO
Erst nach Verfahrenseröffnung hat sich gezeigt, dass die Verfahrenskosten nicht
gedeckt sind. Zuvor müssen Insolvenzverwalter, Gläubigerversammlung und
Massegläubiger angehört werden.
b) Bei Masseunzulänglichkeit, § 211 InsO
Die Verfahrenskosten konnten gedeckt werden, nicht aber die sonstigen
Masseverbindlichkeiten. Nach Verteilung der Masse nach der bekannten
Rangfolge (§ 209 InsO, s.o.) wird das Verfahren eingestellt.
c) Sonstige Einstellungsgründe
Willmer Rechtsanwälte • Insolvenzverwalter R e c h t s a n w a l t M a r c K a m p f e n k e l
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- Wegfall des Eröffnungsgrundes, § 212 InsO
- Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger, § 213 InsO
VI. Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens, § 217 ff. InsO
Alternativ zum Insolvenzverfahren kann ein Insolvenzplanverfahren durchgeführt
werden. Während das Insolvenzverfahren die o.g. gesetzlichen Regelungen zur
Gläubigerbefriedigung vorsieht, wird im Insolvenzplan davon abgewichen; dies ist im
Rahmen der Gläubigerautonomie möglich. Ziel ist es, durch besondere
Vereinbarungen, zumeist Teilverzichte der Gläubiger, den insolventen
Vermögensträger zu erhalten.