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Handbuch Lernende Regionen Bundesweite Instrumente Version Dezember 2008

Handbuch Lernende Regionen - oieb...- Maßnahmen zur Strukturentwicklung (ab S. 55) wie Qualitätssicherung bei den Netzwerk- partnern oder Maßnahmen im Sinne der Niederschwelligkeit

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Handbuch Lernende Regionen Bundesweite Instrumente Version Dezember 2008

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Impressum Eigentümer und Herausgeber Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW), Abteilung II 2 – Schule, Erwachsenenbildung und Beratung Min.Rat Dipl.-Ing. Josef Resch Stubenring 1 1012 Wien Redaktion Österreichisches Institut für Erwachsenenbildung (ÖIEB) Mag. Klaus Thien Mag. Ingolf Erler Michael Fischer Schimmelgasse 13-15 1030 Wien Druck Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Copyright Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil der Unterlage darf in irgendeiner Form ohne Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wien, November 2008

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Handbuch für Lernende Regionen Instrumente

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Handbuch Lernende Regionen Inhaltsverzeichnis

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort von Bundesminister Josef Pröll........................................................ 7 Vorwort von Ministerialrat Josef Resch ......................................................... 9 Zur Benutzung des Handbuchs ................................................................... 11 Übersicht über Instrumente der Lernenden Region ..................................... 13 Grundleistungen der Lernenden Region...................................................... 15

Abstimmung und Optimierung regionaler Bildungsangebote ........................................................... 15 Bildungsverbund .......................................................................................................................................... 15

Bildungsinformationssysteme ........................................................................................................... 17 Bildungskalender ......................................................................................................................................... 17 Bildungslandkarte ........................................................................................................................................ 18 Lernportal/ Bildungs-Datenbank................................................................................................................... 18 Lernwegweiser............................................................................................................................................. 18 Online-Datenbanken als Netzwerkinstrument am Beispiel der Bildungslandkarte ....................................... 19

Bildungs- und Berufsberatungen....................................................................................................... 23 Regionale Bildungsberatung ........................................................................................................................ 23

Regionales Bildungsmarketing.......................................................................................................... 25 Lernfeste, Bildungsmesse, Lernmarkt.......................................................................................................... 26

Öffentlichkeitsarbeit........................................................................................................................... 29 PR-Konzept.................................................................................................................................................. 29 Einbeziehung der Medien in Lernende Regionen - Erfahrungen aus Deutschland...................................... 32

Strategieentwicklung ......................................................................................................................... 35 Sozialstrukturanalyse................................................................................................................................... 35 SWOT – Analyse ......................................................................................................................................... 39 STEEP - Analyse ......................................................................................................................................... 44 Kernkompetenzanalyse................................................................................................................................ 45

Bildungsbedarfserhebung ................................................................................................................. 49 Ablauf einer Bildungsbedarfserhebung ........................................................................................................ 50

Struktur - Entwicklung ................................................................................ 55

Qualitätssicherung bei Netzwerkpartnern ......................................................................................... 55 Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in regionalen Netzwerken ..................................................... 55

Maßnahmen im Sinne der Niederschwelligkeit und Barrierefreiheit von Bildungsinstitutionen und Angeboten ......................................................................................................................................... 61

Neue Lehr- und Lernformen und Strukturen ................................................ 63

E-Learning......................................................................................................................................... 63 E-Learning aus Sicht der Erwachsenenbildung ........................................................................................... 66

Web 2.0 in Lernenden Regionen ...................................................................................................... 69 Spielerische Methoden...................................................................................................................... 73 Beratung / Training / Mentoring / Coaching ...................................................................................... 76 Regionale Lernzentren...................................................................................................................... 77

Umsetzungsmöglichkeiten im ländlichen Raum........................................................................................... 82

Informelles Lernen / Kompetenzanerkennung ............................................. 83

Informelles Lernen im Rahmen von Projektaktivitäten...................................................................... 83 Anerkennung informell erworbener Kompetenzen............................................................................ 83 Kompetenzportfolio/ -analyse/ -workshop......................................................................................... 83

Informelles Lernen erkennen und anerkennen............................................................................................. 84 Wissens- & Kompetenzbörse............................................................................................................ 87

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Inhaltsverzeichnis Handbuch Lernende Regionen

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Zielgruppenspezifische Angebote............................................................... 89 Angebote für bildungsferne Gruppen................................................................................................ 89

Angebote für Bildungsferne als Instrument Lernender Regionen................................................................. 89 Beispiele von Angeboten für Bildungsferne ................................................................................................. 97

Angebote für SchulabbrecherInnen: Hauptschulabschluss .............................................................. 99 Angebote für MigrantInnen.............................................................................................................. 101 Behinderung: Lernende Regionen – inklusiv und barrierefrei......................................................... 103 Frauen ............................................................................................................................................. 107

WiedereinsteigerInnen – Zentren für Ausbildungsmanagement .................................................................107 Girls day......................................................................................................................................................108

Generationen................................................................................................................................... 109 Projekte zwischen den Generationen .........................................................................................................109

Angebote für Kinder ........................................................................................................................ 110 Jugendliche ..................................................................................................................................... 111 Familien........................................................................................................................................... 114 Angebote für Personen in biografischen Übergängen.................................................................... 115 Angebote für SeniorInnen ............................................................................................................... 116 Angebote für WiedereinsteigerInnen .............................................................................................. 120 Angebote für ältere ArbeitnehmerInnen/ 50+.................................................................................. 120 Qualifizierung für Landwirte ............................................................................................................ 121 Kleine und Mittlere Unternehmungen (KMUs) ................................................................................ 123 Ehrenamtliche ................................................................................................................................. 123 TouristInnen .................................................................................................................................... 125

Themen- und Bereichsbezogene Angebote ............................................... 129

Allgemeine Erwachsenenbildung, Persönlichkeitsbildung.............................................................. 129 Sprachen.....................................................................................................................................................129 Mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagenausbildung....................................................................129 Medienkompetenz.......................................................................................................................................129 Schwerpunkte im Bereich Politischer Bildung .............................................................................................130

Gesundheit und Wohlbefinden........................................................................................................ 132 Interkulturell..................................................................................................................................... 135

Grenzüberschreitende Projekte ..................................................................................................................135 Kunst ............................................................................................................................................... 137

Kunstvermittlung .........................................................................................................................................137 Ästhetische Bildung ....................................................................................................................................137

Soziales Lernen............................................................................................................................... 137 Landwirtschaftliche Bildung............................................................................................................. 137

Land-, Forstwirtschaft und Weinbau kennenlernen.....................................................................................137 „Transparenz schaffen – von der Ladentheke bis zum Erzeuger“...............................................................138

Umwelt und Nachhaltigkeit.............................................................................................................. 139 (Natur-)Erlebnispädagogik in der Umweltbildung........................................................................................140 Naturerlebnisweg ........................................................................................................................................141 Erlebniswanderungen .................................................................................................................................142 Naturerlebnistage........................................................................................................................................143

Berufliche Bildung ........................................................................................................................... 147 Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen ....................................................................................147

Wirtschaft ........................................................................................................................................ 150 Europäischer Wirtschaftsführerschein.........................................................................................................150 Netzwerkstatt ..............................................................................................................................................150 Qualifizierungsverbünde .............................................................................................................................151 Qualifizierungsverbünde und region. Kooperationsnetzwerke zur Höherqualifizierung von Beschäftigten .152 Optimierung technischer und ökonomischer Prozesse ...............................................................................154 Handwerk und Europa ................................................................................................................................154

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Handbuch Lernende Regionen Inhaltsverzeichnis

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Kooperative Projektaktivitäten in ausgewählten Bereichen ...................... 155 Bildungsträger und Kulturinstitutionen ............................................................................................ 155

Erwachsenenbildung...................................................................................................................................155 Kooperationen mit Schulen .........................................................................................................................157 Kooperation mit tertiären Einrichtungen......................................................................................................161 Kooperation mit Bibliotheken ......................................................................................................................164 Regionale Kultureinrichtungen und Initiativen .............................................................................................164 Museen .......................................................................................................................................................164

Regional- und Gemeindeentwicklung ............................................................................................. 166 Regionalentwicklung ...................................................................................................................................166 Impuls-, Gründer-, Innovations- und Technologiezentren ...........................................................................166 Dorf- und Stadterneuerung, LA 21 ..............................................................................................................166

Beschäftigungspolitische Einrichtungen, Interessensvertretungen, Wirtschaft .............................. 167 AMS-Bezirksstellen, Kammern ...................................................................................................................167 Cluster.........................................................................................................................................................167 Betriebe.......................................................................................................................................................167

Instrumente zu regionalem Wissensmanagement...................................... 169

Generierung und Dokumentation regionsbezogenen Wissens ...................................................... 170 Wissenslandkarte/ Wissensportal/ Regionales Wikipedia ...........................................................................170

Projekte zur Generierung von Sozialkapital.................................................................................... 172 Reflexion zur Weiterentwicklung der Region .................................................................................. 174

Regional Foresight – die regionale Vorausschau .........................................................................174 Großgruppenverfahren: Zukunftswerkstatt......................................................................................176 Großgruppenverfahren: Zukunftskonferenz ....................................................................................177 Großgruppenverfahren: Open Space..............................................................................................178

Maßnahmenverantwortliche der Länder.................................................... 181 Danksagung ............................................................................................. 182

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Inhaltsverzeichnis Handbuch Lernende Regionen

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Handbuch Lernende Regionen

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Vorwort von Bundesminister Josef Pröll

Sehr geehrte Damen und Herren, Bildung ist der zentrale Grundstein für Erfolg, sowohl für jede und jeden Einzelnen aber auch für unsere Gesellschaft insgesamt. Investition in Bildung ist daher eine nachhaltige Investition in die Zukunft. Die positive Wirkung von Lehren und Lernen in den Regionen stärkt diese auch bei der erfolgreichen Bewältigung zukünftiger Herausforderungen. In der Förderperiode LE 07 – 13 wird erstmals die Möglichkeit geboten, dass sich Regionen rund um das Thema LERNEN bilden. Die Fördermaßnahme LERNENDE REGIONEN eröffnet neue Perspektiven. Durch das zielgerichtete Zusammenwirken aller Bildungseinrichtungen in einer Region wird ein grundlegender Beitrag zur Entwicklung ländlicher Gebiete geleistet. Bildungs-Netzwerke erbringen Synergien, regionsspezifische Chancen und Stärken werden stärker thematisiert und das landwirtschaftliche Bildungswesen kann sich so wie andere Bildungsanbieter zum Wohl der Region verstärkt einbringen. Das Entstehen von LERNENDE REGIONEN bedeutet für mich eine freiwillige und nicht eine „verordnete“ Zusammenarbeit. Ein eigenständiges Entwickeln von Strategien für die Weiterentwicklung der jeweiligen Region unter dem Gesichtspunkt der Effizienz von Lernen und Bildung zur Erreichung von regionalen Zielen sind weitere Schritte. LERNENDE REGIONEN benötigen für ihr engagiertes Wirken jedoch auch Unterstützung. Mein Ressort leistet einen wichtigen Beitrag durch Bereitstellung von Fördermittel über LE 07 – 13, durch die bundesweite Koordination sowie durch die Erstellung von Unterlagen um das Arbeiten vor Ort zu erleichtern. Das nun vorliegende Handbuch ist ein Nachschlagewerk und ein Arbeitsbuch um das Arbeiten für die Bildung in einer Region professionell und nachvollziehbar durchzuführen. Ich wünsche viel Engagement, Kraft und Erfolg bei der Schaffung von LERNENDEN REGIONEN und dem Arbeiten in den LERNENDEN REGIONEN.

Josef Pröll Landwirtschafts- und Umweltminister

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Vorwort von Ministerialrat Josef Resch

Sehr geehrte Damen und Herren! Lernen ist ein bedeutender Erfolgsfaktor für die Entwicklung einer Region bzw. ländlicher Gebiete. Das Lebensministerium unterstützt mit dem Programm LE 07-13 das Lernen in den Regionen mit der Fördermaßnahme LERNENDE REGIONEN. Diese Maßnahme eröffnet neue Perspektiven für die ländlichen Gebiete und schafft die Basis für steigende Lebensqualität durch zielgerichtete und abgesprochene Bildungsveranstaltungen in den Regionen.

Dreh- und Angelpunkt der LERNENDEN REGIONEN ist ein regionales Netzwerk, das unterschiedliche Bildungsanbieter in der Region zu den Themen „Bildung“ und „Lernen“ zusammenführt: Defizite werden thematisiert, Zukunftsperspektiven diskutiert und gemeinsam Lösungen entwickelt. Gespräche im Netzwerk von LERNENDEN REGIONEN lassen die Bildungsanbieter viel besser in eine Region „hineinhören“ und auf den Bedarf effektiver und rascher reagieren. Netzwerkpartner bringen eigenes Wissen und die Erfahrung mit Bildungsprojekten und Wissensmanagement ins Netzwerk ein. Auf Basis einer vom Netzwerk erarbeiteten Strategie für Lebenslanges Lernen in der Region werden in der Folge gemeinsam Projekte umgesetzt. Eine LERNENDE REGION bietet die Möglichkeit Wissen über die regionale Geschichte zu sammeln, dieses allgemein zugänglich zu machen und somit einen Beitrag zur Stärkung der regionalen Identität zu leisten. Für das Netz der landwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen wie Landwirtschaftsschulen, berufsbezogene Erwachsenenbildung, Beratungsdienst und Landjugend stellen die LERNENDEN REGIONEN eine Herausforderung zur Mitwirkung, beispielsweise durch das zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten oder das Einbringen von kreativen Ideen, dar. Durch aktive Zusammenarbeit der Bildungsanbieter in den LERNENDEN REGIONEN entsteht ein festes „Bildungs-Schuhwerk“. Gesunden Fußes ist es möglich, in die Zukunft zu gehen. Jeder zusätzliche Blickwinkel, den ein neuer Akteur einbringt, steigert die Sicht des Netzwerks auf das Ganze – auf die Region. Mit dem vorliegenden Handbuch sollen die Akteure der LERNENDEN REGIONEN in ihre Arbeit im ländlichen Raum unterstützt und damit das Arbeiten erleichtert werden. In diesem Sinne – ein erfolgreiches Wirken in der Bildung in den Regionen! Min.- Rat Dipl.- Ing. Josef Resch Leiter der Abteilung Schule, Erwachsenenbildung und Beratung im Lebensministerium

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Zur Benutzung des Handbuchs

Das vorliegende Handbuch soll Interessierten dabei helfen, einen Überblick über das Modell LERNENDE REGIONEN zu bekommen und Ihnen bei der Entwicklung einer LERNENDEN REGION Unterstützung und Anregung geben. Dabei handelt es sich um die Zusammenführung verschiedener Ansätze aus Bil-dungsarbeit und Regionalentwick-lung. Das Handbuch teilt sich in drei auf-einander aufbauende Einzelbände, die jedes für sich genommen be-stimmte Aspekte der LERNENDEN

REGIONEN abdecken. Teil Eins bietet nach einem kurzen Überblick über das Vorhaben Grundlagentexte zu folgenden Themen:

- Was sind LERNENDE REGIONEN? - Welche Herausforderungen stellen sich ländliche Gebiete in Österreich und wie können

LERNENDE REGIONEN helfen, diese Herausforderungen zu bewältigen? - Worin besteht der Zusammenhang zwischen „Lebenslangem Lernen“ und Region aus Sicht der

Bildungsforschung? Teil Zwei behandelt vor allem die Umsetzung LERNENDER REGIONEN:

- Wie lautet der Maßnahmentext im Programm zur Ländlichen Entwicklung 2007-13 und die dazugehörige Sonderrichtlinie?

- Wie sind diese zu interpretieren und welche Adaptionen gibt es im Rahmen der einzelnen Bundesländer? Wer sind die Ansprechpersonen auf Landesebene?

- Wie könnte die Entwicklung einer LERNENDEN REGION vom Aufbau des Netzwerks über die Entwicklung eines strategischen Konzepts bis zur Umsetzung erfolgen?

- Wie können die Erfolge anhand von Lernbilanzen gemessen werden? Teil Drei bietet einen Pool an möglichen Instrumenten, aus denen sich die Netzwerke für ihre eigenen LERNENDEN REGIONEN bedienen bzw. zur Entwicklung neuer Instrumente inspirieren lassen können. Darin finden sich Instrumente…

- …die Grundleistungen der LERNENDEN REGIONEN darstellen - …zur Strukturentwicklung - …zu neuen Lehr- und Lernformen - …zu informellem Lernen und Kompetenzfestellung - …zu einzelnen Zielgruppen/ spezifischen Themen/ Netzwerkpartnern und - …zum regionalen Wissensmanagement.

Einführende Literaturverweise finden sich meist am Ende der Beiträge, theoretisch weiterführende Quellenverweise finden sich in den Fußnoten. Zur besseren Recherchemöglichkeit wurden Internetverweise den gedruckten Versionen derselben Beiträge vorgezogen. Alle Internetverweise im Handbuch sind mit November 2008 kontrolliert.

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Handbuch Lernende Regionen

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Übersicht über Instrumente der Lernenden Region

Welche Möglichkeiten gibt es, um das Konzept der LERNENDEN REGIONEN umzusetzen? Im Prinzip ist der Fantasie der Netzwerkpartner bei der Auswahl der Instrumente keine Grenze gesetzt. Eine Aufzählung kann daher nur beispielhaft sein. Entscheidend ist, dass die angewendeten Instrumente auf die Bedürfnisse der jeweiligen Regionen abgestimmt sind und im Sinne einer kohärenten Schwerpunkt-bildung ausgewählt werden. Dieses Kapitel beinhaltet einen Überblick über

- Grundleistungen, die eine LERNENDE REGION anbieten sollte (ab S. 15), dazu zählen vor allem: die Abstimmung und Optimierung regionaler Bildungsangebote (ab S.15), Bildungsinformationssysteme (ab S. 17), Bildungs- und Berufsberatung (ab S. 23), Regionales Bildungsmarketing (ab S. 25), Öffentlichkeitsarbeit (ab S. 29), Strategieentwicklung (ab S. 35), Bildungsbedarfserhebung (ab S.49).

- Maßnahmen zur Strukturentwicklung (ab S. 55) wie Qualitätssicherung bei den Netzwerk-partnern oder Maßnahmen im Sinne der Niederschwelligkeit und Barrierefreiheit von Bildungsinstitutionen und –angeboten.

- Neue Lehr- und Lernformen und -strukturen (ab S.63), wie E-Learning, Web 2.0, Spielerische Methoden, Beratung/ Training/ Mentoring/ Coaching, Regionale Lernzentren.

- Maßnahmen zur Förderung von Informellem Lernen und Kompetenzanerkennung (ab S. 61) - Zielgruppenspezifische Angebote, beispielsweise für Bildungsferne Gruppen, Menschen mit

Behinderung, SchulabbrecherInnen, Personen in biographischen Übergängen und Wieder-einsteigerInnen, MigrantInnen, Frauen, Familien, Generationenübergreifende Projekte, Kinder, Jugendliche, SeniorInnen, Ältere ArbeitnehmerInnen, TouristInnen, Kleine und Mittlere Betriebe (KMU), Landwirte, Ehrenamtliche (ab S. 89).

- Themen- und bereichsbezogene Angebote zur Allgemeinen Erwachsenenbildung und Persönlichkeitsentwicklung (u.a. Sprachen, Mathematik/ Naturwissenschaft, Medienkompetenz, Politische Bildung, Gesundheit und Wohlbefinden, Kultur und Kunst, Interkulturalität, Soziales Lernen, Landwirtschaft, Umwelt und Nachhaltigkeit) bzw. zur beruflichen Bildung (Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen, Qualifizierung für Landwirtschaft, Tourismus, Wirtschaft) (ab S. 129).

- Bildungsmaßnahmen im Rahmen kooperativer Projektaktivitäten (ab S. 155). - Instrumente des Wissensmanagements ( ab S.169), darunter fällt unter anderem

Generierung und Dokumentation regionsbezogenen Wissens (ab S. 170). Projekte zur Generierung von Sozialkapital (ab S. 172). Reflexion zur Weiterentwicklung der Region (ab S. 172).

Dabei werden im Text vor allem Best Practice-Beispiele angeführt, die entweder in LERNENDEN

REGIONEN bereits durchgeführt wurden oder sich für die Adaptierung in LERNENDEN REGIONEN eignen würden.

Die Aufzählung ist nicht als umfassend und abgeschlossen zu betrachten, sondern soll eine Hilfe-stellung in der Entwicklung eigener, innovativer und regional angepasster Ide)en bieten.

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Grundleistung Bildungskooperation Handbuch Lernende Regionen

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Grundleistungen der Lernenden Region

Abstimmung und Optimierung regionaler Bildungsangebote

Eine wichtige Aufgabe) der LERNENDEN REGION sollte die Abstimmung und Optimierung regionaler Bildungsangebote im Bereich der Erwachsenenbildung sein. Die Grundfragen lauten dabei: Welche Angebote (im Sinne von Kursen) braucht die Region? In welchen Bereichen besteht Nachfrage? Welche sind bereits vorhanden? Welche fehlen? Was wird mehrfach angeboten bzw. in höherem Ausmaß, als es dem regionalen Bedarf entspricht? Aus der entsprechenden Bestandsaufnahme heraus kann die Abstimmung der einzelnen Bildungsanbieter und ihrer Angebote erfolgen. Ziel sollte die Programmierung einer abgestimmten flächendeckenden regionalen Angebotslandschaft sein sowie die Vermeidung von Mehrfachangeboten. In jedem Fall bietet dieses Instrument die Möglichkeit zur Entwicklung einer ausreichenden „Grundversorgung“ mit Bildungsangeboten. Mittelfristig sollte bei Bildungsanbietern ein Instrumentarium zur Erhebung der Nachfrage geschaffen werden. Die ge-meinsame Angebotsentwicklung kann als Instrument der Regionalentwicklung gesehen werden, inso-weit spezifische Erfordernisse der Region berücksichtigt werden. Als Beispiel einer solchen Ab-stimmung und Optimierung regionaler Bildungsangebote bietet sich ein Lernnetzwerk oder ein Bildungsverbund an, wie er bereits im Salzburger Lungau praktiziert wird.

Bildungsverbund

(von Monika Mobarak, Bildungsverbund Lungau)

In einer ländlichen Region ist der Zusammenschluss als Bildungsverbund vielversprechend, da alle, d.h. die BürgerInnen und Erwachsenenbildungsorganisationen, davon profitieren können, beispiels-weise wenn es um Überschneidungen im Programm geht. Der Lungauer Bildungsverbund ist der Zusammenschluss aller Erwachsenenbildungseinrichtungen des Landes Salzburg als Verein: Berufs-förderungsinstitut, Wirtschaftsförderungsinstitut, Volkshochschule, Katholisches Bildungswerk, Salz-burger Bildungswerk, Ländliches Fortbildungsinstitut, Biber Bildungsberatung, Land Salzburg.

Entstanden ist er über eine Studie und durch die lokalen Gegebenheiten. In der kleinen ländlichen Region finden sich die klassischen Bildungsanbieter mit einem ebenso typischen Bildungsangebot. So boten beispielsweise WIFI und VHS dieselben Kurse an, was dazu führte, dass die nötige Teil-nehmerInnenanzahl bei keinem Anbieter erreicht werden konnte. Nun gibt es eine zentrale Anlauf-stelle, die versucht, das Kursprogramm zu koordinieren und weiß, wann was wo angeboten wird. Damit werden weniger Kurse abgesagt und es können MEHR Kurse angeboten werden.

Der Lungauer Bildungsverbund ist eine Servicestelle aller Erwachsenenbildungsorganisationen und koordiniert, organisiert und führt Kurse, Seminare und Weiterbildungen in der Region durch. Dazu ist es eine Beratungsstelle – beraten wird über Förderungen, Kurse, Weiterbildungen usw. Der Bildungsverbund steht auch den einzelnen Bildungseinrichtungen für Hilfestellungen bei Anmeldungen, Telefonaten und Ausschreibungen zur Seite.

Seit 2007 erledigt der Lungauer Bildungsverbund die vollständige Arbeit für die Zweigstelle Tamsweg sowie die Bezirksstelle Lungau der Volkshochschule Salzburg, d. h. Kursplanung, Kursleitersuche, Kursleiterkontakte, Ideenfindung für neue Kurse, Kurseröffnungen usw. Da das Berufsförderungsinstitut keine eigene Zweigstelle hat, werden auch die Arbeiten für das bfi Salzburg im Lungau größtenteils vom Lungauer Bildungsverbund durchgeführt. Für das bfi ist das in erster Linie die Betreuung von Maßnahmen, die das bfi für das AMS abhält, aber auch immer wieder Firmenkurse, wo die nötigen Kontakte hergestellt werden. Dadurch sollen und werden Zwei- bzw. Vielgleisigkeiten vermieden, der Personalaufwand für die Einrichtungen wurde geringer und gleichzeitig ist immer jemand für Interessierte greifbar bzw. erreichbar.

Zielgruppen sind ALLE Bildungsinteressierten: Kinder, Jugendliche, WiedereinsteigerInnen, SeniorInnen usw., aber auch spezifische Berufsgruppen. Im Lungauer Bildungsverbund wurden EU-Programme durchgeführt bzw. EU-Mittel für die Umsetzung verschiedener Ausbildungen zur Ver-

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungskooperation

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fügung gestellt: z. B. wurde von 2001 bis 2003 ein „Leonardo“ Projekt für kleinere Tourismusbetriebe durchgeführt. Dieses internationale LearnCom Projekt wurde gemeinsam und gleichzeitig in Island, Schweden, Griechenland und Spanien gemacht. Ziel war es, kleinere Tourismusbetriebe „EU fit“ zu machen. Im Lungau hieß es „Das Ei im Glas“ – Ausbildungsschwerpunkte waren Englisch, EDV, Persönlichkeitstraining und Tourismus. Die Ausbildungen konnte durch EU-Unterstützung preislich sehr niedrig angesetzt werden und waren somit für alle leistbar. Da der Lungau auch Leader+ Region ist, wurden Qualifizierungsmöglichkeiten auch über EU-Mitteln durchgeführt.

Um das Instrument des Bildungsverbundes anwenden zu können, müssen meiner Meinung nach in erster Linie die Erwachsenenbildungsorganisationen gewillt sein einen Bildungs-Cluster zu gründen. Es ist nicht immer einfach an einem Strang zu ziehen und eventuell ein Stück vom Kuchen abzugeben und auch einmal eine Kursmaßnahme an die Konkurrenz abzugeben. Dabei ist es wichtig eine „treibende“ Kraft von außen zu haben, wie z.B. Regionalmanagements, die den Aufbau vorantreiben und koordinieren. Es muss für jeden ein Schwerpunkt geschaffen werden – wer bietet welche Ausbild-ungen im Speziellen an? Vor allem WIFI und bfi haben vielfach sehr ähnlich angelegte Weiter-bildungen, und es ist sicher hilfreich, wenn man sich abspricht, welchen Bildungsschwerpunkt man wem „zuteilt“.

In die Entwicklung sollten neben den Bildungsverantwortlichen der Erwachsenenbildungs-organisationen auch sämtliche Bürgermeister bzw. Regionalverbände, AMS, evtl. Mitglieder der Landesregierung bzw. Bezirkshauptmannschaften eingebunden werden. Als Zeitrahmen für die Entwicklung sind zumindest ein bis zwei Jahre anzuberaumen.

Wenn man von den Erwachsenenbildungseinrichtungen und in der Region akzeptiert und nicht als zusätzliche Einrichtung angesehen wird, koordiniert der Bildungsverbund die Kursprogramme soweit als möglich. Im Lungau werden die Räumlichkeiten teilweise an die Bildungsorganisationen weitervermietet (eigene Einnahmen). Sehr wichtig sind regelmäßige Vernetzungsgespräche. Auch die Zusammenarbeit muss gut funktionieren. Wir haben es immer wieder geschafft über den Bildungs-verbund speziell EU-geförderte Maßnahmen gemeinsam mit ALLEN Mitgliedern durchzuführen.

Die Kosten bzw. der Aufwand unterscheiden sich sicherlich. In unserem Fall gibt es eine ganztägig angestellte Geschäftsführung (40 Wochenstunden), eine Teilzeitkraft im Sekretariat (15-20 Stunden) und eine Reinigungskraft (15 Wochenstunden). Für den laufenden Betrieb (Personalkosten, Werbung, usw.) stehen uns im Jahr rund € 100.000,- zur Verfügung (inkl. Raummieten und sonstigen Ein-nahmen) Der Zeitaufwand ist enorm, weil man in kleinen Regionen bekannt ist, d. h. selbst außerhalb der Dienstzeiten angesprochen wird, ob, wann und wo Weiterbildungskurse stattfinden. Daher gehört zur Arbeit viel Idealismus – man darf nie das Herz ausschalten.

Das Bildungsnetzwerk konnte bisher gestellten Erwartungen gut erfüllen: Die Koordination und Kooperation läuft wie selbstverständlich, es gibt keine Kursprogrammüberschneidungen und die Teil-nehmer werden zufrieden gestellt. Es gibt kein Kirchturmdenken unter den verschiedenen Einrichtungen, jeder hat seinen Platz und genügend durchgeführte Kursmaßnahmen.

Monika Mobarak ist Geschäftsführerin des Lungauer Bildungsverbunds. E-Mail: info(at)lungauerbildungsverbund.at, www.lungauerbildungsverbund.at

Abbildung 1: Treffen von Waldviertler

Bildungsanbietern in Zwettl (NÖ), Herbst 2007

(c) Regionalmanagement Niederösterreich/ Büro Waldviertel

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Grundleistung Bildungsinformation Handbuch Lernende Regionen

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Bildungsinformationssysteme

Bildungsinformationssysteme sind Medien aller Art, die über das regionale Bildungsangebot informieren und somit die notwendige Transparenz herstellen. Neben Katalogen, Broschüren, Leporellos oder Plakaten können Bildungsinformationssysteme in Form digitaler Datenbanken aufbereitet werden, in denen über webbasierte Oberflächen nach Bildungsangeboten und begleitenden Informationen gesucht werden kann. Voraussetzung zur Funktionalität der entsprechenden Datenbanken ist die Bereitschaft der regionalen Bildungsträger ihre Angebote einzuspielen, was durch einen Verbund der Bildungsträger erleichtert wird. In Österreich existieren einige derartige Plattformen auf Ebene der Bundesländer, entsprechende regionalisierte Eingrenzungen sind vorhanden bzw. vorgesehen. Das regionale Informationssystem macht für die/den Benutzer/in kenntlich, dass sich die entsprechenden Angebote in seiner näheren Umgebung befinden.

Bildungskalender Der Bildungskalender verzeichnet chronologisch Termine von Bildungsveranstaltungen in der Region. Angeführt werden neben dem Thema auch Träger, Ort, Kosten u. a. Bildungskalender gibt es als Datenbanken im Internet oder in gedruckter Form – etwa als Zeitungsbeilage, Broschüre, Folder, Plakat.

Beispiele für Bildungskalender: Wissenschaftskompass: Erscheint für Wien viermal jährlich im Internet sowie in gedruckter Form. Siehe: www.wissenschaftskompass.at Bildungskalender des Landes Steiermark: Zu finden unter http://www.weiterbildung.steiermark.at

Abbildung 2: Bildungskalender des Landes Steiermark (Quelle: weiterbildung.steiermark.at)

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungsinformation

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Bildungslandkarte In gedruckter und/oder elektronischer Form werden die Bildungseinrichtungen der Region dargestellt: Schulen, Hochschulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kulturvereine etc.

Verzeichnet werden neben Namen, Bildungsangebot auch Telefon, Adresse und Internetpräsenz. Wie umfangreich das Bildungsangebot dargestellt wird ist eine Ermessens- und Platzfrage. Es sollte jedoch bei den Beschreibungen auch Außenstehenden verständlich werden, um welches Bildungsangebot es sich bei dem Beschriebenen handelt.

Beispiele für Bildungslandkarten: Bildungslandkarte Forum Umweltbildung, siehe unten. Bildungsatlas Niederösterreich der NÖ Bildungsgesellschaft m. b. H.: Siehe: http://www.noe-bildung.at Bildungsatlas Fürth: Siehe: http://www.bz.nuernberg.de/lernenderegion/down/fba.pdf Virtueller Bildungsatlas Mainz/Bingen: Siehe: http://www.step-on.de/

Abbildung 3: Bildungsatlas von Niederösterreich als gedruckte Broschüre sowie elektronisch im Internet (Quelle: NÖ Bildungsgesellschaft)

Lernportal/ Bildungs-Datenbank Ein Lernportal bietet einen ganzheitlichen Überblick über die berufliche, universitäre und allgemeine Weiterbildung. Aufgelistet werden alle Bildungsangebote vom vorschulischen Bereich bis hin zur Freizeitbildung. Neben Veranstaltungshinweisen findet man Informationen zu den Einrichtungen, die Veranstaltungen durchführen oder bei denen man „mitmachen“ kann. Damit handelt es sich um eine Kombination aus Bildungsatlas und –kalender.

Aufgrund der großen Datenmenge eignet sich hier nur eine digitale Datenbank im Internet. Vorteil dieser sind bei entsprechender Betreuung die Aktualität und die Möglichkeit, jederzeit von einem am Internet angeschlossenen Rechner verfügbar zu sein. Die Kehrseite davon sind die laufenden Kosten, um das Portal aktuell zu halten, sowie das benötigte Wissen und die Infrastruktur, um sich einloggen zu können.

Beispiele für Lernportale Lernportal Bremen: Siehe: http://www.lernportal.bremen.de LERNENDE REGION Bodensee: Siehe: http://www.lernsee.de

Lernwegweiser Der Lernwegweiser ist eine ständig verfügbare Informations- und Recherchequelle. Es handelt sich dabei um eine Datenbank von Lernquellen für Lernende (Lernothek) und Lehrende (Eduthek). Über einen Suchraster bzw. ein Inhaltsverzeichnis werden die BenutzerInnen zu entsprechenden Seiten im Internet weitergeleitet. Bei der Erstellung eines solchen Lernwegweisers bietet sich auch die Kooperation zwischen mehreren LERNENDEN REGIONEN an.

Beispiel für Lernwegweiser: Lerno der LERNENDEN REGION Offenbach: Siehe: http://www.bildungsspiegel.de/deutschland/lerno.html?Itemid=644

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Grundleistung Bildungsinformation Handbuch Lernende Regionen

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Online-Datenbanken als Netzwerkinstrument am Beispiel der Bildungslandkarte

(von Mag.a Barbara Höller, Forum Umweltbildung)

Bildungsdatenbanken unterstützen NetzwerkakteurInnen, sich untereinander zu verknüpfen und ihr ständig wechselndes Bildungsangebot zentral und damit besonders öffentlichkeitswirksam zu präsentieren.

Eine derartige Bildungsdatenbank wurde Anfang 2006 durch das FORUM Umweltbildung initiiert. Die daraus resultierende „Bildungslandkarte“ ging im darauffolgenden Oktober online. Ziel war die Entwicklung einer webbasierten benutzerfreundlichen Datenbank, die Institutionen, Projekte und Angebote der Bildung für nachhaltige Entwicklung in ganz Österreich, aber auch regional, präsentiert. Bereits jetzt finden sich über 900 Einträge auf der Bildungslandkarte. Mehr als 19.000-mal wurde in den letzten Monaten bei steigender Tendenz auf die Bildungslandkarte zugegriffen.

Die Grundfrage bei der Entwicklung war: Wie kann es gelingen, eine Datenbank so zu gestalten, dass sie von den NutzerInnen angenommen und breit eingesetzt wird, denn nur eine lebendige Datenbank ist eine hilf- und damit erfolgreiche Datenbank. Es wurden unterschiedliche Parameter definiert, die helfen sollen, die Nutzung der Bildungsdatenbank zu gewährleisten. Diese waren in erster Linie inhaltliche Attraktivität und UserInnenfreundlichkeit. Außerdem stellen Interaktivität sowie die Vorteile einer effizienten Öffentlichkeitsarbeit weitere wichtige Grundlagen einer erfolgreichen Datenbank dar.

Inhalte und Services

Die inhaltliche Attraktivität ist ein zentraler Pfeiler einer erfolgreichen Webdatenbank. So werden die von den NetzwerkpartnerInnen eingespeisten Beiträge durch Inhalte und Services ergänzt. Beispiel für ein Service der Bildungslandkarte ist das Podcast „Bildungswellen“. Seit Juni 2007 stellt dieses AkteurInnen und Angebote der Bildung für nachhaltige Entwicklung auf akustischem Wege vor. Noch in Planung befindet sich ein Beitragspool, in den BildungsanbieterInnen Artikel oder BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung)-spezifische Nachrichten einspeisen können und ein „Schwarzes Brett“, auf dem UserInnen aktuelle Annoncen aufgeben oder lesen können. Insgesamt gesehen bieten derartige zusätzliche Informationen für die Zielgruppe einen Mehrwert, sei es durch Orientierung oder auch durch Unterhaltung, und erhöhen damit die Kundenbindung.

Benutzerfreundlichkeit

Das Tool sollte sowohl bei der Eingabe durch die AnbieterInnen als auch bei der Suche von Datenbankeinträgen eine hohe UserInnen-freundlichkeit aufweisen.

AnbieterInnen bzw. Bildungseinrichtungen ermöglicht die Bildungslandkarte eine einfache und rasche Eingabe ihrer Angebote und Projekte in übersichtliche Online-Formulare.

Abb. 4:

Suchmaske auf www.bildungslandkarte.at, die eine strukturierte Recherchemöglichkeit nach Art des Angebots, Bundesland, Themen und Bildungsbereich bietet (Quelle: Forum Umweltbildung)

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungsinformation

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Für die UserInnen sollte wiederum ein möglichst exaktes Auffinden der Einträge möglich sein. Dazu bedarf es neben einer gut durchdachten Datenbankstruktur auch einer benutzerInnenfreundlichen Oberfläche mit Suchvorgabenoptionen zur Filterung der Angebote. Auf der Bildungslandkarte können z.B. UserInnen im Rahmen der „Allgemeinen Suche“ unter verschiedenen Kategorien (Themen-bereich, Bildungsbereich und Bundesland) die Organisation, das Projekt, Material, den Workshop oder die Veranstaltung, nach der sie suchen, genauer definieren. Menschen haben unterschiedliche Zugänge, um Inhalte zu erschließen. Daher bietet die Bildungslandkarte neben der Textsuche auch eine topographische Suche. Die Basis für diese Suchvariante bildet das Gratis-Online-Tool Google Maps. Die in der Bildungslandkarte eingetragenen Organisationen werden mit Ihren Angeboten aufgrund der jeweils angegebenen Postleitzahlen geo-grafisch richtig positioniert dargestellt. Damit erhalten UserInnen einen raschen Überblick über den Umfang und die Verteilung des gesamten Angebots innerhalb eines Netzwerks.

Abbildung 5:

Topographische Suchmaske http://www.umweltbildung.at (Quelle: Foruim Umweltbildung)

Interaktivität

Eine Datenbank „lebt“ nur dann, wenn sie auch laufend aktuell gehalten wird – das kann nicht zentral geschehen! So wie viele andere Datenbanken ist deshalb auch die Bildungslandkarte auf die Zulieferung der Inhalte durch die BildungsanbieterInnen und daher auf die Selbsteinpflegebereitschaft der NetzwerkakteurInnen angewiesen. Für diese ist daher auch die Art der Dateneinpflege und -wartung so einfach wie möglich zu halten. Da die AnbieterInnen ihre Bildungsangebote üblicherweise in eigenen Web- oder Printversionen publizieren, bedeutet die neuerliche Eingabe in eine Netzwerk-datenbank einen Mehraufwand, insbesondere auch deshalb, da es sich nicht um einen Einmal-aufwand handelt, da die Angebote regelmäßig aktualisiert werden sollen.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, allen NetzwerkpartnerInnen einen uneingeschränkten Zugang zu ihren Einträgen zu ermöglichen, damit sie diese jederzeit ergänzen, ändern, löschen oder korrigieren können. Dazu haben sich bei der Bildungslandkarte ein passwortgeschützter Zugang und ein persönliches Menü als hilfreich erwiesen.

Um den Netzwerkcharakter einer Bildungsdatenbank noch weiter zu akzentuieren, können Tools wie ein gemeinsamer Newsletter oder das bereits angesprochene schwarze Brett genutzt werden. Mit Hilfe eines regelmäßigen Newsletters können sich die AnbieterInnen gegenseitig über Ihre Angebote informieren und es entsteht eine stärkere Identifikation mit der Bildungsdatenbank. Der Newsletter erinnert außerdem immer wieder an die Datenbank und damit auch an die Datenpflege.

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Grundleistung Bildungsinformation Handbuch Lernende Regionen

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Effiziente Öffentlichkeitsarbeit

Um den Aufwand der Eintragung in die Bildungslandkarte zu rechtfertigen, muss den AnbieterInnen der Mehrwert der Datenbank bewusst gemacht werden. So ermöglicht etwa der Eintrag der Angebote in die Bildungslandkarte einen merklich höheren Verbreitungsgrad des jeweiligen Angebotes. Bildungsdatenbanken können damit auch zu einem Instrument für das Marketing einer LERNENDEN REGION werden. Je „unverwechselbarer“ eine Bildungsdatenbank dabei ist, d.h. je konkreter Ziele, Themenbereiche, NutzerInnen, etc. definiert werden, desto erfolgreicher wird sie sein. Marketing-konzepte werden von Region zu Region unterschiedlich aussehen. Damit eine Bildungsdatenbank zum Selbstläufer wird, sollte es also zunächst das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit sein, durch das Auf-zeigen des Nutzens für die BildungsanbieterInnen eine kritische Masse an Einträgen zu erreichen.

Gleichzeitig sollen Bildungsinteressierte auf das eingetragene Angebot aufmerksam gemacht werden. Dies kann etwa durch klassische Instrumente wie e-Mail-Aussendungen an den eigenen Verteiler bzw. die Verteiler aller eingetragenen Organisationen, Newsletterankündigung oder Presseaussendungen erfolgen. Eine weitere Möglichkeit, um Bildungsinteressierte auf die Online-Datenbank aufmerksam zu machen, bietet die Platzierung von grafischen (Werbe-)Bannern auf den Webseiten der AnbieterInnen. Damit wird der Bekanntheitsgrad des gesamten Netzwerks gesteigert, gleichzeitig demonstriert eine Institution, die das Banner auf ihrer Homepage stellt, die Zugehörigkeit zum „Netzwerk“ und damit eine gewisse Qualität. Kooperationen können so die Öffentlichkeitsarbeit noch effizienter gestalten.

Last but not least und vorausgesetzt, es steht das entsprechende Budget zur Verfügung, können Teaser, also s.g. „Incentives“, einen kleinen Anreiz für Organisationen darstellen, sich auf einer Bildungsdatenbank zu verorten. Für die Bildungslandkarte hat das FORUM Umweltbildung etwa Post-its, Blocke, Bleistifte, Radiergummis und Lineale, also Dinge, die man in der Bildungsarbeit gut gebrauchen kann, mit dem Logo der Bildungslandkarte bedrucken lassen. Diese Aktion leistet einen Beitrag dazu, die Bildungslandkarte in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Maga. Barbara Höller leitet das Projekt Bildungslandkarte beim FORUM Umweltbildung. E-Mail: barbara.hoeller(at)umweltbildung.at, www.umweltbildung.at

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Grundleistung Bildungs- und Berufsberatung Handbuch Lernende Regionen

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Bildungs- und Berufsberatungen

Die Individualisierung von Bildungsverläufen, die Vielfalt der Angebote und die Anforderung lebens-langen Lernens ziehen die Notwendigkeit entsprechender Beratungsstrukturen mit sich. Gerade die Übergänge von Lebensphasen erweisen sich als kritische Punkte in der Biografie, in denen dem Individuum oft nicht ausreichend Informationen über Bildungs-, Berufs- und Freizeitmöglichkeiten offen stehen. Die regionale Verankerung erleichtert die Zugänglichkeit zu Beratungsangeboten. Wichtig in diesem Kontext sind Formen aufsuchender Bildungsberatung, bei denen die/der BeraterIn in die Gemeinde kommt.

Bildungsinformation schließt in Literatur und Praxis vorwiegend „Auskunft über Bildungsange-bote und -möglichkeiten“ (Cendon/ Holzer 2001: 30) ein. Inhalte der Bildungsinformation umfassen konkrete Angaben über Bildungsangebote, Kursorte, Kurszeiten, Fördermöglichkeiten, und vieles mehr. Bildungsinformation kann in verschiedener Form vermittelt werden – über Folder und Broschüren, Printmedien, über Auskünfte per Telefon und E-Mail (Distance Counselling) und über Bildungsdatenbanken im Internet, die immer mehr an Bedeutung gewinnen. Weiterbildungsdaten-banken mit ihren umfassenden Funktionsweisen unterstützen zu einem gewissen Teil die direkte Beratungsarbeit, können diese jedoch nicht ersetzen.

Beratung geht weit über bloße Informationsvermittlung hinaus. Bildungsberatung, die häufig auf

klientenzentrierten bzw. systemischen Ansätzen basiert, bezieht sich auf die Bedürfnisse und Interessen des/der Ratsuchenden. Die BeraterInnen sehen sich als BegleiterInnen, die Ratsuchenden selbst sind die ExpertInnen, die am besten über ihre Bedürfnisse und Wünsche Bescheid wissen. Bildungsberatung bezieht sich meist nicht nur auf reine Bildungsfragen, vielmehr geht es um die Aus-einandersetzung des Individuums mit seiner aktuellen Lebenssituation, mit Veränderungswünschen, mit Werten, Zielen und Selbstverwirklichung. Bildung wird somit als integrativer Bestandteil im Leben wahrgenommen. Aufgabe der Bildungsberatung ist es, den/der Ratsuchenden Rahmenbedingungen zur Reflexion und persönlichen Auseinandersetzung über den momentanen und über den künftigen Lebens- und Bildungsweg zur Verfügung zu stellen. Der/Die Ratsuchende selbst steht im Rahmen der Beratung im Mittelpunkt, er/sie ist herausgefordert, sein/ihr Leben aktiv zu gestalten und Ziele für sich selbst zu setzen (emanzipatorischer Ansatz). Ziel der Bildungsberatung muss es daher auch sein, den Ratsuchenden die Möglichkeit zu geben, für sich selbst Kompetenzen zu entwickeln, um sich diesen Anforderungen stellen zu können: „Beraten und sich orientieren, das heißt für den Einzelnen, seinen Platz einnehmen, sich selbst bestätigen, sein Lebensprojekt verwirklichen, kurz er selbst zu werden, so wie er ist, hier und jetzt“ (Jacques Limoges 20001).

Mit dem Druck des lebenslangen Lernens und den ständigen Herausforderungen, die das (berufliche) Leben mit sich bringt, wird auch die Beratung ein Element, das Menschen ein Leben lang begleiten kann und soll. Menschen gelangen in ihrem Leben immer wieder an Weggabelungen, an denen sie sich schließlich entscheiden müssen, wohin sie gehen bzw. auf welche Art sie sich weiterentwickeln wollen und können. Bildungsberatung ist damit nicht mehr eine punktuelle Maßnahme am Ende einer Ausbildung, ein Angebot, das immer wieder genutzt werden kann. So sprechen ExpertInnen von Life Long Guidance, der lebensbegleitenden Beratung. Bildungsberatung ist nicht nur als Beratung für den persönlichen Bildungs- und Berufsweg wahrzunehmen, sondern generell als Unterstützung im Leben der Ratsuchenden.

Regionale Bildungsberatung Um den BewohnerInnen der Region eine möglichst große Chance zu geben Bildungsberatung zu nutzen, sollen die BeraterInnen die zu Beratenden in ihrem näheren Lebensumfeld aufsuchen. Das können regelmäßige Beratungstage an festgelegten Orten in der Gemeinde (Gemeindeamt, Biblio-thek, Bildungseinrichtungen etc.) sein. Voraussetzung ist die entsprechende Transparenz dieses An-gebots, d.h. die Bekanntmachung über Werbeträger, lokale und regionale Medien, Infos in Betrieben, Bildungseinrichtungen und im Rahmen von Veranstaltungen. Die Niederschwelligkeit des Angebotes auch im räumlichen Sinn – d.h. gute Erreichbarkeit, gute Sichtbarkeit, einladendes Ambiente – tragen

1 in: CEDEFOP: Agora X. Soziale und berufliche Orientierung und Beratung, Thessaloniki, S.4.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungs- und Berufsberatung

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dazu bei, dass auch diejenigen Personen erreicht werden, die von sich aus keine Beratung besuchen würden, jedoch von einer Bildungsberatung profitieren können.

Mit der aufsuchenden Beratung soll der soziale und territoriale Zusammenhalt in der Region gefördert werden. Neue Lernorte und offene Zugänge zu den Lernwelten sind gemeinsam mit den Netzwerkpartnern zu erschließen.

Mit dem/der Beratenen gemeinsam können anhand geeigneter Instrumente der Bildungsberatung Komplettlösungen nach dem „One-Stop Shop" entwickelt werden, die zu einer personenbezogenen Nachhaltigkeit der Beratung beitragen. Unter „One-Stop Shop" wird ein Komplettangebot aus einer Hand verstanden, das von der Ansprache über die eigentliche Beratung bis hin zur Vermittlung in Weiterbildung und/ oder der Befähigung zur und Unterstützung bei der Akquisition von Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen alles umfasst.

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Grundleistung Bildungsmarketing Handbuch Lernende Regionen

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Regionales Bildungsmarketing

Wesentliches Kriterium der Nutzung von Bildungsangeboten ist ihre Transparenz, also eine möglichst breit gestreute Wahrnehmbarkeit der entsprechenden Angebote. Dazu dienen alle Formen herkömm-licher Bewerbung via Programmheft, Folder, Plakat, Inserat, Mailing etc. Im Zusammenhang LERNENDER REGIONEN ist vor allem die regionale Dimension des Marketing interessant: So haben sich Lernfeste als regionale Messen der Bildungsanbieter mit Aktivitäts- und Unterhaltungsangeboten etabliert.

Eine weitere wichtige Funktion des Bildungsmarketing ist, der regionalen Bevölkerung die Wichtig-keit von Bildung und Lernen in der Gestaltung eines erfolgreichen eigenen Lebensweges vor Augen zu führen – im beruflichen und privaten Bereich. Berücksichtigt werden sollten drei Aspekte:

Bildungsmarketing erfolgt im Dialog

Marken können als Botschaften verstanden werden, die positive Assoziationen, Gefühle und Wertungen vermitteln. Gute Marken ermöglichen Identifikationen, heben sich klar gegenüber Konkurrenzmarken ab, helfen die Qualität des ihnen zugrunde liegenden Produktes zu sichern und steigern in Summe den Marktwert. Auch der Erfolg von Lernenden Regionen hängt von einer guten Markenbildung ab. Darüber hinaus setzen Lernende Regionen jedoch auch auf eine positive Besetzung von „Lernen“ in der Region, im weitesten Sinn also auf „Bildungsmarketing“.

Dies erfolgt im Dialog: Der Wert der Marke „Lernende Region“ entsteht nicht bei den Handelnden sondern in den Köpfen der KonsumentInnen. Dabei spielen zwei Komponenten eine wichtige Rolle:

Kosten und Nutzen bei der Befriedigung individueller Bedürfnisse. Prestige sowie Sympathie und Vertrauen gegenüber der Lernenden Region.

Soziale Milieus und ihre spezifischen Lerninteressen

Um dem Anspruch einer teilnehmerorientierten Erwachsenenbildung gerecht werden zu können, ist es notwendig sich Gedanken über die potentiellen TeilnehmerInnen zu machen. Im Bildungsmarketing, aber auch in der Entwicklung von Projekten und Angeboten gilt es stets auf die Unterschiede hin-sichtlich der jeweiligen Weiterbildungsinteressen und Weiterbildungsbarrieren einzugehen. So finden wir sehr unterschiedliche Teilgruppen an potentiellen TeilnehmerInnen. Diese unterscheiden sich nach ihren Lebensumständen, Erfahrungen und Lernzielen, dem bereits erlangten Wissen und den Anforderungen an Lehrende und Institutionen der Erwachsenenbildung. Es hat sich als sinnvoll erwiesen die potentiellen TeilnehmerInnen nach ihren sozialen Milieus zu unterscheiden. In diese Orientierung fließen die Lebenseinstellungen und Arbeitsbedingungen, die familiäre Herkunft wie die Biographien ein. Je nach sozialem Milieu findet man bestimmte Lerntypen, d.h. bestimmte Interessens- und Bedürfnislagen der Lernenden treten häufiger auf als in anderen Milieus. Wer sich zu diesem Thema vertieft einarbeiten möchte, dem sei unter anderem das Buch von Helmut Bremer 2007: Soziale Milieus, Habitus und Lernen. Zur sozialen Selektivität des Bildungswesens am Beispiel der Weiterbildung. Juventa Verlag, empfohlen.

Kundenorientierung statt Angebotsorientierung

Kundenorientierung ist wichtiger als Angebotsorientierung. Besser das Angebot im Sinne der TeilnehmerInnen modifizieren, als die potentiellen KundInnen von der Einzigartigkeit der Angebote überzeugen zu wollen. Eine solche KundInnenorientierung wird durch geeignete Bildungsbedarfser-hebungen unterstützt.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungsmarketing

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Lernfeste, Bildungsmesse, Lernmarkt

Lernfeste sollen Lust auf gemeinsames Lernen machen, indem sie die inhaltlichen Aspekte und

Themen der Weiterbildung in ein unterhaltendes Rahmenprogramm einbetten. Lernfeste informieren über Möglichkeiten der Weiterbildung in der Region und verdeutlichen die Notwendigkeit von Bildung und Weiterbildung. Menschen soll dabei jedoch die Schwellenangst vor „Bildung“ genommen werden, indem gezeigt wird, dass Lernen auch Spaß bereitet. Daher ist es wichtig den Unterhaltungscharakter und vor allem positive Lernerfahrungen in den Vordergrund zu stellen. Dies gelingt durch Lernangebote zum Ausprobieren, Mitmachen und praktischen Erleben. Dazu zählen neben „Schnupperkursen“ auch Mal- und Rätselwettbewerbe, Kunstausstellungen, Kabarett, Theateraufführungen, Lesungen, Filmvorführungen, Tanz- und Musikshows, Konzerte, Exkursionen zu bedeutenden regionalen Orten, Kunstwerkstätten. Daneben wird eine individuelle Beratung und Information angeboten. Dabei muss auch die Informationsvermittlung den Regeln des Infotainment entsprechen, das heißt zum Beispiel, dass kein Wortbeitrag länger als 30 Sekunden sein darf.

Mit einem Lernfest sollen nicht nur die Potentiale der Region bewusst gemacht, sondern auch ein Zeichen der regionalen Identität gesetzt werden. Manche Lernfeste setzten bestimmte Zielgruppen in den Fokus ihrer Aufmerksamkeit: Jugendliche, Erwerbslose, Menschen mit Lese- und Rechtschreib-schwächen, Menschen mit Behinderung oder bestimmte thematische Schwerpunkte (z.B. Latein-amerika, Gesundheit, Kochen und Essen, Migration, wirtschaftlicher Strukturwandel…). Dabei bleiben die Lernfeste aber immer offen für die allgemeine Bevölkerung.

Lernfeste bieten die Chance, Kooperationsbeziehungen zwischen Weiterbildungseinrichtungen und anderen Institutionen wie Unternehmen, Vereinen oder Medien aufzunehmen und zu vertiefen. Bildungseinrichtungen wird die Möglichkeit geboten sich in einer veränderten Umwelt präsentieren, kooperieren und vernetzen zu können. Sie eröffnet Übergänge in andere Formen des Lernens und zeitgemäße Organisationsstrukturen.

Abb. 6: Impressionen vom Lernfest 2008 im Kloster Benediktbeuren der Lernenden Region Bad Tölz (D) © Lernende Regionen Tölzer Land

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Grundleistung Bildungsmarketing Handbuch Lernende Regionen

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Den BesucherInnen bieten Lernfeste die Möglichkeit, den Reichtum an Lernangeboten kennen zu -lernen. Die Beispiele aus Deutschland zeigen, dass sich durch Lernfeste Medien und Öffentlichkeit verstärkt den Themen Lernen und Weiterbildung zugewandt haben. Beispiele für gelungene Lernfeste gibt es bereits vielerorts – beispielhaft sind die Veranstaltungen in der Region um Bad Tölz zu nennen: http://www.lrtl.de.

Der Einwand, ob Lernfeste auch von der Bevölkerung angenommen werden, lässt sich durch Praxisbeispiele entkräften: so besuchten das Lernfest in Bad Tölz in Bayern im Jahr 2008 rund 37.000 Personen (siehe Bilder auf der vorigen Seite). Diese Veranstaltungen sind jedoch auch keine Selbstläufer. Wichtig ist attraktive Ideen zu finden, die MitarbeiterInnen, Partnereinrichtungen, potenzielle KundInnen und die Öffentlichkeit gleichsam fasziniert. Auch der gewählte Veranstaltungsort spielt eine große Rolle. Attraktive Orte, die schon für sich selbst ein Ausflugsziel darstellen, steigern die Attraktivität des Lernfests in jedem Fall.

In Österreich wurde das erste Lernfest 2001 mit mehr als 10.000 BesucherInnen in Kirchdorf/

Krems gefeiert. Seit einigen Jahren werden auch im steirischen Bezirk Murau regelmäßig Lernfeste veranstaltet (siehe http://weiterbildung.steiermark.at). Ein Beispiel für spezialisierte Lernfeste sind die Events des Bildungs- und Heimatwerks Niederösterreich (gemeinsam mit dem ÖIEB u.a.) mit Schwer-punkt integrative Erwachsenenbildung (siehe: www.oieb.at sowie www.bhwnoe.or.at).

Weitere Impressionen aus Bad Tölz und Informationen zur Umsetzung eines eigenen Lernfestes finden sich auf der Homepage der Lernenden Region Bad Tölz: http://www.lrtl.de/lernfest.php bzw. http://www.lrtl.de/c-seiten/akteure.html. Besonders empfehlenswert ist die Broschüre „Marketing. Eventmanagement und Lernfeste zur Mobilisierung einer ganzen Region“, erhältlich über die Lernende Region Bad Tölz.

Weitere Erfahrungsberichte und Informationen zum Lernfest in Informationen und nützliche Tipps für die Durchführung finden sich auch in der schon etwas älteren Broschüre „Lernfeste: Brücken in neue Lernwelten“ (2001) des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung: http://www.bmbf.de/pub/lernfeste.pdf

Bildungsmessen orientieren sich an den bekannten Messen und zeigen den BesucherInnen das vielfältige Lernangebot in der Region. Ein Teilbereich dieser Bildungsmessen stellen die „Berufs-, Studien- und Weiterbildungsmessen“ dar, die seit einigen Jahren in größeren österreichischen Städten stattfinden (siehe http://www.bestinfo.at). Eine Mischform zwischen Lernfest und Bildungsmesse sind schließlich „Lernmärkte“. Ein Beispiel dafür wäre die „Agora des Lernens“ der LERNENDEN REGION Dessau-Anhalt-Wittenberg: http://www.agora-des-lernens.de/cms/front_content.php?idcat=29 Lernbörse. Eine Börse ist ein organisierter Marktplatz. Hier können sich über eine Internetdatenbank oder eine Anschlagtafel Lernende und Lehrende gegenseitig suchen und finden. Siehe dazu auch das Kapitel „Wissens- und Kompetenzbörse“ ab S. 83

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Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit Handbuch Lernende Regionen

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Öffentlichkeitsarbeit

Über den Erfolg größerer Projekte entscheidet immer häufiger die öffentliche Meinung. Auch LERNENDE REGIONEN müssen sich aktiv mit dem Bild auseinandersetzen, das die Öffentlichkeit von ihnen hat. Mit Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations (PR) versucht man diese Wahrnehmung positiv zu beeinflussen. Öffentlichkeitsarbeit hat mehrere, miteinander zusammenhängende Ziele:

- Aufmerksamkeit erzeugen und den Bekanntheitsgrad erhöhen - Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Organisation vermitteln - Zustimmung zu den Intentionen und Zielen erreichen - Kommunikation mit anderen Organisationen, Gruppen und LERNENDEN REGIONEN herbeiführen,

pflegen und verbessern - Durch interne Kommunikation die eigene Organisation entwickeln und fördern

Öffentlichkeitsarbeit muss, um erfolgreich zu sein, kontinuierlich und systematisch betrieben werden. Die Informationen sollen sachlich bleiben und nichts vorgeben, was nicht der Wirklichkeit entspricht.

PR-Konzept In einem PR-Konzept geht es vereinfacht gesagt um die Fragen: WAS will ich WEM WIE mitteilen?

- „Was“ meint die Ziele: Welche Informationen sollen gegeben werden. - „Wem“ meint die Zielgruppe. „Die“ Öffentlichkeit als eine homogene Gruppe gibt es nicht: Nicht

jede Botschaft ist für jeden Menschen gleich interessant. Daher muss, um PR systematisch zu betreiben, zuerst immer festgelegt werden, welche Personengruppen („Teilöffentlichkeiten“) angesprochen werden sollen. Sprechen wir die falschen Leute an, wird Zeit und Geld ver-geudet. Jede Botschaft muss für die jeweilige Zielgruppe spezifisch aufbereitet werden.

- „Wie“ meint die Wahl der PR-Maßnahmen. Um einen Einblick in mögliche Teilöffentlichkeiten und entsprechende Methoden zu geben, wird im Folgenden ein kurzer Überblick gegeben. Darüber hinaus bietet sich Fachliteratur sowie externe Beratung an.

Interne PR

Die eigenen KollegInnen im Netzwerk und in der Organisation sind immer die wichtigste Teilöffentlichkeit. Gut informierte MitarbeiterInnen sind die beste Botschaft nach außen, während es ausgesprochen unangenehm ist, Nachrichten, die einen selbst betreffen, aus der Zeitung zu erfahren. Interne Kommunikation ist allerdings auch eine Frage der Qualität: Nachrichten müssen immer zuerst ausgewählt werden, um niemanden mit Informationen zuzuschütten.

Das direkteste und beste Mittel ist immer das persönliche Gespräch. Dabei geht es nicht um einen zufälligen Tratsch, sondern um regelmäßige, geplante Gespräche. Damit können schon frühzeitig Fragen geklärt und Missverständnisse ausgeräumt werden. Dazu eignen sich auch Versammlungen, Infoveranstaltungen oder möglicherweise auch ein Stammtisch.

Etwas indirekter sind schriftliche Informationen, beispielsweise per E-Mail, Mailingliste oder Aus-sendung oder – soweit es die Situation erlaubt – Informationstafeln. Die Informationen sollten in jedem Fall klar, verständlich und kurz sein. Elektronische Aussendungen haben den Vorteil, günstig und rasch die AdressatInnen erreichen zu können. Ein weiterer unschätzbarer Vorteil ist die Möglichkeit, jedem Netzwerkpartner direkt antworten zu können. Eine weitere Methode der elektronischen Kommunikation, die sich vor allem für kurze Texte eignet, die rasch den Empfänger erreichen sollen, stellen SMS dar. Dazu bieten einige Internetanbieter das Service an mittels PC zu überschaubaren Kosten SMS an mehrere Empfänger versenden zu können.

Von Aufwand und Kosten her anspruchsvoller ist das Erstellen kleiner Zeitschriften und Berichte bzw. eines Mitarbeiterhandbuchs, in dem die wichtigsten Eckpunkte der LERNENDEN REGION zusammengefasst sind. Diese umfangreicheren Methoden eignen sich erst ab einer bestimmten Größe des Netzwerks. Mitbedenken muss man dabei vor allem den persönlichen und zeitlichen Aufwand für die Erstellung, die Vervielfältigungskosten, aber auch, was häufig unterschätzt wird, die Kosten der Verteilung.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit

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Eine gute Methode, um alle Beteiligten auf dem aktuellem Stand zu halten, sind Pressespiegel, d.h. gesammelte Kopien oder Scans von Zeitungsartikeln zum Thema der LERNENDEN REGION, die allen NetzwerkpartnerInnen zur Verfügung gestellt werden.

Interessierte Öffentlichkeit

Die genauen Zielgruppen der PR werden sich von Region zu Region unterscheiden. In jedem Fall wird es jedoch Maßnahmen geben, die möglichst breite Bevölkerungsgruppen ansprechen sollen. Auch dafür gibt es eine Palette an geeigneten Methoden.

Während eines „Tags der offenen Tür“ können sich die NetzwerkpartnerInnen präsentieren. Dabei informieren sich Interessierte vor Ort über die angebotenen Produkte und Dienstleistungen. Vergleichbare Events stellen „Lernfeste“ dar. Während der „Tag der offenen Tür“ dezentral an den Standorten der Netzwerkpartner stattfindet, sind „Lernfeste“ zentrale Veranstaltungen, an denen sich die Institutionen vorstellen.

Checkliste:

- Bekanntmachung des Ereignisses (regionale Zeitungen, Plakate, Postwurfsendungen, Flugblätter)

- Informationen während des Events (vorbereitete Broschüren und Informationsblätter) - Veranstaltungsprogramm (Führungen, Musik, Kinderprogramm, Preisausschreiben) - Bewirtung und Service - Sicherheitsmaßnahmen - Einladungen (Erstellen und Versenden, Politiker, Presse, Schulklassen) - Abschließende Reflexion (Diskussion was gut gelaufen ist, was das nächste mal besser

gemacht werden soll) Aus verschiedensten Gründen bieten sich schriftliche Informationsmaterialien an. Sie sind kompakte Informationsquellen, die man auch rasch an Interessierte weitergeben kann. Sie geben auch dem Netzwerk Sicherheit, da es sich dabei um niedergeschriebene Grundsätze der LERNENDEN

REGION handelt. Darüber hinaus lassen sie sich bis zu einem gewissen Grad und Umfang relativ einfach und rasch herstellen, überarbeiten und vervielfältigen.

Die elementarste Variante ist das Flugblatt bzw. in gefalteter Form der Folder. Auf diesen werden kurz, kompakt und aktuell Informationen zum Projekt der LERNENDEN REGION und den aktuellen Veran-staltungen dargelegt. Meist im Format A4 bzw. A5 lassen sich Flugblätter relativ günstig kopieren. Plant man größere Auflagen, beispielsweise eine allgemeine Beschreibung, die auch für längere Zeit aktuell bleibt, sollte man sich überlegen diese drucken zu lassen. Einen genauen Kostenüberblick geben Druckereien, die auf Anfrage gerne Anbote erstellen. Aus Versand- und Adressiergründen kostspieliger, aber auch persönlicher, sind Briefe die direkt an Postadressen und nicht anonym als Postwurfsendung verschickt werden.

Die klassische Variante der Bewerbung stellt das Plakat dar, das sich bis Format A3 auch einfach kopieren lässt. Ist eine Veranstaltungsreihe geplant, sollte man sich überlegen ein etwas größeres Rahmenplakat (Format A2) drucken zu lassen, auf dem wie in einem Passepartout die allgemeinen Informationen am Rand stehen. In der Mitte bleibt eine A3-formatgroße Fläche weiß, auf der aktuelle Veranstaltungen angekündigt werden können. Dies kann per Hand, mit Filzstift oder mit aufgeklebten A3 Plakaten erfolgen.

Eine etwas umfangreichere Information kann über eine Broschüre erfolgen. Dabei sollte jedoch professionelle Hilfe von außen gesucht werden. Geklärt werden muss das dafür vorhandene Budget und davon abhängig Format, Umfang, Auflage, Druckverfahren. Wichtig ist auch im Vorhinein zu klären, wer die Inhalte liefert, welche Zielgruppe angesprochen wird und wann das Produkt fertig sein soll.

Eine Arbeit die, wie oben besprochen, in jedem Fall gemacht werden muss ist ein Bericht über die Tätigkeit des Netzwerks. Man kann sich dabei überlegen, wie weit dieser auch einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden soll.

Eine Methode, möglichst viele Menschen anzusprechen, ohne die mittlerweile kein größeres Projekt auskommt, stellt die eigene Homepage im Internet dar. Vorteile sind die Zugriffsmöglichkeit auf die Informationen von jedem Internetanschluss rund um die Uhr und die hohe Aktualität. Letzteres stellt jedoch auch eine Schwierigkeit dar: Internetseiten müssen erstellt und mit aktuellen Informationen versorgt werden. Diese regelmäßige Arbeit ist schon in der Planung mitzubedenken. Auf einer solchen Internetseite können sich verschiedenste Informationen finden: Grundlegendes zur

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Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit Handbuch Lernende Regionen

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LERNENDEN REGION, den Projekten und NetzwerkpartnerInnen, aktuelle Veranstaltungen, Kontaktmöglichkeit (AnsprechpartnerInnen, E-Mailadresse, Abo der Mailingliste), Feedbackmöglichkeiten (Gästebuch), Pressemitteilungen und vieles andere mehr.

Medienarbeit

Medien lassen sich grob nach Art der Übertragung in Print-, elektronische und Neue Medien einteilen: Printmedien unterteilen sich weiter in Tages- und Wochenzeitungen, Illustrierte und Special Interest Magazine, mit sehr spezifischen Zielgruppen. Zu den elektronischen Medien gehören Fernsehen und Radio, wobei hier öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Privatsender, freie Sender und Informationskanäle zu unterscheiden sind. Zu guter Letzt versammeln sich unter dem Stichwort „Neue Medien“ das Internet und dazugehörige Online-Dienste sowie Multimedia-Anwendungen. Von besonderem Inter-esse für LERNENDE REGIONEN werden Regionalzeitungen und –sender, sowie – je nach thematischem Schwerpunkt - auch Special Interest Magazine sein.

Ein erster Schritt in eine gelungene Medienarbeit ist das Anlegen eines Presseverteilers. Darunter versteht man ein Adressbuch der Medien, die für die Pressearbeit wichtig sind. Dabei werden Medium, Ansprechperson, Ressort (Politik, Lokales, Sport,…), Post- und E-Mailadresse sowie Telefonnummer verzeichnet. Häufig findet man entsprechende Daten im Impressum der jeweiligen Zeitung, auf den Internetseiten sowie in eigenen Pressehandbüchern (z.B. „Journalisten-, Medien- & PR-Index“ von www.indexverlag.at, „Pressehandbuch“ von www.voez.at). Idealerweise kennt die medienverantwortliche Person die jeweiligen JournalistInnen persönlich. Nachrichtenagenturen (APA, pressetext austria) sind grundsätzlich gute Multiplikatoren für Presseinformationen, setzen jedoch vor allem im überregionalen Bereich an und sind daher für LERNENDE REGIONEN weniger zweckmäßig.

JournalistInnen sind so genannte „Gatekeeper“, d.h. sie sind entscheidend, ob eine Nachricht in das Medium kommt oder nicht. Dabei spielen einige Punkte eine wichtige Rolle, die bei der Medienarbeit stets mitzudenken sind.

- Nachrichtenwert: Bestimmte Themen interessieren JournalistInnen stärker als andere. Dazu gehören die räumliche Nähe der Nachricht, Vorhandensein prominenter Personen, Spannung bzw. Ungewöhnlichkeit, Gefühle bzw. Konsequenzen, kontroverse Themen.

- Aufbereitung der Nachricht: JournalistInnen stehen in ihrer Arbeit meist unter großem Druck. Daher bevorzugen sie Informationen, die sie mit relativ wenig Aufwand bearbeiten können. Wichtig ist es daher, beim Verfassen des Pressetextes darauf zu achten, dass dieser die wichtigsten Informationen auf engsten Raum bietet und bereits Textpassagen enthält, die Redakteure übernehmen können. Von Vorteil ist auch, wenn bereits druckfähiges Bildmaterial (hohe Auflösung, schönes Motiv, keine „abgeschnittenen Köpfe“) mitgeschickt wird.

- Persönliches Kennen: JournalistInnen, wie andere Menschen auch, bringen gerne Meldungen von Veranstaltungen, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben. Dieser kann darin bestehen, dass der/die RedakteurIn eineN ProponentIn des Netzwerks kennt (dann sollte dieseR Bekannte auch den Kontakt herstellen). Möglich ist auch, dass das Netzwerk JournalistInnen zu Gesprächen und Treffen einlädt, um dadurch persönlichen Kontakt aufzubauen.

Es gibt auch indirekte Methoden, um mit JournalistInnen in Kontakt zu treten. Die einfachste Variante ist eine Pressemitteilung per E-Mail über den angelegten Presseverteiler. Ein solcher Pressetext sollte gut durchdacht sein, da Journalisten üblicherweise mit einer Fülle an Aussendungen überhäuft werden und daher stark selektieren. Pressemitteilungen sollten nur dann gemacht werden, wenn es etwas Berichtenswertes gibt. Es wäre kontraproduktiv JournalistInnen ständig mit Mitteilungen zu überfrachten. In diesem Fall werden sie irgendwann aufhören die Nachrichten zu lesen und die eine, wirklich wichtige Botschaft nicht mehr lesen.

Ein Pressetext muss einen Spannungsbogen aufbauen, der zum Weiterlesen einlädt. Ideal wäre es, wenn bereits zu Beginn die fünf „W“ des journalistischen Arbeitens beantwortet werden: Wer? hat Was? Wo? Wann? Wie? gesagt oder getan.

Formal sollte der Text den Namen der LERNENDEN REGION, möglicherweise ein Logo, den Hinweis „Presseaussendung“ sowie das Datum beinhalten. Zu Beginn steht ein Titel sowie ein einleitender Text („Lead“). Das Schriftbild sollte eineinhalbzeilig sein und bei Briefen einen breiteren rechten Rand für Hinweise haben. Längere Texte benötigen auch Zwischentitel. Am Ende steht schließlich der Rückfragehinweis mit Kontaktperson und Telefonnummer.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Veranstaltung eines Pressegesprächs bzw. einer Presse-konferenz. Dabei wird ein Thema mit Neuigkeitswert präsentiert, anschließend haben die

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit

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JournalistInnen die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Eine solche Veranstaltung hat jedoch nur Sinn, wenn das Thema eine gewisse Zahl an Medien anspricht. Daher bieten sich für LERNENDE REGIONEN eher „Kamingespräche“, das sind abendliche Treffen im kleineren Rahmen, oder Einzelgespräche an.

Checkliste für die Medienarbeit:

- Ist das Thema für Medien interessant? - Für welche Medien ist es interessant? - Sollten Einzelgespräche mit Journalisten geführt werden, eine Pressemitteilung verfasst

werden, ein Pressegespräch veranstaltet werden? - Gibt es genug Ressourcen und Zeit für den gewählten Weg? - Welche Informationen habe ich zur Verfügung? Welche Informationen benötige ich noch?

Medien der Gemeinden

In jeder Gemeinde findet man, in unterschiedlichster Aufmachung, eine eigene Zeitung zur Information über Gemeindeaktivitäten sowie Veranstaltungsankündigungen. LERNENDE REGION könnten über die Gemeindezeitung eine hohe Erreichbarkeit der EinwohnerInnen verbunden mit relativ geringen Kosten bekommen. Gut bieten sich auch die amtlichen Anschlagtafeln an, um die Bevölkerung auf die Aktivi-täten der LERNENDEN REGION aufmerksam zu machen.

Kurskataloge

Auch Kurskataloge können in den LERNENDEN REGIONEN eine große Rolle spielen. Folgende Informationen sollten sich im Kursprogramm finden:

- Titel der Bildungsmaßnahme, eventuell Nummerierung - Kurzbeschreibung des Inhalts, Lernziele - Zielgruppe, Anforderungen an die Zielgruppe - VortragendeR, Kurzbiographie - Termin, Ort, Dauer - Maximale TeilnehmerInnenzahl, Teilnahmekosten - Anmeldeschluss, eventuelle Modalitäten

Abbildung 7: Zeitungen im Kaffeehaus Tamaselli

in Salzburg© kilona/ „Zeitungen“ Some rights

reserved. Quelle: www.piqs.de

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Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit Handbuch Lernende Regionen

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Einbeziehung der Medien in Lernende Regionen - Erfahrungen aus Deutschland

(von Dr. Dieter Gnahs, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung)

Marketing als zentrale Aufgabe von Lernenden Regionen

Zu den zentralen Aufgaben von Bildungsnetzen zählt die Bildungswerbung: Die Nachfrage nach Bildungsangeboten soll insgesamt gestärkt, und insbesondere so genannte bildungsferne Zielgruppen sollen angesprochen werden. Es geht darum, zu informieren, zur Reflexion anzuregen und zur Teilnahme zu motivieren.

In der Betriebswirtschaftslehre wird diese Ausrichtung auf den Kunden bzw. die Orientierung am Kundennutzen Marketing genannt2. Gewöhnlich wird Marketing in vier Teilbereiche unterteilt: Produktpolitik, Kommunikationspolitik, Preispolitik und Distributionspolitik. Im deutschen Programm LERNENDE REGIONEN wurde als Auswahlkriterium ausdrücklich festgehalten: „Gefördert werden nur solche Netzwerke, die

- der Stärkung der Bildungsnachfrage und der Nutzerorientierung sowie - der gezielten Mobilisierung neuer LernerInnen, insbesondere bisher bildungsferner und

benachteiligter Personen, dienen und - sich aktiv und regelmäßig an trägerübergreifenden Werbekampagnen wie dem bundesweiten

Lernfest sowie - am überregionalen Erfahrungsaustausch beteiligen.“3

Diese Vorgabe ist, wie die wissenschaftliche Begleitung in ihrer Zwischenbilanz ausweist, auch deutlich eingehalten worden: Praktisch alle Netzwerke sind in den diesbezüglichen Handlungsfeldern „Individuelle Bildungsberatung“ und „Bildungswerbung/ Öffentlichkeitsarbeit/ Marketing“ aktiv4.

Medien als Instrument der Kommunikationspolitik von Netzwerken

Bei ihrer Kommunikationspolitik greifen LERNENDE REGIONEN auf eine Vielzahl von Instrumenten zurück:

- Schriftliches Informationsmaterial wie Veranstaltungsverzeichnisse und -flyer, Info-Broschüren - Poster, Plakate, Aufkleber - Internetauftritt, Homepage - Veranstaltungen, Events, Lernfeste

Deren Wirkung und Ausstrahlung können durch die Einbeziehung der Medien (Zeitungen, Zeitschrift-en, Radio, Fernsehen) deutlich verbessert werden. Folgende Gründe lassen sich dafür anführen:

- Es kann eine sehr viel größere Zahl von Adressaten erreicht werden. - Es können auch AdressatInnengruppen angesprochen werden, die mit den „Bordmitteln“ des

Netzwerks gar nicht oder nur partiell erreicht werden können. - Das Medieninteresse hebt die Aktionen des Netzwerks in einen öffentlich bedeutsamen Raum,

„adelt“ sie quasi, und verschafft ihnen dadurch mehr Aufmerksamkeit und Akzeptanz (Imageverbesserung).

- Es können Kosten reduziert werden für sonst nötige Kommunikationsmaßnahmen in Eigenregie.

- Ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit wird in professionelle Hände gelegt. - Die Medienresonanz ist auch so etwas wie eine ideelle Gratifikation für die „MacherInnen“ des

Netzwerks. Die Namensnennung und die Veröffentlichung von Fotos werden als Belohnung empfunden und motivieren zu weiteren Anstrengungen.

- Die Identifikation des Netzwerks als eigenständiger Akteur wird hervorgehoben und damit gestärkt.

2 Vgl. Bernecker, M. (2001): Bildungsmarketing. Sternenfels. 3 BMBF (2000): Bekanntmachung von Förderrichtlinien für das Programm „Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken“. In: Lernende Regionen Nr. 01/Nov. 2000, S. 6. 4 Vgl. Reupold, A./Tippelt, R. (2006): Bildungsmarketing und Bildungsbeteiligung. In: Nuissl, E./Dobischat, R./Hagen, K./Tippelt, R. (Hrsg.), Regionale Bildungsnetze. Bielefeld, S. 183.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Öffentlichkeitsarbeit

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Diese Aufzählung verdeutlicht den Stellenwert und den Nutzen der Einbeziehung von Medien in die Netzwerkarbeit. Im Folgenden werden für die Presse und Radio/Fernsehen noch weitere Hinweise gegeben und über Beispiele illustriert.

Pressearbeit

Erste AnsprechpartnerInnen für LERNENDE REGIONEN sind die regionalen Tageszeitungen, die sowohl im redaktionellen Teil als auch im Veranstaltungskalender nutzbar sind. In aller Regel sind die RedakteurInnen sogar dankbar, wenn ihnen Möglichkeiten zur Information und Berichterstattung eröffnet werden.

Ein besonders gutes Beispiel liefert die LERNENDE REGION Niederrhein, die intensiv mit der Rheinischen Post zusammenarbeitet: eine Artikelserie über die Aktivitäten des Netzwerks zum Start und danach eine aktuelle Berichterstattung zu ausgewählten Themen (z.B. über ein deutsch-niederländisches Projekt, mit dem Deutsche „alltagsfit“ für Aufenthalte im Nachbarland gemacht werden sollen)5. Doch auch alle anderen LERNENDEN REGIONEN sehen in der Pressearbeit ein zentrales Instrument des Marketings, wie die einzelnen Zwischenbilanzen nach der Startphase ausweisen6.

In gleicher Weise lässt sich auch eine Zusammenarbeit mit den weit verbreiteten Anzeigenblättern, die kostenlos an die Haushalte verteilt werden, arrangieren. Diese Formate verfügen meist nur über eine schmale redaktionelle Basis und sind auf Fremdartikel angewiesen. Zudem bieten sie auch eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit, eigene Anzeigen (z.B. zur Ankündigung eines Lernfestes) zu schalten. Auch diese Möglichkeit ist in Deutschland praktisch genutzt worden (vgl. ebenda).

Radio/Fernsehen

In vielen Regionen gibt es regionale Radio- und Fernsehsender, die in ähnlicher Weise wie die Presse ansprechbar sind. Sie verfügen über ein großes Spektrum von Kooperationsmöglichkeiten: Sie können informieren über die Aktivitäten des Netzwerks, sie können die Netzwerkakteure zu Wort kommen lassen, sie haben die Möglichkeit zur Live-Übertragung oder können sich selbst als AkteurInnen einbringen (zum Beispiel als MitveranstalterInnen einer Bildungsmesse oder als TrägerInnen des Begleitprogramms eines Lernfestes). So arbeitet zum Beispiel die schon erwähnte LERNENDE REGION Niederrhein mit den lokalen Radiosendern K.W. aus Wesel und Antenne Niederrhein aus Kleve zusammen, die LERNENDE REGION BELOS, die sich über die Landkreise Emsland, Grafschaft Bentheim und die Landkreise Ostfrieslands erstreckt, mit der Ems-Vechte-Welle. BELOS hat sogar eine eigene Sendung und geht ca. einmal im Monat auf Sendung. In einer Mischung aus Musik, Information und Interviews wird aus der Netzwerkarbeit berichtet. Die Sendungen sind dokumentiert und über die Homepage www.belos-net.de einsehbar.

Tipps

- Nehmen Sie rechtzeitig persönlichen Kontakt zu den regionalen Medien auf. - Werten Sie die bestehenden Erfahrungen von Bildungsnetzwerken mit Medien aus. - Benutzen Sie schon erschienene Presseartikel, Radiosendungen etc. als Ideenpool für Ihre

eigene Presse-/Medienarbeit. - Versuchen Sie Medien aktiv in die Netzwerkarbeit einzubinden. - Dokumentieren Sie die Medienresonanz Ihres Netzwerkes, um Sie bei Gelegenheit als

Nachweis bei Berichten oder Anträgen einbringen zu können. Prof. Dr. Dieter Gnahs ist Senior Researcher am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung in Bonn und lehrt an der Universität Duisburg-Essen im Fachbereich Bildungswissenschaften. Kontakt: gnahs(at)die-bonn.de,www.die-bonn.de

5 Vgl. Gnahs, D. (2004): Reisen durch Landschaften des Lebenslangen Lernens. In: Bundes-ministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.): Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken. Programmdarstellung. Bonn/Berlin 2004, S. 16. 6 Vgl. Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (PT im DLR) (Hrsg.) (2003): Der Aufbau der Lernenden Regionen. Bilanzen Nr. 1. Die Planungsphase der ersten Welle (2001-2002). Bonn.

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Strategieentwicklung

Die Entwicklung einer Strategie für die LERNENDE REGION ist entscheidende Voraussetzung, um zu einer zielgerichteten, kohärenten, strukturierten und in der Region verankerten Entwicklung der LERNENDEN REGION zu kommen. Zentral sind der Einbezug der relevanten Akteure, die Offenheit des Netzwerkes sowie die Transparenz des Prozesses. Folgende wesentlichen Schritte sind zu berücksichtigen:

Erfassung und Einbindung des TeilnehmerInnenkreises (sprich: der beteiligten Institutionen) Bestandsaufnahme der regionalen Ausgangslage (Ist-Zustand) in Bezug auf Bildung / Lernen

sowie der Herausforderungen in diesem Bereich Berücksichtigung bestehender strategischer Konzepte in der Region Definition der Ziele bzw. Schwerpunkte Festlegung der Mittel und Wege zur Zielerreichung (Projektvorhaben) sowie der Arbeitsweise Festlegung der Erfolgskontrolle

Ein detaillierter Vorschlag zur Strategieentwicklung findet sich im Band zwei dieses Handbuches.

Im Folgenden sollen lediglich einige Instrumente zur Bestandsaufnahme der regionalen Ausgangslage sowie zur gemeinschaftlichen Zieldefinition erwähnt werden: Neben der Sozialstruktur-, SWOT-, STEEP- und Kernkompetenzanalyse finden Sie weitere, etwas umfassendere Instrumente auch im Kapitel „Reflexion zur Weiterentwicklung der Region“ am Ende dieses Bandes.

Sozialstrukturanalyse Die Sozialstrukturanalyse ist ein Weg, sich den regionalen Besonderheiten von der formalen Struktur her anzunähern. Dabei werden die untersuchten Phänomene in ihre Elemente und Teilbereiche zerlegt, um anschließend die Wechselbeziehungen und Wirkungszusammenhänge zwischen den jeweiligen Strukturdaten zu betrachten. Solche Strukturdatenanalysen begegnen uns täglich, beispielsweise wenn Bildungs- und Beschäftigungsstrukturen miteinander verglichen werden. Strukturdaten …

- ... sind mit dem interessanten Themenfeld auf eine quasi-objektive Weise verbunden, - ... sind unabhängig vom eigenen Forschungsprozess verfügbar, - ... geben einen Einblick in Entwicklungen und Trends, - ... positionieren das Themenfeld in einem räumlichen, zeitlichen, sachlichen oder generell

gesellschaftlichen Zusammenhang (vgl. Lueger 2000). Meist findet man solche Daten in Statistiken, in der Netzwerkanalyse beispielsweise müssen sie erst erhoben werden. Thomas Klein unterscheidet in seiner Einführung in die Sozialstrukturanalyse drei große Themenbereiche für solche Daten:

- Bevölkerung (Bevölkerungsgröße, Altersstruktur, Geburten, Lebenserwartung, Migration sowie Binnen- und Außenwanderung)

- Haushalt und Familie (Haushalts- und Familienstrukturen, Partnerschaftliche Lebensformen, Partnerwahl und Heirat, Scheidung, Auszug von Kindern aus dem Elternhaus)

- Soziale Ungleichheit und Mobilität (Bildungsstruktur, Bildungsexpansion und intergenerationale Bildungsmobilität, Bildungsauswirkungen auf den gesellschaftlichen Wohlstand, Berufsstruktur und Beschäftigung, Berufs- und Beschäftigungsmobilität, Berufliche Stellung und Einkommen, Wohlstand und Armut, Vermögensverteilung, ...) (vgl. Klein 2005)

Für die LERNENDE REGION sind Strukturdatenanalysen aus mehren Gründen wichtig: - um einen objektiven Einblick in die sozio-ökonomische Situation der Region zu erhalten, - um noch nicht bekannte Zusammenhänge in der Region erkennen zu können, - um Strategien für Bedürfnisse der Region und konkrete Projekte ableiten zu können, - zur Erfolgskontrolle während und nach Ablauf der Förderperiode.

Aus diesem Grund ist es bereits in der Phase der Projekteinreichung obligatorisch grundlegende Rahmendaten zu erheben und in die Strategie einfließen zu lassen. Je nach thematischem Schwerpunkt ergibt sich sicherlich das Erfordernis, weitere Daten zu erheben.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Strategieentwicklung

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Gute Beispiele für regionale Sozialstrukturanalysen finden sich für die Steiermark auf der Homepage des Landesprojekts Regionext http://www.regionext.steiermark.at. Die Regionsbeschreibungen können über „Die Regionen“ Auswahl der Region „Download Regionsprofil“ geladen werden.

Eine große Hilfe stellt bei der Datengenerierung auch der Atlas der Österreichischen Raumordnungskonferenz ÖROK dar: http://www.oerok-atlas.at Auf Landesebene finden sich unter folgenden Adressen wertvolle Hilfestellungen:

Regionaldatenbank OÖ: http://www.land-oberoesterreich.gv.at Menü: Themen Zahlen und Fakten Regionaldatenbank

Landesstatistik Salzburg: http://www.salzburg.gv.at/themen/se/statistik.htm Landesstatistik Steiermark: www.statistik.steiermark.at Landesstatistik Vorarlberg: http://www.vorarlberg.at/ Menü: Geschichte & Statistik Landesstatistik Tirol: http://www.tirol.gv.at/themen/zahlen-und-fakten/statistik/ Landesstatistik NÖ: http://www.noel.gv.at/Land-Zukunft/Zahlen-Fakten.html Land Kärnten: http://www.ktn.gv.at/

Menü: Verwaltung Abteilungen Abteilung 1 Landesstelle für Statistik

Land Burgenland: http://www.burgenland.at/

Abbildung 8: Beispiel aus dem ÖROK- Atlas: Bevölkerungsentwicklung in Österreich 1971-2001 in Prozent nach Gemeinde (Quelle: http://www.oerok-atlas.at)

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Zum Thema Arbeitsmarkt und Beschäftigung soll ein solcher Datengewinnungsprozess exemplarisch gezeigt werden.

Arbeitsmarktbezogene Ausgangssituation - Sozialstrukturanalyse

Zu Beginn stellt sich die Frage, welche Daten das Themengebiet abdecken können und wo sich diese Daten recherchieren lassen. Im Bereich des Arbeitsmarktes eignen sich beispielsweise folgende Daten, die regelmäßig erhoben und veröffentlicht werden:

- Berufsstruktur Stellung im Beruf (Anteil von Selbstständigen, Beamten, Angestellten und Arbeitern) Branchenstruktur Altersstruktur der Erwerbstätigen/ Arbeitslosen Frauenerwerbstätigkeit

- Beschäftigung Beschäftigungsdichte Einkommen

- Arbeitslosenquote (Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen) auch im Vergleich mit anderen Regionen, dem Bundesland und Österreich).

Anteil an Langzeitarbeitslosen Jugendarbeitslosigkeit Entwicklung

- Teilnahme an beruflichen Weiterbildungsaktivitäten, Kurse, Anbieter, Kursteilnahme, ,innerbetriebliche Schulung

Das Arbeitsmarktservice (AMS) erhebt regelmäßig Arbeitsmarktstatistiken und veröffentlicht diese in gedruckter Form sowie auf der Homepage. Zu finden sind die Zahl der Arbeitslosen, der Beschäftigten und offenen Stellen nach Regionen gesamt sowie unterteilt nach Geschlecht, Alter und Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus findet sich die Zahl der Arbeitslosen, Lehrstellensuchenden und offenen Stellen nach Gemeinde. In einem eigenen Bereich lassen sich die Daten nach Berufen, Wirtschaftszweigen, Alter und anderen Merkmalen unterteilen. Langfristige Entwicklungen werden über Zeitreihen angezeigt. Auch die vorgemerkten Schulungs- und Fördermaßnahmen können mit dieser Online-Datenbank bis auf Bezirksebene dargestellt werden.

Mit diesen Informationen lässt sich für das LERNENDE REGIONEN - Netzwerk ein erster Überblick über die realen Verhältnisse erstellen.

Daten zur Beschäftigung finden sich ebenso im Jahrbuch der Statistik Austria, wobei hier die Zahlen nicht detailliert nach Regionen dargestellt werden. Entsprechende Statistiken werden auch regelmäßig vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz sowie vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger veröffentlicht. Entsprechende Daten finden sich damit unter anderem bei folgenden Stellen:

Arbeitsmarktservice http://www.ams.at Arbeitsmarktdatenbank (kostenpflichtig) https://arbeitsmarktdatenbank.at Hauptverband der Sozialversicherungsträger http://www.sozialversicherung.at Statistik Austria http://www.statistik.at

Internationale Vergleichsdaten bieten folgende Organisationen an: Eurostat der Europäischen Union http://ec.europa.eu/eurostat OECD http://www.oecd.org International Labour Organization http://www.ilo.org

Mit den erhobenen Zahlen lässt sich bereits ein umfassendes Bild der Region im Bereich des Arbeitsmarkts zeichnen:

- Ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich mit anderen Regionen besonders hoch? - In welchen Branchen werden ArbeitnehmerInnen gesucht, in welchen Branchen gibt es ein

Überangebot an Arbeitssuchenden? - In welchen Branchen/Gemeinden zeigt sich ein Trend in Richtung höhere bzw. niedrigere

Arbeitslosigkeit? Idealerweise bietet es sich an, die Daten von kompetenten NetzwerkpartnerInnen, in diesem Fall des AMS, erarbeiten zu lassen bzw. Informationen über ExpertInnengespräche zu gewinnen. Darüber hinaus werden jährlich vom österreichischen AMS-Forschungsnetzwerk Prognosen eines zukünftig

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Strategieentwicklung

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erforderlichen Arbeitskräfte- und Qualifikationsstrukturbedarfs veröffentlicht (www.ams-forschungsnetzwerk.at).

Literatur:

Klein, Thomas (2005): Sozialstrukturanalyse. Eine Einführung. Reinbek : Rowohlts Enzyklopädie.

Lueger, Manfred (2000): Grundlagen qualitativer Feldforschung. Wien: WUV.

Reiterer, Albert (2003): Gesellschaft in Österreich. Struktur und Sozialer Wandel in einer sich globalisierenden Welt. 3. vollständig neugestaltete und aktualisierte Auflage von „Gesellschaft in Österreich“ (1. Aufl.) bzw. „Moderne Gesellschaft“ (2. Aufl.). Wien: WUV – Wiener Universitäts-verlag.

Abbildung 9: Beispiel aus dem ÖROK- Atlas: Veränderung der Zahl der Erwerbspersonen 2001-2031 in Prozent nach Bezirk (Quelle: http://www.oerok-atlas.at)

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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SWOT – Analyse

(von Leo Baumeld, ÖAR-Regionalberatung)

Mit der SWOT-Analyse für Regionen wird in der Regel der erste analytische Blick in die Region getan. Sie ist eine Zusammenfassung der Stärken und Schwächen der Region und Gefahren und Chancen, die die Region als Herausforderung sieht.

Die SWOT-Analyse (engl. Akronym für Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats) ist ein Werkzeug des strategischen Managements, wird aber auch für Evaluationen und Qualitätsentwicklung von Programmen (z.B. im Bildungsbereich) eingesetzt.

In dieser einfachen und flexiblen Methode werden sowohl innere Stärken und Schwächen (Strength-Weakness), als auch externe Chancen und Gefahren (Opportunities-Threats) betrachtet, welche die Handlungsfelder der Region betreffen. Aus der Kombination der Stärken/Schwächen- Analyse und der Chancen/Gefahren-Analyse kann eine ganzheitliche Strategie für die weitere Ausrichtung der Region und des Regionalmanagements abgeleitet werden. Die Stärken und Schwächen sind dabei relative Größen. Wenn die Stärken und Schwächen ohne einen Ziel-Bezug oder einer Region mit der man sich vergleicht, ermittelt werden, muss bedacht werden, dass wahrscheinlich implizite Bezugspunkte herangezogen werden nach denen man verschiedene Aspekte als Stärken oder Schwächen qualifiziert. Je nach Bewusstheit und „Ehrgeiz“ der Personen, die diese SWOT – Analyse durchführen, wird auch die Qualität der Analyse ausfallen. Deshalb ist sie doppelt relativ. Aber sie ist eine Möglichkeit, dass die AkteurInnen sich darüber verständigen, was sie als Stärke/Schwäche und Gefahren/Chancen sehen und damit wird der Bezugsrahmen an dem die Region gemessen wird kommuniziert und explizit gemacht. Daher lässt sich sagen, dass die Funktion von strategischen Fragestellungen darin liegt, sich von der Beliebigkeit von Entwicklungsrichtungen zu verabschieden und Fokussierungen zu treffen.

Die Dimensionen des SWOT-Analysemodells werden in einer SWOT-Matrix dargestellt, die wie

folgt aufgebaut ist:

Interne Analyse SWOT- Analyse Stärken (Strengths) Schwächen (Weaknesses)

Chancen (Opportunities)

S-O-Strategien: Verfolgen von neuen Möglichkeiten, die gut zu den Stärken der Region passen.

W-O-Strategien: Schwächen eliminieren, um neue Möglichkeiten zu nutzen.

E x t e r n e

A n a l y s e

Gefahren (Threats)

S-T-Strategien: Stärken nutzen, um Bedrohungen abzuwenden.

W-T-Strategien: Verteidigungen entwickeln, um vorhandene Schwächen nicht zum Ziel von Bedrohungen werden zu lassen.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Strategieentwicklung

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Interne Analyse Die Stärken/Schwächen beziehen sich auf die Region selber, sie ergeben sich also aus der Innensicht der Region. Man spricht deshalb auch von der Inweltanalyse. Stärken/Schwächen in der Region können unterschieden werden in drei Gruppen

S/W, die von der Region nicht beeinflusst werden (können).

S/W, die in ihrer Substanz wesentlich von außerhalb der Region beeinflusst werden (können)

S/W, die von der Region beeinflusst werden (können).

z.B. Naturraum, klimatische Bedingungen und dergleichen.

z.B. Infrastruktur, Ausstattung mit Wissensinstitutionen, Arbeitsmarktlage und dergleichen.

z.B. Flächenpolitik, Nahversorgung, unmittelbare Lebensqualität, Kooperatives Klima, Formen der regionalen Reflexion, kulturelle Aktivitäten und dergleichen.

Für die Analyse sind alle drei Unterscheidungen wichtig, weil sie Hinweise geben, was man selbst durch strategische Aktivitäten ändern kann und was man nicht ändern kann, ja vielmehr als Ausgangspunkt nutzen soll, um realistische Ziele setzen zu können.

Externe Analyse

Die Chancen/Gefahren kommen von außen, und ergeben sich aus Veränderungen im Umfeld der Region. Diese Umfeldveränderungen können sich aus technologischen, sozialen, ökologischen oder auch politischen Veränderungen ergeben. Die Umweltveränderungen sind für die Region weitgehend vorgegeben. Die Region bzw. ihre „regionalen BeobachterInnen“ beobachten oder antizipieren diese Veränderungen und reagieren darauf mit Strategieanpassung. Gefahren können auch als Risiken bezeichnet werden.

Wie kann man bei der SWOT – Analyse vorgehen?

Eine Vision skizzieren Zunächst sollen sich die beteiligten AkteurInnen ein Zukunftsbild skizzieren. Das muss noch nicht als das „endgültige Bild“ verstanden werden, aber eine Idee, wohin sich die Region entwickeln soll, sollte es geben, bevor eine SWOT-Analyse gemacht wird. „Wenn wir an 2013 denken, welchen Ziel-Zustand wollen wir dann für unsere Region erreicht haben?“ Das kann natürlich unterschiedliche Bereiche betreffen. Nicht vergessen: Den Zielzustand für die Qualität der inneren Zusammenarbeit und das Arbeitsklima abzufragen.

Interne Analyse Suchen nach Stärken und Schwächen. Einsatz von Moderationstechniken und Bildung von Gruppen-konsens. Gruppieren, Strukturieren und Gewichten derselben, ggf. Einsatz von Kreativitätstechniken. Die Stärken und Schwächen werden in den Matrixfeldern mit den entsprechenden Titeln aufgelistet.

Stärken Schwächen

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Externe Analyse: Suchen nach den strategisch relevanten Chancen und Gefahren.

Chancen Gefahren

Kombinieren Nun kann bereits eine erste Ableitung getroffen werden in dem die vier Elemente kombiniert werden. Dabei wird versucht, den Nutzen aus Stärken und Chancen zu maximieren, und die Verluste aus Schwächen und Gefahren zu minimieren. Dazu wird gezielt nach folgenden Kombinationen gesucht und gefragt:

SO Stärke/Chancen-Kombination Welche Stärken passen zu welchen Chancen? Wie können Stärken eingesetzt werden, so dass sich die Chancenrealisierung erhöht?

ST Stärke/Gefahren-Kombination Welchen Gefahren können wir mit welchen Stärken begegnen? Wie können welche Stärken eingesetzt werden, um den Eintritt bestimmter Gefahren abzuwenden?

WO Schwäche/Chancen-Kombination Wo können aus Schwächen Chancen entstehen? Wie können Schwächen zu Stärken entwickelt werden?

WT Schwäche/Gefahren-Kombination Wo befinden sich unsere Schwächen und wie können wir uns vor Schaden schützen?

Die Ergebnisse können dann in die folgende Matrix eingetragen werden.

Interne Analyse SWOT- Analyse

Stärken (Strengths) Schwächen (Weaknesses)

Chancen

(Opportunities)

E x t e r n e

A n a l y s e

Gefahren

(Threats)

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Fehler, die bei der SWOT – Analyse häufig gemacht werden:

1) Durchführung einer SWOT Analyse, ohne davor ein Ziel (einen Soll-Zustand) zu vereinbaren. SWOT Analysen sollten immer bezogen auf ein Ziel erstellt werden und nicht abstrakt gehalten werden. Wird der gewünschte Soll-Zustand nicht vereinbart, werden die TeilnehmerInnen unterschiedliche Soll-Zustände erreichen wollen, was zu schlechteren Resultaten führt.

2) Externe Chancen werden oft mit internen Stärken verwechselt. Sie sollten streng auseinander gehalten werden.

3) SWOT-Analysen werden oft mit möglichen Strategien verwechselt. SWOT-Analysen beschrei-ben Zustände, während Strategien Wege (Aktionen) beschreiben. Um diesen Fehler zu ver-meiden, sollte man möglichst bei Chancen an „günstige Bedingungen“ denken und bei Risiken an „ungünstige Bedingungen“.

4) Bei der SWOT-Analyse wird keine Priorisierung vorgenommen. Es lassen sich keine kon-kreten Maßnahmen ableiten, daher muss sich hier immer ein weiterer Prozess anschließen.

Zur Innenanalyse können auch die Dimensionen der Q-Regio als Faktoren herangezogen werden, nach denen die innere Situation der Region und des Regionalmanagements bewertet werden kann. Siehe dazu die folgende Seite. Leo Baumfeld ist Regionalberater und Gesellschafter der ÖAR Regionalberatung in Wien. -Mail:

baumfeld(at)oear.at, http://www.oear.at

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Q-Regio Perspektivenlandkarte

Ergebnisse & Wirkungen

Qualität in den Aktionsfeldern Aktionsfelder Zufriedenheit der KundInnen, PartnerInnen, GeldgeberInnen und Förderstellen

Umsetzungsprozesse Programm- und Projektprozesse Beteiligung Anpassungen PM-Standards Gender U.a.m.

Steuerungsprozesse Strategie Monitoring &

Evaluierung Info- Lern- & Wissen Regional Governance

Verbindungsprozesse Koordinieren Kooperieren Netzwerken

Marketing- und Imageprozesse Umfeldorientierung Zielorientierung Wirkungsorientierung

Beratungs- und Serviceprozesse Bedarfe Zugang

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Ressourcen

Finanzen Wirtschaftlichkeit Finanzielle Zukunftsfähigkeit Partner Pflege der Partner Commitment Strategischer Mix Expertise-Mix Personal Fähigkeiten Auswahl Personalentwicklung Aufgaben Gender Team

Lernen & Entwicklung Regionale AkteurInnen (Personen, Institutionen,…) MitarbeiterInnen (Hauptamtliche, ProjektmanagerInnen, WerkvertragsnehmerInnen) Information und Wissen Organisation

Erm

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STEEP - Analyse Lernen der Region heißt neben dem Erkennen der regionalen Stärken und Schwächen auch die Beobachtung und Analyse der Außenwelt. So wie die Sicht nach innen verzerrt sein kann (Stichwort „Betriebsblindheit“), ist auch die individuelle Wahrnehmung der „Umwelt“ (im Sinne der Welt außerhalb der Region) nie unverfälscht. Daher ist es sinnvoll, die Außenwelt der Region systematisch zu analysieren, um die Rahmenbedingungen für regionales Handeln besser einschätzen zu können. Die STEEP Analyse7 bietet dazu ein Analyseinstrument für soziologische, technologische, ökonomische, ökologische und politische Faktoren.

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

Wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für regionale Strategien und Maßnahmen umfassend abzustecken.

Abgrenzung zu anderen Instrumenten

Im Gegensatz zur SWOT Analyse, deren Fokus speziell nach innen auf die Region gerichtet ist, bildet bei der STEEP Analyse der Blick nach außen den Schwerpunkt. In Verbindung beider Instrumente nimmt der Bereich „Chancen und Gefahren“ der SWOT Analyse Bezug auf die Ergebnisse der STEEP Analyse.

Wie wende ich dieses Instrument an?

Da bis dato keine theoretische Aufarbeitung für die Anwendung in der Regionalentwicklung bekannt ist, empfiehlt es sich, zu den einzelnen Bereichen (Politik, Technik, etc.) jeweils Arbeitsgruppen einzu-richten, die aus regionalen AkteurInnen aber auch aus externen ExpertInnen bestehen. Diese sollten sich dann den relevanten Themen ihres Bereiches widmen und gemeinsam die Außenwelt der Region abbilden. Im Zuge der Arbeit ist zu klären, welche Unterkategorien, sprich welche Themen in den fünf Bereichen relevant sind. Die Auswahl wird sich nach der zugrunde liegenden Problemstellung richten, für die die STEEP Analyse durchgeführt wird.

7 STEEP, engl. für Sociological, Technological, Economical, Environmental and Political Change. Der Ansatz kommt eigentlich aus der strategischen Unternehmensplanung. Vormals eigentlich STEP oder auch PEST Analyse. Der Umweltaspekt, also das zweite E (Environment) wurde erst später hinzugefügt.

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Kernkompetenzanalyse

(von Leo Baumfeld, ÖAR Regionalberatung)

Das Instrument dient dem Herausfinden von Kernkompetenzen, durch deren Nutzung bzw. Entwick-lung die Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Systems (Unternehmen, Organisation) gesichert werden kann. Sie ist ein Schritt zur Strategieentwicklung, weil sie die Entscheidung zur Strategie-Fokussierung erleichtern hilft.

Woher kommt die Kernkompetenzanalyse und wo wird sie angewendet?

In den 70er und 80er Jahren mussten europäische und US-amerikanische Unternehmen zur Kenntnis nehmen, dass japanische Unternehmen in Märkte vorstießen, wo bislang die Europäer und Ameri-kaner führend waren. Warum war es nicht gelungen, neue Geschäftsbereiche aufzubauen? Warum gelang es nicht, trotz großer Ressourcenpotenziale in neu aufkommenden Branchen eine führende Rolle zu spielen? Eine Antwort auf diese Fragen bestand in der Feststellung, dass nicht alleine Produkte und Dienstleistungen die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen bieten, sondern dass der Kern einer erfolgreichen Strategie in unsichtbaren Werten bestehen kann, z.B. technologisches Know-how, Nutzung der Kundenloyalität und dergleichen.

Pralahad und Hamel haben diese Idee aufgegriffen und in ihrem Konzept der Kernkompetenzen dargelegt, dass Grundfähigkeiten, die sich über mehrere Geschäftseinheiten erstrecken können, den Unterbau für die Wettbewerbsfähigkeit bilden.

Kernkompetenzen bestehen aus einer Mischung von Ressourcen, Fähigkeiten und Prozessen. Sie erleichtern die Ermittlung der Kerngeschäfte und der Geschäftseinheiten bzw. -felder (siehe die

nebenstehende Baumgrafik von Kohlöffel, 2000) Es wird zwischen zwei Formen von Kernkompetenzen unterschieden:

- Insight competences beruhen auf bestimmten Erkenntnissen oder auf der Fähigkeit, zukünftige Bedürfnisse frühzeitig zu erkennen und entsprechende Leistungen auf den Markt zu bringen.

- Frontline competences bestehen aus der Fähigkeit, Produkte oder Dienstleistungen zu erzeugen, die abhängig von den Leistungen des Personals in allen Bereichen von konstant hoher und gleichbleibender Qualität sind.

Hier wird deutlich, dass Kernkompetenzen nicht „von außen“ ermittelt werden können, sondern durch einen inneren Kommunikationsprozess der AkteurInnen ins Bewusstsein gehoben werden müssen.

Kernkompetenzen ergeben sich nicht aus der bloßen Aufzählung von Stärken, Schwächen, Gefahren und Chancen (SWOT-Analyse) oder Erfolgen bzw. Misserfolgen. Sie sind das Ergebnis eines kollektiven Lernprozesses und bestehen aus folgenden Elementen:

- Management von komplexen, iterativen Prozessen,

- Bündelung von Technologien, - Integration verschiedener Lernprozesse im

Unternehmen/ in der Organisation.

Abbildung 10: Kernkompetenzen

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Strategieentwicklung

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Die Methode und Funktionsweise zur Kompetenzentwicklung

Anhand folgender Fragen lässt sich beurteilen, ob eine Kompetenz als „Kernkompetenz“ bewertet werden kann:

- Stellt die Kompetenz eine bedeutende Quelle für Differenzierung dar und ist man damit den Wettbewerbern eindeutig überlegen?

- Ist es für die Wettbewerber schwierig, die Kompetenz zu imitieren? Wie lange würde es dauern, bis die Kompetenz imitiert werden kann? Wie schwierig ist es für andere die Grundlagen der Kompetenz zu verstehen?

- Erzeugt die Kompetenz einen Wert oder Nutzen, der verkauft werden kann? Wie gut wird sie honoriert gegenüber anderen Kompetenzen?

- Lässt sich die Kompetenz in verschiedenen Leistungsbereichen oder Stärkefeldern nutzen? Nagel R. und Wimmer R. schlagen eine 5-Schrittemethode vor an Hand derer die Kernkompetenzen einfach ermittelt werden können. Das Ergebnis dieser Analyse kann anschließend in einem Kern-kompetenz-Portfolio zusammengefasst werden.

neu

Herausragende Position Welche neuen Kernkompe-tenzen sind erforderlich, um bestehende Marktpositionen zu schützen oder auszu-bauen?

Mega-Chancen Welche neuen Kernkompe-tenzen müssen aufgebaut werden, um in Zukunfts-märkten tätig zu werden?

Ker

nkom

pete

nz

best

ehen

d

Lücken füllen Wie können vorhandene Kernkompetenzen besser genutzt werden, um beste-hende Marktpositionen zu verbessern

Weiße Flecken Wie können, durch innova-tive Nutzung vorhandener Kernkompetenzen, neue Produkte oder Dienstleistun-gen entstehen?

bestehend neu Markt

Die Ermittlung der Kernkompetenzen nach Wimmer/Nagel

Kernkompetenzen bestehen aus einer Mischung von Ressourcen, Fähigkeiten und Prozessen, die gebündelte Antworten auf folgende Fragen geben:

- Ist die Region in einem Bereich besser als die bevorzugten Vergleichsregionen? - Ist es für andere Regionen schwierig, die Kompetenz zu imitieren/ kopieren? - Erzeugt die Kompetenz einen Mehrwert? - Lässt sich die Kompetenz sowohl in bestehenden, als auch in künftigen Entwicklungsbereichen

bzw. Handlungsfeldern nutzen? So gesehen sind Kernkompetenzen auch Fähigkeitsbündel, die neue Entwicklungen eröffnen. Wenn die oben erwähnten Merkmale zutreffen, dann handelt es sich um eine Kernkompetenz.

Erfolge der Vergangenheit („gestern“) - Was waren die erfolgreichsten Entwicklungsbereiche und Projekte der letzten Jahre? - Welche Faktoren waren aus unserer Sicht für diesen Erfolg letztlich ausschlaggebend? - Gab es maßgebliche Erneuerungen in den vergangenen Jahren? Was hat diese zustande

kommen lassen? - In welchen Bereichen haben wir in jüngster Zeit besonders gute Lösungen gefunden? Warum?

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Grundleistung Strategieentwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Die Unterscheidbarkeit zu anderen vergleichbaren Regionen („außen“) - Wie würden Beobachter von außen (TouristInnen, Landesstellen, AkteurInnen anderer

Regionen, Investoren, usw.) unsere Region beschreiben? - Warum entscheiden sich TouristInnen und Investoren für unsere Region und nicht für eine

andere? - Welcher regionale Wert, den wir bieten, ist BesucherInnen/ TouristInnen oder InvestorInnen am

wichtigsten? - Versucht man uns zu kopieren, weil wir Vorreiter sind? Aus welchen Gründen haben wir

eventuell Preise für unsere Vorreiterrolle erhalten? - In welchen Bereichen, wo wir gut sein wollen, sind andere Regionen, mit denen wir uns ver-

gleichen gleich gut oder besser? Was machen oder können die besser?

Analyse einzelner Prozesse („innen“) - Wie zufrieden können wir mit unseren internen Prozessen der regionalen Entscheidungs-

findung, des Networkings und der Projektumsetzung sein? - Wie gut gelingt uns die Beobachtung von für unsere Region relevante Trends und

Entwicklungen? - Wie schnell und fundiert können wir diese Beobachtungen verarbeiten und zu Projekten oder

Aktivitäten bringen? - In welchem Ausmaß sind die Planungs- und Umsetzungsprozesse als lernende

Steuerungsprozesse inszeniert, z.B. als Monitoringprozess?

Ausbaufähigkeit unserer Kernkompetenzen („morgen“) - Haben die bisher angedachten Fähigkeiten und positiven Merkmale das Potential für eine Fülle

neuer Entwicklungen? Welche Fähigkeiten und Fähigkeitsbündel sind das? (Es können auch neue Begriffe für Fähigkeitsbündel gefunden werden)

- Welche Kernkompetenzen werden daher in unserer Region voraussichtlich in den nächsten Jahren eine Voraussetzung für den Erfolg bilden?

Vorgehen

Siehe das Arbeitsblatt auf der folgenden Seite. Dieses ist die Zusammenfassung der 4 Schritte. JedeR füllt für sich das Arbeitsblatt aus, dann wird in der Gruppe ausgetauscht und ergänzt bzw. präzisiert. Anschließend einigt man sich in der Gruppe auf die Kernkompetenzen.

Hinweis: Wer mehr als 4 Kernkompetenzen ermittelt, hat die Latte nicht ehrgeizig und wahrscheinlich nicht ehrlich genug gelegt.

Literatur

Pralahad, C./ Hamel, G. (1991): Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben, Harvard Manager 2/1991.

Nagel R. und Wimmer R., osb international (2002) Systemische Strategieentwicklung, Klett-Cotta

Abplanalp, P. A./Lombriser R.,( 2000): Unternehmensstrategie als kreativer Prozess.

http://www.4managers.de/ dann suchen unter Themenindex „K“

Leo Baumfeld ist Regionalberater und Gesellschafter der ÖAR Regionalberatung in Wien.

E-Mail: baumfeld(at)oear.at, http://www.oear.at

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Strategieentwicklung

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Arbeitsblatt Kernkompetenzen

Erfolge aus der Vergangenheit

Unterschiede zu anderen Regionen

Interne Prozesskompetenz

Unsere Kernkompetenzen sind:

(Zusammenfassung, die ersten drei Schritte als Quelle nutzend)

1

2

3

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Grundleistung Bildungsbedarfserhebung Handbuch Lernende Regionen

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Bildungsbedarfserhebung

Bildungsbedarfserhebungen sind Methoden, um das bestehende Bildungsangebot optimieren und neue Angebote entwickeln zu können. Im regionalen Kontext erfüllen sie meist auch eine aktivierende Aufgabe, indem sie bei den Befragten Denkanstöße liefern, sich Gedanken über die eigene Bildungsbiographie zu machen. BildungsanbieterInnen profitieren von mehreren Aspekten. Zum einen erhalten Sie eine Orientierungshilfe für die künftige Bildungsarbeit. Sie können während der Erhebung Kooperationen mit anderen PartnerInnen eingehen und erste Netze knüpfen. Schließlich beinhalten Bildungsbedarfs-erhebungen auch Elemente der Öffentlichkeitsarbeit, indem sie die Bildungseinrichtungen und ihre Angebote bekannter machen. Wenn gewünscht, kann mit der Umfrage auch erhoben werden, ob die Befragten an einer Mitarbeit, als ehrenamtliche oder zukünftige ReferentInnen in den Bildungseinrichtungen interessiert sind. Prinzipiell sind Verfahren möglich, bei denen

a) Stakeholder/ ExpertInnen oder b) EndverbraucherInnen (Gesamtbevölkerung/ Zielgruppen) befragt werden.

Methodisch bieten sich dabei verschiedenste Möglichkeiten, von Workshops und Großgruppenveranstaltungen, ExpertInneninterviews, Interviews bis zu Fragebögen (auch digital) an:

Die Bedarfserhebung kann in Arbeitsgruppen durchgeführt werden, in denen NetzwerkpartnerInnen und Stakeholder gemeinsam Bedarfshypothesen entwickeln. Diese setzen sich aus einem Soll-Ist-Abgleich zusammen:

- Welche Kompetenzen werden zukünftig nötig sein? - Wie sieht der jetzige Leistungs- oder Bildungsstand aus? - Welcher Lern- und Angebotsbedarf ergibt sich aus der Differenz zwischen den beiden Punkten?

Im Rahmen der Bedarfserhebung kann auch auf Untersuchungen anderer Organisationen (Wirtschaftskammer, Arbeitsmarktservice, Tourismusverband) zurückgegriffen werden.

Eine weitere Möglichkeit stellen Planungsrunden potentieller TeilnehmerInnen dar. Dabei werden die Zielgruppen über ein geplantes Überthema informiert und gebeten, ihren konkreten Bedarf bekannt zu geben. Dies kann beispielsweise über die Verbindung mit Großgruppenveranstaltungen wie einer Zukunftswerkstatt erfolgen, bei der die Zielgruppe eingeladen wird, um mit ihr gemeinsam zukünftige Bildungsbedarfe zu definieren. Auf Informationsveranstaltungen können die Anwesenden auch nach ihrer aktuellen Weiterbildungsaktivität und ihrem zukünftigen Bedarf befragt werden.

Mit Sicherheit am umfassenden sind breit angelegte Bedarfserhebungen in allen Haushalten der Region. Diese relativ aufwändige Bedarfserschließung verbindet die Recherche mit werbender Bedarfsweckung.

Im Laufe der Arbeitsphase können die Bedarfe schließlich auch erfahrungsorientiert erhoben werden, indem anhand der Nachfrage, Rückmeldungen und Evaluierung der Startprojekte der konkrete Bedarf festgestellt wird. Welches Verfahren angewendet wird, richtet sich unter anderem nach Umfang und Tiefe der Erhebung und den finanziellen bzw. organisatorischen Möglichkeiten. So sind repräsentative Fragebogenerhebungen beispielsweise relativ teuer. Einzurechnen ist dabei jedoch der aktivierende Effekt, den Bedarfserhebungen in der Bevölkerung bewirken können. Häufig werden die Methoden auch kombiniert. Im gemeinnützigen Bereich kann die Unterstützung durch ehrenamtliche Strukturen hilfreich sein. Eine breite Bedarfserhebung macht vor allem dann Sinn, wenn die Befragung Antworten auf die Frage nach persönlichen Bildungsdefiziten, Entwicklungsperspektiven und Angebotswünschen sucht. Stakeholderbefragungen fragen stärker nach den Entwicklungsperspektiven für die Region.

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Bildungsbedarfe und –bedürfnisse nicht zwangsläufig zu einer Nachfrage führen müssen. Daher lassen Bedarfserhebungen nur unsichere Prognosen hinsichtlich der Bildungsbeteiligung zu. Zu Beginn sollte, auch anhand der Strukturdaten-analyse, überlegt werden, welche Informationen bereits vorliegen und welche Trends sich abzeichnen.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungsbedarfserhebung

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Das Salzburger Bildungswerk führte im März 2001 eine Bildungsbedarfserhebung in der Gemeinde Elsbethen (Flachgau) durch. Dabei nahmen 124 Personen mittels Fragebogen die Gelegenheit wahr, ihre Meinung zu präsentieren. Dabei umfassten die Fragen vier Bereiche:

1) Fakten: Bekanntheitsgrad der Vereine und Erwachsenenbildungseinrichtungen. Informationen über die Lebensorientierung zur Gemeinde bzw. der Stadt Salzburg (Elsbethen ist eine Gemeinde im Einzugsgebiet zur Landeshauptstadt). Wirkung der verschiedenen Werbemittel

2) Einschätzung der Lage: Bewertung der bestehenden Angebote und Infrastrukturen 3) Fragen zur Zukunft der Gemeinde und der Bildungseinrichtungen 4) Angaben zur Person.

Im Anschluss gab es die Möglichkeit für interessierte Personen, sich für weitere Informationen über die Vereine oder eine Mitarbeit in einer Erwachsenenbildungseinrichtung (Gemeindebibliothek, Katholisches Bildungswerk, Salzburger Bildungswerk, Volkshochschule) zu melden. Die Ergebnisse und detaillierte Informationen zur Abwicklung finden sich in der Dokumentation: Salzburger Bildungswerk (2002): Bildungsbedarf erheben. Bi-Dok Bildungsdokumentation, Heft 5. Abrufbar unter http://www.salzburgerbildungswerk.at/datenbank/publikationen/download/bidok5.pdf.

Im Folgenden beschreibt Maga. Grete Dorner den Ablauf und die Vorteile einer umfassenden, gemeindebezogenen Bildungsbedarfserhebung an Hand eines Projektes aus der Steiermark. Im gegenständlichen Fall war die Bedarfserhebung – neben der Datengewinnung und der daraus resultierenden Programmierung von Bildungsangeboten – ein wichtiges Element zur Aktivierung der Bevölkerung für Bildungsziele.

Abbildung 11 Schulung der Hainburger AusträgerInnen einer BürgerInnenbefragung imAuland Carununtum (NÖ). © Regionalentwicklungsverein Auland-Carnuntum

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Grundleistung Bildungsbedarfserhebung Handbuch Lernende Regionen

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Ablauf einer Bildungsbedarfserhebung

(von Mag.a Grete Dorner, Bildungsnetzwerk Steiermark)

Unter den Herausforderungen des Lebensbegleitenden Lernens gewinnen die Regionen als Entwicklungs- und Handlungsebenen zunehmend an Bedeutung. Einen wichtigen Beitrag zum Lebenslangen Lernen leisten Maßnahmen, die im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen wirksam werden. Eine dieser Maßnahmen ist die Bildungsbedarfserhebung. Dabei stehen die Förderung des selbst organisierten Lernens sowie die Erhöhung der Teilnahme an Weiterbildung insgesamt im Mittelpunkt.

Eine Bildungsbedarfserhebung ist ein umfassender Prozess, in dem eine systematische Kommuni-kation und das Schaffen von Beteiligungsmöglichkeiten zentrale Leitlinien darstellen. Erfahrungsgemäß ist die Durchführung einer Bedarfserhebung für alle Beteiligten, auch unabhängig von den Ergebnissen, ein intensiver Lernprozess.

Die Ergebnisse von Bedarfserhebungen dienen als Grundlage zur Entwicklung von Angeboten, die einerseits den Bildungsbedürfnissen der Menschen entsprechen und andererseits vorhandene Res-sourcen und Fähigkeiten integrieren. Darüber hinaus werden kommunale und regionale Erfordernisse berücksichtigt.

Unter Bildungsbedarfserhebung wird die Erforschung von Bildungsbedürfnissen und Bildungs-wünschen verstanden. In einer erweiterten Form – und davon wird in der folgenden Beschreibung ausgegangen – kann damit auch Transparenz über vorhandene Fähigkeiten und Kenntnisse her-gestellt werden.

Was leistet das Instrument?

- Transparenz über Bildungsbedürfnisse und Bildungswünsche auf breiter Basis (Erwachsene), - Transparenz über vorhandene Wissensressourcen, Kenntnisse und Fähigkeiten und die

Bereitschaft, diese auch in die Gemeinschaft einzubringen, - Erhöhung der Selbstorganisation und des Zusammenwirkens im Sinne gemeinsamer Aufgaben

in einer Gemeinde/Kleinregion (gemeinsame Projektumsetzung vor Ort), - Umfassende Lernmöglichkeiten im Rahmen der Kerngruppe, - Allgemeine Sensibilisierung und Motivierung für das Thema Bildung/Lernen, - Möglichkeit der Beteiligung, Aktivierung und Motivierung der breiten Bevölkerung, - Schaffen von Rahmenbedingungen die bisherige Aktivitäten von Personen und Organisationen

im Bildungsbereich unterstützen, weiterentwickeln und längerfristig Kontinuität gewährleisten (Forum für Bildung auf der Gemeindeebene).

Wann soll es eingesetzt werden?

Eine Bildungsbedarfserhebung wird eingesetzt, um… - … eine Initiative zu starten, die Bildung für Erwachsene in den Mittelpunkt stellt, - … unter möglichst breiter Beteiligung der Bevölkerung, Grundlagen für Bildungsaktivitäten und

Bildungsplanung zu erhalten, - … in Gemeinden und Kleinregionen längerfristig Rahmenbedingungen für Lebenslanges Lernen

zu schaffen. Der Einsatz erfolgt primär in Gemeinden und Kleinregionen die folgende Strukturmerkmale aufweisen:

- Gemeinden mit weniger als 3000 EinwohnerInnen/ Kleinregionen unter 5000 EinwohnerInnen, - in größerer Entfernung zu einem städtischem Gebiet, - mit nur punktuellen bzw. unregelmäßigen Bildungsmöglichkeiten, - wenige oder keine örtlichen Anbieter/ Strukturen für Weiterbildung/ Erwachsenenbildung.

Zielgruppen: - Projektgruppe (Aktive Personen aus der Gemeinde, wie MultiplikatorInnen, politische

Funktionäre), - VertreterInnen von Vereinen und Institutionen der Erwachsenenbildung, AktivbürgerInnen, - Erweiterte Projektgruppe in der Intensivphase der Befragung, - Bevölkerung.

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Handbuch Lernende Regionen Grundleistung Bildungsbedarfserhebung

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Entwicklung/Umsetzung

Voraussetzungen in der Gemeinde/Kleinregion - Die Strukturbedingungen (Lage, Größe,…) entsprechen den zuvor erwähnten Merkmalen, - Eventuell aktuelle Anlässe wie Regionale Entwicklungspläne, Förderprogramme, Gemeinde-

initiativen, um nur einige zu nennen, die Grundlagen über Bildungsbedürfnisse erfordern, - Zumindest eine aktive Person in der Gemeinde/ Kleinregion, die den Prozess in Gang setzt, - Bereitschaft zur institutions- und parteiübergreifenden Zusammenarbeit.

Phasen und zeitlicher Ablauf des Projektes

I. Bildungsbedarfserhebung

Informations- und Entscheidungsphase ca. 2-4 Monate Schwerpunkte: Information und Diskussion zu den Leitlinien LLL bzw. LERNENDE REGION, gemeinsame Analyse der Situation zum Thema Bildung im Ort/ Kleinregion, Information und Diskussion über Konzept, Ziele und Meilensteine der Bedarfserhebung, Diskussion über organisatorische und finanzi-elle Rahmenbedingungen……. Ziel: Entscheidung auf Grundlage konkreter Vereinbarungen. Zielgruppe: Bildungsinteressierte, MultiplikatorInnen, politisch Verantwortliche, VertreterInnen örtlicher Bildungseinrichtungen, VertreterInnen relevanter Vereine und Kultureinrichtungen, Privatpersonen mit Interesse an Bildungsthemen……

Vorbereitungsphase – ca. 6 Monate Aufstellen einer Kerngruppe zur Vorbereitung: Diese soll aus bildungsinteressierten AktivbürgerInnen, aus Vertreterinnen von Bildungseinrichtungen/Kulturvereinen/Initiativen, Personen, die bildungs-politische Funktionen bzw. Interessen haben und Personen, die an der Umsetzung eines neuen Projektes in der Gemeinde /Kleinregion mittun wollen, bestehen. Die Einrichtung einer Kerngruppe ist in der Regel ein längerer Prozess. Inhaltliche Vorbereitung: Umfassende Information bezüglich Anforderungen, zeitlichem Aufwand und Klärung der Ziele, eventuell erste öffentliche Kommunikation des Vorhabens.

- Entwicklung des Fragebogens im dialogischen Prozess (zwei bis vier Treffen), - systematische Schritte der Überprüfung des Fragebogens durch Kommunikation und

Einbindung „neuer Personen“ in die Kerngruppe, - Planung der Durchführung mittels eines abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplans.

Durchführungsphase – ca. 3 Monate - Suche von AusträgerInnen, - Training für AusträgerInnen - vorbereitende Kommunikation, - Logistikplan, - Zustellung der Fragebögen in die Haushalte, - organisieren des Rücklaufes.

Auswertung und Präsentation - Auswertung der Fragebögen, - Erste Information der Ergebnisse an die unmittelbar beteiligten Personen (Kerngruppe/

AusträgerInnen), - Planung der Präsentation und öffentlichen Kommunikation der Ergebnisse.

II. nachhaltige Umsetzungsphase - Erweiterte Kerngruppe für die Umsetzung in der Gemeinde/Kleinregion - Vereinbarung der Rahmenbedingungen mit der Gemeinde/Kleinregion - Planung von neuen Angeboten, Durchführung und Reflexion

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Grundleistung Bildungsbedarfserhebung Handbuch Lernende Regionen

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Allgemeine Anmerkungen und Erfahrungen

Dem hier geschilderten „prototypischen“ Verlauf einer Erhebung liegen umfangreiche praktische Er-fahrungen aus den Jahren 1992 bis 2000 zugrunde. In dieser Zeit wurden in 22 Gemeinden der Steiermark Bildungsbedarfserhebungen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Erhebungen dienten als Grundlage zur Planung von selbst organisierten Bildungsangeboten in den Gemeinden. Die ersten Erhebungen wurden 1992 in sechs Gemeinden der Steiermark in Kooperation mit der Universität Hamburg (Prof. Michael Jagenlauf) durchgeführt. Dieser Form der Bildungsbedarfserhebung liegen Konzepte der „aufsuchenden Bildungswerbung“, zugrunde. Die aufsuchende Bildungswerbung wurde in den skandinavischen Ländern als eine wirksame Methode zur Förderung der Teilnahme an Weiter-bildung, besonders in den 80er Jahren, erprobt.

Bildungsbedarfserhebungen sind in erster Linie sinnvoll, wenn es gilt, eine allgemeine Dynamik und „positive Stimmung“ für Lernen zu erzeugen, Beteilungen zu schaffen und wenn die Erhebungen in eine längerfristige Strategie und in ein Umsetzungskonzept eingebunden sind.

Erfolgsgrundlagen - Qualifizierte Prozessbegleitung, - Umfangreiche Kommunikation in der Vorbereitungsphase unter Berücksichtigung des persön-

lichen Ansprechens von Personen, - Qualität der Beteiligung, genügend Zeit, - Klarheit über die Verwertung der Ergebnisse Verankerung in einem längerfristigen Konzept, - Gruppenentwicklung und Angebotsentwicklung.

Support Externe BeraterInnen:

- Eventuell sozialwissenschaftliches Know-how bei Fragebogenerstellung/Kommunikation, - eventuell Support in der EDV bei Auswertung der Fragebögen, - Kommunikation, Moderation,Ausbildung von Personen aus der Kerngruppe, - ReferentInnen für Start und Präsentationsveranstaltungen.

Kosten (grob geschätzt) In erster Linie für externe BeraterInnen, Auswertung der Fragebögen und Veranstaltungen: je nach Gemeindegröße € 10.000-20.000. Maga. Grete Dorner, Geschäftsführung Bildungsnetzwerk Stmk. Kontakt: margareta.dorner(at)eb-stmk.at, http://www.bildungsnetzwerk-stmk.at

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Struktur – Entwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Struktur - Entwicklung

Qualitätssicherung bei Netzwerkpartnern

Die Netzwerkbildung in der Region bietet den beteiligten PartnerInnen die Gelegenheit, die Qualität sowohl ihrer internen Abläufe als auch ihrer Produkte zu erfassen und weiterzuentwickeln. Der Vorteil des Regionsprozesses liegt im Erfahrungsaustausch und der Abstimmung bezüglich der angewend-eten Verfahren. Das Verfahren der Qualitätssicherung kann dabei über normierte Zertifikatssysteme oder non-formal abgewickelt werden. Die Qualitätssicherung in der LERNENDEN REGION kann branchenintern geschehen – etwa wenn sich die Bildungsinstitutionen in der Region über gemein-same Standards verständigen. Die Evaluierung des deutschen Programms LERNENDE REGIONEN zeigt, dass gerade im branchenübergreifenden Austausch der größere Nutzen gesehen wird, weil dabei ein – sonst unüblicher – Blick über den Tellerrand möglich wird.

Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in regionalen Netzwerken

(von Dr. Anneliese Heilinger, Weiterbildungsakademie Erwachsenenbildung)

Standortqualität Bildung

In einer Region, die sich als Lernende versteht, ist Weiterbildung ein Kernelement von Regionalentwicklung und Standortsicherung – auch im wirtschaftlichen Sinn oder in politischer Absicht. Der neuen „Selbstverwaltung“ sind wenig Grenzen gesetzt. Den Erwachsenenbildungs-einrichtungen kommt eine tragende Rolle zu. Das bürdet ihnen eine besondere Verantwortung auf. Die Sorge um Qualität und beste Angebote muss ihnen Verpflichtung sein.

Entwicklungsfaktor Qualität

Immer schon geht es der Erwachsenenbildung um Qualität..All diese Anstrengungen sind aber nicht vergleichbar mit jenen systematischen Qualitätssicherungsmaßnahmen, um die es seit Anfang der 90er Jahre geht.

Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherungsmodelle

Im Zuge der allgemeinen Ökonomisierung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde mehr und mehr bewusst und bildungspolitisch forciert, dass Bildungseinrichtungen auch Betriebe sind, die wirtschaftlich zu führen sind. Effizienz, Kostenbewusstheit, unternehmerisches Denken und Handeln wurden gefordert. Seit den 90er Jahren haben wirtschaftlich orientiertes Qualitätsmanagement und unterschiedliche Qualitätssicherungssysteme Eingang auch in die Erwachsenenbildung gefunden.

In Österreich kommen mehrere Modelle zur Anwendung. Die Erwachsenenbildungsinstitutionen entscheiden sehr sorgsam, welches Modell für ihre Bedürfnisse am besten passt. Viel Arbeitsaufwand und Geld ist mit der Einführung eines Qualitätssicherungssystems verbunden. Aber „einmal ausgewiesene Qualität ist niemals automatisch auch in Zukunft gesicherte Qualität“. Der Prozess geht weiter und alle paar Jahre unterziehen sich die Einrichtungen einer neuerlichen Überprüfung.

- Am bekanntesten ist wohl das Qualitätsmanagementsystem nach der internationalen Normen-reihe ISO (International Organization for Standardization). Vor allem die beruflich orientierten Erwachsenenbildungseinrichtungen in Österreich sind nach ISO zertifiziert.

- EFQM (European Foundation of Quality Management) kam ebenso aus der Wirtschaft und wurde für Bildungseinrichtungen adaptiert. Langjährige Erfahrungen gibt es damit in der Erwachsenenbildungslandschaft Südtirols oder in den Erwachsenenbildungseinrichtungen Vorarlbergs.

- Sehr nahe an die Eigenheiten von Bildungseinrichtungen kam das Schweizer Modell eduQua, das gleichsam als erstes eine Übersetzung der Wirtschaftssprache in die Bildungssprache

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Handbuch Lernende Regionen Struktur – Entwicklung

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zustande brachte und ein in der Schweiz heute weit verbreitetes Qualitätssicherungsmodell darstellt. Öffentliche Fördergelder sind daran geknüpft.

- Gütesiegel und Prüfverfahren wurden von Erwachsenenbildungseinrichtungen in Regionen (z.B. Salzburg und Oberösterreich) gemeinsam entwickelt.

- LQW (Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiterbildung), ein Qualitätssicherungs-system, ganz auf Weiterbildungseinrichtungen abgestimmt, findet in Deutschland und in Öster-reich mehr und mehr Verbreitung – nicht zuletzt, weil es durch Netzwerke unterstützt und ver-breitet wird.

Qualitätssicherungssysteme sind Managementsysteme. „Wer sind wir, was ist unsere Aufgabe, wohin wollen wir? Was sind unsere quantitativen und qualitativen Ziele? Für welche Qualität stehen wir? Wie erreichen wir die Ziele und woran erkennen wir das?“. Leitfragen, die systematisch Behandlung finden und sich auf die gesamte Bildungseinrichtung auswirken. Qualitätssicherungssysteme sind Aufgabe der Leitung wie aller Mitarbeitenden, beziehen sich auf Arbeitsabläufe ebenso wie auf Führung, Quali-fikation der MitarbeiterInnen, die Infrastruktur, die pädagogische Qualität und anderes. Sie zielen auf Sicherstellung von Qualität in allen Teilbereichen. Sie sind ein systematischer Raster von Zielen und Maßnahmen, entwickelt und realisiert unter der Partizipation betroffener Personengruppen. Eine Über-prüfung von außen ist bei den meisten Systemen vorgesehen. Allen gemeinsam ist, dass das Zertifi-kat nur begrenzte Gültigkeit hat und erneuert werden muss (mit weiterführenden Aufgaben und Maß-nahmen verbunden und wieder kostenpflichtig). Qualitätssicherung wird damit zur immanenten und immerwährenden Aufgabe. Generell sind die Verfahren zeit-, ressourcen- und kostenintensiv.

Die wirkliche Chance eines Qualitätssicherungssystems liegt jedoch nicht in dessen Pflichterfüllung, sondern in den Lernprozessen, die die intensive Beschäftigung mit den Ansprüchen und deren Realisierung ausgelöst haben.

Ein Instrument LERNENDEN REGIONEN ist die Qualitätssicherung im Verbund. Diese Idee ist nicht neu. Horizontale Netzwerke dienen Bildungseinrichtungen dazu, sich gemeinsam Lernprozessen aus-zusetzen und dabei das „Netz“ als Sicherheit, als Stütze, als Motor und Vehikel zur Zielerreichung zu nützen. An dieser Stelle seien zwei Spielvarianten angeführt und beispielhaft charakterisiert: 1. Verbünde zur regionalen Erarbeitung von Qualitätsmaßstäben (z. B. in Hamburg, Salzburg oder Oberösterreich) und 2. Netzwerk Qualitätssicherung (ein Modell des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen).

Regionale Entwicklungsarbeit im Verbund

Zu Beginn der Qualitätssicherungsdebatte wollten sich manche Bildungseinrichtungen dem Diktat der Wirtschaftsinstrumente, die noch dazu in unverständlicher Sprache als Anforderung auf die Erwach-senenbildung zukam, nicht widerspruchslos beugen. An Qualitätsentwicklung und -sicherung jedoch interessiert und vielfach in Vorreiterrolle, machten sie sich daran, regional und branchenintern gemein-sam ihre Standards zu entwickeln und Qualitätsanforderungen aufzustellen, zu denen sich alle Mit-wirkenden verpflichten wollten. Sie legten Mindestanforderungen fest, Bewertungssysteme und Ver-fahren zur Überprüfung. Die brancheninternen Standards und die realen Gegebenheiten, Ist- und Soll-kriterien waren ihnen Leitlinie ebenso wie Übertragenswertes und Brauchbares aus den neuen Qualitätssicherungsmodellen mit Wirtschaftsursprung. Die Gütesiegelgemeinschaft Hamburg mit mehreren hundert mitwirkenden Bildungseinrichtungen ist dafür ein gutes Beispiel.

In Österreich haben Erwachsenenbildungseinrichtungen im Bundesland Salzburg, ebenso in Ober-österreich in den 90er Jahren im Verbund selbstverpflichtende Standards erarbeitet und durch ent-sprechende Maßnahmen eingeführt. In Oberösterreich ist heute das daraus entstandene Oberöster-reichische Gütesiegel und dessen Prüfverfahren bei finanzgebenden Stellen akzeptiert und mittler-weile Voraussetzung für regionale Fördergelder.

Was hier als Beispiel für gemeinsame Entwicklungsarbeit im regionalen Verbund dient, ist zum jetzigen Zeitpunkt „best history“. Sie zu wiederholen wäre ein Rückschritt. Beim heutigen Ent-wicklungsstand von gängigen Qualitätssicherungsmodellen mit ihrer Spezialisierung auf die Bildungs-branche machen neue regionale Varianten keinen Sinn. Diese Qualitätsmaßstäbe haben sich längst überregionalisiert, ja internationalisiert. Internationale reflexive Netzwerke wären angebracht. Regionalen oder lokalen Netzwerken kommen heute bei der Qualitätsfrage vor allem Unterstützungsleistungen und Ressourcen-Sharing zu.

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Struktur – Entwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Netzwerk Qualitätssicherung

Als von allen Beteiligten als positiv erlebtes Beispiel von Netzwerkarbeit in Sachen Qualitätssicherung sei das Projekt des Verbandes Österreichischer Volkshochschulen „Netzwerk Qualitätssicherung“ in aller Kürze dargestellt.

In einem rund dreieinhalbjährigen esf-Projekt (2003 – 2007) schuf der Verband Österreichischer Volkshochschulen durch Projektantrag, Projektleitung und Management ein Netzwerkmodell, das dar-auf ausgerichtet war, alle nur erdenklichen Supportleistungen für Volkshochschulen (VHS) zu bieten, damit vor allem jene Volkshochschulen, die noch eher unerfahren mit der Einführung eines Qualitäts-managementsystems waren, ein Qualitätssicherungsmodell erfolgreich implementieren konnten.

Gleich vorweg, neben allem, was durch die Projektmittel aus dem europäischen Sozialfonds er-möglicht wurde, ergab sich der nachhaltigste Erfolg und war das hilfreichste Instrument das allem zu-grunde liegende Netzwerken.Netzwerke auf drei Ebenen wurden eingerichtet, die unterschiedliche wie überlappende Funktionen hatten.

Das österreichische Netzwerk Qualitätssicherung diente anfangs der Entscheidungsfindung für ein Qualitätssicherungsmodell, dem Sammeln von Qualifikationswünschen für Qualitätsbeauftragte und regionale QualitätsbegleiterInnen. Während der gesamten Projektdauer sorgte das Netzwerk für den Austausch von (Lern-) Erfahrungen, der Weiterbildung in Bezug auf unterschiedliche Qualitäts-bereiche (z. B. zu Controlling) oder Prozessverfahren (z. B. Projektmanagement), die über das Projekt organisiert werden konnten, und es war der Ort des Generierens neuer Fragen und Lernvorhaben.

Die regionalen Netzwerke hatten Motivations- und Stützfunktion, waren Austauschforum und Kooperationsstätte für gemeinsam organisierte Beratungstage durch Externe, von denen alle profitierten.

Lokale Netzwerke etablierten sich, in denen „Nachbarvolkshochschulen“ einzelne Schritte gemeinsam entwickelten und im Transferprozess Ergebnisse und Maßnahmen ihren Bedürfnissen entsprechend einsetzten.

In allen Netzwerken galt: Geteiltes Wissen mehrt Wissen und fördert die Ideenvielfalt. Aktives Wissens- Sharing nützt allen. „Abschauen“ ist erlaubt (eine eins-zu-eins-Übernahme allerdings fast nie möglich). Zusätzliche Beratungsleistungen von ExpertInnen wurden ebenfalls in lokaler Gemeinsam-keit organisiert und in Anspruch genommen. Die gemeinsame reflexive Arbeit an schon erarbeiteten schriftlichen Teilen des pflichtmäßigen Selbstreports der einzelnen VHSen half nicht nur jenen, die ihre Berichtsteile zur Reflexion und Überprüfung zur Verfügung stellten. „Sind wir auf dem richtigen Weg?“, war die Kernfrage dieser gemeinsamen Reflexion.

Die Netzwerke wurden Unterstützungsstätte, Ideen- und Erfahrungspool, Motivationstank. Diese Partnergemeinschaft gab Sicherheit: Wir schaffen die Anforderungen, die Einführung des Qualitäts-managements und aller geforderten qualitätssichernden Maßnahmen sowie schließlich die Begut-achtung, Überprüfung und Testierung.

Im Projekt Netzwerk Qualitätssicherung entschieden sich die Landesverantwortlichen der Volkshochschulverbände für das Modell LQW. Aus sechs Bundesländern (und dem Bundesverband) nahmen ausgewählte VHS-MitarbeiterInnen an einer speziell auf das entworfene Projekt mit seiner Unterstützungsstruktur abgestimmten Weiterbildung zur LQW-BegleiterIn teil. 18 so genannte LQW-Modell-Volkshochschulen in sechs Bundesländern nahmen die Chance wahr, stiegen in die regionalen Verbünde ein und beteiligten sich auch an den österreichweiten Netzwerktreffen. Die modell- und prozesskundigen BegleiterInnen waren entweder nur in regionaler beratender Funktion für die Modell-Volkshochschulen oder gleichzeitig auch als Qualitätsbeauftragte direkt in einer VHS tätig.

Abbildung 12 Arbeitsplakat des Rings österreichischer Bildungswerke © Ring österr. Bildungswerke

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Handbuch Lernende Regionen Struktur – Entwicklung

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Transferleistungen der LQW-BegleiterInnen machte es acht nachfolgenden Volkshochschulen möglich, zeitversetzt in den gemeinsamen Prozess der Einführung von LQW einzusteigen. Auch sie profitieren von den etablierten lokalen, regionalen und österreichischen Netzwerken.

Die Evaluation des Projekts (anhand von Fragebögen) zeigte deutlich: Das gewinnversprechende Konzept des Netzwerkens ist aufgegangen. Die Supportstrukturen aus dem Projekt und das Handeln in Gemeinsamkeit wirkten sich in allen Testierungsprozessen sehr positiv aus.

Mag. Barbara Becker aus Deutschland ist erfahrene Begutachterin im Testierungsverfahren nach LQW. Sie sagt (am 6. Juni 2007 beim österreichischen Netzwerktreffen in Wien): „Bei meinen vielen Begutachtungen konnte ich eine Beobachtung machen. Es haben deutlich jene Bildungseinrichtungen bessere Ergebnisse erzielt, die in einem Netzwerk gearbeitet haben.“

Wissenstransfer von Erfahrungen im Projekt Netzwerk Qualitätssicherung in andere Erwachsenen-bildungseinrichtungen und die angenommene Einladung, am österreichischen Netzwerk und dem dort versammelten Wissen teilzuhaben, hat mit dazu beigetragen, dass einige sich entschlossen – unter der Aufnahme unterstützender regionaler wie überregionaler Netzwerke – das Qualitätssicherungs-modell LQW einzuführen.

Kennzeichen erfolgreicher Netzwerkarbeit

Aus Sicht der Projektleitung hat sich im Netzwerk Qualitätssicherung besonders wirkungsvoll erwiesen:

- die klare Trennung von Support durch das esf-Projekt und den Verband Österreichischer Volks-hochschulen und den Eigenleistungen der LQW-Modell-Volkshochschulen in personeller und finanzieller Hinsicht;

- die zusammenhaltende Klammer durch das Projektmanagement; - die passend ausgewählten Supportleistungen; - die Sicherheits- und Motivationszonen, die Unterstützung und der Anreiz durch die drei Netz-

werkstrukturen, die eine eigene hilfreiche Dynamik entfalteten; - der Mut von Volkshochschulen, sich gleichsam beim Arbeiten in die Karten schauen zu lassen,

auch Mängel einzugestehen und zu fragen, wie es andere besser machen; - die österreichische Expertise bei den Qualitätsfachfrauen und -männern sowie die Fachbe-

gleitung durch externe ExpertInnen (in diesem Fall aus Deutschland, die als Qualitäts-expertInnen, TrainerInnen, BeraterInnen und BegutachterInnen mit LQW schon jahrelang Erfahrung haben);

- die verpflichtenden zeitlichen Vorgaben, die durch das Projekt entstanden, aber auch durch ArtSet, das in Hannover für das Modell LQW zuständig ist und das dem Einführungs- und Qualitätssicherungsprozess in jeder Einrichtung ein Jahr einräumt;

- die unbedingte Grundhaltung von Service für die KundInnen des Instituts ArtSet. Es versteht größtes Entgegenkommen mit konsequent bleibenden qualitativen Anforderungen zu ver-binden. Das Institut hat LQW nicht nur entwickelt, sondern stellt immer wieder hilfreiche und brauchbare Instrumente zur Qualitätssicherung zur Verfügung.

Allgemeine Kennzeichen erfolgreicher Netzwerkarbeit haben sich an diesem Beispiel gezeigt:

- Horizontale Netzwerke bedürfen gemeinsamer Interessen, Bedürfnisse, Ziele, die es in einem bottom-up-Prozess, nicht direktiv oder „von oben“ verordnet, zur Netzwerkbildung kommen lässt.

- Die PartnerInnensuche ist von Bedeutung. Das Lernen an Ähnlichkeiten ist hilfreich, das an Unterschieden oft sehr produktiv. Das Modell lebt von den gleichen sowie von den unterschiedlichen, aber auch – in Maßen – von den gegensätzlichen Interessen.

- Der gemeinsame Lebensraum in Regionen bewirkt, dass die potenziellen PartnerInnen meist schon eine Geschichte haben, durch die sie glauben, einander zu kennen. Das sollte allen bewusst sein, positiv genützt und nicht zur Hürde werden.

- Eine koordinierende Stelle (oder Person) für das Management im Netzwerk hat sich sehr bewährt.

- Ein Netzwerk braucht kreative Freiräume ebenso wie verlässliche Strukturen, Rahmen und Steuerung.

- Informationsfluss und Kommunikation müssen gewährleistet sein. - Nicht nur Wissen, auch Aufwand und Arbeit müssen geteilt werden. - Vertrauen unter den Mitwirkenden und gegenseitiger Respekt sind Voraussetzung.

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Struktur – Entwicklung Handbuch Lernende Regionen

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- Gegenseitiges Vertrauen bedarf gleicher Rechte, aktiver Teilhabe, Geben und Nehmen, Regeln für Entschlüsse und Entscheidungen, eines produktiven Konfliktmanagements, die Würdigung der Leistungen und die Beteiligung aller an den Erfolgen und an allen Ergebnissen.

- Alle Beteiligten müssen gewinnen. - Konkurrenz wird nicht ausgeschaltet oder geleugnet, aber konstruktiv behandelt. - Motivation entzündet sich immer wieder neu am Fortschritt der Netzwerkpartner. Kreativität

steigert sich in der Zusammenarbeit. - Branchenübergreifende Netzwerke bergen ein unglaubliches gegenseitiges Lernreservoir, das

wird in Bildungsbereichen zu wenig genützt. - Wer nicht geben will oder nehmen kann, sollte nicht in Netzwerken arbeiten. - Das Nützen reflexiver Lernschleifen muss zur neuen Lernkultur werden. Fehler werden dann zu

Lernanlässen. Mängel führen zu neuen Aktivitäten und Innovationen – möglicherweise wieder in Netzwerken.

Mängelbehebung und Weiterentwicklung – eine neue Aufgabe für regionale Netzwerke?

Es gibt einen Mangel, den sich alle modernen Qualitätssicherungssysteme im Bildungsbereich nach-sagen lassen müssen. Für Qualität in der Kernaufgabe von Bildungseinrichtungen, in den Bildungs-veranstaltungen selbst, wird zwar nun der Rahmen bestmöglich sichergestellt. Aber ist damit die pädagogische Qualität schon ausreichend gesichert oder ist diese Dimension noch gar nicht berührt? Die pädagogische Qualität im Lehr- und Lernprozess ist keine, die sich in der exakten qualitätsge-sicherten Wiederholbarkeit erschöpft oder daran ablesen lässt. Gerade die je unterschiedlichen Situa-tionen müssen von den ErwachsenenbildnerInnen professionell bewältigt werden. Hohe Professionali-tät und unterschiedliche Kompetenzen sind notwendig.

Diese Lücke in allen Qualitätssicherungssystemen lässt die Weiterbildungsbranche in vielen Ländern bei der Qualifizierung der in der Erwachsenenbildung Tätigen ansetzen. In Österreich ist die Antwort die 2007 neu geschaffene Weiterbildungsakademie. Sie wurde in einem Netzwerk von Erwachsenenbildungsverbänden kreiert und entwickelt und wird in einer Gemeinschaftsinitiative, im so genannten kooperativen System der österreichischen Erwachsenenbildung am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung auch weiterhin gemeinschaftlich verantwortet.

Das Kernstück dieses umfassenden Qualifizierungsmodells ist ein Anerkennungsverfahren, das überprüft, ob eine Erwachsenenbildnerin bzw. ein Erwachsenenbildner sich jene Kompetenzen ange-eignet hat, die im gemeinsam entwickelten Curriculum der Branche als Standardkompetenzen defi-niert sind. Die Bildungsangebote selbst aber, in denen die ErwachsenenbildnerInnen die verlangten Kompetenzen erwerben können, bietet die Weiterbildungsakademie Österreich selbst nicht an. ErwachsenenbildnerInnen können zu diesem Zweck das vielfältige Bildungsangebot aller Bildungs-einrichtungen nützen.8 Was wäre, wenn sich Bildungsanbieter in Regionen zusammentun und gemeinsam, in Anstimmung die passenden Weiterbildungsangebote für die ErwachsenenbildnerInnen der Region anböten? Das wäre ein gemeinschaftliches zielgruppenspezifisches Angebot, das auf den brancheninternen Standards aufbaut. Professionalisierung und Qualitätssicherung durch die Qualifizierung der Mitarbeit-erInnen nach gültigen Standards der Branche Erwachsenenbildung bzw. Weiterbildung könnte ein Stück professioneller Regionalentwicklung bedeuten. Nicht nur die Erwachsenenbildungseinrichtung-en selbst, die aktive Qualitätssicherung leisten und denen dadurch bestens qualifizierte Mitarbeite-rInnen zur Verfügung stehen, würden davon profitieren. Bedarfsgerechte Ressourcenbündelung wäre ebenfalls ein Vorteil. Auch grenzüberschreitende regionale Verbünde sind gut denkbar.

In allen Qualitätssicherungsverfahren wird nach der Qualifikation der Lehrenden gefragt: Ein regional abgestimmtes Modell wäre eine professionelle Antwort.

8 Weiter Informationen zur Weiterbildungsakademie Österreich siehe: www.wba.or.at

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Handbuch Lernende Regionen Struktur – Entwicklung

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Literatur

Bastian, Hannelore / Beer, Wolfgang / Knoll, Jörg (2002): Pädagogisch denken – wirtschaftlich handeln. Reihe: Perspektive Praxis, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann.

Butzin, Bernhard (2000): Netzwerke, Kreative Milieus und LERNENDE REGIONen: Perspektiven für die regionale Entwicklungsplanung? Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie. Heft 3/4 2000, 149-166.

Hartz, Stefanie / Meisel, Klaus (2006): Qualitätsmanagement. 2. akt. Auflage. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann.

Messerli, Paul / Perlik, Manfred (2001): Neuere Ansätze der Regionalentwicklung und ihre Implementierung in nationalen und internationalen Entwicklungsprogrammen. Geographisches Institut der Universität Bern.

Nötzold, Wolfgang (2004): Werkbuch Qualitätsentwicklung. Für Leiter/innen in der Erwachsenen-bildung. Perspektive Praxis mit CD-ROM. Studientexte für Erwachsenenbildung. Bielefeld: Bertelsmann.

Online-„Checklist Weiterbildung“ (2002): Kriterienkatalog (und damit auch Qualitätsstandards) zur erleichterten Auswahl von Bildungsangeboten. Erarbeitet vom Österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF), im Rahmen eines ESF-Ziel 3-Projekts (in Zusammenarbeit und gefördert vom BMBWK); vgl. auch www.checklist-weiterbildung.at

Stahl, Thomas / Schreiber, Rainer (2003): Regionale Netzwerke als Innovationsquelle. Das Konzept der „LERNENDEN REGION“ in Europa. Frankfurt, New York: Campus.

Zech, Rainer / Ehses, Christiane (1999): Organisation und Lernen (= Schriftenreihe für kritische Sozialforschung und Bildungsarbeit). Hannover.

Drin. Anneliese Heilinger vom Verband Österreichischer Volkshochschulen ist Projektleiterin im "Netzwerk Qualitätssicherung" und Leiterin der Weiterbildungsakademie Erwachsenenbildung. Kontakt: anneliese.heilinger(at)vhs.or.at, www.vhs.or.at

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Struktur – Entwicklung Handbuch Lernende Regionen

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Maßnahmen im Sinne der Niederschwelligkeit und Barrierefreiheit von Bildungsinstitutionen u. –angeboten

Der gesellschaftliche Wandel zur Wissensgesellschaft bringt zwar insgesamt eine steigende Bildungsbeteiligung, erzeugt jedoch auch einen „knowledge gap“ zwischen bildungsfernen und bildungsnahen Personen. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass hier der „Matthäus-Effekt“, sinngemäß nach dem biblischen Spruch „Wer hat, dem wird gegeben“, wirkt. Personen mit hohen Bildungsab-schlüssen nehmen überdurchschnittlich oft an Weiterbildungsveranstaltung teil, während Personen mit niedrigen Bildungsabschlüssen kaum teilnehmen9. Dies führt zu beruflicher und sozialer Ausgrenzung. Rein ökonomisch betrachtet, werden wichtige Ressourcen verschwendet, soziologisch gesehen steigen Spannungen in der Gesellschaft.

Wesentliches Kriterium für die Nutzung von Bildungsangeboten insbesondere von bildungsfernen Gruppen ist die Niederschwelligkeit bzw. Barrierefreiheit der Angebote. Das ist symbolisch zu ver-stehen, etwa wenn es um Faktoren wie Bewerbung, Erreichbarkeit, Sprache und Didaktik geht, aber auch unmittelbar, etwa im Sinne der räumlichen Zugänglichkeit von Kursräumen, z.B. für geh-behinderte Menschen. Eine entsprechende Gestaltung der Angebote bedarf daher eines konse-quenten Maßnahmenkatalogs und der Initiative, diesen auch umzusetzen. Gerade in der Bildung ist es wichtig, subtile Diskriminierungen zu vermeiden. Gelingen kann dies bei-spielsweise durch Übernahme der Perspektive der Lernenden:

- Was wollen Lernende? - Weshalb suchen sie welche Kurse auf? - Was sind deren Bedürfnisse? - Welche Kosten und Nutzen erwarten sich Lernende?

Unter diesen Kosten und Nutzen sind nicht nur die rein monetären zu sehen. Weitaus wichtiger sind oftmals die kulturellen und symbolischen Kosten bzw. das Wissen über diese Kosten:

Lernen weckt ambivalente Gefühle. Es kann Spaß machen und Erfolg bringen, aber auch mit Angst, Druck, Last, Überforderung, Fremdbestimmung und Anpassung verbunden werden.

Dabei spielen auch die bisherigen Erfahrungen, vor allem in der Schule, eine wichtige Rolle: Kann ich mit der Lerngruppe mithalten? Schaffe ich die Prüfung? Werden mich PartnerIn/ Familie/ FreundInnen/ ArbeitgeberIn unterstützen? Verfüge ich über die erforderlichen Ressourcen an Zeit und Geld? aber auch: Erwarte ich damit Verbesserungen in meinen Arbeits- und Lebensbedingungen?

Lernanlässe entstehen aus einer Diskrepanzerfahrung zwischen Intentionalität und Kompetenz: Der Lernende hofft diese Differenz zwischen Wollen und Können verringern zu können. Hier gilt es, die Vorzüge zu betonen, die sich aus der Weiterbildung ergeben. In Studien oft genannt werden folgende Hürden:

- Entfernung zum Schulungsort: lt. einer Studie aus Oberösterreich beträgt die durchschnittlich akzeptable Entfernung bei Niedrigqualifizierten 13 Kilometer, die maximal akzeptable 60 Kilometer (bei Höherqualifizierten sind es 108 Kilometer). Gerade hier liegt auch eine große Chance für regionale Bildungsnetzwerke.

- Enthierarchisierung: Viele erinnern sich oft an die negativen Erfahrungen des Fremdbestimmt-werdens in der Schule. Auch in der Erwachsenenbildung macht es einen großen Unterschied, ob Lernende zu einer Bildungsmaßnahme gehen oder geschickt werden. Wird gelernt, um die „eigene Weltverfügung“ zu erweitern oder um Beeinträchtigungen und Bedrohungen abzu-wenden?

„Erwachsene sind lernfähig aber unbelehrbar“ (Dieter Gnahs): Wenn man die Lernenden ernst nimmt, muss man ihnen zugestehen, dass sie aus ihrer Sicht vernünftig handeln. In einigen der folgenden Kapitel werden für einzelne Zielgruppen Beispielprojekte angeführt, die helfen können die Niederschwelligkeit der Bildungsprojekte zu gewährleisten (Siehe vor allem Kapitel: „Bildungsferne“ ab S 89 und „Behinderung“ ab S. 103).

9 Als Ausnahme gelten hier Kurse zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt, die vor allem von niedrigqualifizierten Personen besucht werden.

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Handbuch Lernende Regionen Struktur – Entwicklung

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Literatur

Diesenreiter, Carina (Hrsg.) (2008): Barrierefreie Erwachsenenbildung in Niederösterreich. Unter: http://www.oieb.at/download/Handbuch_Barrierefreie_Erwachsenenbildung_in_NOe.pdf

Faulstich, Peter/ Bayer, Mechthild (Hrsg.) (2006): Lernwiderstände. Anlässe für Vermittlung und Beratung. Hamburg: VSA.

Klingler, Reinhold (2004): Teilnehmernahe Erwachsenenbildung. Von den Bildungsfernen zu den Teilnehmernahen. Innsbruck.

Siebert, Horst (2006): Lernmotivation und Bildungsbeteiligung. Reihe: Studientexte für Erwachsenen-bildung. Bielefeld: wbv.

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Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen Handbuch Lernende Regionen

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Neue Lehr- und Lernformen und Strukturen

Meist wird Lernen mit der Erinnerung an die traditionellen Lehrmethoden aus der eigenen Schulzeit verbunden. Dabei findet Lernen naturgemäß auch darüber hinaus statt („man kann nicht Nicht-Lernen…“). Unter dem Aspekt der TeilnehmerInnen-Orientierung („den Lernenden in den Mittelpunkt stellen“) werden Ansätze wie E-Learning (s. u.), Selbstlernen oder informelles Lernen zusammen-gefasst10. Gerade für den ländlichen Raum sind neue Lehr- und Lernformen interessant, weil bei ihnen vielfach die Überbrückung geografischer Distanzen einen integralen Bestandteil des Lern-settings darstellt.

Formen wie erforschendes und entdeckendes Lernen, kooperatives Lernen oder interkulturelles Lernen bieten Anknüpfungspunkte, um sich mit der Region und ihren Gegebenheiten auseinander-zusetzen und im sozialen Umfeld Aktivitäten in Gang zu bringen. Unkonventionelle Orte, Methoden und Projekte steigern den Spaß am Lernen und erhöhen das Interesse für die LERNENDE REGION.

E-Learning

E-Learning beschreibt grob gesprochen die individuelle Nutzung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien im Rahmen von Bildungsprozessen. Wesentliche Kennzeichen sind…

- die selbsttätige Aneignung von Lernstoffen über digitale Lernmaterialien via Internet oder CD/DVD/Blue-ray Disc,

- die räumliche und zeitliche Unabhängigkeit von Lehrenden und Lernenden zueinander, - das Kommunizieren auf elektronischem Weg (E-Mail, Lernplattformen u. a.), - fallweise das völlige Fehlen realer Lehrpersonen/ TutorInnen und deren Ersetzung durch

elektronische Unterstützungssysteme. E-Learning beschreibt also IKT11-gestützte Formen der Fernlehre, die es als solche ja schon lange gibt. Es kann in unterschiedliche Typen gegliedert werden, wobei einerseits nach Aufbereitung der Lernmaterialen differenziert wird (online vs. offline, multimedial vs. textorientiert, linear vs. hypertextuell, interaktiv vs. statisch), andererseits nach Aspekten des Einbezuges der Lernenden in den Vermittlungsprozess (Ausmaß an Unterstützung durch TutorInnen bzw. Hilfesysteme, Kommunikation zwischen TeilnehmerInnen, Eingehen des Systems auf individuelle Bedürfnisse der Lernenden). Weitere Differenzierungskriterien sind die Mischung des e-Learningprozesses mit traditionellen Vermittlungsformen sowie die jeweilige Kursdauer.

Typen von E-Learning (Grobeinteilung)

Computer-Based-Training (CBT): Lernmedium sind Datenträger wie CD-ROMs, die Inhalte sind in der Regel nach Kapiteln gegliedert und multimedial aufbereitet. Die NutzerInnen wählen ihr Lerntempo selbst, haben die Möglichkeit, zwischen Kapiteln zu springen und durch Kontrollfragen ihren Lernfortschritt zu überprüfen. Vorteile sind die Unabhängigkeit vom Internet und das hohe Potential an Selbststeuerung für den Lernenden. Nachteilig sind die Starrheit des Inhaltes, die Kommunikations-losigkeit im Lernprozess und die Beschränkung der „Hilfe“ auf das Lernprogramm.

Web-Based Training (WBT): Unterscheidet sich von der Struktur her nicht vom CBT, die Daten sind allerdings online auf Servern abrufbar. Durch die Einbindung des Internet werden Austauschprozesse zwischen TeilnehmerInnen und Kursanbietern möglich, die Inhalte können rasch aktualisiert werden, die „Teilnahme“ kann vom Anbieter nachvollzogen und daher zertifiziert werden. Die NutzerInnen können auch nur einzelne Module aus dem Gesamtangebot „buchen“. Die Nachteile decken sich weitgehend mit denen des CBT, zusätzlich müssen über einen bestehenden Internetanschluss große Datenmengen übertragen werden.

10 Eine übersichtliche Einführung von Reinhard Zürcher findet sich unter http://www.erwachsenenbildung.at/fachthemen/lernformen/ueberblick.php sowie im ersten Teil dieses Handbuchs. 11 Informations- und Kommunikationstechnologien.

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Handbuch Lernende Regionen Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen

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Computer Supported Collaborative Learning (CSCL, Lernplattformen): Solche offenen Lernformen versuchen die digitalen Möglichkeiten der Kommunikation, Interaktion und des Feedbacks mit Lehrpersonen und anderen TeilnehmerInnen in Form „virtueller Klassenzimmer“ zu nutzen. Es gibt digitale Bibliotheken, aus denen Dokumente heruntergeladen werden können und „Anschlagtafeln“, um den Lernenden Informationen zu vermitteln. Arbeiten können in virtuellen Teams verfasst bzw. diskutiert werden, gegenseitige Unterstützung wird möglich. TutorInnen koordinieren den Unterricht, stellen die Lehrinhalte zusammen und beraten via Internet. CSCL kombiniert die Flexibilität von E-Learning mit der Sozialität und den Betreuungsmöglichkeiten traditionellen Seminarunterrichts. Nach-teilig sind die hohen Kosten der Kursangebote. Blended Learning: Darunter werden unterschiedliche Mischformen von E-Learning mit traditionellen Lehrmethoden verstanden.

Welcher E-Learning-Typ jeweils am sinnvollsten einzusetzen ist (bzw. welche Typen-Kombination), ist eine Frage der zu vermittelnden Inhalte und der Lernziele, der technischen Möglichkeiten, der Infra-struktur, der Medien- und Lernkompetenz der Lernenden, der Dauer der jeweiligen Maßnahme und der Modalitäten der Wissensüberprüfung.

Potentiale von E-Learning

- Ortsunabhängigkeit: E-Learning ist Lernen aus der Distanz. Zum Lernen wird lediglich ein PC (allenfalls ein Internet-Zugang) benötigt. Das erhöht die Zugänglichkeit des Bildungsangebots.

- Zeitunabhängigkeit: Die Lernenden bestimmt selbst, wann sie lernen. Auch dies erhöht die Zugänglichkeit des Bildungsangebots.

- Kommunikativität: Vor allem Online-Angebote können Kommunikation in Form „virtueller Communities“ stiften (Mail, Chats). Umgekehrt kann E-Learning aber auch Isolation hervorrufen.

- Individualität: E-Learning forciert potentiell selbstgesteuertes Lernen, weil die Lernenden ihr Lerntempo, oft auch die Abfolge der Lerninhalte selbst bestimmen und ihre Lernfortschritte selbst überprüfen können.

- Adaptionsfähigkeit: Lernmethoden und -inhalte können oft mit relativ einfachen Mitteln an die Vorkenntnisse der Lernenden, an die regionalen Gegebenheiten und an die Möglichkeiten der anbietenden Bildungseinrichtungen angepasst werden. Dadurch werden Spezialisierungen möglich.

- Interaktive Angebote ermöglichen den Lernenden „just in time“ durch unmittelbare Rückkoppelungen, ihre Lernerfahrungen abzusichern.

- Multimedialität: Abbildungen, Videos und Audios vergrößern durch ihre höhere Anschau-lichkeit den Lernerfolg. Bei Online-Modellen ergeben sich allerdings oft lange Ladezeiten.

- Hyperlinks: Die Navigation über Hyperlinks ermöglicht eine Abkehr vom „seriellen Lernen“ hin zur selbstgesteuerten Aneignung von Wissen über „Hypertexte“. Die Lernenden bestimmen, in welche Richtung sie „weiterlernen“.

E-Learning flexibilisiert den Lernprozess und verlangt den Lernenden höhere Eigenständigkeit und Selbststeuerung beim Lernen ab; es erleichtert potentiell den Zugang zur Weiterbildung. Allerdings er-spart es die psychische Arbeit des Lernens nicht. E-Learning setzt vor allem „Medienkompetenz“ voraus, also die Fähigkeit, mit den digitalen Hilfsmitteln zu interagieren. Wichtig ist mitzubedenken, dass sich nicht nur die Anforderungen an die Lernenden verändern, sondern auch die an das Bildungspersonal. E-Learning eignet sich am besten zur

- Vermittlung von Faktenwissen - Vertiefung von bereits vorhandenem Wissen - Vermittlung theoretischer Grundlagen für verhaltensorientierte Inhalte

Derzeit am Markt befindliche E-Learning-Applikationen widmen sich vor allem den Bereichen: Sprachen, Office-Verwaltung und kaufmännisches Wissen, EDV-Anwendungen, Management, theoretisches Know-How für Handwerks- und Gesundheitsberufe, Verkauf, Zweiter Bildungsweg.

Defizite von E-Learning

E-Learning weist etliche sozialpsychische bzw. -strukturelle Gefahrenbereiche auf: - Isolation der Lernenden - Probleme durch die Vermengung von Arbeits- und Privatsphäre bei Anwendung zuhause - Die Lernenden haben Konzentrationsprobleme, werden abgelenkt.

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Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen Handbuch Lernende Regionen

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Auf den ersten Blick zeigen sich im bisherigen Angebot an e-Learning-Produkten folgende Mängel: - e-Learning ist anbieterdominiert und stärker an dem, was technisch machbar als an den

Bedürfnissen der NutzerInnen orientiert. - Schwächen in den methodischen und didaktischen Konzepten sind der Normalfall - es herrscht noch ein Mangel an hochwertigen Inhalten - aufwändige Module führen zu langen Ladezeiten - mangelhafte Feedbackstrukturen - Qualitätsstandards fehlen bisher

Beispiele aus Lernenden Regionen:

Im Lernforum Elbe-Elster wurde versucht, neue Lehr- und Lernformen, darunter E-Learning in den traditionellen Unterricht der Bildungsträger zu integrieren. Angeboten wurde dazu unter anderem…

- Die Erstellung und Erprobung einer Lernplattform, auf der verschiedene Bildungsträger ihre Bildungsinhalte zum Thema e-Learning anbieten können

- Das Erstellen von Lerninhalten in Form von Kursen, die sich aus einzelnen Modulen zusammensetzen aus den Bereichen CNC, Sprachen und HTML-Programmierung

- benötigte Hardware - den Zugriff auf die Technik für Lehrer, die nicht traditionell am PC unterrichten

Das lebenslange Lernen soll damit für die Lehrenden und Lernenden interessanter, effektiver, nach-haltiger, zeitlich und räumlich unabhängiger gestaltet werden: www.lernforum-elbe-elster.de/TP5.htm IT-Fitness-Onlinetest Beim IT-Fitness-Test werden Computerkenntnisse zum Windows Betriebssystem und Microsoft Office Paket abgefragt. Nach Beantwortung der 42 Fragen erhalten die TeilnehmerInnen eine persönliche Auswertung und Urkunde. Siehe www.it-fitness.de Internetcafé Siehe www.lernende-region-hamburg.de/index.php?id=67 Internetinseln in Schulen In der LERNENDEN REGION Ostwestfalen-Lippe wurden in Schulen Internetinseln gebaut. Ziel sind kleine Lernzentren, die auch am Nachmittag von den SchülerInnen genutzt werden können. Mit dem Erwerb eines Internetpasses können Kinder/Jugendliche ihre Kompetenzen im Umgang mit dem Internet belegen. Im Bereich Lesekompetenz wurde ein Konzept zur Förderung mit multimedialen Mitteln und Fortbildung der Multiplikatoren entwickelt. Siehe: www.regionet-owl.de/home/index,id,45,selid,851,type,VAL_MEMO.html Breitband im ländlichen Raum Im deutschen Landkreis Osterholz wurde ein Projekt zur Verbesserung des Breitbandzugangs im ländlichen Raum mittels Funktechnologie umgesetzt. www.lernende-region-ohz.de Lernen durch E-Games – Schlau durch spielen In einem etwas unkonventionellen Projekt der LERNENDEN REGION Nürnberg wurde Lernen durch Computerspiele umgesetzt. Dadurch sollten bestimmte Spiele die positiven Aspekte von Computerspielen - wie Gedächtnistraining, Verbesserung des Reaktions- und Entscheidungsvermögens, Kommunikation, Teamwork, Konzentration, Phantasie und das rasche Erfassen und Nachvollziehen komplexer Zusammenhänge - nutzen. Der gezielte Einsatz soll dadurch modernes Lernen mit Spaß verbinden. Weitere Lernspiele finden sich auch in der LERNENDEN REGION Saarland: www.lernzentrum-nuernberg.de bzw. www.saarlernnetz.de

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Handbuch Lernende Regionen Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen

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E-Learning aus Sicht der Erwachsenenbildung

(von Dr. Christian Kloyber, Bifeb Strobl)

Erwachsenengerechtes Lernen soll durch eine Mischform aus E-Learning und traditionellen Lernformen (Präsenzlernen im Kurs, in Lerngruppen, Lernzirkeln, durch Selbstlernen/Selbststudium...) verbessert werden. Dazu eignen sich beispielsweise E-Lernplattformen. Das sind komplexe Software-systeme, die Lerninhalte bereitstellen und den Lernprozess organisieren. Eine wichtige Aufgabe von Lernplattformen ist auch, die Kommunikation zwischen den lernenden Personen untereinander und den lehrenden Personen (TrainerIn/TutorIn/Coach) zu ermöglichen. Eine Lernplattform ist sozusagen die Schnittstelle zwischen dem Bildungsanbieter und den lernenden Personen. Internationale Evaluationen und eine vom Österreichischen Bildungsministerium in Auftrag gegebene Studie geben dazu Empfehlungen ab. Sie sind auf dem Internetportal des Bildungsministeriums abrufbar: www.efit.at/elearningportal/projekt.asp?Projektname=bm:bwk_Empfehlung_Lernplattformen Kooperatives Lernen: Moderne Lernsettings basieren nicht (nur) auf der Vermittlung des Wissens von einer Lehrperson zu Lernenden, sondern nützen das Wissen aller beteiligten Personen. Dies erfordert ein geeignetes Wissensmanagement. Mehrere Lernende arbeiten gemeinsam an einer Aufgabe, die Lehrperson nimmt eine beratende Funktion ein. Das Ziel liegt in der aktiveren Beschäftigung mit dem Inhalt, einer gleichmäßigeren Verteilung der Aktivitäten sowie einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Inhalt auf Grund der verschiedenen Sichtweisen. Ein anderes Szenario für kooperatives Lernen ist eine geographisch verstreute Gruppe, die aber gemeinsam übers Internet teilnimmt. Wieder eine andere Option stellt eine ‚Lerngemeinschaft' (Community of Practice) dar, die beispielsweise mit Hilfe des Internets an einem kommunalen Projekt arbeitet. Interaktiv und partizipativ: Eine Möglichkeit für interaktives und partizipatives Lernen stellen Wikis und Weblogs dar. Ein Wiki, auch WikiWiki und WikiWeb genannt, ist eine im World Wide Web verfüg-bare Seitensammlung, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online geändert werden kann. Der Name stammt von wikiwiki, dem hawaiischen Wort für „schnell“. Ein Weblog, häufig abgekürzt als Blog (engl. Wortkreuzung aus Web und Log), ist ein digitales Journal. Es wird am Computer geschrieben und im World Wide Web veröffentlicht. Häufig ist ein Blog „endlos“, d. h. eine lange, umgekehrt chronologisch sortierte Liste von Einträgen, die in bestimmten Abständen umbrochen wird. Wikipedia ist eine von ehrenamtlichen Autoren verfasste, freie Online-Enzyklopädie in mehreren Sprachversionen. Bestand hat, was von der Gemeinschaft akzeptiert wird. Bisher haben international etwa 285.000 angemeldete BenutzerInnen und eine unbekannte Anzahl anonymer MitarbeiterInnen Artikel zum Projekt beigetragen. Mehr als 7.000 AutorInnen arbeiten regelmäßig an der deutsch-sprachigen Ausgabe mit. Zu diesen partizipativen Formen finden sich im Internet bereits viele gute Beispiele: Das Dorf-Wiki ist ein virtueller Begegnungs-, Lern- und Arbeitsraum auf Wiki Basis. Hier kann und soll jeder mitschreiben, dem das Thema „Dorf“ und „Dörflichkeit“ am Herzen liegt, nicht nur allgemein, sondern in seinen vielen verschiedenen Ausprägungen. Im Speziellen geht es darum, Zukunftsperspektiven vor allem im ländlichen Raum und Gestaltungsmöglichkeiten von dörflichen Lebenswelten und Mikrokosmen (auch in Städten) aufzuzeigen: www.dorfwiki.org. Der Regioblog bringt seit 2004 aktuelle Informationen aus Südhessen: www.regioblog.de. Neues aus der Welt des E-Learnings bietet ein Blog der Technischen Universität Graz: http://elearningblog.tugraz.at Das Lifelong Learning Lab [L3Lab] versteht sich als ein Kompetenzpool der Erwachsenenbildung zur Förderung des „Lebenslangen Lernens“. Es möchte einen fachlichen Raum für Diskurse und für konkrete Gestaltungsprojekte öffnen: http://l3l.erwachsenenbildung.at

Entwicklung, Umsetzung Voraussetzung für die Entwicklung von e-Learning-Methoden und Lernplattformen sind:

- Ein möglichst flächendeckend ausgebautes DSL (Breitbandzugang) bzw. ein Ausbau von WLAN/ Hot Spots mit einem möglichst kostengünstigen Zugang

- PC’s, Notebooks etc., kostengünstige Angebote und Miete zum Beispiel über das Netz der öffentlichen Bibliotheken (Rent a Notebook) und/ oder Sponsoren

- Open Source installierte Software (Programme) - Service und Supportstruktur auf Grundlage neuer Konzepte (z. B. über AMS, Land, Bund,

öffentliche Supportstellen und Sponsoren

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Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen Handbuch Lernende Regionen

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- Aufbau einer gratis zugänglichen Internetplattform, wo eine einmalige Registrierung Zugang zu Ressourcen für E-Learning, E-Portfolio, und Web 2.0 Entwicklungen möglich sind

- Angebote zum Erlernen der Verwendung dieser Instrumente im Sinne einer „digitalen Basis-bildung“ in Abstimmung mit Anbietern von Aus- und Weiterbildung (Erwachsenenbildung)

- Angebote für Einzelpersonen, Vereine, Initiativen, NGO’s (Netz der Bürgergesellschaft) - Aufbau einer Evaluations- und Qualitätsinitiative - Besonderes Augenmerk auf Diversity, Gender Mainstreaming, Antirassismus legen - Rechtliche Konsequenzen (z.B. Urheberrechte, Datenschutz etc.).

Qualität von E-Learning. Was verstehen wir unter Qualität? „Im weitesten Sinn ist Qualität etwas, das verbessert werden kann. Sie bezieht sich nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen, sondern auch darauf, wie Menschen arbeiten, wie Maschinen bedient werden und wie man mit Systemen und Richtlinien umgeht. Dieser Qualitätsbegriff beinhaltet alle Aspekte menschlichen Verhaltens“ (Imai 1994: 31). Qualität heißt Definition von Standards. Ein Beispiel für die Entwicklung von Standards zeigt folgende Tabelle: Hauptkategorie Unterkategorie Qualitätskriterien

Technische Voraussetzungen

Jeder Teilnehmer muss über einen Rechner mit Internetanbindung und Web-Browser verfügen

1. Zugangs-voraussetzungen Persönliche

Voraussetzungen Teilnehmer an einer e-Learning-Weiterbildung benötigen ein hohes Maß an Eigeninitiative und die Fähigkeit, ihren Lernprozess selbstständig zu organisieren.

Information der Interessenten

Informationen zur späteren beruflichen Tätigkeit. Informationen zum Kurskonzept, zu den Lehrinhal-ten/Modulen, Informationen zu den Online-Tutoren, zur benötigten technischen Ausstattung, zum zeitli-chen Umfang/ Aufwand, zu Prüfungsverfahren, Betreuungszeiten und -formen, Finanzierungs- und Förderungsmöglichkeiten, zum Login und den per-sönlichen Zugangsdaten, AGB, Datenschutzerklä-rung.

2. Anmelde-/Auswahl-verfahren

Prüfung d. Interessent. ... Allgemeine Infor-mationen

Impressum, Adresse, Telefon, Rechtsform, An-sprechpartner, Sprech- und Betreuungszeiten, ZFU-Zertifizierung der Kurse, AGB, FAQ ́s, Datenschutz-erklärung, Ausschluss strafbarer Inhalte.

Kursinformationen Teilnahmevoraussetzungen, Kursdauer, Lernformen, Struktur der Weiterbildung (z.B. individuelle Zusam-menstellung von Modulen, Trägerkooperation), Aus-sagen zum mediendidaktischen Konzept und zum multimedialen Anteil, Lernziele, Kurskonzept, Tätigkeitsbereiche nach der Weiterbildung, Tutoren, Förderungsmöglichkeiten, Anmeldeverfahren

3. Internetzpräsenz /Website

Aufbau u. Navigation ... 4. Informationsmaterial

... ...

5. Online- Content ... ... Fachliche Qualifikation Ausbildung oder Erfahrung mit Bezug zum

Unterrichtsfach Didaktik Methodisch-didaktische Eignung, möglichst

Erfahrung in e-Learning, Praxisbezug Möglichst aktueller Praxisbezug durch Tätigkeit in

geeigneten Unternehmen und/oder Wissenschaft und Forschung

6. AutorInnen

Beurteilung Regelmäßige anonymisierte Beurteilung des Lehrmaterials durch die Kursteilnehmer

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Handbuch Lernende Regionen Vermittlung: Neue Lehr- und Lernformen

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Fachliche Qualifikation ... Didaktik ... Praxisbezug ...

7. E-TutorInnen

Beurteilung ... 8. Betreuung der Teilnehmenden

... ...

9. Technische Bedingungen

... ...

10. Präsenz- f2f/ Räume

... ...

11. Curriculum ... ... 12. Prüfungsverfahren

... ...

13. Marktbeobachtung

... ...

14. Jobbörse/ Arbeitsmarkt

... ...

Beispiel: Virtuelle Akademie des Bundesverbands Digitaler Wirtschaft BVDW und der Friedrich-Naumann Stiftung (FDP): http://www.virtuelle-akademie.de

Dabei kann man sich an verschiedenen Qualitätsinitativen orientieren. Dazu zählt die Qualitätsinitiative E-Learning in Deutschland (siehe http://www.qed-info.de) sowie in Österreich das Forum Neue Medien in der Lehre (siehe http://www.fnm-austria.at/qualitaet/home sowie www.elearningrechtsfragen.at).

Literatur Astleitner, Hermann (2002): Qualität des Lernens im Internet. Virtuelle Schulen und Universitäten auf

dem Prüfstand. Frankfurt: Lang

Back, Andrea / Bendel, Oliver/ Stoller-Schai, Daniel (2001): E-Learning im Unternehmen. Zürich.

Baumgartner, Peter / (2002): E-Learning Praxishandbuch. Innsbruck.

Ehlers, U.-D.; Pawlowski, J.M. (Hrsg.) (2005): European Handbook of Quality and Standardisation in E-Learning. Thessaloniki

Ehlers, Ulf-Daniel (2004): Qualität im E-Learning aus Lernersicht. Grundlagen, Empirie und Modellkonzeption subjektiver Qualität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Häfele, H. / Maier-Häfele, K. (2005): 101 e-Learning Seminarmethoden, Managerseminare Verlag.

Imai, Masaaki, (1994): Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg der Japaner im Wettbewerb. Frankfurt/ Main

Wiepcke, Claudia (2006): Computergestützte Lernkonzepte und deren Evaluation in der Weiterbildung. Blended Learning zur Förderung von Gender Mainstreaming. Hamburg.

Regionale ExpertInnen: Peter Baumgartner: http://www.donau-uni.ac.at/de/department/imb/index.php VHS 21, Barbara Oberwasserlechner: www.elsd.at VHS 21, Christian Nowak: www.elsd.at Hartmut Häfele: http://www.qualifizierung.com Christian Kloyber, BifEB www.bifeb.at, http://l3lab.erwachsenenbildung.at Dr. Christian Kloyber ist Pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung. E-Mail: christian.kloyber(at)bifeb.at, Web: http://www.bifeb.at

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Web 2.0 in Lernenden Regionen

(von Mag. David Röthler)

Der Sammelbegriff „Web 2.0“, der 2004 geprägt wurde, fasst eine Reihe neuer technischer Entwicklungen im Internet zusammen, die das Web einfacher nutzbar, interaktiver und kollaborativer werden lassen. Typische Beispiele für das Web 2.0 sind Wikis, Weblogs, Social Bookmarks sowie Foto- und Videoplattformen (z.B. Flickr und Youtube) sowie technische Innovationen wie RSS. Während insbesondere das Veröffentlichen eigener Information mit den neuen Diensten einfacher wird, muss man sich mit neuen Begriffen und Anwendungen auseinandersetzen. Es genügt nicht mehr, lediglich zu wissen, was eine „Homepage“ ist, wie E-Mail funktioniert oder was man mit Google tun kann.

- Ein Wiki ist eine Web-Site, die nicht gelesen sondern auch online geändert werden kann („edit-button“ auf jeder Seite). Die Seiten eines Wikis können einfach verlinkt werden. Die Entstehung der Texte lässt sich über eine „history“-Funktion nachvollziehen.

- Ein Weblog ist ein digitales Journal. Es besteht aus einer umgekehrt chronologisch sortierten Liste an Einträgen zu bestimmten Themen. Neben Text kann es auch multimediale Elemente enthalten. Kommentarfunktion und einfache Vernetzbarkeit führen zu hoher Interaktivität.

- Social Bookmark-Dienste ermöglichen die Ablage von Internetlinks online. Sie ermöglichen persönliche und gemeinsame Informationssammlungen und führen über ähnliche Themen zur Vernetzung mit Gleichgesinnten.

- Foto- und Videoplattformen erleichtern die einfache Publikation von Fotos und Videos und die soziale Vernetzung

- RSS (Really Simple Syndication, auf Deutsch „wirklich einfache Verbreitung“) gestattet die Austauschbarkeit von Inhalten des Web 2.0 von einer auf die andere Plattform. Ein RSS-Feed enthält lediglich die Inhaltsinformation (Text, Fotos) ohne das Layout. Neu veröffentlichte Inhalte werden via RSS automatisiert auf PCs, andere Web-Sites oder auch Mobiltelefone geladen.

- Open Source ist Software mit offenem Quelltext. Die Software darf beliebig geändert, kopiert, verbreitet und genutzt werden. Es sind keine Lizenzgebühren, wie bei kommerzieller Software zu zahlen. Ähnliche Ziele verfolgt Open Content. Unter entsprechenden Lizenzen stehende Inhalte wie Texte, Fotos, Musik dürfen – unter bestimmten Bedingungen – ebenso relativ frei verwendet werden.

Abbildung 13: Tag-Cloud des Web 2.0 zeigt

Begriffs-Zusammen-hänge. Die Größe der

jeweiligen Keywords lässt Rückschlüsse auf

ihre Relevanz zu. (Quelle: David Röthler)

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Web 2.0-Anwendungen benötigen auf dem eigenen Computer üblicherweise lediglich einen Browser wie den Internet-Explorer oder Firefox. Die Programme für den Server sind meistens Open Source und relativ einfach installierbar oder bereits oft als kostenloser Dienst – wie z.B. YouTube für Videos oder del.icio.us für Bookmarks – verfügbar. Während „Web 2.0“ eher die technische Innovation umschreibt, beziehen sich zwei Begriffe, nämlich Social Software und User Generated Content, die ich im Folgenden näher erläutern werde, auf soziale, gesellschaftliche und politische Aspekte der neuen Entwicklungen im Internet.

Als Social Software werden Software-Systeme bezeichnet, die der menschlichen Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit dienen. Die Software an sich ist natürlich nicht sozial, aber sie kann genutzt werden, um soziale Beziehungen zu unterstützen oder im Internet abzubilden. Social Software kann Communities, die sich in Lernprozessen befinden helfen, gemeinsames Wissen zu entwickeln, Erfahrungen zu teilen und dabei eine eigene Identität aufzubauen.

Unter User Generated Content werden Internetinhalte verstanden, die von den NutzerInnen selbst erstellt werden. Dem Web 2.0 ist ein Paradigmenwechsel von einem one-to-many Broadcastsystem zu einem interaktiven many-to-many Dialog immanent. Bereits in den späten zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat Bertolt Brecht in seiner sogenannten Radiotheorie einen Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks unterbreitet. „Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. […] Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur zu hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen.“ Mit dem Web 2.0 scheint die Vision von Brecht technisch möglich zu werden. Social Software und User Generated Content sind eng miteinander verwoben. Die bekannten Plattformen für User Generated Content wie Flickr oder YouTube, die die Veröffentlichung von Fotos oder Videos ermöglichen, stellen auch Beziehungen zwischen den NutzerInnen her. Sie dienen der Bildung von Gemeinschaften, seien sie von gemeinsamen Interessen, persönlichen oder geographischen Zusammenhängen geleitet.

User Generated Content wird das Potential zugeschrieben, die etablierte Medienlandschaft nachhaltig zu verändern oder gar traditionelle Medienunternehmen zu gefährden. In diesem Zusammenhang wird von Citizen Journalism gesprochen. Wichtiges Medium für Citizen Journalists sind Weblogs.

In weiterer Folge wird mit dem Web 2.0 auch die Hoffnung der Wiederaneignung des politischen Prozesses durch die BürgerInnen auf der Basis der neuen Technologien verbunden.

So schrieb die deutsche Zeitschrift „Der Spiegel“ am 24. Juli 2007 über die politische Dimension des Internets im Zuge des US-amerikanischen Vorwahlkampfs für die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 überschwänglich: „Das US-Internet ist heute ein Hort der politischen Debatte, überall wird gestritten und debattiert, Standpunkte werden mit Filmschnipseln untermauert, Kandidatenvorurteile per Videobeweis be- oder widerlegt. Das Internet bringt eine Form der Debatte zurück, wie es sie zuletzt auf den Plätzen Athens oder Roms gab - angereichert mit multimedialen, Hypertext-befeuerten Argumentationshilfen.“

Einsatz von Web 2.0 in Lernenden Regionen

Web 2.0 kann unter anderem folgende Aspekte unterstützen: - Dokumentation von Lernprozessen, Diskussionen, Veranstaltungen - Transparenz - Partizipationsfähigkeit - Öffentlichkeitsarbeit intern und extern - Vernetzung der AkteurInnen - Darstellung des Innovationspotentials einer Region

Der Einsatz von Web 2.0 setzt allerdings eine gewisse technische und inhaltliche Medienkompetenz bei den Beteiligten voraus, um die neuen Medien den jeweiligen Zielen und Bedürfnissen entsprechend effektiv nutzen zu können. Projekte in LERNENDEN REGIONEN müssten sich also auch das Ziel setzen, die Medienkompetenz der Beteiligten zu erhöhen. Zur Medienkompetenz gehört nicht nur der kritisch-reflexive Umgang mit Medien, sondern gerade im Zusammenhang mit Web 2.0 die Fähigkeit, Inhalte zu erstellen und interaktiv-kreativ mitzugestalten.

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In infrastrukturell-technischer Hinsicht sind Computer mit Breitband-Internetzugang notwendig, wobei viele Dienste auch über Mobiltelefone nutzbar sind. Gerade in ländlichen Regionen spielt der sogenannte „Digital Divide“ eine Rolle. Obwohl sich die Lücke bei der Versorgung mit Breitband-Internet immer weiter schließt, sollte darauf Rücksicht genommen werden, dass der Zugang zu einem Internet-Computer nicht in jedem Haushalt – aus unterschiedlichen Gründen – selbstverständlich ist.

Entwicklung und Umsetzung

Der Einsatz von Web 2.0 sollte bei allen Projekten – zumindest als Querschnittsthema – berücksichtigt werden. Man wird sich auf ein Experiment – das von reger Beteiligung oder auch vom Gegenteil geprägt ist – einlassen müssen. Web 2.0 ist also ein weiteres Feld, in dem Regionen Erfahrungen sammeln und lernen können. Der partizipative und offene Charakter von Web 2.0 kann darüber hinaus Impulse für Beteiligung und Transparenz auch in anderen Bereichen bewirken. So haben sich rund um das Thema Web 2.0 neue, partizipative (offline-)Veranstaltungsformate wie Barcamps und Web Montage entwickelt.

Exemplarische Ideen oder mögliche Teilaspekte von Projekten mit Web 2.0

Weblogs als Lerntagebücher Weblogs können Lernprozesse begleiten und Lernfortschritte dokumentieren. In den Bildungs-wissenschaften hat sich in den letzten Jahren der Begriff ePortfolio etabliert. Darunter wird eine elektronische Sammlung von Wissensartefakten, die miteinander in Beziehung gesetzt werden können, verstanden. Ein ePortfolio ermöglicht Reflektion über den eigenen Lernfortschritt, der nach außen präsentiert wird, sowie Diskussion und Austausch zwischen Lernenden.

Thematische Vernetzung mit anderen Regionen Die Vernetzung mehrerer Weblogs über RSS-Feeds verbessert Information und Kommunikation nicht nur innerhalb einer Region sondern auch zwischen Regionen.

Digital Storytelling Die Methode des Erzählens digitaler Geschichten wurde in den USA entwickelt und erfolgreich bei Integrationsprozessen von MigrantInnen oder anderen sozial benachteiligten Gruppen eingesetzt. Eine digitale Geschichte ist eine kurze, selbst gestaltete Produktion, die aus einer persönlichen Sicht erzählt wird. Sie kann multimediale Elemente wie Fotos, Audio und Video enthalten. Digital Stories werden über das Web 2.0 verbreitet und miteinander vernetzt.

Regionalwiki Ein Regionalwiki greift die Idee der Wikipedia auf. Im Unterschied zur erfolgreichen kollaborativen Enzyklopädie beschränkt sich ein Regionalwiki auf Information über die Region. Es könnte auch eine Orts- oder Regionschronik auf diese Weise entstehen. Das Projekt wäre bei der Umsetzung im Internet nicht mit dem Druck abgeschlossen sondern kann fortgesetzt werden. Ein Regionalwiki als generationsübergreifendes Projekt ist ein Beispiel für informelle Lernchancen im Rahmen regions-bezogener Aktivitäten.

Projektkommunikation mit Web 2.0 Web 2.0 bietet Unterstützung für die interne und externe Projektkommunikation. Ein Weblog kann als internes Projekttagebuch dienen. Gemeinsame Internetrecherchen können mit Social Bookmarks dokumentiert werden. Protokolle von Projekttreffen können in einem Wiki abgelegt werden, in dem gemeinsam Berichte oder Presseaussendungen verfasst werden können. Projektergebnisse können anhand von Fotos und Videos in Flickr bzw. YouTube veröffentlicht werden.

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Trends

Mit Microblogging-Diensten wie zum Beispiel twitter.com lassen sich kurze SMS-konforme Nach-richten mit einer Länge von bis zu 140 Zeichen per Webbrowser oder Mobiltelefon schicken. Der Feed wird dann auf einer Timeline wie in einem Weblog chronologisch angezeigt. Zusätzlich kann man sich die neuesten Einträge von KollegInnen ansehen und auch per SMS oder RSS-Feed abonnieren. Microlearning ist Lernen in kleinen Einheiten und ein Aspekt des Themas e-Learning. Microlearning kann bedeuten, dass selbstorganisiert, mit Ressourcen, die von einer Community bereitgestellt werden, gelernt wird. Die Endgeräte sind klein und mobil. Das Thema Microlearning hat Verwandtschaft mit Ubiquitous und Pervasive Computing. Geotagging versieht Internetinhalte mit geographischen Koordinaten. Fotos lassen sich somit zum Beispiel auf einer Landkarte darstellen. Der regionale Zugang zu Information wird somit über das globale Internet möglich.

Schlussbemerkungen

Bei der Planung ist zu beachten, dass die Bereitstellung der technischen Voraussetzungen der geringste Kostenfaktor sein wird: die meisten Anwendungen sind als Open Source Software oder kostenlose Dienste verfügbar. Aufwändiger ist die Befähigung, Ermutigung und Begleitung der Projektbeteiligten.

Der Einsatz von Web 2.0 wird zur Erhöhung des „Sozialkapitals“ einer Region führen. Unter „Sozialkapital“ werden alle aktuellen oder potenziellen Ressourcen, die mit der Teilhabe am Netz sozialer Beziehungen verbunden sein können, verstanden. Investitionen in innovative Vernetzungsformen werden langfristig erfolgreich sein. Web 2.0 wird die Medien- und Partizipationskompetenz der AkteurInnen in LERNENDEN REGIONEN stärken und dieses Innovationspotenzial nach innen wie nach außen sichtbar machen. Es steht für die Verflachung von Hierarchien, Offenheit, Globalität, Deliberation, Agenda Setting und Interaktion der Netzkultur mit den Massenmedien im Zuge der Ausdifferenzierung des Mediensystems. Das neue mediale Ökosystem wird nicht zuletzt für die Aufmerksamkeit, die eine Region erhält, von Bedeutung sein.

Links

Wie das Netz die US-Politik revolutioniert www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,496197,00.html

Barcamp www.barcamp.at

Web Montag www.webmontag.de

Regionalwiki der Salzburger Nachrichten www.salzburgwiki.at

Center for Digital Storytelling www.storycenter.org

Mag. David Röthler ist Unternehmensberater und Erwachsenenbildner in Salzburg mit den Schwerpunkten Politische Bildung & Internet, niederschwellige Medienpartizipation, soziale Vernetzung sowie internationale Projektzusammenarbeit. E-Mail: david(at)roethler.at, Weblogs: politik.netzkompetenz.at, blog.eu.info.at

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Spielerische Methoden

(von Dr. Christian Kloyber, bifeb Strobl)

Spielerische Methoden in der Erwachsenenbildung, in der Sozialarbeit, in der politischen Bildung und in der Arbeit mit bildungsfernen Gruppen LERNENDER REGIONEN bieten ein umfassendes methodisches und pädagogisches Repertoire. An dieser Stelle beschränken wir uns auf einige exemplarische Beispiele, die besonders für die Arbeit mit spiel- und lernfernen Personengruppen angewendet werden können.

Das Instrument „spielerische Methoden“ ermöglicht die Einbindung und die aktive Teilhabe bildungsferner und/oder bildungsungewohnter Personen, Personengruppen, Gemeinden und AkteurInnen in der LERNENDEN REGION. Exemplarische Beispiele

- Forumstheater (siehe Beschreibung unten) - Visionstheater12 - Partizipative Theater- und Moderationsformen als Lösungsmodelle. - Spiel, Regelspiel, Wissensspiel

Forumstheater13  Im Forumstheater können unterschiedliche „brennende“ Themen der Region, der Kommune/ Gemeinde aufgegriffen werden; neben negativen Szenarien (Gewalterfahrung und Diskriminierung) werden durchaus auch aktuelle Themen, die auf Entscheidungen im Konsens warten, und die Personen zu AkteurInnen machen, die sonst nicht teilhaben oder sich entsprechend artikulieren können, aufgegriffen und in Szenen dargestellt um gemeinsam nach befreienden, klärenden, lösungsorientierten und praxisnahen Handlungsalternativen zu suchen. Das Verhältnis von Spielern und Zuschauern wird aufgehoben; das ist der besondere und der „springende“ Punkt. Ausgangspunkt, die für das Forumstheaters gewählt werden (können), sind konkrete Erlebnisse aus dem Alltag. Sie provozieren die Frage nach den „eigenen Handlungsweisen sowie nach Alternativen hierzu“. Vorgehensweise „Nachdem Thema und Spielszene ausgewählt wurden, wird eine Szene so gespielt, wie sie real erlebt wurde. Die Szene wird erneut gespielt, das Ende ist jedoch offen für Veränderungen.

Jede Zuschauerin und jeder Zuschauer kann während des Spiels ‚stop‘ rufen. Die Szene wird dann sofort eingefroren und die Zuschauerin bzw. der Zuschauer spielt nun die Szene zu Ende. Die Szene wird mit dem neuen Ende wieder gespielt und eine andere Person kann wiederum ‚stop‘ rufen und die Rolle weiterspielen, bis die Spielleitung die Szene beendet. Auf diese Weise werden verschiedene Lösungen erprobt, um herauszufinden welche die angemessenste ist. Die verschiedenen Lösungen werden besprochen und auf ihre Anwendbarkeit in der Realität überprüft. Die Rolle der Spielleitung: Der/die SpielleiterIn begrüßt die ZuschauerInnen und stellt die Spielregeln vor; koordiniert die Szenen- (Themen-)Auswahl; stellt die SchauspielerInnen und ihre Szene vor und entlässt die MitspielerInnen wieder aus ihrer Rolle; greift die ‘Stop’-Rufe aus dem Publikum auf und ermuntert zum Mitspielen; startet die Szene und bricht sie ab, wenn sie undeutlich wird; entlässt die Zuschauer/ Mitspieler wieder aus ihrer Rolle; leitet die Auswertung, fasst zusammen, beendet das Forumstheater.“

12 Siehe http://visionstheater.blog.de 13 Siehe http://www.sowi-online.de/methoden/lexikon/forumstheater.htm, vgl. Augusto Boal (1979): Theater der Unterdrückten. Frankfurt/M. bzw. Ruping, Bernd (Hrsg.) (1991): Gebraucht das Theater. Die Vorschläge des Augusto Boals. Erfahrungen. Varianten. Kritik. Remscheid. Zeitschrift für befreiende Pädagogik, Nr. 10/1996. Anwendungen des Theater der Unterdrückten.

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Stammtischparolentraining14 „Eine Pädagogik der Belehrung verfehlt weitgehend ihre Wirkung, wenn es um die besondere Ziel-gruppe geht, die von Vorurteilen und vorschnellen Argumenten – die nicht auf eigener Erfahrung oder Reflexion basieren – geprägt ist. Von diesen grundlegenden Erfahrungen und Erkenntnissen geht das Argumentationstraining gegen Stammtischparolen aus. Bei ihm werden populistische politische Äußerungen, Schlagwörter und Parolen auf ihre emotionale Wirkung, ihren inhaltlichen Kern, die Gründe ihres Aufkommens, ihre politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen sowie eventuelle Gegenstrategien hin überprüft. Geübt wird, die eigene Position argumentativ – auch gegen Widerstände – zu vertreten.“15 Literatur: Hufer, Klaus-Peter (2001): Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen, Schwalbach/Ts. Hufer, Klaus-Peter (2003): Argumentationstraining gegen Stammtischparolen, in: Klaus Ahlheim (Hrsg.): Intervenieren, nicht resignieren. Rechtsextremismus als Herausforderung für Bildung und Erziehung, Schwalbach/Ts., S. 133 – 141. Hufer, Klaus-Peter (2003): Politische Bildung gegen Populismus, in: Außerschulische Bildung 2/2003, S. 152 – 158.

Information zum Thema „Spiel, Regelspiel, Wissensspiel“ Bohn, Joachim (1993): Lernspiel zum Thema Sozialversicherungen. Schüler erstellen ein themenzentriertes Würfelspiel. In: arbeiten+lernen/Wirtschaft, 3. Jg. Nr. 10, S. 31-36. Steinmann, Bodo; Weber, Birgit (Hrsg.): Handlungsorientierte Methoden in der Ökonomie. Neusäß: Kieser.

Weitere Literatur zu Methodik/ Didaktik von spielerischen Methoden: Tony Stockwell (1993): 50 unvorbereitete Lernaktivitäten, European Foundation for Education Communication and Teaching. Triesen: Dieses Buch liefert sehr anschaulich und klar beschriebene Lernaktivitäten, die man schnell in das Unterrichtsgeschehen mit einbauen kann, wenn man das Gefühl hat, dass gerade im gemeinsamen Lernen eine „Blockade“ herrscht. Die jeweilige Methode ist kurz beschrieben, es folgt eine Aufzählung der benötigten Requisiten, die zumutbare Gruppengröße, Anwendung, Ziel und Lerneffekte. Die Lernaktivitäten bestehen hauptsächlich aus Sprachspielen, einem spielerischen Umgang mit Begriffen und Sätzen, was die verbale Kommunikation, Textverarbeitung, das Vokabular schulen und ein Thema vertiefen soll. Nebenbei sollen durch diese Methoden die Selbstsicherheit, Kreativität und die Gruppendynamik angesprochen und gefördert werden.

Jörg Knoll (1992): Kurs- und Seminarmethoden - ein Trainingsbuch zur Gestaltung von Kursen und Seminaren, Arbeits- und Gesprächskreisen, 9. Auflage, Weinheim, Basel (Beltz Verlag): In diesem Buch werden gängige und erfolgreiche Methoden aus der Erwachsenenbildung vorgestellt. Der Autor selbst ist in der Erwachsenenbildung tätig und so ist das Buch angereichert mit vielen Erfahrungen aus der Praxis. Zu Einstiegen findet man ausführliche Beschreibungen zur Rolle des Leiters und zur Rolle der Teilnehmer, sowie Angaben zur zumutbaren Gruppengröße und dem zeitlichen Rahmen. Für Einstiege werden viele verschiedene Methoden vorgestellt, die das Kennenlernen der Teilnehmer untereinander schulen und in ein Thema einführen. Als Möglichkeiten des Ausstiegs werden Methoden der Ergebnis- und Erkenntnissicherung vorgestellt.

Stefan König (2002): Warming-Up in Seminar und Training - Übungen und Projekte zur Unterstützung von Lernprozessen, Weinheim, Basel (Beltz Verlag): Warming-Ups sind Methoden, die die Möglichkeit bieten, Lernprozesse wieder in Schwung zu bringen und sie so zu verstärken. Der Autor ist selbst als Trainer in der Erwachsenenbildung tätig und lässt seine zahlreichen Erfahrungen einfließen. Dieses Buch zeichnet sich durch kurze und klare Beschreibungen aus, die durch anschauliche Bilder ergänzt werden. Im Mittelpunkt stehen körperdynamische Methoden, die den

14 Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Stammtischparole bzw. Klaus-Peter Hufer (2001): Argumentationstraining gegen Stammtischparolen. Materialien und Anleitungen für Bildungsarbeit und Selbstlernen. 4. Auflage. Wochenschau Verlag, Schwalbach am Taunus 2001. 15 Zitat aus: Argumentationstraining gegen Stammtischparolen von Dr. Klaus-Peter Hufer, ebenda.

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Zusammenhalt und das Vertrauen in der Gruppe schulen und die allgemeine Aktivität aller Teilnehmer erhöhen sollen.

Reinhold Rabenstein, Michael Thanhaffer, Rene Reichel (2001): Methoden-Set: Anfangen (1. Buch) und Reflektieren (4.Buch). Fünf Bücher für Referenten und SeminarleiterInnen, AGB- Arbeitsgemeinschaft für Gruppenberatung, Wien: Ganz zu Beginn werden grundsätzliche Aspekte sehr präzise beschrieben, die für die Gestaltung von Seminaren wichtig sind: die Gestaltung des Raumes, die Rolle und Darstellung des Leiters; des weiteren wird die Spezifität der Schwierigkeiten des „Anfangens“ analysiert. Die Darstellung der Methoden erfolgt kurz und knapp und sehr übersichtlich. Es werden vor allem kreative und spielerische Methoden angeführt. Für den Bereich des Reflektierens werden die grundlegenden Eigenschaften und Aufgaben des Reflektierens analysiert und Methoden für das gruppeninterne und das private/persönliche Reflektieren des Seminars vorgestellt.

Günther Gugel (2001): Methoden-Manual- Neues Lernen- Tausend Praxisvorschläge für Schule und Lehrerbildung, Weinheim, Basel (Beltz Verlag): In diesem Buch finden sich kreative und spielerische Methoden zum Anfangen und zum Aussteigen. Es beinhaltet sehr viele anschauliche Kopiervorlagen, ausführliche Einleitungen und Analysen der Rolle des Leiters. Dadurch wird dem Leiter die Möglichkeit gegeben, sich auf die bevorstehende Situation einzustellen und sich über seine eigene Rolle klar zu werden.

Jörg Fengler (1998): Feedback geben - Strategien und Übungen, Weinheim, Basel (Beltz Verlag): Dieses Buch bietet eine genaue und sehr ausführliche Analyse des „Feedback-Gebens“. Es klärt die Frage, warum Feedback so wichtig und sinnvoll ist und was es auf der Beziehungsebene leisten kann. Durch das Lesen wird man als Leiter achtsam dafür, auf welche Dinge man im Gruppenverhalten achten muss und man wird darüber informiert, dass es sich beim Feedback um einen sensiblen und wechselseitigen Prozess der Selbstmitteilung und Rückmeldung handelt, dessen Stellenwert und Auswirkung auf das Gruppengeschehen lange unterschätzt wurde.

Planung und Anwendung spielerischer Methoden Regionale „Stakeholder“ die in Institutionen der Erwachsenenbildung, der Aus- und Weiterbildung, in Vereinen und NGO’s Zugang zur Zielgruppe haben, organisatorische, methodisch-didaktische Ressourcen besitzen, und Standorte für Aus- und Weiterbildung, Schule, Kultur- und Sozialräume (Gemeindeebene) „bespielen“ können. Auch VertreterInnen der Zielgruppe sind von Beginn an einzubinden. Die Zeitspanne für Design, Evaluationskonzept, Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung liegt zwischen 1 Monat und 12 Monaten. Diese „spielerischen Formen“ werden Bestandteil des regulären Programms von Anbieter-Institutionen, Gemeinden, AkteurInnen der LERNENDEN REGIONEN; sie sollten Bestandteil des kulturellen und sozialen Angebots sein.

Kosten, Aufwand (Geld/ Zeit) liegen in der üblichen Größenordnung von Veranstaltungen der Erwachsenenbildung, zu einem Tarifsatz 800,00 EUR/Tag/ReferentIn bis max. 1250,00 EUR Tag/internationaleR ReferentIn;

Tipps für die Umsetzung - vermeiden psychotherapeutischer Implikationen („Lernen ist keine Therapie“) - vermeiden von Esoterik/ New Age - vermeiden von parteipolitischen Interessen („Parteilichkeit“) - achten auf Expertise, Erfahrung und Professionalität der AnleiterInnen - adäquate „nahe“ Sprache mit der Zielgruppe - Berücksichtigung aller Standards im Umgang mit „sensiblen“ Zielgruppen - Erfahrung im Konfiktmanagement - Erfahrung mit „offenen Lernformaten“ - achten auf Nachhaltigkeit: Dokumentation, respektieren der Ergebnisse und der Ereignisse - Aufbau einer eigenen Erfahrungswelt, die in die Welt des „Alltags“ eingebaut werden kann

In einer Zeitspanne von 2-3 Jahren sollten diese neuen Formate „spielerische Methoden“ im allgemeinen Programm von Anbietern (Erwachsenenbildung, Gemeinden, Initiativen etc.) aufscheinen (reguläres Programm).

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In welchen Bereichen sollen externe Berater eingesetzt werden? - Organisation, Design, Evaluation - Moderation, Durchführung (Ausbildung in den genannten Formaten vorhanden) - Supervision - Methoden und Didaktik der Erwachsenenbildung

ExpertInnen (auch solche, die von Regionen angefragt werden können) - arge region kultur - ig kultur - Netzwerk Gemeinwesenarbeit - Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung

Dr. Christian Kloyber ist Pädagogisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Erwachsenenbildung. E-Mail: christian.kloyber(at)bifeb.at, Web: http://www.bifeb.at

Beratung / Training / Mentoring / Coaching

Häufig werden die Begriffe Training, Beratung und Coaching für dieselben Methoden verwendet. Tatsächlich bestehen jedoch Unterschiede zwischen ihnen.

Die bekannteste der drei Methoden ist die Beratung: Hier sucht der/die KlientIn für ein spezifisches Problem eineN FachberaterIn, die/der ihr/ihm eine Lösung anbietet. Aus dem Bereich des Sports bekannt ist das „Training“. Dabei werden Verhaltensweisen durch gezielte Übungen entweder ab- oder aufgebaut. Das Coaching bezeichnet einen Beratungsprozess, in dem eine Person begleitet wird, während sie selbstständig eine Lösung für ein Problem erarbeitet. Durch den Coachingprozess sollen spezielle Fertigkeiten aufgebaut und/oder verbessert werden. Das Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Gerade im regionalen Zusammenhang sind Mentoring-Modelle gut realisierbar, in deren Rahmen KlientInnen durch eineN MentorIn im Rahmen eines Lernprozesses begleitet werden. Beispielsweise im „Job-Coaching“, bei dem langzeitarbeitslose junge Menschen in Lerngruppen auf Techniken der Arbeitsplatzsuche gecoacht werden. Dabei spielt die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen und dem informellen Wissen über die „ungeschriebenen Gesetze“ eine wichtige Rolle.

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Regionale Lernzentren

(von Univ.Prof. Elke Gruber, Universität Klagenfurt)

Regionale Lernzentren sollen – wie der Name schon sagt – in Regionen einen Ort schaffen, wo lernen möglich wird. In Österreich haben Lernzentren bisher wenig Tradition. Bei uns ist es üblich, dass es in einer Region verschiedene Bildungsinstitutionen gibt, die sowohl räumlich wie auch in ihren Aufgaben und Zielgruppen klar strukturiert und voneinander getrennt sind. Der Kindergarten bildet eine Einrichtung in einem eigenen Gebäude. Für die verschiedenen Stufen der Schulbildung gibt es eigene Schultypen, die auch zumeist räumlich voneinander getrennt sind. Berufsschulen ergänzen die betriebliche Lehre. Die höhere Bildung findet in Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten statt. Die Weiterbildung verfügt ebenfalls über eigene Institutionen. Die großen Weiterbildungsanbieter finden wir vor allem in den Städten (Volkshochschule, Berufsförderungsinstitut, Wirtschaftsförderungs-institut, Maturaschulen etc.). Aber auch am Land haben sich mit der Zeit Möglichkeiten der Weiter-bildung ergeben. Ich denke dabei zum Beispiel an die Veranstaltungen des Ländlichen Fortbildungs-institutes oder der Bildungswerke, aber auch Bildungshäuser befinden sich häufig im ländlichen Raum. Tatsächlich aber ist die Dichte der Weiterbildungsangebote am Land geringer als in der Stadt – auch wenn es in den letzten Jahren viele Initiativen, zum Beispiel im Rahmen der Regional-entwicklung und der Kulturförderung, gegeben hat.

Lernzentren müssen aber nicht unbedingt am Land sein, sie können auch – wie zum Beispiel in Großbritannien – in den Städten angesiedelt sein. Es gibt keine eindeutige Definition von Lernzentren, vielmehr existieren sehr unterschiedliche Formen. Lernzentren können in Betrieben verschiedene Lernorte vernetzen, sie können einen Zusammenschluss von verschiedenen Institutionen, wie zum Beispiel Erwachsenenbildungsinstitutionen und Schulen bilden, sie können Weiterbildungsanbieter und Bibliotheken kombinieren (wie beispielsweise im Projekt des Wissensturms in Linz, wo Bibliothek, Volkshochschule und Bürgerservice zusammengeschlossen sind), sie fungieren als Nachbarschafts-zentren mit Selbststudienmöglichkeiten über Internet und Bibliothek. Manche Zentren bieten nur Räume und eine gewisse strukturelle und pädagogische Unterstützung fürs Lernen an, einige präsentieren sich als neue und innovative Vernetzung von institutionellem und selbstgesteuertem Lernen, andere bieten eine Mischung aus Kursen, Seminaren und den Möglichkeiten des bürger-schaftlichen Engagements an. Wenige Zentren sind reine Selbstlernzentren (sie gibt es beispielsweise in Deutschland oder Slowenien).

Hintergrund/gesellschaftliche Notwendigkeit

Lebensbegleitendes Lernen wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Die Gründe dafür sind: der permanente Wandel in Gesellschaft und Arbeitswelt, neue Technologien, neue Arbeitsorganisationen, veränderte Familienstrukturen. Hat man bisher in Österreich lebensbegleitendes Lernen mit Erwachsenenbildung gleichgesetzt, geht der aktuelle Ansatz der Europäischen Union weit darüber hinaus. Unter lebensbegleitendem Lernen oder besser: unter lebensbegleitender Bildung wird ein Lernen beziehungsweise eine Bildung über die gesamte Lebensspanne hinweg gesehen. Damit ist gemeint, dass alle Bildungsinstitutionen, ob Kindergarten, Schule, Hochschule oder Weiterbildungs-einrichtung, einen Beitrag zur lebensbegleitenden Bildung der Menschen leisten können. Darüber hinaus nimmt das informelle Lernen oder das Lernen en passant sowie das Lernen am Arbeitsplatz an Bedeutung zu.

Insgesamt kommt es zu einer Entgrenzung von Lernzeiten und Lernorten. Wir lernen heute nicht mehr nur in der Schule, der Berufsausbildung oder der Hochschule, sondern eben auch in Museen, in Nachbarschaftszentren, in Parteien, Kirchen, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, in der Familie und Partnerschaft. Durch die neuen Technologien sind wir so flexibel geworden, dass wir immer und überall lernen können. Diese Entgrenzung bietet Chancen (verbesserter Zugang, Ausweitung des Bildungsangebotes), aber auch Risiken (der Mensch ist nie „fertig“ mit dem Lernen, er/sie ist immer erreichbar und kann im wahrsten Sinne des Wortes nicht „abschalten“).

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Was leistet das Instrument?

Regionale Lernzentren sollen die Möglichkeit bieten, dass alle Menschen an Bildung teilhaben können - egal ob sie in der Stadt oder am Land leben. Mit regionalen Lernzentren können vielfältige Barrieren abgebaut werden:

- sie sind vor Ort, das heißt, es sind keine großen Anfahrten in die nächste Stadt notwendig, - sie bieten ein vielfältiges Bildungsangebot - neben allgemeiner und politischer Bildung könnten

beim Zusammenschluss mit Betrieben und Berufsschulen auch berufliche Weiterbildungs-möglichkeiten wohnortnah angeboten werden,

- durch die Bereitstellung von einschlägiger Infrastruktur (Lernprogramme, Bibliothek, Internet) sind vielfältige Arten selbstgesteuerten Lernens möglich,

- nicht vergessen werden sollte das bürgerschaftliche Engagement, bei der Kombination mit Bürgerservice-Einrichtungen oder die kulturelle Bildung und Betätigung bei der Vernetzung mit Kulturinitiativen. Gerade über Kulturinitiativen ist auch ein Zugang zu interkulturellem Lernen möglich.

- Regionale Lernzentren können einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des Alters leisten, indem sie mit altersgerechten Wohnmöglichkeiten oder Seniorenheimen gekoppelt werden und sie können den Dialog zwischen den Generationen fördern, indem sie mit Kindergärten und Jugendzentren vernetzt werden.

Mit der Einrichtung von regionalen Lernzentren besteht die Möglichkeit, diverse schon bestehende Bildungsinstitutionen und Initiativen zu vernetzen und diese für neue Zielgruppen zu öffnen. Damit entstehen räumliche und personelle Synergieeffekte. In Großbritannien werden zum Beispiel Schulen als Community Centers für die gesamte Bevölkerung genutzt. In Österreich ist diese Tradition weit-gehend unbekannt, Schulen stellen für Erwachsene und Bildungsungewohnte hierzulande oft eher eine Barriere dar. Durchaus überlegenswert ist auch der Neubau von regionalen Lernzentren, der vor allem vielfältige neue räumliche und technische Möglichkeiten für das Lernen bietet (Kombination von Kursräumen, Bibliothek und Selbstlernräumen mit Computern). Diese Ausstattung auf modernstem Stand können herkömmliche Institutionen und Räume wie Schulen, Kulturhäuser und Pfarrsäle oft nicht bieten. Interessant wäre auch die Schaffung eines „virtuellen“ Lernzentrums. Das heißt, es gibt einen Zusammenschluss von Interessierten, der nicht unbedingt an ein fixes Haus gebunden ist.

Abbildung 14: Bild aus einem Lernzentrum in Glasgow (Großbritannien)

© European Communities, 1995-2008

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Entwicklung/Umsetzung

Prinzipiell geht es bei regionalen Lernzentren darum, den Lernenden je nach Lernerfordernis und Lernwunsch verschiedene Optionen der Bildung zu eröffnen. Ob nun Lernen sozial-kommunikativ in Kursen und Seminaren stattfindet oder stark individualisiert im Selbststudium, ob bestehende Ange-bote, wie zum Beispiel Kulturveranstaltungen oder Ausstellungen, durch begleitende Lernangebote attraktiver gemacht werden oder Bildung an Orten angeboten wird, die außerhalb von Bildungs-institutionen liegen – zumeist geht es darum, nicht in einem klassischen Sinne zu (be)lehren, sondern Lernen zu ermöglichen und zu begleiten. Wichtige Bestandteile dieser neuen Lernkultur sind neben der Wissensvermittlung die Information, die Beratung, die Kombination von Bildung und Erlebnis sowie die Koppelung von Lernen und Kommunikationsprozessen. Gleichzeitig verändert sich bei dieser Art des Lernens die Rolle von Lehrenden und Lernenden. Zwischen ihnen besteht keine klassische Hierarchie mehr, sondern ein kooperatives, partnerschaftliches Verhältnis. Lehrende sind nicht mehr nur WissensvermittlerInnen, sondern ModeratorInnen und LernbegleiterInnen. Lernende müssen viel mehr als bisher selbstorganisiert lernen können und wollen.

Die Entwicklung von regionalen Lernzentren ist ein längerfristiger Prozess. Er kann nicht von Heute auf Morgen gelingen, er braucht Ausdauer und Zeit. Wichtig ist, dass in einem ersten Schritt eine Ist-Standsanalyse der bestehenden Institutionen und Angebote im Bildungs-, Kultur- und Sozialbereich in der Region vorgenommen wird. Es ist zu fragen: Was ist alles schon vorhanden? Was wird angeboten? Was fehlt uns noch? Das Ergebnis zeigt oft, dass es schon viele Angebote und Initiativen in einer Region gibt, diese aber oft nebeneinander existieren und es wenig Kooperation und Vernetzung gibt. Ab diesem Punkt ist die Vernetzungsarbeit gefragt. Sie sollte sowohl die Anbieter und Initiativen als auch die Politik und natürlich die BürgerInnen mit einbeziehen.

Die nächste Frage stellt sich wie folgt: Was wollen wir erreichen? Wie soll unser regionales Lernzentrum aussehen? Zu begrüßen wäre hier ein Bürgerbeteiligungsprozess, dessen Ziel eine Projektinitiierung und -planung sowie – dann in der Folge – die Projektumsetzung ist. Als Methode zur Bürgerbeteiligung hat sich die Arbeit mit Zukunftswerkstätten bewährt. Eine Zukunftswerkstätte arbeitet (nach Jungk und Müllert) mit drei Phasen: einer Kritikphase, in der der Ist-Stand analysiert wird, einer Phantasiephase, in der kreative Lösungen erarbeitet werden und einer Verwirklichungs- oder Realisierungsphase, in der die kreativen Lösungen aus der Phantasiephase auf ihre Verwert-barkeit in der konkreten Praxis überprüft werden. Am Schluss der Zukunftswerkstätte entsteht ein Projektplan, der in der Folge gemeinsam abgearbeitet wird (siehe dazu ab S.177).

Idealerweise einigt man sich im Rahmen dieses Prozesses auf ein bestimmtes Projekt. Sollte es dabei zum Beispiel zur Errichtung eines Zentrums kommen, könnten neben öffentlichen Geldern auch Förderungen der Europäischen Union angesprochen werden. Bei regionalen Lernzentren geht es aber nicht immer um die Errichtung eines Zentrums, vielfach werden verschiedene Angebote integriert, durch neue Elemente des Lernens begleitet oder auch Lern- oder Begleitangebote durch eine veränderte Struktur beziehungsweise Kooperation ermöglicht.

Wer sich ein konkretes Bild von regionalen Lernzentren machen möchte, dem sei das Buch „Learning Centres“ von Richard Stang und Claudia Hesse (Hrsg.) empfohlen. Sie lassen in ihrem Buch VertreterInnen aus Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Österreich, Slowenien und Spanien zu Wort kommen. So entsteht ein Bild der vielfältigen Ausprägungen von Lernzentren in Europa. Diesem Buch sind auch die folgenden Organisationsmodelle entnommen, die einige konkrete Beispiele aufzeigen (Stang / Hesse 2006, S. 166ff.):

„Modell ‚Selbstlernzentrum’ Unter diesem Modell können Institutionen subsumiert werden, die sich darauf spezialisiert haben, die Lernenden zu unterstützen, indem sie ihnen eine Infrastruktur zur Verfügung stellen, die meist aus Computerarbeitsplätzen und Zugriffsmöglichkeiten auf ein Set von Lernquellen (Lernsoftware, Literatur, Internet-Ressourcen usw.) besteht. Beratung der Lernenden ist ein weiterer Aspekt, der diese Selbstlernzentren auszeichnet. Solche Angebote lassen sich in fast allen Ländern finden.

Modell ‚Bildungszentrum’ Traditionelle Bildungszentren, wie wir sie in vielen Ländern finden, sind prädestiniert dafür, die Funktion von Learning Centres zu übernehmen. Doch bedarf es dazu der Erweiterung des Angebots-spektrums, das sich traditionell auf Kursangebote für Gruppen beschränkt. Selbstlernangebote, Lern-

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beratung oder E-Learning-Angebote können die Lernoptionen um stärker individualisierte Elemente erweitern. Der große Vorteil, um Entwicklungen in diesem Kontext voranzutreiben, ist die vorhandene Infrastruktur.

Modell ‚Nachbarschaftszentrum’ Eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren in einigen Ländern vollzogen hat, ist die Etablierung von stadtteilbezogenen Einrichtungen, die sich vor allem auf soziale Problemlagen der Bevölkerung beziehen und sich in besonderem Maße zum Ziel gesetzt haben, bildungsferne Bevölkerungs-schichten an das Lernen heranzuführen. Die Beteiligung der Nutzer/innen an der Entwicklung der Angebote ist ein wichtiger Bestandteil der Konzeption. Kursangebote, Selbstlernangebote, Beratung und Kommunikationsmöglichkeiten gehören zu den wichtigsten Elementen dieser Einrichtungen. Der große Vorteil besteht darin, dass die Nähe zu den Nutzer/inne/n die Schwellen des Zugangs absenkt und dadurch bildungsferneren Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Bildung erleichtert.

Modell ‚Bibliothek’ In den letzten Jahren profilieren sich verstärkt Bibliotheken als Zentren für das lebenslange Lernen. Was in Großbritannien oder den skandinavischen Ländern eine lange Tradition hat, ist in anderen Ländern wie zum Beispiel Österreich und Deutschland eine neuere Entwicklung. Bibliotheken als klassische informations- und Wissensdienstleister haben mit ihren Büchern und ihrer Software einen immensen Bestand an Lernmaterialien, die für selbstgesteuerte Lernprozesse genutzt werden können. Die neue Qualität zeichnet sich dadurch aus, dass diese Ressourcen in Lernsettings integriert werden. Dies geschieht zum Beispiel, wenn in so genannten ‚Lernateliers’ thematisch gebündelt Materialien und die Möglichkeit zur Internet-Recherche zur Verfügung gestellt werden. Ein anderes Beispiel sind Einführungskurse in die Arbeit mit dem Internet oder unterstützende Angebote zum Sprachenlernen.

Modell ‚One-Stop Shop’

Einen umfassenden Service für lebenslanges Lernen bieten Institutionen, die man dem Modell ‘One-Stop Shop’ zuordnen kann. Besonders in Österreich und Deutschland sind in den letzten Jahren

institutionelle Strukturen aufgebaut worden, mit denen versucht wird, Information, Bildung und Beratung in einer Einrichtung zu integrieren. Ziel dieser Serviceinstitutionen ist es, den Bürger/inne/n einen Anlaufpunkt zur Verfügung zu stellen, in dem Informations-, Bildungs- und Beratungsdienst-leistungen ‚unter einem Dach’ sind. Ein solches Modell wird zum Beispiel im ‚Wissensturm’ in Linz (Österreich) oder im ‚Zentrum für Information und Bildung’ in Unna (Deutschland) umgesetzt, wo verschiedene Institutionen wie Bürgerservice, Bibliothek, Erwachsenenbildungseinrichtung und teil-weise Kultureinrichtungen ihre spezifischen Kompetenzen in einem integrierten Konzept zusammenführen.

Abbildung 15: Im Linzer Stadtzentrum finden sich Volkshochschule, Seminarräume, Bibliotheken und Selbstlernzentrum innerhalb eines Wissensturms. © Foto: Stadt Linz

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Support

Der gesamte Prozess (Ist-Standsanalyse, Projektentwicklung, Projektdurchführung) sollte extern, das heißt von außen, begleitet werden. Es bietet sich eine Evaluation des gesamten Prozesses an. Folgende Kriterien für ein Benchmarking von regionalen Lernzentren sind anzuführen. Danach sollten regionale Lernzentren idealerweise:

- „das Lernen initiieren, - die Lernbereitschaft fördern und zum Weiterlernen anregen, - den Kompetenzerwerb bezogen auf allgemeine, aber auch auf berufliche Anforderungen

fördern, - Lernwege begleiten, - Lernen zum Erlebnis machen, - offen für die unterschiedlichsten Lernbedarfe sein, - soziale, kulturelle und virtuelle Lernquellen aufzeigen, - transparent in ihren Angeboten sein, - neue Medien, wie Computer und Internet, integrieren, - interkulturelle, intergenerationelle und Gender-Perspektiven berücksichtigen, - zielgruppenspezifische Differenzierungen erlauben, - Lernen und Bildung im lokalen bzw. regionalen Kontext verankern, - Kommunikation fördern, - die Vernetzung von Lernenden unterstützen.“ (Stang/ Hesse 2006, S. 166ff.).

Literatur zum Thema

Faulstich, Peter/ Zeuner, Christine (Hrsg.)(1999): Erwachsenenbildung. Eine handlungsorientierte Einführung in Theorie, Didaktik und Adressaten. Weinheim.

Gruber, Elke: Lernen mit Erwachsenen. In: Verband Wiener Volksbildung (Hrsg.)(2006): Unterrichten in der Volkshochschule. Grundlagen für KursleiterInnen. Wien, S. 7-18.

Jungk, Robert/ Müllert, Norbert R. (1981): Zukunftswerkstätten. Wege zur Wiederbelebung der Demokratie. Hamburg.

Siebert, Horst (2001): Selbstgesteuertes Lernen und Lernberatung. Neuwied Kriftel.

Stang, Richard/Hesse, Claudia (Hrsg.) (2006): Learning Centres. Neue Organisationskonzepte zum lebenslangen Lernen in Europa. Bielefeld.

Univ.-Prof. Maga. Dr. Elke Gruber ist Inhaberin des Lehrstuhls für Erwachsenen- und Berufsbildung an der Universität Klagenfurt. E-Mail: elke.gruber(at)uni-klu.ac.at Internet: www.uni-klu.ac.at/ifeb/eb

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Umsetzungsmöglichkeiten im ländlichen Raum Gerade im ländlichen Raum macht eine möglichst gute Zusammenarbeit von dörflichen Bildungs- und Kultureinrichtungen Sinn. Klassisches Beispiel dafür sind dörfliche Kulturhäuser, die in erster Linie Orte zum Versammeln, Reden und persönlichen Austausch bilden. So bieten sich im ländlichen Raum multifunktionale Orte an, die …

- eine kleine Bibliothek, - möglicherweise Musikproberäume, - Infrastruktur für Veranstaltungen, Vorträge, Lesungen, Diashows, Filmvorführungen,

Ausstellungen, - einen kleinen Ausschank bzw. Möglichkeit zum Kaffeetrinken, etc. bieten.

Dies könnten „Lernzentren“ sein, die mit nur wenig Investition klassische Bildungs- und Kulturaufgaben mit dem Aspekt der Gemeinschaftsförderung verbinden. Mitzubedenken sind dabei stets die oftmals sehr verschiedenen Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen, Familien, Erwerbstätigen und PensionistInnen.

Anzudenken wäre auch der umgekehrte Weg, im Sinne einer aufsuchenden Bildungs- und Kulturarbeit. Dabei werden die örtlichen Cafés und Gasthäuser als Orte für Ausstellungen, Lesungen, Räume für Veranstaltungen und, was noch selten geschieht, Ortsbibliotheken benutzt. Zu diesem Thema gibt es umfangreiche Literatur aus dem Bereich der Dorferneuerung, wie bspw.: Rohrmoser, Anton (1991): Projekte zur geistigen Dorferneuerung, in: Schoeller, Dieter (Hrsg,): Dorferneuerung. Anregung zum Mitmachen, Band II, Tyolia Verlag Innsbruck-Wien. Rohrmoser, Anton (Hrsg.) (2004): GemeinWesenArbeit im ländlichen Raum. Studienverlag, Innsbruck.

Abbildung 16 Seminarzentrum Auland-Carnuntum in Bruck/Leitha (NÖ) © Regionalentwicklungsverein Auland-Carnuntum

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Kompetenzanerkennung Handbuch Lernende Regionen

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Informelles Lernen / Kompetenzanerkennung

Informelles Lernen im Rahmen von Projektaktivitäten

Etwa 70% aller Lernprozesse erfolgen abseits von Schule und Kursen gewissermaßen unbewusst und häufig aus der Praxis heraus (learning by doing).16 In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein über die Wichtigkeit dieser Form des Lernens verstärkt. Hintergrund ist der Übergang von der „Wissensorientierung“ zur „Kompetenzorientierung“, d.h. die Erkenntnis, dass es zunehmend weniger wichtiger wird konkrete Dinge zu wissen, als vielmehr handlungsfähig zu sein (z.B. auch um sich Wissen zu verschaffen).

Die aktive Mitarbeit an Projekten fördert Kompetenzen wie Führungs- und Teamfähigkeit, Ziel- und Kundenorientierung. Die Fördermaßnahme „LERNENDEN REGIONEN“ forciert daher bewusst das informelle Lernen der BewohnerInnen über Projektaktivitäten. Im Bereich regionales Wissens-management bietet sich ein doppelter Lerneffekt an (s. dort): Einerseits wird durch Projekte in diesem Bereich Wissen über die Region produziert und verfügbar gemacht, andererseits erwerben die an den Projekten Beteiligten Kompetenzen sowie das erarbeitete Wissen.

Anerkennung informell erworbener Kompetenzen

Neben dem informellen Lernen als solchem wird es in Zeiten der Flexibilisierung der Bildungsbiografie wichtig, sich solcher informell erworbener Kompetenzen bewusst zu werden und diese – z.B. gegen-über dem Arbeitgeber – entsprechend auszuweisen. Die Zertifizierung informeller Kompetenzen ist sowohl im beruflichen wie im privaten Bereich Thema, bei letzterem geht es vor allem um Schlüssel-qualifikationen, die im Ehrenamt erworben wurden.

LERNENDE REGIONEN bieten den BewohnerInnen Gespräche mit geschulten BeraterInnen, aus denen heraus Portfolios erstellt werden, die den Stand erworbener Fertigkeiten dokumentieren. Untersuchungen zeigen, dass Kompetenz-Portfolios den KlientInnen wichtige Orientierungen in Bezug auf ihre Möglichkeiten der Weiterentwicklung geben17.

Kompetenzportfolio/ -analyse/ -workshop

Das Kompetenz-Portfolio ist eine Mappe, in der die im Ehrenamt erworbenen Kompetenzen systematisch dokumentiert werden. Es umfasst

- ein kurzes Portrait des ehrenamtlichen Engagements, - ein persönliches Kompetenzprofil und - einen Aktionsplan für geplante Maßnahmen: z.B. neue Akzentsetzungen im Ehrenamt,

Weiterbildungsmaßnahmen, Bewerbungen am Arbeitsmarkt usw. Kernstück der Portfolio-Erstellung ist ein ca. zweistündiges Kompetenz-Gespräch mit einem/einer zertifizierten Portfolio-Begleiter/in. Das Gespräch wird in mehreren Schritten gemeinsam ausgewertet und anschließend als Portfolio vom/ von der Ehrenamtlichen fertig gestellt. Aus pädagogischer Sicht ist die Portfolio-Erstellung eine begleitete Selbstbewertung. Nach Erstellung des Portfolios kann gemeinsam mit dem/der Portfolio-Begleiter/in ein Kompetenznachweis für Bewerbungen erstellt werden. Der Kompetenznachweis ist eine auf das jeweilige Bewerbungsziel ausgerichtete Kurzfassung des Portfolios.

Der Kompetenz-Workshop ist ein Angebot zur Portfolio-Erstellung in einem Gruppenprozess. Der Workshop kann sowohl von Ehrenamtlichen aus unterschiedlichen Bereichen als auch für einzelne Vereine oder Initiativen genutzt werden. In einem Wechselspiel von Kurzvorträgen und Kleingruppen- 16 Dohmen, Günther (BMBF)(2001): Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher vernachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller, Bonn. 17 Ring österreichischer Bildungswerke 2005: Engagement schafft Kompetenz. Informelles Lernen im Alltag. Das Kompetenz-Portfolio der Bildungswerke, Wien.

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Handbuch Lernende Regionen Kompetenzanerkennung

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arbeit begibt sich die Gruppe auf den Weg der gemeinsamen Erkundung und Bewertung des Kompetenzerwerbs. Ergebnis ist eine aktuelle Kompetenz-Bilanz für die Ehrenamtlichen als Grund-lage für die Erstellung des Kompetenz-Portfolios. Gruppen aus einer einzelnen Organisation können darüber hinaus eine Kompetenz-Bilanz für ihren Verein erstellen.

Informelles Lernen erkennen und anerkennen

(von Mag. Wolfgang Kellner, Ring österreichischer Bildungswerke)

Informelles Lernen und informeller Kompetenzerwerb haben in der europäischen Bildungspolitik und Bildungsforschung in den letzten Jahren immer größere Bedeutung gewonnen. Das Hauptinteresse richtet sich dabei auf den erwarteten Beitrag der informell erworbenen Kompetenzen zur so ge-nannten Beschäftigungsfähigkeit (employability). Auch in der österreichischen Bildungspolitik findet das Thema verstärkt Resonanz – so lesen wir im „Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungs-periode“ vom Jänner 2007 im Bildungskapitel: „Im Hinblick auf die steigende Bedeutung des lebens-begleitenden Lernens ist die Vernetzung und Durchlässigkeit zwischen Aus- und Weiterbildung weiter zu verstärken und die Anerkennung von informell erworbenen Kompetenzen auszubauen“ (S. 85). Im Unterkapitel zur Erwachsenenbildung werden das „zeitgemäße Beratungsinstrument“ Kompetenzbi-lanz (S. 95) und der „Ausbau von Systemen der Anerkennung nonformal erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse“ (S.96) geltend gemacht. In Österreich haben in den letzten Jahren vier Projekte dazu Pionierarbeit geleistet - drei aus dem Bereich der Erwachsenenbildung (EB), eines aus dem Bereich staatlicher Freiwilligenförderung:

- Das Kompetenzanerkennungsverfahren der Volkshochschule Linz - Die Kompetenzenbilanz des Zukunftszentrums Tirol - Das Kompetenz-Portfolio für Freiwillige des Ringes Österreichischer Bildungswerke - Der Nachweis über Freiwilligenarbeit des Bundesministeriums für soziale Sicherheit,

Generationen und Konsumentenschutz Zielgruppe der Verfahren der VHS und des Zukunftszentrums sind im Prinzip alle, die für Neu- oder Umorientierungen am Arbeitsmarkt auch ihre informell erworbenen Kompetenzen geltend machen wollen. Zielgruppe der Verfahren des Ringes und des BMSG sind Freiwillige/ Ehrenamtliche, die ihre im Engagement erworbenen Kompetenzen gezielt nutzen wollen. Die drei EB- Projekte entwickelten anspruchsvolle Verfahren für die speziellen methodischen Herausforderung beim Anerkennen, denn: Anerkennen informell erworbener Kompetenzen setzt das Erkennen derselben voraus. Informelles Lernen ereignet sich aber in großem Umfang hinter dem Rücken der Lernenden: im Prozess der Erwerbsarbeit, innerhalb der Familienarbeit, im sozialen Umfeld, in der Freiwilligenarbeit, beim Hobby usw. – und ist daher den Lernenden zumeist wenig bewusst. Beim Bewusstmachen setzen die drei EB- Verfahren - in vergleichbarer Weise - auf dialogische, selbstreflexive, biografieorientierte Methoden. Die folgenden Kurzdarstellungen der Modelle befragen vor allem die methodischen Settings.

Das Kompetenzanerkennungsverfahren der Volkshochschule Linz

Das als Kompetenzprofil bezeichnete Verfahren ist ein modulares Programm zur Feststellung, Anerkennung und Zertifizierung von Kompetenzen. Ziel ist die Erstellung eines umfassenden persön-lichen Kompetenzprofils unter Einbeziehung von formal und informell erworbenen Kompetenzen aus allen Lebensbereichen. Das Verfahren umfasst

- vier Gruppenworkshops (im Umfang von jeweils fünf Unterrichtseinheiten) - Eigenarbeit im Ausmaß von mindestens 20 Stunden - optional: Assessment für soziale/ kommunikative Kompetenz (eintägig)

„Der Profilerstellungsprozess beginnt mit einem Überblick über den bisherigen Werdegang der Teil-nehmerInnen. In der Folge werden einzelne Tätigkeiten und Leistungen aus den Bereichen Bildung, Beruf, Familie und Nichterwerbstätigkeit im Hinblick auf den Kompetenzerwerb genau analysiert. Aus dieser sehr umfassenden Analyse erstellen die TeilnehmerInnen ihr persönliches Kompetenzprofil, das die wesentlichen Kernkompetenzen dokumentiert. Dieses Profil dient dann als Basis für die Planung von weiteren Schritten und Maßnahmen zur Erreichung der von den TeilnehmerInnen definierten beruflichen und persönlichen Ziele.“ Der optionale Aufbaumodul „Assessment“ bietet TeilnehmerInnen die Chance, ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen in einem eintägigen Gruppenassessment darzustellen und ein

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ExpertInnenfeedback zu bekommen. Ergebnisse des Selbsteinschätzungsprozesses sind eine Portfoliomappe (das persönliche Dokument), eine Zertifikatsmappe (z. B. für Bewerbungen) und (optional) das Assessmentergebnis. Weitere Informationen: www.kompetenzprofil.at

Die Kompetenzenbilanz des Zukunftszentrums Tirol

Das Zukunftszentrum ist mit Forschungs-, Entwicklungs- und Bildungsarbeit im Bereich „Veränder-ungen der Arbeits- und Lebenswelt von morgen“ befasst, getragen von der Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol, vom Land Tirol und von der Stadt Innsbruck. „Die Kompetenzenbilanz ist ein sehr er-probtes und erfolgreiches Coaching-Verfahren zur persönlichen Standortbestimmung. Sie ist ein Weg, erlernte und erfahrene Fähigkeiten, das eigene Wissen und die eigenen Stärken zu erkennen, zu bündeln und klar zu formulieren“. Der Kompetenzbilanz-Prozess umfasst über einen Zeitraum von vier bis fünf Wochen…

- den Einführungsworkshop (zwei Stunden), - drei zweistündige Coaching-Gespräche - die Eigenarbeit zwischen den vier Terminen (jeweils drei bis fünf Stunden)

Der Einführungsworkshop informiert über Inhalte, Ziele und Nutzen der Kompetenzbilanz. Beim Kernstück des Verfahrens, den Coaching-Gesprächen I und II, geht es um das Bewusstwerden zentraler Fertigkeiten und damit verknüpfter Schlüsselerfahrungen sowie um die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie und eigenen Kompetenzen. Im Abschlussgespräch mit dem Coach werden klare Ziele und konkrete Schritte für die Zukunft formuliert. Kurze Zeit nach dem Abschlussgespräch erhalten die KlientInnen die vom Coach erstellte Kompetenzbilanz, die vier Seiten umfasst. Der gesamte Zeitaufwand für KlientInnen beträgt ca. 20 Stunden – inklusive der acht Stunden für den Einführungsworkshop und die Coaching-Gespräche. Weitere Informationen: www.zukunftszentrum.at

Das Kompetenz-Portfolio für Freiwillige des Ringes Österr. Bildungswerke

Der Ring ist ein Bundesverband im Bereich der Erwachsenenbildung mit Mitgliedsorganisationen, deren Bildungsarbeit weitgehend von Freiwilligen getragen wird. Seit mehreren Jahren ist der Ring auch mit Forschungs- und Entwicklungsarbeit zum Freiwilligenbereich befasst – und entwickelte unter anderem das Kompetenz- Portfolio für Freiwillige. „Mit dem Kompetenz-Portfolio werden die im Freiwilligen Engagement erworbenen Kompetenzen systematisch erkundet, bewertet und schließlich dokumentiert, um sie gezielt für die persönliche Weiterentwicklung und Weiterbildungsplanung, für Bewerbungen am Arbeitsmarkt, für persönliche Neuorientierungen im Freiwilligen Engagement usw. nutzen zu können.“ Der Portfolio-Prozess umfasst

- das Kompetenz-Gespräch mit Portfolio-BegleiterInnen (ca. zwei Stunden). - die Vorauswertung durch die Portfolio-BegleiterInnen - Ausarbeiten und Fertigstellung des Portfolios durch die Freiwilligen (Zeitaufwand: vier bis acht

Stunden; Begleitung je nach Bedarf per Mail und/oder Telefon)

Abbildung 17 Portfolio-Begleitung im steirischen

Volksbildungswerk© Ring österreichischer Bildungswerke

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Kernstück des Portfolio-Prozesses ist das Kompetenz-Gespräch mit den Portfolio-BegleiterInnen. Diese erstellen eine Vorauswertung, die den Freiwilligen zumeist per Mail zugesandt wird und als Grundlage dient für die eigenständige Weiterarbeit und Fertigstellung des sechs bis acht Seiten umfassenden Portfolios. Nach der Portfolio-Erstellung kann gemeinsam mit den BegleiterInnen ein Kompetenznachweis für Bewerbungen erstellt werden. Dabei handelt es sich um eine auf das jeweilige Bewerbungsziel ausgerichtete Kurzfassung des Kompetenz-Portfolios auf zwei Seiten. Weitere Informationen: www.kompetenz-portfolio.at

Der Nachweis über Freiwilligenarbeit des Sozialministeriums

Der Nachweis über Freiwilligenarbeit des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz ist ein Bestandteil des Freiwilligenpasses. Dieser ist eines der Produkte, die aus Initiativen des BMSK (Kompetenzzentrum für Senioren-, Bevölkerungs- und Freiwilligenpolitik) im Zusammenhang mit dem Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 hervorgegangen sind. „Der Österreichische Freiwilligenpass besteht aus einer Mappe, in der Freiwillige ihre verschiedenen Nachweise über Freiwilligenarbeit sammeln können. Darin befindet sich der Österreichische Freiwilligenpass zur Bestätigung der Mitarbeit in einem Verein, Organisation, Initiative, Selbsthilfegruppe etc., der Nachweis über Freiwilligenarbeit mit Vordruck für Stellenbewerbungen und ohne Vordruck für Danksagungen sowie die Ausfüllhilfe. Ausstellungsberechtigt sind alle Organisationen, Vereine, Initiativen, Selbsthilfe-gruppen und Institutionen, die für gemeinnützige Zwecke tätig sind“. Ziel des Nachweises ist es, „nicht nur geleistete Arbeit, sondern auch die dabei erworbenen Kompetenzen objektiv (zu) dokumentieren“. Die Ausfüllhilfe soll die AusstellerInnen (zumeist Vereinsvorsitzende) beim Identifizieren und Beschreiben der Kompetenzen unterstützen. Der Nachweis versammelt auf einer Seite Funktionen, Tätigkeiten, Kompetenzen und Fähigkeiten sowie Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. Weitere Informationen: www.freiwilligenweb.at

Zwischenbilanz

Bei den drei EB-Modellen ereignet sich das Bewusstmachen informeller Lernprozesse bzw. des informellen Kompetenzerwerbs als eigenständiger und sehr komplexer Bildungsprozess, der als begleiteter Lernprozess angelegt ist – sei es im Rahmen von Einzelbegleitungen/ Einzelcoachings (Zukunftszentrum, Ring), sei im Rahmen von Gruppenworkshops (VHS). Die BegleiterInnen/ Coaches werden für die drei Verfahren jeweils speziell qualifiziert und zertifiziert. Die Verfahren der VHS- und des Zukunftszentrums richten ihre Aufmerksamkeit auf die gesamte Kompetenzbiografie (und sind auch entsprechend aufwändiger), die des Rings und des BMSG auf den Kompetenzerwerb im Freiwilligen Engagement. Dem BMSG-Verfahren kommt im Spektrum der vier Modelle eine Sonder-stellung zu, da die pädagogische Dimension dabei einen untergeordneten Stellenwert hat. Die bildungspolitische Relevanz des Angebots liegt aber darin, dass es innerhalb des weitläufigen Freiwilligenbereichs (mehr als die Hälfte der ÖsterreicherInnen sind freiwillig engagiert) für Prozesse des informellen Lernens sensibilisiert. Darüber hinaus ist belegt, dass gerade der Freiwilligenbereich ein Gebiet ist, wo besonders vielfältig und umfänglich informell gelernt wird. Richtungweisend sind die Evaluationsergebnisse zu den drei EB-Verfahren: sehr hohe Zufriedenheit mit den Ergebnissen, weit reichender Orientierungsgewinn und Stärkung des Selbstbewusstsein – und nicht zuletzt als zentrale Erfahrung mit den verwendeten Begleitmethoden: es macht schlicht Spaß! (und nicht nur den Portfolio- ErstellerInnen, sondern auch den BegleiterInnen). So kommen mit den pädagogischen Bezugnahmen auf informelle Lernprozesse neue, attraktive Lernerfahrungen Erwachsener (begleitetes Erforschen der eigenen Lernbiografie) und neue, attraktive Aufgaben für Erwachsenen-bildnerInnen (als LernbegleiterInnen) ins Spiel – und die drei Verfahren erweisen sich als ideale Begleitinstrumente im Prozess des lebenslangen Lernens. Mag. Wolfgang Kellner ist wissenschaftlicher Leiter des Rings österreichischer Bildungswerke. w.kellner(at)volksbildungswerke.org, http://www.bildungswerke.at

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Weitere Beispiele: ProfilPASS und Sprachenportfolio Der ProfilPASS dient der systematischen Ermittlung und Dokumentation eigener Fähigkeiten und Kompetenzen. Ziel ist es, dass sich die BenutzerInnen mit dem eigenen Handeln, den dabei genutzten Kompetenzen intensiv auseinandersetzen und ein Selbstbewusstsein über die persönlichen Stärken entwickeln. Dies soll dann zu lebenslangem Lernen motivieren und aktivieren. Er wurde in Deutschland 2002 entwickelt um den Nachholbedarf bei der Anerkennung informell erworbener Kompetenzen entgegenzuwirken. Bis 2008 konnten 15.000 Profilpässe ausgestellt werden. Der Profil-pass ermöglicht eine Standortbestimmung (Was kann ich?), Zielentwicklung (Was will ich?), Orientierungshilfe (Welche Wege eröffnen sich mir?) sowie Argumente für die Bewerbung um eine Arbeitsstelle. Wie eine Evaluation ergab, eignet sich das Instrument für alle Zielgruppen, mit Aus-nahme von Jugendlichen, für die daraufhin ein eigener „Profilpass für junge Menschen“ entwickelt wurde.

Das Sprachenportfolio macht sprachliche Leistungen transparent und über europäische Grenzen hinweg vergleichbar, indem es sich an den international gültigen Standards des gemeinsamen Euro-päischen Referenzrahmens der Sprachen (GER) orientiert. Damit motiviert es gleichzeitig, euro-päische Zertifikate zu erlangen. Ein Sprachenportfolio besteht aus drei Teilen: Der Sprachenpass informiert über den Stand der erworbenen Sprachkenntnisse und Sprachlernerfahrungen. Die Sprach-biografie beschreibt die persönliche Geschichte des eigenen Sprachenlernens und die Erfahrungen mit anderen Kulturen. Sie stellt Hilfen zur Selbstbeurteilung und zur Planung des selbstständigen Lernens bereit. Das Sprachendossier ist eine Sammlung ausgewählter persönlicher Arbeiten, die erreichte Sprachkompetenzen dokumentieren. Wichtiges Teilziel dabei ist die sprachliche Förderung von MigrantInnen. Informationen http://www.lernnetzwerk-bremen.de/index.php?id=projekte

Wissens- & Kompetenzbörse

Seit Anfang 2003 unterstützt die Hamburger Billenetz-Wissensbörse die BewohnerInnen der Region dabei, selbstbestimmt und kostenlos Fähigkeiten und Wissen auszutauschen. Das Billenetz tritt dabei als „Kompetenz-Coach“ und Vermittler von LernpartnerInnen auf. Die Wissensbörse umfasst Kompe-tenzen im Bereich Sprachen, kreative und/oder handwerkliche Angebote, Geschichte, Sport, Gesund-heit und vieles mehr. Darüber hinaus trägt die Wissensbörse zum Aufbau sozialer Netze und Nachbarschaften, zur Aufwertung und Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements, zur Ver-besserung der Beziehungen zwischen Jung und Alt und zur Verbesserung der interkulturellen Kompetenz und Verständigung zwischen MigrantInnen und Deutschen bei. Informationen: http://www.billenetz.de/projekte/boerse Siehe zu diesem Thema auch das Kapitel „Berufliche Bildung“ – „Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen“ ab S.147.

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Zielgruppenspezifische Angebote

Angebote für bildungsferne Gruppen

Sämtliche Untersuchungen im Zusammenhang des lebenslangen Lernens weisen so genannte bildungsferne Personen, das sind solche ohne oder mit geringem Bildungsabschluss, als sozial gefährdet (mit hohem Armutsrisiko) aus. Weiterbildungsbereitschaft korreliert mit dem Bildungsab-schluss, es bedarf daher besonderer Anreize, um diese Zielgruppe zu Lernaktivitäten zu motivieren. Untersuchungen zeigen, dass bildungsferne Gruppen am ehesten in vertrauten Strukturen – wie es der Arbeitsplatz oder die Wohnregion/-gemeinde darstellen – für Bildungsaktivitäten zu gewinnen sind. Grundlegend sind Alphabetisierungs- bzw. Basisbildungsangebote. Gerade für diese Angebote erweist sich der regionale Ansatz als optimal, weil er einerseits räumliche Erreichbarkeit garantiert, andererseits aber mehr Anonymität mit sich bringt als es bei lokalen Angeboten der Fall wäre.

Angebote für bildungsferne Gruppen – insbes. im Bereich „Basisbildung“ werden in Österreich vom esf gefördert (s. u.). Solche Angebote können daher nicht unmittelbar als Pilotprojekte durch die Maß-nahme LERNENDE REGIONEN gefördert werden. Es geht daher eher darum, bestehende Angebote bzw. Angebotsträger in die Netzwerke LERNENDER REGIONEN einzubeziehen und zu einer abgestimmten Vorgehensweise zu kommen bzw. auch neue Angebote auf Basis von Drittmittelfinanzierungen zu initiieren.

Angebote für Bildungsferne als Instrument Lernender Regionen

(von Univ.Ass. Monika Kastner, Universität Klagenfurt)

Aufgabe für LERNENDE REGIONEN ist es, bildungsfernen bzw. weiterbildungsungewohnten Personen Zugänge zum lebenslangen Lernen zu eröffnen, Weiterbildungsteilnahme zu ermöglichen bzw. zu erleichtern und daher bestehende strukturelle Barrieren abzubauen sowie adäquate Angebote zu offerieren. Im Folgenden werden dazu gesellschaftliche und bildungspolitische Rahmenbedingungen analysiert, Vorschläge und Ideen für die Entwicklung und Umsetzung des Instrumentes aufgezeigt bzw. skizziert und ergänzend dazu werden Unterstützungsmaßnahmen (Support) thematisiert.

Rahmenbedingungen

Angebote für Bildungsferne sind ein bedeutsames Instrument LERNENDER REGIONEN, denn die uneingeschränkte Teilhabe an lebensbegleitender Bildung ALLER BewohnerInnen einer Region stellt ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel dar. Dass (Weiter)Bildung und Lernen keine „Allheilmittel“ sind und gegen strukturelle Gegebenheiten wie z.B. den Abbau von Arbeitsplätzen in einer Region nichts ausrichten können, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Dennoch kann Weiterbildung als ein Beitrag zu einer befriedigenden Lebensgestaltung gesehen werden, denn sie kann als Sinn stiftend erfahren werden, neue Perspektiven eröffnen und stärkend auf Teilnehmende wirken.

Hintergrund/gesellschaftspolitische Notwendigkeit

Die Teilnahme Erwachsener am lebenslangen Lernen (Personen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, die angegeben haben, sie hätten vier Wochen vor der Erhebung an einer Ausbildung bzw. einem Unterricht teilgenommen) liegt im Jahr 2006 im EU-Durchschnitt bei ca. 10%, in Österreich leicht über diesem Durchschnitt bei ca. 13%18. Von der Europäischen Kommission19 wird festgestellt, dass die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung jedoch weitgehend auf junge Menschen zuge-schnitten sind und dass die Zahl erwachsener TeilnehmerInnen steigen sollte, was höherer Invest-

18 Die Daten sind der Homepage der „Eurostat“ unter dem Stichwort „Bevölkerung und soziale Bedingungen“ und hier unter dem Stichwort „Bildung und lebenslanges Lernen“ entnommen. 19 Europäische Kommission (2006): Erwachsenenbildung. Man lernt nie aus. KOM(2006)614. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/site/de/com/2006/com2006_0614de01.pdf [Nov. 2007], S.2.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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itionen in die Erwachsenenbildung bedarf. Begründet wird diese Forderung u. a. mit folgenden Nutzef-fekten: Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit, höhere Produktivität, weniger Ausgaben für Sozial-leistungen und Unterstützung von Erwerbslosen, stärkere gesellschaftliche Teilhabe, bessere Gesundheit und weniger Kriminalität, stärkere individuelle Zufriedenheit und ein Beitrag zur persön-lichen Selbstverwirklichung20.

In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage nach der Definition von „bildungsfern“: M.E. sollte eher von „bildungsbenachteiligt“ gesprochen werden, denn der Benachteiligungsbegriff informiert da–rüber, dass behindernde und verhindernde Mechanismen am Werk sind. Denn: „Benachteiligung drückt sich in ungleichen Entwicklungs- und Partizipationschancen aus.“21

„Bildungsferne“ Zielgruppen sollen hier definiert werden als Personengruppen, die nie oder sehr selten an formalen bzw. nicht-formalen22 Weiterbildungsangeboten teilnehmen oder teilnehmen können. Als „bildungsfern“ werden auch Personen bezeichnet, die über geringe formale Qualifikation-en verfügen, insbesondere solche ohne Pflichtschulabschluss, wobei das für die Nichtteilnahme an Weiterbildung (mit)verantwortlich ist. In einem ironischen Umkehrschluss könnte „bildungsfern“ aller-dings den Umstand bezeichnen, dass in Wirklichkeit die Bildung und ihre Einrichtungen diesen Menschen ferngeblieben sind bzw. fernbleiben23. Personen mit Grundbildungsbedarf (Lese-, Schreib- Mathematik- und EDV-Kompetenzen, Lernkompetenz24) werden auch oft als „bildungsfern“ bezeichnet. Diese erfahren durch entsprechende Projekte25 bildungs- und beschäftigungspolitische Aufmerksamkeit und werden in letzter Zeit verstärkt in den Blick genommen. So finden sich im österreichischen Strategiepapier zum lebenslangen Lernen26 Hinweise zur Notwendigkeit der Beseitigung von Bildungsbenachteiligung und zur Förderung der Grundbildung in Österreich. Gerade Erwachsene mit Grundbildungsbedarf berichten vielfach über ihre negativen schulischen Lernerfahr-ungen, was die Frage nach der Qualität der Schule (Unterricht, Förderkultur, Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen, Größe der Klassen) aufwirft. Die Vermutung liegt nahe, dass Schulen den Lernenden

20 vgl. ebd. 21 Geßner, Thomas (2004): Was benachteiligt wen und warum? Versuch einer Präzisierung des Konstrukts „Benachteiligung“. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik, Jg. 2, Heft 1, S. 38. 22 Die Europäische Kommission definiert formales Lernen als strukturiertes, zielgerichtetes und zu einer Zertifizierung führendes Lernen in Bildungs- oder Ausbildungseinrichtungen. Nicht-formales Lernen findet außerhalb solcher Einrichtungen statt, ist aber auch systematisch und zielgerichtet. Informell wird häufig gelernt, quasi en passant, im Alltag, am Arbeitsplatz, in der Familie und in der Freizeit (vgl. Europäische Kommission (2001): Einen europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen. Mitteilung der Kommission. KOM(2001)678. http://ec.europa.eu/education/policies/lll /life/communication/com_de.pdf [Nov. 2007], S. 32-35). 23 Hier folge ich der Auffassung der BiKoo – Bildungskooperative Oberes Waldviertel, die „bildungsfern“ als Bezeichnung ihrer Zielgruppen aus oben angeführtem Grund ablehnt und lieber von „BildungseinsteigerInnen“ spricht (siehe dazu auch Kastner, Monika (2006): BiKoo – Bildungskooperative Oberes Waldviertel. Evaluation des Ziel 3 Projektes „BildungseinsteigerInnen“ (Materialien zur Erwachsenenbildung Nr. 1/2006). Wien. http://www.erwachsenenbildung.at/services/ publikationen/ materialien_zur_eb/11472_PDFzuPublD107.pdf [Nov. 2007], S. 16). 24 Zur Lernkompetenz werden u.a. die Kompetenz zur Einschätzung des eigenen Lernstandes und möglicher Lernangebote, die Fähigkeit zur Reflexion des eigenen Lernprozesses sowie die zur Bewertung von Ergebnissen (inkl. Transfer des Gelernten) gezählt (vgl. Arbeitsstab Forum Bildung in der Geschäftsstelle der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (2001): Lernen – ein Leben lang. Vorläufige Empfehlungen und Expertenbericht (Materialien des Forum Bildung Nr. 9). Bonn. http://www.blk-info.de/fileadmin/Forum-Bildung-Materialien/band09.pdf [Nov. 2007], S. 41). Lernkompetenz meint aber auch die Entwicklung von individuell erfolgreichen Lernstrategien und die Erarbeitung und Verarbeitung (Bewertung, Einordnung) von Informationen und Wissen. 25 Die EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „In.Bewegung. Netzwerk Alphabetisierung und Basisbildung in Österreich, gefördert durch den ESF und das BM für Unterricht, Kunst und Kultur, hat sich zum Ziel gesetzt, ein entsprechendes flächendeckendes, qualitätsgesichertes und dauerhaftes Angebot zu implementieren. Informationen finden sich unter www.alphabetisierung.at. 26 LLL-Strategiepapier (2005):Vorschläge zur Implementierung einer kohärenten LLL-Strategie für Österreich bis 2010. Erstellt durch eine facheinschlägige ExpertInnengruppe. Endfassung vom Nov. 2005. www.oeibf.at/_TCgi_Images/oeibf/20061213104531_LLL-Strategiepapier_Endfassung.pdf

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und ihren Bedürfnissen vielfach nicht gerecht werden und ihnen und ihren Bedürfnissen daher tatsächlich „fernbleiben“.

Was leistet das Instrument?

Gerade in ländlichen Regionen muss davon ausgegangen werden, dass Zugänge zu bestimmten Bildungseinrichtungen aufgrund vielfältiger Ursachen verschlossen bleiben: Viele Einrichtungen sind tatsächlich in den Städten bzw. den größeren Orten lokalisiert. Deren Erreichbarkeit setzt für Bewohn-erInnen von ländlichen Regionen räumliche Mobilität (Auto/Verfügbarkeit, Anbindung an öffentlichen Verkehr, finanzielle Leistbarkeit) und entsprechende zeitliche Ressourcen (Freizeit, An- und Abreise) voraus. Gerade Personen mit geringem Einkommen, insbesondere auch Frauen (teilzeitbeschäftigt oder ohne eigenes Einkommen), sind hier benachteiligt. Bildungsangebote den Interessierten auch räumlich näher zu bringen ist daher eine Forderung der Europäischen Kommission zur Verwirklichung des lebenslangen Lernens – entsprechendes Ziel ist die Schaffung von Möglichkeiten für lebens-langes Lernen in unmittelbarer Nähe, d.h. am Wohnort, auch unter Einsatz von IKT-basierten Techniken. Vorgeschlagen wird dafür die Einrichtung von „Lernzentren“ in Schulen, Gemeindezentren, Einkaufszentren, Bibliotheken, Museen, Kirchen, Parks, öffentlichen Plätzen, Bahnhöfen, Busbahn-höfen, Gesundheitszentren, Freizeitzentren und Werkskantinen27.

Sind attraktive Angebote vor Ort vorhanden steigt die Wahrscheinlichkeit der Weiterbildungsteil-nahme – im Sinne des geflügelten Wortes „Gelegenheit macht Diebe“ und natürlich Diebinnen. Wie die aufsuchende, mobile Jugend- bzw. Sozialarbeit könnten Bildungsangebote quasi die Nähe der Menschen in den ländlichen Regionen suchen. Das Modell einer LERNENDEN REGION scheint dazu geeignet zu sein, ein positives Bild von Bildung und Lernen zu zeichnen und so einen Beitrag zur Förderung der Weiterbildungsteilnahme von „Bildungsfernen“ zu leisten.

Zielgruppen des Instrumentes

Das lebenslange Lernen als bildungs- und beschäftigungspolitisches Leitmotiv der EU sieht die oft-malige, im idealen Fall kontinuierliche Teilnahme an Angeboten der allgemeinen und insbesondere der beruflichen Erwachsenenbildung vor. Das lebenslange berufsorientierte Lernen wird als „Allheil-mittel“ für das Bestehen im weltweiten Wettbewerb gesehen: Im Memorandum zum lebenslangen Lernen wird das Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Verbesserung von Beschäftigungs-fähigkeit und Anpassungsfähigkeit der Arbeitskräfte formuliert28. Lernen unterliegt somit einem starken beruflichen Verwertbarkeitsparadigma. Dem lebenslangen Lernen im Sinne einer Aufforderung zur stetigen berufsbezogenen Weiterbildung sollten sich Personen im erwerbsfähigen Alter nicht ent-ziehen29.

Wird die Weiterbildungsbeteiligung der Bevölkerung analysiert, stellt sich heraus, dass bestimmte Personengruppen eher an beruflicher Weiterbildung teilnehmen: gut Ausgebildete und höher Qualifizierte, in mittleren und höheren Positionen Beschäftigte, eher Vollzeitbeschäftigte, eher Männer, eher Jüngere. In Österreich gibt es außerdem viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die wenig oder keine betriebliche Weiterbildung anbieten können/wollen. Die Erwachsenenbildung tritt mit dem Ziel einer gewissen Kompensationsfunktion an. Allerdings gilt gerade für die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung: „Wer hat, dem wird gegeben“, denn Ungleichheiten in der allgemeinen und beruflichen Erstausbildung setzen sich in der Weiterbildung fort und die Effekte verstärken sich30. Gerade gering qualifizierte ArbeitnehmerInnen bzw. erwerbslose Personen sind von betrieblicher bzw. beruflicher Weiterbildung31 weitgehend ausgeschlossen. Als besonders benachteiligt gelten Personen mit Grund-bildungsbedarf, weil ihnen die Möglichkeit zur Teilnahme an regulären Angeboten der allgemeinen und beruflichen Erwachsenenbildung, abgesehen davon, ob sie überhaupt teilnehmen wollen, tat-

27 Europäische Kommission (2000): Memorandum über Lebenslanges Lernen. SEK(2000)1832. http://ec.europa.eu/education/policies/lll/life/memode.pdf [Nov. 2007], S. 22f. 28 ebd., S.5. 29 Vgl. zur Kritik dieser normativen Setzung Holzer, Daniela (2004): Widerstand gegen Weiterbildung. Weiterbildungsabstinenz und die Forderung nach lebenslangem Lernen. Münster, S. 113f. 30 Vgl. Gruber, Elke (2007): Weiterbildung – (k)ein Weg zur Chancengleichheit?. http://www.uni-klu.ac.at/ifeb/eb/Chancengleicheit_weissbuch_vsstoe.pdf , S.2. 31 In Schulungsmaßnahme des AMS sind diese Personengruppen im Falle der Erwerbslosigkeit allerdings häufig anzutreffen.

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sächlich verwehrt bleibt, denn sie verfügen über die dafür notwendigen grundlegenden Kompetenzen nicht oder in zu geringem Ausmaß. Wer nie oder selten erfahren hat, dass die Teilnahme an Weiter-bildung Freude bereiten kann oder als sinnvoll erlebt wurde32, wer nicht gut lesen und schreiben kann, wer nicht imstande ist, im Internet zu recherchieren, wird sich wohl kaum über das Kursangebot in der nächstgelegenen Stadt oder Ortschaft informieren oder sich dafür überhaupt interessieren. Auch Men-schen mit körperlicher oder psychisch/geistiger Behinderung sind von der Teilnahme an Weiterbildung weitgehend ausgeschlossen.33 Auch Personen mit Migrationshintergund, die über keine oder niedrige berufliche Qualifikationen und geringe Deutschkenntnisse verfügen, gehören zur Gruppe der Bildungsbenachteiligten (siehe auch ab S. 101). Ältere Personen, insbesondere solche, die über niedrige berufliche Qualifikationen verfügen und daher während ihres Erwerbslebens eher selten an berufsorientierten Weiterbildungen teilgenommen haben, sind eine weitere Zielgruppe des Instrumentes. „Aktives Altern“ ist zu einem neuen Schlagwort der Europäischen Union geworden34. Eine wichtige Aufgabe wäre auch die Beseitigung der digitalen Spaltung der Gesellschaft.

Statt vom lebenslangen Lernen sollte aber eher von lebensbegleitender Bildung gesprochen werden: Sinnvoll wäre die Wahrnehmung von Menschen, die ihre fachlichen, sozialen und persönlichen Qualifikationen und Kompetenzen in allen Lebensphasen (weiter-)entwickeln und entfalten können, denn Bildung geht über (berufliches) Anpassungslernen und kurzfristiges Schulungslernen hinaus. Hier erscheint es als besonders wichtig, „bildungsferne“ Menschen adäquat anzusprechen, zu informieren und zu beraten und insbesondere adäquate, d.h. vor allem niedrigschwellige – insbesondere kostenlose - Angebote zu offerieren. LERNENDE REGIONEN können mit vielfältigen (allgemein, beruflich, politisch), bedarfsorientierten und zielgruppenadäquaten Bildungsangeboten eine wichtige Funktion übernehmen.

Voraussetzungen/Vorbedingungen

Grundlegende Voraussetzungen für die Schaffung von LERNENDEN REGIONEN sind die Bereitstellung entsprechender finanzieller Mittel und die Bündelung und (Weiter)Entwicklung von inhaltlicher Expertise zu den „bildungsfernen“ Zielgruppen.

In Österreich besteht eine Vielzahl an Non-Profit-Organisationen im Bereich der Erwachsenen-bildung, deren AkteurInnen ExpertInnen für entsprechende Weiterbildungsaktivitäten sind. Der Vorteil einer LERNENDEN REGION ist, dass sich diese Einrichtungen stärker vernetzen könnten (dazu bedarf es jedoch finanzieller Mittel), ihre Expertise bündeln und auch von einander lernen könnten. Aus solchen Vernetzungsaktivitäten entspringen erfahrungsgemäß auch innovative Ideen (Angebote), die in Form von Projekten umgesetzt werden können.

Entwicklung/Umsetzung

An dieser Stelle sollen (selbstverständlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einige Vorschläge und Ideen für die Entwicklung und Umsetzung des Instrumentes aufgezeigt bzw. skizziert werden. Sie sind als Anregungen zu verstehen. Wichtig wäre es, in LERNENDEN REGIONEN bestehende Einrichtungen und Initiativen zu stärken, die Angebote zu erweitern und innovative Ideen auszuprobieren.

Bestehende Angebote/Einrichtungen sichtbar machen Eine Erhebung der bestehenden Angebotsstruktur sowie der AkteurInnen/ Einrichtungen, die bereits mit der und für die Zielgruppe arbeiten, wäre ein erster Schritt. Damit wäre bekannt, wer für die Ziel-gruppe welche Angebote in welcher Qualität und welchem Umfang anbietet (Studie zur IST-Analyse in der LERNENDEN REGION)35.

32 Das Motto der „BiKoo – Bildungskooperative Oberes Waldviertel“ ist es, Lust auf Bildung zu machen (siehe dazu: http://members.aon.at/bikoo/index.htm [Nov 2007]. 33 Die so genannte „Inklusive Erwachsenenbildung“ ist ein wichtiges pädagogisches bzw. andragogisches Thema, barrierefreie Zugänge (z.B. Zugänglichkeit von Räumlichkeiten für RollstuhlfahrerInnen) sind nur ein wichtiger Aspekt dieser Thematik. Siehe dazu Artikel zu „Behinderung: Lernende Regionen inklusiv und barrierefrei in diesem Handbuch. 34 Vgl. Europäische Kommission (2006): Erwachsenenbildung. Man lernt nie aus. Ebenda, S.9. 35 Auf der Homepage des Netzwerks „Alphabetisierung und Basisbildung in Österreich“ findet sich unter „Beratung/ Kurse“ eine Auflistung der Bildungseinrichtungen des Netzwerks (siehe (www.alphabetisierung.at).

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Vernetzung intensivieren Regionale Einrichtungen, die mit „bildungsfernen“ Zielgruppen zu tun haben (z.B. Sozialökonomische Betriebe, AMS, Beratungsstellen, aber auch Schulen) bzw. für diese Angebote offerieren, sollten sich regional vernetzen. So kann sichergestellt werden, dass die MitarbeiterInnen dieser Einrichtungen über das Bildungsangebot der AnbieterInnen in der Region Bescheid wissen, um Interessierte auf adäquate Angebote aufmerksam machen zu können (Schnittstellen). Es sollte auch ein zielgruppen-spezifischer Know-how-Transfer stattfinden (z.B. das Vermeiden von diskriminierenden Begriffen wie „Analphabetin“ bzw. „Analphabet“ für die Bezeichnung von Menschen mit Grundbildungsbedarf).

Beratungsstrukturen aufbauen In LERNENDEN REGIONEN sollten Bildungsbeauftragte, die als AnsprechpartnerInnen und BeraterInnen für die Zielgruppe fungieren, eingerichtet werden. Diese Bildungsbeauftragten sollten ein positives Bild von Bildung und Weiterbildung vermitteln. Wichtig wäre es, eine oder mehrere Personen kontinuierlich in einer Region einzusetzen, um eine Vertrauensbasis mit allen AkteurInnen, der Zielgruppe und insbesondere den potenziellen und tatsächlichen TeilnehmerInnen aufbauen zu können – hier ist Kontinuität das Um und Auf, denn zu ständig wechselnden Personen (bei Projekten mit „Ablaufdatum“) lässt sich schlecht ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Zur Feststellung von Bildungsbedarfen sollten v.a. mit den AkteurInnen in der Region Gespräche geführt werden. Die Bildungsbeauftragten sollten, zusätzlich zu einem fixen Beratungsangebot (am besten in einem multifunktionalen Gebäude), in der Region unterwegs sein („Lernbus“ oder „Bildungsauto“). Auch ein Beratungstelefon (ev. der Gemeinden) wäre unter Umständen sinnvoll. Insbesondere das „Alfa-Telefon“36, die Informationsdrehscheibe für Grundbildungsangebote in Österreich, sollte in den Regionen bekannt gemacht werden.

Angenehme Lernorte einrichten Das Lernen den Lernenden auch räumlich näher zu bringen bedeutet, angenehme Lernorte zu schaffen. Hier sind Lernzentren/ Mehrzweckgebäude zukunftsweisend, denn Lernzentren sind multi-funktional (siehe S. 77). Finden vielfältige Angebote in einem Gebäude statt, senkt das die Hemmschwelle für Weiterbildungsungewohnte, denn wer schon einmal bei einem Vortrag über eine Reise in dem Gebäude war, findet sicher später leichter den Weg (im übertragenen und im tatsäch-lichen Sinn) in das Gebäude und zu einem Kurs.

Betriebe könnten ihre Schulungsräume, Schulen ihre Turnsäle und Klassenzimmer für Weiter-bildungsangebote zur Verfügung stellen. Welche Räume in einer Region zu Lernorten/Bildungsräumen werden könnten, können wohl auch die AkteurInnen vor Ort gut einschätzen.

36 Das Alfa-Telefon Österreich unter der Nummer 0810 20 0810 ist ein Produkt der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „In.Bewegung“. Es bietet anonyme, kompetente Beratung über entsprechende Bildungsangebote in ganz Österreich für Menschen mit Grundbildungsbedarf bzw. deren Angehörige, Bekannte, ArbeitskollegInnen.

Abbildung 18 Kursraum desBasisbildungssprojekts

In.Bewegung© Volkshochschule Stadtbibliothek Linz 2007

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Dezentrale Lernorte schaffen Die „BiKoo – Bildungskooperative Oberes Waldviertel“ hat mit einem dezentralen Lernort, einem etwas größeren Ort, der zentral zwischen mehreren Ortschaften liegt, gute Erfahrungen gemacht, wobei hier allerdings das Problem der erforderlichen Mobilität zur Erreichung des Kursortes nicht übersehen werden darf. Ein Vorteil liegt jedoch darin, dass die TeilnehmerInnen aus den anderen Orten lokal „fremd“ sind, d.h. die soziale Kontrolle (Heimatgemeinde) wird nicht wirksam. Ein weiterer Vorteil eines dezentralen Kursortes für mehrere Ortschaften liegt auch darin, dass Veranstaltungen seltener wegen TeilnehmerInnenmangel abgesagt werden müssen, was ja für weiterbildungsunge-wohnte Personen, die sich zu einer Kursteilnahme entschlossen haben, eher unangenehm sein dürfte.

Betriebe zu Lernorten erweitern In den Regionen könnten niedrig qualifizierte ArbeitnehmerInnen direkt in den Betrieben informiert und beraten werden. BetriebsrätInnen könnten hierbei eine wichtige Rolle spielen, denn sie haben Zugang zu Personen der Zielgruppe und oftmals besteht bereits ein Vertrauensverhältnis. Im Projekt „Bildung wieder entdecken“37 der Kärntner Volkshochschulen wurden gute Erfahrungen mit Grundbildung im betrieblichen Kontext gemacht: Weiterbildungsungewohnte Arbeiterinnen mit Grundbildungsbedarf konnten an einem Kurs, der direkt im Betrieb und teilweise während der bezahlten Arbeitszeit statt-fand, teilnehmen38. Außerdem könnten Schulungsräume in Betrieben, die mit Computerarbeitsplätzen ausgestattet sind, als Lernorte geöffnet und so zu „Bildungsräumen“ für die MitarbeiterInnen werden (wichtig: AnsprechpartnerInnen, LernpartnerInnen). Es empfiehlt sich, einen solchen Raum zu bestimmten Zeiten für Frauen zu reservieren.

Virtuelle Bildungsräume schaffen Computer mit Internetzugang sind virtuelle Bildungsräume (Lernprogramme; computer/web based training; Kommunikation, Informationen). Gerade für „bildungsferne“, eher einkommensschwache Personen ist die Anschaffung eines Computers und die finanzielle Leistbarkeit eines Internet-anschlusses (insbesondere in abgelegenen Regionen) plus die monatlichen Kosten problematisch. In Gemeinden könnten Aktionen (z.B. „Gemeinde XY geht online“) gestartet werden. BildungsberaterInnen könnten als AnsprechpartnerInnen für EDV-Fragen fungieren, virtuell per E-Mail oder auch bei „Hausbesuchen“.

Grundbildungskurse in vertrauter Atmosphäre organisieren Grundbildungsangebote (Auffrischen bzw. Entwickeln von Lese-, Schreib- und Mathematik-kompetenzen, Aneignung von EDV-Grundkenntnissen, Entwicklung von Lernkompetenz) könnten im privaten Rahmen organisiert werden. Die Gruppe könnte sich bei einer/einem TeilnehmerIn treffen. Der private Rahmen würde Schutz bieten, weil die Kursteilnahme wie ein privates Treffen ablaufen könnte, denn es ist wichtig, Anonymität zu gewährleisten, solange Grundbildung für die LernerInnen mit Scham behaftet ist (soziale Kontrolle im ländlichen Raum, Ortschaften bzw. kleineren Städten).

Bedarfsorientierte, niedrigschwellige, kostengünstige Angebote offerieren Angebote für „Bildungsferne“ orientieren sich in erster Linie an den Bildungs- und Lerninteressen der Teilnehmenden. Als mögliche Inhalte können folgende vorgeschlagen werden – Erweiterungen und Innovationen sind notwendig und wünschenswert (Expertise der AkteurInnen):

- Grundbildungskurse (wie z.B. Lesen und Schreiben für Ungeübte39) - Grundbildungskurse mit beruflichem Fokus40 - erweiterte Grundbildung (Rahmencurriculum): vier Grundkulturtechniken plus Entwicklung von

Lernkompetenz, Rhetorik, Kommunikation, Reflexion der eigenen Biographie, politische Bildung, Konfliktmanagement, Fremdsprache/n, Kultur-/Bildungsreisen etc.

37 Teilprojekt der EQUAL- Entwicklungspartnerschaft „In.Bewegung“. 38 Siehe Penz, Isabella/ Kastner, Monika (2007): Grundbildung im betrieblichen Kontext. In: Die Österreichische Volkshochschule. Magazin für Erwachsenenbildung. Jg. 58, Nr. 223, S. 12-14. 39 Siehe dazu beispielsweise das Kursangebot der VHS Grundbildung in Kärnten: http://www.vhsktn.at/index.php/bezirke/grundbildung/C8. 40 Vgl. Tröster, Monika (Hg.) (2002): Berufsorientierte Grundbildung. Bielefeld.

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- Computerkurse für Ungeübte, speziell für Frauen; Kursangebote für SeniorInnen;41 Lerninhalt „Computer“ als „Schutzmantel“ für Grundbildungskurse;

- Internet-Cafés mit einem Angebot an TutorInnen für Frauen und SeniorInnen (idealerweise in einem „Lernzentrum“);

- Sprachenstammtische (ev. in Gasthäusern), Deutschkurse für MigrantInnen plus Konversationsangebote mit MuttersprachlerInnen, gemeinsame Kochkurse etc. zur Förderung des interkulturellen Lernens und der Integration, Lesekreise;

- Filmabende und Vorträge, organisierte Ausflüge und Reisen (Konzerte, Kabarett u.ä.); - Angebote zu alltagspraktischen Fragen, biographieorientierte, körperorientierte, künstlerische

Angebote etc. Die im Folgenden beschriebenen Beispiele könnten regional übernommen bzw. adaptiert werden: Beispiel „Palaver Graz“42: ein Treffpunkt für Frauen mit einem umfangreichen Beratungsangebot sowie einer „Schreibstube“ mit intensiver persönlicher Betreuung, mit PC-Plätzen für Arbeits- und Wohnungssuche sowie zur persönlichen Nutzung; Beispiel „Flieg“ – Familien lernen im Grazer Westen43, u. a. mit Kinderbetreuung, Angeboten zur Berufsberatung sowie Kursangeboten in den Bereichen Deutsch, Mathematik, Computer/Internet.

Qualität der Angebote sichern und entwickeln Die Kurse für „bildungsferne“ Zielgruppen erfordern eine besonders sorgfältige didaktisch-metho-dische Planung und Umsetzung. Die didaktischen Prinzipien der Erwachsenenbildung sind hierbei selbstverständlich zu beachten und anzuwenden44. Für die Alphabetisierung und Basisbildung wurden Qualitätsstandards für Institutionen, Angebote sowie TrainerInnen entwickelt45.

TrainerInnen sind besonders herausgefordert, ihre Kompetenzen ständig zu erweitern, beispielsweise durch Selbstevaluation, intensiven Austausch mit anderen TrainerInnen aber auch durch zielgruppenspezifische Weiterbildungen (Idee: Weiterbildungsverbund), überregionale Workshops könnten für die zielgruppenspezifische Bildungsarbeit organisiert werden.

Werbung/Marketing für Bildung intensivieren Lebensbegleitende Bildung sollte als Gewinn bringend thematisiert werden.46 Bildungsangebote sollten in regionalen und lokalen Zeitungen (u.a. Gemeindezeitung, regionale und überregionale Gratis- und Tageszeitungen) positiv vorgestellt und beworben werden. Längerfristig sollte die Grund-bildung enttabuisiert werden, wobei die EQUAL-Entwicklungspartnerschaft „In.Bewegung“ intensiv an diesem Ziel arbeitet.47 Die LERNENDE REGION stellt ein Marketinginstrument dar, durch das Lernen und Bildung positiv besetzen werden können, was insbesondere für „Bildungsferne“ notwendig ist.

41 Siehe dazu beispielsweise das Projekt „Überbrücken der Digitalen Kluft“ der Frauenberatung Zwettl (http://www.frauenberatung.zwettl.at/), das sich an ältere Frauen sowie bildungsferne Frauen und Männer, die über keine oder geringe Computerkenntnisse verfügen, richtet. 42 Informationen zum „Stadtteilcafé Palaver“ des Vereines Frauenservice Graz finden sich unter http://www.frauenservice.at [Nov. 2007] 43 Informationen zum Projekt „Flieg“ von ISOP Graz finden sich unter http://www.isop.at/eu_projekte/fliegfolder2006.pdf [22.05.2007]. 44 Siehe dazu Siebert, Horst (2003): Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht. 4. Aufl. München/Unterschleißheim. 45 siehe dazu Doberer-Bey, Antje (2007): Qualitätsstandards für die Alphabetisierung und Basisbildung. Wien. http://www.alphabetisierung.at/ [23.05.2007]. 46 Dass in Deutschland am 15. Juni 2007 der „1. Deutsche Weiterbildungstag“ begangen wurde, kann als Versuch interpretiert werden, das lebenslange Lernen positiv zu besetzen. Für die Kampagne wurden insgesamt sechs Thesen formuliert, wobei die sechste lautet: „Die neue soziale Frage unserer Zeit heißt Bildung: Wie viel Bildungsarmut können – und dürfen – wir uns leisten? Bildung und Weiterbildung sind der Schlüssel, um Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu holen. Wer Benachteiligte fördern und MigrantInnen integrieren will, muss das durch Bildung tun. Aus- und Weiterbildung ist heute Sozialarbeit und gibt allen sozialen Gruppen die Chance, am öffentlichen Leben teilzuhaben.“ (siehe: www.deutscher-weiterbildungstag.de). 47 Im so genannten „Alfa-Koffer“ zur Basisbildung für Erwachsene in Österreich sind einige Dokumente zum „Marketing“ zu finden.

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Regionale Lern- oder Bildungsfeste, die u. a. der Vernetzung der AkteurInnen und der Information der BewohnerInnen dienen, sollten regelmäßig veranstaltet werden.48 Lernfeste könnten in Zukunft speziell für „bildungsferne“ Zielgruppen geplant und durchgeführt werden, hierfür sollte vorhandene Expertise (AkteurInnen) gebündelt werden, Netzwerke können aufgebaut bzw. bestehende intensiviert werden.

In Bezug auf die Umsetzung des Instrumentes können keine generellen Empfehlungen gegeben werden; wichtig ist es, bereits bestehende Einrichtungen und Projekte in das Netzwerk der LERNENDEN

REGION einzubeziehen, d.h. auf bereits erarbeiteter Expertise aufzubauen und diese weiter auszu-bauen.

Support

Als „Benchmark“ für dieses Instrument kann wohl die Zufriedenheit der TeilnehmerInnen gelten. Ein weiteres „Benchmark“ kann die Ausrichtung der Angebote an den neuesten Erkenntnissen der erwachsenenpädagogischen Forschung zu „bildungsfernen“ Zielgruppen sein. Die Selbstevaluation49 der Einrichtungen (AnbieterInnen, TrainerInnen, Angebote) ist daher ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Koordiniert zu erarbeitende Kriterien (alle AnbieterInnen einer LERNENDEN REGION) aus der Selbstevaluation könnten für eine Meta-Evaluation des Instrumentes herangezogen werden. Wichtiger als die Festlegung von generalisierenden Effizienzkriterien und deren Messung (z.B. festgelegte und zu erfüllende Quoten) wären aber die interne Qualitätsentwicklung sowie die (Weiter)Entwicklung der Expertise für die Zielgruppe(n). Die Qualitätsstandards, die für die Alphabetisierung und Basisbildung50 erarbeitet wurden, sollten längerfristig in ganz Österreich für Angebote für die Zielgruppe der „Bildungsfernen“ Beachtung finden.

Es wäre sinnvoll, nationale und internationale BeraterInnen (ExpertInnen für „bildungsferne“ bzw. bildungsbenachteiligte Zielgruppen), die als „kritische Peers“ die Einrichtungen besuchen, einzuladen, denn LERNENDE REGIONEN sollten voneinander lernen, beispielsweise könnten gemeinsame Workshops mit externen ExpertInnen abhalten werden, zielgruppenspezifische Tagungen und Weiterbildungen könnten organisiert werden, funktionierende Angebote (Modelle) könnten übernommen und angepasst werden.

48 Ein Beispiel für solche Veranstaltungen sind die Lernfeste des Niederösterreichischen Bildungs- und Heimatwerkes (http://www.bhwnoe.or.at/). 49 Das Grundtvig-Projekt “SEALLL – Self Evaluation in Adult Life Long Learning” bietet Handreichungen für die Selbstevaluation von Erwachsenenbildungseinrichtungen an, die auf der Entwicklung einer organisationalen Lernkultur in Hinblick auf die eigene Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung beruhen. Informationen und insbesondere Tools („Werkzeuge“) dazu finden sich unter http://www.sealll.eu/index.php 50 vgl. Doberer-Bey 2007, ebenda.

Abbildung 19 Präsentation der BHW NÖ- Basisbildung am Lernfest in St.Pölten © BHW Niederösterreich

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Literatur Brüning, Gerhild (2002): Benachteiligte in der Weiterbildung. In: Brüning, Gerhild/Kuwan, Helmut:

Benachteiligte und Bildungsferne – Empfehlungen für die Weiterbildung. Bielefeld, S. 7-117.

In.Bewegung. Netzwerk Basisbildung und Alphabetisierung in Österreich (Hg.) (2007): Alfa-Koffer. Basisbildung für Erwachsene in Österreich (DVD). Graz.

Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmagazin für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe Nr. 1/2007 zu „Basisbildung – Herausforderungen für den Zweiten Bildungsweg“. (Online-Magazin: www.erwachsenenbildung.at/magazin).

Univ.-Ass.in Dr.in Monika Kastner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Abteilung für Erwachsenen- und Berufsbildung des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung an der Universität Klagenfurt. E-Mail: monika.kastner(at)uni-klu.ac.at, Web: http://www.uni-klu.ac.at/ifeb/eb

Beispiele von Angeboten für Bildungsferne

Alfa-Koffer

Alle wichtigen Informationen zum Thema Basisbildung, inklusive Adressen, Präsentationsunterlagen und ähnlichem finden sich auf der Homepage des Netzwerks „Basisbildung und Alphabetisierung in Österreich“. Siehe http://www.alphabetisierung.at

Projekt Schule-Kinder

Die Hamburger LERNENDE REGION Bildung und Lernen (bille) startete ein Projekt zur Vermittlung und Klärung von Konflikten zwischen Schule und Elternhaus sowie zur Förderung der schulischen Inte-gration von Kindern aus sozialen Brennpunkten. Ein Grundgedanke des Projekts ist, dass sich Eltern, Lehrer und Sozialpädagogen frühzeitig zusammensetzen, um Probleme der Kinder gemeinsam anzu-gehen. MitarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe verlegen einen Teil ihres Arbeitsplatzes in die Schule und übernehmen die Rolle einer „intermediären Instanz”, die zwischen schulischem sowie familiärem und sozialem Umfeld vermittelt. Wichtiger Bestandteil ist die Einbeziehung der Eltern z.B. durch ein Elterncafé in dem neben Gesprächsangeboten unter anderem auch Stellenanzeigen an Eltern verteilt werden, um sie zur Arbeitssuche zu ermutigen. Siehe: www.billenetz.de/projekte/kooperation

Kreativ Labor Uckermark (klu)

Die deutsche Region Uckermark ist geprägt von hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung. Als Folge der geringen Zukunftserwartung fehlt vielen Jungen die Motivation zum Lernen. Dies führt zu Bildungslücken, die letztlich die Gefahr sozialer Probleme, wie Langzeitarbeitslosigkeit, erhöht.

Im Kreativ Labor Uckermark (klu) wird versucht, dieser Entwicklung durch innovative Lernarrange-ments von Kunst- und Kreativangeboten sowie Oral-History Kursen entgegenzuwirken. Den Jugend-lichen soll Selbstvertrauen vermittelt werden, indem sie erkennen, dass sie etwas erreichen können. Dazu wird ihnen ihre Region als einzigartig, geschichtsträchtig und lebenswert vermittelt. Geschaffen werden kreative und historische Lernorte zur Erforschung der regionalen Geschichte, zum Aufbau eines kreativen Kunst-Netzwerks und zur Verknüpfung vorhandener Lernorte um auch außerschul-ische Lernpfade zu schaffen. Weitere Informationen: http://www.kreativlabor-um.de

Im Bremer Projekt „Doing it! Neue Wege zur Bildung“ erstellen Jugendliche mit Hilfe einer Bildhauerin biographische Skulpturen und Installationen. Dadurch sollen die Jugendlichen ihre Potenziale und Talente entdecken und einen Zugang zu ihren Kompetenzen finden. Weitere Informationen: http://www.lernnetzwerk-bremen.de/index.php?id=140

Abb. 20 Basisbildung in Österreich© Volkshochschule Stadtbibliothek Linz 2007

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Orient

PflichtschülerInnen, die aus kognitiven, sprachlichen, sozialen oder entwicklungsbedingten Gründen benachteiligt sind, verlassen die Pflichtschule häufig ohne Abschluss und haben dann große Schwierigkeiten beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die LERNENDE REGION Münsterland versucht ihnen im Projekt „Orient“ zu helfen. An mehreren Schulen werden dazu Fördermodule angeboten:

- Begleitung und Beratung von Jugendlichen im 9. und 10. Schuljahr durch sozialpädagogische Fachkräfte zur Sicherung des Schulabschlusses und Erlangen eines Ausbildungsplatzes.

- Berufsbegleitende Schulung der sozialpädagogischen Fachkräfte. - Dokumentation und Evaluation von Schülerbiographien. - Berufsvorbereitungspraktikum von 12 Monaten in Partnerbetrieben des Projekts für diejenigen

SchülerInnen, die den Schulabschluss nicht schaffen und keinen Ausbildungsplatz erhalten. Zukünftig sollen diese Maßnahmen ergänzt werden durch einige weitere Bausteine:

- Stärkung der berufspraktischen Erfahrungen während der Schulzeit - Stärkung der Rolle der Eltern in der Phase der Berufsorientierung ihrer Kinder - Kennenlernen von Berufen durch eigenes praktisches Tun in Lehrwerkstätten - Entwicklung von Qualifikationsbausteinen für das Berufsvorbereitungspraktikum

Langfristiges Ziel des Projekts ist die dauerhafte institutionelle Verankerung. Gezeigt werden soll in der Projektphase, dass die Kosten der sozialpädagogischen Begleitung weitaus geringer sind als der spätere Aufwand für Integrationsmaßnahmen und Unterstützungsleistungen. Weitere Informationen: http://egora.uni-muenster.de/lr/orient/ansatz.shtml

Berufs- und Arbeitsweltvorbereitung für SchülerInnen mit erhöhtem Förderbedarf

In der Lernlandschaft Wartburgregion wurde ein Projekt zur Berufs- und Arbeitsweltvorbereitung von SchülerInnen mit erhöhtem Förderbedarf gestartet. Am regionalen Technologie- und Berufsbildungs-zentrum Eisenach (tbz) werden die Jugendlichen durch praktische Tätigkeit auf mögliche zukünftige Berufsfelder vorbereitet. Angeboten werden Kurse in Metalltechnik, Holztechnik, Bautechnik, Farbe und Raum, Büro/Verwaltung, Landschaftsbau, Hauswirtschaft/Textil, Floristik, Hotel- und Gaststätten-gewerbe. Nach einer Kompetenzfeststellung haben die SchülerInnen die Möglichkeit, verschiedene Berufsfelder auszuwählen, die sie im sechs-Wochen-Rhythmus durchlaufen. In dieser Orientierungs-phase können sie sich erproben und testen, welches Berufsfeld am ehesten ihren Interessen und Neigungen entspricht. Eine Leistungsfeststellung (Theorie und Praxis) nach jedem absolvierten Berufsfeld zeigt den SchülerInnen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie erworben haben. Für die erfolgreiche Teilnahme erhalten sie ein Zertifikat. Weitere Informationen: http://www.ll-w.de Siehe zu diesem Thema auch das Kapitel „Jugendliche“ ab S.111 .

InForm – Initiierung von Lernprozessen bei bildungsfernen Gruppen

Auch der Wirtschaftsraum zwischen Elbe und Elster ist gekennzeichnet durch eine hohe Sockel-arbeitslosigkeit. Jüngere und gut ausgebildete Fachkräfte verlassen die Region. Gleichzeitig herrscht in einigen Branchen ein Mangel an Fachkräften und in wenigen Jahren können betriebliche Aus-bildungsplätze nur schwer oder nicht mehr besetzt werden. Deshalb wurde nach Mitteln und Wegen gesucht, um die Handlungsfähigkeit und die fachliche Kompetenz der Erwerbslosen über längere Zeit-räume zu erhalten und aufzubauen.

Dabei geht es vor allem um Sensibilisierung, Beratung und Anbahnung der Bereitschaft bei bildungsfernen Personen und Gruppen, sich neuen Lernformen aufzuschließen und am gesellschaftlichen Leben wieder aktiv teilzunehmen. Weiters um die Initiierung von formellen und informellen Bildungsprozessen innerhalb und außerhalb fester Strukturen sowie um individuelle zielgruppenorientierte Bildungsberatung. Zielgruppen sind dabei vor allem Langzeitarbeitslose, Frauen und Männer in Familienzeiten, BerufsrückkehrerInnen und ältere Arbeitslose. Weitere Informationen: http://www.lernforum-elbe-elster.de/TP1.htm

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Angebote für SchulabbrecherInnen: Hauptschulabschluss

Zielgruppe dieses Instruments sind Personen, die nachträglich einen Hauptschulabschluss erreichen wollen. Dieses Bildungsniveau stellt in Österreich das absolute Qualifikationsminimum dar. Ohne Hauptschulabschluss stehen kaum noch weitere Qualifizierungsmaßnahmen offen, da die meisten Ausbildungsangebote einen positiven Pflichtschulabschluss voraussetzen. Auch bei der Lehrstellen-suche gilt der HS-Abschluss heute als „informelles Qualifikationsminimum“, auch wenn er nicht formell verlangt wird, sind weitere Berufs- und Karrierechancen ohne ihn deutlich eingeschränkt.

Alljährlich gehören nach Schätzungen des Instituts für Höhere Studien zwischen vier und sieben Prozent einer Altersgruppe zu denjenigen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen positiven Pflicht-schulabschluss erreichen werden (Steiner et al. 2006: 20). Die Gründe dafür können vielschichtig sein und reichen von sozialen und familiären Problemen über Schul- und Prüfungsangst bis hin zu mangelnden Sprachkenntnissen. Die Ursachen können auch struktureller Natur sein, so steht SonderschülerInnen und MigrantInnen die Möglichkeit eines Hauptschulabschlusses oftmals gar nicht offen. Häufig benötigen diese Gruppen daher zusätzliche Unterstützung, um die nötigen Lernvoraussetzungen zu schaffen.

Angesichts der hohen Teilnahmegebühren von rund € 3.500,- für Kurse und schlechte Arbeitsmarktchancen ohne HS-Abschluss übersteigt die Nachfrage das Angebot an geförderten Kursen bei weitem.

Heute finden wir in Österreich eine breite Palette an Angeboten zur Vorbereitung auf die Hauptschulabschlussprüfung. Diese reichen vom einfachen, schulähnlichen Lernen der Fächer bis hin zu ausdifferenzierten Kursen, inklusive sozialpädagogischer Betreuung. Wir haben eine Übersicht eines Maximalrahmens möglicher Module innerhalb eines solchen Projekts aufgelistet. Dies wird sich, vor allem aufgrund finanzieller Beschränkungen, nicht umsetzen lassen. Es zeigt jedoch eine mögliche Spannbreite eines solchen Projekts: Vorlaufmaßnahmen:

- Deutsch als Fremdsprache - Basisbildung (Lesen, Schreiben, Grundrechenarten) - Lernstrategien - Problem- und Konfliktlösungsstrategien - Gruppenfindung

Kurse:

- Hauptfächer - Nebenfächer - Zusätzliche Lernangebote (z.B.: ED3V Grundkenntnisse, Sprachausbildung) - Berufsorientierung und Bewerbungstraining - Praktika - Themen- und Reflexionsworkshops - Training von Schlüsselkompetenzen, sowohl auf persönlicher (Selbstständigkeit, Kreativität,

sprachliches Ausdrucksvermögen) als auch sozialer (Teamwork, Kooperationsfähigkeit, Konfliktlösungsstrategien) und methodischer (Lernstrategien, Informationsrecherche) Ebene

- Kultur- und Freizeitaktivitäten zur Stärkung der sozialen Kompetenz - Sozialpädagogische Betreuung (Einzelcoaching, individuelle Zukunftsplanung, Stärken-

Schwächen-Analyse, Konflikt- und Problemlösungsstrategien, Reflexion geschlechts-spezifischer Verhaltensmuster, Kontakt mit Eltern bzw. BetreuerInnen, Networking mit Sozial-einrichtungen)

Nachbereitung:

- abschließende Reflexion - Nachbereitungsphase - Sozialbetreuung

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Eine im Auftrag des Bildungsministeriums durchgeführte Evaluationsstudie empfiehlt, auf Methoden der klassischen Schuldidaktik, die von einem Frontalunterricht gekennzeichnet ist, zu verzichten (Steiner et al. 2006). Alternative didaktische Ansätze könnten demgegenüber ein Teilnehmer-differen-ziertes Unterrichtsangebot, Kleingruppenarbeit, Trainingszentrierung oder ein TutorInnensystem bein-halten. Wichtig ist auch eine enge Zusammenarbeit mit den jeweiligen Prüfungshauptschulen. Dies hat den Vorteil den Prüfungsstoff gezielter erarbeiten zu können. In manchen Kursen sind TrainerIn-nen zugleich die späteren PrüferInnen. Darin liegt der Vorteil, dass dadurch Nervosität unter den Lernenden abnimmt. Der Nachteil besteht darin, dass es dann oftmals schwieriger wird in der Lern-situation eine Vertrauensbeziehung vom/von der Lernenden zum/ zur Lehrenden aufzubauen.

Finanzierung Ein großer Teil der Kurse wird im Rahmen des Europäischen Struktur Fonds (ESF) gefördert. Die Abwicklung erfolgt dabei über das Bildungsministerium, das auch über weitere Förderungs-möglichkeiten informieren kann. Förderungen sind auch, bis hin zur finanziellen Unterstützung der TeilnehmerInnen, über das Arbeitsmarktservice (AMS) möglich. Es besteht auch die Option der Finanzierung über Teilnehmerbeiträge, wobei man angesichts der hohen Kosten und der Finanz-schwäche der Gruppe mit einem möglichst niedrigen Beitrag operieren sollte. Kleinere Anteile an den Kosten lassen sich auch von bestehenden Bildungsförderungsmodellen, beispielsweise Förderungen der Arbeiterkammern, übernehmen.

Literatur Steiner, Mario; Wagner, Elfriede; Pessl, Gabriele 2006: Evaluation der Kurse zur Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss. Equi-IHS. Förderungen im Rahmen des ESF: http://www.equi.at/de/projekte/schwerpunkt/3/Evaluation+der+Kurse+zur+Vorbereitung+auf+den+Hauptschulabschluss

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Angebote für MigrantInnen

MigrantInnen stellen eine besonders wichtige Zielgruppe für Bildungsinitiativen dar. In dieser Gruppe finden sich besonders viele gering qualifizierte Personen in schwierigen Arbeitsmarktsituationen mit großem Bedarf an günstigen und maßgeschneiderten Bildungsangeboten. In erster Linie wird diese Gruppe angesprochen, wenn es um das Angebot an Deutschkursen geht. Doch auch darüber hinaus bieten sich Fördermöglichkeiten an.

Projekte für Kinder mit migrantischem Hintergrund

Eine Zielgruppe sind Kinder mit keinen oder schlechten Deutschkenntnissen. In der Schule können sie sich kaum mit anderen SchülerInnen verständigen, noch dem Unterricht folgen und werden zunehm-end isoliert und demotiviert. Die LehrerInnen können die individuellen Stärken und Begabungen der Kinder nicht erkennen und entsprechend fördern. Kommunikationsprobleme finden sich häufig auch zwischen Schule und Eltern mit schlechten Deutschkenntnissen. Diese verstehen Mitteilungen nicht und besuchen weitaus seltener Elternabende und –sprechtage als andere Eltern. Dazu kommen mangelnde Kenntnisse des Schulsystems.

In der LERNENDEN REGION Emmendingen in Deutschland wurde für diese Zielgruppe ein Projekt ge-startet um das kommunikative Handeln der Kinder sowie ihre sprachliche und kulturelle Integration zu fördern. Mit multikulturellen Teams werden Fragen behandelt im Sinne von:

- Wie lerne ich Lernen?, - Wie organisiere ich meinen Schulalltag?, - Was kann ich tun, damit mir die Schule Spaß macht?, - Wie gehe ich mit Konflikten um? - Was mache ich in meiner Freizeit?

Der Lernprozess ist spielerisch gestaltet und multisensorisch ausgerichtet (Lernen mit allen Sinnen; Entwicklung eines positiven Selbstbildes). Die Integrationsmaßnahmen schließen auch Elternarbeit ein. Dazu gehören wöchentliche Hausbesuche bei den Eltern, um ein Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Projektleitung aufzubauen und die Kultur und Gepflogenheiten der Familien kennen zu lernen.

Dazu wurden erlebnispädagogische Tage in den Schulen veranstaltet. Inhalt waren unter anderem verschiedene Team- und Vertrauensübungen, die mittels verbaler und nonverbaler Kommunikation bewältigt werden sollten. Auf diese Weise konnten die SchülerInnen ihre sprachlichen Kompetenzen verbessern. Weitere Informationen http://www.lernreg-em.de/index.php?openfolder=d0f7

Sprachförderung für Migrantinnen

Viele Frauen und junge Mütter mit migrantischem Hintergrund sind aufgrund fehlender Sprach-kenntnisse von ihrer Alltagswelt abgeschlossen und sind auf die Hilfe ihrer Ehemänner bzw. Kinder angewiesen, um sich im Alltag orientieren zu können. Um diese Isolation aufzubrechen bedarf es spezieller Sprachlernangebote, da traditionelle Kurse aufgrund geringer räumlicher Mobilität, familiären Verpflichtungen, aber auch starrer Rollenvorgaben meist nicht wahrgenommen werden. Mangelnde Sprachkompetenz wird dabei oftmals an die Kinder „vererbt“. Gezielte Förderung von Migrantinnen ist daher auch ein wichtiger Baustein in der sprachlichen Frühförderung deren Kinder. Ein entsprechendes Projekt bietet die LERNENDE REGION Bille (Hamburg, siehe: http://www.billenetz.de/projekte/fambi) bzw. die LERNENDE REGION Rheingau-Taunus, ebenfalls Deutschland, an (http://www.lnr-rtk.de/projekt3.html). Langjährige Erfahrung mit Sprachkursen für Migrantinnen hat auch das Linzer Integrationszentrum maiz: http://www.maiz.at. Ein interessantes Projekt mit Modellcharakter wurde in der LERNENDEN REGION Osterholtz durchgeführt: „Deutschlernen im Wohnzimmer“.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Deutschlernen im Wohnzimmer Dazu wurde ein System zur Nachbarschaftsunterstützung für ausländische Frauen und ihren kleinen Kindern eingerichtet. Die Idee war, dass Frauen mit sehr kleinen Kindern häufig nicht die bestehenden Deutschkurse besuchen können, da der Tagesablauf von Babys und Kleinkindern sich nicht an feste Deutschkurstermine hält. Aus diesem Grund wurde ein ehrenamtliches Netz mit einheimischen Frauen aufgebaut, die zugewanderte Frauen regelmäßig besuchen, um ihnen Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu vermitteln. In vorangegangenen Kursen wurden die deutschen Frauen entsprechend pädagogisch geschult. Das Projekt verbindet damit nicht nur die vordergründige Rolle des Deutschlernens sondern überwindet auch Barrieren und bringt die Menschen der Region zusammen. Mögliche Vorurteile auf beiden Seiten können abgebaut werden und schaffen eine neue Qualität des Zusammenlebens.

Kontakt: http://www.lernende-region-ohz.de

Gesundheitswegweiser für MigrantInnen

In Wolfsburg erstellte das Gesundheitsamt einen Wegweiser für fremdsprachige MitbürgerInnen sowie Gäste, der alle Wolfsburger Praxen, in denen wenigstens eine Fremdsprache gesprochen wird, auflistet Neben Adresse und Telefon wird auch aufgeführt, auf welchem Niveau die Sprache gesprochen wird und ob die FremdsprachlerInnen evtl. nur Teilzeit arbeiten und somit nicht ständig anwesend sind. Damit erhalten Personen mit geringen Deutschkenntnissen eine wichtige Unterstützung, um medizinische Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Abbildung 21 Von der EU geförderte Sprachschule für MigrantInnen in Wien© European Communities, 1995-2008

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Behinderung: Lernende Regionen – inklusiv und barrierefrei

Menschen mit Behinderungen sind mit vielen Barrieren im Alltag konfrontiert. Das betrifft auch den persönlichen Bildungs- und Lernprozess. Welche unterstützenden Maßnahmen können in einer Region, die sich als lernend versteht, aufgebaut werden?

Menschen mit Behinderung51

Menschen mit Behinderungen sind eine in sich sehr heterogene Gruppe: Unter diesem Begriff wird verschiedenes zusammengefasst:

- Menschen mit geistiger Behinderung/ mit Lernschwierigkeiten, - Menschen, die blind sind/ die eine Sehbehinderung haben, - Menschen, die gehörlos sind/ die eine Hörbehinderung haben, - Menschen, die mobilitätsbehindert sind, - Menschen, die eine Sprachbehinderung haben, - Menschen, die psychisch krank sind, - Menschen, die mehrfachbehindert und schwerbehindert sind.

Ca. zehn Prozent der österreichischen Bevölkerung fallen in diesen Personenkreis, wovon drei bis vier Prozent bereits bei ihrer Geburt behindert sind. Im Laufe unseres Lebens können wir alle Teil dieser Gruppe werden. Dieses Thema betrifft daher nicht eine kleine Gruppe, nicht nur die Anderen, sondern uns alle.

Damit Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen Leben teilhaben und Bildungsangebote wahrnehmen können, muss dies barrierefrei – ohne Behinderung – möglich sein. Barrieren sind dabei nicht nur physischer Natur, sondern oft auch in den Köpfen vieler Menschen verankert.

Inklusion

Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, die Dachorganisation der Behindertenverbände, fordert, in Bezug auf Lebenslanges Lernen besonderes Augenmerk auf „die Förderung inklusiver Angebote in Einrichtungen der Erwachsenenbildung und Weiterbildung“ (ebd. S.5)52 zu legen.

Das Konzept der Inklusion geht davon aus, dass jedeR das Recht hat, ein aktives und selbstbestimmtes Mitglied einer heterogenen Gesellschaft zu sein. Anders als beim integrativen Ansatz geht es hier nicht um das Hereinholen einer marginalisierten Gruppe in die Gesellschaft. Der inklusive Ansatz geht von einer heterogenen Gesellschaft aus, nicht von einem Zwei-Gruppen-Ansatz. Inklusion kann daher auch nicht nur in Bezug auf Menschen mit Behinderungen gedacht werden. Die Gesellschaft in ihrer

51 Ein wichtiger sprachlicher Hinweis: Wenn in diesem Artikel von Menschen mit Behinderungen gesprochen wird, soll damit nicht impliziert sein, dass die Behinderungen bei den Individuen liegen. Es geht vielmehr um den Ansatz: Man ist nicht behindert, man wird behindert. Damit liegt der Fokus auf der Beseitigung von Barrieren/Behinderungen von Seiten der Gesellschaft. 52 http://www.oear.or.at/assets/images/content/Forderungskatalog%202006.pdf

Abbildung 22 Lernen mit Freude für alle zeigte das inklusive Lernfest in Großrußbach (NÖ)

© BHW Niederösterreich

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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gesamten Vielfalt ist hier wahrzunehmen: Unterschiedlichkeiten existieren in Bezug auf Geschlechterrollen, sprachlich-kulturelle und ethnische Hintergründe, soziale Milieus, sexuelle Orientierungen, politisch-religiöse Überzeugungen, etc. Die Idee der Inklusion spannt ein umfang-reiches Spektrum an Komplexität, da sie alle Personen berücksichtigt. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, ist es unabdingbar, die Vielfältigkeit und die Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen zu kennen.

Von der Beseitigung von Barrieren profitieren viele Menschen, wie etwa Ältere, Menschen mit Kleinkindern (Kinderwägen) oder temporär Körperbeeinträchtigte (z.B. nach einem Unfall). Wenn man die demographische Entwicklung der Gesellschaft berücksichtigt (Menschen werden immer älter, somit steigt auch die Anzahl der Personen mit Behinderungen), wird Barrierefreiheit für immer mehr Menschen eine Notwendigkeit. So wie es in der Architektur den Ansatz „Design for all“ gibt, der vielen Menschen zugute kommt, sollte dieser auch in der Bildungsarbeit in all seinen Facetten (von der Bewerbung über den physischen Zugang bis hin zum individuell abgestimmten Lernprozess) Eingang finden.

Neben dem institutionellen Rahmen soll auch die emotionale und die soziale Ebene des gemein-samen Lebens und Lernens fokussiert werden. Jede Person ist ein wichtiges Mitglied der Gemein-schaft „unabhängig von seinen Möglichkeiten und Einschränkungen, die sich ohnehin bei allen Menschen nur graduell unterscheiden“ (Andreas Hinz 2004). Inklusion fokussiert den einzelnen Menschen im gesellschaftlichen Kontext. Auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen haben nicht nur die Individuen, sondern vielmehr auch die Organisationen (in diesem Fall im Bildungs- und Regionalentwicklungsbereich) Unterstützungs- und Förderbedarf.

Wie lässt sich Inklusion nun auf LERNENDE REGIONEN umlegen? Im Folgenden wird der „Index of Inclusion“ (nach Tony Booth: Breaking down the barriers) für dieses Konzept modifiziert:

- Gleiche Wertschätzung allen gegenüber: alle BewohnerInnen einer Region haben das Recht der Partizipation in allen Lebensbereichen

- Steigerung der Partizipation der TeilnehmerInnen in der Erwachsenen- und Weiterbildung - Weiterentwicklung bzw. Restrukturierung von Kulturen, Strukturen und Praktiken in (Bildungs-

)einrichtungen einer LERNENDEN REGION: Diversität als Basis aller Konzepte in einer Region, Verschiedenheit als Normalität und Ressource

- Abbau von Barrieren bzw. die Verbesserung für Lernen und Teilhabe aller TeilnehmerInnen - Betonung, aktiv an einer inklusiven Gesellschaft mitzuwirken, Gemeinschaften aufzubauen,

Werte zu entwickeln und zu kommunizieren (nach Hinz 2004)

Wie kann eine Region bzw. wie können Organisationen davon profitieren? - Inklusion erschließt neue Zielgruppen - Inklusion steht für mehr Qualität, da es Ansprüchen des LLL (Lernende in den Mittelpunkt stel-

len, Lebensphasenorientierung,…) und den aktuellen pädagogischen Forderungen entspricht - Inklusion verbessert das Image (vgl. Grill, S.10ff)

Schritte zu einer barrierefreien Lernenden Region

- Beratung, Information: Wo sind Barrieren in der Region? Wie kann man diese beseitigen? Mit welchem Aufwand ist dieser Prozess verbunden?

- Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen, Sozialeinrichtungen und Selbstvertretungsgrup-pen (Gruppen von Menschen mit Behinderungen, die sich selbst und ihre Anliegen vertreten).

- Expertise der KundInnen nutzen: Konzepte mit den KundInnengruppen entwickeln (partizipativer, inklusiver Ansatz bei der Entwicklung von Konzepten, z.B.: Kundenforum, inklusive Projekt- bzw. Entwicklungsteams)

- Inklusion als organisatorische Aufgabe: Menschen mit Behinderungen nicht nur als KundInnen mitdenken, sondern auch als potentielle MitarbeiterInnen in den Einrichtungen einer LERNENDEN REGION: Inklusivität im Alltag leben,.

In ihrem Artikel „Inklusion und Exklusion im Kontext Lebenslangen Lernens“ weisen Babilon, Goeke und Terfloth53 darauf hin, dass bei der Implementierung inklusiver Bildung „durchgängig drei Prinzipien der Erwachsenenbildung berücksichtigt werden müssen:

53 In: Erwachsenenbildung und Behinderung: Die inklusive Gesellschaft. April 2007, S.18

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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1. Freiwilligkeit der Teilnahme 2. Mitbestimmung der Teilnehmenden 3. Möglichkeiten der freien Wahl verschiedenster Themen und Kurse“

Ausgang für die Implementierung von Maßnahmen zu einer barrierefreien LERNENDEN REGION ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Barrieren. Welche Barrieren gibt es und worin liegen die Barrieren in der eigenen Region? Nach der Analyse des Status Quo lässt sich dann auch ein Plan ent-wickeln, um sukzessive die Barrieren – manche leichter, manche schwerer; manche kostenfrei, manche kostenintensiv – abzubauen. Quellen für eine barrierefreie Lernende Region

1) CEDOS CEDOS wurde von atempo entwickelt und bietet Selbstevaluierungs-Pakete für Gemeinden und Ver-bände an. Als Beispiel lässt sich die Gemeinde Hart bei Graz anführen, die sich auf den Weg in Richtung Barrierefreiheit gemacht hat: Hart bei Graz zählt 4.500 EinwohnerInnen, darunter einen nicht geringen Anteil an SeniorInnen und Menschen mit Behinderung. Damit auch diese Personen voll am Gemeindeleben teilhaben können, hat der Gemeinderat den Beitritt zum Gemeinde-Netzwerk CEDOS beschlossen. Barrieren wurden auf allen Ebenen beseitigt. Von baulichen Hindernissen bis zum Internetauftritt, der nach den international üblichen Standards für Barrierefreiheit umgestaltet wird.

CEDOS steht für „Capito- Eigendokumentations-System“ und bietet Gemeinden und Verbänden eine Vielzahl an Tipps und Anregungen, wie sie Barrieren in der Gemeinde selbst erkennen und beseitigen können. Die Werkzeuge dafür gibt’s in vier Toolboxen, die thematisch gegliedert sind und vom Web-Auftritt über Printmedien bis hin zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen und Infrastruktur reichen. Jede CEDOS- Gemeinde ist Mitglied in einem überregionalen Netzwerk und erhält regelmäßig Service-, Beratungs- und Schulungsangebote.

Informationen: www.hartbeigraz.at bzw. www.cedos.at

2) Die Online-Plattform von MAIN_Medienarbeit Integrativ Die Onlineplattform www.mainweb.at bietet Informationen, Nachrichten und Meinungen aus der Welt inklusiver und barrierefreier Medien- und Kommunikationsarbeit, wie beispielsweise Leitlinien für:

- Barrierefreies Web: Die WAI-Richtlinien - Checkliste: Barrierefreie Events - Design für alle - Easy to Read

- Interviews mit Menschen mit Behinderungen

- Leitfaden Gebärdensprach-Filme - Sensibler Sprachgebrauch

Beratung und Information zum Thema Barrierefreiheit gibt es im Internet zuhauf, beispielsweise: www.oegsbarrierefrei.at www.accessible-media.at www.w3c.de/Trans/WAI/webinhalt.html, www.digitales.oesterreich.gv.at/site/5566/default.aspx Zielgruppe dieser Broschüre sind vor allem Erwachsenenbildungseinrichtungen. Bei Interesse bitte mit der Akademie für integrative Bildung Kontakt aufnehmen: www.biv-integrativ.at

Abbildung 23 Barrierefreie Bildung alswichtiges Anliegen von LernendenRegionen © BHW Niederösterreich

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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3) Leitfaden: Erwachsenenbildung barrierefrei Um Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Bildungsangeboten zu erleichtern, wurde im Rahmen des österreichweiten Netzwerkes "Netweb.In" eine Broschüre für Bildungseinrichtungen ent-wickelt. Die Broschüre "Erwachsenenbildung barrierefrei - Leitfaden für ein gemeinsames Lernen ohne Hindernisse" zeigt konkrete Möglichkeiten auf, wie Barrieren in der Bildung abgebaut werden können. Mittels einer Checkliste ist auf einen Blick erkennbar, was Barrierefreiheit für die unterschied-lichen Behinderungsformen heißt. Ergänzt wird die Broschüre durch Erfahrungsberichte betroffener KursteilnehmerInnen mit Behinderung sowie durch Tipps, Informationen über Kontaktstellen und weiterführende Literatur. www.biv-integrativ.at/pdf/Erwachsenenbildung_barrierefrei.pdf

4) Handbuch: Barrierefreie Erwachsenenbildung in Niederösterreich Das Handbuch, von Carina Diesenreiter (ÖIEB) herausgegeben, bietet theoretische Einblicke, State-ments von KundInnen und Erfahrungsberichte zur Barrierefreien Erwachsenenbildung. Literaturhin-weise, Webtipps und Hinweise auf Beratungsstellen runden die Broschüre ab. Zu finden ist das Handbuch unter http://www.oieb.at/master.htm?http://www.oieb.at/themen/Integrative_Bildung.htm.

5) Events für alle – Qualitätsstufen für barrierefreie Veranstaltungen Hinweise zu barrierefreiem Veranstaltungsmanagement bietet die Homepage http://www.thueringen.de/de/bb/aktuell/events/content.html

6) Disability Portfolio Auf der englischsprachigen Homepage des englischen Dachverbands für Museen, Bibliotheken und Archive findet man eine sehr ausführliche Sammlung an Informationen zu den Themen Behinderung und Umgang mit behinderten Menschen, inklusive Information und Zugänglichkeit. Siehe http://www.mla.gov.uk/website/policy/Diversity/People_with_Disabilities

Literatur

Baumgart, Erdmute/ Bücheler, Heike (1998): Wissenswertes zur Erwachsenenbildung unter besonderer Berücksichtigung von geistiger Behinderung. Neuwied.

Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (2002): Zur Gestaltung von barrierefreien Websites: Leitlinien zur Gestaltung von barrierefreien Websites. Wien.

Bmsk (2003): Bericht der Bundesregierung über die Lage der behinderten Menschen in Österreich. Wien.

Diesenreiter, Carina (Hrsg.) (2008): Barrierefreie Erwachsenenbildung in Niederösterreich. Unter: http://www.oieb.at/download/Handbuch_Barrierefreie_Erwachsenenbildung_in_NOe.pdf

Grill, I. (2005): Inklusive Bildung. Erste Schritte zu einer gemeinsamen Erwachsenenbildung für beh. und nichtbeh. Menschen. Wien, http://bidok.uibk.ac.at/library/handbuch-inklusiv.html

Grubich, Rainer u. a. (2005): Inklusive Pädagogik. Beiträge zu einem anderen Verständnis von Integration. Aspach – Wien – Meran.

Hinz, Andreas (2004): Index für Inklusion: Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln.

Integrativer Bildungsverein (Hrsg.) (2003): Bildung für alle. Menschen mit Behinderung in der Erwachsenenbildung. Wien, als PDF unter www.biv-integrativ.at

Platte, A,/ Seitz, S./ Terfloth, K. (Hrsg.)(2006): Inklusive Bildungsprozesse. Bad Heilbrunn.

Stadtbaudirektion Graz (2006): Barrierefreies Bauen für alle Menschen. Planungsgrundlagen. Graz.

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Frauen

Auch wenn Frauen als Gesamtgruppe innerhalb des institutionalisierten Bildungsbereichs stark aufge-holt und Männer oftmals überholt haben, gelang es nicht, diesen Vorsprung auf den realen Arbeits-markt umzulegen. So finden sich gerade unter ihnen viele von sozialem Abstieg und Arbeitslosigkeit gefährdete Gruppen, wie Alleinerzieherinnen, berufliche Wiedereinsteigerinnen oder gering Qualifi-zierte. In diesem Kapitel werden einige Projekte zur Frauenförderung vorgestellt, die mögliche Ideen-geber für LERNENDE REGIONEN sein können.

WiedereinsteigerInnen – Zentren für Ausbildungsmanagement

(vom WIA Liezen)

Das WIA - Zentrum für Ausbildungsmanagement für Frauen und Betriebe im Bezirk Liezen ist eines von neun Zentren für Ausbildungsmanagement, kurz ZAM, in der Steiermark. Aufgrund hoher Arbeits-losigkeit von Frauen im Bezirk Liezen wurde WIA vor ca. zehn Jahren gegründet und hat sich mittler-weile zu einem wichtigen Teil des Regionalmanagements Bezirk Liezen entwickelt. Ein ZAM arbeitet im Auftrag von AMS und Land und versteht sich als Drehscheibe zwischen Unternehmen, die maßge-schneidert ausgebildete MitarbeiterInnen benötigen und Arbeit suchenden und ausbildungs-interessierten Frauen, die sich beruflich neu orientieren oder weiterbilden möchten. In Berufsorientierungskursen mit dem Schwerpunkt handwerklich-technische Berufsgruppen und unter

Einbeziehung der Wirtschaft in Form von Betriebspraktika erkunden die Teilnehmerinnen Berufs-möglichkeiten, die sich sowohl mit den Bedürfnissen der Region, als auch den Rahmenbedingungen der Teilnehmerinnen vereinbaren lassen. In Gruppen wird an den persönlichen Karrierezielen ge-arbeitet. Der individuelle Berufslebenslauf wird unter Einbeziehung der persönlichen Stärken erstellt. Besonderes Augenmerk wird auf „versteckte“ Fähigkeiten im handwerklich-technischen Bereich gelegt.

Die Teilnehmerinnen erhalten Informationen über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Kooperation mit dem Berufsinformationszentrum des AMS. Auch die vielfältige Förderungslandschaft (z.B. AMS, Land Steiermark, Ministerien etc.) wird thematisiert.

Im Modul Gender Mainstreaming werden geschlechtsspezifische Ungleichheitsstrukturen am regionalen Arbeitsmarkt behandelt. Durch Workshops in den Bereichen Handwerk und Technik werden geschlechtsspezifische Vorurteile abgebaut.

„Praxisfrauen“ referieren über ihren Ausbildungsweg und die Erfahrungen im handwerklich-technischen Berufsalltag. Abgerundet wird das Angebot durch Seminareinheiten zu den Themen Konflikt- und Zeitmanagement sowie Ziel- und Motivationsarbeit. Praktika in heimischen Unternehmen ermöglichen den Teilnehmerinnen Einblicke in die angestrebten Berufe. Ist der Berufswunsch gefestigt, wird ein Ausbildungsplatz gesucht. Ein Ausbildungsplan wird in Kooperation mit WIA, dem Betrieb und der auszubildenden Frau unter Berücksichtigung etwaiger Fördermöglichkeiten durch die ZAM-Implacementstiftung erstellt.

Angebot von WIA für Frauen

- Betreuung und Beratung - Perspektivenerweiterung - Berufsorientierung - Ausbildungsplanung - TechnikRampe – Sanfter Einstieg in die Bereiche Holz, Elektro und Metall - Rampe für den Technischen Verkauf - Metallkurzausbildung mit Industrieführerschein - Wiedereinstieg mit Zukunft – ein Angebot für Frauen, welche nach der Babypause wieder ins

Berufsleben zurückkehren möchten

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Angebot von WIA für Unternehmen - Unterstützung von Betrieben der Region beim Auswahlprozess von Mitarbeiterinnen - Ausbildung nach dem bewährten dualen Prinzip: Die praktische Ausbildung wird im

Unternehmen durchgeführt, die theoretische Ausbildung absolviert die zukünftige Mitarbeiterin in einer Erwachsenenbildungseinrichtung.

- Organisation, Koordination und Begleitung der Ausbildung - Ausbildung der Mitarbeiterin über die ZAM-Stiftung

Nähere Informationen finden Sie auf der homepage: www.wia.co.at WIA ist das Zentrum für Ausbildungsmanagement in Liezen, [email protected], www.wia.co.at

Girls day Am einmal im Jahr stattfindenden „Girls’ day“ sollen Mädchen und Frauen für die Wahl technischer und naturwissenschaftlicher Berufe motiviert werden. Dadurch soll der Frauenanteil in so genannten „Männerberufen“ erhöht werden, um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel zu begegnen. Unter-nehmen, vor allem der Industrie, geben dabei Einblicke in Arbeitsplätze der Technik, Natur-wissenschaften, Handwerk und Informationstechnik. Ursprünglich stammt die Idee aus den USA, wo 1993 zum ersten Mal in New Orleans ein „take our daughters to work day“ („nehmt unsere Töchter mit zur Arbeit-Tag“) stattfand. Mittlerweile findet er in zahlreichen Ländern, darunter in allen neun Bundes-ländern, statt. Zum Teil wird das Projekt auch durch Veranstaltungen für Jungen ergänzt. Informationen zu den einzelnen Bundesländerprojekten: Burgenland: www.girlsday-burgenland.at Kärnten www.frauen.ktn.gv.at Niederösterr.: www.regionalesmentoring.at/girlsday Oberösterreich: www.girlsday-ooe.at Salzburg: www.girlsday.info Steiermark www.girlsday.steiermark.at Tirol: www.girlsday-tirol.at Vorarlberg: www.girlsday.at Wien: www.toechtertag.at

Abbildung 24 Girlsday in einer Türen-fabrik in Spital/ Phyrn (OÖ)

© Girls’ Day-OÖ

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Generationen

Wie bei der Gruppe der Bildungsfernen sind auch für weitere Zielgruppen mit besonderem Lernbedarf Bildungsoffensiven von Bedeutung. Dazu zählen vor allem Personen in biografischen Übergängen, SeniorInnen, SchulabbrecherInnen, WiedereinsteigerInnen. Da diese Gruppen oftmals in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, zeigt sich hier der besondere Vorteil eines regionalen Angebotes. Die Offensiven setzen sich im Allgemeinen aus zielgruppengerechter Öffentlichkeitsarbeit, Beratungs-angeboten und maßgeschneiderten Kursangeboten und Lernmaterialien zusammen. Es werden Formen aufsuchender Bildungsarbeit eingesetzt, d.h. Angebote an Orten, an denen die Zielgruppe bereits präsent ist. Zur Umsetzung der Offensiven wird die Kooperation mit Verbänden und Einricht-ungen gesucht, welche die jeweilige Zielgruppe repräsentieren.

Im Folgenden werden entsprechende Projektmöglichkeiten für Gruppen in bestimmten Alters-situationen, wie Kinder, Jugendliche, Familien sowie Personen über 50 Jahren vorgestellt.

Projekte zwischen den Generationen In den Projekten zwischen den Generationen lernen Menschen unterschiedlichen Alters voneinander, erfahren von der jeweils anderen Lebenssituation und helfen sich gleichzeitig in der Bewältigung spezifischer Herausforderungen54.

Begegnung der Generationen

Bereits in mehreren Orten finden Projkete unter dem Titel „Begegnung der Generationen“ statt. Dabei besuchen SchülerInnen die BewohnerInnen der örtlichen Alten- und Pflegeheime. Es werden gemeinsam Spiele-Nachmittage veranstaltet, Gymnastikübungen gemacht, Internetkurse für die PflegeheimbewohnerInnen angeboten oder einfach miteinander geredet. Radenthein: Evangelisches Gynmasium und Werkschulheim Wien: http://www.evangelischesgymnasium.at/diakonie/begegnung_generationen.html Gymansium Erlenbach (Deutschland): http://bdg.hsgerlenbach.de Sonderpädagogsiches Zentrum Wien 20: http://www.schulen.wien.at/schulen/920013

Mentoring alt – jung

In der gemeinsamen Begegnung zwischen Jugendlichen in der Übergangsphase Schule/ Beruf und Personen gegen Ende des Erwerbslebens werden die gesammelten Arbeits- und Lebenserfahrung gesellschaftlich nutzbar gemacht. Die Älteren helfen den Jugendlichen als MentorInnen bei der Ausbildungsplatzsuche und stehen ihnen als persönliche HelferInnen und BegleiterInnen zur Seite.

Die Idee der ehrenamtlichen Berufseinstiegshilfe ist einfach: Jugendliche und junge Erwachsene erhalten beim Übertritt in die Arbeitswelt Unterstützung von SeniorInnen, die auf diese Weise ihre beruflichen Kompetenzen erhalten und ihre Lebenserfahrung weitergeben können. AusbilderInnen und LehrerInnen werden entlastet, ausbildende Betriebe können besondere Anforderungen frühzeitig in die begleitende Berufsschule einbringen. Dieses Projekt wurde bereits in der deutschen LERNENDEN REGION Dortmund durchgeführt. Nähere Informationen dazu unter http://www.lernende-regionen.info/dlr/3_projekt_616_2.php?reg=nor sowie http://www.stadtteil-schule.de/main.php?stadtteilschule=4&dortmund=2&language=DE

In der LERNENDEN REGION Rheingau-Taunus läuft seit längerem das Projekt „Alt hilft jung“. Zur Zeit geben 10 SeniorInnen Nachhilfe in Mathematik, Deutsch, Englisch und anderen Fächern, beteiligen sich an Schulprojekten wie dem selbstorganisierten Bistro der Beruflichen Schulen Untertaunus, geben Hilfen beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen und sind in den Schulalltag voll integriert. Dabei werden die Ehrenamtlichen durch regelmäßige Schulungen unterstützt. Informationen finden sich auf der Homepage: http://www.lnr-rtk.de

54 Siehe auch das Projekt „ Erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügeln“ ab S. 130.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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In der LERNENDEN REGION Kassel ist das Projekt „Berufspate“ etabliert. Berufspaten helfen mit praktischen Tipps, z.B. für das Vorstellungsgespräch, die Suche nach einem Praktikumsbetrieb, das Zusammenstellen der Bewerbungsunterlagen, durch das Vermitteln handwerklichen Geschickes, mit Kontakten zu Betrieben, in denen z.B. kleine Betriebserkundungen organisiert werden können, durch Vermitteln der eigenen Berufserfahrungen, Werte und Entwicklungen. Informationen: http://www.lernende-region-kassel.de/Service/berufspate_werden_mehr.htm

Angebote für Kinder

Bücherboxen für Chancengleichheit

In der LERNENDEN REGION Unna (D) wurde ein Projekt gestartet, das Kinder durch ein interessantes Angebot an Literatur und Methoden an das Lesen heranführen möchte. Damit werden nicht nur Kom-munikationsfähigkeit und Lesebereitschaft gefördert, sondern auch Kindern aus bildungsfernen Familien ein natürlicher Umgang mit Büchern gezeigt.

Das Projekt „Lernen hat Zukunft“ setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen: Zunächst erhält der Kindergarten eine Bücherbox, die aus Büchern der aktuellen und klassischen Kinderliteratur, einer Information für ErzieherInnen zum spielerischen Umgang mit Büchern sowie 50 Ratgebern für Eltern besteht. Später sieht das Projekt eine Fortbildungsmaßnahme für 20 ErzieherInnen im Kreis Unna vor. Thema der Fortbildung ist die Bedeutung von Kinderliteratur für die frühkindliche Entwicklung sowie Praxisbeispiele.

Weitere Informationen: http://www.lernende-region-unna.de/v2/cms/front_content.php?idcatart=31

Kinderuni

Kinderunis bzw. Kinderfachhochschulen lassen sich auch für höhere Schulen adaptieren. In kind-gerecht aufbereiteten Aktionstagen werden Kinder mit den Arbeiten von höheren Bildungseinricht-ungen vertraut gemacht. Dadurch lässt sich die Bildungsdurchlässigkeit und das Interesse für tech-nische und naturwissenschaftliche Fächer vergrößern. Darüber hinaus erfahren Kinder und deren Angehörigen von den Bildungsangeboten in ihrer Region. Informationen zum Thema finden sich unter dem Wikipedia-Eintrag: http://de.wikipedia.org/wiki/Kinderuniversität

Abbildung 25 Kindermuseum Mach Mit in Deutschland © European Communities, 1995-2008

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Jugendliche

Die Zeit nach der Pflichtschule, wenn sich Jugendliche vom Elternhaus emanzipieren und selbst-ständig werden, gehört zu den komplizierten Phasen des Lebens. Neben den persönlichen Veränder-ungen stehen Jugendliche vor zahlreichen wichtigen Entscheidungen, die ihr weiteres Leben und ihre berufliche Identität stark bestimmen werden: Sollen sie eine Lehrstelle suchen oder weiter in der Aus-bildung bleiben, und wenn, auf welche Schule sollen sie dann gehen?

Gerade für ehemalige HauptschülerInnen und weitaus mehr noch für ehemalige Sonder-schülerInnen ist es sehr schwer geworden, nach der Schule eine adäquate Arbeits- oder Lehrstelle zu finden. Gleichzeitig warnen ArbeitsmarktforscherInnen vor einem kommenden Fachkräftemangel. Mit verschiedensten Projekten könnte die LERNENDE REGION in Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft und Schulen den Jugendlichen helfen, den schwierigen Übergang von Schule in den Beruf zu erleichtern. Besondere Beachtung benötigen hierbei bildungs- und/oder sozial benachteiligte junge Menschen. Um an den Aktionsfeldern unserer Gesellschaft teilzuhaben, brauchen sie vor allem neue und wirksame Zugänge zum Lernen (siehe dazu auch das Kapitel „Angebote für bildungsferne Gruppen“ ab S. 89). Projekte zur Berufsorientierung beinhalten meist folgende Bereiche:

- Initiierung und Ausweitung der Kooperationsbeziehungen zwischen Schule und Wirtschaft. - Verbesserung der Kompetenzen und Motivationssteigerung Jugendlicher im Hinblick auf das

Berufsleben. - Praxisorientierte Schulausbildung mit Hilfe der Unternehmen, beispielsweise über Projekt-

wochen/-tage, Schülerunternehmen oder Ausprobieren in „Schnupperlehren“. Siehe in diesem Bereich auch die Mentoring-Projekte zwischen den Generationen auf S.109.

Kompetenzen erkennen und verbessern

Jugendprojekt s.t.e.p. In der LERNENDEN REGION „Tölzer Land“ wurde das Jugendprojekt „S.t.e.p.“ durchgeführt. S.t.e.p. steht dabei für: SchülerInnen testen ihre Stärken, engagieren sich in der Region, planen ihre berufliche Zukunft. Das Teilprojekt bietet 15- bis 18jährigen SchülerInnen in abschlussnahen Klassen aller allge-meinbildenden Schulen in einer erlebnispädagogischen Projektwoche eine frühzeitige berufliche Orientierung an, um den Übergang von der Schule ins Erwerbsleben zu optimieren. GymnasiastInnen und RealschülerInnen treffen sich in Camps während der Sommerferien (Sommercamps). Haupt-schülerInnen absolvieren den Kurs klassenweise während der Schulzeit (Hauptschulcamps). Dabei werden die ausbildenden Unternehmen in der Region eingebunden. Die Camps umfassen Indoor- und Outdoor-Trainings in Teambildung, Präsentationsmethoden, einen Kompetenzcheck als Einstieg in den ProfilPASS („s.t.e.p. motiviert“) und eine Planung persönlicher Ziele sowie Hilfe bei der Bewerbung. Zusätzlicher Programmteil ist ein computerbasiertes Unternehmensplanspiel („s.t.e.p. aktiv“). Während der Projektwochen werden auch Folgeaktivitäten sowie die Teilnahme an Schülerfirmen geplant (s.t.e.p. engagiert). Siehe: www.lernende-regionen.info/dlr/dokumente/p_416/Jugendprojekt_step.pdf?PHPSESSID=f5ff

Stärken erkunden - Assessments in der Berufsorientierung Ein Assessment ist ein Instrument zur Einschätzung, Beurteilung und Bewertung von berufsbe-zogenen Kompetenzen, in dem mehrere KandidatInnen von geschulten BeobachterInnen in einer Viel-zahl von Beobachtungssituationen (Übungen, Tests, Rollenspiele, Interviews etc.) beobachtet und nach festen Regeln beurteilt werden. Mit der Hilfe eines Assessment-Centers erkundet die deutsche LERNENDE REGION Hersfeld-Rotenburg die Stärken von Jugendlichen, um sie dadurch mit passenden Berufsfeldern bekannt machen zu können. Siehe: http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-bo-n3.asp

Stärken dokumentieren - Die PLUS-Mappe Die PLUS-Mappe dient SchülerInnen und Betrieben der deutschen LERNENDEN REGION Hersfeld-Rotenburg als wichtiger Kompetenznachweis bei Bewerbungen. Die Mappe enthält standardisierte Formulare, mit denen sich Jugendliche schulformübergreifend ihre individuellen persönlichen Leistungen und Stärken, ihre Erfahrungen, ihr Engagement und ihre Ressourcen zur Lebensbe-

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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wältigung bestätigen lassen können. Persönliche Leistungen und Stärken können so in die Beurteil-ung beim Bewerbungsverfahren mit einbezogen werden. Als Gegengewicht zum rein schulischen Bewertungsraster gewinnen individuelle sowie soziale Fähigkeiten und Fertigkeiten an Bedeutung. Weitere Informationen: http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-bo-n4.asp

Job-Fit Paket: Jugendliche helfen Jugendlichen Ziel des Job-Fit Pakets ist es, HauptschülerInnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Dazu gibt es viele Möglichkeiten:

- Studierende und SchülerInnen höherer Schulen unterstützen HauptschülerInnen gezielt bei der Verbesserung ihrer sprachlichen Leistungen.

- Lehrlinge in den Betrieben der Region übernehmen Patenschaften für die SchülerInnen, um ihnen einen Einblick in ihren Beruf zu geben.

Ein solches Projekt läuft in der deutschen LERNENDEN REGION „Heilbronn-Franken“. Ein Jahr lang unterstützen GymnasiastInnen aus mehreren Stadt- und Landkreisen HauptschülerInnen beim Ein-stieg in die Ausbildung. In ihren Schulen wurden die GymnasiastInnen auf die Aufgabe professionell vorbereitet. Die ausgebildeten TutorInnen des jeweils benachbarten Gymnasiums lernen wöchentlich mit zwei SchülerInnen und unterstützen diese beim Bewerbungsprozess.

Projekte zur Berufswahlentscheidung

Die meisten SchülerInnen, die ihre Schullaufbahn nach der Pflichtschule beenden, wissen kurz vor den Abschlussprüfungen noch nicht, welchen Beruf sie später ergreifen möchten und für welche beruflichen Tätigkeiten sie potenziell geeignet sind. Schule und Berufsleben sind für sie zwei vollkom-men getrennte Welten, die denkbar wenig miteinander zu tun haben. Vorstellungen und Meinungen über bestimmte Berufe entstehen daher oftmals auf der Grundlage dessen, was in Fernsehserien dargestellt oder von Eltern und Verwandten beschrieben wird. Um die Perspektiven der Jugendlichen zu erweitern und auf realistische Füße zu stellen, eignen sich verschiedene Projekte zur Berufswahlentscheidung.

Lehrstellenatlas Ein Lehrstellenatlas unterstützt SchülerInnen bei der Suche nach Ausbildungsplätzen, Praktikums-stellen und AnsprechpartnerInnen in Unternehmen. Gleichzeitig hilft er den Unternehmen bei der Suche nach Lehrlingen. Mit dem Lehrstellenatlas finden sie schneller Kontakt zu Schulen, sozialen Einrichtungen und Netzwerken vor Ort. Der Service-Teil bietet Informationen und Adressen, die für den betrieblichen Ausbildungsalltag der Firmen von Nutzen sind. Ein solches Projekt wurde in der LERNENDEN REGION „Bildung und Lernen (Bille)“ in Hamburg umgesetzt und erscheint im Herbst 2007 zum fünften Mal. Die dort entstandene Broschüre verzeichnet rund 1.000 Ausbildungsplätze bei über 90 Betrieben im Hamburger Osten und weiteren großen Unternehmen der Stadt. Geordnet sind die Adressen nach Berufen, wobei das Spektrum von „AltenpflegerIn“ bis „ZweiradmechanikerIn“ reicht. Dazu finden sich kurze Vorstellungen typischer Ausbildungsbetriebe, nützliche Hilfen und Adressen zu Berufsplanung und Bewerbung, Internetangebote und Büchertipps. Verteilt wurde der Lehrstellenatlas kostenlos über die Schulen, Jugendeinrichtungen, Bibliotheken bzw. über Direktbestellung: http://www.billenetz.de/projekte/lsta

Scout- Schule macht fit Schon heute fehlen in der deutschen Uckermark, trotz hoher Arbeitslosigkeit, die passenden Fach-kräfte. Den Jugendlichen fehlt oftmals eine Orientierung in ihrer Berufswahlentscheidung. Das Projekt SCOUT bietet eine individuelle, kontinuierliche und zielgerichtete Berufsfrühorientierung. Durch die Zusammenarbeit mit LehrerInnen und regionalen Betrieben werden die SchülerInnen dabei gezielt begleitet. Das Projekt umfasst die Bausteine Berufscoaching und Praxislernen. Die Jugendlichen erhalten Informationen zu Berufsbildern und ihren persönlichen Stärken und Schwächen. Dadurch können sie einen realistischen Berufswunsch entwickeln. Das Ziel einer Einmündung in ein betrieb-liches Ausbildungsverhältnis vor Ort wird durch praxisnahe Lern- und Unterrichtsmethoden in Kooperation mit regionalen Wirtschaftsunternehmen und weiteren BildungspartnerInnen gefördert.

Darüber hinaus sollen im Rahmen regionaler Gesprächskreise zum Thema praxisnahe Berufs-orientierung gemeinsam mit Unternehmen weitere Kooperationsmöglichkeiten erschlossen werden.

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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PraktikantInnenatlas Ähnlich wie beim Lehrstellenatlas verhält es sich mit einer Praktikums-Datenbank, die Praktikums-plätze vermittelt. Auch dazu finden sich bei LERNENDEN REGIONEN in Deutschland mehrere Beispiele: http://www.praktikum-norderstedt.de bzw. http://www.praktikumsatlas.lernregion.net

Berufemarkt Ziel eines Berufemarkts ist es, ausbildende Betriebe der Region auf engstem Raum zusammenzu-fassen, um potentiellen Auszubildenden das breite Spektrum von Berufsbildern und Ausbildungs-möglichkeiten zu zeigen. Der Berufemarkt in der LERNENDEN REGION Wartburg fand 2007 bereits zum achten Mal statt. Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe sowie weiterführende Schulen und Studieneinrichtungen stellen Berufe und alternative Möglichkeiten zur Gestaltung der Zukunft vor.

In der Praxis lernen

Fahrradwerkstatt im Stadtteil Heuberg Das Projekt Fahrradwerkstatt der LERNENDEN REGION Hersfeld-Rotenburg ist als Lernort ohne schul-ische Zwänge konzipiert. Es bietet SchülerInnen, aber auch Jugendlichen und BewohnerInnen der Gegend die Möglichkeit, Reparaturen am eigenen Fahrrad auszuführen. Die technische Grundaus-stattung steht allen zur Verfügung. Kleinere Reparaturarbeiten können von „qualifizierten Fachleuten“ ausgeführt werden. Eine Reparaturfirma, die aus dem Unterricht entstanden ist, soll helfen, erste Praxiserfahrungen zu sammeln. Ziel des Projekts ist die Stärkung mehrer Kompetenzen:

- Kennenlernen technischer Grundqualifikationen - Erprobung persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten - Qualifizierung von Multiplikatoren - Aufbau einer Reparaturfirma und einer Fahrradausleihe - Förderung des Umweltbewusstseins

Weitere Informationen http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-bo-n1.asp

Projekt „Schüler im Wald“ In diesem Projekt nutzte die LERNENDE REGION Hersfeld-Rotenburg in Deutschland den dortigen Wildpark als außerschulischen Lernort. Dies erfolgt im Rahmen des Programms „EIBE“ zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt (siehe www.eibe-online.de). Dabei wurden zahlreiche kleinere und größere Projekte umgesetzt:

- Bau eines Holzkohlenmeilers bzw. eines Schaumeilers - Aufbau einer historischen Landmaschinenausstellung - Pflege und Wartung von Spielgeräten, Maßnahmen zur Erweiterung der Parkeisenbahn - Aufstellung einer selbst gefertigten EIBE- Skulptur aus einem 180 Jahre alten Baumstamm /

Bearbeitung von Baumstämmen für die Herstellung von Spielgeräten - Hilfe bei der Sanierung des Wasserhäuschens - Unterstützung bei der Fütterung der Tiere sowie Anfertigung, Montage und Beobachtung von

Nistkästen. - Aufbau eines festen Verkaufshäuschens für die Produkte aus den anderen EIBE- Bereichen - Bau einer Mülltrennstation

Im Projekt entstand eine Dynamik des Miteinanderlernens und -arbeitens, die mit frontal inszeniertem und getaktetem Unterricht nicht mehr viel zu tun hat. Dabei konnten neben dem Erwerb hand-werklicher Fähigkeiten und Erfahrungen im Arbeitsleben auch eigene Kompetenzen und Neigungen erkannt werden. Dazu erlangten die TeilnehmerInnen Teamkompetenz, auch in der Zusammenarbeit über die Generationengrenzen hinweg, sowie eine positive Einstellung zur Umwelt. Informationen : http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-bo-n2.asp

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Familien

Eltern begleiten und unterstützen ihre Kinder im gesamten Bildungs- und Erziehungsprozess. Wie zahlreiche Studien zeigen, ist der familiäre Hintergrund, weitaus stärker als persönliche Leistung, entscheidend für die schulische und spätere berufliche Entwicklung. Die Familie ist dabei einem steten Wandel unterworfen: Von der Groß- über die Kern- bis zur Patchworkfamilie nahm nicht nur die Vielfalt privater Gemeinschaftsformen, sondern oft auch die Unsicherheit zu. Wie sollen Kinder erzogen werden? Welche Herausforderungen ergeben sich durch getrennt lebende Eltern oder Patch-workfamilien? Wie sieht es mit der Kommunikation zwischen Eltern und Schule aus? Verschiedene Möglichkeiten eignen sich, um Familien in LERNENDEN REGIONEN zu unterstützen.

Die LERNENDE REGION Osnabrück in Deutschland bietet ein umfassendes Weiterbildungspaket an. So wurde unter dem Titel „Macht euch stark für starke Kinder“ ein eigener Elternkurs entwickelt. Hauptziele sind der Austausch der Eltern untereinander, Schulung des Kommunikationsverhaltens, Stärkung der Elternrolle, Entwicklung alternativer Handlungsstrategien in Konfliktsituationen und eine Bewusstmachung der eigenen Ressourcen. Der Kurs besteht aus zwölf aufeinander aufbauenden Einheiten vonmit jeweils 2,5 Stunden.

Speziell für den Übergang vom Kindergarten zur Schule bzw. von der Schule zur Ausbildung wurden zusätzliche Kurse entwickelt. Dies ist einerseits wichtig, da die Weichen für späteren schulischen und beruflichen Erfolg schon sehr früh gestellt werden, andererseits, da Eltern bei der Berufsorientierung ihrer Kinder nach wie vor die Hauptrolle spielen. Um eine ausreichende Zahl an ausgebildeten ElterntrainerInnen zur Verfügung zu haben, entwickelte die LERE Osnabrück eine eigene Weiterbildung für Personen mit pädagogischer Ausbildung bzw. Erfahrungen in der Familienarbeit. Ergänzt wurde das Projekt mit eigenen Fortbildungsmodulen für KindergärtnerInnen und LehrerInnen. Dabei werden Strategien und Wege erarbeitet, mit denen das Verhältnis zwischen LehrerInnen/ ErzieherInnen und Eltern den neuen Herausforderungen angepasst und insgesamt verbessert werden kann.

Abgerundet wurde das Projekt durch die Ausstellung „Macht euch stark für starke Kinder“, die niedrigschwellig für das Thema Familie und Erziehung sensibilisierte. Auf 30 großformatigen und in schwarz-weiß gehaltenen Bildern zeigt die Ausstellung typische familiäre Alltagsthemen wie „Grenzen“, „Erfahrungen“, „Liebe“, „Wut“ oder „Abschied“. In diesen Szenen können sich Eltern und Kinder wiederfinden und zum Nachdenken über die eigenen Erziehungserfahrungen und –probleme angeregt werden. Siehe: http://www.lernenderegionosnabrueck.de/index.php?page=3&sub=2#p4 Vergleichbare Kurse bietet auch das Salzburger Bildungswerk mit der „Elternbildung“ an (siehe www.salzburgerbildungswerk.at). Mit der Elternbildung werden Informationen zum Thema Erziehung, Gesundheit, Kommunikation in der Familie, Umgang mit neuen Medien, Schule und Ausbildung, Recht und Unterstützung vermittelt. Bestandteil sind Rufkurse sowie Elternbriefe (http://www.elternbriefe.salzburg.at). Siehe dazu auch die Akademie „FiF - Frauen in der Familienphase“ auf S. 115.

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Angebote für Personen in biografischen Übergängen

Implacement Agentur für JungakademikerInnen

Das Projekt „Implacement Agentur“ (IPA) der LERNENDEN REGION Oldenburger Land versucht der zu-nehmenden Zahl an arbeitslosen (Jung)akademikerInnen durch Vermittlung konkreter Stellen zu helfen. Dabei sollen Unternehmen mit jungen Arbeitskräften zusammengebracht werden, um lösungs-orientiert an Projekten zu arbeiten.

Dahinter steht die Idee, dass „Unternehmen heute zunehmend vor der Aufgabe stehen, inner-betriebliche Entwicklungen schneller und flexibler voranzubringen, um auf den permanent wandelnden Markt reagieren zu können. Gleichzeitig fehlen ihnen vielfach personelle Ressourcen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Auf der anderen Seite stehen junge AkademikerInnen vor dem Start in die berufliche Perspektive, Studierende mit großem Engagement zum Lernen und erfahrene Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen in die Erwerbslosigkeit geraten sind, die sich alle gemeinsam gerne einer Aufgabe stellen. (...) Die Implacement Agentur wird aktiv, wenn im Unter-nehmen ein Gedanke, eine Idee oder ein Problem ein bisher undefiniertes Lösungsmodell benötigt“ (Faltblatt des Teilprojektes IPA). Gemeinsam werden Anforderungen, Aufgaben und Ergebnis-erwartungen formuliert, worauf die IPA ein Team aus Studierenden, AbsolventInnen und Arbeits-suchenden zusammenstellt die, betreut durch Coaches und Fachpersonal der IPA, zielgerichtete Lösungs- und/ oder Umsetzungsmöglichkeiten erarbeiten. Die Unternehmen sind dabei über Kommunikationstools in den Prozess integriert. Ziel ist es, einerseits den Unternehmen projektorientierte Lösungen zu erarbeiten, andererseits Arbeitssuchenden eine Möglichkeit zu bieten, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zu präsentieren. Siehe http://www.lernende-regionen.info

Akademie FiF für Frauen (und Männer) in der Familienphase

Die Akademie FiF ist ein Teilprojekt der LERNENDEN REGION Tölzer Land, das für Frauen (und Männer) in der Familienphase ein speziell zugeschnittenes Lernprogramm inklusive Kinderbetreuung anbietet. Die TeilnehmerInnen werden in ihren Kompetenzen gefördert und erarbeiten sich Wege und Möglichkeiten, ihre Stärken weiter zu entwickeln und mit ihren Grenzen besser umzugehen. Die Themenbereiche sind in vier Bausteine gegliedert:

- Selbstkompetenz (Zeitmanagement, Rhetorik und ProfilPASS): überzeugend kommunizieren, Selbstbewusst auftreten, Ziele setzen und erreichen. Kosten: 120 €

- Familienkompetenz (Erziehung, Beziehung, Jugendarbeit und Wohnumfeld). Kosten: 50 € - Frauen-Netzwerk (FrauenInfoBörse und bürgerschaftliches Engagement). Frauen vernetzen

sich und profitieren voneinander. Kosten: 30 € - Berufliche Kompetenz (AssessmentCenter, Bewerbungstraining, Finanzen, Familienrecht,

Outdoortraining und Projektarbeit). Kosten: 290 € (Weitere Informationen: www.lrtl.de).

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Angebote für SeniorInnen

(von Mag.a Karin Kölbl, Universität Klagenfurt)

Gerade für LERNENDE REGIONEN bietet sich die Gelegenheit, adäquate Angebote für Ältere zu erstellen, da die Zielgruppe vor Ort direkt angesprochen werden kann. Denn meist ist die Erreichbarkeit von Bildungsangeboten durch eine eingeschränkte Mobilität der Älteren schwierig. Im Folgenden werden Rahmenbedingungen, Entwicklung und Umsetzung sowie der Support in Bezug auf Angebote für Ältere im Überblick umrissen.

Rahmenbedingungen

Bildung und Lernen ist die Voraussetzung, Herausforderungen des Lebens zu meistern. Gerade für Ältere ist Bildung ein wichtiger Aspekt der Lebensqualität. Sie gewährleistet die Teilhabe an der gesellschaftlichen Entwicklung, die Bewältigung von Veränderungen, die Erhaltung der Eigenständig-keit und die Weiterentwicklung der Persönlichkeit. Für die Teilhabe am sozialen, politischen, ökonom-ischen und kulturellen Leben ist die Fähigkeit, neues Wissen zu erwerben, zu bewerten und anzu-wenden, ausschlaggebend. Durch die gestiegene Lebenserwartung und den Geburtenrückgang wird sich die Altersstruktur der Bevölkerung verschieben. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft, die sich einem Perspektivenwandel unterziehen und die Zielgruppe der Älteren in der betrieblichen Weiterbildung stärker fördern muss. Doch auch die Weiterbildungsinstitutionen müssen stärker auf die Bedürfnisse dieser Altergruppe reagieren und entsprechende Angebote entwickeln.

Dabei haben sich die Lebenssituation der PensionistInnen und ihre Erwartungen in den letzten Jahrzehnten verändert. Ältere Menschen im Ruhestand nehmen vermehrt Weiterbildungsangebote in Anspruch, was Auswirkungen auf die Bildungsarbeit hat, und dadurch neue Anforderungen und Kompetenzen erfordert. So verfügen Ältere oft nicht über genügend Qualifikation in der Anwendung neuer Medien. Gleichzeitig bleibt jedoch die Weiterbildungsbeteiligung bei Älteren gegenüber anderen EU-Ländern sehr gering. Die Herausforderung des lebenslangen Lernens muss mit der Frage einhergehen , in welchen Bereichen Altern, Bildung und Lernen miteinander verknüpft werden können. Dazu muss jedoch erst erklärt werden, was der Begriff „Alter“ meint.

Wer sind die Älteren?

Eine allgemein gültige Grenze für das Eintreten ins Alter zu bestimmen, ist schwierig. Individuelle, kalendarische, biologische, psychisch-intellektuelle sowie soziale Unterschiede sind dabei vorhanden. Die Frage, ob man vor oder nach dem Pensionsantritt „alt“ ist, lässt sich nicht so einfach zu klären. Während im Sport oder in der Armee Menschen etwa schon mit Mitte Vierzig zu den Älteren gezählt werden, liegt der Schnitt im Familienzyklus um das 50. Lebensjahr. Im Zusammenhang mit den Älteren wird von der Generation 40+, 45+ 50+ usw. gesprochen. Das macht deutlich, dass aufgrund der individuellen Zugänge eine genaue zahlenmäßige Festlegung des Begriffs „Alter“ kaum möglich ist. Damit ist die Zielgruppe der Älteren in mehrere Generationen zu unterscheiden, die mit unterschiedlichen Bedürfnissen gekennzeichnet sind. Diese Heterogenität ist bei der Erstellung von Angeboten für Ältere zu berücksichtigen.

Lernbesonderheiten Älterer

Die Vorstellung, dass die geistigen, emotionalen und körperlichen Fähigkeiten im Alter abnehmen, (Defizitmodell), konnte widerlegt werden. Mittlerweile kann gesagt werden, dass Ältere nicht schlechter sondern anders als Jüngere lernen. Die Anzahl der Motive, die für die Teilnahme an Weiterbildung ausschlaggebend sind (Motivation / Lernbereitschaft), nimmt im Alter zu. Aus diesem Grund sind Lerngruppen Älterer meist heterogen zusammengesetzt. Diese Vielschichtigkeit ergibt sich aus den Unterschieden in den Biographien (private und individuelle Lebensgeschichte), aus beruflichen (Berufstätigkeit) und physischen Faktoren (Gesundheit) und der psychischen Verfassung (Angst, Ermüdung, Aufmerksamkeit). Daher bedarf es einer altersgerechten Didaktik, die auf die Bedürfnisse Älterer eingeht. Es müssen Vorurteile und Ängste gegenüber der Lern- und Leistungsfähigkeit abgebaut werden. Nur wenn die

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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lernende Person Vertrauen in das eigene Tun und Handeln gewinnt, kann erfolgreiches Lernen ermöglicht werden. Es sollen Lernformen und Maßnahmen eingesetzt werden, die auf das Vorwissen und die Erfahrung Älterer beruhen und darauf aufbauend neue Erkenntnisse einordnen lassen. Die gewählte Methode hat einen wesentlichen Einfluss auf die Motivation. Deshalb sollen Weiterbildungs-kurse für ältere Menschen in erster Linie den Lernvoraussetzungen entsprechen und der Lernstoff sollte nach den Interessen und Lebensbedingungen ausrichtet sein. Auch Ziel und Zweck der Lern-schritte müssen bekannt sein. Für Ältere ist gerade der Praxis- und Anwendungsbezug wichtig, Angebote sollten sich nach ihrer Lebenswelt orientieren. Kommunikative Lernformen wie Team-Teaching und persönliche Betreuung fördern das Lernen. Lehr- und Lernmethoden, welche die Selbst-lernfähigkeit fördern und an das individuell definierte Lerntempo Älterer angepasst sind, sollten zum Einsatz kommen. Ein positiver Lernerfolg tritt schließlich erst dann ein, wenn die lernende Person sich selbst am Geschehen beteiligen kann.

Ziel der Implementierung

Angebote für Ältere, die auf deren Bedürfnisse abgestimmt sind, haben positive Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit, das Selbstvertrauen und die Fähigkeit, Belastungen zu bewältigen. Bildung ist auch Voraussetzung für das Engagement in kommunalen bzw. ehrenamtlichen Aktivitäten. Durch gezielte Angebote können Menschen auch nach dem Berufsleben gefördert werden und es kann so zu ihrer persönlichen Entwicklung beigetragen werden. Bildung im Alter kann zur Reflexion des eigenen Lebens und der eigenen Identität führen. Kompetenzen können erweitert und neue erworben werden, es findet ein Wissens- und Erfahrungsaustausch statt. Demzufolge kann gesagt werden, dass Bildung im Alter zu neuen Erfahrungen führt, Abbauerscheinungen verhindert werden, Gesundheit gefördert und soziales Engagement initiiert wird. Wenn davon ausgegangen wird, dass Bildung und Zugang zu Wissen ein wesentliches Kriterium für die Teilnahme der Menschen an der Gesellschaft, für Wohlstand und für eine sinnvolle Gestaltung des Lebens ist, ist der Zugang von älteren Personen zu Angeboten des lebenslangen Lernen dringend notwendig. Schließlich entsteht durch die Einbeziehung der Älteren in die LERNENDE REGION eine nachhaltige Identifikation, die zur Weiterentwicklung der Region führt. Angebote für Ältere tragen infolgedessen zur Erhöhung von politischen, gesellschaftlichen und sozialen Werten bei.

Voraussetzungen

Gerade aufgrund der Heterogenität der Älteren ist eine umfassende Bedarfsermittlung wesentlich. Der Bedarf unterteilt sich neben dem betrieblichen in den gesellschaftlichen und den individuellen Bedarf. Um die Zielgruppe der Älteren genauer zu erforschen, müssen verschiedene Daten eingeholt werden. Diese sollen Aufschluss über die Bedürfnisse und Interessen geben. Unter anderem sollen folgende Fragen beantwortet werden: Mit welchen Merkmalen kann die Zielgruppe der Älteren beschrieben werden? Welche Faktoren müssen berücksichtigt werden? Welche Themenschwerpunkte sind von besonderem Interesse? Welche besonderen Bedürfnisse sind zu berücksichtigen? Die Erhebung der nachstehenden Daten sind wichtig, um die Zielgruppen zu differenzieren und adäquate Weiter-bildungsangebote entwickeln zu können: „Bildungsgrad, Beruf und Position, Werthaltungen, Mein-ungen, TeilnehmerInnenwünsche und -verhalten, Rollenverständnis, Mediengewohnheiten, Alter, Geschlecht, Familienstand, Persönliche und berufliche Interessen, Informationsgrad über das Thema“55 Die Zielgruppe ist dabei bei der Erstellung von Weiterbildungsangeboten einzubeziehen, denn nur so kann eine erfolgreiche Implementierung gewährleistet werden. Schließlich bedarf es eines gut funktionierenden Netzwerks aller beteiligten Institutionen und dementsprechender finanzieller Mittel.

Entwicklung/Umsetzung

Vorab muss festgestellt werden, welche Angebote für Ältere in der LERNENDEN REGION bereits vor-handen sind (Ist-Analyse). Die Bildungsbedarfsanalyse sollte auf die Zielgruppe,- ältere Menschen - ausgerichtet sein. Um eine homogene Gruppe zu erhalten, sollten zusätzliche Daten wie Motivation, Weiterbildungsbiographie und Erfahrungen in der Zielgruppenanalyse Beachtung finden.

55 Merk, Richard (1998): Weiterbildungsmanagement. Bildung erfolgreich und innovativ managen. 2. Auflage, Neuwied-Kriftel.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Wenn geklärt ist, welche Bedürfnisse die älteren Menschen in der Region in Bezug auf Weiter-bildungsangebote haben, muss das Ausmaß der einzuführenden Maßnahmen bestimmt werden. Beispielsweise erfordern Kurse für das Erlernen oder den Umgang mit dem PC bzw. den neuen Informations- und Kommunikationstechnologen (IKT) einen anderen Aufwand als ein Projekt, das generationsübergreifend zum Erlernen der IKT implementiert wird.

Des Weiteren stellt sich die Frage nach den Ressourcen (personelle, finanzielle und in Bezug auf die Infrastruktur). Stehen beispielsweise entsprechende BildungsberaterInnen zur Verfügung? Welche Medien können zur Verbreitung von Informationen genützt werden? Welche Vereine gibt es in der Region (z.B. Pensionistenverein)? Welche Personen sind bereit, an der Erstellung des Angebots mit-zuarbeiten (außerhalb der Bildungsinstitutionen)? Welche ExpertInnen gibt es für verschiedene Themengebiete? Sind die TrainerInnen didaktisch/methodisch auf die Bedürfnisse der Älteren geschult?

Mögliche Maßnahmen

Untersuchungen von Statistik Austria haben ergeben, dass gerade bei älteren Menschen die Interessen neben EDV und Fremdsprachen im Bereich Gesundheit, Ernährung und Persönlichkeits-entwicklung, liegen56. Die folgenden vier Beispiele sollen Ideen für mögliche Projekte bringen:

Kooperationen für einen besseren Zugang zu Bildung Das EU-Projekt „LISA - Lernen im Seniorenalter“ (2002 bis 2004) wurde initiiert, um für Ältere eine Grundlage für einen besseren Zugang zur Bildung zu schaffen. Es wurden Recherchen zum Thema gemacht, die Zielgruppe wurde mittels Fragebögen bei der Konzeption einbezogen. Für die Umsetzung fanden sich regionale Netzwerke aus verschiedensten Bereichen (Bildungs-, Alten-, Gesundheits-, Frauen- und Sozialbereich) zusammen. Nähere Informationen sind auf http://www.seniorweb.at und http://www.lisa-net.info zu finden.

Senior-Info-Mobil „Senior-Info-Mobil“ war eine Informationskampagne im Jahr 1998 in Deutschland, die das Ziel hatte, älteren Menschen den Umgang und Nutzen der neuen Informations- und Kommunikationstechno-logien näher zu bringen und Hemmschwellen abzubauen. Im Rahmen der Aktionswochen wurden Angebote für gemeinsame Lernorte wie z.B. Internet-Cafés, PC-Kabinette und Computerclubs für SeniorInnen umgesetzt. Das ermöglichte unterschiedliche Formen der Vermittlung der Inhalte und förderte den Erfahrungsaustausch. Das Erlernen wurde durch TutorInnen unterstützt. Siehe: VSW („Seniorinnen und Senioren in der Wissensgesellschaft) (2000): Senior Info-Mobil. Internet- und Wohntechnik für Seniorinnen und Senioren, Evaluationsbericht 1998/1999, Bonn/Ulm/Köln, http://www.digitale-chancen.de/transfer/downloads/MD114.pdf

Maßnahmen zur Persönlichkeitsentwicklung Die Entwicklung von Programmen, welche die Lebensqualität und Selbstständigkeit fördern, ist zu empfehlen. Als Beispiel kann das Trainingsprogramm „Mitten im Leben“ für Körper, Geist und Seele genannt werden: http://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/bericht.asp?id=6474

Betriebliche Weiterbildung In Zusammenarbeit mit Betrieben können zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen veranlasst werden, um Standards und Anreize für die Weiterbildung von älteren MitarbeiterInnen zu schaffen.

Umsetzungsprozess

Nach der grundlegenden Abklärung der Maßnahme müssen zweckmäßige Methoden und Qualitäts-kriterien geklärt und alle Beteiligten einbezogen werden (z.B. Institution, TrainerInnen, Pensionisten-verein), auch um die Unterstützung, Zustimmung und Umsetzung der Maßnahme sicherzustellen. Faktoren wie Zeit, Ort, Dauer der Maßnahme müssen festgelegt werden. Bei der Einführung einer

56 Vgl. STATISTIK AUSTRIA (Hrsg.) (2004): Lebenslanges Lernen 2003. Ergebnisse des Mikrozensus, Juni 2003, Wien, ftp://www.statistik.at/pub/neuerscheinungen/lernen_web.pdf, S.67.

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umfangreicheren Maßnahme empfiehlt sich eine Pilotveranstaltung bzw. ein Pilotprojekt. Der Zeitraum der Umsetzung hängt vom Umfang bzw. vom Ausmaß der Maßnahme bzw. des Projektes ab. Dabei können Erfahrungen aus früheren Maßnahmen oder Projekten als Richtlinie dienen. Nach der Implementierung sollten Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung der Qualität (Evaluation) durch-geführt werden.

Support

Evaluative Maßnahmen sind für die Sicherung und Entwicklung der Qualität des Instruments – Angebote für Ältere – ausschlaggebend. Je detaillierter die Ziele am Beginn definiert werden, desto leichter ist die Überprüfung ihrer Erfolgssicherheit (Soll-Ist-Vergleich). Einerseits kann damit die Zufriedenheit der Teilnehmenden und andererseits die Qualität der Maßnahme gewährleistet werden. Des Weiteren können veränderte Bedingungen bzw. Bedürfnisse mitberücksichtigt und sichergestellt werden. Bereits bei der Konzeption sollten Reflexions- und Kontrollelemente eingeplant werden, die Rückmeldungen zur Verbesserung während des Umsetzungsprozesses ermöglichen. Wichtig bei der Konzeption von Evaluation ist, dass einerseits eine fremd-evaluative und andererseits eine selbst-evaluative Perspektive zur Anwendung kommen.

Gerade bei LERNENDEN REGIONEN empfiehlt sich der Vergleich und die Vernetzung mit anderen Regionen. Gemeinsame Tagungen oder Workshops können zum Erfahrungsaustausch und zur Entwicklung beitragen.

Literatur

Bangali, Lucy/Fuchs, Gerhard/Hildenbrand, Markus (2006): Innovative Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Fachkräfte in Baden-Württemberg. http://www.wip-online.org

Ellerbrock, Bettina / Hoffmann, Daniel (2004): Bildung für Ältere - Möglichkeiten für Einrichtungen der offenen Altenarbeit, Themenschwerpunkt 9/2004, http://www.forum-seniorenarbeit.de

Frerichs, Frerich (2005): Das Arbeitspotenzial älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb. In: Loebe, Herbert (Hg.): Wettbewerbsfähig mit alternden Belegschaften, Bielefeld, 49-57.

Hörwick, Eva (2003): Lernen Ältere anders? In: LASA (Hg.): Nutzung und Weiterentwicklung der Kompetenzen Älterer – eine gesellschaftliche Herausforderung der Gegenwart, Potsdam, http://www.aqua-nordbayern.de

Kaven, Marena-N./Stemann, Marie-C. (2005): Das Potenzial älterer Mitarbeiter stärker nutzen - Auswirkungen des demographischen Wandels auf KMU des produzierenden Gewerbes der Wirtschaftsregion Aachen. In: Unternehmen der Zukunft, Aachen, 6. Jahrgang, Heft 4/2005, S. 5-8, http://www.iaw.rwth-aachen.de

Puhlmann, Angelika (2001): Weiterbildung Älterer – ein Faktor gesellschaftlicher und betrieblicher Entwicklung. In: Schemme, Dorothea (Hg.): Qualifizierung, Personal- und Organisationsentwicklung mit älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Probleme und Lösungsansätze, Bielefeld, 9-27.

Reimann, Helga/Reimann Horst (1994): Einleitung: Gerontologie – Objektbereich und Trends. In: Reimann, Helga/Reimann Horst (Hg.): Das Alter. Einführung in die Gerontologie, 3. neu bearb. Auflage, Stuttgart, 1-29.

Maga. Karin Kölbl ist Projektmitarbeiterin an der Abteilung Erwachsenen- und Berufsbildung des Instituts für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung der Universität Klagenfurt (EQUAL-Projekts „Generationen – Potenziale – Stärken (GPS)", Modul 3). E-Mail: karin.koelbl(at)uni-klu.ac.at

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Angebote für WiedereinsteigerInnen

Die Rückkehr in den Arbeitsmarkt nach Karenz oder anderen Betreuungszeiten und Arbeitspausen bedarf meist einer Wissensaktualisierung im Beuzug auf die veränderten Arbeitsbedingungen. Diese Aktualisierung kann, vor allem in gängigen Berufen, auch von der LERNENDEN REGION mittels eigener Projekte unterstützt werden. So organisierten zwei LERNENDE REGIONEN in Deutschland Projekte zur beruflichen Weiterbildung von Wiedereinsteigerinnen. Ähnliche Kurse werden in Österreich seitens der Kammern für Arbeiter und Angestellte finanziell unterstützt. Qualifizierung von Berufsrückkehrerinnen http://www.halewe.de Berufliche Weiterbildung für Frauen am Osdorfer Born:

http://www.lernende-region-hamburg.de/index.php?id=66 Wiedereinstieg nach der Karenz (hier: Arbeiterkammer Wien). Informationsbroschüre http://wien.arbeiterkammer.at/pictures/d41/Karenzbr_2006.pdf Siehe dazu auch das Projekt WIA- Zentren für Ausbildungsmanagement ab S.107.

Angebote für ältere ArbeitnehmerInnen/ 50+

Ältere ArbeitnehmerInnen gelten trotz ihres großen Erfahrungsschatzes und Know Hows immer noch als am Arbeitsmarkt schwer vermittelbare Gruppe. Dabei ist die Wirtschaft angesichts der demograph-ischen Entwicklung in Zukunft verstärkt auf ältere ArbeitnehmerInnen angewiesen. Der internationale Vergleich zeigt, dass sich in Ländern mit relativ hoher Erwerbsbeteiligung älterer Menschen (USA, Schweiz, Norwegen, Dänemark) die Wirtschaft sowie die Beschäftigung Jüngerer dynamischer ent-wickeln. Projekte zur Förderung älterer ArbeitnehmerInnen sollten vier Aspekte berücksichtigen:

- ältere ArbeitnehmerInnen gezielt auf künftige Anforderungen vorbereiten und ihre beruflichen Kernkompetenzen fördern und ausbauen

- Betriebe und Unternehmen der Region auf den demografischen Wandel und dessen Folgen vorbereiten

- ältere Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt integrieren - differenzierte Qualifizierungen für Ältere durchzuführen. (Vgl. www.arbeitsmarkt50.de )

Ein Beispielprojekt in diesem Bereich wurde in der LERNENDEN REGION Wilhelmshaven-Friesland mit „Arbeitsmarkt50.de“ durchgeführt. Es wurden Arbeitsgruppen zu verschiedenen Teilaspekten einge-richtet sowie eine Bedarfsanalyse zu Beschäftigungspotentialen Älterer angefertigt. Eine eigene Informationsstelle berät Betriebe bei der Entwicklung von zukunftsorientierten Personalstrategien.

ArbeitgeberInnen, die ältere Arbeitslose einstellten, wurden finanzielle Zuschüsse vermittelt, für ältere Langzeitarbeitslose wurden eigene Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen (siehe Kapitel ab S.147) durchgeführt. Schließlich wurden Personen über 45 Jahren bei der Existenzgründung als Selbstständige geschult und begleitet. Siehe www.arbeitsmarkt50.de

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Qualifizierung für Landwirte

Zahlreiche bereichsübergreifende Themen bieten sich zur Qualifizierung von Landwirten an. Beispiele dafür sind Kurse zu den Themen:

- Direktvermarktung, Produktvermarktung, Bäuerliche Direktvermarktung über das Internet - Umweltzeichen für Urlaub am Bauernhof (siehe S. 126) - Agrotouristische Erlebniswelten, Touristische Almbewirtschaftung - Schulungen in der Qualitätssicherung - EDV Grundkenntnisse (u.a. AMA und Flächenbestimmung) - Schulungen zur Förderung

alternativer Energien Maßgeblicher Player im Bereich Land-wirtschaftlicher Erwachsenenbildung ist in Österreich das Landwirtschaftliche Fort-bildungsbildungsinstitut (LFI). Daneben finden sich eine große Zahl an Landwirt-schaftlichen Fachschulen (siehe Kapitel ab S. 155) sowie kleinere Einrichtungen.

Vom Landwirt zum Energiewirt

In der „Lernenden Lernnetz e.V.“ wurde eine Ausbildung für Landwirte zum Energiewirt angeboten. Das Projekt erreichte 2004/2005 über 200 Menschen im Landkreis Gifhorn. Es beinhaltete eine „Themenwoche Nachwachsende Rohstoffe“, zwei Schulungsmaßnahmen für LandwirtInnen sowie mehrere Folgeaktivitäten im Bereich Nachwachsende Rohstoffe. Die Themenwoche im September / Oktober 2004 zog etwa 160 Interessierte an. Sie fand in sechs Dörfern im Landkreis Gifhorn statt. Eine Woche lang war jeder Abend einem anderen Thema gewidmet und BürgerInnen, Land- und ForstwirtInnen, UnternehmerInnen und PolitikerInnen informierten sich rege. Folgende Themen interessierten die Besucher: - Ethik der Energieversorgung mit nachwachsenden Rohstoffen; Gottesdienst mit Diskussion - Modelle und Realitäten dezentraler und kommunaler Energieversorgung mit nachwachsenden

Rohstoffe - Biogas – Chance für LandwirtInnen - Energie vom Acker - Funktion und Leistung der Holzhackschnitzelheizung im Schulzentrum Hankensbüttel und - Anbau und Verwendung von Lein und Färberpflanzen.

Aufgrund der Rückmeldungen der BesucherInnen und aufgrund der damals aktuellen Neuerungen im deutschen Energieeinspeisungsgesetz wurde eine umfangreiche Biogasqualifikation für Landwirte und UnternehmerInnen aus landwirtschaftsnahen Bereichen angeboten. Die Resonanz war dermaßen groß, dass eine zweite identische Maßnahme anberaumt werden musste. Somit wurden 40 Unternehmer im Umfang von jeweils 60 Unterrichtsstunden für das erfolgreiche Betreiben einer Anlage bzw. für erfolgreiche vorbereitende oder nacharbeitende Dienstleistungen geschult. In weiteren regelmäßigen Gesprächen mit Fachleuten aus den Bereichen Elektrik, Biochemie und Verfahrenstechnik entstanden vielfältige Ideen für zukünftige Angebote. Darüberhinaus wurden „Update Biogas“ erarbeitet. Das eintägige Seminar richtet sich an Biogasanlagenbetreiber und ElektrikerInnen, die sich mit der Betriebsführung der Anlagen intensiver befassen möchten.

Abbildung 26 Stromerzeugung imburgenländischen Güssing

© European Communities, 1995-2008

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Weiters ergaben die vielfältigen Gespräche mit Praktikern und Interessierten eine intensive Zusammenarbeit mit den Berufsbildenden Schulen im Landkreis Gifhorn, die seinerzeit modellhaft den Ausbildungsgang „Staatlich geprüfte/r Technischer Assistent / Assistentin für die Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe“ durchführte. Es entstand das zweitägige Seminar „Alles, was Sie schon immer über Biogas wissen wollten“, das in seiner inhaltlichen Konzeption an LehrerInnen und darüber hinaus auch an PolitikerInnen, StudentInnen der Agrarwissenschaften, Auszubildenden aus technischen Berufen und interessierte Bürger richtet. Weiterhin wurde mit den engagierten

LehrerInnen der BBS II an einem Curriculum für eine Lehrerfortbildung zum Thema Nicht-energetische Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen gearbeitet. Informationen: Elke Niederstraßer (Bezirksleiterin der LEB Braunschweig), Juliane Delkeskamp (Projektdurchführende) LENZ-Netzwerkbüro: 0049 5832 98 08 34 LEB Bezirksbüro Braunschweig: 0049 531 28 72 86 8 www.lenz-info.de

Abbildung 27 Schulung von Landwirten zu Energiewirten in Deutschland © LENZ Lernnetzwerk e.V.

Kleine und Mittlere Unternehmen (KMUs)

Kleine und mittlere Unternehmen sind von großer Bedeutung für die österreichische Wirtschaft. Laut KMU-Forschung Österreich gehören 99,6 % aller Unternehmen mit 65% aller Beschäftigten in diesen Bereich. Gerade KMUs sind von den immer kürzer werdenden Innovationszyklen betroffen. Während größere Betriebe schon länger in die Qualifizierung ihrer MitarbeiterInnen investieren, übersehen Kleine und mittlere Unternehmen diese Aufgabe oftmals aus unterschiedlichen Gründen: fehlende Zeit, wenig Geld, geringe Motivation bei den MitarbeiterInnen. Dazu kommt, dass bisher häufig nach dem Prinzip vorgegangen wurde Qualifikationen einzukaufen und weniger in Personal- und Qualifikationsentwicklung zu investieren, während gleichzeitig die fortwährende Produktentwicklung zum Teil mit erheblichen Investitionen verbunden ist.

Bildungsanbieter müssen KMUs oftmals die Vorteile von qualifizierter Personalentwicklung erst vermitteln. Dabei stehen sie vor der Herausforderung, dass die Bildungsinteressen von KMUs oftmals sehr spezifisch sind. Der Bildungsbedarf von KMUs betriefft dabei vor allem Fragen der Anpassungsqualifizierung, um auf Veränderungen reagieren zu können; der Vertiefung des bestehenden Fachwissens; der Zuwachs des Bedarfs an fachübergreifenden Wissen und das Angebot von Aufstiegsqualifizierung und Karriereoption für die MitarbeiterInnen.

Die Erfahrungen aus dem deutschen Projekt der Lernenden Regionen zeigten, dass Bildungskooperationen auf mehreren Ebenen Vorteile für Klein- und Mittlere Unternehmen ermöglichen. Sie fördern handlungs- und zukunftsorientierte Lehr- und Lernprozesse, erhöhen die Wirtschaftlichkeit durch gemeinsame Ressourcennutzung und dem Teilen von Kosten und Risiken und leisten einen Beitrag zur Regionalisierung, indem sie Innovationsnetzwerke aufbauen und endogene Prozesse unterstützen.

Damit können Lernende Regionen als Netzwerke von BildungsanbieterInnen und regionalen KMUs einen wichtigen Beitrag zur Förderung der regionalen mittelständischen Wirtschaft leisten. Dies belegen auch eindrucksvoll Beispiele aus dem deutschen Projekt bzw. Qualifikationsangeboten bei Leader. Einige Beispiele dazu finden sich im Kapitel zu den Themenspezifischen Angeboten „Wirtschaft“ ab S. 150.

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Ehrenamtliche

Ehrenamtliche ermöglichen einen großen Teil der regionalen Bildungsprojekte. Für die LERNENDE

REGION bieten sich daher spezifische Projekte zur Förderung des Ehrenamts in der Region an. Das Ehrenamt zeichnet sich durch Freiwilligkeit, Unentgeltlichkeit und Gemeinwohlorientierung aus. Strittig ist, ob es für eine Definition auch notwendig ist, dass das Ehrenamt in organisierter Form erfolgt. Dadurch würden große Teile häuslicher Arbeit, privater Pflege oder Nachbarschaftshilfe aus dem Umfang zivilgesellschaftlichen Engagements hinausfallen, Tätigkeiten die, wie das Ehrenamt im engeren Sinn, jedoch einen beträchtlichen Anteil an der Aufrechterhaltung unseres Gemeinwesens haben. Das Ehrenamt in seiner heutigen Form besteht seit dem 19. Jahrhundert. Seit damals hat sich jedoch einiges geändert. Dominierten einst eher diffuse Aufgaben innerhalb langfristiger organisatorischer Bindung, wandelt sich die Tätigkeit hin zu eher zeitlich befristetem Engagement, mit einem genauen Arbeitsprofil in selbst organisierten Gruppierungen. Unter den Begriff „Neues Ehrenamt“ fällt zum Teil auch Niedriglohnbeschäftigung.. Eine neue Version des Ehrenamtes finden wir im Web 2.0, wo tausende Menschen unentgeltlich Software mitprogrammieren (Linux, OpenOffice, etc.) oder an der Erstellung von Datenbanken, wie die Online Enzyklopädie Wikipedia, mitarbeiten. Neue Aufgaben führen auch zu neuen Begrifflichkeiten. So wird heute oftmals von „Freiwilligenarbeit“ gesprochen. Der Begriff „bürgerschaftliches Engagement“ wiederum betont den Beitrag für das Gemeinwesen. Ausmaß und Bedeutung des Ehrenamts hängen von der jeweiligen Zivilgesellschaft ab. Dies lässt sich gut am Beispiel der freiwilligen Feuerwehr demonstrieren. Während Österreich über ein gut ausgebautes, flächendeckendes Netz an freiwilligen Feuerwehren verfügt, besitzt beispielsweise Griechenland kaum freiwillige Feuerwehren. Kleine Dörfer im Landesinneren und Inseln sind daher auf überregionale Hilfe der Berufsfeuerwehr angewiesen. Wie die Waldbrände der vergangenen Jahre zeigen, mit oftmals katastrophalen Auswirkungen. Es gibt zwar Bestrebungen, eine Struktur an freiwilligen Feuerwehren aufzubauen, da es jedoch an entsprechender Tradition und Erfahrung mangelt, erweist sich dies als ausgesprochen schwierig.

Auch der ländliche Bildungssektor wird zu einem großen Teil durch ehrenamtliche Unterstützung gebildet und aufrechterhalten. Nach der Statistik der Konferenz der Erwachsenenbildungs-einrichtungen Österreichs (KEBÖ) zeigt sich dies besonders deutlich bei den Bibliotheken, den Bildungswerken und der kirchlichen Erwachsenenbildung (Anteil Ehrenamtlicher an allen MitarbeiterInnen: Bibliothekenverband 77,8%, Ring österr. Bildungswerke 76,4%, Forum katholischer EB 57,2%; Quelle: 21. KEBÖ Statistik 2006). Insgesamt beträgt der Anteil an Ehrenamtlichen in den Verbänden der KEBÖ knapp 30.000 Personen (28.297 Personen im Jahr 2006 nach KEBÖ Statistik).

Ehrenamtliche Bildungsarbeit findet in der Erwachsenenbildung, in der Kultur und Unterhaltung statt. Dazu zählt aber auch das Engagement in Elternvereinen. Im Kontext des gesamtgesellschaftlichen Ehrenamts macht die Bildungsarbeit jedoch nur einen sehr kleinen Teil aus. Auch wenn Ehrenamt, über Aufwandsentschädigung hinaus, keine monetären Zuwendungen erfährt, bedeutet dies nicht, dass es keinerlei Art von Belohnung gibt. Die, selbst immer individualistischer werdende, Gesellschaft profitiert von der hohen sozialen Integrationsleistung des gemeinschaftlichen Engagements. Abgesehen davon wäre ehrenamtliche Tätigkeit nicht bezahlbar. Zivilgesellschaftliches Engagement übernimmt Wohlfahrtsaufgaben und gleicht soziale Schieflagen aus. Doch nicht nur die Gesellschaft profitiert vom zivilgesellschaftlichen Engagement, auch die Freiwilligen gewinnen. Zu nennen sind hier Formen sozialen und symbolischen Kapitals, wie Anerkennung, Sinnerfahrung oder die Ausweitung sozialer Kontakte. Eine Studie des Rings österreichischer Bildungswerke (Kellner 2004) im Rahmen eines EU geförderten Sokrates-Projekts ergab folgende Rahmenbedingungen:

„Ehrenamtliche ErwachsenenbildnerInnen sind zumeist sehr engagierte und motivierte GemeindebürgerInnen mit guten Kontakten und funktionierenden Netzwerken in den Gemeinden“. Für viele Frauen ermöglicht das Ehrenamt, sich erstmals öffentlich zu exponieren, zu sprechen, zu moderieren, auszutauschen und dadurch aus der Privatheit herauszutreten.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Ehrenamtliche Erwachsenenbildung benötigt jedoch auch Unterstützung, wie z. B. diejenige von Hauptamtlichen, um Professionalität gewährleisten zu können. Dadurch sind Ehrenamtliche selbst AdressatInnen von Weiterbildung. Klassische Weiterbildung in diesem Bereich umfasst die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen57 Organisations- und Managementtätigkeiten, fachspezifische Inhalte sowie Angebote zur Begleitung und Reflexion. Um den Zuwachs an Erfahrung, Qualifikation und Kompetenz sichtbar und nutzbar zu machen, bieten sich darüber hinaus Kompetenznachweise an (Siehe Seite 83). Literatur: Wolfgang Kellner (2004): Ehrenamtliche Erwachsenenbildung in Österreich. Strukturen,

Themen, Trends. In: Grundlagen der Weiterbildung Heft 01/2004, S. 18-21, Zu finden Online members.telering.at/bildungswerke/kompetenzentwicklung/Ehrenamtliche_Erwachsenenbildung.pdf

57 Darunter versteht man unter anderem: Sozialkompetenz (Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die dazu befähigen, in den Beziehungen zu Menschen situationsadäquat zu handeln), Methoden-kompetenz (Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, die es ermöglichen, Aufgaben und Probleme zu bewältigen, indem sie die Auswahl, Planung und Umsetzung sinnvoller Lösungsstrategien ermöglichen), Individualkompetenz (Fähigkeiten und Einstellungen, in denen sich die individuelle Haltung zur Welt und insbesondere zur Arbeit ausdrückt. Persönlichkeitseigenschaften, die nicht nur im Arbeitsprozess Bedeutung haben) und Handlungskompetenz.

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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TouristInnen

Die jüngere Tourismusforschung zeigt ein stetig wachsendes Segment an TouristInnen, die im Urlaub an kulturellen Aktivitäten, Persönlichkeitsentwicklung und gestaltenden bzw. lernerischen Aktivitäten interessiert sind. Bis dato sind in den Tourismusregionen aber angebotsseitig bei weitem nicht die Möglichkeiten an Aktivitätsprogrammen ausgeschöpft, die umsetzbar wären. So hat die Tourismus-branche österreichweit bisher nur in geringem Umfang von den äußerst dicht gestreuten regionalen und lokalen Bildungs- und Kulturverbänden Notiz genommen. Umgekehrt haben die Bildungs- und Kulturverbände nur in geringem Umfang die Möglichkeiten erkannt, die sich aus Kooperationen mit der Tourismusbranche ergeben.

Dazu einige Stichwörter: Allein in Salzburg gibt es einige hundert lokale Bildungswerke und Bildungshäuser, deren MitarbeiterInnen über hohe Kenntnisse in Bezug auf ihre Region, hohe organisatorische Kompetenzen und dichte soziale Netzwerke verfügen. Die Einrichtungen haben gerade in den letzten Jahren stark an Kundenorientierung und Professionalität gewonnen. Insbesondere ist über Bildungswerke in breitem Umfang Wissen über regionale Besonderheiten, Geschichte, Kultur, Traditionen, Kulinarik und landschaftliche Eigenarten der Regionen abrufbar. Darüber hinaus werden allgemeinen Themen - die auch für TouristInnen von Interesse sind – in den genannten Bildungseinrichtungen für Interessierte aufbereitet: Wellness, Gesundheit, Persönlichkeits-entwicklung, Spiritualität u.v.m.

Aus der Vermittlungsperspektive ist es in den letzten Jahren zu einem Paradigmenwechsel gekommen: Weg von den „Klassenzimmern“ hin zu lustvollem „learning by doing“. Innovative Methoden werden verstärkt an unkonventionellen Orten angeboten, weg vom Belehren hin zum Lernen und Ausprobieren. Gerade diese neuen Angebotsformen eignen sich zur Arbeit mit TouristInnen. Im Sinne der Angebotsdifferenzierung können Bildungsangebote Destinationen zur Entwicklung eines eigenständigen Profils verhelfen. Über die Dimension des „Lernens in der Region“ bzw. des „Lernens über die Region“ wird ein emotionales Verhältnis zur besuchten Region aufgebaut und damit die Kundenbindung gestärkt. Durch die Entwicklung spezieller Bildungsangebote, die gemeinsam von TouristInnen und Einheimischen genutzt werden, entstehen intensive Formen der Kommunikation.

Tourismusseitig ist – wie schon erwähnt – ein Wandel der Qualifizierungsprofile der TouristInnen empirisch belegbar. Daraus ergibt sich, dass in Zukunft BesucherInnen verstärkt das Ausmaß ihrer Aktivierung und geistigen wie sinnlichen Anregung als Gradmesser für die Qualität der besuchten Urlaubsdestination anlegen werden. Hochwertige Lern- und Erfahrungs-Angebote werden für den Tourismus von wesentlicher Bedeutung werden.

Die touristische Trendforschung stellt für Bildungsangebote im Tourismus folgende Trends fest: Erlebnisorientierung, Urlaub als Orientierung und Sinnsuche, Ökotourismus. Während der Trend zur Erlebnisorientierung einen starken Hinweis auf die Art der Vermittlung darstellt, stellen die Trends zur Orientierung und Sinnsuche und zum Ökotourismus Ansatzpunkte für die Art von Angeboten dar.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für derartige Angebote ist die (oft implizite) Verknüpfung der Erkenntnisse aus der Erlebnisökonomie mit glaubwürdigen, authentischen und regional verankerten Bezügen. Verkauft wird nicht die „Ware Bildung“ oder ein spezielles Führungs- oder Kulturangebot, sondern das besondere Erlebnis. Bei der konkreten Planung von Angeboten sind die (potentiellen) Zielgruppen und die Stimmigkeit in Bezug auf den Urlaubsort zu berücksichtigen.

Erwachsenenbildung und Lernen sind Begriffe, die im Tourismus nicht vorkommen. Können ErwachsenenbildungsanbieterInnen und TourismusanbieterInnen dennoch Partner sein? Hier stehen sich schon aufgrund der ungleichen Ressourcen sehr verschiedene AkteurInnen gegenüber. Beide Seiten denken und handeln für unterschiedliche Zielgruppen und in unterschiedlichen Intervallen. Die Einbeziehung der Erwachsenenbildung bietet vielfältige Chancen – für die Region, den Tourismus und die Erwachsenenbildungseinrichtungen. Informelles Lernen und Erlebnis-Bildung sind Hauptarbeitsfelder in der Erwachsenenbildung. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Nutzung der Ressourcen auf regionaler/ örtlicher Ebene geboten. Beispiele für eine erfolgreiche Verknüpfung sind vorhanden – wenn diese über Modelle hinausgehen sollen, braucht es jedoch die Anstrengung beider Seiten. Dazu kommt, dass die Tourismusbranche aktiv an der Zusammenarbeit mit der Erwachsenenbildungslandschaft zur Generierung interessanter Angebote interessiert ist.

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Handbuch Lernende Regionen Zielgruppenspezifische Angebote

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Katholisches Bildungswerk Steiermark: „Kraftquellen für Körper, Geist und Seele“ In vier steirischen Thermen (Bad Gleichenberg, Bad Radkersburg, Bad Waltersdorf und Loipersdorf) veranstaltet das Katholische Bildungswerk Seminare und Vorträge zu verschiedenen Themen in den Bereichen Spiritualität, Heilung aus dem Glauben, christliche Mystik. Zielgruppe sind Thermenurlaubs-gäste, Kurgäste und Tagesgäste. Gestartet wurde mit einem 3-monatigen Pilotprojekt, mittlerweile findet eine jährliche Programmplanung statt. Eine Buchveröffentlichung und der Innovationspreis des Forums Katholischer Erwachsenenbildung in Österreich weisen den großen Erfolg aus. Die Finanz-ierung erfolgt aus dem Budget des Katholischen Bildungswerkes und des Pastoralamtes sowie einer Förderung des Landestourismusverbandes Steiermark.

Via Aurea: „Wege des Tauerngoldes“ Via Aurea wurde 1998 als Verein gegründet mit dem Ziel der Entwicklung eines erlebnisorientierten, touristisch buchbaren Angebots für die gesamte Region. Neun Gemeinden aus Salzburg und Kärnten haben sich zu diesem Tourismus- und Kulturprojekt zusammengeschlossen. Schwerpunkte sind unter anderem die Aufarbeitung der Montangeschichte, Revitalisierung alter Bausubstanz, Erschließung eines Wander-, Reit- und Säumerwegenetzes, und die Vernetzung bzw. Errichtung von Museen und Freilichtmuseen.

Bildungshaus St. Virgil: Lehrgänge und Kurse für TouristInnen St. Virgil hat sich als Bildungszentrum, Konferenz- und Kulturzentrum und als Hotel positioniert. Ange-boten werden Kurse und Seminare in den Bereichen Erholung, Gemeinschaft, Kultur, Spiritualität und Bildung. St. Virgil tritt aber auch als Kooperationspartner für Anbieter von Kultur- und Studienreisen, Reisebüros mit überwiegend kirchlichen Zielgruppen, Kirchliche Bildungseinrichtungen und Pilger-büros, die kulturelle und spirituelle Reisen anbieten, auf,

Ländliches Fortbildungs-Institut Österreich (LFI): Ausbildung zum „Natur- und Landschaftsführer" bzw. „Urlaub am Bauernhof“ Mit innovativen Dienstleistungsangeboten können landwirtschaftliche Betriebe Produkte anbieten, die von touristischer Seite immer mehr nachgefragt werden. Einheimische und Gäste wollen etwas über die Region erfahren, über Landschaft, Natur und Kultur. Für die ansässigen Bauern und Bäuerinnen kann die Ausbildung zum/zur Natur- und LandschaftsführerIn eine zusätzliche Einkommensquelle sein. Der Lehrgang wurde vom Lebensministerium als Zertifikatslehrgang genehmigt. Das Kursdesign ist an die Bedürfnisse der Zielgruppe (Bauern/Bäuerinnen) angepasst.

Abbildung 28 Radweg im Salzburger Land © European Communities, 1995-2008

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Zielgruppenspezifische Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Regionalentwicklung: Kellergassenführer/ Regionsführer-Ausbildung Im niederösterreichischen Weinviertel schon fest etabliert hat sich die Ausbildung zum Kellergassen-führer. Ähnliche Ausbildungen zum Regionsführer finden sich auch in anderen Gebieten. Die Ausbildung zum Kellergassenführer setzt sich aus sechs Modulen zusammen:

1) Geschichte 2) Architektur 3) Weinbau 4) Tourismus 5) Kommunikation 6) Praxis

Nach Besuch aller Module und nach Abgabe einer schriftlichen Arbeit über eine Kellergasse bekamen die TeilnehmerInnen ein Zertifikat mit dem Titel „ausgebildeteR KellergassenführerIn“. Weitere Informationen: http://www.agrarplus.at/projekte.lr.referenzen.kgf.php?lang=de Die Ausbildung zum Regionsführer soll Interessierte darin ausbilden, Erholungssuchenden und Reise-gruppen die Region zu zeigen und sowohl Sehenswürdigkeiten, wie auch die Landschaft durch Erzählungen zum Leben zu erwecken. Die Regionsführerausbildung im Rahmen der LEADER+ Qualifizierungsprojekte im Waldviertler Kernland umfasste sieben Module:

Allgemeine Einführung, Tourismus in der Region, Tourenplanung, Recht & Sicherheit, Erste Hilfe, Praktikum, Projektarbeit.

Die Ausbildung im Thayatal umfasste Führungs- und Präsentationstechnik, Führungsorganisation – Umgang mit Gruppen, Regionsgrundwissen: Biologie, Geologie, Kulturhistorische Grundlagen, Kern-wissen über Sehenswürdigkeiten und touristische Attraktionen der Region, Gestaltung eigener Führungssegmente, Training von Führungssituationen, Exkursion.

Die Ausbildung in der Leader Region Kamptal umfasst neun Module, die jedoch stärker an das Projekt Geopark Kamptal angelegt sind. Diese beinhalteten unter anderem:

Erdgeschichte, Biologie, Ur- und Frühgeschichte, Geschichte der Region, Präsentations- und Führungstechnik, Marketing, Rechtliche Grundlagen.

Dieser kleine Überblick zeigt bereits das Potential und die Flexibilität des Instruments. Regions-, Natur- und Landschafts- bzw. KellergassenführerInnen bieten den TouristInnen ein attraktives Ange-bot an bzw. können den Tagestourismus fördern. Gleichzeitig entsteht dadurch ein Pool an gut qualifizierten BotschafterInnen der Region.

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Themenbezogene Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Themen- und Bereichsbezogene Angebote

Allgemeine Erwachsenenbildung, Persönlichkeitsbildung

Sprachen Es ist kein Geheimnis, dass Sprachkompetenzen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft erfordern immer bessere muttersprachliche Kompetenzen im Reden, Schreiben und Lesen. Die veränderte Situation durch Globalisierung und Ostöffnung erfordert dazu Mehrsprachenkompetenz. Aus diesen Gründen sollten auch LERNENDE REGIONEN in ihren Planungen Bedacht auf Sprachförderung nehmen.

Dies kann erfolgen durch die Einführung eines Sprachenpasses (Siehe S. 87). Ein weiteres Beispiel liefert die LERNENDE REGION Thüringen. Sie setzte unter anderem auf Projekte im Bereich der Mehrsprachenkompetenz. Dabei wurden die vorhandenen regionalen Kompetenzen im Netzwerk gebündelt. Siehe http://www.lernende-region-thueringen.de/index.html

Mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagenausbildung Aufgrund der gestiegenen Qualifizierungsbedürfnisse bieten sich auch Projekte im Bereich der mathe-matisch-naturwissenschaftlichen Grundlagenausbildung an. Ein solches Projekt führte die LERNENDE REGION Ostseeregion gemeinsam mit der dortigen Hochschule durch. Zur Verbesserung des Niveaus der mathematischen Bildung wurde ein Netzwerk von Grund- und weiterführenden Schulen gebildet, um ihre Erfahrungen mit erfolgreicher Unterrichts-gestaltung auszutauschen. Anschließend wurden Kurse zur Wiederholung und Auffrischung der bereits zu Schulzeiten erworbenen Kenntnisse auf einer e-Learning-Plattform angeboten. Die einzelnen Lehrmodule sind abgeschlossene Lehreinheiten, die Übungs- und Kontrollmöglichkeiten enthalten. Am Ende einer jeden Lehreinheit kann sich der Lernende einem Test unterziehen.

In einem weiteren Projekt sollten konkrete Anwendungen für mathematisches, naturwissen-schaftliches und technisches Wissen im Alltag vermittelt werden. Die Aufgabensammlung „money puzzle“ beinhaltet 120 mathematische Aufgaben aus dem Bereich des täglichen Umgangs mit Geld. Ziel ist es, kritisches Denken und Problemlösungskompetenz zu stärken. Weitere Teilprojekte wurden in den Bereichen

- „Technische Grundlagenausbildung“, - „Gewerblich-ingenieurtechnische Spezialausbildung“ sowie - „Anpassungsqualifizierung/ nicht berufsorientierte Bildung"

durchgeführt. Informationen dazu finden sich unter http://www.hws-wismar.de/projekte/egos/teilprojekt-1.html

Abbildung 29: Mathematik zum Begreifenim math.space in Wien. © math.space Wien/ HIB

Boerhavegasse

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Handbuch Lernende Regionen Themenbezogene Angebote

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Medienkompetenz Projekte im Bereich der Medienkompetenz können in zwei Bereichen durchgeführt werden. Einerseits können sie Personen in die Nutzung des Computers und des Internets einführen. Dabei eignet sich die Einschulung von MultiplikatorInnen, die ihr Wissen weitergeben (Onlinekompetenz). Andererseits vermitteln Medienseminare Grundlagen in Methoden und Techniken der Erstellung von Zeitungs-, Internet-, Radio- oder TV-Berichten. Erfahrungen aus Onlinekompetenzprojekten finden sich in der deutschen LERNENDEN REGION Zollernalb (siehe http://www.lernende-region-zollernalb.de/index.php?openfolder=076b) oder auch in der LERNENDEN REGION Lernnetzwerk, mit dem Projekt „Bäuerinnen ans Netz“ (siehe http://www.lenz-info.de). Ein Projekt aus dem Bereich der Medienseminare wurde bereits erfolgreich in der deutschen LERNENDEN REGION Oldenburg durchgeführt.

Schwerpunkte im Bereich Politischer Bildung Die Demokratie benötigt mündige und autonom denkende StaatsbürgerInnen. Um demokratische Spielregeln zu verankern und Toleranz und Kritikfähigkeit zu schärfen bedarf es politischer Bildung. In einem Grundsatzpapier zur „politischen Erwachsenenbildung“ werden diese Grundsätze von einem AutorInnenteam ausführlich beschrieben:

„Wir verstehen politische Bildung als angeleitete und institutionalisierte Möglichkeit der Reflexion über das Politische, um kritisches Bewusstsein, selbstständige Urteilsfähigkeit und politische Mitgestaltung zu fördern. Gezielt in Gang gesetzte Reflexionsprozesse über Politik und Gesellschaft können individuelle und strukturelle Veränderungspotenziale verstärken, Handlungsoptionen eröffnen und konkrete Interventionen ermöglichen.

Der Tendenz der Fragmentierung, Funktionalisierung und Ökonomisierung aller Lebensbereiche sowie dem Rückzug aus den öffentlichen Räumen sollen Lernforen entgegengestellt werden, wo sich Individuen und Gruppen über die gesellschaftlich relevanten Fragen und Probleme verständigen und Wissen und Kompetenzen erwerben können.

Persönlichkeitsentwicklung und Gesellschaftsentwicklung sind aufeinander bezogene Teile eines Bildungskonzepts, dessen Ziele Partizipationsfähigkeit, Entwicklung politischer Einstellungen sowie Erwerb von Kenntnissen über politische Abläufe und Prozesse sind. Emanzipatorische politische Bildung stellt Menschen, Strukturen und Prozesse in den Mittelpunkt ihres Interesses. Die Erkenntnis- und Themenfelder der Bildungsarbeit sind Lernmöglichkeiten zur Veränderung von Denken, Fühlen und Handeln. Politische Bildungsarbeit soll einen Beitrag leisten zur Förderung von Autonomie, Selbstorganisation, Konfliktfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Dabei ist die Ausgewogenheit zwischen Wissensvermittlung und Entwicklung sozialer Kompetenzen wesentlich. Politische Bildung soll einerseits Demokratie stärken, darf aber andererseits kein Stabilisierungsfaktor des Bestehenden sein. Vor allem geht es um das Erkennen gesellschaftlicher Machtstrukturen und um das Aufzeigen der strukturellen Diskriminierung von Individuen und Gruppen. Es gilt auch, die Zivilgesellschaft zu stärken.

Angesichts wachsender populistischer Bewegungen und vorurteilsvoller Ideologien wächst der Bedarf an politischer Bildungsarbeit. Politische Bildung ergreift Partei für die Menschenrechte und für die soziale Rechtsstaatlichkeit. Somit ist politische Bildung per se politisches Handeln.“ (http://www.politischebildung.at/upload/Grundsatzpapier_oegpb.pdf). Wichtiger Akteur im Bereich der politischen Bildung ist die „österreichische Gesellschaft für politische Bildung“ (http://www.politischebildung.at). Für LERNENDE REGIONEN eignet sich diese als Ansprechpartnerin in dreierlei Hinsicht:

- als potentielle Fördergeberin, - als Beratungseinrichtung zur Konzeption und Durchführung von Projekten, - als Veranstalterin von Workshops, Trainings und Lehrgängen für ErwachsenenbildnerInnen. In

dieser Funktion werden auch Informationen und Materialien zu Schwerpunktthemen und Didaktik veröffentlicht.

Eine umfangreiche Sammlung an Adressen, Unterlagen und weiteren Informationen finden sich dazu unter http://www.politischebildung.at/oegpb/materialien/publikationen

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Erlebte Zeitgeschichte

Ein Beispiel im Bereich der politischen Bildung wurde in der Region „Bucklige Welt“ mit dem Projekt „erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel“ durchgeführt.

Im Vergleich zum vergangenen Jahrhundert hat sich vieles am Leben in der niederösterreichischen Region verändert: Wasser wurde noch aus dem Brunnen geschöpft, die Schuhe kamen vom Schuster und nicht aus dem Supermarkt, wirtschaftliche Notlagen und politische Umbrüche mussten bewältigt werden. Die älteren EinwohnerInnen können davon Zeugnis abgeben und dabei den Jüngeren Wissen über die Region vermitteln. Im Projekt der beiden Historiker Johann Hagenhofer und Gerd Dressel wurden SchülerInnen der regionalen Schulen Methoden der Biografie- und Zeitgeschichts-forschung vermittelt. Die Jugendlichen interviewten anschließend 200 ZeitzeugInnen und erstellten damit ein umfassendes Zeitgeschichtsdokument der Region. Die dabei entstandenen Beiträge wurden in einem Sammelband publiziert58.

Zahlreiche Kommunikations- und Lernprozesse konnten in diesem Projekt initiiert werden: Zwischen Alt und Jung, zwischen Wissenschaft, Schulen und Heimatforschung. Damit gelang die Einbindung der Jugendlichen, Schulen, Gemeinden, Regionalentwickler sowie älteren MitbürgerInnen. Gelernt wurde neben den reinen historischen Fakten noch etwas Wichtiges für das Zusammenleben, wie die beiden Buchherausgeber schreiben: „Wenn man sich auf die Lebensspuren anderer Menschen einlässt, werden Unterschiede zwischen Menschen nicht verwischt, im Gegenteil. Sie werden deutlicher, aber auch verstehbarer und dadurch tolerierbar.“ (Hagenhofer/ Dressel 2007)

Kontakt: Universität Wien: Dokumentationsstelle lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen, Dr. Karl Lueger Ring 1, 1010 Wien

Soziales Lernen

Beim Sozialen Lernen geht es um die Vermittlung von sozialen und emotionalen Kompetenzen. Dazu zählen die Entwicklung von Kontakt-, und Kommunikationsfähigkeit, Empathie, Kooperations-, und Konfliktfähigkeit sowie Zivilcourage. Soziale Kompetenz ist in der heutigen Welt zu einer Schlüssel-kompetenz geworden. Dieser Begriff wird meist in der schulischen Pädagogik benutzt. In der Erwachsenenbildung finden wir Formen sozialen Lernens entweder mit einer anderen Bezeichnung (Persönlichkeitsbildung, Gruppendynamik,…) oder als Mehrwert eines Projekts, das sich nicht in erster Linie Soziales Lernen zum Gegenstand gemacht hat. So finden sich in diesem Handbuch Projekte zum Sozialen Lernen in vielen anderen Abschnitten, beispielsweise unter Jugendliche, Projekte zwischen den Generationen, MigrantInnen, Projekte zur Generierung von Sozialkapital,…

Abbildung 30 Im Europacafé des Tiroler Bildungsforums stellen junge EuropäerInnen Ihre Heimatländer vor © Tiroler Bildungsforum

58 Hagenhofer, Johann/ Dressel, Gert 2007: Lebensspuren. Erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügel. Bucklige Welt – Heimat in Europa. Lichtenegg. 60 http://www.euro.who.int/AboutWHO/Policy/20010827_2?language=German

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Kunst

Kunst soll die Menschen dazu befähigen, neue Fragen zu stellen. Damit ist Kunst immer „bildende“ Kunst, auch über den gebräuchlichen Begriff hinaus. Der ländliche Raum ist darüber hinaus reich an regionalen Kultur- und Kunstprojekten, deren Einbindung auch für LERNENDE REGIONEN interessant ist. Dies können sowohl Projekte der Kunstvermittlung als auch der ästhetischen Bildung sein. Wichtig ist, dass diese Projekte einige Kriterien erfüllen:

- Lernen als integraler Bestandteil

- Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren

- Innovativität.

Kunstvermittlung

Holzskulpturenweg

Eine Idee für Kunstvermittlung in einer LERNENDEN REGION stammt aus der deutschen Wartburgregion. Mit dem Pummpälzweg wurde ein Holzskulpturenweg eingerichtet, der auf einer Länge von 28 Kilometer zwei Burgen (Frankenstein und Wartburg) sowie die beiden Städte Bad Salzungen und Eisenach miteinander verbindet. Damit gelang eine spannende Verknüpfung aus Kunstvermittlung, Gesundheitsprojekt und Tourismusförderung. Informationen unter http://www.pummpaelz.de

Kunstfeste

In verschiedenen Regionen finden bereits regionale Kulturfeste statt, deren Konzepte auch Anregungen für LERNENDE REGIONEN bieten können. Eines der bekanntesten derartigen Events ist das Festival der Regionen, das seit 1993 alle zwei Jahre in Oberösterreich stattfindet und ähnliche Veranstaltungen in Niederösterreich (Viertelfestival) oder der Steiermark (Regionale) inspirierte. Anknüpfend an ein gemeinsames Thema setzten sich KünstlerInnen gemeinsam mit der Bevölkerung mit gesellschaftlichen, politischen und künstlerischen Fragestellungen auseinander. Ein solches Thema könnte in einem engen Bezug zu den Themen stehen, die sich die LERNENDE REGION in ihrer Bildungsstrategie bereits vorgenommen hat. Ideales Ergebnis wäre eine Kulturarbeit, die für Impulse in der Region sorgt und Vorbildfunktion für sinnvolle attraktive regionale Projekte hat.

Ästhetische Bildung Ästhetische Bildung benutzt sinnliche Erfahrungen als Ausgangspunkt für die Bildung einer reflexiven Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit des Menschen. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich der Mensch in der kreativen Auseinandersetzung mit seiner Umwelt weiterbildet. Ästhetische Bildung kann in vielfältigen Formen stattfinden: durch Musizieren, Tanzen, Theater spielen, bildnerisches oder plastisches Gestalten und Werken etc. Ein Beispiel dazu wäre die Theaterpädagogik: Von der Idee dem Laientheater verpflichtet, behandelt sie soziale Themen mit den Mitteln des Theaters. Dabei greifen Ästhetik, Gruppendynamik, Inhalt und Pädagogik ineinander über. Inhaltlich kann dies ein breites Feld umfassen:

- Arbeit an sozialen Problemstellungen (Suchtprävention, Forum-Theater)

- Entwicklung von freien Theaterprojekten (Laientheater)

- szenische Vermittlung von Wissen

- Personalentwicklung, Rhetorik, Körpersprache, Sprechtrainings

Abb. 31 Stubaitaler Kreativtage des Tiroler Bildungsforums

© Tiroler Bildungsforum

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Gesundheit und Wohlbefinden

Gesundheit und Wellness gewinnen immer stärker an Bedeutung. Nach Ansicht des Wirtschafts-theoretikers Leo Nefiodow ist der Gesundheitsmarkt als neuer Wachstumsmotor gerade dabei, die an ihre Grenzen gestoßene Informationsgesellschaft abzulösen. Schlagworte wie „Wellness“, „Work-Life Balance“, „Psychosoziale Kompetenz“ und „emotionale Intelligenz“ werden zu wichtigen Produktivitätsfaktoren. Dazu kommt die mittlerweile dominante Position der „Life Sciences“, wie Bio- und Molekulartechnologie, Umwelt- und Gentechnik sowie Medizin innerhalb von Wissenschaft und Forschung. Einen großen Boom erleben zurzeit auch mediale Vermittlungsprogramme zu Fragen der Ernährung und des Kochens. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der demographischen Entwicklung. Steigende Lebenserwartung und niedrige Geburtenrate führen dazu, dass die Gesellschaft älter wird.

Gesundheitsbildung vermittelt gesundheitsbezogenes Wissen und Fertigkeiten. Im Prinzip setzt sie dabei in drei Bereichen an:

- Vermittlung von praktisch verwertbarem Wissen - Krankheitsverhütung und Prävention - Langfristige Verhaltensänderung durch Selbstwahrnehmung, Korrektur von Einstellungen und

Erwerb von Handlungskompetenz Dies kann vielerlei beinhalten:

- Im Sinne eines Wissenserwerbs die Themen Symptome und Ursachen von Krankheiten, Zusammenhänge von psychischen und organischen Prozessen, Wege der Gesundheitsförderung, Ernährung.

- Im Sinne praktischer Methoden und Techniken Kurse zu den Themen Ernährung, Gymnastik, Trainings, Kommunikation und Konfliktlösungen im Alltag.

- Zur Stärkung der Identität können dies auch Kurse sein, die einen positiven Umgang mit Alterungsprozessen, krankheitsbedingten Krisen und dem Sterben vermitteln.

Effektive Bildung betrachtet Gesundheit positiv. Gemeint ist damit ein ganzheitlicher Zustand des Wohlbefindens, Ausgeglichenheit mit sich und seiner sozialen und natürlichen Umwelt und nicht ein-fach nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen. Statt der Krankheit steht die Gesundheit im Mittelpunkt, dazu zählen auch Themen wie Lebensqualität und Wohlbefinden. Dieser salutogenetische Ansatz fragt also danach, was die Menschen gesund erhält und nicht, was sie krank macht.

Nach der Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1986 wird Gesundheit am besten dort gefördert, wo Menschen „spielen, arbeiten, leben und lieben“60. Daher wird Gesundheit idealerweise in der alltäglichen Lebenswelt der Menschen, dort wo die Menschen aktiv an der Gestaltung ihres Umfelds arbeiten können, in ihren Betrieben, Schulen und Gemeinden gefördert. Gerade darin liegt auch eine große Chance für die LERNENDEN REGIONEN. Gesundheitsbildung sollte darüber hinaus auch die verschiedenen Lebensphasen berücksichtigen.

Egal ob Fernsehprogramm oder Blick in die Buchneuerscheinungen: Eine Vielzahl an Gesundheits- und Ernährungsratgebern wird publiziert. Im Lebensmittelhandel dominiert Functional Food, Lebensmittel die mit Nahrungsergänzungsmitteln angereichert werden, um einen positiven

Effekt auf die Gesundheit zu bewirken. Das Angebot wird gerade im Bereich Gesundheit und Ernährung immer unübersichtlicher.

Abbildung 32 Gesundheitsförderung im Thermenzentrum Geinberg (OÖ)© European Communities, 1995-2008

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Eine erfolgreiche Gesundheitspädagogik würde die Wissensgrundlagen schaffen, um das Angebot besser einordnen zu können. Gleichzeitig stärkt sie Menschen in ihrer Rolle als PatientInnen.

Gesundheitsbildung hat vor allem dann Sinn, wenn sie in das Verhalten übergeht und zu einer angemessenen Lebensführung verhilft. Dann hilft sie auch die Zahl der Krankenstände zu reduzieren. Einige Firmen bieten ihren MitarbeiterInnen bereits einen eigenen Fitnessraum, gesunde Ernährung oder Gesundheitskurse an. Dabei rechnen sich diese relativ geringen Investitionen schon sehr bald. Meist funktionieren diese Modelle nach einem Prinzip der Kostenteilung: Kleinere Beiträge werden von den TeilnehmerInnen erhoben, die restlichen Kosten bezahlt das Unternehmen. Etwaige Kurse finden halb in der Arbeits-, halb in der Freizeit statt.

Gesundheitsbildung hat damit auch positive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft. Sie kann einen Teil zur Reduktion der öffentlichen Gesundheitsausgaben liefern. Nicht unmittelbar mit Wissensvermittlung, jedoch mit Gesundheitsförderung, hat die Etablierung lokaler sozialer Netzwerke zu tun, in der sich Familienmitglieder und NachbarInnen gegenseitig stützen und damit der Verein-samung, Isolierung and anderen krank machenden Faktoren entgegen wirken.

Ein Methodenüberblick der Gesundheitsbildung und eine Reflexion zum Thema findet sich in der Dissertation „Die vergessene Dimension – Gesundheitsbildung an Volkshochschulen“ von Herbert Grassmann (Kassel 2003). Die Arbeit findet sich auch online unter https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-791/1/dis0812_04.pdf

Einen Überblick über „Gesundheitsförderung Netzwerke in Österreich“ bietet die gleichnamige Broschüre des Gesundheitsministeriums. Zu finden unter http://www.bmgfj.gv.at

Abbildung 33 Sport und Gesundheit am Lernfest in Bad Tölz (D) © Alfred Luger

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Interkulturell

Interkulturalität wird zu einer Schlüsselkompetenz in unserer globalisierten Welt. Durch die Migration leben wir gemeinsam mit Menschen unterschiedlichster kultureller Herkunft zusammen, mit der Öffnung der Grenzen des Eisernen Vorhangs und innerhalb der EU sind uns auch unsere Nachbarn nähergekommen.

Interkulturelle Kompetenz ist die Fähigkeit zum beidseitig zufriedenstellenden Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen. Diese Fähigkeit kann durch interkulturelles Lernen entwickelt und gefördert werden. Ziele des Interkulturellen Lernens sind:

- der bewusste und kritische Umgang mit Stereotypen - Aufbau von Akzeptanz für andere Kulturen - Überwindung von Ethnozentrismus - Verständnis der eigenen Kulturverhaftung und Enkulturation - Fremdverstehen.

Dabei bieten sich drei verschiedene Stoßrichtungen an: Projekte gemeinsam für Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung, grenzüberschreitende Projekte, Projekte für MigrantInnen.

Um das Zusammenleben der Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen zu verbessern, ist es bereits ein großer Schritt von den ganz alltäglichen Gewohnheiten zu wissen. Ein erprobtes und einfach umsetzbares Konzept stellt „Kochen ohne Grenzen“ dar. Dabei stellen die TeilnehmerInnen Speisen ihrer Heimatregion vor, indem sie diese gemeinsam mit der Gruppe kochen und essen. Siehe http://kochenohnegrenzen.ziel2wien.at

In der LERNENDEN REGION Münster/ Münsterland in Deutschland leben über 150 Nationen zusammen. Um die Begegnungen zwischen den Menschen fair zu gestalten und Missverständnisse im Umgang mit „fremden“ Kulturen zu vermeiden, wurden gemeinsam mit der Universität Münster interkulturelle Trainings entwickelt. Ziel ist es, einen möglichst hohen Grad an Verständigung und Verständnis zu erreichen. Nähere Informationen: http://egora.uni-muenster.de/lr/argu/ansatz.shtml

Weitere Ideen und Projekte aus diesem Bereich finden sich unter: http://www.idaev.de http://www.ikkompetenz.thueringen.de http://www.nibis.de/nli1/ikb/iktraining.html

Grenzüberschreitende Projekte Länderübergreifende Bildungsangebote und interkulturelle Begegnungen helfen, Vorurteile und Intoleranz abzubauen, sie fördern die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte und prägen eine neue, europäische Identität.

In den Broschüren „Grenzen überschreiten“61 sowie „Bildung über Grenzen“62 der Burgenländischen Forschungsgesellschaft werden Empfehlungen zur Förderung der grenz-übergreifenden Erwachsenenbildung in Europa abgegeben. Darin werden folgende Empfehlungen für die Praxis grenzübergreifender Bildungskooperationen gegeben:

- Förderung des Sprachenlernens in Grenzräumen - Intensivierung des interkulturellen Austauschs und Weckung des Interesses für den Nachbarn - Aufarbeitung der Vergangenheit und Abbau historisch tradierter Vorurteile - Abstimmung von Gesetzgebung, Verwaltung und Finanzierung - Harmonisierung des Arbeitsmarktes und der Beschäftigung - Kompetenzen von MitarbeiterInnen in der grenzübergreifenden Erwachsenenbildung

Die eigentlichen Projekte werden von der burgenländischen Forschungsgemeinschaft nach dem Grad ihrer Intensität in vier Stufen unterschieden:

61 Alfred Lang, im Auftrag des CBCnet Projektkonsortiums (Hg.): Grenzen überschreiten. Empfehlungen zur Förderung der grenzübergreifenden Erwachsenenbildung in Europa. Eisenstadt 2005, kostenlos http://www.forschungsgesellschaft.at 62 Alfred Lang, Nicole Ehlers, Lenny van Kempen (Hg.): BILDUNG ÜBER GRENZEN: Erwachsenen-bildung in europäischen Grenzregionen http://www.forschungsgesellschaft.at/publikat/fr_publi.htm

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Stufe 1: Die Entdeckung des Nachbarlandes. Organisierte Besuche im Nachbarland, meist mit gesellschaftlichem oder kulturellem Hintergrund. Stufe 2: Das Nachbarland als Aktionsraum für private oder berufliche Aktivitäten. Kurse zum Erlernen der Sprache des Nachbarlandes, Angebote der beruflichen Aus- und Weiterbildung oder thematisch orientierte Bildungsveranstaltungen in Form von Kursen oder Vortragsreihen, die sich etwa mit der Geschichte des Nachbarlandes oder des Grenzraumes beschäftigen, mit dessen Kultur, dem Alltagsleben oder den volkskulturellen Besonderheiten. Stufe 3: Grenzübergreifende Projektkooperationen. Gemischte Ausbildungsgruppen mit Teil-nehmerInnen beider Seiten der Grenze unter Einschluss von ebenfalls gemischt zusammengesetzten Teams von Lehrenden. Stufe 4: Institutionelle Kooperationen und grenzüberschreitende Bildungseinrichtungen. Auf Dauer angelegte institutionelle Zusammenarbeit. Mehrere Projekte in diesem Bereich wurden seit der Ostöffnung bereits umgesetzt. Aus diesen lassen sich Ideen, aber auch Erfahrungen für eigene Projekte ableiten.

Im niederösterreichischen Thayatal wurde ein grenzüberscheitendes Impulszentrum (GIZ) gegründet, um mit den benachbarten Regionen Telčsko, Nová Říše und Jemnice zusammen-zuarbeiten. Dazu werden Projekte in den Bereichen

- Wirtschaftskooperation, - Tourismus- und Freizeitwirtschaft, - Bildung, Qualifizierung, Coaching und Training, - Kulturbereich, - Exkursionen und Workshops sowie - Informationssysteme, Telematik, Medien durchgeführt.

Weitere Informationen finden sich dazu unter www.thayatal.com Die LERNENDE REGION Neiße, im Grenzland zwischen Deutschland, Polen und Tschechischer Republik initiierte das Projekt Pontes (Brücken). Bestandteile waren die Einrichtung bilingualer Konzepte in den Kindertageseinrichtungen der Region, die Entwicklung eines deutsch-polnisch-sorbisch-tschechischsprachigen Lernspiels, die Einrichtung eines Euregio-Kompetenzzentrums sowie grenzüberschreitende Projekte zur Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Weitere Informationen finden sich unter www.pontes-pontes.de

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Landwirtschaftliche Bildung

Das Instrument „Landwirtschaftliche Bildung“ soll durch zwei Beispiele beschreiben werden, die mögliche Themenfelder abdecken: „Landwirtschaft zum Anfassen“ für Kinder und Jugendliche, Bewusstseinsbildung bei KonsumentInnen. Darüber hinaus finden sich Projekte aus dem Bereich Landwirtschaftlicher Bildung auch in den jeweiligen Kapiteln benachbarter Felder. Einige Projekte aus dem Bereich werden im Kapitel „Umweltbildung“ (ab S. 139) vorgestellt. Spezielle Weiterbildung für Landwirte findet sich im Handbuch ab S. 121. Auch im Bereich „Tourismus“ (ab S.125) bieten sich spezielle Weiterbildungen beispielsweise für Urlaub am Bauernhof an. Dazu zeigt die Erfahrung aus vergleichbaren Förderprogrammen, wie LEADER, welche Bedeutung Qualifizierungskurse im Bereich Direktvermarktung haben.

Land-, Forstwirtschaft und Weinbau kennenlernen In einigen LERNENDEN REGIONEN wurden Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Schulen gestartet um den SchülerInnen die landwirtschaftliche Lebenswelt näher zu bringen. Dabei sollte auch das Image der Landwirtschaft gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen verbessert werden. Berufsbilder in der Land-/Forst-/Weinwirtschaft wurden vorgestellt und Einblicke in die Aufgaben-gebiete und betrieblichen Abläufe gegeben. Mit der Aktion sollte der Dialog zwischen der Land-wirtschaft als Erzeuger und den KonsumentInnen in Gang gesetzt werden. Schließlich wurde der Zusammenhang zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Landschaftspflege vermittelt.

Nach einer Vorbereitung in der Schule besuchten die Schulklassen in der LERNENDEN REGION Kassel (D) während eines Aktionstags land- und forstwirtschaftliche Betriebe der Region. In der „Initiative Region Trier“ (D) fand eine Kooperation mit Land- und Weinwirtschaftlichen Betrieben statt. Dabei sah der Programmablauf in Trier folgende sechs Punkte vor: „1. Hofvermittlung: Die Kooperationspartner des Projektes „Landwirtschaft und Weinbau zum Anfassen“ vermitteln interessierten Lehrkräften geeignete, standortnahe Bauern-/ Winzerhöfe, je nach gewünschtem Betriebszweig oder Themenschwerpunkt des Unterrichts. 2. Planung Hofbesuch Die Lehrkraft nimmt Kontakt zu dem Landwirt/ Winzer auf. Gemeinsam planen die Beteiligten den Aufenthalt auf dem Hof (Ablauf, Dauer, Themengebiete, Schüleraufgaben, Logistik etc.), ggf. mit Unterstützung durch den Kooperationspartner. 3. Unterrichtsvor-/ -nachbereitung Der Betriebsbesuch wird im Unterricht vor- und nachbereitet. Bei Bedarf sollte der beteiligte Landwirt/ Winzer und/ oder Kooperationspartner stundenweise mitwirken (z.B. Diskussion, Fragestunde, Elternabend, vorbereitende oder weiterführende Projekte). 4. Hofbesuch auf dem Betrieb: Die Kosten für die Anreise zum Hof hat in der Regel der Schulträger zu tragen. Im Rahmen des Projektes können 50 % der entstandenen Kosten (max. € 75,-) übernommen werden. Hinweis: Erfahrungsgemäß sind die Schulbusunternehmen auch zu „Freifahrten“ bereit, als Ersatz für ausgefallene Touren während des Schuljahres. 5. Abrechnung: Der Fahrtkostenzuschuss wird vom beteiligten Landwirt/ Winzer mit einem Vordruck bei der Initiative Region Trier abgerufen. 6. Unterrichtsmedien und Hilfsmittel: Zum Thema „Landwirtschaft und Weinbau im Unterricht“ gibt es zahlreiche Medien und Anschauungsmaterial sowohl für den Einsatz im Unterricht als auch in der Praxis. Informationen erhalten Sie bei den Kooperationspartnern.“

Abbildung 34 Genußregion Pinzgauer Rind© BMLFUW/ Rita Newman

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Abbildung 35 Biologisch geführter Bergbauernhof (1300 m Seehöhe) in Aigen-Vorberg (Stmk.) © BMLFUW/ LFZ / Buchgraber

„Transparenz schaffen – von der Ladentheke bis zum Erzeuger“ In 19 niedersächsischen Regionen haben sich Umweltbildungseinrichtungen, LandwirtInnen, VerbraucherschützerInnen, Kommunen und landwirtschaftliche Museen zusammengefunden, um einen Dialog zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen herzustellen. Sie führen gemeinsam Bildungsprojekte, Unterrichtseinheiten und Aktionstage zum Thema „Verbraucherinformation – Ernährung – Landwirtschaft“ durch. Siehe: www.kiekeberg-museum.de; www.ruz-schortens.de

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Umwelt und Nachhaltigkeit

Das Thema „Umwelt“ erweist sich nach wie vor als eines der großen gesellschaftlichen Heraus-forderungen: Klimawandel, Energieverbrauch, Verkehrsproblematik, Müllvermeidung, Naturschutz sind nur einige der Agenden, die in öffentlicher Diskussion stehen. Aktuelle empirische Untersuch-ungen zeigen, dass dem Umweltschutz in der Bevölkerung nach wie vor eine hohe Priorität eingeräumt wird. Informationen zum Thema werden vor allem durch Medien vermittelt. Hier ist Potential für Initiativen der Erwachsenenbildung vorhanden. Deren Stärken liegen in der kommuni-kativen und interaktiven Dynamik des Gruppenerlebnisses – in der Anleitung zum Handeln und der Vermittlung von Kompetenzen. Medien sind darüber hinaus dort einzubeziehen, wo sie bessere Vermittlung schaffen. Bei BürgerInnen haben diejenigen Projekte eine hohe Akzeptanz, die sie in der Umsetzung umweltgerechter Alltagspraxis unterstützen. Beispiele dafür wären die Müllentsorgung oder die Altspeiseölsammlung.

Nachhaltige Bildung setzt ein vertrauensvolles Klima zur Lehrperson und innerhalb der Lerngruppe voraus. Dieses Vertrauen lässt sich, gerade in der Umweltbildung, einfacher im regionalen und lokalen Kontext herstellen als in einer fremden und anonymen Umgebung. In dem Maße, in dem sich die Lernkultur vom „Belehren zum Lernen“ und somit zu einem dialogischen Prozess wandelt, erleichtert der regionale/ lokale Kontext die Anwendung des Lernprozesses auf das unmittelbare eigene Lebens-umfeld. Umweltbildung ist am sinnvollsten, wenn sie sich auf die verantwortungsbewusste Gestaltung des eigenen Umfeldes bezieht. Häufig geht es dabei um Haltungen und Handlungen, die das Indivi-duum nicht monadisch abgeschlossen entwickelt, sondern in Aushandlung mit den Gruppen, mit denen es sein Lebensumfeld teilt – also etwa mit seinen MitbürgerInnen in der Gemeinde. Grund-regeln und Methoden der Partizipation und des kollektiven Aushandelns sind wichtige Kompetenzen und Lernfelder in Bezug auf verantwortungsbewusste Lebensführung und somit Umwelthandeln. Regionalisierung trägt also den Keim zum Erwerb von Schlüsselqualifikationen in sich, die im Kontext des Umweltgedankens wertvoll sind. Nicht nur aus diesen Gründen bietet sich das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit auch als thematisches Netz einer LERNENDEN REGION an.

Seit den 1970er Jahren hat sich in unserer Gesellschaft ein verstärktes Bewusstsein für Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit herausgebildet. Seit damals wurde ein breites Spektrum an Angeboten zur Umweltbildung ausgearbeitet. Dieses reicht von praxisorientierten Gartenworkshops bis zur Diskussion globaler Bedrohungsszenarien. Um einen Überblick über diese Vielfalt zu bekommen eignet sich die Einteilung nach der Form, mittels derer der/ die Lernende den Lernerfolg erzielt – kurz gesagt: Mittels Erfahrung, Wissen oder Handeln. Soll der Erfahrungsraum erweitert, kognitives Wissen angeeignet oder Befähigung zum Handeln vermittelt werden? Diese Unterscheidung ermöglicht eine anschließende methodische Differenzierung: Erfahrungs- und sinnesorientierte Umweltbildung setzt auf Emotionalisierung als pädagogisches Mittel und ist vor allem im Zusammenhang mit Naturerlebnispädagogik geläufig. Im Vordergrund stehen die Öffnung / Erweiterung des Erfahrungsraumes und der Aufbau positiver und wertschätzender Haltungen. Körperliche Aktivität unter Einbezug aller Sinne und Gruppenaktivität stehen im Mittelpunkt des Lernerlebnisses. Methodische Beispiele für diesen Bereich sind die Inszenierung ökologiebezogener „Erlebniswelten“ (z.B.: Wald, Bauernhof, Alm, Au, Wasser, Bergbau), die in thematische Felder gegliedert (z.B.: Tiere, Pflanzen, Arbeiten, Alltagsbewältigung, Kulinarik) und

jeweils aktivitätsbezogen erfahren werden. Zu dieser Form der Umweltbildung zählen auch Naturerlebnis-wege, themenbezogene Aktivitäten mit sinnlichen Ko-mponenten (z.B. Goldwaschen), ganzheitliche bzw. spirituelle Deutung der Erfahrungen (z.B. Ökopäda-gogik). Didaktisch ist der Aufbau einer stimmigen Dramaturgie anzuraten, die den physischen und psych-ischen Bedürfnissen der Lernenden Rechnung trägt.

Abbildung 36: Kinder im Wurzelnest (Umweltbildungswochen der Lernenden Region Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner) © Umweltbildungszentrum Licherode

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Naturerlebnisprogramme werden heute von zahlreichen AnbieterInnen veranstaltet. Dazu zählen Natur- und Nationalparks, Alpin- und Naturschutzorganisationen, Museen, Zoologische Gärten, aber auch Privatfirmen und Vereine. Angeboten werden Erlebniswege, Themenwege, Naturerlebnistage, Fach und Themenexkursionen, geführte Wanderungen, Umweltspiele, Tierbeobachtung, Ausstellungen und vieles mehr. Wissens- und bewusstseinsorientierte Umweltbildung intendiert (sachliche) Information, Auf-klärung, den Zugewinn neuer Perspektiven und Haltungen. In diesen Bereich fällt die Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte, die Aufklärung über Hintergründe gesellschaftlicher Probleme (z.B. Klima-wandel) oder praktische Informationen (z.B. Gartengestaltung). Es dominieren klassische Methoden der Vermittlung wie Vortrag, Ausstellung oder Workshop. Dazu kommen Aktionen (vgl. Greenpeace) und Gruppenprozesse (z.B. Runder Tisch, Ideenwerkstatt). Folgende Richtlinien sind im Design des Lernprozesses im Sinne „gelungenen Lernens“ anzuraten:

- Lerninhalte eigenständig erarbeiten lassen (z.B. mit Gruppenmethoden) - gemeinschaftliches Lernen forcieren - Diskussionsprozesse und Feedbackschleifen einbauen - Problemzentrierte Ansätze bevorzugen - Werte und Haltungen thematisieren (aber nicht moralisieren) - Multimediale Hilfsmittel einbauen

Umweltbildung durch Handlungsanweisung und Entwicklung von Handlungskompetenz meint einerseits die Vermittlung von Praxiswissen (z.B. Wie trenne ich Müll?), andererseits die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen bzw. Persönlichkeitskompetenzen, die in der Umsetzung umwelt-relevanter Vorhaben von Bedeutung sind. Ersteres wird methodisch klassisch durch Beratung, Work-shops oder Vorträge umgesetzt. Zweiteres wird mit gruppendynamischen Methoden wie Rollenspiel, Zukunftswerkstatt und Projektaktivität bzw. Coaching vermittelt. Folgende Richtlinien sind im Design des Lernprozesses im Sinne „gelungenen Lernens“ anzuraten:

- Learning by doing jedenfalls forcieren - Die Durchführung von Projekten fördert die Problemlösungskompetenz - Das Empowerment der Lernenden mitbedenken und fördern - Informelle Kompetenzen sichtbar machen - Partizipation induziert Verantwortungsbewusstsein - Für Partizipationsprozesse Grundregeln beachten

Die drei Ebenen Erfahren – Wissen – Handeln können und sollen in der konkreten Umsetzung eines Instruments gemeinsam auftreten. Dazu möchten wir eine kleine Auswahl an Beispielen anführen.

(Natur-)Erlebnispädagogik in der Umweltbildung Die Naturerlebnis-Pädagogik versteht sich als ganzheitlicher Ansatz und setzt auf das Kennenlernen von Natur durch Erleben, speziell durch gemeinsames Erleben mit anderen. Der Schweizer Pädagoge und Schulreformer Johann Heinrich Pestalozzi formulierte bereits vor über 150 Jahren diesen ganz-heitlichen Anspruch – das Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Die weitläufige Rezeption und Anwendung des Naturerlebnis-Ansatzes in der heutigen Umweltbildung ist dem amerikanischen Pädagogen Joseph Cornell zu verdanken. Mit seinem Naturerlebniskonzept hat er bereits in den 1970er Jahren vielfältige Methoden zum Erleben und Begreifen von Natur vorgestellt, die nach wie vor die Grundlage für weite Teile der Umweltbildung sind63. Mit dem Naturerlebnis-Ansatz wird ein emotionaler Zugang zu Natur als Grundlage für umwelt- und naturgerechtes Verhalten gesehen. „Naturerleben“ bezieht sich in diesem Kontext auf ein geistiges, körperliches und sinnliches Wahrnehmen von Natur, etwa durch Beobachten, Riechen, Erkunden und Anfassen. Durch die gespürte Nähe wird die Beziehung zwischen Mensch und Natur wieder herge-stellt.

Studien zum Zusammenhang von Naturerfahrung mit Umweltwissen und Umwelthandeln haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche, die über vielfältige Naturerlebnisse verfügen, ein weitaus höheres Umweltbewusstsein aufweisen als jene, die ihr Wissen über Natur nur durch Bücher oder

63 Siehe Cornell, Joseph (1979): Mit Kindern die Natur erleben.

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andere Medien erworben haben64. Aus diesen Forschungen geht aber auch hervor, dass bloßes Erleben von Natur noch nicht ausreicht: effektive Lernerfolge stellen sich erst durch die Einbettung von Naturerlebnis-Aktionen in klare Bildungskonzepte ein. Mit anderen Worten: durch den Transfer von Erlebnis in Erfahrung. Es muss die Möglichkeit zum Aufbau von Erfahrung(swissen) gegeben sein.

Joseph Cornell arbeitete für diesen Naturerlebnisansatz das Modul des „Flow Learning“ heraus. Dieses besteht aus vier, ineinander übergehenden, Phasen:

1) Begeisterung wecken, 2) Konzentriert wahrnehmen, 3) Unmittelbare Erfahrung, 4) Andere an den Erfahrungen teilhaben lassen.

Naturerlebnisweg Ein Erlebnisweg definiert sich dadurch, dass drei unterschiedliche Vermittlungsmethoden kombiniert werden: interaktive Informationsstationen, Sinnesstationen und Informationstafeln. Dadurch werden die BesucherInnen auf vielfältige Weise eingebunden. Informationstafeln dienen dazu, komplexe Themengebiete darzustellen, diese werden mit interaktiven und sinnesorientierten Elementen spielerisch wiederholt, wodurch ein nachhaltiger Wissensgewinn gewährleistet wird.

Der Erlebnisweg hat direkten Bezug zur unmittelbaren Umgebung bzw. Region und sollte ein spezielles Oberthema in allen Stationen behandeln. Das Ziel ist, Verstand, Kreativität und Phantasie zu fördern und die Freude am Forschen und Entdecken anzuregen. Daraus ergeben sich einige Vorteile gegenüber althergebrachten, nur auf der Informationsvermittlung basierten Lehrpfadtypen (z.B. Schilderpfad):

- Die Neugierde der BesucherInnen kann durch geschickten Wechsel der Vermittlungsformen ständig geweckt werden.

- Es werden alle Sinne angesprochen. - Es wird ein Anreiz geboten, sich selbst aktiv mit der Natur auseinander zu setzen.

Naturerlebnis-Wege wie etwa spezielle Themenwege der Nationalparke können darüber hinaus auch als Maßnahme zur nachhaltigen Entwicklung einer Region gesehen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Eckpfeiler von lokalen Agenden berücksichtigt werden, nämlich:

- Problemstellungen des Naturschutzes werden einbezogen, - die Findung einer regionalen Identität wird gefördert, - das Bewusstsein für den eigenen Lebensraum wird gestärkt.

Naturerlebnisweg Pfarrerwald, Vöcklabruck (OÖ)

In Vöcklabruck wurde der bestehende Waldlehrpfad neu konzipiert und 2004 in einen Natur-Erlebnis-weg umgewandelt. Ziel ist es, das Interesse an der Natur und einen verantwortungsbewussten Umgang mit ihr zu fördern, Naturzusammenhänge verständlich zu machen sowie Verständnis für die Waldeigentümer und die Bewirtschaftung des Waldes zu fördern. Dabei kommen sowohl Sinnes-stationen (Barfußparcours, Laubtunnel), Spielge-räte (Balancierübungen, Kurvenrutschbahn) als auch Informationstafeln zum Einsatz. Neben den spielerischen Aspekten wird anhand von Infotafeln neben jeder Station Wissen vermittelt. So wird bei-spielsweise die Klimarelevanz des Waldes erklärt und dargestellt (Luft, CO2, Wasser, etc.). Informa-tionen finden sich unter http://www.voecklabruck.at

64 Z.B.: Bögeholz, Susanne (1999): Qualitäten primärer Naturerfahrung und ihr Zusammenhang mit Umwelt-wissen und Umwelthandeln; Finger, Matthias (1993): Führt Umweltlernen zu verantwortungsbewussterem Verhalten? Umwelterziehung 4/5; Lude, Armin (2001): Naturerfahrung & Naturschutzbewusstsein. Eine empirische Studie. Innsbruck, Wien, München.

Abb. 37 Barfußparcours im Pfarrerwald© Gemeinde Vöcklabruck

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Rauchboden Naturerlebnisweg - Nationalpark Gesäuse

Im Jahr 2001 wurde der vorhandene Wanderweg zu einem Natur-Erlebnisweg umgebaut. Die dazu errichteten insgesamt 23 Stationen folgen dem Motto „Hören. Fühlen. Sehen. Riechen“ und umfassen Klapptafeln, Visierstäbe, Panoramakarten, einen „Sinnesweg“ bei dem verschiedene Naturmaterialien barfuss und mit geschlossenen Augen erfühlt werden, usw. Informationen: www.wandern.com/rtc-wandern/2524/region_gesaeuse_rauchbodenweg

Literatur zu Naturerlebniswegen

Lang, Christian / Stark, Werner / Österreichische Gesellschaft für Natur- und Umweltschutz (Hrsg.) (2000): Schritt für Schritt NaturErleben: ein Wegweiser zur Einrichtung moderner Lehrpfade und Erlebniswege. Wien

Erlebniswanderungen Geführte Wanderungen werden z.B. von Nationalpark-BetreuerInnen, NaturführerInnen, Wald-pädagogInnen, WanderführerInnen angeboten (siehe auch Ausbildung zum/ zur RegionalführerIn im Kapitel „Tourismus“ ab S. 125). Es ist eine äußerst aktive und abwechslungsreiche Form, mehr über ein bestimmtes Gebiet, über Zusammenhänge und Kreisläufe in der Natur zu erfahren. Geführte Wanderungen zeichnen sich dadurch aus, dass die TeilnehmerInnen selbst aktiv werden, sie sind aufgefordert zu untersuchen, zu entdecken und zu fragen. Der/Die LeiterIn hält sich im Hintergrund und gibt lediglich bei Bedarf dezente Anweisungen. Je mehr sich die TeilnehmerInnen selbst mit dem Thema auseinandersetzen, umso mehr Fragen stellen sich und umso lebendiger entwickelt sich ein Bewusstsein für die natürliche Umwelt (vgl. Lang/ Stark 2000, S. 42).

Bavarian-Walking

Mehrere Frauen der Gruppe „Bauernland und Bauersleut“ in Bayern bieten Wanderungen und Rundgänge zu den Themen Wald, Wasser, Milch, Brot, Feuer, Schwert, Kohle und Gefängnis an. Dabei wird vom Land-leben, vom Hofalltag einst und heute, von spannenden Begebenheiten und brisanten Zusammenhängen erzählt. Durch ver-schiedene Aktivitäten wie z.B. Verkostungen werden unterschiedliche Sinne ange-sprochen - Riechen, Hören, Schmecken, Sehen und Fühlen. Informationen: http://www.bavarian-walking.de

Erlebnistouren Land um Laa

Der Regionalentwicklungsverein Laa an der Thaya veranstaltet regelmäßig Erlebnistouren zu den Themen Wein, Hanf und Kräuter. Informationen: http://www.landumlaa.at

Abbildung 38 Bavarian Walking © Bauernland und Bauersleut/ Bavarian Walking

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Erlebnisfahrten Piestingtal/ Biedermeiertal

Angeboten werden waldpädagogische Erlebnisführungen in mehreren Gemeinden im Piestingtal für Schulen, Familien, TouristInnen, PensionistInnen und alle an der Natur Interessierten. Jede Führung wird individuell auf die Wünsche der TeilnehmerInnen zugeschnitten. Es werden Themenbereiche der Natur, vor allem des Waldes behandelt. So hört man beispielsweise beim Thema „Der Wald als Heil-praktiker“ einiges über die Erzeugung von Naturprodukten wie Tinkturen, Honig, Tee, Salben. Auch Walderlebnisspiele kommen zum Einsatz: z.B. die blinde (Barfuß-)Raupe nach Cornell, Tastspiele, etc. Wissenswertes über das bäuerliche Leben sowie die Erzählung von Märchen oder Sagen sind Bestandteil der waldpädagogischen Führung für Erwachsene ebenso wie für Kinder.

Internationale Gärten

Die Internationalen Gärten entstanden 1996 auf Initiative von bosnischen Flüchtlingsfrauen. Sie wollten ihr Leben auch im Exil wieder selbst in die Hand nehmen. Heute arbeiten allein in Göttingen mehr als 300 Menschen aus 20 verschiedenen Nationen an dem Projekt, das die selbstbestimmte Praxis der Integration mit ökologischen Themenfeldern verbindet. Auf der Basis von biologischem Gartenbau, handwerklicher Eigenarbeit und selbst konzipierter Umweltbildungsarbeit entstehen neue Handlungsmöglichkeiten.

Der Jahresbericht 1999 listet die Vielfalt der Aktivitäten in den internationalen Gärten auf: „Kurse in der deutschen Sprache, Alphabetisierungskurse, muttersprachlicher Unterricht, praktische Kochkurse, Anleitung in Standortkunde und biologischer Gemüseanbau, Arbeiten mit Ton, mit Holz, Bau von Gartenhäusern und -toren, Bau von Wasserleitungen etc. bieten der Vielfalt der Fähigkeiten von Flüchtlingen, MigrantInnen und Deutschen Raum für gemeinsame Entwicklung. Das Projekt bietet allen durch seine Kultur-, Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit Kontakt zu neuen gesellschaftlichen Bereichen. Tägliche kleine Integrationsschritte werden dadurch gegangen. Im Projekt ist eine kontinuierliche soziale Beratung und Familienhilfe durch andere Projektmitglieder gewährleistet. Insbesondere Flüchtlinge und MigrantInnen, die langjährig in Deutschland wohnen, unterstützen und beraten Familien, die erst vor kürzerer Zeit zugewandert sind und die der Orientierung im Alltag, bei ärztlicher Versorgung und bei der Berufsplanung bedürfen.“ Informationen: http://www.internationale-gaerten.de Siehe dazu auch die Geologischen Erlebniswanderungen in der Region steirische Eisenwurzen, die im Kapitel „Bildungscluster“ S.160 beschrieben werden)

Naturerlebnistage Naturerlebnistage ermöglichen ein gemeinsames, nachhaltiges Erleben der Natur und binden verschiedenste Zielgruppen, von der Familie bis zu aktiven SportlerInnen ein.

Goldwaschen im Raurisertal im SalzburgerLand

Das Goldwaschen wird im Raurisertal als Familienerlebnis angeboten: Es gibt einige originale Goldwaschplätze, wo unter fachlicher Beratung und mit Goldwaschgeräten die Goldwäscherkunde erlernt werden kann. Das gesamte Umfeld ist für einen familiengerechten Ausflug gestaltet, Erleben und Informationsvermittlung inklusive Action und Fun. http://almsommer.salzburgerland.com

Über die Donau und durch die Au

Im Nationalpark Donau-Auen werden neben Ausstellungen, geführten Wanderungen, Lehrpfaden, unter anderem auch ganztätige Exkursionen rund um das Thema Au angeboten. In der Tour „Über die Donau und durch die Au“ geht es von der Hochterrasse am Südufer der Donau hinunter in die von Hochwasser beeinflussten Au-Bereiche. Der/Die BetreuerIn zeigt Spuren der Biber und erklärt wasserbauliche Maßnahmen zur Wiederanbindung von Altarmen an den Strom. An die Donau-Über-setzung mit dem Fährboot schließt eine Wanderung durch unterschiedliche Auwaldtypen. Informationen: www.donauauen.at

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Umweltbildungswochen

In der deutschen LERNENDEN REGION Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner finden „Umweltbildungs-wochen“ für Schulklassen statt. Die Projektleitung liegt dabei beim Umweltbildungszentrum Licherode. Diese orientieren sich an einem ganzheitlichen umweltpädagogischen Bildungskonzept und beinhalten drei Grundbausteine, die aufeinander aufbauen und eng miteinander verknüpft sind.

1) Der sinnesorientierte Einstieg z. B. über Stationsarbeiten und Lernwerkstätten führt spielerisch in ein wöchentlich wechselndes Thema ein, weckt Interesse, eröffnet Fragestellungen und vermittelt Wissen.

2) Der Besuch bei einem Kooperationspartner ermöglicht den Kindern authentische Hintergrundinformationen und eigene konkrete Lebens-Erfahrungen.

3) Die Herstellung eines eigenen kindgerechten Produkts bietet die Chance, handwerklich und kreativ tätig zu werden und die neuen Erfahrungen und Erlebnisse durch eigene praktische Aktivitäten zu verarbeiten.

Themen waren unter anderem: Wasserwoche: Beispiele für Projektbausteine: Wasserwerkstatt mit Stationsarbeiten, Teicherkundung, Bacherkundung, Regenwasserkreislauf, Kläranlage, Papierschöpfen, Wasserbasteleien. Steinwoche: Steinwerkstatt mit Stationsarbeiten, Erkundung eines Gipsbruches, Besuch in der Töpferwerkstatt, Arbeiten mit Gips, Kunst mit Speckstein Wollwoche: Wollwerkstatt mit Stationsarbeiten, Besuch in der Webstube oder beim Teppichweber, Besuch bei den Soay-Schafen, Filzen, Spindelbau und Spinnen, Bau von Naturwebrahmen. Waldwoche: spielerische Walderfahrung, Bau von Waldhütten, Rundgang mit dem Revierförster, Besuch im Sägewerk, Wald im Schuhkarton, Waldrallye. Weidenwoche: Weidenwerkstatt mit Stationsarbeiten, Weidenrundgang, Besuch beim Korbflechter oder im Korbflechtermuseum, Weidenbasteleien. Solarwoche: Solarwerkstatt mit Stationsarbeiten, Besuch im Solarpark oder beim Projekt „Sonnenei", Bau eines Solarkochers. Eierwoche: Eierwerkstatt mit Stationsarbeiten, Küken in der Brutmaschine, Besuch beim Muster-geflügelhof, Eierbasteleien, Kochen und Backen mit Ei. Milchwoche: Milchwerkstatt mit Stationsarbeiten, Besuch auf dem Biohof, Erkundung einer Hofkäserei, Buttermachen Fleischwoche: Thema Tiere, Fleisch und Wurst, Besuch bei der Landgemeinschaft, Kochen mit und ohne Fleisch, Lederbasteleien Landwirtschaftswochen: Apfelwerkstatt oder Getreidewerkstatt mit Stationsarbeiten, Besuch auf dem Biohof, Herstellung von Brötchen, Sauer-Einlegen von Gemüse, Pressen von Apfelsaft.

Abbildung 39 Bilder aus den Umweltbildungswochen zu Wasser sowie Wald © Umweltbildungszentrum Licherode

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Die „Besser-Esser-Woche“

Ein ähnliches Konzept wurde für LERNENDEN REGION Hersfeld-Rotenburg/Werra-Meißner vom Umweltbildungszentrum Licherode im Bereich der Ernährung entwickelt. Dabei suchte man Modellschulen um diese bei der Umstellung auf eine regional-biologische Verpflegung zu begleiten. Als Kernstück wurde eine kompakte Projektwoche für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren entwickelt, die sich am Konzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung" orientiert. Ein sinnesorientierter Einstieg über Stationsarbeiten (Lernwerkstätten) führte spielerisch in das Thema ein und sollte das Interesse wecken. Auch hier fanden Besuche bei Kooperationspartnern statt. Die Herstellung eigener Produkte ließ die Kinder selbst handwerklich und kreativ tätig werden und die neuen Erfahrungen und Erlebnisse aktiv verarbeiten. Die abschließende Auszeichnung mit einem Zertifikat, in Form und Inhalt der Altergruppe angepasst, sollte schließlich die persönliche Aneignung erhöhen. Die fünf Bausteine der "Besser-Esser-Woche" sind… Tag 1: Die Lernwerkstatt Ernährung - Ein Einstieg für die Sinne: Die SchülerInnen bearbeiten in Kleingruppen verschiedene Stationen zum Thema Ernährung. Wer

„erschmeckt“ Brotsorten mit verbundenen Augen? Wie viele Stück Würfelzucker sind in Cola, Ketchup und Fruchtzwergen? Wer kann Gewürze am Geruch bestimmen? Es wird getastet, gefühlt, geschmeckt und gerochen. An die handlungsorientierten Stationen anschließend findet eine Nachbesprechung statt. Tag 2 Der Besuch auf dem Biohof - Biolandbau aus erster Hand: Einen Vormittag lang erkunden die Kinder einen Biohof und lernen die Menschen persönlich kennen, die Lebensmittel für die Schulküche produzieren. Die Klassen werden in vier Gruppen aufgeteilt und erfahren mehr über den ökologischen Landbau. Es wird Getreide mit der Hand gemahlen, die Schweine werden gefüttert, es wird je nach Jahreszeit eingesät, pikiert und natürlich auch geerntet. Tag 3 Gemeinsam kochen und gemeinsam genießen: Unter fachlicher Anleitung wird in der Schul-küche gekocht und möglichst viel von dem verarbeitet, was am Vortag auf dem Bauernhof selbst geerntet wurde. Tag 4 Auswerten, diskutieren, präsentieren: Der vierte Tag dient der Auswertung, dem vertiefenden Gespräch und der Erarbeitung einer eigenen Gruppenpräsentation. Das Erlebte und Erlernte wird diskutiert und auf eigene Zusammenhänge übertragen. Beispiele für konkrete Aufgabenstellungen sind Dokumentationen und Ausstellungen zur Projektwoche, die Gestaltung von Speiseplänen für die Schulkantine, Vorschläge für das Sortiment des Schulkiosk, Bio-Dekoration der Cafeteria oder auch Umfragen bei Mitschülern und Lehrern zum Thema regionale Biokost. Tag 5 Der „Besser-Esser-Pass“ - verdiente Anerkennung und Belohnung: Am letzten Tag der Projektwoche werden die Ergebnisse der Gruppenarbeiten vorgestellt, und die Projektwoche wird in einem zusammenfassenden Abschlussgespräch vertieft. Schließlich erhalten die SchülerInnen den "Besser-Esser-Pass". Die Inhalte der Woche und bei älteren Kindern auch die individuellen Leistungen werden im Zertifikat klar wieder gegeben. Weitere Informationen: http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-uw-x21.asp

Abb. 41 Gemeinsames Kochen (re.) © Umweltbildungszentrum Licherode

Abb.40 Lernstation auf dem Biohof © Umweltbildungszentrum Licherode

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Bildung für nachhaltige Entwicklung

Mit MUT (Modulare, berufsbegleitende Umwelt – naturwissenschaftliche Weiterbildung) entwickelte die LERNENDE REGION Schwäbisch Hall-Ansbach (D) ein Programm, das den Weiterbildungsbedarf von Schulen und Unternehmen im Bereich nachhaltigen Wirtschaftens abdecken soll. Dabei wurden LehrerInnen der Hauptschulen und Gymnasien sowie Fachkräfte aus der Wirtschaft Fernlernmodule zu den Themen Gewässerkunde, Bodenkunde, Mikrobiologie, Umweltanalytik, Umweltverfahrens-technik, Abfallrecycling, Ökologie, Geobotanik und Umweltrecht angeboten. Die Fernlerneinheiten wurden mit einem Praktikumstag an der regionalen Fachhochschule abgeschlossen. Informationen: http://www.lernenderegion.net/arbeitsgruppen/detail.php?id=6

Zum Thema Energie fand für Lehrer und Schüler der Energieerlebnistag „Come and See“, bei dem die Themen Energie, Energiepotenziale, Energieeinsparung und regenerative Energieerzeugung didaktisch aufbereitet und die Teilnehmer für das Thema Energie und Umwelt sensibilisiert werden, statt. Informationen: http://www.lernenderegion.net/arbeitsgruppen/detail.php?id=15

Von und Mit Holz lernen

Die LERNENDE REGION um Bad Salzufen in Deutschland machte sich zu einem Ziel, die Transparenz im Ausbildungs- und Berufsfeld „Holzverarbeitung“ zu verbessern. Als Zielgruppen benannte man Kindergartenkinder, SchülerInnen, Eltern sowie SeniorInnen. Umgesetzt wurden dabei folgende Aktivitäten:

- Planungswerkstatt (Spielplatzdetektive entwickeln neue Spielgeräte) - Kinderbaustelle (Bau von Kulissen und Requisiten aus Holz) - Modellbau und Schule - Holzlernspiele (Test und Überarbeitung für verschiedene Zielgruppen) - Miteinander unter einem Dach (Experimentieren mit Holz) - Arbeiten mit Holz (Spielerischer Umgang mit Holz)

Informationen unter: http://www.regionet-owl.de

Abbildung 42 Jahresringe zählen am Naturerlebnisweg Vöcklabruck © Gemeinde Vöcklabruck

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Berufliche Bildung

In den modernen Industriegesellschaften sind technische und wirtschaftliche Prozesse zunehmend komplexer geworden und verändern sich mit bisher nicht gekannter Geschwindigkeit. Dies führt dazu, dass Weiterbildung und zusätzliche Qualifizierung zu einem nicht abgeschlossenen Bereich des gesamten Lebens geworden ist. Für die Region ist wichtig, dass qualifizierte Beschäftigung und qualifizierte BewohnerInnen zu einem wichtigen Standort- und Wettbewerbsvorteil geworden sind. Ein hohes Bildungsniveau ist nicht nur attraktiv für Unternehmen. Sie führt auch zu einer gestiegenen Bildungsnachfrage und hat daher auch positive Effekte in der Entwicklung der Bildungsinfrastruktur. Eine hohe Arbeitslosigkeit ist demgegenüber ein Zeichen der Strukturschwäche und führt letztlich zur Abwanderung vor allem qualifizierter EinwohnerInnen. Damit stehen Wirtschaftsentwicklung, Bildungs-niveau und Bevölkerung in einem engen Zusammenhang.

Berufliche Bildung bzw. Fortbildung erhält die berufliche Handlungsorientierung, passt die Quali-fikationen an die veränderten Arbeitsbedingungen an und qualifiziert für einen beruflichen Aufstieg. In manchen Berufen gehört Weiterbildung zum unumgänglichen Mittel um den Beruf überhaupt weiter ausüben zu können. In allen anderen Branchen ermöglicht Weiterbildung die Möglichkeit auf dem aktuellen Stand zu bleiben bzw. die Arbeitsabläufe zu optimieren. Berufliche Weiterbildung für benachteiligte Zielgruppen ermöglicht oftmals erst den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt. Bildung ist damit eine wichtige Voraussetzung für die Integration in das Erwerbsleben und für die Erlangung beruflicher Positionen. Daher steht Lernen immer in engen Zusammenhang mit der Beschäftigungs-fähigkeit (englisch: „Employability“).

Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen Legt die LERNENDE REGION einen thematischen Schwerpunkt auf arbeitsmarktaktivierende Maß-nahmen macht es Sinn, sich mit den lokalen Zweigstellen des Arbeitsmarktservice (AMS) zusammen-zuschließen. Das AMS ist in Österreich mit Abstand der größte Vermittler von Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen. Daher verfügt es über langjährige methodische Erfahrung und kann möglicherweise mit Fördermitteln am Gelingen des Projekts beitragen.

Bei Berufsorientierungs- und Akivisierungsmaßnahmen stehen vor allem zwei Ziele im Vordergrund: Die Erarbeitung eines realisierbaren Karriereplans mit realistischen Perspektiven und die Vorbereitung auf die Ausbildungs- bzw. Dienststelle. Bei diesen Maßnahmen wird gesondert unterschieden zwischen denjenigen, die sich zum ersten Mal für ein Berufsfeld entscheiden und denjenigen die sich neu am Arbeitsmarkt orientieren. Dabei sollte auch stets das geschlechterspezifische Verhalten in der Berufswahl mitbedacht und gegebenenfalls problematisiert werden.

Das Forschungsnetzwerk des AMS veröffentlicht dazu regelmäßig Handbücher und Broschüren mit methodischen Vorschlägen, die sich als sehr nützlich bei der Entwicklung von Instrumenten erweisen können. So finden sich die anschließend überblicksartig vorgestellten Methoden detailliert beschrieben im „Praxishandbuch: Methoden der allgemeinen Berufs- und Arbeitsmarktorientierung“ des AMS. Dabei umfassen die Übungen schematisch die Reihenfolge einer Berufsberatung.

Spezielle Instrumente zum Thema Berufseinstieg sind im vorliegenden Handbuch im Kapitel „Jugendliche“ ab Seite 111 zusammengefasst. Daher beschränken wir uns in diesem Teil vor allem mit Fragen der beruflichen Um- und Neuorientierung.

Abbildung 43 Im Wiener R.U.S.Z.reparieren ehemals Langzeit-arbeitslose Haushaltsgeräte

© European Communities, 1995-2008

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Orientierung und Standortbestimmung

Ein erstes Instrument soll es Personen erleichtern, ihre bisherigen Erfahrungen zu ordnen und sich mit diesem Wissen (neu) am Arbeitsmarkt zu orientieren. Menschen sammeln im Laufe ihres Lebens zahlreiche Kompetenzen. Diese Qualifikationen, die nicht nur unmittelbar im Arbeitsleben erworben sein müssen, können helfen, sich am Arbeitsmarkt neu zu orientieren. Da eine einmal abgeschlossene Ausbildung kein Garant mehr für lebenslange Beschäftigung ist, werden damit auch Berufsfelder erschlossen werden, die bisher nicht im unmittelbaren Blickfeld der Betroffenen waren.

Um solche erworbenen Qualifikationen herauszufinden eignet sich das Instrument des Kompetenz-portfolios (ab Seite 83) sowie das hier beschriebene Instrument der „Orientierung und Standort-bestimmung“. Während das erste vor allem informell erlernte Kompetenzen ergründet, bietet sich das hier beschriebene Instrument an, um Anknüpfungspunkte am Arbeitsmarkt zu finden.

In der Orientierung und Standortbestimmung finden sich noch eine Reihe weiterer Methoden. Dazu zählt die Erstellung einer „Lernkurve“ bzw. einer „Berufskurve“. Dabei wird der bisherige Lebens- und Berufsweg graphisch dargestellt und in Kleingruppen diskutiert. Ziel ist das Bewusstwerden bisheriger biographischer Schlüsselmomente, aus denen heraus der weitere Lebensweg geplant wird. In diesen Bereich fallen auch Übungen, in denen die TeilnehmerInnen sich an ihre Arbeitssituation vor fünf Jahren erinnern und daran aufbauend eine Wunschvorstellung entwickeln, wo sie sich in fünf Jahren gerne befinden würden. Für Personen, die schon längere Zeit keine Beschäftigung am Arbeitsmarkt gefunden haben, eignen sich Übungen zum Zeitmanagement. In diesen soll aufgezeigt werden, wie sich die TeilnehmerInnen ihre Zeit einteilen und welche Optimierungsmöglichkeiten sich dabei ergeben.

Umgang mit Konflikten, Frustration und Resignation

Arbeitssuchende befinden sich in einer Konfliktsituation. Erfolglose Arbeitssuche führt zu Frustrationen und kann letztlich zur Resignation führen. Hier bieten sich Methoden an, die helfen, mit solchen Krisensituationen umzugehen. Beispielsweise indem die TeilnehmerInnen angehalten werden sich Gedanken zu den eigenen Motiven und Werten zu machen und diese klar auszusprechen: Was sind fördernde bzw. hemmende Faktoren in meinem Leben/ bei der Arbeitssuche? Welche Werthaltungen und Motivation habe ich und wie kann ich diese gewinnbringend einsetzen? Wofür möchte ich bekannt sein und was will ich realisieren? Welche Quellen geben mir Inspirationen und fördern meine Motivation? Welche Ideen habe ich?

Berufsinformation- und Arbeitsmarktorientierung

Im Bereich der Berufsinformation- und Arbeitsmarktorientierung finden sich Methoden, die dabei helfen die eigenen Interessen in Verbindung mit den Angeboten am Arbeitsmarkt zu bringen. Dabei geht es um das Wissen über bestehende Berufsfelder, deren Anforderungen und die geforderten Qualifikationen. Mit diesen Übungen sollen berufliche Möglichkeiten gefunden werden, die möglicherweise bisher nicht als solche wahrgenommen wurden oder nicht bekannt waren. In diesen Bereich fällt auch die Suche nach passender Weiterbildung. Erkundet werden soll, welche Weiterbildung geeignet ist, das angestrebte Berufsziel zu erreichen.

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Potentialanalyse

Aus den bisher gewonnen Informationen lassen sich mit Hilfe der Potentialanalyse Fähigkeiten, Neigungen und Interessen herausfinden. Dazu gehören auch Methoden zur beruflichen Mobilität, zu den Erwartungen an einen Job sowie zur Erstellung eines Karriereplans. Es geht darum, die eigenen Stärken, Wünsche und Erwartungen herauszufinden und diese mit dem angestrebten Berufsfeldern in Beziehung zu setzen: Welche Qualifikationen habe ich bisher erworben? Welche Eigenschaften besitze ich? Welche Anforderungen stelle ich an meinen Beruf? Welche Prioritäten habe ich an meinen zukünftigen Beruf? Schließlich soll ein Szenario einer zukünftigen Karriere entworfen werden.

Jobfinding

Als Abschluss des Instruments folgen Strategien zur konkreten Umsetzung und Arbeitssuche. Nun gilt es herauszuarbeiten: Wo findet man wie welche Stellen? Wie recherchiert man gewinnbringend? Die Methoden in diesem Bereich eigenen sich nicht nur für die Suche nach einem Arbeitsplatz. Genauso gut lassen sich damit Netzwerkpartner, Förderstellen und ExpertInnen für die LERNENDE REGION gemeinsam erarbeiten. Anschließend bieten sich konkrete Übungen zur Erstellung einer Bewerbung und Vorbereitung auf Bewerbungsgespräch und/ oder Assessment Center an.

Beispiel Strategieberatung

Ein Beispiel für eine solche Beratungsleistung liefert das Modell der „Strategieberatung“ der LERNEN-DEN REGION Hamburg. Im Rahmen von mehreren Beratungsgesprächen wird der bisherige berufliche „rote Faden“ herausgearbeitet um daraus Wissen für aktuelle und zukünftige Anforderungen zu erhalt-en. Anschließend werden individuelle Strategien für den Entwicklungsprozess gezeigt. Darin fließt auch der bisherige Erfahrungshintergrund ein, um vorhandene Ressourcen für die nächsten Hand-lungsschritte zu nutzen. Dabei versteht sich die Strategieberatung im Sinne eines Coaching nicht als Anbieten fertiger Lösungen, sondern sieht den/die KlientIn als ExpertIn in eigener Sache. Mit Hilfe der Strategieberatung soll er/sie selbst in die Lage versetzt werden, die Anliegen eigenständig zu bewältigen.

Das Hamburger Projekt fand in mehreren Stufen statt. In einem ersten Telefonat schilderten die Klienten ihr Anliegen. Anschließend wurde ein persönliches Gespräch im Beratungsbüro vereinbart. Die Beratungen beanspruchten in der Regel fünf Termine, manchmal genügte jedoch auch schon ein Gespräch. Wie lange der Beratungsprozess dauert, hängt letztlich vom Thema und den individuellen Bedürfnissen ab (Der TeilnehmerInnenbeitrag in Hamburg betrug für 60 Minuten Beratung 25 Euro). Nähere Informationen: www.lernende-metropole.info

Weiterführende Literatur:

Steiner, Karin et al. 2006: Praxishandbuch: Methoden der allgemeinen Berufs- und Arbeitsmarktorientierung. Erhältlich über das Forschungsnetzwerk des Arbeitsmarktservice: www.ams-forschungsnetzwerk.at

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Wirtschaft

Schon heute stellt die Verfügung über gut qualifizierte Arbeitskräfte ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen dar. Dies wird sich durch den Rückgang an Erwerbs-personen aufgrund niedrigerer Geburtenjahrgänge und der zunehmenden Konkurrenz noch ver-stärken. Größere Betriebe begegnen dieser Gefahr schon länger und investieren deutlich mehr in die Qualifizierung ihrer MitarbeiterInnen. Kleine und mittlere Unternehmen vernachlässigen dagegen diese Aufgabe aus den unterschiedlichsten Gründen: fehlende Zeit, wenig Geld, geringe Motivation bei den MitarbeiterInnen. Hier gilt es anzusetzen und den regionalen UnternehmerInnen von den Vorteilen von Weiterbildung zu überzeugen und in der praktischen Umsetzung zu unterstützen

Europäischer Wirtschaftsführerschein Ähnlich den Bezugsrahmen für Sprachkompetenzen oder IKT-Kompetenzen (ECDL) bietet sich die Möglichkeit des Erwerbs eines „Europäischen Wirtschaftsführerscheins“/ „European Business Competence Licence“ (EBC*L) an. Das Zertifikat hat sich als international anerkannter Standard der betriebswirtschaftlichen Bildung etabliert. Es bietet die Möglichkeit betriebswirtschaftliche Kernwissen nachzuweisen, die im Wirtschaftsleben notwendig ist. Einigen Unternehmen, wie VW, Siemens, Baxter, T-Mobile oder Uniqa haben den EBC*L in ihr Karriereprogramm integriert. Der EBC*L kann aktuell in 25 Ländern in 10 Sprachen absolviert werden. In Österreich gibt es ein flächendeckendes Netz an EBC*L Prüfungszentren (120 Prüfungsstellen in der Erwachsenenbildung, über 140 im Schul- und Hochschulbereich). Das Prüfungswissen kann dabei selbst durch Literatur und/oder e-Learning-module angelernt werden. LERNENDE REGIONen könnten dabei Vorbereitungskurse und/oder Prüfungs-termine in Absprache mit der EBC*L Repräsentanz in Österreich anbieten. Siehe: http://www.ebcl.at

Netzwerkstatt Die Netzwerkstatt antizipiert in enger Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Bildungseinrichtungen den zukünftigen Bedarf an Bildung und Qualifikation. In einem ersten Schritt werden regionale VertreterInnen der Wirtschaft zu einem „Antizipationsworkshop“ eingeladen. Dort werden gemeinsam sozioökonomische Trends der kommenden fünf bis zehn Jahren vorausgedacht und dabei zukünftige Erwartungen an das Bildungssystem erarbeitet. Die Inputs der WirtschaftspartnerInnen werden durch gezielte Fragen in Beziehung zum bestehenden Bildungsangebot gesetzt: Können mit dem derzeitigen Bildungsangebot die Vorhaben umgesetzt werden? Was brauchen Sie vom Bildungssystem, um für die Zukunft gerüstet zu sein?

Die Informationen werden (idealerweise extern) ausgewertet und in Beziehung zu Daten und Fakten des Bildungssystems gesetzt. Die Ergebnisse werden in „Bildungsträgerworkshops“ Geschäftsführern und Leitern von Fachhochschulen, Universitäten, des Landesschulrats, sowie weiterer Bildungsanbieter präsentiert. Abschließend beraten in einer Großgruppe VertreterInnen beider Gruppen (Wirtschaft und Bildungsträger) in einen Umsetzungsworkshop bildungspolitische Schlussfolgerungen, konkrete Aufgabenstellungen, Serviceleistungen und Projekte. Idealerweise kommt es zu einem nachhaltigen Zusammenarbeiten der beiden Bereiche. Zur Ergebniskontrolle der Antizipations-Workshops empfiehlt sich eine Teilung der Gruppen, wobei sich zeigt, dass die unabhängig voneinander entwickelten Strategien und Wünsche oft deckungsgleich waren. Dadurch lassen sich die Ergebnisse in ihrer Repräsentativität kontrollieren, selbst wenn bei den Veranstaltungen nur wenige Teilnehmer vertreten waren. Die Vertreter sollten darüber hinaus gut nach Branchen und Orten verteilt sein. Darüber hinaus muss den Vertretern von Wirtschafts- und Bildungseinrichtungen deutlich gemacht werden, welche Vorteile ihnen konkret aus den Ergebnissen des Prozesses erwachsen.

„Netzwerkstätten“ werden regelmäßig in Niederösterreich von der NÖ Bildungsgesellschaft m.b.H. für Fachhochschul- und Universitätswesen durchgeführt. Dort ist auch eine Broschüre zu Ablauf und bisherigen Ergebnissen erhältlich: NÖ Bildungsgesellschaft m.b.H. für Fachhochschul- und Universitätswesen, 3500 Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, Telefon 02732/718 41-0, office(at)noe-bildung.at, http://www.noe-bildung.at

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Qualifizierungsverbünde In Qualifizierungsverbünden werden regionale Betriebe einer Branche zur Gestaltung von branchen-spezifischen Weiterbildungsangeboten zusammengeführt. Vielfach ist die Bereitschaft der Personal-verantwortlichen in Klein- und Mittelbetrieben, ihre MitarbeiterInnen in Fort- u. Weiterbildung zu schicken, gering. Als Grund wird meist die zeitliche Unabkömmlichkeit der/des auszubildenden MitarbeiterIn beklagt. Qualifizierungsverbünde beraten und ermutigen die Verantwortlichen zu Weiter-bildungsmaßnahmen, erarbeiten konkrete Bildungsbedarfe und erstellen auf dieser Basis ein branchenabhängiges Weiterbildungsangebot in der Region (teilweise direkt in den Betrieben). Im Verbund werden Zusatznutzen wie Vernetzung und Erfahrungsaustausch möglich.

Beispiele für solche Qualifizierungsverbünde unter den LERNENDEN REGIONEN in Deutschland stellen die Wirtschaftsakademie und das Personalentwicklungs-Kolleg dar. Die Wirtschaftsakademie im Weserbergland sieht sich als Einrichtung, die für Unternehmen und Beschäftigte Beratung und Service vor Ort anbietet. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen den regionalen Betrieben mit ihren Bildungsbedarfen und den Bildungsanbietern der Region. Die Wirtschaftsakademie bietet Kurse in den Bereichen Management, Organisation, Marketing, Betriebswirtschaft, EDV, Technik und Umweltschutz sowie zur Existenzgründung. Der zweite Schwerpunkt liegt in der Qualifizierung von arbeitslosen und bildungsfernen (jungen) Menschen in enger Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft, also Qualifizierung ausgerichtet auf den tatsächlichen Bedarf der Unternehmen. Infor-mationen: http://www.wa-wbl.de

Auch das Personalentwicklungs-Kolleg (PE - Kolleg) im Landkreis Emmendingen setzt sich als Ziel die Steigerung der Wettbewerbs- und Konkurrenzfähigkeit kleiner und mittlerer Betriebe. Dabei sind die Kurse Branchenübergreifend organisiert. Die Durchführungszeiten und Themen, darunter Mit-arbeitermotivation, interne Betriebsabläufe, Vertrieb, Marketing, werden von der deutschen Bundes-regierung gefördert, sodass die Teilnehmerrestbeträge auf relativ niedrigem Niveau blieben. Folgende Themen wurden dabei behandelt und bitten sich als Orientierung an:

- Markt- und Marketingstrategien erarbeiten - Führungskonzepte, -stile und -methoden - Kundenorientierung - Mitarbeitermotivation - Fragen zur Qualität der Arbeit in ihrem Betrieb.

Die Maßnahmen waren dabei folgendermaßen organisiert: 1) Interviews und Gespräche im Unternehmen / betriebsspezifische Bedarfsanalysen vor Ort 2) Fünf zeitlich und örtlich flexible Workshops mit der Geschäftsführung / dem Personalverant-

wortlichen des Betriebs in einer Gruppe von 8 – 12 Unternehmen. Themenschwerpunkte werden mit den Betrieben erarbeitet.

3) Vier Seminarangebote für max. zwei MitarbeiterInnen jeder Firma. Die Schwerpunktthemen werden mit den MitarbeiterInnen behandelt

4) Direkte Praxisbegleitungen im Betrieb, um die Themen direkt umzusetzen Informationen finden sich unter http://www.lernreg-em.de/index.php?openfolder=74ad

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Qualifizierungsverbünde und regionale Kooperationsnetzwerke zur Höherqualifizierung von Beschäftigten

(von Mag.a Andrea Schwarz, BAB Unternehmensberatung / Mag. Martin Uitz, AMS Niederösterreich)

Rahmenbedingung

Mit dem Aufbau eines Qualifizierungsverbundes können Betriebe bei der Qualifizierung ihrer Mitarbeit-erInnen kooperieren und gemeinsam Schulungen durchführen. Ein Qualifizierungsverbund bietet Unternehmen maßgeschneiderte und kostengünstige Weiterbildungen vor Ort und ein dauerhaftes Netzwerk von Kooperationspartnern. Voraussetzung dafür ist die Entwicklung eines Productive Ageing Konzeptes, das bedarfsorientierte Schulungen und begleitende Maßnahmen im Verbund umfasst, die dazu beitragen, die Kompetenz und Arbeitsfähigkeit – v. a. älterer Beschäftigter – langfristig zu erhalt-en. Das AMS und der Europäische Sozialfonds (ESF) bieten interessierten Betrieben dazu eine kostenfreie Beratung sowie spezielle Förderungen für die gemeinsamen Schulungen an.

Productive Ageing ist eine Antwort auf die zukünftigen Herausforderungen in Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung in Europa und in den einzelnen Regionen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der sinkenden Geburtenraten, und damit einhergehenden „Über“-Alterung der Bevölkerung, sind unter anderem auch alle Betriebe gefordert, im Personalbereich Lösungen und präventive Maßnahmen zu setzen, um langfristig mit einer durchschnittlich älteren Belegschaft produktiv und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Durch das seit Jahren bewährte Instrument der Qualifizierungsverbünde können Betriebe gemeinsam Weiterbildungen und begleitende Maßnahmen entwickeln und umsetzen, die die Kompetenz und Arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten, v.a. ihrer älteren Beschäftigten – erhalten und steigern. Dadurch leisten Qualifizierungsverbünde einen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, zur Höherqualifizierung von Beschäftigten und zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen in der Region.

Vom Aufbau eines Qualifizierungsverbundes profitieren besonders Kleinst- und Kleinbetriebe, die dadurch in ihrer Personalentwicklung und im Umgang mit den (demographischen) Zukunftsheraus-forderungen unterstützt werden. Einen großen Nutzen bringt der Verbund vor allem auch Betrieben in ländlichen Regionen, da ein lokales Bildungsangebot geschaffen wird, das es vielen Beschäftigten erst ermöglicht, an Weiterbildungen teilzunehmen. Darüber hinaus werden durch den Aufbau eines Kooperationsnetzwerkes Synergien hergestellt, die zu einer Kostenreduktion von Schulungen oder einer Erhöhung der Qualität von Weiterbildungen führen. Durch die in der Qualifizierungsverbundbe-ratung durchgeführten Bildungsbedarfserhebungen werden Schulungen auf den tatsächlichen Bedarf der Unternehmen sowie ihrer MitarbeiterInnen abgestimmt und Beschäftigte zum lebensbegleitenden Lernen motiviert. Dadurch wird in der Region auch die Teilnahme an Weiterbildungen insgesamt erhöht.

Zielgruppen sind Betriebe, insbesondere Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe, wobei die Höherquali-fizierung speziell auf die Beschäftigten (bzw. Personen in Elternkarenzurlaub) ausgerichtet ist, insbe-sondere auf ältere Beschäftigte (über 45), niedrig Qualifizierte und Frauen. Das Instrument kann in jeder Region umgesetzt werden, wenn sich mindestens drei Unternehmen zusammenschließen und mindestens 50% von den Verbundbetrieben Klein- und Mittelbetriebe sind. Ein Qualifizierungsverbund kann eingesetzt werden, wenn das Ziel die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und/oder die Höher-qualifizierung von Beschäftigten, insbesondere Personen über 45 Jahren, ist. Darüber hinaus sind keinerlei spezifische Voraussetzungen notwendig. Günstig wäre ein grundsätzliches Interesse von Betrieben an einer Kooperation in Zusammenhang mit der Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer Schulungen. Da jedoch die Qualifizierungsverbundberatung auch Verbünde selbstständig initiiert und KooperationspartnerInnen akquiriert, ist dies keine Voraussetzung für den Start eines Verbundes.

Entwicklung und Umsetzung

Zuerst werden Betriebe von der Qualifizierungsberatung kontaktiert und im Rahmen von Erst-gesprächen über den Rahmen, den Inhalt und die Vorgangsweise zum Aufbau eines Verbundes informiert. Eine Erstinformation ist auch im Rahmen von Veranstaltungen mit mehreren Unternehmen möglich. Anschließend werden mit den interessierten Verantwortlichen in den Betrieben grundlegende

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Themenbezogene Angebote Handbuch Lernende Regionen

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Ziele und Schritte zum Aufbau des Kooperationsnetzwerkes abgestimmt. Darüber hinaus werden, bei Bedarf, zusätzliche KooperationspartnerInnen gesucht, um genügend Potenzial für die Umsetzung eines Qualifizierungsverbundes zu erlangen.

Gibt es genügend interessierte Betriebe, um zu starten, wird die Verbundstruktur aufgebaut und die Betriebe dahingehend beraten, z. B. was die Organisation, Struktur und Rechtsform des Kooperationsnetzwerkes betrifft. Die Ergebnisse werden in Form von Vereinbarungen (z.B. Verbund-statuten) festgehalten. Anschließend werden durch die Qualifizierungsberatung einzelbetriebliche Beratungen in interessierten Betrieben durchgeführt und der Schulungsbedarf bzw. Maßnahmen in Hinblick auf die altersgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen erhoben. Dabei werden unter anderem die betroffenen Beschäftigten einbezogen. Die Ergebnisse der Bildungsbedarfserhebungen in den Betrieben werden zusammengefasst und im Rahmen einer Verbundsitzung mit allen Verantwortlichen besprochen und weiterentwickelt. Als Ergebnis liegt das so genannte Productive-Ageing Konzept für den Verbund vor. Basierend auf diesem plant das Kooperationsnetzwerk die Umsetzung der Bildungs-Maßnahmen, z.B. werden durch die Betriebe Bildungsträger ausgewählt und Rahmenbedingungen festgelegt. Das Qualifizierungsprogramm umfasst neben Schulungsmaßnahmen auch begleitende Maßnahmen zum Wissenstransfer und zur Überprüfung der Effizienz der Maßnahmen

Die Verantwortlichen aus den teilnehmenden Betrieben bilden das so genannte Verbundmanagement und ein oder mehrere Betriebe übernehmen die Verantwortung für das Netzwerk, die Leitbetriebe. Diese beauftragen z.B. die Schulungsträger. Eine Koordination (meist einE AngestellteR des Leitbetriebes) unterstützt den Verbund durch administrative Aufgaben. Je nach Umfang des Verbundes (Anzahl der Betriebe, Anzahl der Schulungen) ist dabei ca. mit drei bis neun Monaten Vorbereitungszeit (bis zum Schulungsstart) zu rechnen. Einzubeziehen ist die Landesgeschäftsstelle des AMS, die für die Fördereinreichung im Rahmen der „Qualifizierungsförderung für Beschäftigte im Rahmen von Qualifizierungsverbünden (QfB)“ zuständig ist.

Die geplanten Schulungen und Maßnahmen werden – abhängig von der Planung durch die Verbundbetriebe selbstständig abgewickelt. Die Dauer der Umsetzungsphase ist vom Schulungsvolumen und dem Zeitplan des Verbundes abhängig. In Niederösterreich wurden seit 2001 über 100 Verbünde erfolgreich aufgebaut und umgesetzt. Dabei handelte es sich einerseits um regionale Verbünde, wie z.B. der Verbund Schwarzatal, der Verbund Mannersdorfer Top Ausbildung oder Schrems Aktiv. Andererseits gab es auch regionenübergreifende Branchenverbünde, wie z.B. den Verbund Pre-Production Management, Verbund Alternativenergien oder den Verbund Bau 1 Strategische Personalentwicklung.

Wesentlich für eine erfolgreiche Umsetzung sind einerseits das Commitment der teilnehmenden Betriebe und andererseits das Engagement des Leitbetriebs. Die Betriebe müssen Zeit und Energie in das Kooperationsnetzwerk investieren, denn das Verbundnetzwerk muss aufgebaut werden. Es gibt keine Vorgaben „von oben“, z.B. in Hinblick auf die Schulungsthemen oder die Schulungsträger. Der Vorteil ist, dass die Betriebe selbst entscheiden können, Kompetenz in Hinblick auf Personalentwick-lung aufbauen und qualitativ hochwertige, auf ihren tatsächlichen Bedarf abgestimmte Schulungen ab-halten. Voraussetzung dafür ist aber Engagement und die Mitübernahme von Verantwortung für das Netzwerk. Die Kosten für den Verbund sind vor allem zeitliche: Die Verantwortlichen in den Betrieben nehmen an den Verbundsitzungen teil und stimmen sich mit dem/der QualifizierungsberaterIn und der Verbund-koordination ab. Auch die Einreichung der Qualfizierungsförderung für Beschäftigte im Rahmen von Verbünden beim AMS NÖ erfordert einen administrativen Aufwand. Auf der anderen Seite erhalten die Betriebe im Verbund finanzielle Förderungen durch das AMS und den ESF, und zwar:

- Die Qualifizierungsberatung wird zu 100% gefördert (für maximal 4 bzw. 5 Beratungstage). - Die Förderung der Weiterbildung im Verbund kann bis zu 75% der Schulungskosten aus-

machen. - Bei Kleinstbetrieben bis 10 MitarbeiterInnen werden zusätzlich auch die Personalkosten (bei

Schulungsteilnahme) gefördert. - Die Kosten der Verbundkoordination werden zu 2/3 gefördert.

Durch das gemeinsame Umsetzen von Schulungen sind diese in der Regel billiger als Einzel-maßnahmen bzw. öffentliche Schulungen. Von diesem Kostenvorteil profitieren alle Verbundmit-glieder. Zusätzlich verringern sich die Kosten durch die oben genannten Förderungen.

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Handbuch Lernende Regionen Themenbezogene Angebote

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Support

Erfolgreich ist ein Qualifizierungsverbund, wenn es gelingt, ein tragfähiges Netzwerk aufzubauen, gemeinsame Schulungen erfolgreich umzusetzen und damit eine nachhaltige Höherqualifizierung und Steigerung der Arbeitsfähigkeit von (älteren) Beschäftigten erreicht wird. Die Begleitung des Aufbaus eines Verbundes durch die professionellen QualifizierungsberaterInnen ist wesentlich, um eine adäquate Verbundstruktur aufzubauen, ein maßgeschneidertes und auf dem „Productive Ageing“ Ansatz aufbauendes Qualifizierungsprogramm zu entwickeln und eine erfolgreiche Umsetzung der gemeinsamen Maßnahmen zu garantieren. Daher sollten die Betriebe nicht auf diese geförderte Beratung verzichten. Maga. Andrea Schwarz ist Mitarbeiterin der BAB Unternehmensberatung. andrea.schwarz(at)bab.at, http://www.bab.at Mag. Martin Uitz ist Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice Niederösterreich. E-Mail: [email protected]

Optimierung technischer und ökonomischer Prozesse Die Marktanforderungen verlangen heute, die technischen und wirtschaftlichen Prozesse in Unter-nehmen so effizient wie eben möglich zu gestalten.

Die LERNENDE REGION Lausitz organisierte für die regionalen Betriebe speziell zugeschnittene Bildungsangebote zur Optimierung der technischen und ökonomischen Prozesse. Dabei sollen die TeilnehmerInnen in die Lage versetzt werden, ihre betrieblichen Probleme zu analysieren, das Verbesserungspotential zu erkennen und den zur Beherrschung und Optimierung komplexer Funktionsabläufe erforderlichen Aufwand grob abzuschätzen. Nähere Informationen unter http://www.lernende-lausitz.de/projekte/optipro

Handwerk und Europa In der LERNENDEN REGION Kassel wurde ein Schwerpunkt zum Thema „Handwerk und Europa“ durch-geführt. Das Thema selbst eröffnet vielfältige Perspektiven, vom Lehrlingsaustausch bis zum Erfahrungsaustausch zwischen den Betriebsleitern anderer europäischer Betriebe. Die LERNENDE

REGION hat sich in diesem Themenfeld vor allem um die Initiierung von Auszubildenden-Austausch bemüht. Kontakte in das Nachbarland Niederlande wurden gemeinsam mit der regionalen Handwerkskammer Kassel geknüpft.

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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Kooperative Projektaktivitäten in ausgewählten Bereichen

In der Kooperation unterschiedlicher Akteure auf Regional- bzw. Gemeindeebene liegt die Möglichkeit zur Entwicklung von (Weiter-)Bildungsprojekten, sowohl im Bereich der beruflichen als auch der allgemeinen Erwachsenenbildung, wie die nachfolgende beispielhafte Aufzählung verdeutlicht (in Klammer die jeweils beteiligten Branchen)

- „Weinviertler Winzerinnen“: Ausbildung von Weinbäuerinnen in der Weinvermarktung (Tourismus, Agrarbereich, Bildung)

- „Salzburger Bauernherbst“: Veranstaltungen zu regionsspezifischen Besonderheiten (Agrarbereich, Bildung, Kulturvereine)

- „Bildung für nachhaltige Entwicklung“: Ökologieoffensive im Gemeindebereich (Ökologiebereich, LA21, Bildung)

- „Virtuelle Akademie“: Übertragung und Diskussion von Vorlesungen in regionale Zentren (Universität, Telematik-Einrichtung, regionale Bildungszentren)

- „Gesunde Gemeinde“: z. B. Veranstaltungen zu Gesundheitsthemen in Apotheken (Apotheken, Bildungseinrichtungen)

Bildungsträger und Kulturinstitutionen

Erwachsenenbildung Einrichtungen der Erwachsenenbildung zeichnen sich durch ihre flächendeckende Präsenz, Erfahrung im Lehren und Lernen mit Erwachsenen sowie innovativen Lehr- und Lernformen aus. Das Feld der Erwachsenenbildungseinrichtungen ist ausgesprochen heterogen und reicht von den bekannten KEBÖ65-Verbänden (ARGE Bildungshäuser, BFI, Büchereiverband, Forum Katholischer Erwachsenenbildung, LFI, Bildungswerke, Volkswirtschaftliche Gesellschaft, Gewerkschaftliche Bildung, Volkshochschulen, WIFI) über private Anbieter bis zu innerbetrieblichen Schulungen bzw. Medien. Im Folgenden ein kleiner Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit66:

- Arbeitsgemeinschaft der Bildungshäuser Österreichs (ARGE BHÖ), KEBÖ Mitglied - Berufsförderungsinstitut Österreich (BFI), KEBÖ Mitglied - Büchereiverband Österreichs (BVÖ), KEBÖ Mitglied - Forum Katholischer Erwachsenenbildung (FORUM), KEBÖ Mitglied - Ländliches Fortbildungsinstitut (LFI), KEBÖ Mitglied - Ring Österreichischer Bildungswerke (RÖBW), KEBÖ Mitglied - Volkswirtschaftliche Gesellschaft Österreich (VG-Ö) , KEBÖ Mitglied - Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) , KEBÖ Mitglied - Verband Österreichischer Volkshochschulen, KEBÖ Mitglied - Weiterbildung an Bildungsinstitutionen wie Schulen, Universitäten etc. Siehe dazu S. 157 - Private, gewinnorientierte Anbieter (Anbieter von AMS-Schulungen, Sprachschulen/-institute,

EDV-Center, Maturaschulen, freie Trainer bzw. Trainingsfirmen, auch Tanzschulen oder Fahrschulen)

- Gemeinnützige private, Einrichtungen, die auch Weiterbildung anbieten (Literaturhaus, Kultur- und Sportvereine, Forschungsgesellschaften, etc,)

- Neben dem Hauptgeschäft beigepackte Weiterbildung als „Zusatzangebot“ oder Serviceleistung (Baumärkte, Supermärkte, Wellnessbetriebe, Banken, etc.)

-  Beigepackte Erwachsenenbildung zur Vermittlung des eigenen Gedankengebäudes an die Mitglieder (Interessensvertretung, Berufsverbände, Parteien, Religionsgemeinschaften, …)

65 Konferenz der Erwachsenenbildungseinrichtungen Österreichs, 1972 gegründeter Dachverband von Einrichtungen, deren Existenzzweck die Erwachsenenbildung ist. 66 Der Überblick folgt Heilinger, Anneliese (2006): Erwachsenenbildungseinrichtungen, siehe: www.eb-portal.at

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Handbuch Lernende Regionen Kooperative Projekte

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- Innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung in Betrieben, aber auch bspw. in der freiwilligen Feuerwehr oder Rettung

- Medien mit oder ohne gesetzlichen Bildungsauftrag (ORF, Private Medien, Bücher, Internet, Lernsoftware,…)

Bildungshäuser

Bildungshäuser bringen erhebliche Potentiale in LERNENDE REGIONEN ein: - als mögliche räumliche Zentren der Abwicklung der LERNENDEN REGION - als räumliche Knotenpunkte und Begegnungsstätten in der Region - als „Identitäts-Orte“ in der Region, die für regionale Identität und Bildung stehen - als Träger notwendiger Infrastruktur für Vorhaben in der LERNENDEN REGION

Wichtiger Punkt ist dabei die Verankerung eines Bildungshauses in seiner Region, sprich: seine Bekanntheit und Akzeptanz bei weiten Bevölkerungsschichten sowie der Grad der Vernetzung mit unterschiedlichen Akteursgruppen. Nachfolgend einige Beispiele für die Rolle von Bildungshäusern in LERNENDEN REGIONEN: „Das Bildungshaus als „Haus der Region“

- Ausbildungsinitiativen in der Region: Qualifizierungsmaßnahmen u. -programme (AMS), -verbünde,

- Standort zur Abwicklung von Projekten zu Regionsthemen (Geschichte, Kultur, Wirtschaft, ...) - Regionalentwicklung mit der Bevölkerung (Zukunftswerkstätten, Open Spaces, ...) - Diskussionsort für regionale Themen - Anlaufstelle für Informationen, Vernetzung etc.

„Das Bildungshaus als Tourismusdestination“ - Kooperation mit Tourismuseinrichtungen, LAGs: ZB regionalen Tourismusagenturen/ -

verbänden, Reiseveranstaltern - BH als regionaler Hotelerie-Standort mit integriertem Bildungsangebot (erfordert entspr.

Ausstattungsqualität der BHs --> Investoren) - BHs als tourismusrelevante "Stationen" und Knotenpunkte - Anknüpfen an Themen der Region durch Forcierung entspr. Bildungsangebote und

Inszenierung „Bildungshäuser als regionale Lernzentren“ (s. dort)

- "Kursangebote vor Ort" - Beratungs-, Coaching- und Informationsstrukturen - e-Learning / blended Learning - Bibliothek

„ Bildungshäuser als Zentren für regionale Initiativen“ - Kampagnen, Vernetzung, Informationsarbeit, Veranstaltungen in und zwischen

unterschiedlichen Bereichen, z.B. zu Wirtschaft, Umwelt, Kultur, Soziales ….

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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Kooperationen mit Schulen Schulen gehören zu den wichtigsten Akteuren in LERNENDEN REGIONEN. Einerseits ergeben sich durch die Kooperation einer Schule mit außerschulischen Institutionen mannigfaltige Möglichkeiten zur Sammlung von Praxiserfahrungen für SchülerInnen. So bestehen in einigen Regionen bereits Kooperationen zwischen Schulen und der regionalen Wirtschaft im Bereich der Vermittlung von Praktika bzw. Schnupperlehre-Plätze (siehe u. a. Kapitel Generationen – Jugendliche ab S. 111, bzw. Bildungscluster / nachfolgend).

Zahlreiche, vor allem höhere, Schulen bieten bereits heute Kurse im Bereich der Erwachsenenbildung an und würden sich daher gut als Partner einer LERNENDEN REGION eignen. Das muss nicht auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt bleiben (Praktika, „Schnupperprojekte“), sondern ist auch sinnvoll anwendbar bei Themen wie Kultur, Umwelt und Soziales. Ein Beispiel bieten die Land-Impulse Niederösterreich, die als Absolventenverband Erwachsenenbildung anbieten: http://www.landimpulse.at Andererseits stellt das Raumpotential von Schulen eine für außerschulische Zwecke gut zu nutzende Ressource dar. Ein wichtiger Partner können Schulen bei bereichsübergreifenden regionalen Kampagnen sein, an denen sie sich mit Projekten bzw. Aktionen beteiligen. Eine Initiative zu „Nachhaltigkeit“ oder „Klimawandel“ bspw. kann gleichzeitig Projekte in Schulen, in der Erwachsenenbildung, in regionalen Medien sowie Aktionen der regionalen Geschäftsleute umfassen.

Schulen in LERNENDEN REGIONEN können auch Standorte für regionale Vernetzung sein.

Lernende Regionen und landwirtschaftliches Schulwesen

(von Mag.a Dipl.-Ing. Josefa Reiter-Stelzl, Lebensministerium)

Die elf Höheren Bundeslehranstalten für Land- und Forstwirtschaft sowie die rund 100 land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik sind wichtige AkteurInnen für LERNENDE REGIONEN. Großes fachliches Know how: Das fachliche Know How der Schulen liegt vor allem in den Themen Boden, Wasser, Luft, Energie und biologische Vielfalt, in den Bereichen sicherer und hochwertiger Lebensmittel und nachwachsender Rohstoffe. Innovative Konzepte für vitale Lebensräume: Bezüglich Lebensraum werden innovative Konzepte für vitale ländliche Regionen zur Steigerung von Beschäftigung und Wertschöpfung erarbeitet. Die Kernanliegen sind die Erhaltung einer intakten Umwelt und eine nachhaltige Land- Forst und Wasser-wirtschaft, da Natur und Kultur die Basis für Lebensfreude und Lebensqualität sind. Eine ausge-wogene Berücksichtigung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Interessen ist oberstes Ziel. Ökonomische, ökologische und soziale Kompetenz: Die agrarischen Schulen sind diejenigen Bildungseinrichtungen, die einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des Lebensraumes liefern, indem sie junge Menschen dazu befähigen, professionell die sozialen (Arbeitsmöglichkeiten in den Regionen, verbindliche Konventionen im sozialen Umgang) und elementaren Lebensgrundlagen (Umwelt, natürliche Ressourcen) zu erhalten und zu gestalten. Die Kernkompetenz dieser Einricht-ungen ist das Management von ökonomischen Interessen, der Schonung der Umwelt und dem Erhalt des sozialen Lebens. Kooperation mit außerschulischen Partnern: Sehr viele Aktivitäten finden in Kooperation mit außer-schulischen PartnerInnen statt, sodass viele Schulen Kristallisationspunkte im Netzwerk der Region darstellen. Ehrenamtlicher Bereich stark ausgeprägt: Hervorstechend ist die Mitarbeit im ehrenamtlichen Bereich. Vereine, speziell die Absolventenverbände der agrarischen Schulen, leisten einen großen Beitrag nicht nur im gesellschaftlichen Bereich sondern auch in der Fort- und Weiterbildung. Um Zukunftsorientierung zu leisten, besteht die Notwendigkeit der Land- und Forstwirtschaft, einen positiven Beitrag zu Landschaft und Umwelt zu erbringen. Lebensgedanke ist Leitbild: Der Lebensgedanke zieht sich durch alle Bereiche und Aufgabenfelder. Folgende vier Bereiche werden übergreifend wahrgenommen: Ländlicher Raum und Nachhaltigkeit, , Wasser, Landwirtschaft und Ernährung, Umwelt und Abfallmanagement.

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Handbuch Lernende Regionen Kooperative Projekte

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Gesunde Nahrungsmittel, Luft, Wasser, Erde: Die Schulen wissen sich verantwortlich für gesunde Nahrungsmittel, gesunde Luft, Wasser, Erde, Prävention gegen Selbstausbeutung der Natur, gesunde wirtschaftliche Grundlagen und funktionierende Sozialbeziehungen. Fachliche und persönliche Schlüsselkompetenzen: Vermittelt wird ein modernes und kompetentes Bild von SpezialistInnen mit Bodenhaftung, deren Werte Sinnstiftung und Leistung sind. Es soll als Gegentrend zur Schnelllebigkeit Sicherheit im Sinne von Beständigkeit vermittelt werden. Fundierte und berufsfeldbezogene Ausbildung: Die SchülerInnen erwerben fachliche und persönliche Schlüsselkompetenzen unter der Perspektive der Nachhaltigkeit. Ziel ist es, den SchülerInnen nicht nur Fachwissen zu vermitteln, sondern auch den entsprechenden praktischen Erfahrungshintergrund. Die vier Besonderheiten des landwirtschaftlichen Schulwesens und die Bedeutung für LERNENDE REGIONEN sind:

1. Standort: Die landwirtschaftlichen Schulen befinden sich meist mitten in den Regionen (z.B. lfz Francisco Josephinum; lfz Raumberg-Gumpenstein; FS Obersiebenbrunn; FS Pyhra; FS Edel-hof; FS Schlierbach;….) bzw. angedockt an Bezirksstädte (FS Mistelbach; FS Gießhübl; FS Poysdorf) oder am Stadtrand von Landeshauptstädten (hlfs Elmberg; hlfs Pitzelstätten; lfz Schönbrunn). Die Vortrags- und Workshopräume.sind durchwegs nach dem neuesten technischen Stand ausgestattet (Projekte wie „Regionalität – Just lovin’ it!“ von der lfz Francisco Josephinum Wieselburg weisen darauf hin.)

2. Lehrbetriebe: Viele Schulen verfügen über einen Lehrbetrieb und praktische Lehreinrichtungen (z. B. Pferde, Schweine, Rinder, Weinbau, Obst, Garten, Forst, Küche, Maschinen,…). Am Standort ist das jeweilige fachliche und praktische Know How vorhanden. Die Kompetenzen z.B. in der Landtechnik, Lebensmitteltechnologie, Nutztierhaltung und Grünlandwirtschaft sind für eine hochwertige Aus- und Fortbildung von großem Vorteil. Konkrete bauliche Ressourcen sind Stallungen, Praxishallen, Labors, Naturwissenschaftliche Zentren, Schlachträume, Milch-verarbeitungsräume, Lehrküchen, Glashäuser, Maschinenhallen. Diese sind meist bestens ausgestattet mit Geräten. Dadurch sind Lernarrangements vernetzt mit modernen Medien möglich und nach außen kommunizierbar. So sind Lernplattformen im EDV –Bereich um zeit- und ortsunabhängig arbeiten zu können keine Seltenheit. Mit den Lehrbetrieben sind viele Bildungspakete verbunden: Pflanzenbauversuche, Wein-untersuchung incl. Beratungsgespräch, Besichtigung einer Bioenergieversuchsanlage, Obst-baumschnittkurs, Waldlehrpfad.

3. Internat: Die an den Schulen angeschlossenen Internate sind mit großzügigen Wohneinheiten, Speiseraum und Sportanlagen ausgestattet. Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit, gemein-same Ausflüge, miteinander Feiern, Gestaltung der Freizeit und das miteinander Wohnen führen zu einer besonderen Lebenskultur. Mit dem Internat sind viele Feste, kreative Work-shops, musikalische Ereignisse, sportliche Wettkämpfe, Theateraufführungen verbunden.

4. Die Verbindung von Forschung-, Lehre- Fort-, Weiterbildung und Beratung ist einmalig. Der Wissenstransfer ist durch die enge Verbindung von Forschung, Lehre und Lebenslangem Lernen gegeben und macht viele Schulen zu Wissensdrehscheiben.

Die Schulen befähigen ihre SchülerInnen, anspruchvolle Aufgaben in Gesellschaft und Wirtschaft verantwortungsvoll wahrzunehmen und sind die Keimzelle für lebenslanges Lernen. Durch die enge Gemeinschaft im agrarischen Schulbereich wird die Basis für ein starkes Netzwerk bei den AbsolventInnen dieser Schulen gelegt.

Abbildung 44Höhere Bundeslehr-und Forschungsanstalt fürLandwirtschaft Raumberg-

Gumpenstein (BAL)© BMLFUW/ LFZ Raumberg-Gumpenstein

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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Zusammenfassung

Die landwirtschaftlichen Schulen zeichnen sich durch eine hohe Qualität der Lehre in enger Ver-bindung mit Forschung und Beratung aus. Kennzeichen sind Kundenorientierung, eine hohe Praxis-nähe und funktionierende Sozialbeziehungen. Die agrarischen Schulen können somit als Bildungs-einrichtung einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt des Lebensraumes liefern und Wissens-drehscheiben für LERNENDE REGIONEN darstellen. Prof. Maga. Dipl.-Ing. Josefa Reiter-Stelzl lehrt an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik sowie an der Universität für Bodenkultur in Wien. E-Mail: josefa.reiter-stelzl(at)lebensministerium.gv.at

Beispiele

Wald erleben, Natur begreifen Eine Klasse der Höheren Bundeslehranstalt für Land- und Ernährungswirtschaft Elmberg (Linz) gestaltete eine Waldparzelle in einen vielfältigen Waldlehrpfad um. Ziel war es, Volksschulkindern ein Verständnis für den Lebensraum Wald und den richtigen Umgang damit zu vermitteln. BIOLogisch Ziel des Projektes BIOLogisch ist es, Wissen über biologische Landwirtschaft den jeweiligen Zielgruppen weiterzugeben. Das Projekt umfasst einen Einführungskurs in die biologische Landwirtschaft, einen Dokumentationsfilm über Bio-Bauernhöfe und den Einsatz effektiver Mikroorganismen in der biologischen Landwirtschaft, Kinder-Erlebnistage am Biobauernhof „Moarhof“, Verkostung von Bioprodukten und Öffentlichkeitsarbeit. Siehe auch das Projekt „Erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügeln“ im Kapitel „Schwerpunkte politischer Bildung (ab S. 130)

Partnerschaft Schule und Betrieb

In einem Papier hat die deutsche LERNENDE REGION Hersfeld-Rotenburg einen Überblick über die verschiedenen Formen von Partnerschaft zwischen Schule und Betrieb in deutschen LERNENDEN

REGIONEN erarbeitet. Es finden sich dabei Partnerschaften mit großen Industriebetrieben, mit mittelständischen Unternehmen, aber auch mit kleinen Handwerksbetrieben. Die Netzwerke zwischen Schule und Betrieb können mit einem Verbund von Betrieben, mit einem Verein oder einer sozialen Einrichtung geschlossen werden. Es gibt Partnerschaften, die sehr eng auf mehreren Ebenen miteinander arbeiten und Partnerschaften, deren besondere Stärke in der Einmaligkeit ihrer Produkte liegt. Partnerschaften können über einen Vertrag ihre gemeinsamen Zielsetzungen zu einem Leitbild erheben, andere arbeiten weniger formal.

1. Partnerschaften mit einem Industriebetrieb

Industriebetriebe eignen sich für Partnerschaften vor allem durch ihre Größe und komplexen Betriebs-strukturen, die einen vielfältigen Blick in die Berufswelt ermöglichen.

2. Partnerschaft mit einem Handwerksbetrieb

Partnerschaften mit Handwerksbetrieben ermöglichen vor allem Einblicke in regionstypische Strukturen. Häufig steht der unmittelbare Nutzen der jeweiligen Produkte und Dienstleistungen im Vordergrund. Die meisten Handwerksbetriebe sind klein und überschaubar, wodurch auch die persön-liche Bindung stärker ist.

3. Partnerschaften für einmalige Projekte

Es gibt Partnerschaften, deren Aktivitäten aufgrund eines hohen Projektaufwands bzw. der Abhängig-keit von Personen, die nicht immer verfügbar sind, nur in größeren Zeitabständen möglich sind. Dafür ermöglichen diese Partnerschaften oft besonders intensive und umfassende Erfahrungen.

4. Partnerschaften im Verbund

Eine Möglichkeit für Schulen besteht in der Zusammenarbeit mit einem Wirtschaftsverband. Aus diesen Kooperationen ergeben sich häufig auch Praktikums- oder Ausbildungsplätze. „Die Kooper-

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ationen mehrerer Schulen und/oder mehrerer Betriebe ermöglichen ein erweitertes Spektrum an Aktivitäten und Erfahrungsmöglichkeiten. Allerdings schlägt in der Regel ein erhöhter Koordinations-aufwand zu Buche. Solche Modelle findet man in Österreich unter dem Schlagwort „Bildungscluster“ (siehe unten).

5. Kooperationen mit Vereinen

„Es gibt auch Partnerschaften mit Vereinen. Auch ehrenamtliches Engagement, zum Beispiel im Freizeitbereich, kann Zugänge zu Beruf und Arbeit herstellen und vermitteln.“ (vgl. http://www.ia-c.de/lernenderegionen/teil-bo-n5.asp )

Bildungscluster

Bildungscluster (BC) sind freiwillige Zusammenschlüsse von Unternehmen und Bildungseinrichtungen auf regionaler Ebene, die als gemeinsame Initiative unter dem Dach von Wirtschaftskammer Öster-reich (WKÖ) und Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) gegründet wurden. Ziele sind die Sicherung der Zukunftschancen junger Menschen und die Stärkung der regionalen Wirtschafts- und Bildungsstandorte in ganz Österreich. Es finden sich dabei einige Parallelen zu LERNENDEN REGIONEN, die eine Einbindung der Bildungscluster in LERNENDE REGIONEN sinnvoll erscheinen lassen.

Schulen, Unternehmen unterschiedlicher Größe, Interessensvertretungen und alle interessierten und relevanten Institutionen einer Gemeinde oder einer Region finden sich im Bildungscluster und starten ein Kooperationsnetzwerk. Regionale Veranstaltungen, z.B. eine „Kick Off“- Veranstaltung zum Start, aber auch Bildungsmessen und individuell entwickelte Events schaffen Öffentlichkeit für die Anliegen der im Bildungscluster vertretenen Schulen, Betriebe und PartnerInnen. Dabei bietet sich eine Reihe an gemeinsamen Projekten an, wie beispielsweise

- Gegenseitige Besuche, Exkursionen und Betriebsbesichtigungen - Unternehmer werden „Schuldirektor für einen Tag“ - Einladung schulexterner Fachleute als Bestandteil der Unterrichtsgestaltung - Transfer von unternehmerischem Know-how zur Professionalisierung des Schulauftritts

(Marketing, Events etc.) - Ressourcensharing von Schul- und Betriebseinrichtungen - Gemeinsame Berufsberatungs- oder Bildungsveranstaltungen von Schulen und Firmen - Unternehmen laden Schulen zu „Wirtschaftsschauplätzen“ – Schnuppertage für SchülerInnen

und Lehrende in Betrieben - Schnuppertage für SchülerInnen in Fachhochschulen - Gemeinsame Projektarbeiten z.B. Maturaprojekte etc. - ReferentInnenpool

Die aktuelle Liste an bestehenden Bildungscluster sowie Best Practice Beispiele finden sich auf der Homepage http://www.bildungscluster.at

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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Kooperation mit tertiären Einrichtungen Die Einbindung von Universitäten und Fachhochschulen bietet ein großes Potential an innovativen Themen, Lernmethoden und Wissen für die LERNENDE REGION. Es sind jedoch auch einige Besonderheiten zu beachten, damit eine solche Einbindung auch zum Erfolg wird.

Universitäten und Fachhochschulen sind überregional ausgerichtet. Die Regionen müssen daher besondere Anreize schaffen, wollen sie diese Bildungseinrichtungen einbinden.

Universitäten werden meist in den LERNENDEN REGIONEN keinen Hauptsitz haben. Trotzdem bieten sich endogene Anknüpfungspunkte. Viele Universitäten haben Außenstellen in ländlichen Gebieten. Noch häufiger haben einzelne Wissenschafter in ländlichen Regionen Forschungsstützpunkte bzw. –schwerpunkte. Ähnlich ist die Situation bei Fachhochschulen. Diese befinden sich zwar möglicher-weise in der Region, ihre Themen sind jedoch meist sehr spezialisiert. Dabei besteht jedoch in der Regel ein enger Zusammenhang zwischen den Fachrichtungen und regionalen Besonderheiten.

Im Folgenden sollen einige Beispiele die mögliche Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und LERNENDEN REGIONEN aufzeigen:

Weiterbildungslehrgänge

Fachhochschulen und Universitäten ist es möglich, Weiterbildungslehrgänge (z.B. Fachhochschul-lehrgänge) anzubieten, die ausschließlich über Studiengebühren finanziert werden. Die Hürden zur Einrichtung solcher Lehrgänge sind relativ niedrig, womit sich die Möglichkeit eröffnet, diese Lehr-gänge als Ergebnis einer Bildungsbedarfserhebung gemeinsam mit den ansässigen tertiären Bildungseinrichtungen ins Auge zu fassen.

Aus Deutschland gibt es dazu bereits erste Erfahrungen. So wurde in der LERNENDEN REGION Schwäbisch-Hall/ Ansbach das Projekt „Innovatives Produktmanagement“ durchgeführt. Dieses um-fasste die Entwicklung einer berufsbegleitenden Weiterbildung zum Thema. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage www.innovatives-produktmanagement.de sowie http://www.lernenderegion.net/arbeitsgruppen/detail.php?id=5.

Oftmals ist es auch möglich, universitäre Weiterbildungslehrgänge mit Hilfe von „Blended Learning“ Methoden in die Region zu bringen. So gelang es einigen niederösterreichischen LEADER Regionen, in der Periode 2000-2006 den Tourismuslehrgang der WU in ihrer Region anzubieten.

Am Beispiel des Universitätszentrums Rottenmann (Steiermark) lässt sich auch zeigen, dass es möglich ist, Exposituren von Universitäten in die Region zu bringen. In Rottenmann wurde von Seiten der Technischen Universität Graz und der Universität Linz ein Universitätszentrum gegründet, in dem zwei Studienrichtungen angeboten werden. Weitere Informationen: www.uzr.at

Wissensvermittlung: University meets Public, Montagsakademie

Auch ohne eigene universitäre Lehrgänge kann universitäres Wissen über öffentliche Vorträge in die Region gebracht werden. Dabei erarbeiten Universitäts- und Fachhochschullehrende eigene Vorträge mit Bezug auf ihr Forschungsfeld und referieren in lokalen Volkshochschulen, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist gering bzw. kostenlos. Auch wenn die Vorzeigeprojekte aus dem städtischen Raum kommen, ergeben sich auch für regionale Netzwerke Anknüpfungspunkte mit lokalen Fachhochschulen, Schulen oder Museen und deren ExpertInnen.

- University meets public (Wien): http://www.vhs.at - Wiener Vorlesungen (Wien): http://www.wienervorlesungen.at

Abbildung 45: Besucher der Grazer Montagsakademie © Montagsakademie/ Günther Schuchlautz

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Handbuch Lernende Regionen Kooperative Projekte

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Einen sehr interessanten Weg, diese Vorträge in den ländlichen Raum übertragen zu können, zeigt die Montagsakademie der Karl-Franzens-Universität Graz unter dem Motto „Bildung für ALLE durch allgemein verständliche Wissenschaft“. Mehr als 40.000 Interessierte haben bereits das kostenlose Angebot der Karl-Franzens-Universität angenommen und Einblicke in die moderne, gesellschaftlich relevante Forschung gewonnen. Der Besuch der Veranstaltungen steht allen Interessierten offen, erfordert keine Anmeldung und ist kostenlos. Seit dem Studienjahr 2002/03 wurde die Montagsakademie an 89 Abenden (jeweils Montags) an der Universität Graz abgehalten, wovon bereits 50 Vorträge seit November 2004 live per Internet in ländliche Regionen übertragen wurden. Derzeit 15 Partnereinrichtungen tragen auf diese Weise das Wissen über den Campus in drei Bundesländer hinaus. Übertragen werden die Vorträge in Bildungseinrichtungen, Technologiezentren, Vereine, Rehabilitationszentren, Banken und Firmen. Die TeilnehmerInnen in den Regionen können sich mittels Videokonferenz und Chat nach dem Vortrag aktiv in die Diskussion einschalten. Pro Vortrag fanden sich im Studienjahr 2007/08 im Schnitt 300 TeilnehmerInnen in der Aula und nochmals knapp 400 in den Regionen ein. Das Vortragsprogramm wird von einem wissenschaftlichen Leitungsteam entwickelt, organisatorisch werden die Montagsakademie und der „eMontag“ vom Zentrum für Weiterbildung der Universität Graz betreut und weiterentwickelt: Informationen: Zentrum für Weiterbildung der Universität Graz, Mag. Christian Friedl (Projektleitung), Harrachgasse 23, 8010 Graz, Tel. +43/316/380-1104, E-Mail: montagsakademie(at)uni-graz.at, http://www.uni-graz.at/montagsakademie

Abbildung 46: Vortrag im Rahmen der Montagsakademie © Montagsakademie/ Thomas Neumeister

Geoline Eisenwurzen

Geoline nennt sich ein Programm des Naturparks Steirische Eisenwurzen. Die geologischen Spuren der Region lassen sich über geführte Touren entlang des GeoPfads zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf einer Raftingtour entdecken. Der Weg vermittelt auf 32 Stationen einen Eindruck von der Vielfalt der geologischen Vorgänge, die zur Bildung der Gesteine und zur heutigen Landschaft geführt haben und zeigt Naturdenkmäler der Region. Im GeoZentrum, einem geologischen Museum im Gemeindeamt von Gams, zeigt eine Ausstellung 250 Millionen Jahre regionale geologische Geschichte. Im National-park Pavillon Gstatterboden befindet sich eine geologische Dauerausstellung. In der Geowerkstatt kann man unter Anleitung Fossilien sammeln und unter dem Mikroskop beobachten. Die Funde werden geschnitten, geschliffen und poliert und damit zu Andenken, die man mitnehmen kann. Die Wasserlochklamm Palfau, das Wasserleitungsmuseum Wildalpen und der Wasserspielpark für Kinder in St. Gallen runden das Erlebnisangebot ab. Beworben wird Geoline über Informationsmaterialien und eine Homepage. Im Rahmen der ORF-Reihe „Universum“ wurde eine Dokumentation zum geologischen Erbe der steirischen Eisenwurzen ausgestrahlt.

Im Geopark arbeiten WissenschafterInnen des Naturhistorischen Museums und der russischen Akademie der Wissenschaften. Dies garantiert einerseits eine Qualitätskontrolle am aktuellen Stand der Wissenschaft und hilft der Wissenschaft in der Popularisierung ihres Forschungsgebiets. Informationen: http://www.geoline.at

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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TechnoPol Niederösterreich

Technopole sind technologisch-ökonomische Zentren, die gezielt rund um anerkannte Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen aufgebaut werden. An den drei Standorten in Niederösterreich wird das lokale wissenschaftliche und betriebliche Know How in gemeinsamen Projekten gebündelt.

In Krems liegt die Schwerpunkt-setzung im Bereich der Biomedizin und Dienstleistungen für den Gesund-heitssektor. In Tulln wird sowohl im Bereich der Umwelt- und Agar-biotechnologie intensiv zur Ent-wicklung biotechnischer Verfahren im Pflanzen-, Tier- und Umweltbereich gearbeitet und geforscht. Im Zentrum steht das Interuniversitäre Department für Agarbiotechnologie (IFA Tulln). Die erforderliche Fachausbildung bietet die Fachhochschule Wiener Neustadt in ihrem Studiengang „Biotechnische Verfahren“ in Tulln. Für Betriebsansiedlungen stellt der Techno-Park Tulln aufgeschlossene Flächen zur Verfügung. Seit 2005 stehen auch Büro- und Laborflächen für Ansiedlungen, Spin-offs und Start-up Unternehmen zur Verfügung. In Wiener Neustadt hat sich schon über das letzte Jahrzehnt ein sehr bedeutender Technologiestandort entwickelt. Die unterschiedlichen Ausrichtungen der Forschungseinrichtungen, in deren Mittelpunkt Produktionsverfahren wie auch innovative Produkte stehen, wurden unter dem Begriff „Moderne industrielle Technologien“ zusammengefasst. Im Mittelpunkt stehen die Bereiche Mikrosystemtechnik, Oberflächentechnologie und Medizinische Systemtechnik. Der Großteil der Forschungen findet „unter einem Dach“, im Technologie- und Forschungszentrum (TFZ) statt. Informationen: http://www.ecoplus.at/ecoplus/d/ECO_R10.htm Siehe zu Kooperationsprojekten mit tertiären Bildungseinrichtungen auch das Projekt „Erlebte Zeitgeschichte im Land der tausend Hügeln“ im Kapitel „Schwerpunkte politischer Bildung (ab S. 130).

Abbildung 47: Labor im Technopol Krems © ecoplus/ Haiden-Baumann

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Handbuch Lernende Regionen Kooperative Projekte

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Bibliotheken, Kultureinrichtungen, Museen

Kooperation mit Bibliotheken Bibliotheken gehören zu den zentralen Lernorten der Literatur- und Kulturversorgung. Sie sind flächendeckend vorhanden, in fast jeder Gemeinde gibt es eine Bibliothek. Dabei haben sie in den vergangenen Jahren einen umfassenden Wandlungsprozess unternommen und verstehen sich heute als Zentren der Information und Bildung mit einer bedeutenden sozial-integrativen Funktion.

Dabei verbinden sie die Funktionen als Kulturorte, Bildungsorte, Informationsorte und Sozial-integrative Zentren. Sie bieten den BürgerInnen freien Zugang zu kulturellem Wissen und Aktivitäten. Ihr Angebot umfasst Literatur, Zeitschriften, audiovisuelle Medien und Spiele. Gerade im Bereich neuer Medien kommt ihnen eine wichtige Rolle in der Vermittlung und dem Umgang mit neuen Medien zu. Sie arbeiten bei der Förderung der Kulturtechnik Lesen mit Kindergärten und Schulen zusammen, kooperieren mit Organisationen, die persönliche oder berufliche Aus- und Weiterbildung betreiben und erschließen Zugänge zum vielfältigen Angebot der modernen Informationstechnologien. Schließlich sollen sie als sozial-integrative Orte die Menschen ihres Einflussbereichs zusammenbringen. Großprojekte wie die neue Wiener Stadtbibliothek oder der Linzer Wissensturm sind beispielgebend auch für wesentlich schmäler dimensionierte Vorhaben, wie sie in ländlichen Regionen vorstellbar sind. Bibliotheken sind für LERNENDE REGIONEN in mehrerlei Hinsicht interessant:

- als Bildungseinrichtungen und NetzwerkpartnerInnen. - Als Orte, die den sozialen Austausch und die Gemeinschaft pflegen und daher ideal sind, um

Bildungsinteressierte auf LERNENDE REGIONEN aufmerksam zu machen. - als Veranstaltungsorte für Projekte der LERNENDEN REGION.

Regionale Kultureinrichtungen und Initiativen Über das ganze Land verstreut findet sich eine breite Palette an interessanten Kulturinitiativen, die sich als KooperationspartnerInnen für LERNENDE REGION ideal eignen. Die meisten sind in der Region bekannt. Ein zusätzlicher Überblick lässt sich über das Mitgliederverzeichnis der IG Kultur gewinnen (siehe http://igkultur.at/igkultur/mitglieder ). Siehe dazu auch den Artikel zu Umsetzungsmöglichkeiten von Lernzentren im regionalen Raum ab S. 82.

Museen Der immer wieder überraschende kulturelle Reichtum lässt sich bei den regionalen Museen zeigen. Diese ermöglichen gewinnbringende Einblicke in die Geschichte und Kultur einer Region.

Museen sind öffentlich zugängliche Institutionen, die – abhängig von der Größe – die Aufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln erfüllen. Dabei lassen sich verschiedene Typen von Museen unterscheiden, unter anderem:

- Kunstmuseen, Galerien - Naturkundliche und technische Museen - Vor- und frühgeschichtliche, archäologische und historische Museen - Kunsthistorische Museen - Regional- und Heimatmuseen, Volkskundemuseen - Freilichtmuseen - Kindermuseen

Sie können als Landes- oder kommunale Museen von der öffentlichen Hand getragen werden oder sich in privater Trägerschaft befinden.

Als Wissensspeicher und Vermittler sind Museen auch potentielle Partner von LERNENDEN

REGIONEN. Dabei bieten sich zahlreiche Anknüpfungspunkte an: - Wanderausstellungen, Vermittlung von Museen bei öffentlichen Events, - als Veranstaltungsorte, - als Multiplikatoren der Inhalte der LERNENDEN REGION, - als Informations- und ExpertInnenpools,

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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- als Teil einer umfassenderen Bildungskampagne (über gemeinsame Veranstaltungen, Eintrittskarten-Verbünde,…).

Abbildung 48 Freilichtmuseum in Gerersdorf, Burgenland © European Communities, 1995-2008

Museen sind zwangsläufig Bildungseinrichtungen. Dabei bilden sie nicht vorrangig, sondern er-möglichen Bildung. Der Besucher kann selbst entscheiden, wann er kommt und geht und die Aus-stellung in seinem eigenen Tempo erkunden. Daher steht von Seiten des Museum stets der unter-haltende Aspekt im Vordergrund. Dabei lässt sich jedoch oftmals nicht unmittelbar auf die Bedürfnisse des/der jeweiligen Besuchers/Besucherin eingehen. Differenzierte Angebote nach Besuchsgruppen werden zwar in manchen Museen erarbeitet, finden jedoch oftmals nur in eigenen Kinderprogrammen ihren Niederschlag. Dabei kann es sich um Ferienangebote, spezielle Veranstaltungen und Kataloge oder überhaupt eigene Kindermuseen handeln.

Regionale Museumskooperation

Austausch von Ideen, Problemen, Kenntnissen und Programmen, aber auch Information über die tägliche Arbeit können bei Treffen von Arbeitsgruppen erfolgen. Es sollte in jedem Fall die Mehrzahl der regionalen Museen im Netzwerk sein und auch tatsächlich an den Veranstaltungen teilnehmen. Möglichkeiten einer solchen Zusammenarbeit können sein:

- Restaurationshilfen: Hier können große Museen kleineren Hilfestellungen geben - Leihgaben - Wanderausstellungen und Veranstaltungen

Museen gewinnen in erster Linie durch ein wechselndes Angebot in Verbindung mit einer Dauerausstellung an Attraktivität. Dies kann durch Sonderaustellungen, Vorträge, Führungen und vielfältigen andere Aktivitäten erfolgen.

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Handbuch Lernende Regionen Kooperative Projekte

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Regional- und Gemeindeentwicklung

Regionalentwicklung Regionalentwicklung setzt sich zum Ziel, langfristig und nachhaltig die Lebensqualität in der Region zu erhalten bzw. zu erhöhen. Dazu bedarf es des Einbezugs aller bedeutenden regionalen AkteurInnen. LERNENDE REGIONEN profitieren demnach vom großen Know How der RegionalentwicklerInnen im Projektmanagement sowie von der bereits bestehenden Vernetzung mit regionalen AkteurInnen.

RegionalentwicklerInnen zeichnen sich, nach einer Beschreibung des Regionalmanagements von Adi Kastner und Reinhard M. Weitzer auf www.rm-austria.at, durch vier wesentliche Kernkompetenzfelder aus.

- Regionskompetenz: Dazu gehören Kenntnis der Region, Wissen über AkteurInnen und deren Zusammenhänge, regionale Stärken/Schwächen/Chancen/Bedrohungen.

- Sozialkompetenz: RegionalmanagerInnen schaffen arbeitsfähige Netzwerke, müssen daher als Integrationsfiguren innerhalb des Netzwerks sowie nach außen wirken.

- Projektkompetenz: Im Regionalmanagement Tätige haben Erfahrung in der konkreten Projektdurchführung, vor allem hinsichtlich Kooperationen, Förderakquisition und Projektentwicklung.

- Prozesskompetenz hinsichtlich regionalen Wissensmanagements. (siehe detailliert unter http://www.rm-austria.at/berufsbild.asp?style=text ). Regionalentwicklung finden wir in Österreich als Regionalmanagements, LEADER+ Aktionsgruppen, Kleinregionen, thematische Regionsnetzwerke (Tourismusregionen, Gesundheitsregionen, Genussregionen),…

Impuls-, Gründer-, Innovations- und Technologiezentren Ein Impulszentrum bezeichnet eine unternehmerische Standortgemeinschaft mit gemeinsamer Infrastruktur und Zentrumsmanagement. Impulszentren umfassen Gründer- und Technologiezentren, Technologietransferzentren, Innovationszentren sowie im weiteren Sinn auch „virtuelle Impulszentren“.

Gründerzentren helfen vor allem in der Startphase von Unternehmen durch Bereitstellung von Infrastruktur und Dienstleistungen. Innovationszentren konzentrieren sich vor allem auf Betriebe, die neue Produkte und Verfahren entwickeln und auf technologisch hohem Niveau produzieren. Technologiezentren fördern Kommunikation und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Dorf- und Stadterneuerung, LA 21 Sowohl Dorferneuerung als auch Lokale Agenda 21 stellen aufgrund ihrer Erfahrungen mit den Strukturen vor Ort wichtige PartnerInnen im Netzwerk dar.

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Kooperative Projekte Handbuch Lernende Regionen

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Beschäftigungspolitische Einrichtungen, Interessensvertretungen, Wirtschaft

AMS-Bezirksstellen, Kammern Arbeitsmarktservice und Kammern können dem Netzwerk Know How bei verschiedensten Themen bieten und eignen sich gleichzeitig auch als potentielle Förderer. Siehe auch das Thema „Berufsorientierungs- und Aktivierungsmaßnahmen“ ab S. 147.

Cluster Als Cluster werden in der Ökonomie Netzwerke von ProduzentInnen, Zulieferern/ Zulieferinnen, DienstleisterInnen und Forschungseinrichtungen bezeichnet, die in einer Region zu thematisch ähnlichen Bereichen arbeiten. Bekannte bestehende Cluster finden sich im steirischen Automobilcluster, im oberösterreichischen Lebensmittel bzw. Ökoenergiecluster oder in den niederösterreichischen Technopolen Wiener Neustadt, Tulln und Krems. Die Mitglieder des Clusters stehen dabei über gemeinsame Interessen in Beziehung.

Voraussetzung für die Etablierung ist eine kritische Masse an Firmen und Organisationen in der Region, deren Aktivitäten sich miteinander ergänzen oder ähneln. Durch eine vernetzte Zusammen-arbeit kann ein Wachstumsimpuls entstehen, der Wettbewerbsvorteile für die beteiligten Firmen schafft und dadurch auch neue Unternehmen anzieht. Durch die gemeinsamen Interessen der beteiligten AkteurInnen an lokal verfügbarem qualifiziertem Personal entwickeln sich durch einen Cluster auch Impulse im Bildungsbereich.

Beispiele finden sich im „Cluster Initiative Greenbook“: http://www.ivorytower.se/eng/projgrnbk.htm

Betriebe Betriebe sind nicht nur Adressaten von Bildung, sondern auch wichtige Netzwerkpartner, beispielsweise bei der Vermittlung von Praktikaplätzen für SchülerInnen oder als Unterstützer in der Bewerberbung und Durchführung von Maßnahmen (u.a. Bildungsberatung). Siehe zum Thema auch die Themen ab den Seiten 112, 123, 150, 159 und 160.

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement Handbuch Lernende Regionen

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement

Die Hervorbringung und Aneignung von Wissen über die Region nach dem Motto „Wenn die Region wüsste, was sie weiß…“ aber auch „Wenn die Region wüsste, was sie (nicht) weiß…“ stellt einen Lernprozess im Sinne eines Informationsgewinns über die Region dar. Es geht um die großen Fragen: Wer, was ist die Region? Wo steht sie, wo soll sie hin, wie kommt sie dorthin? Aber auch um kleinere Aktivitäten zur Festigung der regionalen Identität.

Im Gegensatz zu den oben genannten Instrumenten des formellen Lernens bzw. der entsprechenden Begleitmaßnahmen eröffnen sich im regionalen Zusammenhang vielfältige Möglichkeiten des informellen Lernens und des Erwerbs von Schlüsselqualifikationen im Rahmen von Projektaktivitäten.

Untersuchungen zeigen, dass Projekte zur Generierung und Dokumentation regionalen Wissens, und damit zur regionalen Identität, die Identifikation der BewohnerInnen mit ihrer Region stärken und einen Beitrag zu einem positiven Selbstbild darstellen67. Dazu eignen sich (Klein-)Projekte zu Geschichte und Kultur der Region, im Sinne der Hervorbringung und Vertiefung von Wissen über die Region und aus der Region (z.B. im Bereich der Landwirtschaft, der Gastronomie, des Hand-werkes). Die Bevölkerung ist bei der Ideenfindung anzuregen und in der Entwicklung und Durch-führung zu unterstützen.

Positiver Nebeneffekt gemeinsamer, partizipativer Projekte ist die Generierung von Sozialkapital. Ein hohes regionales Sozialkapital wirkt sich positiv auf das Zusammenleben und die zukünftige Entwicklung in der Region aus.

Verfahren zur Steuerung und Bewertung des regionalen Entwicklungsprozesses, beispielsweise Leitbildgestaltung, Monitoring, Evaluierung, Benchmarking, regionale Selbstreflexionsprozesse etc. stellen Formen des Lernens über die Entwicklung der Region dar und tragen zur Kohärenz des Gesamtprozesses bei.

Die Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungen über regionale Agenda (Beteiligungs-verfahren68) stellt ein Lernen im Sinne der Bürgerschaftlichkeit und der Identifikation mit der Region dar. Der Grad der Beteiligung steigert sich dabei im Spektrum von „Information erwerben Mitwirken Mitentscheiden Selbstverwalten). Spezielle Methoden wie Zukunftswerkstätten, Open Space, Feste u. a. eignen sich zur Erarbeitung von Zukunftsthemen und -projekten mit der Bevölkerung. Neben der Generierung von Informationen über die Region (etwa über Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken der Region) stehen die Aneignung dieses Wissens durch die Beteiligten (also eine Form des Lernens) sowie die Aktivierung der Bevölkerung im Vordergrund.69

Abbildung 49 Treffen zur Zukunft der Jugendarbeit in der Region Auland-

Carnuntum © Umweltbildungszentrum Licherode

67 Vgl. http://www.oieb.at/themen/marken.htm 68 Eine Übersicht siehe z.B. unter http://www.partizipation.at/ 69 Eine anschauliche Darstellung diesbezüglicher Instrumente findet sich bei Baumfeld, Leo, Intelligente Instrumente für Lernende Regionen. in: LEADER Magazin Österreich 1/05.

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Handbuch Lernende Regionen Instrumente zu regionalem Wissensmanagement

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Generierung und Dokumentation regionsbezogenen Wissens

Projekte zur Generierung von regionsbezogenen Wissen laden die BewohnerInnen der LERNENDEN REGION ein, ihr spezifisches Wissen zur Region zu einem gemeinsamen Wissen zu bündeln. Thematisch kann dies vielerlei bedeuten und findet sich zum Teil bereits im Handbuch. Einige Beispiele dazu wären:

- gemeinsame Erstellung einer Orts- oder Regionschronik bzw. Datenbank historischer Fotografien (beispielsweise über das Wiki-Prinzip, siehe S. 71, sowie unten).

- Dokumentation regionaler Kultur und Geschichte (ZB Zusammenstellung eines Kochbuchs mit regionalen Kochrezepten, Bestandsaufnahme von (Flur-)Denkmälern, Sehenswürdigkeiten, Lebenserinnerungen)

- Oral History-Projekte, historische Gegenstände (Archivierung von biographischen Erzählungen, siehe beispielsweise das Projekt „Erlebte Zeitgeschichte“ auf S.131).

- Ausstellungen / Publikationen: z.B. Sammlung historischer Alltagsgegenstände und Werkzeuge für ein Regionalmuseum.

- Verbindung der gemeinsamen Teilnahme an überregionalen Wettbewerben mit Bildungs-angeboten (z.B. Blumenschmuckwettbewerb und Kurse in Garten-/Blumengestaltung).

- Wissenslandkarte/ Wissensportal/ Regionales Wikipedia (siehe unten) Ziel dieser Projekte ist einerseits das Lernen der einzelnen Beteiligten, als auch der Region als Ganzer. Durch die partizipative Gestaltung können die BewohnerInnen als ExpertInnen ihr Wissen einbringen, dieses wird gesammelt und steht damit der Region als Ganzer zur Verfügung. Bedeutender Nebenaspekt ist die Generierung von Sozialkapital, also sozialer Vernetzung und Gemeinschaft. Solche sozialen Beziehungen stellen eine bedeutende Ressource für die Gesellschaft dar. Sie wirken nicht nur als hilfreiche soziale Netze für Information oder Nachbarschaftshilfe, sondern führen im sozialen Zusammenhang zu einem Wohlbefinden, das beispielsweise Auswirkungen auf die Gesundheit der BewohnerInnen hat (siehe S. 172).

Wissenslandkarte/ Wissensportal/ Regionales Wikipedia Eine Region in unserem Kontext besteht aus einer Vielzahl an Personen, Unternehmen, Behörden, Bildungseinrichtungen, Vereinen und dergleichen, die alle in verschiedenster Weise ihre Tätigkeiten verrichten und – damit verbunden – spezielles Wissen darstellen.

Die Wissenslandkarte bietet eine Möglichkeit zur Systematisierung und Darstellung dieses Wissens in der Region. Ähnlich wie eine herkömmliche Landkarte eine Übersicht über die Welt darstellt, wird erst durch eine Wissenslandkarte die Vielfalt der Region und ihrer Themenstruktur sichtbar.

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

- Wenn regionales Wissen zu einem Thema bereits erhoben wurde und eine Darstellungs-möglichkeit für die Bevölkerung und auch für Personen außerhalb der Region gesucht wird.

- Wenn sich Verbünde regionaler AkteurInnen entschließen, sich und ihr Angebot gemeinsam nach außen zu transportieren oder innerhalb der Region zu präsentieren (z.B. Kooperationen von BildungsanbieterInnen).

Wie kann ich dieses Instrument einsetzen?

Zuerst heißt es, festzulegen welches Wissen der Region dargestellt werden soll. Soll die regionale Bildung für die BildungsnutzerInnen transparenter gemacht werden, ist das Ziel die Kooperation ansässiger Unternehmen durch Präsentation ihrer Schwerpunkte, Produkte oder Technologien zu verstärken, oder soll ein ganz und gar breites System geschaffen werden, wo jedeR UserIn sich thematisch zuordnen und Information und Wissen darstellen kann?

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement Handbuch Lernende Regionen

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Im Wesentlichen handelt es sich bei den Wissenslandkarten und Wissensportalen meist um internetgestützte Datenbanken70, die auf unterschiedlichste Weise das Einspeisen und Auslesen von Informationen ermöglichen. Diese Datenbanken sollten folgende Eigenschaften haben:

- Editierbarkeit von Außen: jedes Unternehmen, jeder Verein, etc. soll möglichst unkompliziert seine entsprechenden Daten selbst eingeben können.

- Aktualität und Wartung: Eine solche Art der Datenbank lebt von der Aktualität des Inhalts. Veranstaltungen, neue Entwicklungen und Trends, neue Produkte usw. sollten rasch in die Datenbank eingepflegt, jedoch nach Ablauf der Gültigkeit auch wieder entfernt werden.

- Nachvollziehbare Gliederung: Speziell Regionen mit einer sehr verzweigten und heterogenen Themenstruktur (z.B. viele verschiedene Unternehmen, unterschiedlichste Kulturträger) stellen rasch ein Problem für den/ die BenutzerIn der Landkarte dar, wenn diese nicht übersichtlich aufbereitet ist. Deshalb ist es wichtig, sich über Struktur und Navigation des Portals gleich zu Beginn klar zu sein – nachträgliche Umstellungen der Struktur sind meist mit viel Aufwand verbunden.

- Bewerbung: Die besten Datenbanken nützen nichts, wenn keiner davon weiß. Akzeptanz im Sinne von Interesse und Benutzung des Systems kann geschaffen werden, wenn der Nutzen klar ist und die Handhabung einfach gestaltet ist.

Um all diese Rahmenbedingungen zu realisieren macht es Sinn, professionelle Beratung eines EDV-Dienstleisters in Anspruch zu nehmen.

Auch wenn das Portal von den verschiedenen Gruppen selbst aktualisiert werden kann ist es dennoch anzuraten, eine zentrale Verwaltung des Systems (BenutzerInnenverwaltung, Überprüfung bedenklicher Inhalte) vorzunehmen.

Wer sollte BetreiberIn einer solchen Datenbank sein?

Dies hängt von den Themen ab, für die die Wissenslandkarte erstellt wurde. Handelt es sich um die Präsentation von Unternehmen und ihren Leistungen, so könnte die Datenbank bei der Wirtschafts-kammer oder bei einem der Unternehmen angesiedelt sein.

Sind es aber breite regionale Themen über viele Sektoren hinweg, so könnte die Datenbank vom zuständigen Regionalmanagement oder der regionalen Entwicklungsagentur betrieben werden. Bei einer ausreichend großen Anzahl von Zugriffen auf das Portal wird dieses natürlich auch für Werbe-partner interessant.

Gibt es hierfür bereits Beispiele?

Für die „Metropolregion Nürnberg“ wurden auf www.regiolog.com die wesentlichen Kernbereich der ansässigen Wirtschaft aufgearbeitet und in Form einer „Mindmap“, also einer Art baumförmigen Gliederung dargestellt. Jeder Schwerpunkt (z.B. Verkehr und Logistik) zerfällt dann wieder in Unter-bereiche, bis man schließlich jene speziellste Themenebene erreicht, auf der dann zu diesem Unter-thema mittels Blogs (siehe S. 69) verschiedenste Presseinfos, neue Erkenntnisse, Fortbildungen etc. abrufbar sind. Das Bundesinstitut für Berufsbildung in Deutschland präsentiert auf www.kibb.de (Kommunikations- und Informationssystem Berufliche Bildung) eine Wissenslandkarte, die ein Zurechtfinden im der verzweigten Bildungslandschaft ermöglicht.

Spezielle mögliche Ausgestaltung des Portals: Regionales Wikipedia

Ähnlich dem bekannten Onlinelexikon Wikipedia (www.wikipedia.de) können auch die regionsspezifi-schen Themen und Informationen in dieser Form präsentiert werden. Der spezielle Reiz von Wikipedia besteht darin, dass konkret nach Begriffen gesucht werden kann und man innerhalb der Artikel durch Verweise schnell auf die Erklärung anderer Begriffe gelangt, die im ursprünglichen Artikel verwendet wurden. Bei Wikipedia ist es für jedeN BenutzerIn möglich, die vorhandenen Artikel zu bearbeiten und zu ändern. So entsteht und wächst mit der Zeit ein regionales „Gedächtnis“ zu verschiedensten Themen.

Um möglichem Missbrauch vorzubeugen, sollten die Einträge regelmäßig von ModeratorInnen nachgelesen werden71.

70 Es ist auch möglich, einen gedruckten Firmenatlas zu produzieren. Nachteil: er ist statisch und muss mit großem (finanziellen) Aufwand aktuell gehalten werden.

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Projekte zur Generierung von Sozialkapital

Sozialkapital bezeichnet eine bestimmte Qualität von Beziehungen zwischen Personen bzw. Gemein-schaften (Gruppen). Es handelt sich dabei um diejenigen Beziehungen, die für die Beteiligten von Bedeutung sind und abrufbare Ressourcen beinhalten.

Dies lässt sich am besten über die Mitgliedschaft in Vereinen oder Unternehmen darstellen, in denen die Mitglieder Zugang zu bestimmten Leistungen (beispielsweise Information, Arbeit, etc.) haben, von denen Nichtmitglieder ausgeschlossen sind. Im Zusammenhang mit ländlicher Entwicklung werden darunter oftmals die nicht-ökonomischen Aspekte einer Gesellschaft verstanden, die wirtschaftliches Wachstum und andere positive Effekte fördern72

Sozialkapital hat damit eine produktive Funktion. Durch das Vorhandensein von Sozialkapital lassen sich Ziele realisieren, die ansonsten nicht erreichbar wären. Dazu muss das Sozialkapital jedoch bewusst und aktiv gebildet und eingesetzt werden. Dazu bedarf es zumindest dreier Bestandteile, die sich gegenseitig verstärken:

- Vertrauen - (persönliche/emotionale) Netzwerke - Gemeinsame Normen

Vertrauen

Vertrauen bezeichnet eine Erwartung in das kooperative Handeln eines anderen. Diese „Berechen-barkeit“ des Anderen resultiert aus persönlichem Wissen, Erfahrungen aber auch aus Emotionen. „Vertrauen gibt den Bindungen erst Wärme, den Normen erst Kraft. Weder Kontrolle und Zwang noch Liebe und Lohn können Vertrauen vollwertig ersetzen. Vertrauen ist das Öl der Kooperation“ (Gehmacher 2004: 8). Es ist eine notwendige Voraussetzung für Netzwerke und beruht auf Lern-prozessen, die aus dem Miteinander gemacht werden. Vertrauen aufzubauen ist daher ein aufwendiger, zeitintensiver und niemals abgeschlossener Prozess.

Normen und Regeln

Über gemeinsame Regeln wird definiert, was voneinander zu erwarten ist. In der Kooperation geht es vor allem um Normen der Gegenseitigkeit, d.h. die Leistung eines Kooperationspartners soll durch die Leistung eines anderen Kooperationspartners erwidert werden. Normen definieren auch, wie der jeweilige Kooperationspartner zu seinen Leistungen gelangt.

Normen in einem Netzwerk können also als Verhaltensvereinbarungen gesehen werden. Vertrauen bedeutet dann die Erwartung, dass die Regeln tatsächlich eingehalten werden. Auf das Nicht-Einhalten von Normen und Regeln muss ebenfalls reagiert werden. So können die Mitglieder des Netzwerks einem Regelverstoß beispielsweise mit dem Ausschluss aus dem Netzwerk begegnen.

Netzwerke

Netzwerke gibt es in den verschiedensten (Lebens-)Bereichen - seien es Familiennetzwerke, Freund-schafts- oder auch Politiknetzwerke. Generell kann man sagen, dass das Sozialkapital in den Netz-werken generiert, gepflegt und genutzt wird. Ein Netzwerk ist dadurch gekennzeichnet, dass die beteiligten Partner ihre eigenen Ziele zu einem bestimmten Grad den Zielen des Netzwerks unter-ordnen (vgl. Aderhold 2004). Dieser Verzicht auf eine gewisse Eigenständigkeit soll durch Wett-bewerbsvorteile am Markt ausgeglichen werden, d.h. die Teilnehmenden am Netzwerk sollen besser gestellt sein als diejenigen, die nicht Teil des Netzwerks sind.

Die Kommunikation im Netzwerk muss so transparent und einfach wie möglich sein. Dazu gehören möglichst geringe Distanzen zwischen den Netzwerkpartnern als auch eine offene, transparente Kommunikation.

Sozialkapital hat Einfluss auf die Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit einer Region und den sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft. Diese soll jedoch nach außen immer offen bleiben um nicht sozial ausgrenzend oder verschlossen gegenüber Innovation zu werden.

71 Siehe dazu auch das Kapitel zu Web 2.0 ab S. 70. 72 Vgl. Árnason, Arnar; Lee, Joe; Shucksmith, Mark (2004): Understanding networks and social capital. In: European rural development. Westport.

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Projekte zur Gewinnung von Sozialkapital

Beginnend mit der Netzwerkbildung bis hin zur Vernetzung der TeilnehmerInnen tragen alle Projekte der LERNENDEN REGION grundsätzlich zur Bildung von Sozialkapital in der Region bei. Möglich ist jedoch, auch darüber hinaus Projekte und Maßnahmen zur gemeinschaftlichen Bearbeitung eines Themas mit dem Ziel der Vertrauensbildung unter den TeilnehmerInnen durchzuführen. Dazu können beispielsweise Kultur-Stammtische, die Unterstützung bestehender Netzwerke aus dem Bildungs-bereich oder Ähnliches zählen. Dabei gilt der Grundsatz von Henry Ford (1863-1947: „Zusammen-kommen ist der Anfang. Zusammenarbeiten ist der Erfolg.“ Literatur Gehmacher, Ernst (2004): Sozialkapital. Basisinformationen

Gehmacher, Ernst/ Kroismayr, Sigrid/ Neumüller, Josef/ Schuster, Martina (Hrsg) (2007): Sozial-kapital. Neue Zugänge zu gesellschaftlichen Kräften. Wien: Mandelbaum Verlag.

Segert, Astrid/ Zierke, Irene (2004): Ländliche Netzwerke. Institutionalisierungsprozesse und Milieu-formationen. Wiesbaden: VS Verlag.

Wiesinger Georg (2007): Sozialkapital und ländliche Entwicklung. In: Oedl-Wieser, Theresia (Red.): Zeitreisen(de) im ländlichen Raum. Diskurse – Re.Visionen. Forschungsbericht Nr. 57 der Bundesanstalt für Bergbauernfragen. 97-112. Unter www.berggebiete.at

Abbildung 50 Treffen derKulturinitiative in der Region

Auland-Carnuntum© Umweltbildungszentrum Licherode

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Reflexion zur Weiterentwicklung der Region

Regional Foresight – die regionale Vorausschau Die folgende Beschreibung orientiert sich am Ratgeber der Europäischen Union (2002): „Praktischer Leitfaden für die regionale Vorausschau in Österreich“73.

Regionale Zielfindungsprozesse sind meist der erste Schritt einer gemeinsamen regionalen Ent-wicklung. Doch oftmals genügt es nicht, regionale AkteurInnen zusammenzuholen und gemeinsam eine Vision für die Region aus der Innensicht heraus zu entwickeln. Die komplexen Zusammenhänge von Wirtschaft, Ökologie, Sozialem, Kultur u. v. m. und ihre zukünftige Veränderung verlangen eine intensive Berücksichtigung im Planungsprozess.

Mit Hilfe der regionalen Vorausschau ist es möglich, mittel- bis langfristige Visionen und Strategien für Regionen zu entwickeln, die sich auf Szenarien möglicher Entwicklungen in unterschiedlichsten Bereichen stützen. Ein Vorteil zu anderen partizipativen Zielfindungsverfahren ist die breite Ein-bindung von Themenwissen.

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

- Wenn eine Region bereit ist, langfristig zu planen und es nicht darum geht, kurzfristig akute Problemlösungen zu finden.

- Wenn ein partizipativer Ansatz gewünscht ist. - Wenn nicht nur Prognosen der regionalen Zukunft erstellt, sondern zusätzlich partizipativ an

Maßnahmen für eine gewünschte Zukunft der Region gearbeitet werden sollen. Dauer: Der Leitfaden der Europäischen Union geht von 6 Monaten bis zu 3 Jahren aus. Dabei kann eine Vorausschau auch als kontinuierlicher begleitender Prozess ausgelegt werden, der dann beliebig lange durchgeführt werden kann. Kosten: Diese richten sich nach der Anzahl der einbezogenen Sektoren und den vorgenommenen Analysen

Vorgehensweise:

1. Vorbereitung und Themenfindung Da Vorausschauen auf vielerlei thematische Schwerpunkte gerichtet sein können, besteht der erste Schritt darin, die Hauptaugenmerke der Region zu bestimmen. Diese orientieren sich primär an der Frage „Welchen Herausforderungen muss sich die Region stellen?“ Sind die Schwerpunktthemen definiert, wird die passende Methode gewählt (qualitativ/quantitativ, normativ/explorativ…). Explorative Methoden haben den Blick beispielsweise auf die Gegenwart gerichtet und untersuchen, wohin die Trends in Zukunft führen. Normative fragen hingegen danach, welche Trends erforderlich wären, um zu einer speziellen Zukunft zu gelangen.

2. Interessensgruppen und Wissensquellen Vorausschauen sind, wie schon erwähnt, partizipative, also auf Beteiligung ausgerichtete Verfahren. Daher besteht der nächste Schritt darin, AkteurInnen auszuwählen, die einen Beitrag zu den zuvor definierten Schwerpunkten liefern können (siehe EU-Leitfaden Kap. 4). AkteurInnen können aus allen regionalen aber auch überregionalen Bereichen kommen. In groß angelegten Projekten, wie LERNEN-DE REGIONEN, kann es hilfreich sein, die breite BürgerInnenschicht mit einzubeziehen.

Um einen gezielten und möglichst reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, muss parallel ein Projektmanagement aufgesetzt werden, das anhand definierter Ablaufpunkte Planung und Umsetzung begleitet (siehe EU-Leitfaden Kapitel 5 F 5.3).

Zentrales Thema der Vorausschau ist die Aufbereitung und Analyse von Wissen. Als Wissensquelle dienen zum einen passive Informationen (bereits aufbereitete Daten; wie z.B. wirtschaftliche Daten zur Region, soziale und demografische Trends etc.) und zum anderen vor allem aktive Informationsquellen (Fachwissen in Form von Einzelpersonen und Netzwerken).

73 Siehe http://archiv.bmbwk.gv.at/medienpool/8859/regional_foresight.pdf (offline)

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement Handbuch Lernende Regionen

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3. Szenarienentwicklung Die nächsten Schritte hängen weitestgehend von dem/der Moderator/in ab:74 In den ausgewählten Sektoren, die als maßgebend für die regionale Zukunft zu sehen sind, werden Fokusgruppen gegründet, die für ihren Bereich einen Überblick über Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken (SWOT-Analyse75) sowie soziale, technologische, wirtschaftliche, ökologische und polit-ische Fragen (STEEP-Analyse76) schaffen.

Die Gruppen sollten in einem nächsten Schritt diese Potenziale und Kernkompetenzen bewerten. Parallel dazu wurde erhoben, welche Kräfte für eine weitere Entwicklung in diesen Sektoren not-wendig wären. (z.B. Analysen, wie sich diese Sektoren in anderen Ländern entwickelten). Mit diesen Erkenntnissen und dem aufbereiteten Wissen entwickeln die Gruppen dann für den Zeitraum von 5-20 Jahren Szenarien, wie die Entwicklung der Sektoren verlaufen könnte.

4. Verwertung des neu gewonnenen Wissens Die Erkenntnisse aus diesen Szenarien müssen nun in Form eines Maßnahmenkatalogs für die verschiedenen Sektoren der Region aufbereitet werden. Es stellt sich also die Frage, was jeder Sektor konkret leisten muss, um angestrebte „positive“ Szenarien realisieren zu können. Dies passiert am besten in Seminaren und Workshops, in denen die Ergebnisse der Szenarien präsentiert und Maß-nahmen beschlossen werden. Diese Maßnahmen können von neuen Partnerschaften zwischen den KMUs bis hin zu kompletten Strategie- und Produktänderungen von Unternehmen führen.

5. Evaluierung Um auch einen Lernprozess für die regionale Vorausschau an sich zu gewährleisten, ist es erforder-lich, zu überprüfen, wie „gut“ die einzelnen Teile des Prozesses abgelaufen sind und wo es Anknüpf-ungspunkte zur Veränderung gibt. Beispielsweise erkennt man, dass neue AkteurInnen in die Fokus-gruppen geladen, oder dass die mediale Verbreitung der Ergebnisse gesteigert werden sollten.

Gibt es dafür bereits Beispiele?

In Österreich wurde ein Vorausschauprojekt nach der „Delphi“ Methode durchgeführt: Link zum Leitfaden der EU: forera.jrc.ec.europa.eu/documents/eur20128en.pdf

74 Hier wird der Ablauf in den West Midlands (Großbritannien) beispielhaft dargestellt. 75 Siehe S. 38. 76 Siehe S. 44.

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Großgruppenverfahren: Zukunftswerkstatt Die Zukunftswerkstatt ist ein Beteiligungsverfahren, das versucht, konkrete Probleme, Befürchtungen oder Unzufriedenheiten unter Einbeziehung einer breiten Akteursebene zu bearbeiten und zu lösen.

Wie in den meisten Beteiligungsverfahren wird auch in diesem durch spezielle Methoden eine Dynamik unter den Teilnehmenden ausgelöst, die positiv für Veränderungen genutzt werden soll. Die Zukunftswerkstatt setzt durch ihr spezielles Design Kreativität unter den Beteiligten frei. Wichtigste Vorteile dieses Instruments sind, dass eine hierarchiefreie Mitsprache ermöglicht wird und Vertrauen in eine gemeinsam entwickelte Zukunft geschaffen werden soll. Die Beteiligten sollen Engagement und Problemlösungskompetenz aus dem Prozess für das alltägliche Leben mitnehmen. Nachteil des Verfahrens ist, dass nach dem Konsensprinzip, also mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner, gearbeitet wird.

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

- Wenn konkrete Probleme identifiziert werden können, die eine breite Masse von AkteurInnen betreffen.

- Wenn bereits bestehende Diskrepanzen zwischen den AkteurInnen schon länger andauern und eine konstruktive Arbeit an konkreten Problemen dadurch erschwert wird. (Anm: Grundsatz-probleme können hier nicht gelöst werden, durch deren Ausblendung kann jedoch trotzdem effizient an bestehenden akuten Problemen gearbeitet werden.)

- Wenn herkömmliche Verfahren zur Problemlösung immer wieder in denselben Sackgassen enden und schon festgefahren sind.

- Wenn bestimmte Personen oder Gruppen bei regionalen (Entscheidungs-)Prozessen nie Gehör finden.

Wie kann ich dieses Instrument einsetzen?

Eine Zukunftswerkstatt besteht aus drei Hauptphasen: - Kritikphase: Hier geht es darum, die wesentlichen Kritikpunkte/ Probleme/ Unzufriedenheiten

herauszuarbeiten und sie - ohne eine Bewertung vorzunehmen – zu sammeln. - Phantasiephase: Der zentrale Punkt der Zukunftswerkstatt, wo nun jedeR Beteiligte Träume,

Utopien, Hoffnungen zum zuvor dargestellten Thema ausleben darf. Die Kritik soll durch Kreativität und Phantasie überwunden werden

- Umsetzungs-/Verwirklichungsphase: Dieser Schritt dient der Konkretisierung des zuvor Er-träumten in Projekten. Diese Projekte sollten dann bereits mit ToDo Listen versehen werden.

Umrahmt werden diese Phasen von einer Vorbereitungs- und Nachbereitungsphase. Eine Externe Betreuung ist notwendig. Die Dauer beträgt zwischen ein und drei Tagen, wobei allerdings eine intensive Vorbereitungszeit einkalkuliert werden muss.

Gibt es hierfür bereits Beispiele?

Regionalcluster Hartberg: http://www.partizipation.at/196.html

Literatur

http://www.partizipation.at/zukunftswerkstatt.html

Baumfeld, Leo et al. (2005): Großgruppeninterventionen. Zu finden auf www.leader-austria.at

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement Handbuch Lernende Regionen

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Großgruppenverfahren: Zukunftskonferenz „Das ganze System in einen Raum bringen“ ist das Grundprinzip der Zukunftskonferenz. Die Stärke der Methode liegt in der Integration verschiedenster Menschen und der klaren Struktur. Der Ablauf der Zukunftskonferenz ist gleichzeitig eine Zeitreise von der Vergangenheit über die Gegenwart hin zur Erfindung einer gemeinsamen Zukunft. Zurück in der Gegenwart wird wieder ein konkreter Maß-nahmenplan erstellt. Bei allem gilt nach Marvin Weisbord, dem „Erfinder“ der Methode: „Befassen Sie sich mit einem gemeinsamen Ausgangspunkt und gewünschten Zukunftsperspektiven - nicht mit Problemen und Konflikten.“

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

- Wenn ein gemeinsames Ziel für verschiedene Gruppen mit verschiedenen Lösungsvorstel-lungen erarbeitet werden soll

- Wenn das Zukunftsbild wirklich offen ist und die Erarbeitung der Maßnahmen ganz den Teil-nehmerInnen überlassen wird und nicht inoffiziell schon von vornherein ein Ergebnis feststeht.

Dauer: Idealerweise in der „Vollversion“ 2,5 – 3 Tage. Hier ist wichtig, dass immer dieselben Personen an allen Tagen dabei sind und sich nicht teilweise vertreten lassen oder fehlen.

Wie kann ich dieses Instrument einsetzen?

Wichtig ist bei dieser Art der Großgruppenverfahren, dass bei der Auswahl der TeilnehmerInnen besonders sorgfältig vorgegangen wird. Im Gegensatz zu anderen Großgruppenverfahren (z.B. Open Space) sollen repräsentative AkteurInnen aus den verschiedenen Bereichen in den Prozess geholt werden. An der Zukunftskonferenz können bis zu 64 Personen (8 Themengruppen mit je 8 Personen) teilnehmen. Die 5 Phasen der Zukunftskonferenz:

1) Vergangenheit betrachten: Was war früher anders/ besser? Warum sind wir in der gegen-wärtigen Situation? Was hat das mit uns zu tun?

2) Gegenwart thematisieren: Außen: Was passiert bei den anderen (mit dem Themenfeld befassten Gruppen, aber

auch Abteilungen, KonkurrentInnen, KundInnen, …)? Welche Rahmenbedingungen haben sich verändert? Welche Entwicklungen kommen auf uns zu? Und wie?

Innen: Wo stehen wir jetzt? Was ist gut derzeit? Was bedauern wir? 3) Zukunft entwerfen: Was wollen wir erreichen? Wie soll es zukünftig sein? Wo wollen wir hin? 4) Konsens herstellen: Worin stimmen wir überein, worin nicht? Gemeinsame Mentalität her-

stellen (Wir ziehen alle an einem Strang), Identifikation, Corporate Identity (nach innen) her-stellen

5) Maßnahmen planen: Welche Schritte setzen wir zur Erreichung gemeinsamer Ziele? Zunächst arbeiten die Teilnehmenden in mehr oder weniger homogenen 6 bis 8-Personengruppen, um dann im Laufe der Konferenz in so genannten Max-Mix-Gruppen systematisch wechselnd mit Angehörigen anderer Gruppen zusammenzukommen. So werden im Verlauf der Konferenz Gruppen-grenzen aufgebrochen und Gemeinsamkeitsgefühle quer zu den bereits bestehenden Gruppen-loyalitäten aufgebaut. Zwischendurch gibt es immer wieder Plenumsphasen, in denen Ergebnisse zusammengetragen und ein Konsens zwischen den Gruppen angestrebt werden.

Literatur

Baumfeld, Leo et al. (2005): Großgruppeninterventionen. www.leader-austria.at

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Großgruppenverfahren: Open Space Der Unternehmensberater Harrison Owen erkannte Anfang der 80er Jahre, dass die damaligen Ver-fahren zur Moderation von Großgruppen wenig effektiv waren. Die interessantesten und wichtigsten Ideen wurden immer nur während der Pausengespräche zwischen den TeilnehmerInnen entwickelt. Dort setzte Owen schließlich an und konzipierte das Verfahren des „Open Space“.

Den Teilnehmenden wird lediglich ein Hauptthema (meist ein Problem) vorgegeben, zu dem sie dann selbständig und uneingeschränkt Ideen/Lösungen/Anmerkungen entwickeln sollen.

Open Space ist ein sehr freies und von den TeilnehmerInnen selbst gesteuertes Verfahren, Moder-atorInnen dienen nur dazu, die Rahmenbedingungen für das Funktionieren des Prozesses bereitzu-stellen. Ziel des Open Space ist es, durch die Kreativität, die durch diese Freiheit erzeugt wird, neues Wissen und daraus erweiterte Handlungsmöglichkeiten für die Region zu schaffen.

Wann ist dieses Instrument anzuwenden?

Wenn BürgerInnen angesprochen werden sollen, die bei formalisierten Verfahren nicht eingeladen wären bzw. dort selbst nicht teilnehmen würden.

Open Space ist durch die Offenheit und Freiheit eher dafür geeignet, das vorgegebene Hauptthema in die für die Teilnehmenden wichtigen Facetten darzustellen, da jede bewusste Zielführung den Prozess des Open Space stören würde. Zu empfehlen wäre also, Open Space für einen „Problem- oder Themenaufriss“ einzusetzen und dann für die konkrete Ausformulierung der Ziele und Maßnahmen eine Zukunftskonferenz oder Zukunftswerkstatt einzusetzen.

Wie kann ich dieses Instrument einsetzen?

Vorbereitung Nach der Fixierung des Hauptthemas werden alle betroffenen Personen zur Open Space Veran-staltung eingeladen. Wichtig ist, dass bei den Einladungen keinerlei Selektionen und Priorisierungen vorgenommen werden – es gilt das Motto: Diejenigen, die da sind, sind genau die richtigen.

Die Veranstaltung - Anmoderation: Eine Open Space Konferenz lebt von der Energie und Leidenschaft der Teil-

nehmerInnen und diese gilt es durch eine klare und inspirierende Anmoderation zu wecken. Die Teilnehmenden sitzen in einem großen Kreis mit Blick auf die Thementafel. In der Regel schreitet der/die ModeratorIn zu Beginn einmal langsam den Kreis ab, baut Neugierde und Spannung auf und erklärt dann, von der Mitte des Kreises aus, das Procedere, die wenigen einfachen Spielregeln.

- Der Marktplatz: Jene TeilnehmerInnen, die ein Thema vorbringen möchten, schreiben den Titel sowie den eigenen Namen auf ein dafür bereit liegendes Themenblatt. Danach gehen die EinberuferInnen in die Mitte des Kreises und stellen den anderen ihr Thema und ihren Namen vor. Die Themen werden auf einer Tafel gesammelt und der/die EinberuferIn weist sein/ihr Thema zu – der Marktplatz entsteht.

- Workshops: Ab dem Zeitpunkt, wo dann keine Themen mehr genannt werden, begeben sich die TeilnehmerInnen zu jenen Themen, die ihnen am ehesten entsprechen und arbeiten dort weiter. Es steht ihnen aber frei, jederzeit den Workshop und damit das Thema zu wechseln.

- Laufende Dokumentation: Die in den Workshops entstandenen Impulse müssen dauerhaft ge-sichert werden. Dies ist bei einer Vielzahl einzelner Orte nicht leicht zu handhaben und stellt eines der Probleme dieses Verfahrens dar.

Nachbereitung Die dokumentierten Workshopergebnisse sollten dann im Anschluss an die Veranstaltung überarbeitet und in ein Format gebracht werden, das dann der Öffentlichkeit wieder präsentiert werden kann und auch in (politische) Entscheidungsprozesse Eingang findet.

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Instrumente zu regionalem Wissensmanagement Handbuch Lernende Regionen

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Nachteile des Open Space

Da keine konkreten Personen zielgerichtet angesprochen werden, sondern die breite Bevölkerung eingeladen wird, hängt das Ergebnis von den Personen ab, die schlussendlich anwesend sind. Es kann also nicht unbedingt von einer repräsentativen Auswahl von RegionsbürgerInnen ausgegangen werden.

Die Gruppe entscheidet selbst über den Verlauf der Veranstaltung. So ist völlig offen, was dann schlussendlich Ergebnis des Prozesses ist. Es können konkrete Maßnahmen geplant werden oder aber auch nur Ideen als Fazit entstehen.

Wie schon erwähnt, ist die Dokumentation der Ergebnisse durch die vielen verschiedenen Orte und den offenen Prozess sehr schwierig und muss gut durchdacht sein, damit die Impulse nicht verloren gehen.

Anwendungsbeispiel:

Mitreden beim Verkehr der Zukunft, Vorarlberg: http://www.partizipation.at/188.html

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Programmverantwortliche der Länder Handbuch Lernende Regionen

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Maßnahmenverantwortliche der Länder

Für konkrete Förderfragen setzen Sie sich bitte mit dem jeweiligen Ansprechpartner auf Landesebene in Verbindung: (Stand Juni 1008)

Gebiets-körperschaft

Name Adresse Telefon/ E-Mail

Österreich DI Josef Resch Lebensministerium Abt. II/2

1010 Wien Stubenring 1

01-71100 / 6822 josef.resch@ lebensministerium.at

Burgenland DI Christian Wutschitz Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abt. 4a

7000 Eisenstadt Freiheitsplatz 1

02682 / 600-2423 christian.wutschitz@ bgld.gv.at

Salzburg Dr. Josef Guggenberger Amt der Salzburger Landesregierung, Abt. 4/23

5020 Salzburg Fanny-v.-Lehnert-Straße 1

0662 / 8042-2508 josef.guggenberger@ salzburg.gv.at

Nieder-österreich

DI Gottfried Angerler Amt der Niederösterr. Landesregierung, Abt. LF3

3109 St. Pölten Landhausplatz 1

02742/ 9005 12990 [email protected]

Kärnten Mag. Reinhard Schinner Amt der Kärntner Landesregierung, Abt. 20

9020 Klagenfurt Wulfengasse 15

050 / 536-32001 [email protected]

Ober-österreich

DI Robert Türkis Amt der Oberösterr. Landesregierung, Abt. LFW

4021 Linz Bahnhofplatz 1

0732 / 7720-12277 [email protected]

Vorarlberg Ing. Andrea Blum Ländliches Fortbildungsinstitut Vorarlberg

6900 Bregenz Montfortstraße. 9

05574 / 400-190 [email protected]

Steiermark Christian Gummerer Landentwicklung Steiermark

8010 Graz Hans-Sachs-Gasse 5/3

0676 / 866 43 751 christian.gummerer@ landentwicklung.com

Tirol DI Hans Czakert Amt der Tiroler Landes-regierung, Gruppe Agrar

6020 Innsbruck Heiliggeiststraße 7- 9

0512 / 508-3906 [email protected]

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Handbuch Lernende Regionen

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Danksagung

In die Erarbeitung dieses Handbuchs sind neben den Gastbeiträgen auch zahlreiche Hinweise, Erfahrungen und Informationen von ExpertInnen eingegangen, die uns im Zuge der Recherche für Inputs dankenswerter Weise zur Verfügung standen:

Ingrid Ambos, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

Leo Baumfeld, ÖAR Regionalberatung

Karl Becker, Regionalmanagement Österr.

Angela Bergauer, Ring Österr.Bildungswerke

Dipl.-Ing. Manfred Bruckmoser, Bundeskanzleramt, IV/4

Mag.a Petra Chladek, Wirtschaftskammer Österreich

Dr. Franz Delapina, NÖ BildungsgmbH

Mag.a Carina Diesenreiter, Österr. Institut für Erwachsenenbildung

Mag.a Grete Dorner, Bildungsnetzwerk Steiermark

Mag.a Sonya Elmer, Forum Umweltbildung

Mag. Luis Fidlschuster, ÖAR, LEADER+ Netzwerkstelle

Dr. Dieter Gnahs, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

Univ.Prof. Elke Gruber, Universität Klagenfurt

Dipl.-Ing. Herbert Grulich, Land Impulse

Dipl.-Ing. Bernhard Haas, Europäische Arge Dorferneuerung

Mag. Thomas Haase, Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik

Mag. Dipl.-Ing. Wolf Huber, Bundeskanzleramt

Mag.a Ulrike Huemer, Wifo

Dr. Stefan Humpl, 3s

Univ.Prof. Wolfgang Jütte, Donau-Universität Krems

Dipl.-Ing. Bernhard Keiler, LFI

Mag. Wolfgang Kellner, Ring Österr. Bildungs-werke

Dr. Christian Kloyber, Bundesinstitut für Erwachsenenbildung

Mag. Gerald Leitner, Österreichischer Bibliothekenverband

Mag.a Irene Mandl, KMU-Forschung Austria

Monika Mobarak, Lungauer Bildungsverband

Dipl.-Ing. Eva-Maria Munduch-Bader, Österr. Kuratorium für Landtechnik u. -entwicklung

Mag. Thomas Oberholzner, KMU-Forschung

Mag.a Margit Polly, Bildungscluster Österr.

Dipl.-Ing. Mag. Josefa Reiter-Stelzl, Lebens-ministerium, II/2a

MR Dipl.-Ing. Josef Resch Lebensministerium, Abt. II/2

Mag. Hannes Rossbacher, ÖROK

Mag. Peter Schlögl, ÖIBF

Dr. Arthur Schneeberger, ibw

Mag. Christian Schobel, Ländernetzwerk EB

Dipl.-Ing.Anette Scoppetta, ZSI - Territoriale Beschäftigungspakte

Mag. René Sturm, AMS-Forschungsnetzwerk

Dipl.-Ing. Werner Thalhammer, Lebens-ministerium, V/5 f. Lokale Agenda 21

Mag.a Rita Trattnigg, Lebensministerium, V/8

Dr. Stefan Vater, Verband österr. VHS

Dipl.-Ing. Reinhard Weitzer, Regionalmanage-ment NÖ

Dipl.Ing. Karl Wurm, Lebensministerium, Abt. II/2

Dr. Reinhard Zürcher, PI Wien