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http://www.don-bosco-schule-rostock.de/hro/index.php
GrundschulrelevantedidaktischeModelle
-Newsletter--
InhaltedieserAusgabe:
KindheitimWandel…………....Seite2
Individualisierungdes
Lernens……………………………...Seite5
DieBedeutungvongutem
Unterricht…..…………………....Seite11
DieRechteder
Kinder…………………………......Seite18
DieDon-Bosco-Schule
Rostock……………………………Seite21
Zukunftsvisioneneinermodernen
multikonzeptionellen
Schule…………………………......Seite26
DasThemadieserbrandneuenAusgabeunseresNewslettersist
zunächstdieAuseinander-
setzungmitgrundlegendenIn-
haltenderGrundschulpädagogik
(Seite2bis20).
BesonderswichtigistunsdieÜberführungdergewonnenen
theoretischenErkenntnissein
diePraxis.Dazustellenwireuch
dasSchulkonzeptderDon-
Bosco-SchuleinRostockvor.
SchlussendlichfindetihreinkurzesResümeeaufdenSeiten
26bis29.
Newsletter–DieKindheitimWandel
2
DieKindheitimWandel
vonSandraPach
Das Bild des Kindes, wie wir es
heutekennen,warnichtimmerso
undwirdesauch inZukunftnicht
mehrsein.DiesesPhänomenführt
aufverschiedeneUrsachenzurück,
dieindiesemBeitragkurzerläutert
werden.WirddieAltersspannebe-
trachtet, so sprechen wir von ei-
nemKind,wennessichimZeitrah-
menvomnulltenbiszumvollende-
ten14.Lebensjahrbefindet.Recht-
lichbetrachtet entstandendiesbe-
züglich genauere Rahmenabste-
ckungen,dieineinemspäterenBei-
trag dieser Zeitschrift dargestellt
wird.
Mit der Entwicklung einer Gesell-
schaft, verändert sich auch die
Kindheit und was unter ihr ver-
standen wird. Kulturelle, soziale
undstrukturelleBedingungenver-
änderndieGesellschaftundpassen
sie im Laufe der Jahre an deren
neuenGegebenheitenan.
DieKindheitselbstwurdeüberei-
nen langenZeitraumgarnichtbe-
achtet bzw. als diesewahrgenom-
men. Kinder wurden mit Beendi-
gung der Säuglingsphase bereits
als kleine Erwachsene angesehen.
Erst seit derNeuzeit, in der Ariès
undRousseauihrBildvomKindin
ihrenliterarischenWerkendarstel-
len,wirdsichmitdemThemaaus-
einandergesetzt. Die Phase der
Kindheit wurde als Vorbereitung
ausdasErwachsenwerdenundals
körperlichen Entwicklungsverlauf
verstanden.
Erst im 19. Jahrhundert, als sich
das Bild der Familie veränderte,
wandelte sichdasBilddesKindes
mit einem großen Meilenstein.
Während sich zuvor alle Erwach-
sen inderUmgebungumdieKin-
der mitkümmerten, begann mit
dem Zurückzug der Familie eine
neue Denkweise bezüglich der
Kindheit. Die Familie zog sich in
kleines privates Wohnumfeld zu-
rückundwardamit allein fürdas
Newsletter–DieKindheitimWandel
3
Aufwachsen ihrer Kinder verant-
wortlich.DasAufwachsendesKin-
des wurde zur Privatangelegen-
heit. Hier ist festzuhalten, dass
vieleFamilienihrKindalsMitglied
zum Unterhaltsbeitrag betrachte-
ten. Erst die weiterentwickelten
Kinderrechte,stelltendieKindheit
unterSchutzundsprachendenEr-
ziehungsberechtigten neben der
Betreuung auch Erziehungspflich-
tenzu.
Betrachtet man die Kindheit aus
heutigerSicht,bestehtsieimüber-
wiegendenAnteilnichtausderhei-
lenWunschfamiliemitMutter,Vat-
ter, Kind und vermutlich einem
Haustier. Viele Eltern entscheiden
sichheutegegendasHeiraten.Dies
erleichtert es, kurzentschlossen
eine Trennung hinzunehmen. Die
Folgedaraus istes,dasseinestei-
gendeAnzahlvonKindernvonnur
einem Elternteil großgezogen
wird.ZudementstehenneueFami-
lienkonstellationen,wiediePatch-
work-Familie.
Der erwartete Leistungsdruck der
Arbeitgeber,wirktsichindieheu-
tigeErziehungderKindermitaus.
DasKindwirdnebenderSchulein
vielenweiterenBereichen,wie im
Sport oder im musikalischen Ge-
biet,gefördertundgefordert.Nicht
selten kommt es dabei gar zur
Überforderung. Verfolgt man die
Medien, so nimmt die Anzahl der
sichdarausentwickelndenpsychi-
schenErkrankungenstetigzu.
DieWeiterentwicklungderMedien
spielt ebenfalls in der Weiterent-
wicklungderKindheiteineweitrei-
chende Rolle. Die Kinder heute
können jederzeit auf alle ge-
wünschten Information, oft sehr
leicht, darauf zugreifen.DieMedi-
enwelt sorgt für grenzenlose Un-
terhaltungfürdasKind.Daherwird
es immer wichtiger, den Kindern
denUmgangmitdenMedienzuer-
klären und sie dabei zu begleiten.
ZudemwirddieBeachtungvonge-
sunder Ernährung, genügend
SchlafundausreichendBewegung
immer wichtiger. Den Kindern
Newsletter–DieKindheitimWandel
4
droht schonheute durchden ver-
mehrten Mediengenuss ein enor-
merBewegungsmangel.
FürdieLehrpersonsinddieseEnt-
wicklungenwichtigeBedingungen
fürdieGestaltungdesUnterrichts.
Es sollten immer wieder Bewe-
gungseinheiteneingebautwerden.
Zudemmüssen die Schüler gefor-
dert,jedochnichtüberfordertwer-
den. Die Vermittlung von sinnvol-
len Methoden zur präzisen Infor-
mationsfilterung ist heute wichti-
ger,alsjezuvor.DerSchülerbenö-
tigt einGefühlvonkonstanterGe-
borgenheit.DajedesKindeinenin-
dividuellen Zugang zum Erlernen
desunterrichtlichenInhaltesbenö-
tigt,istesdieAufgabederLehrper-
son,denUnterrichtsinhaltvielfältig
undanschaulichzugestalten.
Quelle:
Kränzl-Nagel,Renate&Mierendorff,Johanna.
(2007). Kindheit im Wandel. In: SWS Rund-
schau,Heft1,47.Jahrgang
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
5
Individualisierung
desLernens
vonKathleenHolz
„Die Grundsätze der Chancen-
gleichheit und der bestmöglichen
Förderung des Einzelnen verlan-
gen,dassdieunterschiedlichenIn-
teressen,MotivationenundFähig-
keitenderLernendenvonallenBil-
dungseinrichtungenzuberücksich-
tigen sind. Deswegen müssen die
Lehrangebote so vielfältig sein,
dass der Lernende seinen Bil-
dungsweg individuell gestalten
kann.Dasbedeutet,dassCurricula
angebotenwerden,dieaufdieun-
terschiedliche Lerngeschwindig-
keit und Motivationslage der Ler-
nendensowieaufderenInteressen
und Lernvoraussetzungen abge-
stimmt sind. Diese Individualisie-
rungistdievordringlicheAufgabe“
(Deutscher Bildungsrat: Struktur-
planfürdasBildungswesen,1970,
S.36)
Seit 1970 hat sich der Unterricht
selbst wenig zu einer Individuali-
sierungdesLernensverändert.Zu
klärenistwasmanunterIndividu-
alisierung verstehen soll. Erstens
istesimschulischenKontextaufin-
stitutioneller Ebene, das bei allen
unterschiedlich profilierte Bil-
dungsgänge geben kann oder bei
WahlfreiheitbeiFächernundKur-
sen. Zweitens bedeutet es auf der
unterrichtlichenEbeneeineinnere
Differenzierung, was Maßnahmen
sind die zumindest zeitweilig die
TeilungderSuSeinerKlasseinUn-
tergruppen. Die Gruppen, Partner
oder Einzelarbeit je nach Voraus-
setzungenunterschiedlicheAufga-
benjenachLerntempozubearbei-
ten. Auch sind Ziele, Methoden,
HilfeoderAufgabendesjeweiligen
Klassengefüges verschieden. Der
Einsatz ist sinnvoll,wenndieKin-
der in einer Klasse auf im Leis-
tungsgefüge und ihren Vorausset-
zungen unterschiedlichen. Denn
eine Klasse ist nicht leistungsho-
mogenunddennochwirdderUn-
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
6
terricht an einem fiktiven mittel-
mäßigen Schüler fingiert. Es gibt
keinenNachweis,dassdasLernen
in solchen Gruppen effektiver ist,
aber nachweislich stabilisieren
sichLeistungszuschreibungenund
oft das (negative) Selbstbild der
SuS durch selektierende Maßnah-
men.AlsoguteGründefürdenAb-
bau von Selektion im Schulwesen
ist die große Heterogenität, der
manmitdidaktischenMaßnahmen
und durch Unterrichtsformen des
individualisierten Lernens begeg-
net.EinGrund fürdie Individuali-
sierungdesLernensineinerKlasse
ist die innere Differenzierung.
Diese soll dem individuellen Kind
besser gerechtwerden und damit
eineEffektivierungdesLernensbei
jedemEinzelnenerreichen.Auchin
Vorbereitung auf die Gesellschaft
mit der wachsenden Komplexität
derLebenszusammenhänge,diezu
Individualisierungsprozessen füh-
ren,waseinerseitsalsGewinnvon
neuen Freiheiten und Möglichkei-
ten,andererseitsalsVerlustderSi-
cherheiten und Orientierungen
dargestelltwird.SollendieKinder
späterinderWeltzurechtkommen.
Um Befremdung, die durch Men-
schen anderer Nationen, Religio-
nenundKultureninjedemAusge-
löst werden, positiv begegnen zu
können, bedarf es eines starken
und positiven Selbstbildes. Dieses
wirderstdurchinnereAutonomie,
Persönlichkeit und Individualität
erreicht.Eswirddas ganzeLeben
gelernt,somitistLernenimmerin-
dividuell. Nach Piaget wird der
Mensch(Lernende)alseinSubjekt
gesehen, das eine individuelle Ge-
schichte, eine eigene Weltbedeu-
tungundSinnkonstruktionhat,an
dieerbeineuenVerunsicherungen
anknüpft,aktivlernfähigistundin
diesem Prozess Identität entwi-
ckelt. Als Fazit für Lehr-Lern-Ar-
rangementsliegtesnahe,dassLeh-
renjeindividuellaufderBasisdes
Lernendenansetztundgleichzeitig
Interaktionen unter den SuS und
zwischendenSuSundLehrerner-
möglichen muss. Individualisie-
rende Lehr-Lern-Arrangements
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
7
aufderEbenederDifferenzierung
sindzumBeispiel:
• Differenzierung im Umfang
des Lernstoffes und bezüg-
lichdeskognitivenNiveaus
• DifferenzierungderBearbei-
tungshilfen
• Differenzierung der Inhalte
bzw.Gegenständenachindi-
viduellenInteressen.
DieswirktsichpositivaufdieMoti-
vationundLernbereitschaftaus.
Individualisierung kann unter-
schiedliche methodische Arrange-
ments haben, hier drei grundle-
gendeFormen:
• Arbeitspläne(zurbesseren
StrukturierungvonAufga-
ben)
• IndividuelleArbeitinner-
halbeinerGruppe(Auftei-
lungnachInteressenunddie
Besonderheit,individuellbe-
arbeiteteTeilewiederzu-
sammenzufügen)
• IndividuelleProjekte:
Wunschthema,freieVorha-
ben,Fach-undJahresarbei-
ten(selbstgewählteArbei-
ten,hoheMotivationamBe-
ginn,ausreichendesMaßan
Durchhaltevermögen).
„Wenn individualisiertes Lernen
nicht Einzelunterricht bedeutet,
heißtdas,dassdieLernenden im-
merwiederaufsichgestelltarbei-
ten.IndividualisiertesLernenkann
dann gleichzeitig selbstständiges
Lernen sein.“ (Bräu, S.136) Die
Selbstständigkeit der Lernenden,
Entscheidungsfreiheitunddiever-
änderteLehrerrollesinddiewich-
tigsten Merkmale selbständigen
Lernens,indenensichdieGemein-
samkeit zum Individualisierten
Lernenzeigen.DieveränderteLeh-
rerrolleisteinebesondereHeraus-
forderung,weilsieineinemSpan-
nungsfeldwiderstrebender Anfor-
derungen(dasRechtaufGleichheit,
dasRechtaufDifferenzierung)ge-
schieht. Jedes Kind soll als Indivi-
duum in seiner Eigenart und Ein-
zigartigkeit anerkannt und gleich-
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
8
zeitiggleichberechtigtalseinsun-
terGleichenbehandeltwerden.So-
mit muss der Lehrer individuell
Förderung und für alle geltende
Standards weitergeben. Einen
nächstenWiderspruch gibt esmit
demselbstständigenLernen,denn
dort müssen eigene Entscheidun-
gen getroffen werden können, ei-
gensinnigzuseinundsichalsIndi-
viduumvonanderenabzugrenzen.
All dies steht im Konfliktmit den
bestehenden Lernanforderungen.
Auf derHandlungsebene des Leh-
rerssteht:
• Selbsttunlassen–Interve-
nierenbzw.Helfen
• Bewertungnachindividuel-
lerodernachsachlicherBe-
zugsnorm.
Eine sinnvolle Zusammenstellung
derAufgabenmussaufderGrund-
lage einer regelmäßigen Diagnose
des Lernstandes jeden einzelnen
Kindes erfolgen. Somit ist die Be-
wertung individuellen Lernens
eineparadoxeAufgabe,daBewer-
tung auch den Sinn vonRückmel-
dung ist für eine erbrachte Leis-
tung,dieAuswirkungaufdaswei-
tere Lernen haben soll. Bewerten
kann man wenn man sehr viel
RückmeldungenübereineLeistung
gibt und somit den individuellen
FortschrittdesKindessehenkann,
auchmüssen„objektive“bzw.lern-
zielorientierteKriterienanBewer-
tungenangelegtwerden.Ineinigen
SchulengibteskeineNotenalsZif-
fer,sondernVerbalzeugnisse(vor-
wiegend in der Grundschule), das
schafftdenKonkurrenzdruckunter
denKindernab.
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
9
IchwerdejetztaufdenBesuchder
Don-Bosco-Schule in Rostock ein-
gehen. Die Umsetzung des Bil-
dungs- und Erziehungsauftrages
erfolgtinAnlehnungandenMarch-
talerPlandurchvierSäulen,deren
Fundament das christliche Men-
schenbildist.DiesevierSäulensind
• der'Morgenkreis',
• das'SelbstständigeLernen',
• der'VernetzteUnterricht'
und
• der'Fachunterricht'.
"Hilfmir,esselbstzutun."
(MariaMontessori)
Das "Selbstständige Lernen" ist
eine Form schulischen Arbeitens,
dasdieIndividualitätdesSchülers
indieMittedespädagogischenBe-
mühens stellt. Dabei wird dem
Kind dieWahl desArbeitsthemas,
dieArbeits-undZeiteinteilung,die
WahlderPartner,dieWahldesAr-
beitsplatzesunddieFormdesAr-
beitsergebnisses in Freiheit zuge-
traut.
Das "Selbstständige Lernen" dient
der individuellen Erarbeitung,
Übung und Wiederholung der
grundlegenden Lerninhalte. Die
Kinder wählen aus den bereitge-
stellten Materialien selbstständig
oder mit Hilfe des Lehrers pas-
sende Aufgaben aus, helfen und
kontrollieren sich gegenseitig. Die
Kinder halten die Aufgabenaus-
wahlschriftlichfest,umsichselbst
die Organisation und dem Lehrer
den Überblick zu ermöglichen.
DieseFormdesselbstorganisierten
LernenshilftdemSchüler,Verant-
wortung für sein eigenesHandeln
zu übernehmen sowie sich selbst
und seine Fähigkeiten zu entde-
cken.Genausokannaberauchder
LehrerdenSchülerbesserkennen
lernen und einschätzen. Er hat
währenddes"SelbstständigenLer-
nens" Zeit, bei einzelnen Schülern
zuseinundkannsieinihremLern-
prozessbegleiten.
Gezeigt wurde eine Unterrichts-
stunde, in der die SuS einige Re-
chenaufgabenselbstständiglösten.
Newsletter–IndividualisierungdesLernens
10
JedesKindkonntezumLehrerge-
henundsichvonihmRechenwege
erklären lassen und sichHilfe ho-
len. Es gab einen Jungen, derwar
auffällig, er hatte auch leichtere
Aufgabenbekommen,damiterein
Erfolgserlebnis mitnehmen
konnte.EswarfürdieLehrerinzu
demZeitpunkt imSchuljahrschon
klar, dass er die Klasse nochmal
machen muss. Die Lehrerin ging
trotzdem individuell auf ihn ein
und war sehr bemüht alle Kinder
gleich zu behandeln. Natürlich
brauchteneinigeKinderkeineHilfe
und trotzdem ging die Lehrerin
durch das Klassenzimmer und
würdigte jede Leistung, auch
konntesiesodenindividuellenIst-
undSollzustandeinesjedeneinzel-
nen Kindes überprüfen. Das Fazit
dieser Stunde bei dieser Lehrerin
war eine engagierteFachkraftmit
Ausdauer undRuhe. Sie besaß ei-
nigeVoraussetzungen, damit indi-
viduelles Lernen gelingen kann:
Bewusstsein des Paradoxienprob-
lems, Diagnosekompetenz, gutes
ZeitmanagementundGelassenheit,
die Fähigkeit sich immer wieder
auf ihre Schüler_innen neu einzu-
lassen.Auchbraucht individuelles
Lernen Orte zur Informationsbe-
schaffung;diesewarenimKlassen-
zimmerundderBibliothekvorhan-
den. Individualisiertes Lernen ist
im Schulprogramm festgeschrie-
ben und somit ziehen alle Lehrer
am selben Strang und bilden gute
Erwachseneaus.
Quelle:
http://www.don-bosco-schule-
rostock.de/hro/Grundschule/Konzept/Still-
arbeit.php
IndividualisierungdesLernens–ZumLehrer-
handeln bei der Bewältigung eines Balan-
ceproblems;In:Bräu,Karin/Schwerdt,Ulrich:
Heterogenität als Chance. Vom produktiven
Umgangmit Gleichheit und Differenz in der
Schule,UTVerlag,Münster,2005,S.129-149
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
11
DieBedeutungvongutemUnterricht
vonAnnaSchwienheer
„LehrermüssendiePerspektive
ihrerSchülereinnehmenkönnen,
undSchülermüssensichalsei-
geneLehrerbetrachten.“
(EwaldTerhart)
DerIhnenhiervorliegendeArtikel
beschäftigt sich mit dem Thema
Unterricht. Wann ist Unterricht
gut?IndiesemKontextmöchteich
schonjetztdaraufhinweisen,dass
„gut“ besonders im Schulkontext
schwerzudefinierenist.ZuBeginn
wollenwir daher klären, was Un-
terrichtbedeutetundwie „gut“ in
diesem Zusammenhang einzuord-
nenist.
Esistfestzuhalten,dassUnterricht
keinedirektenundlinearenEffekte
hat. Die Wirkung von Unterricht
entsteht unteranderem über indi-
viduelle Verarbeitungsprozesse.
Hierzu gehören Lern- und Denk-
prozesse sowie Motivation und
Emotionen. Hinzukommt, dass
nichtnureinWegzumgewünsch-
ten Ziel führt. Undwas nicht ver-
gessenwerden darf:man kann es
nichtjedemrechtmachen.
Schrader und Helmke weisen da-
rauf hin, dass die Unterrichtsfor-
schungzeigt,dassdieQualitätdes
Unterrichtsnichtnurvonderpro-
fessionellenKompetenz,demWis-
senundKönnenvonLehrpersonen
abhängt,sondernzueinemerhebli-
chen Teil auch von Bedingungen
wiederKlassenzusammensetzung
„GuterUnterrichtisteinUnterricht,indemmehrgelerntwird,als
gelehrtwird.“(Weinert1998)
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
12
im Hinblick auf lernrelevante
Merkmale. Dies ist eine der Ursa-
chen,diedieBenennungundMes-
sung von Merkmalen von gutem
Unterrichterschweren.
Dies unterstützt die Aussage von
Helmke,dersagt,dasseinundder-
selbeUnterrichtmalgutseinkann,
malschlecht,malangemessenund
mal unangemessen, je nachdem,
aufwelcheVoraussetzungenerauf
derSeitederSchülertrifft.
Dieszeigt,dassdieFrage,obUnter-
richt „gut“ sei, präzisiert werden
muss:Gutwofür,fürwen?Mitwel-
chen Startbedingungen und aus
welcherPerspektive?
DieQualitätjedenUnterrichtsist
vonzahlreichenFaktorenabhän-
gig,dieüberdieReichweiteein-
zelnerLehrer/innendeutlich
hinausgehen.
HilbertMeyer hat zehnMerkmale
für einen gutenUnterricht formu-
liert,dieimFolgendenstichpunkt-
artigvorgestelltwerden.
1. Klare Strukturierung des Un-
terrichts
Prozess-,Ziel-und Inhaltsklar-
heit, Rollenklarheit, Absprache
vonRegeln,RitualenundFrei-
räumen
2. HoherAnteilechterLernzeit
durch gutes Zeitmanagement,
Pünktlichkeit,Auslagerungvon
Organisationskram, Rhythmi-
sierungdesTagesablaufs
3. LernförderlichesKlima
durch gegenseitigen Respekt,
verlässlich eingehaltene Re-
geln, Verantwortungsüber-
nahme,Gerechtigkeit und Für-
sorge
4. InhaltlicheKlarheit
durchVerständlichkeitderAuf-
gabenstellung,Plausibilitätdes
thematischen Gangs, Klarheit
undVerbindlichkeitderErgeb-
nissicherung
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
13
5. SinnstiftendesKommunizieren
durchPlanungsbeteiligung,Ge-
sprächskultur, Sinnkonferen-
zen,LerntagebücherundSchü-
lerfeedback
6. Methodenvielfalt
Reichtum an Inszenierungs-
techniken, Vielfalt der Hand-
lungsmuster, Variabilität der
Verlaufsformen und Ausbalan-
cierendermethodischenGroß-
formen
7. IndividuellesFördern
durch Freiräume, Geduld und
Zeit, durch innere Differenzie-
rungundIntegration,durchin-
dividuelle Lernstandanalysen
undabgestimmteFörderpläne,
besondere Förderung von
SchülernausRisikogruppen
8. IntelligentesÜben
durch Bewusstmachen von
Lernstrategien, Passgenaue
Übungsaufträge, gezielte Hilfe-
stellungen und „überfreundli-
che“Rahmenbedingungen
9. Transparente Leistungserwar-
tungen
durch an ein Richtlinien oder
Bildungsstandardsorientiertes,
dem Leistungsvermögen der
Schüler entsprechendes Lern-
angebot und gütige förderori-
entierte Rückmeldungen zum
Lernfortschritt
10. VorbereiteteUmgebung
durch gute Ordnung, funktio-
naleEinrichtungundbrauchba-
resLernwerkzeug
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
14
Nun haben Sie einen kleinen Ein-
blick in die schwierigeDiskussion
bekommen, was Unterricht guter
Unterricht ist. Ich denke, es ist
deutlich geworden, dass es gar
nicht so einfach ist, einen „guten“
Unterricht zu definieren. Es gehö-
ren viele große und kleine Dinge
dazu, die Einfluss auf den Unter-
richtnehmenundzumTeilsteuer-
barsind,manchmaldiesaberauch
nicht.
Zum Abschluss dieses Artikels
möchte ichnochkurzaufdreibe-
kannteLerntheorieneingehen,die
füreinengutgeplantenUnterricht
beachtetwerdensollten.
Behaviorismus ist dieTheorieder
Wissenschaft des menschlichen
und tierischen Verhaltens. Be-
kannte Vertreter sind John B.
Watson und Skinner. Skinnerwar
der Überzeugung, dass das Be-
wusstseinundderfreieWilleeine
Illusion seien und dass das
menschlicheVerhaltenausschließ-
lich aus gelernten Reaktionen auf
Reize aus der Umwelt besteht.
Diese radikale Ansicht gilt heute
nichtmehr.Jedochsindexperimen-
tell messbare Gesetzmäßigkeiten
im menschlichen Verhalten auch
heutenocheinwichtigerBestand-
teilderLernforschung.Das innere
desMenschen(Emotionen,Motiva-
tion,Absicht)wirdnichtgeleugnet,
bleibt jedoch bewusst unberück-
sichtigt. Deshalb wird das innere
des Menschen in diesem Zusam-
menhang auch als Blackbox be-
trachtet.DasVerhalten istdasEr-
gebnisvonverstärkendenundab-
schwächendenFaktoren.
Konkretbedeutetdas,dass,sobald
einbestimmtesVerhalteneinange-
nehmesEreigniszurFolgehat,bei-
spielsweise Lob, Belohnung oder
ein Lernerfolg, das entsprechende
Verhaltenverstärktwird.Dieswird
Behaviorismus
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
15
als positive Verstärkung bezeich-
net.ImGegensatzdazuistdienega-
tiveVerstärkungdieWandlungei-
nesbestimmtenVerhaltensausei-
nemunangenehmenZustandinei-
nen angenehmen. Das Verhalten
wirdsomitebenfallsverstärkt.
Wenn ein bestimmtes Verhalten
ein unangenehmes Ereignis zur
Folgehat,wirddasVerhaltenabge-
schwächt.
„JegrößerdieBefriedigungoder
dasUnbehagen,destogrößerdie
StärkungoderdieSchwächung
derVerbindung“
(Thorndike)
Im Kontext schulischer Lehr- und
Lernmethoden steht der Behavio-
rismus für das klassische Einpau-
ken von Informationen. Vorgege-
bene Aufgaben werden solange
wiederholt, bis sie richtig gelöst
werden.DurchLoboderLernerfolg
werden Reize geschaffen, die das
Lernenverstärken.DieLerninhalte
werden dann so aufbereitet, dass
häufig Erfolgserlebnisse ausgelöst
werden.
„VerstärkungdesLernverhaltens
durchErfolg:Wererfolgreich
lernt,lerntlieberundbesser!“
(Vontobel)
Der Kognitivismus ist ein Teilge-
biet der Psychologie und beschäf-
tigt sich insbesonderemit der In-
formationsverarbeitung und den
höheren kognitiven Funktionen
desMenschen.AndersalsbeimBe-
haviorismus wird menschliches
VerhaltenhiernichtalseineKonse-
quenzvonUmweltbedingungenge-
sehen,sondernüberkognitivePro-
zesse erklärt. Es stehen insbeson-
deredie„inneren“ProzesseimMit-
telpunkt, die Art und Weise, wie
Menschen Informationen aufneh-
men, verarbeiten, verstehen und
sichdaranerinnern.Einwichtiger
VertreteristNoamChomsky.Erist
derÜberzeugung,dassderBehavi-
orismus nicht ausreicht, um bei-
spielsweisekomplexeAspektedes
SpracherwerbsbeiKindern zu er-
Kognitivismus
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
16
klären. Hierzu werden die im Ge-
hirn ablaufenden Prozesse benö-
tigt um zum Beispiel Wahrneh-
mung, Aufmerksamkeit, Entschei-
dungsprozesse, Problemlösen und
Sprachezuverstehen.
Für den Unterricht bedeutet das,
dass der Kognitivsmus den Lern-
vorgangalsProzessderInformati-
onsverarbeitung in den Mittel-
punktstellt.DiesschließtdieInter-
pretationundBewertungdes auf-
genommenenWissensmitein.Das
heißt, Lernen kann als Lernen
durchEinsichtbzw.Verstehenund
Nachvollziehen gesehen werden.
Es geht dementsprechend um die
AuseinandersetzungmitdemLern-
inhaltunddemErwerbvonMetho-
denundFähigkeitenfürdasLösen
vonProblemstellungen.Esistdes-
halb wichtig, dass im Unterricht
folgendeszurGeltungkommt:
• Aufmerksamkeitwecken
• Vorwissenaktivieren
• Wahrnehmungsprozesseun-
terstützen
• Speicherung im Gedächtnis
verbessern
• Wissenüberprüfenundver-
bessern.
„MankanneinenMenschen
nichtslehren,mankannihmnur
helfen,esinsichselbstzu
entdecken.“
(GalileoGalilei)
Die grundlegende Idee des Kon-
struktivismus besteht darin, dass
derMenschnichtaufReizeausder
objektiven Welt reagiert, sondern
sichanhandvonSinneseindrücken
seine subjektive Realität erzeugt.
DieseistinstarkemMaßevonder
individuellen Prägung abhängig.
Wird dies auf den Kontext der
Lerntheorie bezogen, bedeutet es,
Konstruktivismus
Newsletter–DieBedeutungvongutemUnterricht
17
dassWissennichtvoneinerPerson
aufdieandereübertragenwerden
kann,sondernvondemLernenden
neukonstruiertwerdenmuss.Ein
Schüler,dereineThematikvonsei-
nemLehrererklärtbekommt,spei-
chert die neuen Informationen
nichteinfachab,sondernkonstru-
iert sich sein persönliches, indivi-
duellesAbbildderRealitätabhän-
gig von seinemVorwissen, seinen
Einstellungen und der aktuellen
Lernsituation.
LernenistkeinpassivesSpei-
chern,sonderneinaktivesKon-
struierenvonWissen.
Die Bedeutung für den Unterricht
ist folgende: Lernende setzen sich
selbstständigmitdenLerninhalten
auseinander, erschließen sie und
entdeckenZusammenhänge.
Quellen:
Helmke,A.(2006):Waswissenwirüberguten
Unterricht? Über die Notwendigkeit einer
RückbesinnungaufdenUnterrichtalsKernge-
schäft der Schule. In: PÄDAGOGIK. 58. Jahr-
gang,Heft2/2006.Weinheim:Beltz
Terhart,E.(2011):HatJohnHattietatsächlich
denHeiligenGralderSchul-undUnterrichts-
forschung gefunden? Eine Auseinanderset-
zungmitVisibleLearning.In:Keiner,E.etal
(Hrsg),Metamorphose derBildung.Historie-
Empirie-Theorie.FestschriftfürHeinz-Elmar
Tenorth. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, S. 277-
292
http://www.lernpsychologie.net/lerntheo-
rien/
http://www.duden.de/rechtschrei-
bung/Buecherregal
https://rahelviola.wordpress.com/uberblick-
lerntheorien/
Newsletter–DieRechtederKinder
18
DieRechtederKinder
vonSandraPach
Die Kinderrechtskonvention hat
festgelegt, dass ein Kind seine
RechtemitderGeburterhält.Diese
RechtebelaufensichbiszurVollen-
dungdes18.Lebensjahres.
DieKinderbenötigendringendden
SchutzdurchdieRechtederGesell-
schaft.EinKindistklein,kannvie-
les auf Grund seiner Größe noch
nichtbedienenundkannvielesei-
ner Bedürfnisse nicht alleine stil-
len.EinKindkannsichgegenüber
Erwachsenen nur schwer wehren
undvertrautihnen.DieErwachse-
nen dienen oftmals als Vorbild-
funktion.ÜberdasKindwirdvieles
hinweg entschieden. Gesetze, die
denWillendesKindesmiteinbezie-
hen, entstehen immer mehr, aber
sindlängstnochnichtausreichend.
DasKindstehtinAbhängigkeitvon
seinen Bezugspersonen. Daher ist
einRegelwerksehrwichtig,umdas
Kind zu schützen, wenn der Er-
wachseneseineRollederMächtig-
keitmissbraucht.
Vor nicht einmal 400 Jahren galt
das Kind als kleiner Erwachsene.
Das Recht bzw. die Pflicht eine
Schule zu besuchen, gab es noch
nicht. Das Kind erlernte das, was
die Erwachsenen in seiner Umge-
bung ihn beibrachten. Die Schul-
pflichtwurde erstmit Beginn des
20. Jahrhunderts eingeführt. Die
UmsetzungdiesesGesetzeshatsich
jedochauchdannnochlangehinge-
zogen.BiszumheutigenStandhat
sichfürdieRechtederKindersehr
vielgetan,abersiesindauchheute
nochlängstausbaufähig.
InDeutschlandimGrundgesetzAr-
tikel 6 sind Gesetzte festgehalten,
die den grundsätzlichen Rahmen
der Familie abstecken. Über die
Fürsorge des Kindes wacht der
Staat.Eswirdhierjedochnichter-
wähnt,dassderWillendesKindes
selbstmiteinbezogenwird.
Newsletter–DieRechtederKinder
19
Erst im Jahr 2000 verabschiedete
derBundestageinGesetz,wasent-
würdigende Erziehungsmaßnah-
menuntersagt.Zuvorwaresinvie-
lenFamilienüblich,dieKinderals
Erziehungsmaßnahme körperlich
zu züchtigen. Im Erwachsenen-
strafrechtkannbereitsschoneine
OhrfeigezurAnzeigeundsomitzur
Strafverfolgung führen.DiesesGe-
setz ist ein Meilenstein für die
RechtederKinder.DasProblemist
hierbei,dassdasGesetznichtprä-
zise genug dargestellt ist und Ge-
setzesverstöße diesbezüglich erst
geahndet werden, wenn bereits
mehrere Beweise gegen den Ver-
stoßvorliegen.DieserSachverhalt
bedeutet für viele Kinder auch
heuteimmernoch,dasseinelange
Zeit vergeht, in der sie entwürdi-
gende Dinge erfahren. Bis staatli-
che Institutionen reagieren, ist so
manchenKindschonsehrvielLeid
wiederfahren.DerKinder-undJu-
gendreport) der 2010 veröffent-
lichtwurde)gibtdazuan,dassun-
gefährjedesfünfteKindderbefrag-
ten Kinder in Deutschland immer
nochkörperlicheGewaltinderFa-
milie erfährt. Dieser Zustand be-
weist, dass die Rechte der Kinder
noch weiter ausbaufähig sind. So
ist doch imGrundgesetz Artikel 1
beschrieben, dass die Würde des
Menschen unantastbar ist. Die
Kindheit ist deine Entwicklungs-
phasedesMenschenundsomitist
dasKindimBegriffMenschmitein-
begriffen.
Kinder- und Jugendhilfegesetz
(KJHG) befasst sich präziser mit
denGesetzenfürundüberdieKin-
der.SoistdasderWilledesKindes
entwicklungsgemäß bei Entschei-
dungender Jugendhilfemiteinzu-
beziehen. In Trennungsfragen ist
es nicht mehr das alleinige Recht
derMutter, dasKind alsHaupter-
ziehungsberechtigte groß zu zie-
hen. Die Gesetze wurden diesbe-
züglichgelockertunddieMöglich-
keit,dassderVaterdasKindansich
nehmen kann, ist erheblich ange-
stiegen.
Newsletter–DieRechtederKinder
20
Zusammenfassend ist festzustel-
len,dassdieRechtederKinderim-
mermehrindenFokusdesInteres-
ses der allgemeinenÖffentlichkeit
gerückt ist. Das Bild des Kindes
wird als schutzbedürftig angese-
henundderWilledesKindeswird
zunehmend beachtet. Dem Kind
solltejedochvondenErwachsenen
nochmehr zugetrautwerden.Das
Kindweißintuitivoftmalsambes-
ten, was es benötigt. Zum Schutz
des Kindes und unter Beachtung
seiner Persönlichkeit, müssen die
Gesetze jedoch präziser gestaltet
undweiterausgebautwerden.
Quellen:
www.kinderrechte.de(Zugriffam26.06.2017)
Beiner, F. (2002). Das Recht des Kindes auf
AchtungFröhlichePädagogik.Gütersloh:Gü-
tersloherVerlagshausGmbH.
Newsletter–DieDon-Bosco-Schule
21
DieDon-Bosco-Schule
vonAnnaSchwienheer
„Fröhlichsein,
Gutestununddie
Spatzenpfeifen
lassen.“
DieserberühmteSatz stammtvon
Don Giovanni Bosco, dem Schutz-
patron der Jugend, und dient als
Leitbild für die katholische Don-
Bosco-Schule hier in Rostock. Die
Schulewurde1997nachlangjähri-
ger Zwangspause wiedereröffnet
und liegt nun in der Trägerschaft
derBernostiftung.
WerwarDonGiovanniBosco?
Am 16. August
1815 wurde Don
GiovanniBoscoin
Becchi bei Turin
(Italien)geboren.
Er stammte aus ärmlichen
Verhältnissen und musste in der
Landwirtschaft helfen, sodass er
erst mit neun Jahren bei einem
KaplanLesenundSchreibenlernte.
Mit15JahrenbesuchteDonBosco
das erstemal eine öffentliche
Schule. Während er zum
Gymnasium in Chieri ging,
gründete er den Club der
Fröhlichkeit. Sein Ziel war es,
seinen Glauben mit ansteckender
Freundezuleben.
Im Jahre 1835 trat er dem
Priesterseminarbei.Kurznachdem
er 1841 in Turin zum Priester
geweiht wurde, bekam er die
Aufgabe eines Seelsorgers für die
Jugend.Esstelltesichheraus,dass
dies keine einfache Aufgabe war.
Durch die industrielle Revolution
zogen tausende Familien in die
Großstädte und suchten dort
Arbeit und Wohnraum. Es gab
immermehrentwurzelteJugendli-
che,diekeineArbeitfandenundso
dem Teufelskreis aus Armut,
Einsamkeit, Hilflosigkeit und
Newsletter–DieDon-Bosco-Schule
22
Kriminalität verfielen. Durch das
unkonventionelle Auftreten Don
Boscos gewann er das Vertrauen
der Jugendlichen. Er konnte auf
einem Seil tanzen, führte Karten-
tricks vor, sang und spielte Geige
sowieKlavier.
Schritt für Schritt errichtete
Giovanni Bosco ein Erziehungs-
und Bildungszentrum namens
„Oratorium des Hl. Franz von
Sales“, welches später zu einer
Volks-, Latein- und Berufsschule
wurde. Das galt als eine kleine
Revolution, da das Schulleben bis
dato nur priviligierten Bürgern
vorbehaltenwar.
Nachdem 1845 in Turin eine
Jugendhaftanstalt gegründet
wurde, nahm sich Don Bosco der
Inhaftierten an. Auch hier fand er
schnellVertrauen.
ImAlter von 72 Jahren starbDon
Giovanni Bosco. Er wurde 1934
heilig gesprochen und Papst
JohannesPaul II nannte ihn einen
„Meister der Spiritualität für
Jugendliche.“SeinGeheimnisseies
gewesen, dass er „die tiefen
Sehnsüchteder Jugendlichennach
Leben, Liebe, innerer Weite,
Freude,FreiheitundZukunftnicht
enttäuschte.“ Dies ist einer der
Gründe warum die Don-Bosco-
Schule ihn als Vorbild für ihren
Schulunterrichtsieht.
ZurDon-Bosco-Schulegehörendie
Grundschule,dieRegionaleSchule,
das Gymnasium sowie ein
integrierter Hort. Des Weiteren
gibteseineangrenzendeKita.
Der Folgende Bericht beschäftigt
sich insbesondere mit der
Grundschule der Don-Bosco-
Schule.
WiesiehtdasUnterrichtskonzept
derDon-Bosco-Grundschuleaus?
Die Umsetzung des Bildungs- und
Erziehungsauftrags erfolgt in
AnlehnungandenMarchtalerPlan.
Dieser besteht aus vier Säulen,
deren Fundament das christliche
Menschenbildist.
Newsletter–DieDon-Bosco-Schule
23
DievierSäulensind
• derMorgenkreis,
• dasSelbstständigeLernen,
• derVernetzteUnterrichtund
• derFachunterricht.
Der Hort steuert drei weitere
Säulenbei:
• diebegleiteteMittagszeit,
• die aktiveFreizeitgestaltung
und
• offene und gebundene
Workshopangebote.
Wasbedeutendie
vierSchul-Säulenkonkret?
Der Morgenkreis eröffnet den
Schultag.ErdientzurPlanungdes
TagesundgibtihmStruktur.Jeden
Montaggibteseinengemeinsamen
Morgenkreis mit der ganzen
Schule. Das Zusammenfinden in
diesem Kreis ist eine
Ritualisierung, die den Kindern
vermittelnsoll,dass jedereinTeil
der Gemeinschaft ist, aus der
keiner ausgeschlossen wird. Ein
Abschlusskreis am Ende des
Unterrichtstages dient zur
Reflexion mit der Fragestellung:
„Washabeichheutegelernt?“
Beim selbstständigen Lernen steht
die Individualität des Kindes im
Mittelpunkt. Die Arbeitsthemen,
Arbeits-undZeitplanungsowiedie
WahldesPartnersunddesArbeits-
platzessindfreiwählbar.Aufdiese
Weise soll das individuelle Arbei-
ten,dasÜberunddasWiederholen
vonAufgabengeschultwerden.Die
Schüler und Schülerinnen lernen
Verantwortung für ihr eigenes
Handelnzuübernehmen.
Newsletter–DieDon-Bosco-Schule
24
Fachwissen und Unterrichtsin-
halte,dienichtsinnvollimvernet-
zenUnterrichteingebettetwerden
können,werdenimFachunterricht
vermittelt. Hierzu gehören die
Unterrichtsfächer Sport, Musik,
EnglischundWerken.Indenersten
beiden Schuljahren haben die SuS
katholischen Religionsunterricht.
Ab der dritten Klasse wird dieser
nach Möglichkeit nach
Konfessionengetrennt.
GibtesNoten?
Im Gegensatz zu den meisten
staatlichen Schulen gibt es an der
Don-Bosco-Schule in den ersten
vierSchuljahrenkeineZensierung.
Eswirdhingegeneineindividuelle
Rückmeldung gegeben, die aus
zweibisdreiElternsprechtagenim
Schuljahr sowie einem nach
Kompetenzen gegliederten
Zeugnisbesteht.
WiesiehtderSchulalltagaus?
DerFrühhortbeginntum7.00Uhr,
ab7.30UhrfolgtderoffeneBeginn
desSchultages imKlassenzimmer.
Der Unterrichtstag lässt sich in
zwei große Lernzeiten einteilen:
8.00-10.30 Uhr und 11.00-13.45
Uhr.ZwischendenbeidenLernzei-
tengibteseinegroßeHofpause.Da
es nur eine offizielle Pause gibt,
kann der Unterricht frei gestaltet
werdenundistankeinen45-Minu-
ten-Rhythmusgebunden.Diesbie-
teteinerseitsdieMöglichkeit,anei-
nem Thema weiter zu arbeiten,
wenndie SuS geradekonzentriert
sind,undandererseitszehnMinu-
teneheraufhörenzukönnen,falls
dieAufmerksamkeiterschöpftist.
Newsletter–DieDon-Bosco-Schule
25
Jede Klasse hat vier zusätzliche
Wochenstunden.Fürdieersteund
zweiteKlasseendetderUnterricht
bereitsum13.00Uhr.DerHortist
anschließend bis 17.00 Uhr geöff-
net. An der Grundschule gibt es
acht Klassen mit insgesamt 202
Schülerinnen und Schülern sowie
16Lehrpersonen.Zudemwirddie
SchulevonvierSchulbegleitern,ei-
ner Sekretärin, einer Büroange-
stellten und regelmäßig auch von
Praktikanten unterstützt. Da die
Schule eng mit dem Hort zusam-
menarbeitet, gehören außerdem
elfErzieherinnenundErzieher,ein
FSJler/ eine FSJlerin sowie ein
Hausmeister und drei Hauswirt-
schaftskräftezumSchullebendazu.
JedeKlassehatnebenderKlassen-
lehrerineinenfestzugewieseneEr-
zieherinodereinenfestzugewiese-
nenErzieher, die zumTeilmit im
Unterrichtsgeschehen involviert
sind.
Quellen:
http://www.don-bosco-schule-
rostock.de/hro/Grundschule/Konzept/ (letz-
terZugriffam1.7.2017)
http://www.don-bosco-mondo.de/wer-wir-
sind/don-bosco-und-sein-werk/wer-war-don-
bosco/
(letzterZugriffam30.6.2017)
Newsletter–ZukunftsvisioneneinermodernenmultikonzeptionellenSchule
26
Zukunftsvisionen
einermodernen
multikonzeptionellenSchule
vonKathleenHolz
Systeme evidenzbasierter Steue-
rung des Schulsystems stellen ge-
genwärtigdasdominanteDenkmo-
dellderBildungspolitikund–admi-
nistration für die Erneuerung der
„Governance“, d.h. der Koordina-
tionundAbstimmungimSchulwe-
sen, in den entwickelten europäi-
schenLänderndar.Solche„Gover-
nance“-Modelle formulieren Er-
wartungen für die Leistungen des
Schulsystems und kommunizieren
sieentschiedeneralszuvor.Evalu-
ation und Rechenschaftslegung
werden als Schlüsselelemente für
die Sicherstellung qualitätsvoller
angebote gesehen. Evaluations-
maßnahmensollenEvidenzprodu-
zieren, ob die zuvor formulierten
„Erwartungen“ durch die prakti-
sche Arbeit der einzelnen Syste-
meinheiten erfüllt wurden. Diese
„Evidenz“sollnunSystementwick-
lung und –verbesserung stimulie-
ren und in die richtige Richtung
weisen. Akteure auf allen System-
ebenen –BildungspolitikerInnen,
dieVerwaltung,Schulleitung,Lehr-
personen, Lernende usw. – sollen
die Evaluationsinformationen ver-
wenden, um rationalere Entschei-
dungen in Hinblick auf ihre Bei-
träge zu den Systemleistungen zu
treffenundumihreSystemleistun-
genzuverbessern.EinigeLehrper-
sonenwärenbereitsichmitdenEr-
gebnissenvonLernstandserhebun-
genauseinanderzusetzenundKon-
sequenzen für den Unterricht zu
ziehen. Diese Ergebnisse, die den
Unterrichtsprozessenamnächsten
sind, sind bei den Lehrpersonen
schwierig umzusetzen. Die Frage,
die sich daraus ergibt, was kann
mantun,damitLehrpersonenjene
Einstellungen und Kompetenzen
erwerben, die sie in die Lage ver-
setzen, „evidenzbasierte Rückmel-
dungen“fürdieWeiterentwicklung
ihresUnterrichtsundvielleichtso-
Newsletter–ZukunftsvisioneneinermodernenmultikonzeptionellenSchule
27
garderSchulezuverwenden.Lehr-
personenscheineneherbereit,die
Rückmeldung aus externen Leis-
tungsprüfungen für Aufgaben der
Leistungsbeurteilung und Lerndi-
agnose zuverwenden, alsdidakti-
scheWeiterentwicklungausihnen
abzuleiten. Damit bleiben sie eng
an der „Testförmigkeit“ der ver-
wendeten Instrumente:Leistungs-
tests werden im Schulalltag für
Förder- und Selektionsdiagnose
eingesetzt. Die Ziele der Verände-
rungsollennichtmehrvomsubjek-
tivenMeinenundWollenderLehr-
personen einer Schule und den
Machtkonstellationen im Kolle-
giumabhängigsein,sondern„rati-
onaler“ von Soll-Ist-Vergleichen
vonZielenund tatsächlichenLeis-
tungen abgeleitet werden. Die
Lehrpersonen ihrer Identitätsent-
wicklung als „professionelle Lehr-
person“ braucht demnach eine
Community,dieindividuelleErfah-
rungen nachfragt und ihnen
dadurchersteineBedeutunginei-
nem größeren professionellen
Kontext gibt. Für die nachhaltige
Entwicklung von Neuerungen ist
ein produktives Zusammenspiel
vonMotivendes „Müssens“, „Wol-
lens“ und „Könnens“ nötig. Ler-
nende in den Prozess des „For-
schenden Lernens“ einzuführen,
um sie somit zu eigenständigem
FragenstellenundFindenvonAnt-
worten anzuregen. Nach Hubert
(2009. S.11) zeichnet sich for-
schendes Lernens „vor anderen
Lernformendadurchaus,dassdie
LernendendenProzesseinesFor-
schungsvorhabens, das auch auf
dieGewinnungvonauchfürDritte
interessantenErkenntnissegerich-
tetist,inseinenwesentlichenPha-
sen (mit-)gestalten, erfahren, re-
flektieren(Huber, 2009, S. 11) Im
Zentrumfüreinenhandlungskom-
petenten Unterricht im Sinne des
forschenden Lernens besteht die
AufgabederLehrperson(alsLern-
begleitung) darin, eine anregende
Lernkultur zu schaffen, eine ziel-
orientierteundgenaugeplante,auf
keinen Fall beliebige Lernumge-
bungzugestaltenunddasLernen
derSuSzubegleiten.
Newsletter–ZukunftsvisioneneinermodernenmultikonzeptionellenSchule
28
Esscheinttatsächlich,dassdiere-
aleund fiktiveAdministrationdes
LernensdurchdieSchulealsgesell-
schaftliche Institution und die
zwangsläufig damit verbundene
EntwicklungundPerfektionierung
einer auf Planung, Methode und
KontrollederLernprozesseausge-
richteten Schulpädagogik und Di-
daktikhatdiePerspektiveaufdas
Phänomen des menschlichen Ler-
nens nicht nur gefährlich verengt,
sondern den anthropologischen
SachverhaltgeradezuaufdenKopf
gestellt.Unterricht,derausschließ-
lichobjektiveLehrzieleandenSub-
jektenexekutiertundderenErfül-
lung zumessen versucht,wird si-
cherlich als ich-fremdes und ich-
feindlichesSystemempfunden,als
rein formalesKontrollgebilde,wie
die Soziologen es ausdrücken.Die
Schulpädagogik und Didaktik ver-
fügenneuerdingsübereinweitge-
fächertes Instrumentarium fürdie
Objektivierung der Lernprozesse,
allerdings vorwiegend in der Ge-
stalt von Handlungsbegriffen des
Lehrens. Aber ein zureichendes
Konzeptüberdieindividuierenden
Folgen des Schulunterrichts, also
überWirkungsbegriffedesLehrens
undLernens liegtnicht vor.Es ist
deshalb klar, daß Lernen haupt-
sächlich von der Verwirklichung
vonLebenssinn, -zweck, vomAuf-
bauvonIdentitätabhängigistund
deshalb für die jungen Menschen
ausHoffnungsbildernihrerkünfti-
genExistenzundderdaraufgerich-
teten Ausbildung und Strukturie-
rungvonFähigkeitenundKönnen
lebt.Gleichwohlgibtes inderGe-
sellschaft zahlreiche Bemühungen
die Zukunftkrise aktiv und kon-
struktivaufzuarbeiten.AlsZeichen
dafürmögenstehen:DiehoheZahl
von Selbsthilfegruppen, von Bür-
gerinitiativen und Basisgruppie-
rungen;sieverdeutlichendieSuch-
richtung: Subsidiarität, Offenheit,
Solidarität, Empathiefähigkeit und
gemeinsameAktion.Nursoistdie
Zukunftskrise zu bewältigen und
ermöglicht neueZukunftssysteme,
die Menschenwürde und Mit-
menschlichkeit in der modernen
Gesellschaftzulassen.
Newsletter–ZukunftsvisioneneinermodernenmultikonzeptionellenSchule
29
An der Don-Bosco-Schule wird
auchpraktischinRichtungZukunft
gearbeitet, indem Schnuppertage
anderUniversitätRostockoderBe-
suche im Berufsinformationszent-
rumoder berufliche Frühorientie-
rungorganisiertwerden.
In unterschiedlichen Berufen, wie
z. B. Bäcker, Metallbauer, Kfz-Me-
chatroniker oder auch Sport- und
Fitnesskauffrau,warendie Jungen
und Mädchen unterwegs und ha-
bendabeiauchmalganzuntypisch
gewählt.DennjungeMännerinder
Friseurbrancheoder jungeFrauen
in einer Tischlerwerkstatt trifft
man im Alltag ja eher selten. Sie
konnten endlich mal Fähigkeiten
einbringen,dieimschulischenAll-
tagnichtsogefordertsindundne-
benbei auch erfahren, wie es sich
anfühlt,täglichzurArbeitzugehen.
Und die Erkenntnis bei den Schü-
lern? Die Zukunft muss nicht nur
schwarzoderweißsein.Jedochist
dieberuflicheZukunftderSchüler
in den letzten Tagen ein ganzes
Stück näher gerückt. Auch wenn
noch zwei Jahre Schule vor ihnen
stehen,istesgutzuwissen,inwel-
che Richtung es gehen kann, und
vielleicht auch noch einen Plan B
imHinterkopfzuhaben.
Quelle:
HerbertAltrichter,KatharinaSoukup-Altrich-ter;LastoderLust?ForschungundLehrer_in-nenbildung;Waxmann;Band1,S.55-87
http://www.don-bosco-schule-rostock.de/hro/Regionale_Gymnasium/Ar-chiv/2011_2012/110930_Beruforientie-rung.php,25.07.2017,12:27
Huber,L. (2009).Warum forschendes Lernen
nötig undmöglich ist. In L.Huber, J. Helmer
&F.Schneider(Hrsg.),ForschendesLernenim
Studium (S. 9-35). Bielefeld: Universitätsver-
lagWebler.