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Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

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Handbuch Marketing-Controlling3. Auflage

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Christopher ZerresMichael P. ZerresHerausgeber

HandbuchMarketing-Controlling

Dritte, überarbeitete Auflagemit 162 Abbildungen

123

Page 4: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

Christopher Zerres, BA MBA

41 JuddstreetLondon WC 1H 9QSEnglandE-mail: [email protected]

Univ.-Professor Dr. Michael P. Zerres

Universität HamburgDepartement Wirtschaft und Politikvon Melle Park 920146 HamburgE-mail: [email protected]

Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN-10 3-540-28015-4 3. Auflage Springer Berlin Heidelberg New YorkISBN-13 978-3-540-28015-6 3. Auflage Springer Berlin Heidelberg New YorkISBN 3-540-67813-1 2. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere dieder Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen,der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und derSpeicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor-behalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfallnur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der BundesrepublikDeutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätz-lich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheber-rechtsgesetzes.

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© Springer Berlin Heidelberg 2000, 2006Printed in Germany

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sin-ne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: Erich KirchnerHerstellung: Helmut PetriDruck: Strauss Offsetdruck

SPIN 11532514 Gedruckt auf säurefreiem Papier – 42/3153 – 5 4 3 2 1 0

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Geleitwort

Die Neuauflage dieses Handbuches kommt zum genau richtigen Zeitpunkt. Auch wenn die nationale und internationale Konjunktur noch nicht wieder voile Fahrt aufgenommen hat: wir „untemehmen" wieder mehr. Etwas untemehmen heiBt Markte entwickeln. Unternehmerischer Erfolg muss gemessen und strategisch gesteuert werden. Wahrend im klassischen Kostenmanagement und den prozess-orientierten Re-Engineeringvorhaben Controllingtools ausgereift vorhanden sind, ist das Controlling der Marktseite betrieblich und betriebswirtschaftlich nicht selten terra incognita. Diese Lucke ist nunmehr geschlossen.

Das vorliegende Handbuch ist fachlich auBerst prazise und innovativ, kompetent und komprimiert gleichzeitig, da es von der konzeptionellen Idee bis zur Imple-mentierung im Untemehmen umfassend berichtet. Der Leser wird es mit groBem Gewinn studieren. Ich kann die Herausgeber nur begluckwUnschen.

Dr. Karl Bosshard Mitglied der Geschdftsleitung und Partner Kienbaum Executive Consultants GmbH

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Vorwort zur dritten Auflage

Dynamisch wachsende Komplexitat der Rahmenbedingungen von untemehmeri-schen Entscheidungen zwingt das Management vomehmlich auch zu einem effi-zienteren Infomiationsgewinniings- und aufiiahmeverhalten. Diesem Anliegen tragt die nun vorliegende dritte Auflage dieses Handbuches bewusst Rechnung: So sind die einzelnen BeitrSge nicht nur umfassend iiberarbeitet worden, wobei der Umfang der Aktualisierung ein bezeichnendes Licht auf die hier vorzufindenden enormen Veranderungsprozesse in Theorie und Untemehmenspraxis zu werfen vermag; vor allem aber zeichnet sich diese Neuauflage durch eine, den bisherigen Aufbau grundsatzlich nicht in Frage stellende, erhohte Stringenz bei gleichzeitiger Konzentration auf das Wesentliche aus.

Die Herausgeber bedanken sich emeut bei den Autoren fur die eingebrachte hohe Kompetenz.

Christopher Zerres /Michael Zerres London/Hamburg, im Juli 2005

Vorwort zur zweiten Auflage

Die kurze Zeit, in der die erste Auflage des Handbuches verkauft worden ist, hat in den bisherigen Kapiteln noch keine Anderungen fiir die hier vorliegende zweite Auflage notwendig gemacht; diese findet nun allerdings eine wichtige Erganzung um ein neues abschliessendes Kapitel zu den Perspektiven eines Marketing-Controlling sowie um einen Anhang zur Marketing-Controlling-Soflware.

Michael Zerres Hamburg, im Juli 2000

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Vorwort zur ersten Auflage

Ein effizientes Marketing gilt heute in den meisten Untemehmen als die ent-scheidende Erfolgsursache. Gleichzeitig stellt ein umfassendes Controlling -gerade auch in Zeiten stagnierender Markte - das wichtigste betriebliche Steue-rungsinstrument dar. So findet man denn auch heute eine Vielzahl einschlagiger Veroffentlichungen zum Marketing wie auch zum Controlling. Zum Marketing-Controlling existieren dagegen bisher kaum entsprechende, speziell fiir Manager als Zielgruppe verfaBte Veroffentlichungen. Bei den wenigen, zur Zeit auf dem Markt zu findenden diesbezuglichen Btichem handelt es sich eher um Lehrbiicher, die dariiber hinaus von Autoren geschrieben worden sind, die fachlich eher als Vertreter eines vom Rechnungswesen dominierten Controlling ausgewiesen sind. Entscheidungstrager des Marketing werden sich von ihrem Stil weniger angespro-chen flihlen.

Zielgruppe des vorliegenden Handbuches, dessen einzelne BeitrSge drei grofien Gliederungsaspekten zugeordnet smd, dem strategischen Marketing-Controlling, dem operativen Marketing-Controlling und der Marketing-Controlling-Imple-mentierung, sind prhnar Manager in leitenden Funktionen von Untemehmen und Organisationen, die ihre Kenntnisse im komplexen Schnittstellenbereich Marke­ting-Controlling aufbauen oder erganzen woUen beziehungsweise die sich in diese Materie erst kompetent einarbeiten mtissen. Die Inhalte smd dabei sowohl fur Marketing-Manager relevant, die den Controllingbereich besser kennen und beur-teilen lemen wollen, wie auch fiir Controlling-Manager, die den fur sie oftmals sehr schwer erfassbaren Marketingbereich planen und steuem wollen. Dieses Buch wendet sich also an Entscheidungstrager des Marketing, die sich einen Uberblick verschaffen wollen uber die „Bringschuld„ eines diesbezuglichen Cont­rolling. Dariiber hinaus kann diese Publikation aber eben auch fur Controller wertvoll sein, um durch einen Einblick in die wichtigsten Entscheidungstatbestan-de einer marktorientierten Untemehmensfuhrung ihre Aufgabenfelder m emen entsprechenden Kontext stellen zu konnen. Hauptzielgruppe stellen schlieBlich naturlich in erster Linie Marketing-Controlling-Manager dar, wie sie jedes grSfiere Untemehmen heute beschafligt. Fiir diese Manager soil das Handbuch als prakti-scher Ratgeber dienen, der den aktuellen Wissensstand in knapper Form reprasen-tiert.

Den Autoren aus Wissenschaft und Praxis sei an dieser Stelle fiir ihre groBe Fach-kompetenz, die sie in ihre jeweiligen Beitrage eingebracht haben, gedankt.

Michael Zerres Hamburg, im Januar 2000

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Inhaltsubersicht

I Einleitung XI

Kapitel 1 Einfiihrung in das Marketing-Controlling 1 Mark Mohlen/Michael Zerres

II Strategisches Marketing-Controlling 11

Kapitel 2 Strategische Analysetechniken 11 Oliver Kutz

Kapitel 3 Erfolgsfaktorenforschung als Instrument des Marketing-Controllings 45 Henrik Haenecke/Daniel Forsmann

Kapitel 4 Marketingorientiertes Kernkompetenz-Controlling 57 Peter M Rose

Kapitel 5 Corporate Citizenship-Controlling 75 Nicole Fabisch

Kapitel 6 Friihwarnsysteme 91 Michael Reich/Thomas Miliar

III Operatives Marketing-Controlling 109

Kapitel 7 Break-Even Analysis and Measures of Performance 109 Nikolaos Tsorakidis/Sophocles Papadopoulos

Kapitel 8 Balanced Scorecard 131 Sascha Gotte

Kapitel 9 Entwicklung und Test von Nutzenversprechen 145 Henrik Haenecke/Guido Laukamp

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XII

Kapitel 10 Prozesscontrolling 165 Michael Reich

Kapitel 11 Projekt-Marketing-Controlling 185 Florian Hiller/Philipp Kinkel

Kapitel 12 Kundenbindungs-ControUing 201 Enno Wolf

Kapitel 13 Dienstleistungsmarketing-Controlling 229 Enno Wolf

Kapitel 14 Markenwert-Controlling 255 Ulrich H. Heider

Kapitel 15 Controlling der Preise und Konditionen 281 Reimund Franke/Michael Bergmann

Kapitel 16 Vertriebs-Controlling bei Banken 297 Klaus Zimmer/Thomas Brakensiek

Kapitel 17 Kommunikations-Controlling 317 Charlotte Reich/Wolfgang Zahner

Kapitel 18 Direktmarketing-Controlling 345 Andreas Mann

Kapitel 19 Efficient Consumer Response 375 Dirk Seifert

Kapitel 20 Online-Marketing-Controlling 395 Michael Wegener

Kapitel 21 EDV-Einsatz im Marketing-Controlling 423 KaiR. Heuer /Torsten Btissow

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsiibersicht XI Inhaltsverzeichnis XIII

lEinleitung 1

Kapitel 1 Einfiihrung in das Marketing-Controlling 1 Mark Mohlen/Michael Zerres 1 Marketing als Fiihrungs- und Unternehmensmaxime 1 2 Controlling als Funktion zur Sicherung der

EffektivitMt und Effizienz der Unternehmensfiihrung 2 3 Marketing-Controlling 4

3.1 Darstellung und Einordnung 4 3.2 Strategisches und operatives Marketing-Controlling 5

3.2.1 Strategisches Marketing-Controlling 5 3.2.2 Operatives Marketing-Controlling 6

4 Schlussbetrachtung 7 Literatur 8

II Strategisches Marketing-Controlling 11

Kapitel 2 Strategische Analysetechniken 11 Oliver Kutz 1 Einleitung 11 2 Abgrenzungen 12

2.1 Relevanter Markt und Branche 13 2.2 Marktsegmentierung 14 2.3 Strategisches Geschaftsfeld 16 2.4 Strategische Geschaftseinheit 18 2.5 Aggregationsgrad strategischer Geschaftseinheiten 20

3 Techniken der Geschaftsfeld- und Branchenanalyse 22 3.1 Portfolioanalyse 22

3.1.1 Vorbemerkung 22 3.1.2 Erfahrungskurveneffekt 23 3.1.3 BCG-Portfolio 24 3.1.4 McKinsey-Portfolio 27 3.1.5 Bewertung der Portfolioanalyse 31

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XIV

3.2 Wertkettenanalyse 32 3.3 Branchenstruktur- und Wettbewerbsanalyse 34

3.3.1 Vorbemerkung 34 3.3.2 Wettbewerbsintensitat 35

3.3.2.1 Potenzielle neue Konkurrenten 35 3.3.2.2 Abnehmer 36 3.3.2.3 Lieferanten 37 3.3.2.4 Ersatzprodukte 38 3.3.2.5 RivalMt unter den bestehenden Untemehmen 38 3.3.2.6 Staat 38

3.3.3 Wettbewerbsstrategien 39 3.4 SWOT-Analyse 40

Literatur 43

Kapitel 3 Erfolgsfaktorenforschung als Instrument des Marketing-Controllings 45 Henrik Haenecke/Daniel Forsmann 1 Uberblick iiber Zielsetzung und Entwicklung

der Erfolgsfaktorenforschung 45 2 Methoden der Erfolgsfaktorenforschung 46 3 Grundlegende Anforderungen an eine Erfolgsfaktorenstudie 48 4 Ausgewahlte Voraussetzungen der quantitativen Methoden 52 5 Anwendung der Erfolgsfaktorenforschung in der Praxis 54 Literatur 56

Kapitel 4 Marketingorientiertes Kernkompetenz-Controlling 57 Peter M Rose 1 Einfiihrung: Die Kernkompetenzperspektive

im Marketing-Management 57 2 Kernkompetenz-Controlling als Teil

des Kernkompetenz- Managements 60 3 Instrumente des Kernkompetenz-Marketing-Controlling 62 Literatur 73

Kapitel 5 Corporate Citizenship-Controlling 75 Nicole Fabisch 1 Ausgangssituation 75 2 Corporate Citizenship im Marketing-Kontext 76

2.1 Begriffsklarung Corporate Citizenship 76 2.2 Corporate Citizenship-Mix 76 2.3 Corporate Citizenship als Chance fiir das Marketing 77

3 Controlling des Corporate Citizenship 78 3.1 Allgemeine Herausforderungen 79 3.2 Ermittlung relevanter Kennzahlen 80

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XV

3.2.1 Best-Practice: London Benchmarking Group 82 3.2.2 Weiterfuhrende Uberlegungen im Sinne

einer ganzheitlichen Prozesskontrolle 84 4 Zusammenfassung 86 Literatur 88

Kapitel 6 Friihwarnsystenie 91 Michael Reich/Thomas Miliar 1 Einleitung 91 2 Funktion von Friihwarnsystemen 92

2.1 Strategische Fruhwamsysteme 94 2.2 Operative Fruhwamsysteme 96

3 Grundmodell eines Fruhwarnsystems 96 3.1 Festlegung der Beobachtungsbereiche 96 3.2 Bestimmung von Indikatoren fur die Beobachtungsbereiche 98 3.3 Identifikation von Friihwaminformationen und Methoden der

Signalverstarkung 99 3.3.1 Szenariotechnik 100 3.3.2 Portfoliotechnik 102

3.4 Entscheidungen und MaUnahmen 103 4 Fruhwamsysteme als Instrument eines effizienten Risiko-Controllings. 104 Literatur 107

III Operatives Marketing-Controlling 109

Kapitel 7 Break-Even Analysis and Measures of Performance 109 Nikolaos Tsorakidis/ Sophocles Papadopoulos 1 Break-Even Analysis 109

1.1 Simple Break-Even Point Application 110 1.2 Restrictions 112 1.3 Multiproduct Break-Even Point 112 1.4 Applying Break-Even Analysis in Services Industry 114 1.5 Operating Leverage 116 1.6 Discounts and Promotions 121 1.7 Conclusion 122

2 Measures of Performance 123 2.1 Measures of Financial Performance, Competitiveness

and Sales Force Efficiency 123 2.2 PIMS (Profit Impact of Marketing Strategies) 127

Bibliography 129

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XVI

Kapitel 8 Balanced Scorecard 131 Sascha Gotte 1 Einleitung 131 2 Balanced Scorecard als strategisches Managementsystem 132 3 Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard 133 4Ursache-A¥irkungszusaninienhange 137 5 Einfiihrung der Balanced Scorecard in der Unternehmenspraxis 138 6 Fazit 141 Literatur 143

Kapitel 9 Entwicklung und Test von Nutzenversprechen 145 Henrik Haenecke /Guido Laukamp 1 Einleitung 145 2 Nutzenversprechen als Teil der Positionierung im Markt 145

2.1 Bedeutung von Nutzenversprechen 145 2.2 Nutzenversprechen im Zusammenspiel mit Marke

und Zielkundensegmentierung 146 2.3 Formate von Nutzenversprechen 148 2.4 Bewertungskriterien flir erfolgreiche Nutzenversprechen 150

3 Entwicklung von Nutzenversprechen: Ideengenerierung und -selektion 151 3.1 Entwicklung aus der Organisation heraus (Inside-out-Ansatz) 151 3.2 Exploration beim Kunden (Outside-in-Ansatz) 156 3.3 Ideenselektion 157

4 Test von Nutzenversprechen 158 4.1 Vorbereitung der Tests 158 4.2 Qualitativer Test 160 4.3 Quantitativer Test 161

5 AbschlieBende Bemerkungen 163 Literatur 164

Kapitel 10 Prozess-Controlling 165 Michael Reich 1 Einleitung 165

1.1 Kundenorientierung und Schwachstellen in heutigen Geschaftsprozessorganisationen 165

1.2 Prozessoptimierung und -controlling im Rahmen des Marketing-Controlling 167

2 Geschaftsprozessoptimierung 169 2.1 Voraussetzungen 169 2.3 Parameter der Geschaftsprozessoptimierung 170 2.4 Methodisches Vorgehen 171

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XVII

2.4.1 Vorgehensmodell 171 2.4.2 Instrumente 175 2.4.3 Aufgaben und Funktionen der Projektorganisation 177

2.5 Wirtschaftliche Bewertung der optimierten Geschaftsprozesse 178 3 ProzessmanagementZ-controlIing im Unternehmen 179

3.1 Voraussetzungen zum Messen der Prozessleistung 179 3.2 Methodisches Vorgehen bei der prozessorientierten Kostenrechnung.... 180 3.3 Einsatzmoglichkeiten der prozessorientierten Kostenrechnung

im Rahmen des Prozessmanagements 182 Literatur 184

Kapitelll Projekt-Marketing-Controlling 185 Florian Hiller/Philipp Kinkel 1 Einleitung 185

1.1 Begriff. 185 1.2 Funktionen des Projekt-Marketing-Controlling 185 1.3Ziele 187 1.4Phasen 189

2 Projekt-Marketing-Controlling in der Planungsphase 189 2.1 Praxisbewahrte Verfahren 189 2.2 Freigabe zur Vermeidung von Fehlallokationen 190 2.3 Wirtschaftlichkeitsanalyse anhand von Kennzahlen 191 2.4 Projektstrukturbestimmte Analysequalitat 193

3 Projekt-Marketing-Controlling in der Projektphase 193 3.1 Instrumente 193 3.2 Restplankostenprognose im rollierenden Verfahren 194 3.3 KontroUe der Meilenstein-Planung mittels Trend-Analyse 195 3.4 Steuerung mittels Bewertung wahrscheinlicher Kosten 196

4 Projekt-Marketing-Controlling nach Abschluss des Projektes 196 5 Datenverarbeitung im Projekt-Marketing-Controlling 197 6 Schlussbetrachtung 198 Literatur 200

Kapitel 12 Kundenbindungscontrolling 201 Enno Wolf 1 Aktuelle betriebliche Herausforderungen 201 2 Besonderheiten der Kundenbindung 202

2.1 Klarung der Begrifflichkeiten 202 2.2 Abgrenzung zu anderen Konstrukten 204 2.3 Darstellung eines postulierten Zusammenhanges 205 2.4 Inhaltliche Konkretisierung der Kundenbindung 207

3 Konzept eines Kundenbindungscontrolling fiir die betriebliche Praxis.. 210 4 Zusammenfassung und Ausblick 225 Literatur 226

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XVIII

Kapitel 13 Dienstleistungsmarketing-Controlling 229 Enno Wolf 1 Einieitung 229 2 Besonderheiten von Dienstleistungen 230

2.1 Immaterialitat 231 2.2 Extemer Faktor 231

2.2.1 Standardisierungsprobleme 232 2.2.2 Kundenorientierung 234

2.3 Klassifikation von Dienstleistungen 235 3 Messung von Dienstleistungsqualitat 237

3.1 Mogliche Verfahren zur Messung 237 3.2 GAP-Modell 239

4 Ermittlung der Dienstleistungsqualitat in der Praxis 241 4.1 Messung der Dienstleistungsqualitat mittels SERVQUAL-Ansatz 241 4.2 Messung der Dienstleistungsqualitat durch Mystery Shopping 242 4.3 Messung von Dienstleistungsqualitat mit Service Level Agreements 244

5 Ansatz fiir ein Dienstleistungsmarketing Controlling fiir die betriebliche Praxis 247 5.1 Komponenten eines Dienstleistungscontrolling (Zielsystem) 247 5.2 Vorgehensweise und Prozess 249

6 Zusammenfassung 252 Literatur 253

Kapitel 14 Markenwert-Controlling 255 Ulrich H. Heider 1 Einfuhrung 255 2 Bewertungsanlasse 256

2.1 Untemehmensexteme Anlasse fiir die Markenbewertung 256 2.2. Untemehmensinteme Anlasse fiir die Markenbewertung 258

3 Darstellung bestehender Ansatze zur Markenbewertung 259 3.1 Finanzorientierte Verfahren zur Markenbewertung 260

3.1.1 Kostenorientieiter Ansatz 260 3.1.2 Preisorientierter Ansatz 261 3.1.3 Kapitalmarkt- und ertragswertorientierte Markenbewertung 262

3.1.3.1 Markenwertmodell von Kern 263 3.1.3.2 Markenwertmodell von Herp 264

3.1.4 Indikatorgesteuerte Ansatze 266 3.1.4.1 Brand Valuation von Interbrand 266 3.1.4.2 Brand Performance System von A.C. Nielsen 269

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XIX

3.2 Verhaltenwissenschaftliche Markenbewertung 272 3.2.1 Verhaltenwissenschaftliches Markenwertmodell von Aaker 273 3.2.2 Markenkraftmodell der Gesellschaft fur Konsumentenforschung.... 275

3.3 Integration verhaltens- und finanzwissenschaftlicher Modelle 276 4 Anhang: Praxisrelevante Modelle in der Ubersicht 277 Literatur 279

Kapitel 15 Controlling der Preise und Konditionen 281 Reimund Franke/ Michael Bergmann 1 Einfuhrung 281 2 Target Costing 283 3 Prozesskostenrechnung 286

3.1 Festlegung der Prozesse 286 3.2 Bestimmung der Prozessgrofien 287 3.3 Ermittlung der Prozesskostensatze 288

4 Deckungsbeitragsrechungen 291 Literatur 295

Kapitel 16 Vertriebscontrolling bei Banken 297 Klaus Zimmer/Thomas Brakensiek 1 Einfuhrung 297 2Entwicklung 297 3 Integriertes Vertriebscontrolling 300

3.1 Balanced Score Card 300 3.2 Operatives Vertriebscontrolling 302 3.3 Vertriebswegecontrolling 304

4 Anwendungsbeispiele 306 4.1 Kompetenzmanagement 306 4.2 Kundenbindungsmanagement 309 4.2 Systematischer VerkaufsprozeB 313

5 Ausblick 314 Literatur 316

Kapitel 17 Kommunikations-Controlling 317 Charlotte Reich/Wolfgang Zahner 1 Einleitung 317 2 Werbeerfolgskontrolle 318 3 Public Relations (PR)-Controlling 326 4 Sales-Promotion-Controlling 330 5 Schlussbetrachtung 340 Literatur 341

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XX

Kapitel 18 Direktmarketing-Controlling 345 Andreas Mann 1 Charakteristika, Medien und AusprSgungen des Direktmarketing 345 2 Ansatzpunkte und Instrumente des Direktmarketing-Controlling 349

2.1 Auswahl und Bewertung von Direktmarketing-Zielgruppen/ -kunden.... 350 2.2 Test von geplanten Direktmarketing-Aktionen 362 2.3 Koordination des Medieneinsatzes 365 2.4 Ergebniskontrollen von DirektmarketingaktionenZ-kampagnen 367

3 Zusammenfassung 370 Literatur 372

Kapitel 19 Efficient Consumer Response 375 DirkSeifert lEinfuhrung 375 2ECR-Konzept 376 3 Supply Chain Management (SCM) 379

3.1 Efficient Administration 379 3.2 Efficient Operating Standards 381 3.3 Efficient Replenishment (ER) 382

4 Category Management (CM) 383 4.1 Die mit CM verbundenen Zielsetzungen von Handel und Industrie 383 4.2 Bedeutungsinhalt von CM 384 4.3 Fuhrung der Warengruppen als strategische Geschaftseinheiten 385 4.4 Kenntnis des KSuferverhaltens und die Analyse der POS-Daten 386 4.5 Implikationen von CM auf die Organisationsstruktur 386 4.6 CM-Planungsprozess 387 4.7 Basisstrategien 388

4.7.1 Efficient Store Assortment (ESA) 388 4.7.2 Efficient Product Introduction (EPI) 389 4.7.3 Efficient Promotion (EP) 390

5 Zusammenfassende Betrachtung 392 Literatur 393

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XXI

Kapitel 20 Online-Marketing-Controlling 395 Michael Wegener 1 Einleitung 395 2 Objekte des Online-Marketing-Controlling 396 3 Aufgaben des Online-Marketing-Controlling im E-Commerce 400

3.1 Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen 400 3.2 Strategisches Online-Marketing-Controlling 401 3.3 Operatives Online-Marketing-Controlling 406

3.2.1 Controlling im Electronic Customer Relationship Management 407 3.2.2 Electronic Multi-Channel Management 417

4 Zusammenfassung und Perspektiven 420 Literatur 421

Kapitel 21 423 EDV-Einsatz im Marketing-Controlling 423 Kai R. Heuer / Torsten Biissow 1 Einfiihrung 423 2 Koordinationsfunktion: EDV-Unterstiitzung

der Marketing- und Vertriebsprozesse 424 2.1 EDV-Systeme zur Unterstutzung der Marktforschung 426 2.2 CRM-Systeme zur Unterstutzung von Kundenansprache

und-akquisition 427 2.3 ERP-Systeme zur Unterstutzung von Kundenakquisition,

Leistungserbringung und Fakturierung 429 3 Informationsversorgung: Management-Informationssysteme 431

3.2 Performance Measurement als konzeptioneller Rahmen 432 3.2 Data Warehouse Losungen zur Unterstutzung

der Informationssammlung und -bereitstellung 433 3.3 Auswertungswerkzeuge zur Unterstutzung

der Informationsaufbereitung und -darstellung 435 4 Zusammenfassung 437 Literatur 438

Autorenverzeichnis 439

Abbildungsverzeichnis 443

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I Einleitung

Kapitel 1 Einfiihrung in das Marketing-Controlling

Mark Mohlen/Michael Zerres

1 Marketing als Fiihrungs- und Unternehmensmaxime

Das Marketingverstdndnis hat sich, abhangig von den jeweiligen Marktverhaltnis-sen, mehrfach verandert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Vorherrschen von Verkaufermarkten wurde dem Marketing noch keine allzu grofie Bedeutung bei-gemessen, da die Nachfrage das Angebot vielfach uberstieg; erst mit Einsetzen erster Sattigungserscheinungen und dem allmahlichen Ubergang zu Kaufermarkten stieg aber seine Bedeutung. Wahrend sich die Aufgaben anfangs vomehmlich auf Werbung und Verkauf konzentrierten, wurde mit dem Bedeutungszuwachs auch das Aufgabenspektrum nach und nach den sich neu ergebenden Erfordemissen angepasst. So wurde das Marketing beispielsweise in der Phase der Produktorien-tierung (Mattmiiller 2000, S. 22), in der Produktqualitat und Produkteigenschaften als zentrale Erfolgsfaktoren angesehen wurden, (mit-)verantwortHch fur die Pro-duktgestaltung. In der Folgezeit hat sich das Marketing als Reaktion auf die in Kaufermarkten immer wichtiger werdende Kenntnis der Nachfragekomponenten zu einer allgemeinen Managementkonzeption im Sinne einer Ausrichtung aller Untemehmensfunktionen auf den Markt weiterentwickelt (Meffert 2000, S. 3; Weis 2004, S. 27; Pepels 2005, S. 9-10).

Zum Marketing-Begriff giht es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen und Definitionen. Meffert ordnet die vorherrschenden Definitionen grundsatzlich zwei Kategorien zu. Er unterscheidet zum einen die klassische, okonomische Sichtwei-se, die besagt, dass Marketing die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die gegenwartigen und potentiellen Markte ausgerichteten Untemehmensaktivita-ten umfasst und zum anderen die modeme, weiter gefasste Sichtweise, die davon ausgeht, dass marktorientierte Untemehmensfuhrung sich sowohl aus untemeh-mensintemen Prozessen, wie Planung, Koordination und Kontrolle, als auch aus untemehmensextemen Prozessen, wie der Gestaltung aller, auch nicht-okonomi-scher, Austauschbeziehungen, zusammensetzt. Diesem modemen Marketingver-standnis entspricht auch die Definition der American Marketing Association (AMA): „Marketing is the process of planning and executing the conception, pric­ing, promotion and distribution of items, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizational objectives."

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Da die Untemehmen heute iiber die Bediirfiiisbefriedigung der Nachfrager hinaus auch den verschiedensten okologischen, ethischen und sozialen Herausforderungen Rechnung tragen miissen sowie mit einer Vielzahl von Anspruchsgruppen (Stake­holder), wie Staat, Gewerkschaften, Zulieferer, Mitarbeiter etc., konfrontiert wer-den, erscheint nur ein Marketingverstandnis zeitgemaB, das all diesen Anforderun-gen gerecht wird und diese berticksichtigt (Integrationsaufgabe des Marketing). Das Marketing kann vor diesem Hintergrund als wichtige FUhrungs- und Unter-nehmensmaxime verstanden werden (Mattmuller 2000, S. 23-28; Meffert 2000, S. 3-4).

Die Aufgaben des Marketing lassen sich grob in markt-, untemehmens- und gesell-schaftsbezogene Aufgaben unterteilen. Bei den marktbezogenen Aufgaben geht es um die Nachfragesteuerung. Diese beschrankt sich nicht alleine auf die Befriedi-gung des Bedarfes, sondem umfasst auch die Weckung und die Beeinflussung von Bedarf im Sinne einer Verhaltenssteuerung der Marktteilnehmer. Vereinfacht lassen sich in diesem Zusammenhang folgende Strategien feststellen: Die Bearbei-tung bestehender Markte mit bereits existierenden Produkten (Marktdurchdrin-gung), die Bearbeitung bestehender Markte mit neuen Produkten (Produktentwick-lung), die Erschliessung neuer Markte mit bereits existierenden Produkten (Markt-entwicklung) sowie die Erschliessung neuer Markte mit neuen Produkten (Diversi-fikation). Neben den marktbezogenen Aufgaben kommt dem Marketing als unter-nehmensbezogene Aufgabe eine wichtige Koordinationsfunktion zu. Diese umfasst die Abstimmung der Marketingaktivitaten mit den anderen Untemehmensberei-chen sowie die zielgerichtete Ausrichtung der verschiedenen Marketinginstrumen-te. Dem modemen Marketingverstandnis entsprechend hat das Marketing femer gesellschafts- und umweltbezogene Aufgaben im Sinne einer sozialen Verantwor-tung gegenuber verschiedensten Anspruchsgruppen der Gesellschaft zu erfiillen (Meffert 2000, S. 11-14; Sander 2004, S. 13-14).

2 Controlling als Funktion zur Sicherung der Effektivitat und Effizienz der Unternehmensfiihrung

Der Controlling-Begnffhat seinen Ursprung im anglo-amerikanischen Raum. Dort hatte sich das Controlling bereits fruhzeitig zu einer eigenstandigen, sich stark am Rechnungswesen orientierenden Teildisziplin der Betriebswirtschaftslehre entwi-ckelt. In Deutschland war er bis Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts nahezu unbekannt. So fanden sich Controller allenfalls bei deutschen Tochterun-temehmenamerikanischer Konzeme. Erst Ende der 60er beziehungsweise Anfang der 70er Jahre anderte sich dieses Bild. Immer mehr deutsche GroBuntemehmen richteten Controllerstellen ein, auch wenn diese nicht immer als solche bezeichnet wurden (Weber 2002, S. 9-11).

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Die in der Anfangszeit stark vom Rechnimgswesen dominierten Controlling-Aufgaben warden nach und nach um Aufgaben, wie beispielsweise der Budgetie-rung sowie der Durchflihrung von SoU-Ist-Vergleichen erweitert. Das Hauptau-genmerk gait jedoch weiterhin schwerpunktmaBig der operativen Planung, Steue-rung und Kontrolle. Erst Mitte der 80er Jahre traten perspektivische Aufgaben zur Unterstutzung der strategischen Managementplanung hinzu. Damit hat sich das Controlling von einer iiberwiegenden ex-post Kontrolle zu einer Funktion der ganzheitlichen ManagementunterstUtzung entwickelt, welche sowohl die Bereit-stellung von benOtigten Informationen als auch Aufgaben der operativen und stra­tegischen Planung, Koordination und Kontrolle umfasst. Controlling wird mittler-weile vor allem als ein Konzept zur informationellen Sicherstellung der ergebnis-orientierten Untemehmensfuhrung verstanden. Weber und Weber/ Schafer spre-chen davon, dass das Controlling als Rationalitatssicherungsfunktion der Unter-nehmensfuhrung im Sinne einer Uberwachung der effizienten Mittel-Zweck-Verwendung im Untemehmen anzusehen sei.

Man unterscheidet heute ublicherweise strategisches und operatives Controlling, obwohl die Trennlinie in der Praxis oft flieBend ist. Das strategische Controlling hat seinen Schwerpunkt bei der Unterstutzung der strategischen Planung und ist im Grundsatz langfristiger Natur. Dariiber hinaus ist es (mit-)verantwortlich fur das fruhzeitige Erkennen von Umweltveranderungen sowie flir die Realisierung und Aufrechterhaltung von Erfolgspotentialen im Sinne einer Festlegung mit welchen Produkten auf welchen Markten, mit welchem Mittelemsatz und mit welchen Ak-tivitaten die jeweiligen Geschaftsfelder in Zukunft tatig sein sollen. Die Erstellung und Durchflihrung von Portfolio-Analysen, Potentialanalysen, Starken-ZSchwa-chen-Profilen, Plausibilitatspriifiingen etc. stellen in diesem Zusammenhang we-sentliche Aktivitaten des strategischen Controllings dar (Ehrmann 2004, S. 19; Witt 2002, S. 755-757).

Das operative Controlling ist dagegen eher kurzfristig orientiert und umfasst als wesentliche Bausteine die operative Planung, Steuerung und Kontrolle. Es soil die betriebswirtschaftliche Komplexitat von Untemehmen transparent machen sowie eine ganzheitliche Untemehmensflihrung und Erfolgssicherung gewahrleisten. Deckungsbeitragsrechnungen, Erfolgsanalysen, Investitionsrechnungen etc. kon-nen hierflir exemplarisch als Aufgabenfelder angefiihrt werden (Witt 2002, S. 589-592; Ehrmann 2004, S. 19). Die Abgrenzung zwischen strategischem und operati-vem Controlling lasst sich plakativ wie folgt ausdrucken: „Doing the right things" (strategische Planung/ Controlling) und „Doing things right" (operative Planung/ Controlling).

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3 Marketing-Controlling

3.1 Darstellung und Einordnung

Das Marketing-Controlling stellt einen Teilbereich des Untemehmenscontrollings dar. Es unterstutzt die zielorientierte Planung, Steuerung und KontroUe der Marke-tingfiinktion im Untemehmen, indem es alle planungs-, entscheidungs-, und kon-troUrelevanten Marketinginformationen beschafft und bereitstellt. Im Rahmen dieser Informationsbeschaffungs- und Informationsversorgungsfunktion gilt es, sowohl interne Daten, wie beispielsweise die des Rechnungswesens, als auch ex-teme Daten, wie zum Beispiel Marktforschungsergebnisse, zu beriicksichtigen, aufzubereiten und zu analysieren. Die Relevanz des Marketing-Controllings ergibt sich insbesondere aus dem sich schnell verandemden Marktumfeld. Marktverande-rungen bedingen in der RegelPlanrevisionen im Rahmen des Marketing. Die zent-rale Aufgabe des Marketing-Controllings muss es vor diesem Hintergrund sein, fruhstmoglich auf Abweichungen hinzuweisen und durch Ursachenanalysen ent-sprechende Anpassungsstrategien beziehungsweise -maCnahmen zu entwickeln (Meffert 2000, S. 1129; Sander 2004, S. 788-790). Auch den Stand und die Ent-wicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen gilt es, fortlaufend zu beobachten und zu beriicksichtigen, da der rechtlichen Ausgangslage im Hinblick auf eine erfolgreiche Implementierung von marktorientierten Konzepten eine grundlegende Rolle zukommt, die jedoch von vielen Untemehmen nur im unzureichendem MaBe beachtet wird (Zerres 2001, S. 521-552).

Das Marketing-Controlling ist an die jeweilige Ausgestaltung des Marketing im Untemehmen geknupft. Da diese wiederum von den verschiedensten Faktoren, wie Marktdynamik, Branche, Untemehmensziele, Art der Marktbearbeitung etc., ab-hangt, lasst sich keine allgemein gultige Ausgestaltungsform des Marketing-Controllings postulieren. Neben der Informationsversorgung gehoren in jedem Fall aber auch Planungs-, KontroU- und Koordinationsaufgaben dazu (Sander 2004, S. 780-788; Meffert 2000, S. 1132-1133). Die Planungsfiinktion des Marketing-Controllings besteht darin, das Management auf alien Ebenen des Planungsprozes-ses zu unterstutzen. Die Kontrollfunktion beinhaltet sowohl Ergebniskontrollen (Erfolgskontrollen etc.) als auch Ausfuhrungskontrollen (Uberpriifung der Vorge-hensweise und der Termineinhaltung). Die Koordinationsfunktion des Marketing-Controllings im Sinne einer Ausrichtung der Marketingaktivitaten auf das unter-nehmerische Gesamtziel ergibt sich vor allem aus der gestiegenen Dezentralisie-mng der Untemehmens- und Marketingorganisation.

Im Hinblick auf die organisatorische Verankerung des Marketing-Controllings gilt es, den konfligierenden Erfordemissen des Marketing-Controllings Rechnung zu tragen. So benotigt der Marketing-Controller einerseits unmittelbaren Kontakt zu den Entscheidungstragem des Marketing-Managements. Dies lieBe sich am besten durch eine Einbindung in die Marketing-Leitung erreichen. Andererseits erfordem die kritische Analyse und KontroUe der Marketingaktivitaten und -entscheidungen

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aber die Unabhangigkeit des Marketing-Controllers, was fiir eine Unterstellung unter das Zentralcontrolling sprechen wiirde. Fur dieses Problem der Organisati-onsgestaltung gibt es keine Patentlosung. Diesbezugliche Entscheidungen sind allein vor dem jeweiligen Untemehmenskontext zu treffen. Faktoren, die hierbei einen Einfluss haben, sind unter anderem die UntemehmensgroBe, die GroBe und organisationale Verankerung des Marketing sowie die Organisationsstruktur des Untemehmenscontrollings. Eine Organisationsform nach dem „Dotted-Line-Prinzip" stellt eine Kompromisslosung dieses Problems dar. Hierbei ist der Marke­ting-Controller in einer Matrix-Organisation disziplinarisch dem Marketing-Management und funktional dem Controlling des Untemehmens unterstellt. Diese Doppelbeziehung ist jedoch auch konflikttrachtig, da sich an der Problematik der Kontrolle der vorgesetzten Instanz nichts andert (Kohler 2001, S. 26-28; Sander 2004, S. 812-814; Ehrmann 2004, S. 39-42; Abegglen 2001, S.551-556).

3.2 Strategisches und operatives Marketing-Controlling

3.2.1 Strategisches Marketing-Controlling

Das strategische Marketing-Controlling unterstUtzt die Anpassungsfahigkeit eines Untemehmens in einem zunehmend durch Veranderung gepragten Untemehmens-umfeld. Hinsichtlich der Aufstellung des Marketingzielsystems hat es eine wichti-ge (beratende) Funktion, die sich vor allem auf die Operationalisierbarkeit, Durch-fuhrbarkeit und KontroUierbarkeit dieser Ziele bezieht (Planungsfiinktion). Die groUte Bedeutung im Rahmen des strategischen Marketing-Controllings kommt jedoch der Informationsversorgungsfunktion sowie der Kontrollfixnktion zu. Als eine Art „FrUhwamsystem" soil das Marketing-Controlling moglichst rechtzeitig auf das Marketing tangierende Veranderungen und Diskontinuitaten im Untemeh-mensumfeld aufmerksam machen. Hierfur ist eine regelmaBige Uberprtifixng der den Marketingplanen zu Grunde liegenden Pramissen und Rahmenbedingungen erforderlich (Weis 2004, S. 596-597; Meffert 2000, S. 1135-1137).

Die Koordinationsfunktion im Rahmen des strategischen Marketing-Controllings besteht zum einen in der formalen und inhaltlichen Abstimmung der verschiedenen Teilplane innerhalb des Marketings und zum anderen in einer funktionsubergrei-fenden Abstimmung der jeweiligen Tatigkeiten.

In der Literatur werden die Funktionen des strategischen Marketing-Controllings haufig auch unter dem Begriff des ,Marketing-Audits' zusammengefasst (Weis 2004, S. 595-596). Darunter werden sowohl die Uberwachung der Marketingstra-tegie (Pramissen etc.) als auch die Durchfuhrung von Verfahrens-Audits (Pla-nungs- und Kontrollverfahren, Informationsversorgung), Marketing-Mix-Audits (Vereinbarkeit mit strategischer Grundausrichtung, Angemessenheit der Mittel-Zeck-Beziehungen etc.) und Organisations-Audits (Organisationsform, Koordina-tionsregelungen etc.) verstanden.

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3.2.2 Operatives Marketing-Controlling

Im Rahmen des operativen Marketing-Controllings kommt es darauf an, die Nut-zung der strategisch geschaffenen Erfolgspotentiale wirtschaftlich sicherzustellen sowie zu uberprufen, ob die Umsetzung zu den erwarteten Ergebnissen filhrt. Das Hauptaugenmerk des operativen Marketing-Controllings liegt somit auf der Uber-wachung der Marketingaktivitaten, der Analyse von Abweichungsursachen, der Durchfuhrung von Ursachenanalysen sowie dem Entwickeln von entsprechenden Handlungsoptionen. Die Kontrolle erstreckt sich dabei sowohl auf den gesamten Marketing-Mix (Produkt-, Kontrahierungs-, Distributions- und Kommunikations-politik) als auch auf die einzelnen Marketinginstrumente. Durch eine gesamtmix-bezogene Oberwachung lassen sich zwar „globale" Informationen gewinnen, eine genaue Ursachenbestimmung und somit gezielte Korrekturen sind in der Regel jedoch nicht durchfuhrbar. Neben die Kontrolle des Marketing-Mix als Ganzes sollte deshalb immer auch eine instrumentenbezogene Kontrolle treten (Meffert 2000, S. 1138-1141). Im Folgenden werden die Bereiche der Marketing-Mix-Kontrolle kurz naher betrachtet.

Beim Produkt-Controlling stehen die Produkte als Kalkulationsobjekte (De-ckungsbeitragsrechnung, Fixkostenanalyse, Break-Even-Analyse etc.) im Mittel-punkt. Zudem werden heute im Rahmen der LFberwachung der Produktpolitik verstarkt Aspekte der Produktqualitat berucksichtigt. Das Produkt-Controlling ist jedoch nicht allein auf die Kontrolle der bestehenden Produkte beschrankt, son-dem bereits stark in die Entwicklungsphase der Produkte (Produktinnovation) sowie in den Nachsorgezyklus eingebunden (Witt 2002, S. 651; Meffert 2000, S. 1141).

Die eingehende Kontrolle und Analyse der Preis- und Konditionenpolitik stellt ebenfalls eine wichtige Aufgabe dar. Im Vordergrund solcher Untersuchungen steht der Einfluss des Preises beziehungsweise der Konditionen auf den Erlos. Im Rahmen einer solchen Analyse sind Aspekte, wie beispielsweise der Zusammen-hang zwischen Preis- und Markenbewusstsein, die Preiselastizitat der Nachfrage, preispsychologische Faktoren etc., zu untersuchen (Witt 2002, S. 641-642).

Bei der Kontrolle der Distributionspolitik gilt es, sowohl das Absatzkanalsystem als auch das Logistiksystem zu uberprufen. Die Uberpriifiing der Vertriebspolitik erfordert in der Regel auch die Berucksichtigung einer Vielzahl von qualitativen Faktoren. So ist beispielsweise die zukiinftige Entwicklung von bestehenden und potentiellen Vertriebsformen zu analysieren und zu bewerten. In diesem Zusam-menhang kommt quantitativen MessgroBen, wenn uberhaupt, nur begrenzte Aus-sagekraft zu. Das Logistik-Controlling arbeitet dagegen mit diversen Kennzahlen und Kennzahlensystemen, wie zum Beispiel die Umschlagshaufigkeit oder die durchschnittlichen Lieferzeiten. Sie ermoglichen die relativ unproblematische Durchfuhrung von Soll-Ist-Vergleichen sowie von differenzierten Ursachenanaly­sen (Witt 2002, S. 521-525; Meffert 2000, S. 1140).

Eine Wirkungsanalyse der Kommunikationspolitik erweist sich oft als problema-tisch, da es aufgrund von auflretenden Interdependenzen haufig nicht moglich ist,

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den Erfolg der Kommunikationspolitik beziehungsweise einzelner Kommunikati-onsinstrumente direkt zu erfassen und zuzurechnen. Als Beispiel hierfur lassen sich Effizienzmessungen von klassischen Werbekampagnen anfiihren, bei denen die Kosten der Kampagne den Umsatzverandemngen gegeniibergestellt werden. In der Kegel lasst eine solche Vorgehensweise keine aussagekraftigen Riickschliisse zu, da nicht ersichtlich ist, inwiefem der „Werbeerfolg" tatsachlich auf die Kam­pagne Oder auf andere Faktoren zuriickzufuhren ist. Aufgabe des Marketing-Controllings muss es vor diesem Hintergrund sein, nach Methoden, Verfahren und Instrumenten zu suchen, die in der Lage sind, den Erfolg oder Misserfolg der Kommunikationspolitik zumindest annaherungsweise zu bestimmen (Meffert 2000; S. 1141; Witt 2002, S. 438).

4 Schlussbetrachtung

Die Untemehmen stehen heute mehr denn je vor der Herausforderung sich im weltweiten Wettbewerb behaupten und differenzieren zu mussen. Hierfur ist eine konsequente Orientierung am Markt im Sinne einer verstarkten Kundenorientie-rung unabdingbar. Der wirtschaftlich erfolgreiche Marktauftritt basiert jedoch auch auf der effektiven und effizienten Verwendung der untemehmensintemen Ressour-cen. Aus dem Spannungsfeld von verstarkter Kundenorientierung, die in der Kegel mit der Entwicklung von zielgruppenspezifischen Angeboten und steigenden Ent-wicklungs- und Produktionskosten einhergeht, und gleichzeitiger Aufrechterhal-tung der Wirtschaftlichkeit des Untemehmens erwachst die groBe Bedeutung des Marketing-Controllings. Um die Anpassungsfahigkeit der Untemehmen zu ge-wahrleisten, wird das Marketing-Controlling insbesondere in seiner Funktion als „Fruhwamsystem" gefordert. Die Aufgaben des Marketing-Controllings als „Wachter" eines (wirtschaftlich) erfolgreichen Marktauflrittes werden vor allem darin bestehen, Marketinginformationen zu beschaffen oder selbst zu generieren sowie diese zu analysieren und controllingfahig zu machen. In diesem Zusammen-hang wird insbesondere die Entwicklung von geeigneten, qualitativen Kontrollgro-6en sowie von innovativen Kontrollverfahren eine wichtige Rolle spielen.

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Literatur

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II Strategisches Marketing-Controlling

Kapitel 2 Strategische Analysetechniken

Oliver Kutz

1 Einleitung

In vielen Untemehmen gehort es zu den strategischen Aufgaben eines Marketing-Controlling, die Geschaftsfeld- und Marktanalysen fflr das (Marketing-) Manage­ment durchzufuhren. Ziel ist es, einen tJberblick uber die wichtigsten diesbezugli-chen Analysetechniken zu liefem.

Untemehmen sind einem zunehmenden Innovations- und Anpassungsdruck ausge-setzt, welcher eine Verkiirzung der Produktlebenszyklen, Erhohung der Marktdy-namik sowie Erhohung der St5ranfalligkeit im Beziehungsgeflecht zwischen den Untemehmen und ihrer relevanten Umwelt zur Folge hat. Die rechtzeitige Anpas-sung an die sich wandelnden Rahmenbedingungen stellt eine wichtige Vorausset-zung fur die langfristige Existenzerhaltung dar und bedarf einer eindeutigen Marktausrichtung des Untemehmens. In diesem Zusammenhang fflhrt die Konzep-tion strategischer Geschdftsfelder za einer vereinfachten Wahmehmung der Um-weltkomplexitat. Chancen und Risiken konnen friihzeitig erkannt und gezielt mit bereichsspezifisch abgestimmten Strategien begegnet werden (Kilian 1991, S. 227

Entsprechend der Mehrebenen-Organisation unterscheidet das strategische Mana­gement gmndsatzlich zwei Planungsebenen (vgl. Abb. 2.1). Die erste Ebene ist die des Gesamtuntemehmens. Hier geht es damm, die zukiinftigen Geschaftsfelder des Untemehmens festzulegen und die begrenzten Ressourcen, wie zum Beispiel Kapi-tal und Personal, auf die einzelnen Geschaftsfelder im Sinne der strategischen Zielsetzung zu verteilen. Die zweite Planungsebene ist die des strategischen Ge-schaftsfeldes. Auf dieser Ebene wird entschieden, wie sich das Untemehmen in den ausgewahlten Geschaftsfeldem positioniert, also mit welchem Marktauftritt und welcher Gesamtkonzeption das Untemehmen seinen Wettbewerbem begegnen wird. Dabei geht man davon aus, dass die untemehmensinteme und -exteme Situa­tion fiir die einzelnen Geschaftsfelder des Untemehmens auBerst unterschiedlich sind und jeweils eine individuelle Strategic erfordem (Karst 1998, S. 11 f; Kotzle 1993, S. 37).

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Unternehmensstrategie

Geschiftsfaldstrategfe 1

Geschiftsfeidstrategle 2

/ Personal

y Beschaffung \ / Produktion %/

^ \ . >

>

Vertrieb \

4

Abb. 2.1: Strategien auf Untemehmens- und Geschaftsfeldebene Quelle: Karst 1998, S. 12

Mit Hilfe strategischer Analysetechniken wird nun gepriift, ob mit den bestehen-den Geschaftsfeldem und der gewahlten Wettbewerbsstrategie auch kiinftig erfolg-reich konkurriert werden kann oder neue Geschaftsfelder gesucht beziehungsweise neue Wettbewerbsstrategien entwickelt werden miissen. Ein weiteres Ziel ist es, die knappen Ressourcen nach Gewinn- und Risikoaussichten in Abhangigkeit von der Markt- und Wettbewerbssituation moglichst optimal zu verteilen, wenn sie altemativen Verwendungen zugefuhrt werden konnen. Diese komplexen Unter-nehmensentscheidungen erfordem den Einsatz leistungsfahiger Fuhrungskonzepti-onen, welche die Untemehmensleitung wirksam unterstutzen. Durch eine entspre-chende Aufbereitung der Fiihrungsinformationen soil das Marketing-Controlling das Entscheiden und Handeln im Untemehmen ergebnisorientiert ausrichten. Aus unverbindlichen Priiflisten, die der Marketing-Controller abarbeiten sollte, hat sich im Laufe der Zeit ein System entwickelt, wodurch sich die zentralen Bestimmungs-faktoren der Attraktivitat des Geschaftsfeldes bestimmen lassen. In diesem Beitrag werden im Folgenden nun die in der Untemehmenspraxis bewahrten Planungs-, Steuerungs- und Kontrolltechniken strategischer Geschaftsfelder vorgestellt (Karst 1998, S. 11 f., Kreilkamp 1987, S. 328, Meffert2000, S. 1131 ff.).

2 Abgrenzungen

Zunachst werden die in Literatur und Praxis iiblichen Defmitionen des relevanten Marktes und der Branche aufgezeigt und es wird die Aufgabe der Marktsegmentie-rung beschrieben. Hieran schlieBt sich ein Uberblick iiber die Abgrenzungsmog-lichkeiten und den geeigneten Aggregationsgrad der strategischen Geschaftsfelder

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2.1 Relevanter Markt und Branche

Die Abgrenzung der relevanten Mdrkte gehort zu den schwierigsten Aufgaben des Marketing-Controllers und beeinflusst in hohem MaB den weiteren Analyse- und Planungsprozess. Es wird daruber entschieden, welche Produktarten welchen Ab-nehmem angeboten werden, wie groC die geographische Ausdehnung des Marktes ist und auf welcher Stufe der vertikalen Integration gearbeitet wird. AuBerdem entscheidet die Definition des Marktes uber wichtige GroBen, die in den Analyse-prozess einflieBen. So sind beispielsweise die Hohe des Marktwachstums und des Marktanteils abhangig von der Definition des Marktes. In einem eng abgegrenzten Markt kann das Untemehmen einen dominierenden Marktanteil haben, wogegen der Marktanteil bei Betrachtung des Gesamtmarktes nur gering ausfallt.

Unter einem relevanten Markt versteht man den Marktbereich, auf dem ein Pro-dukt beziehungsweise eine Leistung im Wettbewerb steht und auf dem die Marke-tinginstrumente ausgerichtet sind. Um diesen Bereich zu bestimmen, wird der Markt nach zeitlichen, raumlichen und sachlichen Gesichtspunkten abgegrenzt.

Die rdumliche Abgrenzung des Marktes kann man dort vomehmen, wo es fur die Abnehmer entweder unmoglich ist oder nur unter Inkaufhahme erheblicher Unbe-quemlichkeiten beziehungsweise unzumutbarer Fracht- und Wegekosten moglich ist, die Produkte auBerhalb dieses Gebietes zu beziehen.

Mit Hilfe der zeitlichen Marktabgrenzung kann das Untemehmen zwischen tat-sachlichen und potentiellen Marktteilnehmem unterscheiden. Bei der Ermittlung der derzeitigen Wettbewerbsposition ist es notwendig, sich auf diejenigen Unter-nehmen zu beziehen, die hinsichtlich der Abnehmergruppe die direkte Konkurrenz bilden. Daruber hinaus sind die potentiellen Konkurrenten fur einen Anbieter von groBer Bedeutung. Diese Untemehmen stellen auf technisch ahnlichen Anlagen unterschiedliche Produkte her und konnen die Anlagen ohne groBen Aufwand umrusten. Obwohl der Marketing-Controller die potentiellen Konkurrenten in das strategische Kalkiil einbeziehen muss, gehoren sie jedoch nicht zu dem in Frage stehenden relevanten Markt, da sie zum Betrachtungszeitpunkt nicht als Anbieter auftreten.

Die sachliche Abgrenzung des Marktes bestimmt sich in erster Linie nach der Art des Produktes. Untemehmen orientieren sich dabei haufig an vorgegebenen Klassi-fikationen, wie sie zum Beispiel von Marktforschungsinstituten im Rahmen der Panel-Erhebungen vorgenommen werden. Letztendlich hat sich die Zuordnung der Produkte zu einer bestimmten Kategorie jedoch an dem Grad der Substituierbar-keit zu orientieren. Je hoher der Substitutionsgrad zwischen zwei Produkten ist, desto ahnlicher sind die Produkte und desto eher gehoren sie zur gleichen Pro-duktkategorie. Aus Abnehmersicht konnen folgende Aspekte der Substituierbarkeit unterschieden werden:

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• Physikalisch-technische Aquivalenz Diese bezeichnet die Gleichheit der Produkte nach Material, Herstellungsver-fahren, Form, technischer Gestaltung und auBeren Eigenschaften.

• Funktionale Aquivalenz Darunter ist die Austauschbarkeit der Produkte vom Standpunkt des spezifi-schen Verwendungszwecks zu verstehen.

• Reaktive Aquivalenz Zur Beurteilung des Verhaltens der Abnehmer kommt es insbesondere auf die subjektive Austauschbarkeit an, das heiBt die Wahmehmung der Produkte in deren Bewusstsein.

Als weitere Moglichkeit zur Bestinmiung der Substituierbarkeit von Produkten kann der Marketing-Controller die Kreuz-Preis-Elastizitat heranziehen. Diese gibt die relative Mengenanderung des Absatzes von Produkt A bei einer relativen Preisanderung von Produkt B an. Sind also bei einer geringen Preisanderung von Produkt B eine betrachtliche Anzahl von Abnehmem dazu veranlasst, das Produkt A zu kaufen, besteht zwischen den Produkten eine hohe Kreuz-Preis-Elastizitat und die Produkte sind dem gleichen sachlichen Markt zuzurechnen (Kreilkamp 1987, S. 93 ff.; Roxin 1992, S. 35 ff.; Meffert 2000, S. 40 f.).

Im Rahmen der Wettbewerbspolitik, welche sich insbesondere mit der Bestim-mung der Marktmacht beziehungsv^eise Marktbeherrschung beschaftigt, wird hau-fig der Begriff "Branche" verwendet. Die strategischen tJberlegungen zur Branche konzentrieren sich gleichermaBen wie die Uberlegungen zum relevanten Markt auf den Bereich wirksamer Konkurrenz des Untemehmens. Daher werden die Begriffe relevanter Markt und Branche innerhalb dieses Beitrages weitgehend synonym verwendet.

2.2 Marktsegmentierung

Die meisten Untemehmen verkaufen ihre Produkte nicht an einen einzigen, son-dem an mehrere verschiedene Abnehmer. In der Regel ist diese dem Untemehmen gegenuberstehende Abnehmergruppe strukturell heterogen. So konnen sich die Kaufer von Konsumgtitem zum Beispiel hinsichtUch der Nachfragemenge, des Einkommens sowie der Ausbildung deutlich voneinander unterscheiden. Ebenso konnen sich die Kaufbedurfhisse der Abnehmer innerhalb eines Marktes unter­scheiden. Dazu zahlen unter anderem das verlangte Niveau des Kundendienstes und die gewunschte Qualitat des Produktes.

Die Frage nach der geeigneten Marktsegmentierung nimmt in der Untemehmens-beziehungsweise Geschaftsfeldanalyse einen hohen Stellenwert ein. Die Markt­segmentierung erlaubt es dem Untemehmen, das Verhalten der Abnehmer und deren GrUnde fur Kauf oder Nichtkauf besser zu verstehen. Dies stellt eine wesent-liche Voraussetzung zur optimalen Befriedigung der Kundenbediirfhisse dar. Au-Berdem konnen die Wettbewerbskrafte des Untemehmens besser analysiert sowie

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die Starken und Schwachen der einzelnen Wettbewerbsprodukte in den Geschafts-feldem identifiziert werden.

Die Aufgabe besteht darin, ein moglichst hohes MaB an Identitat zwischen einer bestimmten Art und Zahl von Abnehmem einerseits und den angebotenen Produk-ten einschlieBlich der Marketingstrategie andererseits zu realisieren. Entsprechend soUte jedes Segment in sich betrachtet moglichst homogen und im Vergleich zu anderen Segmenten moglichst heterogen sein. Durch die Segmentierung erfolgt somit eine Aufteilung des Marktes in klar abgegrenzte Untergruppen von Abneh­mem. Durch ein auf die jeweiligen Ansprtiche und Erwartungen der Kundengrup-pen zugeschnittenes Angebot ist es dann moglich, die spezifischen Bedtirfiiisse zu erfullen.

Ein weiterer Grund zur Durchfuhrung einer Marktsegmentierung ist, dass die Segmente unterschiedlich auf Veranderungen bestimmter Variablen des Marktes reagieren. Ftir Marktanalysen ist es erforderlich, die Strukturen, GesetzmaBigkei-ten und Abhangigkeiten der verschiedenen Segmente zu kennen, um Auswirkun-gen von Veranderungen bestimmter Variablen auf die Nachfrage abschatzen zu konnen. Die Marktsegmentierung erhoht daher die Transparenz des Marktes und lasst Chancen und Risiken besser erkennen. SchlieBlich fiihrt die Marktsegmentie­rung dazu, dass das Untemehmen sein Marketingbudget entsprechend der Situati­on in den einzelnen Segmenten des Marktes effizienter aufteilen kann.

Allgemeine Kaufermerkmaie

Geographisch: Land, Stadt, Klima, Religion

Sozio-demographisch: Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Einkom-men, Haushaltsgrofte, soziale Schicht

Psychographisch: Lebensstil, Personlichkeit

Produktbezogene Verhaltensmerkmale

Produktanforderung: Einstellungen und Erwartungen aktueller und po-tentieller Konsumenten gegenuber den Produkten

Kaufverhalten: Einkaufsquellen, Verbrauchslntensitat, Kaufhaufigkeit

Reaktion auf Marketinginstrumente: Markenbekanntheit, Markenimage, Loyalitat, Preissensibilitat

Abb. 2.2: Kriterien zur Marktsegmentierung

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Der Marketing-Controller sollte im Rahmen der Segmentierung zwischen Markter-fassung und Marktbearbeitimg unterscheiden. Die Markterfassung zielt auf eine Identifizierung und Abgrenzung homogener Abnehmergruppen ab, welche die Voraussetzungen fiir eine erfolgreiche Marktsegmentierung erfuUen. Die darauf aufbauende differenzierte Marktbearbeitung hat die Entwicklung von differenzier-ten Oder konzentrierten Marktbearbeitungsstrategien zum Gegenstand. Abbildung 2.2 gibt einen Uberblick tiber die Kriterien zur Marktsegmentierung (Kreilkamp 1987, S. 101 ff.).

2.3 Strategisches Geschaftsfeld

Die Frage der Abgrenzung des strategischen Geschaftsfeldes bezieht sich auf das identifizierte Aktivitatsfeld, also den strategisch relevanten Markt. Unter strategi­schen Geschdftsfeldern sind homogene Umweltsegmente zu verstehen, die durch die Moglichkeit spezifischer MaBnahmen zur Schaffiing oder Erhaltung extemer Erfolgspotenziale gekennzeichnet sind und sich deutlich von anderen Segmenten unterscheiden. Somit zerlegt der Marketing-Controller das gesamte untemehmeri-sche Tatigkeitsfeld in einzelne Tatigkeitsbereiche und versucht so, die Komplexi-tat der Planungsaufgabe zu reduzieren.

Die Bildung strategischer Geschaftsfelder steht in einem engen Zusammenhang mit der Marktsegmentierung. Beide Konzepte zerlegen den Gesamtmarkt in intern homogene und extern heterogene Teilmarkte. Bin Unterschied liegt aber im Ag-gregationsniveau. Bei der Bildung strategischer Geschaftsfelder wird auf relativ grobe, zumeist direkt beobachtbare Kriterien zuruckgegriffen. Nach Festlegung der Geschaftsfelder erfolgt im Rahmen der Marktsegmentierung eine weitere Dif-ferenzierung nach unterschiedlichen Abnehmergruppen (Karst 1998, S. 28; Mef-fert 2000, S. 235).

Bin weit verbreiteter Ansatz zur Geschaftsfeldabgrenzung ist der AbelVsche Rah­men, der eine Weiterentwicklung der klassischen Produkt-Markt-Matrix darstellt. Dabei handelt es sich um einen dreidimensionalen Bezugsrahmen mit den Abgren-zungsdimensionen Kundengruppe, Kundenbediirfiiisse und Technologien. Die Dimension Kundengruppe legt fest, wessen Bedurfiiisse angesprochen werden sollen. Hier kann das Untemehmen auf eine ahnliche Vorgehensweise wie bei der Marktsegmentierung zuriickgreifen. Bs werden Marktsegmpnte gebildet, die im Hinblick auf ihre Bediirfiiisse und ihr Kaufverhalten moglichst homogen sind. Die Dimension Kundenbedurfnisse grenzt dagegen ab, welche der Bedurfiiisse der potentiellen Kunden befiriedigt werden sollen. Ansatzpunkt sind die verschiedenen Funktionen, die das anzubietende Produkt beziehungsweise die Produktgruppe erfiillen kann. SchlieUlich beschreibt die Abgrenzungsdimension Technologien die moglichen Wege, wie die Abnehmerbedurfiiisse befi*iedigt werden konnen. Die Abbildung 2.3 zeigt beispielhaft die Abgrenzung des strategischen Geschaftsfeldes eines Verlagsuntemehmens mit Hilfe des beschriebenen dreidimensionalen Rah-mens (Kotler/Bliemel 2001, S. 116 f; Benkenstein 2002, S. 30 ff).

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Kunden-bediirfnisse

Nachrichten

Weiterbildung

Unterhaltung

Druck-medien

Internet

Akkust. Medien

Technologie

-t-Haus-halte

Unterne Offentl. hmen Verwal-

tung

_ ^ Kunden-gruppen

Abb. 2.3: Dimensionen des Geschaftsfeldes eines Verlagsuntemehmens Quelle: Kotler/Bliemel 2001, S. 116

Zur Konkretisierung der Dimensionen soUte der Marketing-Controller zunachst von einem relativ hohen Abstraktionsgrad ausgehen und diese stufenweise weiter eingrenzen. Durch eine solche Vorgehensweise wird auch eine Berticksichtigung potentieller Geschaftsfelder erreicht, da Produkt-Markt-Kombinationen mit hohem Erfolgspotenzial nicht von vomherein ausgeschlossen werden.

Die raumliche Abgrenzung strategischer GescMftsfelder wird in dem dargestellten dreidimensionalen Bezugsrahmen vemachlassigt, obwohl ihr eine zunehmende Bedeutung zukommt. Untemehmen sind bei sich stetig verkurzenden Produktle-benszyklen und stetig steigendem Investitionsbedarf gezwungen, ihre Produkte in moglichst vielen Landem beziehungsweise Regionen abzusetzen, um die Amorti-sationsdauer zu verkiirzen. Zusatzlich sind in vielen Branchen die raumlichen Markteintrittsbarrieren relativ gering, so dass neue Wettbewerber eintreten, die das Marktpotenzial zusatzlich ausschopfen. Bei der raumlichen Abgrenzung sollten die Regionen beziehungsweise Lander voneinander abgegrenzt werden, innerhalb deren Grenzen landerspezifische Kaufgewohnheiten und Absatzrisiken zu beo-bachten sind (Benkenstein 2002, S. 27 ff.; Meffert 2000, S. 237 f.).

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18

2.4 Strategische Geschaftseinheit

Im Unterschied zu den strategischen Geschaftsfeldem, die eine Segmentierung der Umwelt vomehmen, zielen strategische Geschdftseinheiten auf eine Segmentie­rung innerhalb des Untemehmens ab und stellen selbstandige Organisationseinhei-ten dar. Im Planungsprozess liegt die Institutionalisierung strategischer Geschafts-einheiten zeitlich nach der Definition strategischer Geschaftsfelder. Wie aus Ab-bildung 2.4 ersichtlich, kann eine strategische Geschaftseinheit (SGE) ein oder mehrere strategische Geschaftsfelder (SGF) bearbeiten.

Umwelt

Abgrenzungs-Kriterien

Orientierung

Aniass der Differenzierung

Ursachen der Differenzierung

Strategisches Geschaftsfeld

- Umweltorientierung

- Marksegmentierung

- Gezielte Marktbearbeitung

- Reduktion der Komplexitat

- Strategieformulierung

Strategische Geschaftseinheit

- Binnenorientierung

- Bildung organisatorischer Einheiten

- Ressourcenzuteilung

- Schaffung von Zustandigkei-ten fur die Formulierung, Prazisierung und Ausfiihrung spezifischer Strategien

Abb. 2.4: Abgrenzung zwischen strategischem Geschaftsfeld und strategischer Geschaftseinheit Quelle: Karst 1998, S. 29

Durch die Untergliederung des Gesamtuntemehmens in selbstandige Geschafts-einheiten wird ein hSherer Dezentralisierungsgrad erreicht, der die Untemehmens-flihrung entlastet und den spezifischen Herausforderungen der Markte besser ge-recht wird. Die strategischen Geschaftseinheiten gewahrleisten ein hohes MaB an Flexibilitat, um den Anforderungen sowie den Chancen und Gefahren der Markte besser gerecht zu werden. Es sollen Wettbewerbsvorteile gegentiber der Konkur-

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renz erzielt werden, um die Wettbewerbsposition des Untemehmens in alien Teil-bereichen zu starken und ein hohes MaB an Stabilitat fiir das gesamte Untemeh-men zu gewahrleisten (Karst 1998, S. 29; Kilian 1991, S. 229, Kuppel 1993, S. 45; Meffert 2000, S. 238).

Ein Teilbereich der Untemehmung ist nur dann eine strategische Geschaftseinheit, wenn dieser erstens das Kriterium des extemen Marktes und zweitens das Kriteri-um der Unabhangigkeit erfullt (Hinterhuber 2004, S. 150):

1. Der Teilbereich operiert in einem weitgehend untemehmensextemen und ho-mogenen Marktsegment (Kriterium des extemen Marktes).

2. Der Teilbereich kann weitgehend unabhangig von anderen Geschaftseinheiten strategisch agieren (Kriterium der Unabhangigkeit).

In jedem Fall muss der Marketing-Controller prufen, ob sich die marktorientierte Definition strategischer Geschaftsfelder in Form klarer Kompetenzen und Verant-wortungen fur deren Bearbeitung innerhalb der Organisation widerspiegelt. Der Beziehung zwischen der Gesamtuntemehmensfuhrung und der Ftihrung strategi­scher Geschaftseinheiten kommt eine hohe Bedeutung zu. Eine weitgehende Ei-genstandigkeit beziehungsweise Dezentralisierung der strategischen Geschaftsein­heiten bei alien fiir deren Entwicklung wesentlichen Entscheidungen fuhrt haufig zu einer Verbesserung der Rentabilitat und des Markterft)lges der Geschaftseinhei­ten (Meffert 2000, S. 238 f.).

Zusammenfassend konnen strategische Geschaftseinheiten durch folgende Krite-rien gekennzeichnet werden (Hinterhuber 2004, S. 150 f; Schulz 1988, S. 109 ff):

Eigenstdndigkeit der Marktaufgabe Die Geschaftseinheit hat eine eigenstandige Marktaufgabe, welche unabhangig von der Marktaufgabe anderer Geschaftseinheiten ist.

Gesellschaftsrelevanz der Marktaufgabe Die Geschaftseinheit hat zur Losung gesellschaftlich relevanter Probleme bei-zutragen.

Abhebung von der Konkurrenz Die Geschaftseinheit hat eine eindeutig identifizierbare Wettbewerbsposition und unterscheidet sich von den Konkurrenten durch ihre Kemkompetenzen.

• Erreichbarkeit relevanter Wettbewerbsvorteile Die Geschaftseinheit hat im betreffenden Marktsegment einen relativen Wett-bewerbsvorteil oder kann diesen aufbauen. Zur Erreichung der Wettbewerbs­vorteile muss es moglich sein, eigenstandige Ziele, Strategien und MaBnahmen zu erarbeiten.

• Relative Unabhangigkeit der Entscheidungen Die Geschaftseinheit ist fur die Planung selbst verantwortlich. Entscheidungen fur die Realisierung strategischer Ziele sind unabhangig von anderen Ge­schaftseinheiten zu treffen. Hierzu zahlen zum Beispiel Entscheidungen in Be-zug auf Investitionen, Cash-Flow und MarketingmaBnahmen.

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20

• Fuhrungseffizienz Die Geschaftseinheit wird von einer Person geleitet, die in der Lage ist, alle fiir den Erfolg erforderlichen Entscheidungen zu treffen und Controlling-MaBnahmen durchzufuhren. Die Fuhmngskraft hat im Rahmen genehmigter Plane die Entscheidungsbefiignis uber Produktion, Personal, Finanzierung so-wie Marketing und Vertrieb.

• Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens Die Geschaftseinheit ist in ihren Marktsegmenten ergebnisorientiert zu fiihren und hat einen Beitrag zur Wertsteigerung des gesamten Unternehmens zu leis-ten.

2.5 Aggregationsgrad strategischer Geschaftseinheiten

Innerhalb der beschriebenen Dimensionen kann nun eine enge oder weite Abgren-zung der strategischen Geschaftseinheiten vorgenommen werden. Die Bildung der Geschaftseinheiten soil es dem Marketing-Controller erlauben, die divergenten Geschaftsfelder im Rahmen der Gesamtuntemehmensbetrachtung aufeinander abzustimmen und zu planen. Aus Griinden der Ubersichtlichkeit und der klaren Prioritatenabgrenzung ist es erft)rderlich, eine uberschaubare Zahl von Geschafts­einheiten zu bilden. Sollte ein Untemehmen eine Vielzahl von Geschaftseinheiten einflihren, flihrt dies zwangslaufig dazu, dass die zur Verfligung stehenden Res-sourcen zersplittert werden.

Bei der Frage nach dem geeigneten Aggregationsgrad ist also einerseits die Unter-schiedlichkeit der Gegebenheiten in der Untemehmensumwelt und andererseits die Interdependenz zwischen den Ressourcen innerhalb der Untemehmung von Rele-vanz. Produkte mit unterschiedlichen fiinktionalen Aufgaben definieren in der Regel unterschiedliche Geschaftsfelder, da hier auch verschiedene Wettbewerber auftreten. So empfiehlt es sich fiir Untemehmen mit einem relativ heterogenen Produktprogramm in verschiedenen Marktsegmenten, die Schaffiing mehrerer strategischer Geschaftseinheiten als Planungseinheiten vorzunehmen. Auf der anderen Seite sind aber auch die Beziehungen zwischen den Ressourcen innerhalb des Unternehmens zu berucksichtigen, also die Interdependenzen zwischen unter­schiedlichen Geschaftseinheiten. Inhaltlich wichtige Zusammenhange zwischen Entscheidungskomplexen soUten nicht auseinandergerissen werden. Ressourcenin-terdependenzen liegen zum Beispiel vor, wenn mehrere Geschaftseinheiten eines Unternehmens auf die gleichen Betriebsmittel, Werkstoffe, Arbeitskrafte etc. zu-ruckgreifen.

Der Aggregationsgrad strategischer Geschaftseinheiten wird auch von der Strate­gic determiniert. Die Geschaftseinheiten sind die Planungseinheiten, fur die spe-zielle Strategien formuliert werden sollen. Sind die Geschaftseinheiten auf einer hohen Ebene aggregiert, so flihrt dies zwangslaufig dazu, dass keine differenzier-ten Strategien auf dem Markt wirksam werden konnen. Die Notwendigkeit einer differenzierten Marktbearbeitung flihrt aber tendenziell dazu, eine Vielzahl von Geschaftseinheiten zu bilden. Ebenso bedingen Strategien, die auf einen Preis- und

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21

Kostenvorteil gegeniiber den Konkurrenten basieren, dass durch moglichst groBe Untemehmenseinheiten Erfahrungskurveneffekte (siehe Abschnitt 3.1.2) realisiert werden konnen (Benkenstein 2002, S. 27 ff.; Karst 1998, S. 30 f.).

Die wichtigsten Grunde fiir eine hohe beziehungsweise niedrige Aggregationsebe-ne sind in Abbildung 2.5 zusammengestellt. Diese sind gegeneinander abzuwagen, um fur die jeweilige untemehmensspezifische Situation die geeignete Aggregati-onsstufe zu wahlen (Kreilkamp 1987, S. 328).

Hohe Agqreqationsstufe

Ubersichtlichkeit auf Gesamtunternehmensebene.

Selbstandige Verfugbarkeit uber Untemehmensressourcen.

Economics of Scale und Synergiepotenziale in den Unternehmensbe-reichen (F&E, Produktion etc.).

Verhandlungsstarke gegenuber dem Handel.

Niedrige Aggregationsstufe

Obersichtlichkeit Innerhalb der strategischen Geschaftselnhelt.

Umsetzung differenzierter Strategien.

Entwicklung spezifischer Fertigkelten.

Reduzierung des Wettbewerbs durch weitgehende Marktsegmentierung.

Abb. 2.5: Grunde fur eine hohe und niedrige Aggregationsstufe strategischer Geschaftseinheiten

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22

3 Techniken der Geschaftsfeld- und Branchenanalyse

In diesem Kapitel werden bedeutende Methoden ftir die strategische Geschafts­feld- und Branchenanalyse skizziert. Zunachst wird die Portfolioanalyse beschrie-ben und deren Einsatzmoglichkeiten aufgezeigt. Darauf folgt die Darstellung der Verfahren der Wertkettenanalyse und der Wettbewerbsanalyse. Die Betrachtung der in der Untemehmenspraxis weit verbreiteten SWOT-Analyse schlieBt dann dieses Kapitel ab.

3.1 Portfolioanalyse

3.1.1 Vorbemerkung

Die Portfolioanalyse ist eines der im Marketing-Controlling am haufigsten einge-setzten Instrumentarien fiir die strategische Planung. In Analogic zur Bestimmung eines optimalen Wertpapierportfolios im Finanzbereich wird das Untemehmen als ein Portfolio aufgefasst, das heifit als cine Gesamtheit von strategischen Ge-schaftseinheiten. Im Mittelpunkt der Portfolioanalyse steht die Frage nach der optimalen Verteilung der vorhandenen Ressourcen auf die verschiedenen Ge-schaftseinheiten und wie das Verhaltnis der Geschaftseinheiten zueinander strate-gisch bestimmt werden soil (Nieschlag et al. 2002, S. 118).

Zur Analyse dieses Entscheidungsproblems sind verschiedene Portfoliomodelle entwickelt worden, welche dem Marketing-Controller dazu verhelfen

• die Chancen und Risiken der Umwelt sowie die Starken und Schwachen der strategischen Geschaftseinheiten durch ein System von Einflussfaktoren zum Ausdruck zu bringen,

• die komplexen okonomischen Zusammenhange auf zwei GroBen zu reduzieren,

• einen direkten Vergleich der unterschiedlichen Geschaftseinheiten vorzuneh-men und

• eine eindeutige Strategieempfehlung in Form von sogenannten Normstrategien fiir jede strategische Geschaftseinheit zu geben (Karst 1998, S. 83; Meffert 2000, S. 249).

In der aufgestellten zweidimensionalen Matrix der Portfolioanalyse kann die Un-temehmensleitung zumeist eine Achsendimension direkt beeinflussen, wogegen die andere Dimension am Markt orientiert ist und somit nicht oder nur indirekt von der Untemehmensleitung beeinflusst werden kann. Die theoretische Basis fur die Auswahl der Dimensionen liefert der lemtheoretisch begriindete Erfahrungskur-veneffekt, welcher folgend dargestellt wird (Meffert 2000, S. 251; Macharzina 2003,8.312).

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23

3.1.2 Erfahrungskurveneffekt

In einer Vielzahl von Untemehmen in unterschiedlichen Branchen hat die Boston Consulting Group die Abhangigkeit der Stuckkostenentwicklung von der produ-zierten Menge uberpriift und als Ergebnis eine Schatzung der lembedingten Stuck-kostensenkung vorgenommen. Danach ist davon auszugehen, dass mit jeder Ver-doppelung der im Zeitablauf kumulierten Ausbringungsmenge die Stuckkosten um 20-30% zurUckgehen (vgl. Abb. 2.6). Dieser Zusammenhang wird als Erfahrungs-kurve bezeichnet und ergibt sich aus der Kombination von Spezialisierungs-, In-vestitions-, Lem- und Betriebsgrol3eneffekten (Henderson 1995, S. 419; Machar-zina2003,S.312).

on ZU

15 —

10 —

5 —

*" 1 100.000

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1 200.000

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***^ Erfahrungskurve 1 der Kosten i

1 1 800.000 1

Abb. 2.6: Erfahrungskurve mit logarithmischer Skala Quelle: Kotler/Bliemel 2001, S. 831

Die Erkenntnisse der Erfahrungskurve sind fiir die Analyse strategischer Ge-schaftseinheiten von groBer Bedeutung. Im Kern lassen sich folgende zwei Aussa-gen ableiten:

1. Die Sicherung hoher relativer Marktanteile ist die zentrale Voraussetzung fiir die Erzielung einer hohen Rentabilitat. Auf Grund der Aussage der Erfah­rungskurve ist es bei einem niedrigen Preisniveau und geringen relativen Marktanteil trotz aller Kostensenkungsbemiihungen nicht moglich, Stiickge-winne zu erzielen.

2. Die Sicherung hoher relativer Marktanteile ist in Markten mit hohen Wachs-tumsraten anzustreben, da in diesen Markten die kumulierten Absatzmengen schnell ansteigen und die entsprechenden Erfahrungseffekte deutlich erkennbar werden.

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24

Auf Basis dieser Uberlegung sind der relative Marktanteil als untemehmensinteme und das Marktwachstum als untemehmensexteme GroBe als zentrale Einflussgro-Ben auf den Erfolg und die Entwicklungsmoglichkeiten strategischer Geschaftsein-heiten abgeleitet worden (Hahn 1999, S. 408 f.).

3.1.3 BCG-Portfolio

Das Portfolio der Boston Consulting Group stellt das einfachste und am weitesten verbreitete Portfoliokonzept dar. Die Strategiewahl begrundet sich lediglich aus einer umweltbezogenen und einer untemehmensbezogenen GroUe. Die umweltbe-dingten Chancen und Risiken einer strategischen Geschaftseinheit werden in der Matrix allein durch den Faktor Marktwachstum reprSsentiert. Diese Vorgehens-weise wird durch die Konzepte der Erfahrungskurve und des Produktlebenszyklus unterstutzt, welche einen Zusammenhang zwischen dem Marktwachstum und den Erfolgsgrofien, wie Gewinn, Return on Investment und Cash Flow, empirisch her-leiten. Der relative Marktanteil, das heiBt der eigene Marktanteil im Verhaltnis zu dem starksten Konkurrenten oder hSufig auch das Mittel der drei starksten Kon-kurrenten, reprasentiert die Starken und Schwachen der strategischen Geschafts-einheit. So konnte mit Hilfe der PIMS-Studie (Profit Impact of Market Strategies) ein positiver Zusammenhang zwischen dem relativen Marktanteil und der Rentabi-litat festgestellt werden. Aufierdem haben Untemehmen mit einem hohen Marktan­teil eine entsprechend hohe Produktionsmenge, so dass die Stuckkosten auf Grund des Erfahrungskurveneffektes geringer als bei kleineren Wettbewerbem sind. Im Durchschnitt fiihrt eine Marktanteilssteigerung um 10% zu einer Erhohung des Return on Investment um 5% (Macharzina 2003, S. 312 f.; Bemdt 2004, S. 75; Karst 1998, S. 94).

Mit Hilfe der Trennungslinien bei einem Marktwachstum von 10% pro Jahr und bei einem relativen Marktanteil von 1,0% wird die Matrix in vier Felder zerlegt und zwar in Stars, Question Marks, Cash Cows und Dogs (vgl. Abb. 2.7). Grund-satzlich konnen die Trennungslinien aber auch auf anderem Wege vom Marketing-Controller bestimmt werden und den speziellen Anforderungen des Untemehmens angepasst werden (Karst 1998, S. 85).

Der Marketing-Controller sollte nun alle strategischen Geschaftseinheiten in die Marktanteils-Marktwachstums-Matrix einordnen, um die einzelnen Geschaftsein­heiten beziehungsweise das gesamte Untemehmensportfolio zu beurteilen. Die GroBe des Kreises entspricht der Umsatzhohe der jeweiligen Geschaftseinheit und verdeutlicht damit ihre relative Bedeutung fiir das Untemehmen (Franke/Zerres 1999, S. 95). Die einzelnen Geschaftseinheiten haben je nach Positionierung in der Matrix unterschiedliche Finanzmittelbedarfe und -riickflusse und erfordem unter-schiedliche Normstrategien (Kotler/Bliemel 2001, S. 118; Macharzina 2003, S. 313 ff.):

Page 42: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

25

>10%

Markt-vachstuin i n ^ pro Jahr

<in% ^ lU /O

Stars ^

^ ^—

o y C a s h C o w s ^

O

, Question Marks

o , ,, , ^ 1 ^ 1 O 1

Dogs

^ 1

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o \ i ^ 1 ^

Innovation

Elimination

>1% 1% <1%

Relativer Marktanteil

• Lebenszyklus eines Produktes

Abb. 2.7: Marktanteils-Marktwachstums-Matrix der Boston Consulting Group Quelle: Bea/Haas 1997, S. 137

• Question Marks Bei den Question Marks handelt es sich um strategische GescMftseinheiten, die in Wachstumsmarkten operieren, aber nur iiber einen geringeren relativen Marktanteil verfugen. Viele Geschaftseinheiten sind in der Anfangsphase die-ser Kategorie zuzuordnen, denn das Untemehmen mSchte sich Zutritt in einen wachsenden Markt verschaffen, auf dem sich bereits ein anderes Untemehmen als Marktflihrer etabliert hat. In dieser Kategorie smd hohe Investitionen (An-lagen, AusrUstungen, Mitarbeiter) erforderlich, welche durch den Mittelruck-fluss in der Kegel nicht gedeckt werden. Deshalb spricht man auch haufig von emer negativen Cash-Flow-Bilanz. Die Geschaftseinheiten werden als Question Marks bezeichnet, weil in diesem Stadium noch nicht bekannt ist, ob sie sich zum Star weiterentwickeln oder vorzeitig zum Dog werden. Dem Unsicher-heitsgrad entsprechend bieten sich zwei grundsatzliche Normstrategien an. Werden die Chancen als gut eingeschatzt, das Geschaftsfeld zu einem Star zu Uberfuhren, empfiehlt es sich zu investieren, um zusatzliche relative Marktan-teile zu gewinnen. Anderenfalls soUte sich das Untemehmen schnell aus dem Markt zuruckziehen, also desinvestieren. Auf Grund der begrenzten Ressour-cen werden diese Mittel fur zukunftstrachtige Geschaftsfelder benotigt. Die zu verfolgende Offensivstrategie kann also zur Investitions- oder Desinvestitions-entscheidung fuhren.

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26

• Stars Geschaftseinheiten mit einem hohen relativen Marktanteil auf Wachstums-markten werden als Stars bezeichnet. Dies sind solche Geschaftseinheiten, die als Question Marks Erfolg hatten und eine dominierende Marktstellung errei-chen konnten. Urn die Angriffe von Wettbewerbem abzuwehren und das ge-wonnene Erfolgspotenzial langfi istig zu sichem, sollten weitere Investitionen getatigt werden. Auch in dieser Phase reichen die Mittelriickflusse regelmaBig nicht zu einer vollstSndigen Finanzierung der Investitionen aus. Die Zufiihrung von Finanzmitteln ist aber empfehlenswert, da diese Geschaftseinheiten ktinftig einen positiven Cash Flow erwirtschaften. Die Normstrategie wird als Investi-tionsstrategie bezeichnet.

• Cash Cows Im Laufe der Zeit werden die strategischen Geschaftseinheiten von den Stars zu den Cash Cows des Untemehmens. Dies ist der Fall, wenn die Geschafts­einheiten einen hohen relativen Marktanteil besitzen, aber die Markte nur noch geringfligig wachsen. Trotzdem sich der Markt in der Reifephase befindet, liegt hier ein betrachtliches Ertrags- und Absatzvolumen vor. Das primare Ziel des Untemehmens besteht darin, den hohen Marktanteil zu halten und damit die Verweildauer der Geschaftseinheiten in diesem Stadium zu verlangem. In Ver-bindung mit dem verlangsamten Marktwachstum sind weniger Investitionen er-forderlich und es konnen Mittel freigesetzt werden. Als Normstrategie wird somit eine Abschopfiings- beziehungsweise Gewinnstrategie empfohlen.

• Dogs Bei den Dogs handeh es sich um Geschaftseinheiten, die einen geringen relati­ven Marktanteil aufweisen und in einem schwach wachsenden beziehungsweise stagnierenden Markt tatig sind. Die Umsatzruckflusse reichen kaum mehr zur Deckung der Erhaltungsinvestitionen. Demnach erwirtschaften die Geschafts­einheiten einerseits keine befi*iedigenden Gewinne, binden andererseits aber wertvolle Ressourcen, die moglicherweise gewinnbringender eingesetzt werden konnten, wie zum Beispiel fiir Geschaftseinheiten im Question Mark Stadium. Entsprechend stellt sich die Frage, ob die Vermeidung weiterer Investitionen Oder sogar die Aufgabe der Geschaftseinheit vollzogen werden sollte. Als Normstrategie empfiehlt sich die Desinvestitionsstrategie.

Falsche Zielsetzungen und Strategien konnen das Portfolio erheblich aus dem Gleichgewicht bringen. Einen Fehler wurde das Untemehmen zum Beispiel bege-hen, wenn es von alien Geschaftseinheiten die gleiche Rendite beziehungsweise Wachstumsrate ft)rdem wtirde, denn jede Geschaftseinheit verfligt uber ein indivi-duelles Entwicklungspotenzial und benOtigt spezifische Zielsetzungen. Dariiber hinaus verandem die strategischen Geschaftseinheiten im Laufe der Zeit ihre Posi­tion in der Matrix. Daher sollte der Marketing-Controller auch untersuchen, wie sich die jeweiligen Geschaftseinheiten in der Vergangenheit entwickelt haben und ob Verschiebungen in den kommenden Jahren zu erwarten sind (Kotler/Bliemel 2001, S. 120 f).

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27

3.1.4 McKinsey-PortfoIio

McKinsey entwickelte in Zusammenarbeit mit General Electric ein Multifaktoren-konzept zur Analyse strategischer Geschaftseinheiten. Sie setzen dabei an der Kritik des BCG-Portfolios an, dass die beiden verwendeten GroBen Marktwachs-tum und relativer Marktanteil fur eine realitatsnahe Portfolioplanung nicht ausrei-chen und es sich bei diesen Dimensionen um Bundel vieler EinflussgroUen han-delt, die differenziert benicksichtigt werden sollten (Benkenstein 2002, S. 78 f.; Bemdt 2004,8.80).

Bei dieser Portfoliokonzeption wird jede strategische Geschaftseinheit anhand der zwei Indikatoren MarktattraktivitSt und relativer Wettbewerbsvorteil in der Matrix positioniert. Es ist davon auszugehen, dass der Wettbewerbsvorteil, im Gegensatz zur Marktattraktivitat, von einem Untemehmen beeinflusst werden kann. Diese Indikatoren sind flir die Bewertung geeignet, da sie den Erfolg des Untemehmens wesentlich beeinflussen. Weder kann eine wettbewerbsstarke Geschaftseinheit auf einem unattraktiven Markt noch eine wettbewerbsschwache Geschaftseinheit auf einem attraktiven Markt besonders erfolgreich sein (Kotler/Bliemel 2001, S. 121).

Fur die Anwendung dieser Portfolioanalyse ist die richtige Operationalisierung der Indikatoren Marktattraktivitat und relativer Wettbewerbsvorteil von groBer Bedeu-tung. Zunachst sind vom Marketing-Controller moglichst alle Faktoren zu ermit-teln, welche auf die Indikatoren Einfluss haben (Trummer 1990, S. 106 f). Im Allgemeinen werden dabei die in der PIMS-Studie bestStigten qualitativen und quantitativen Einflussfaktoren auf den Return on Investment ausgewahlt und als BestimmungsgroBen herangezogen. Die PIMS-Studie des Strategic Planning Insti­tutes der Harvard Business School zielt auf die empirische Ermittlung branchen-tibergreifender Einflussgr56en des Untemehmenserfolges ab, der uber den Return on Investment und den Cash Flow operationalisiert wird. Durch das PIMS-Projekt konnten 37 Erfolgsfaktoren ermittelt werden, die ungefahr 80% der Unterschiede in der Kapitalrentabilitat der untersuchten Untemehmen erklaren.

Zur Bestimmung der Marktattraktivitat werden somit die vier EinflussgroBen MarktgroBe, Marktqualitat, Versorgung mit Energie und Rohstoffen sowie Um-weltsituation herangezogen, die sich jeweils wiederum aus mehreren Faktoren zusammensetzen. Der relative Wettbewerbsvorteil wird durch die vier Einfluss­groBen Marktposition, Produktpotenzial, F&E-Potenzial sowie Qualifikation der Fuhrungskrafte und Mitarbeiter bestimmt. Diese Kriterien sind in Bezug zu den starksten Wettbewerbem zu setzen. Die Auswahl der geeigneten Faktoren sollte situationsabhangig erfolgen und den jeweiligen Branchencharakteristika angepasst werden (Macharzina 2003, S. 321 ff).

Nach Ermittlung der relevanten Kriterien sind diese hinsichtlich ihres Zielbeitrages zu gewichten, denn es ist davon auszugehen, dass nicht alle Einzelkriterien die gleiche Bedeutung bei der Bestimmung der Marktattraktivitat und des Wettbe-werbsvorteils haben. Die situative Bestimmung der Kriterien und ihre Gewichtung findet in der Regel durch Diskussion des Marketing Controllers mit den verschie-denen divisionalen beziehungsweise fimktionalen Bereichen statt, wobei auch die

Page 45: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

28

zentralen Stabsabteilungen oder exteme Mitarbeiter einbezogen werden sollten. Im Sinne einer moglichst groBen Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit sollte sowohl der Kriterienkatalog als auch die Gewichtung der Einzelkriterien fiir die Beurtei-lung aller Geschaftseinheiten des Untemehmens giiltig sein (Kreilkamp 1997, S. 491 ff).

AnschlieBend erfolgt die Bewertung der Markte und strategischen Geschaftsein­heiten anhand der gewichteten Kriterien und die Aggregation zu je einem Wert ftir die Marktattraktivitat und den relativen Wettbewerbsvorteil. Abbildung 2.8 veran-schaulicht die Ermittlung der Werte anhand eines beispielhaft entworfenen Fakto-renkatalogs. Diese dienen schlieBlich der Positionierung der Geschaftseinheiten in der Matrix. Die Matrix ist in neun Felder unterteilt, welchen jeweils verschiedene Normstrategien zuzuordnen sind (vgl. Abb. 2.9). Grundsatzlich sind dabei drei Arten von Normstrategien zu unterscheiden (Trummer 1990, S. 108 f.; Benken-stein 2002, S. 82 ff.):

• Investitions' und Wachstumsstrategien sind ftir die attraktiven Geschaftseinhei­ten anzuwenden, die sich oben rechts in der Matrix befinden. Diese Geschafts­einheiten reprasentieren ein hohes, zukunftstrachtiges Erfolgspotenzial. Die vorhandene Wettbewerbsposition soil durch Investitionen weiter ausgebaut werden und dementsprechend kann ihre Gewinnsituation negativ sein.

• Bei den strategischen Geschaftseinheiten unten links in der Matrix empfiehlt sich die Abschopfungs- oder Desinvestitionsstrategie. Hier lassen sich langfi*is-tig keine hohen Gewinne erzielen, weil sowohl Marktattraktivitat als auch rela-tiver Wettbewerbsvorteil mittel bis schwach sind. Je nach Gewinnsituation soll­te entweder sofort desinvestiert oder vorerst liquide Mittel abgeschopft werden.

• In den drei diagonalen Feldem sind solche Geschaftseinheiten positioniert, bei denen das Untemehmen mit selektiven Strategien unter Beachtung der Ge­winnsituation vorgehen sollte. Die Felder sind in ihrer Struktur so heterogen, dass sich keine einheitliche Strategic empfehlen lasst. Daher wurden drei ver­schiedene Arten von selektiven Strategien entwickelt: Offensivstrategie, De-fensivstrategie und Ubergangsstrategie. Bei Geschaftseinheiten mit geringem Wettbewerbsvorteil in einem sehr attraktiven Markt sollte die Offensivstrategie angewendet werden. Das heiBt, es ist eine klare Entscheidung zwischen einer radikalen Verbesserung der Wettbewerbssituation oder einer Aufgabe der Ge-schaftseinheit zu treffen. Die Defensivstrategie empfiehlt sich bei niedriger Marktattraktivitat und hohem Wettbewerbsvorteil und verfolgt das Ziel, durch angemessene Investitionen das vorhandene Gewinnpotenzial mittelfristig aus-zuschopfen. Eine Ubergangsstrategie sollte bei strategischen Geschaftseinhei­ten angewendet werden, die sich in dem Mittelfeld der Matrix befmden. In die-sem Fall ist eine horizontale Verschiebung der Geschaftseinheit innerhalb der Matrix anzustreben. Dies kann durch eine Verbesserung der Wettbewerbsposi­tion oder durch RUckzug aus dem Markt geschehen.

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29

1 Marktattraktivitat

1. Marktpotential

a) MarktgroGe

b) Marktwachstum

2. Marktsruktur

a) Wettbewerber

- Zahl der Wettbewerber

- GroUe der Wettbewerber

- Marktzutrittsschranken

b) Lieferanten

-Verhandlungsstarke

- Storanfalligkeit

- Faktorpreise

c) Abnehmer

- Verhandlungsstarke

- Produktbindung

- Preissensitivitat

3. Beschaffenheit des Gutes

Summe

gering

1 2

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Bewertung

3 4 5 6 7 8

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Gewich-

tung

0,15

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0,15

0,15

1,00

Gewichtete Werte

A 1 B 1 C

1,20

1,80

1,40

1,05

1,05

1,35

7,85

0,60

1,40

1,60

0,90

0,45

1,05

6,00

0,75

0,20

0,40

0,45

0,75

0,45

3,00 1

Relative

Wettbewerbsvorteile

1. Beschaffung

2. Produktion

3. Absatz

4. Kapital

5. Personal

6. Technologie

7. Information

8. Organisation

9. Unternehmenskultur

[Summe

gering

1 2

/ 4

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3

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Bewertung

4 5 6 7 (

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Gewich-

tung

0,075

0,125

0,10

0,125

0,10

0,125

0,125

0,125

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G

A

0,60

0,875

0,60

1,00

0.80

1,00

1,125

1,25

0,90

8,15

Bwichtc Werte

B

0,225

0,50

0,40

0,875

0,80

0,75

0,75

0,625

0,80

5,725

»te

c

0,375

0,50

0,60

0,375

0,30

0,375

0,25

0,125

0,10

3,00 1

Geschaftseinheit A Geschaftseinheit B Geschaftseinheit C

Abb. 2.8: Ermittlung der Marktattraktivitat und des relativen Wettbewerbsvorteils Quelle: Bea/Haas 1997, S. 140

Page 47: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

30

i

Markt-attraktivitat

^hoch

mittel

gering

(

Wertschopfung

o r •%

Zone der Mittelfreisetzung

o Zone der

Mittelbindung

C)

gering mittel hoch •

1 A

Ressourcen Verbrauch

Relative Wettbewerbsvorteile

( ^ Investitions- und Wachstumsstrategien

@ Selektive Strategien

M Abschopfungs- Oder Desinvestitionsstrategien

Abb. 2.9: Marktattraktivitats-Wettbewerbsvorteils-Matrix Quelle: Meffert 2000, S. 252

Im Idealfall einigen sich Untemehmensleitung und Management der Geschaftsein-heiten iiber Zielsetzungen und Strategien sowie Hohe des Budgets. Die daraus resultierende Zielvorgabe fur den Marketing-Manager muss nicht immer eine Um-satz- beziehungsweise Marktanteilssteigerung sein. So ware auch eine Haltung des Umsatzes mit geringsten Marketingmitteln oder Abschopfung liquider Mittel mog-lich.

Ftir jede strategische Geschaftseinheit sollte auch eine Zukunftsbetrachtung durch-gefuhrt werden, wobei die voraussichtliche Position in drei bis funf Jahren prog-nostiziert wird. Hierbei sollten unter anderem der Produktlebenszyklus, die Strate­gien der Konkurrenz und die wirtschaftliche Entwicklung berucksichtigt werden (Kotler/Bliemel2001, S. 124).

Page 48: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

31

3.1.5 Bewertung der Portfolioanalyse

Als wesentliche Starke der Portfolioanalyse kann insbesondere die Anschaulich-keit und Einfachheit der Handhabung herausgestellt werden. Weitere Vorteile sind, dass der Marketing-Controller

• neben quantitativen auch qualitativ fassbare Einflussfaktoren der Untemeh-menssituation berucksichtigt,

• sich uber die Bedeutung der verschiedenen Einflussfaktoren Klarheit ver-schafft,

• eine effizientere Kommunikation zwischen der Untemehmensleitung und den einzelnen Geschaftsbereichen herstellt,

• Informationslucken und anstehende Probleme schnell ausmacht,

• Empfehlungen hinsichtlich der Elimination schwacher und gezielten Forderung vielversprechender Geschaftseinheiten gibt.

Bei der Anwendung des Portfolio-Instrumentariums konnen sich jedoch auch Probleme ergeben. Insbesondere ist zu bemangeln, dass die Portfoliokonzeption nur ansatzweise Losungen zur Bewaltigung nachfolgender Probleme bereitstellt (Kotler/Bliemel 2001, S. 124 f; Macharzina 2003, S. 318 ff; Nieschlag et al. 2002, S. 147 ff.):

• Die Ergebnisse der Portfolioanalyse hangen stark von den Bewertungen und Gewichtungen einzelner Faktoren ab, so dass sie weitgehend vom subjektiven Urteil der Anwender abhangig ist. Dadurch besteht die Moglichkeit, eine stra-tegische Geschaftseinheit auf eine gewUnschte Position in der Matrix hinzuma-nipulieren.

• Die Pramisse der Existenz homogener strategischer Geschaftseinheiten wird haufig als unrealistisch angesehen. In der Portfoliokonzeption berucksichtigt man aber keine Interdependenzen zwischen den einzelnen Geschaftsbereichen und trifft davon unabhangige Entscheidungen.

• Die Reaktionsmoglichkeiten der Konkurrenten finden ublicherweise keine hinreichende Berucksichtigung. Auch bleiben durch den ausschliefilichen Ver-gleich des Untemehmens mit den starksten Wettbewerbem kleinere, aggressive Konkurrenten unberucksichtigt.

Auf Grund der an der Portfolioanalyse geauBerten Kritik und der popular gewor-denen Wettbewerbsstrategien von Porter (siehe Abschnitt 3.3) wurden zahlreiche Variationen der bestehenden sowie neue Portfoliokonzepte entwickelt. Hierzu zahlen das "Strategische Spielbrett" von McKinsey und die "Outpacing Strategies" von Gilbert/Strebel (Nieschlag et al. 2002, S. 149).

Page 49: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

32

3.2 Wertkettenanalyse

Im Rahmen der Wertkettenanalyse werden vom Marketing-Controller die strategi-schen Wettbewerbsvorteile identifiziert, um anschlieBend Strategien zum Auf- und Ausbau dieser Wettbewerbsvorteile abzuleiten. Dafiir sind die strategischen Ge-schaftseinheiten in ihren Grundfiinktionen als Ganzes zu betrachten.

Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass sich der Wettbewerbsvorteil, den ein Un-temehmen gegenuber der Konkurrenz besitzt, in einem hoheren Nutzen bezie-hungsweise Wert niederschlagt, den die Kunden dem angebotenen Produkt bei-messen. Dieser Wert wird iiber den Preis transparent, den die Abnehmer fiir das Produkt zu bezahlen bereit sind. Das Ertragspotenzial einer strategischen Ge-schaftseinheit kann folglich als Differenz zwischen dem Preis und den durch wert-schopfende Aktivitaten verursachten Stuckkosten bestimmt werden. Der Wert wird somit durch die Aktivitaten aller betrieblichen Funktionen geschaffen.

Im Mittelpunkt der Analyse haben die einzelnen wertschopfenden Aktivitaten zu stehen. Diese beeinflussen entweder die Kostensituation der strategischen Ge-schaftseinheit und leisten damit einen Beitrag zur Erzielung von Kostenvorteilen Oder sie bilden die Grundlage zur Erreichung von Differenzierungsvorteilen. Durch eine isolierte Betrachtung der wertschopfenden Aktivitaten sollen alle Be-reiche ermittelt werden, in denen die Wettbewerbsvorteile entstehen.

Abbildung 2.10 zeigt das Modell der Wertkette am Idealtyp einer strategischen Geschaftseinheit. Die Wertkette fiihrt die einzelnen Wertaktivitaten auf, welche der Geschaftseinheit zuzuordnen sind. Daruber hinaus stellt sie die Gewinnspanne dar, die durch den Wert der Leistung auf der einen und den Kosten der Leistungs-erstellung auf der anderen Seite entsteht. Der Marketing-Controller unterteilt die Wertaktivitaten in primare und sekundare Aktivitaten. Unter den primaren Aktivi­taten sind solche betrieblichen Funktionen zu verstehen, die unmittelbar mit dem physischen Durchlauf des Produktes verbunden sind, wie zum Beispiel Eingangs-logistik, Fertigung, Vertrieb und Kundendienst. Die sekundaren Aktivitaten stellen dagegen die unterstutzenden Tatigkeiten dar, welche Vorsorgeleistungen fiir die primaren Aktivitaten und vor allem deren Steuerung zum Gegenstand haben. Hier-zu zahlen beispielsweise Beschaffung, Personalwesen, Technologieentwicklung sowie die gesamte Untemehmensinfrastruktur.

Bei der Unterteilung der wertschopfenden Aktivitaten muss keine Ubereinstim-mung mit den institutionalisierten Abteilungen der Geschaftseinheit gegeben sein, denn es handelt sich hier um eine abteilungstibergreifende Zusammenfassung aller strategisch relevanten Aktivitaten, die im Zusammenhang mit der Basisftinktion anfallen. So kann beispielsweise die Abteilung Marketing/Vertrieb auch die damit in Zusammenhang stehenden Personaleinstellungen oder Aufgaben des Marketing-und Vertriebs-Controlling umfassen.

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r Sekundare Aktivitaten

L

Untemehmensinfrastruktur (z. B. Finanzen, Planung)

Eingangs-logistik

Personalwesen

Techriologieentwi(|5klung

peschaffun^

Leistungs- Distribu-erstellung nionslogistik & Vertrieb

Marketing Kunden-dienst

-Primare Aktivitaten-

Abb. 2.10: Wertkette Quelle: Benkenstein 2002, S. 96

Nach Aufstellung der Wertkette fur die strategische Geschaftseinheit sind solche Aktivitaten isoliert zu betrachten, die entweder durch ein hohes Differenzierungs-potenzial oder durch einen betrachtlichen Kostenanteil gekennzeichnet sind. In diesem Zusammenhang wird untersucht, durch welche Wertaktivitaten dem Kun-den im Vergleich zur Konkurrenz ein zusatzlicher Nutzen entsteht, fiir den er zu bezahlen bereit ist. Die Wertkette ist somit ein Instrument zur Abnehmeranalyse. Auf der anderen Seite stellt die Wertkette ein Instrument zur Kostenanalyse dar. Dabei werden solche Aktivitaten in den Vordergrund gestellt, die auf Grund ihres relativ hohen Kostenanteils einen groBen Einfluss auf die Kostensituation und damit auch auf den Gewinn der strategischen Geschaftseinheit haben.

Um letztlich beurteilen zu konnen, durch welche wertschopfenden Aktivitaten Wettbewerbsvorteile entstehen, ist es erforderlich, nicht nur die eigene Wertkette zu betrachten, sondem auch die Wertketten der Konkurrenten zu ermitteln und miteinander zu vergleichen. Starken und Schwachen der strategischen Geschafts-einheiten ergeben sich dort, wo sich die Wertketten voneinander unterscheiden. Durch diese Aktivitaten werden schlieBlich komparative Wettbewerbsvorteile hinsichtlich Differenzierung oder Kosten erzielt.

Im Rahmen der Wertkettenanalyse sind vom Marketing-Controller tiber die kon-kurrenzbezogene Analyse einzelner Tatigkeiten hinaus auch die Interdependenzen zu beriicksichtigen, die sowohl zwischen den Tatigkeiten innerhalb einer Wertkette als auch zwischen den Wertketten verschiedener Geschaftseinheiten eines Unter-nehmens bestehen. Diese Verflechtungen auBem sich darin, dass die Art und Wei-se der Durchfuhrung einer Wertaktivitat die Kostenposition oder das Qualitatsni-veau einer anderen Wertaktivitat beeinfiusst. Eine materielle Verflechtung liegt

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zum Beispiel vor, wenn Personal-, Produktions- oder Technologieleistimgen zwi-schen den Geschaftseinheiten ausgetauscht werden. Im Rahmen einer Schnittstel-lenanalyse sind diese Verflechtungen zu identifizieren, um durch deren Optimie-rung und Koordination wiederum Wettbewerbsvorteile erzielen zu konnen (Ben-kenstein 2002, S. 95 ff.; Steinmann/Schreyogg 1997, S. 180).

3.3 Branchenstruktur- und Wettbewerbsanalyse

3.3.1 Vorbemerkung

Die Branchenstruktur- und Wettbewerbsanalyse setzt sich mit der Umwelt der strategischen Geschaftseinheit auseinander. Zielsetzung ist es, die Regeln des Wettbewerbs zu ermitteln und ein Verstandnis flir die Art und Intensitat des Wett-bewerbs aufzubauen. Dadurch wird es moglich, das Gewinnpotenzial einer Bran-che abzuschatzen und eine begrundete Voraussage uber deren Entwicklung zu machen (Gotz 1998, S. 41).

Potentielle neue Kunden

Bedrohung durch neue Konkurrenten

Verhandlungsstarke der Lieferanten

Lieferanten

Wettbewerber in der Branche

Rivalitat unter den bestehenden Unternehmen

Bedrohung durch Ersatzprodukte und

-dienste

Ersatzprodukte

Verhandlungsmacht der Abnehmer

Abnehmer

Abb. 2.11: Wettbewerbskrafte der Branchenstruktur Quelle:Porterl999, S. 34

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Bei der Analyse kommt es wesentlich darauf an, aus einer Vielzahl von Einfluss-faktoren auf die Branchenattraktivitat die fur die Entwicklung der Wettbewerbs-strategie relevanten Faktoren herauszufiltem (Karst 1998, S. 41 f.). Porter entwi-ckelte in diesem Zusammenhang einen Ansatz, der flinf Wettbewerbskrafte in den Vordergrund stellt (vgl. Abb. 2.11): die Bedrohung durch neue Konkurrenten, die Verhandlungsmacht der Abnehmer, die Bedrohung durch Ersatzprodukte, die Verhandlungsstarke der Lieferanten sowie die Rivalitat unter den bestehenden Untemehmen (Porter 1999, S. 33).

3.3.2 Wettbewerbsintensitat

3.3.2.1 Potenzielle neue Konkurrenten

Neue Wettbewerber stellen fur die etablierten Untemehmen eine Bedrohung dar. Sie bauen neue Kapazitaten auf und versuchen, uber gunstigere Preise, hohere Qualitat oder besseren Service, Marktanteile zu gewinnen. Dies fiihrt zu einem verschlechterten Gewinnpotenzial flir die etablierten Anbieter.

Die Wahrscheinlichkeit, dass neue Konkurrenten in dem relevanten Markt aktiv werden, hangt primar von den vorhandenen beziehungsweise aufgebauten Markt-eintrittsbarrieren ab. Diese stellen Krafte dar, die Untemehmen davon abhalten, in dem jeweiligen Markt zu investieren (vgl. Abb. 2.12). Aus Sicht der potentiellen neuen Anbieter vermindem sie die Marktattraktivitat, da sie die Gewinnaussichten verschlechtem (Karst 1998, S. 42).

Abb. 2.12: Markteintrittsbarrieren Quelle: Karst 1998, S. 43

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Die Eintrittsbarrieren werden im Wesentlichen durch folgende zwei Einflussgro-fien bestimmt:

• Mindestbetriebsgrojie Das Konzept der Erfahrungskurve zeigt, dass durch hohere Ausbringungsmen-gen die Stuckkosten eines Produktes beziehungsweise einer Marktleistung ge-senkt werden konnen. Es konnte empirisch ermittelt werden, dass die realen Stuckkosten eines Produktes um 20-30% zurtickgehen, sobald sich die in ku-mulierten Produktmengen ausgedrtickte Produkterfahrung verdoppelt (Hahn 1999, S. 407 ff.). Dies hat zur Folge, dass eine effiziente BetriebsgroBe erst bei einem relativ hohen Marktanteil erreicht werden kann. Der Markteintritt mit einer zu kleinen BetriebsgroBe fiihrt zu Stuckkosten, die nicht wettbewerbsfa-hig sind und moglicherweise sogar tiber dem erzielbaren Preis liegen. Bei Zu-tritt mit einer effizienten BetriebsgroBe droht moglicherweise der Preis wegen der angestiegenen kumulierten Angebotsmenge unter die Stiickkosten abzusin-ken. Die exakte Ermittlung des Stuckkostenverlaufs sowie der Mindestbe-triebsgroBe ist sehr aufwendig und iibersteigt haufig die Moglichkeiten des Marketing-Controllers. Die Daten miissen daher anhand der eigenen Betriebs-groBe und entsprechender gedanklicher BetriebsgroBenvariationen geschatzt werden.

• Kduferloyalitdt Eine hohe Loyalitat der Kaufer gegeniiber ihren bisher gekauften Produkten stellt eine weitere Markteintrittsbarriere dar. Die Loyalitat basiert zumeist aus einer emotionalen Bindung und ist die Folge eines erfolgreichen Aufbaus von strategischen Wettbewerbsvorteilen durch die Untemehmen. Ziel dieser Pro-duktdifferenzierung ist es, die Elastizitat der Nachfrage zu senken, um auf die-se Weise groBere Preisspielraume zu schaffen. Die Hohe der Markteintrittsbar­riere steigt mit sinkender Umstellungsneigung der Kaufer.

3.3.2.2 Abnehmer

Als Abnehmer werden nicht unbedingt die Endverbraucher verstanden, sondem die Gruppen, welche auf dem Absatzmarkt des Untemehmens als unmittelbare Nach-frager auftreten. Diese konnen neben Endverbrauchem auch industrielle Abnehmer Oder GroB- und Einzelhandelsuntemehmen sein. Die Abnehmer spielen bei der Analyse der Branchenstruktur in mehrfacher Hinsicht eine zentrale Rolle. Sie werden in erster Linie als Wettbewerbskraft analysiert, welche die Rentabilitat der Geschaftsfelder begrenzen. Ankniipfungspunkt ist die Verhandlungsstdrke der Abnehmer, die sich durch folgende GroBen bestimmt (Karst 1998, S. 44 ff):

• Konzentrationsgrad der A bnehmergruppe Obgleich der Konzentrationsgrad auf Seiten der Anbieter zumeist hoher ist als auf Abnehmerseite, ist in vielen Branchen eine betrachtliche Konzentration der Abnehmer mit weiter steigender Tendenz zu finden. Ein Beispiel sind die gro-Ben Filialketten im Lebensmitteleinzelhandel, die liber eine sehr hohe Ein-kaufsmacht und damit Verhandlungsstarke verfiigen.

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• Anteil an den Gesamtkosten der Abnehmer Mit zunehmenden Anteil des Produktes am gesamten Einkaufsbudget der Ab­nehmer wird die Intensitat der Preisverhandlungen und die Suche nach Substi-tutionsprodukten zunehmen, da das Kostensenkungspotenzial entsprechend groBer ist.

• Standardisierungsgrad Die Standardisierung von Produkten beziehungsweise Leistungen starkt die Position der Abnehmer, da die Austauschbarkeit der Produkte zunimmt und sich die Abnehmer alternative Lieferanten suchen konnen. Dagegen sind bei stark differenzierten, speziellen Produkten die Umstellungskosten der Abneh­mer bei einem Lieferantenwechsel in der Kegel sehr hoch, so dass die Verhand-lungsmacht der Abnehmer als Folge der geringen Preiselastizitat sehr schwach ist.

• Drohung mit Ruckwdrtsintegration Einige Abnehmer mit groBer Finanzkraft und technologischem Know-how konnten die benotigten Produkte und Leistungen auch selbst produzieren. Durch Drohung mit Rtickwartsintegration verschaffen sich die Abnehmer eine Starke Verhandlungsposition. Die Drohung ist insbesondere dann glaubwtirdig, wenn die Nachfragemenge sehr groB ist und die relevanten GroBenerspamisse erzielt werden konnen.

• Bedeutung der Qualitdtfur den Abnehmer Sofem das Produkt des Abnehmers sehr sensibel auf Qualitatsanderungen des Vorproduktes reagiert, schwScht dies die Verhandlungsposition des Abnehmers und er wird eher hohere Preise akzeptieren.

• Informationsstand Die Verhandlungsstarke des Abnehmers steigt mit zunehmender Transparenz bezuglich des Beschafflingsmarktes. Bei hoher Transparenz kennt er zum Bei-spiel Sortiment, Absatzmengen und Kostenstruktur der Anbieter. Die Markt-transparenz wird kiinftig durch die zunehmende EDV-Vemetzung (Internet) und zunehmende Inanspruchnahme von Preisagenturen, die nach gunstigen Be-schaffiingsmoglichkeiten suchen, stark ansteigen.

• Gewinnsituation Bei einer schlechten Gewinnsituation steigt das Interesse des Abnehmers an Preisverhandlungen, um durch relativ geringe Einkaufspreise die eigene Kos-ten- und Ertragssituation zu verbessem.

3.3.2.3 Lieferanten

Die Lieferantenanalyse erfolgt entsprechend der Abnehmeranalyse, lediglich aus einem umgekehrten Blickwinkel. Demnach konnen verhandlungsstarke Lieferanten durch hohe Preise beziehungsweise geringen Service die Branchenattraktivitat erheblich beeintrachtigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die nachfra-genden Untemehmen die hohen Einkaufspreise nicht in ihren eigenen Preisen weitergeben konnen (Karst 1998, S. 46).

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3.3.2.4 Ersatzprodukte

Ersatzprodukte, auch Substitutionsprodukte genannt, sind Produkte anderer Mark-te, die grundsatzlich den gleichen Bedarf der Abnehmer befriedigen. Hierzu zahlen beispielsweise die Produkte Butter und Margarine sowie Heizol und Erdgas, die in einem engen Verwendungszusammenhang stehen. Bei Substitutionsprodukten ist die Kreuz-Preis-Elastizitat positiv, das heiBt bei einer Erhohung des Preises fur Produkt A vergroBert sich die Nachfrage nach dem Substitutionsprodukt B. Die Substitutionsprodukte stellen Konkurrenzprodukte dar und schranken den Preis-spielraum in den jeweiligen M^rkten ein (Karst 1998, S. 46).

3.3.2.5 Rivalit^t unter den bestehenden Unternehmen

Rivalitat zwischen den bestehenden Unternehmen einer Branche entsteht dadurch, dass ein oder mehrere Wettbewerber ihre Marktposition verbessem mochten. In diesem Zusammenhang konnen Unternehmen zum Beispiel Preissenkungen vor-nehmen, innovative Produkte einfuhren oder den Service verbessem. Solche MaB-nahmen ftihren haufig zu Reaktionen der Konkurrenten (Porter 1999, S. 50).

Neben der Zahl der bestehenden Unternehmen beeinflussen insbesondere die fol-genden zwei Faktoren den Grad der Rivalitat:

• Marktsdttigung In der Sattigungs- beziehungsweise Reifephase eines Marktes ist die Wettbe-werbsintensitat in der Regel hoher als in der Wachstumsphase. Dies wird bei starker Homogenitat der Produkte und hohem Fixkostenanteil der Unterneh­men weiter verstarkt.

• Mar ktaustritts barrier en Marktaustrittsbarrieren sind Faktoren, die Unternehmen dazu bewegen, weiter-hin ihre Produkte beziehungsweise Leistungen in dem jeweiligen Markt anzu-bieten, auch wenn keine positiven Deckungsbeitrage erzielt werden konnen. Solche Faktoren sind zum Beispiel hohe Abbruchkosten und Sozialkosten, die bei einer Desinvestition entstehen (Karst 1998, S. 46 f.).

3.3.2.6 Staat

Als weiterer Wettbewerbsfaktor hat der Staat in vielfacher Weise Einfluss auf die Marktattraktivitat und ist vom Marketing-Controller im Rahmen der Branchenana-lyse zu erfassen. Neben den allgemeinen gesetzlichen Regelungen, die vom Staat erlassen werden, gibt es auch direkte auf das Geschaftsfeld bezogene staatliche Einfltisse, wie beispielsweise Marktregulierungen in Form von Preiskontrollen, Subventionen sowie Import- und Exportbeschrankungen. Die Eingriffe des Staates in den Markt konnen die Branchenattraktivitat entweder dampfen oder fordem (Karst 1998, S. 47).

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3.3.3 Wettbewerbsstrategien

Nachdem die innerhalb der Branche wirkenden Wettbewerbskrafte analysiert wor-den sind, ist der Marketing-Controller in der Lage, die Starken und Schwachen der strategischen Geschaftseinheit hinsichtlich ihrer Umwelt zu bestimmen. Diese ergeben sich aus der Position der Geschaftseinheit gegenuber den Einflussfakto-ren, die den einzelnen Wettbewerbskraften zugrunde liegen. Durch eine effektive Wettbewerbsstrategie soil nun die Position der Geschaftseinheit gegeniiber den Wettbewerbskraften erhalten bleiben oder ausgebaut werden. Nach Porter bieten sich daflir drei grundsatzliche Wettbewerbsstrategien an (vgl. Abb. 2.13): Kosten-flihrerschaft, Differenzierung und Konzentration auf Schwerpunkte (Porter 1999, S. 64).

Einzigartigkeit aus Sicht des KSufers

Strategischer Vorteil

Kostenvorsprung

Strate-gisches

Zielobjekt

Branchen-weit

Beschrank-ung auf ein Segment

Differenzierung Umfassende

Kostenfijhrerschaft

Konzentration auf Schwerpunkte

Abb. 2.13: Wettbewerbsstrategien Quelle: Porter 1999, S. 75

Die Strategic der Kostenfuhrerschaft basiert auf der Erkenntnis, dass ein Unter-nehmen Wettbewerbsvorteile erringen kann, wenn es im Vergleich zu den Konkur-renten geringereKosten aufweist. Die Kostenfuhrerschaft lasst sich insbesondere dann erreichen, wenn sich die Geschaftseinheit nicht auf eine Marktnische kon-zentriert, sondem den Markt moglichst weit bearbeitet. Daraus resultiert eine gro-Bere Absatzmenge, die auf Grund des Erfahrungskurveneffekts zu einer Senkung der StUckkosten fiihrt. Um die Strategic der Kostenfuhrerschaft realisieren zu kon-nen, sollten die folgenden Voraussetzungen erflillt sein:

• stetige Ausweitung der Produktionsanlagen,

• haufige Verfahrensinnovationen,

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40

• Wertanalysen nach dem Gemeinkostenverfahren,

• Standardisierung der Ablaufe,

hohes Mafi an spezialisierender Arbeitsteilung,

Produktvereinfachungen und

• weitgehende Konzentration auf GroBkunden.

Bei der Differenzierungsstrategie geht es dagegen darum, dass sich das Untemeh-men gegenuber dem Wettbewerb durch unverwechselbare Eigenschaften auszeich-net, die bei den Abnehmem eine hohe Wertschatzung geniefien. Wenn die Kunden bereit sind, fflr diese einzigartigen Produktmerkmale einen hoheren Preis zu bezah-len, dann handelt es sich fur das Untemehmen um einen strategischen Wettbe-werbsvorteil. Wichtige Voraussetzungen fiir diese Differenzierungsstrategie sind:

• vorzugliche Produkteigenschaften (technische Funktionalitat und Design),

• Aufbau eines Handlemetzes, der umfassenden Service bietet,

• hohes Innovationspotenzial,

• flexible, untemehmerisch denkende Mitarbeiter und

• intensive Offentlichkeitsarbeit.

Wahrend die Strategien der Kostenfflhrerschaft und Differenzierung auf die Bear-beitung des Gesamtmarktes ausgerichtet sind, konzentriert sich die Nischenstrate-gie auf die Bearbeitung einzelner Marktsegmente. Bei dieser Wettbewerbsstrategie wird versucht, durch eine enge Abgrenzung der Zielgruppe, praziser als der Wett­bewerb auf die Bediirfiiisstrukturen der Abnehmergruppe einzugehen und daraus Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Als Marktnische wird eine bestimmte Abnehmer­gruppe Oder ein geographisch abgegrenzter Markt bezeichnet. Die Nischenstrate-gie kann sowohl in Verbindung mit der Kostenfuhrerschafts- als auch der Diffe­renzierungsstrategie angelegt sein (Macharzina 2003, S. 246 f).

3.4 SWOT-Analyse

Die SWOT-Analyse ist ein einfaches und bewahrtes Verfahren zur Darstellung der strategischen Situation eines Untemehmens. SWOT steht als Abkiirzung fur die Analysekomponenten Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats. Grund-lage der SWOT-Analyse sind demnach die Starken und Schwachen der Geschafts-einheit und die Chancen und Risiken der Untemehmensumwelt, welche im Rah-men der Wertkettenanalyse sowie der Branchenstruktur- und Wettbewerbsanalyse ermittelt worden sind. Diese beiden Merkmalskataloge werden vom Marketing-Controller in einer Matrix in Beziehung zueinander gesetzt und Themenkomplexe gebildet, die sich sowohl auf die Starken und Schwachen als auch auf die Chancen und Risiken beziehen (vgl. Abb. 2.14 oben).

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41

Daraus ergeben sich vier Felder, denen unterschiedliche Strategieoptionen zuge-ordnet werden konnen (Wagemann 2004, S. 25 f.):

• Ausbaustrategie, urn ausgewahlte Chancen zu nutzen (Starke/Chance-Szenario),

Aufholstrategie, um vorhandene Schwachen abzubauen (Schwache/Chance-Szenario),

Absicherungsstrategie, um drohende Risiken zu vermeiden (Starke/Risiko-Szenario),

Abbaustrategie, um bestehende Ressourcen auf alternative Geschaftsfelder zu verteilen(Schwache/Risiko-Szenario).

Es stellt sich die Frage, auf welche Herausforderungen das Untemehmen mit den entsprechenden strategischen MaBnahmen reagieren soil. Die SWOT-Analyse engt das Entscheidungsfeld ftir die strategische Planung der Geschaftseinheit ein, da bestimmte Chancen der Umwelt unter Umstanden nicht ausgeschopft werden soil-ten, wenn sie auf untemehmensinteme Schwachen treffen. Zum anderen wird auf begrenzte Zeitrume hingewiesen, in denen die besonderen Kompetenzen der Ge­schaftseinheit genau die Entwicklung und spezifischen Anforderungen des Marktes treffen. In einer solchen Phase muss die Untemehmung alle Anstrengungen aufbie-ten, um die Chance zu nutzen (Meffert 2000, S. 68, Pepels 1993, S. 124 f).

Ein weiterer Vorteil der SWOT-Analyse besteht darin, dass ihr checklistenartiger Aufl au weitgehend sicherstellt, dass samtliche wichtige Kontextveranderungen bei der Strategieermittlung Beriicksichtigung finden (Kotler/Bliemel 2001, S. 132 ff; Macharzina 2003, S. 298). Abbildung 2.14 (unten) zeigt abschlieBend eine SWOT-Analyse am Beispiel eines Untemehmens der Cigarettenindustrie.

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42 marktbezogen

Analyse

(z. B, Branchenstryktur-analyse)

^

Chano^n

RiSikeft

untemehmensbezogen

Stirkait^Schwiehen-Analyse

(z. B, Wertkettenanalyse)

StUrken

Verknupfung Chancen/Starken

.Ausbaustrategie"

Verknupfung Risiken/Starken

„Absicherungsstrategie"

Schwichen ^^^m

Verknupfung Chancen/Schwachen

„Aufholstrategie"

Verknupfung Risiken/Schwachen

„Abbaustrategie"

Starker) Schwachen

liiiillBB ^ ^ ^ ^^

I Chancer!

Sinkende Stuckkosten; steigendes Preisniveau.

Hohe Produktkompetenz bei Lights-Cigaretten; hohes Wachs-tum des Marktsegnnents der Ciga-retten nnit geringen Werten (Niko-tin, Tear).

Lokales Markenimage; steigende Nachfrage nach internationalen Cigarettennnarken.

Geringer Distributionsgrad im Lebensmitteleinzelhandel; zu-nehmende Absatzbedeutung die­ses Distributionskanals.

Steigender Absatz; abnehmende soziale Akzeptanz von Rauchern. Langfristige Kooperationsverein-barungen nnit dem Handel; stei­gende Handelsnnacht.

Geringe Markenbekanntheit; zu-nehnriende Werbebeschrankun-gen. Geringer Distributionsgrad im Duty-Free Bereich; Wegfall der europaischen Steuervergunsti-gungen.

Abb. 2.14: SWOT-Analyse Quelle: Eigene Darstellung

Page 60: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

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Page 62: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

Kapitel 3 Erfolgsfaktorenforschung als Instrument des Marketing-Controllings

Henrik Haenecke/ Daniel Forsmann

1 Uberbiick uber Zielsetzung und Entwicklung der Erfolgsfaktorenforschung

Die Erfolgsfaktorenforschung will die Determinanten ermitteln, die den Erfolg Oder den Misserfolg eines Untemehmens langfristig beeinflussen. Sie geht dabei von der Grundannahme aus, dass nur einige wenige Variablen uber den Erfolg und Misserfolg eines Untemehmens entscheiden. Ausgangspunkt einer Untersuchung der Erfolgsfaktoren ist stets, die Variablen zu bestimmen, mit denen der Erfolg quantifiziert werden kann. Diese Groften werden dann als Erfolgsindikatoren be-zeichnet. Haufig sind dies Gewinn, Rentabilitat oder Umsatz. In der Folge wird dann untersucht, welche Variablen einen Erfolgsindikator beeinflussen. Diese Variablen werden als Erfolgsfaktoren bezeichnet.

Als Keimzelle der Erfolgsfaktorenforschung gilt das PIMS-Programm („Profit Im­pact of Marketing Strategies"). Im Rahmen dieses Programms werden seit den 60er Jahren in mittlerweile mehr als 300 Untemehmen mit etwa 3000 strategischen Geschaftseinheiten systematisch Untemehmensdaten erfasst. Seit den 80er Jahren erhalt die Erfolgsfaktorenforschung zunehmend Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Praxis.

Die Erfolgsfaktorenforschung wurde und wird vielfach heftig kritisiert (vgl. Nico-lai/Kieser 2002, S. 580 ff, Wolff et al. 2004, S. 265 f). Die Ursache hierfiir liegt insbesondere darin, dass die unterschiedlichen Studien nicht nur im Hinblick auf die Untersuchungsansatze und Analysemethoden, sondem auch in den Resultaten zum Teil sehr heterogen sind. Der Erfolgsfaktorenforschung wird auch entgegen-gehalten, dass der betriebswirtschaftliche Erfolg nicht auf einzelne Erfolgsfaktoren zurUckgefuhrt werden konne. Der Erfolg eines Untemehmens sei vielmehr durch verschiedene interdependente Variablen bestimmt, ohne dass die Erfolgswirksam-keit einzelner Variablen isoliert werden konnte (Prinzip der multiplen Kausalitat). Es wird grundsatzlich in Frage gestellt, ob sich iiberhaupt allgemeine Erfolgsursa-chen identifizieren lassen - schlieBlich liegt der Erfolg haufig in der Einzigartig-keit. Viele Erfolgsfaktorenstudien sind zudem unzureichend theoretisch iiindiert und weisen methodische Schwachen auf Die dem Untemehmenserfolg zugrunde liegenden Ursache-Wirkungsbeziehungen konnten so haufig nur unzureichend aufgedeckt werden.

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Die Erfolgsfaktorenforschung kann trotz dieser Mangel ein hilfreiches Instrumen-tarium zum Controlling von Marketing-Aktivitaten bieten. Sie kann Indizien lie-fern, welche Variablen durch das Marketing-Controlling insbesondere beachtet werden miissen. Zwar kann sie nur Aussagen iiber die Vergangenheit machen; die Ergebnisse mussen somit immer an aktuellen Erfahrungen gespiegelt werden. FUr eine sinnvoUe Anwendung ist einerseits die Wahl einer Methode der Erfolgsfakto­renforschung notwendig, die dem spezifischen Erkenntnisinteresse gerecht wird; andererseits miissen verschiedene Anforderungen bei der Anwendung der Erfolgs­faktorenforschung beachtet werden. SchlieBlich mussen die theoretischen, metho-disch sauber abgeleiteten Erkenntnisse mit den Erfahrungen aus der Praxis abge-glichen und erganzt werden.

2 Methoden der Erfolgsfaktorenforschung

Grundsatzlich konnen funf methodische Herangehensweisen der empirischen Er­folgsfaktorenforschung unterschieden werden (vgl. Abb. 3.1):

Methodisch gestutzt

Empirische Identifikation strategischer Erfolgsfaktoren

_ Direkte Ermlttlung

Jndirekte Ermittlung

Quantitativ •

Methodisch und materiell gestutzt

Qualitativ

Quantitativ-explorativ

Quantitativ-konfirmatorisch

Quelle: Haenecke 2002.

Abb. 3.1.: Methoden zur Identifikation von Erfolgsfaktoren

Empirische Erfolgsfaktorenstudien werden zunachst nach der Art der Ermittlung der Erfolgsfaktoren differenziert: Die Erfolgsfaktoren konnen direkt oder indirekt ermittelt werden.

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Bei der direkten Ermittlung wird in Expertenbefragungen direkt nach den erfolg-beeinflussenden Variablen gefragt. Experten konnen dabei sowohl interne Exper-ten, das heiBt Untemehmensangehorige, oder aucli exteme Experten, das heifit zum Beispiel Kunden, Handler, Lieferanten, Zulieferer, Konkurrenten oder Wis-senschaftler, sein. Traditionell wurde diese Untersuchungsmethode vor allem bei der Entwicklung von Management-Informationssystemen eingesetzt. In jungerer Zeit erfahrt die direkte Ermittlung von Erfolgsfaktoren zunehmende Bedeutung in der Praxis.

Die direkte Ermittlung kann methodisch gestutzt erfolgen. Relevante Methoden konnen hier Kreativitatstechniken, wie Brainwriting oder Brainstorming, sein. Auch besondere Befragungstechniken, wie zum Beispiel die Delphi-Methode oder tiefenpsychologische Interviews, konnen zur Anwendung kommen.

Zusatzlich kann die Ermittlung materiell gestutzt erfolgen. Eine materielle Sttit-zung kann beispielsweise durch Checklisten oder Bezugsrahmen erfolgen. Diese geben potenzielle Erfolgsfaktoren vor, die im Rahmen einer empirischen Erhebung systematise!! abgefragt werden. Auch ein strukturierter Fragebogen, der aus Hypo-thesen Uber Erfolgsfaktoren entstanden ist und Experteninterviews leitet, wUrde eine materielle StUtzung bedeuten.

Bei der indirekten Ermittlung hingegen wird mittels statistischer Verfahren oder gedanklicher Analyse untersucht, welche Faktoren den Erfolg wirksam beeinflus-sen. Hier wird nicht direkt nach den Ursachen des Erfolges gefragt. Die Erfolgs-faktorenstudien mit indirekter Ermittlung werden je nach Art der Erhebung weiter in qualitative und quantitative Untersuchungen klassifiziert.

Qualitative Studien untersuchen keine Untemehmenszahlen, sondem stellen quali­tative Aussagen in den Mittelpunkt. Eine Erhebung in einer nichtstandardisierten Befragung mit offenen Fragen zu den Ursachen des Untemehmenserfolges ware zum Beispiel eine qualitative Erfolgsfaktorenstudie. Die zentrale Arbeit mit An­wendung dieser Untersuchungsmethode ist die von Peters und Waterman (vgl. Peters/Waterman, 2000). Die Autoren wahlten zunachst anhand einer Reihe von Kriterien Untemehmen aus, die sie als besonders erfolgreich bewerteten. An-schlieBend untersuchten sie die Untemehmen auf gemeinsame Charakteristika. Die Gemeinsamkeiten interpretierten sie als Erfolgsfaktoren. In quantitativen Studien hingegen werden quantifizierte Untemehmensdaten erhoben; ihr Anteil am Unter-nehmenserfolg wird mit Hilfe mathematischer Analysemethoden gemessen. Die quantitativen Arbeiten werden aufgrund der Art des Untersuchungsansatzes in explorative, das heiUt Kausalstruktur-entdeckende, und konfirmatorische, das heiBt Kausalstruktur-uberprufende Forschungen unterschieden.

Quantitativ-explorative Studien versuchen, unter einer Vielzahl von moglicherwei-se erfolgswirksamen Variablen diejenigen zu identifizieren, die den Erfolg tatsach-lich beeinflussen. Typische Methoden sind hier Korrelations-, Regressions- und Faktoranalysen. Prominentestes Beispiel fur eine quantitativ-explorative Erfolgs­faktorenstudie ist das oben beschriebene PIMS-Programm. Die richtungweisende Arbeit im deutschen Sprachraum fur das quantitativ-explorative Vorgehen ist die Arbeit von Patt uber die Erfolgsfaktoren im Einzelhandel (vgl. Patt, 1988).

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In quantitativ-konfirmatorischen Studien werden bereits theoretisch und empirisch gut untersuchte Wirkungszusammenhange mit Hilfe kausalanalytischer Verfahren uberpriift. Im Unterschied zu explorativen Studien werden weniger Variablen betrachtet, da auf ein tiefgreifendes Verstandnis der Kausalstrukturen zuriickge-griffen wird. Das wichtigste Verfahren ist hier in jungeren Studien die Kausalana-lyse mit LiSREL. Die zentrale Arbeit im deutschen Sprachraum ist die Dissertation von Kube: Auf Basis einer Metaanalyse verschiedener Erfolgsfaktorenstudien im Einzelhandel entwickelt er ein Hypothesensystem, das anschlieBend kausalanaly-tisch uberpriift wird (vgl. Kube, 1991).

3 Grundlegende Anforderungen an eine Erfolgsfaktorenstudie

Um eine hohe Aussagekraft iiber Ursache-Wirkungsbeziehungen zu erhalten, sind sechs grundlegende Anforderungen bei einer Erfolgsfaktorenstudie zu beachten. Im Folgenden werden diese Anforderungen dargestellt und es wird diskutiert, inwieweit die oben beschriebenen Methoden die einzelnen Anforderungen erflillen konnen.

1. Aufdecken der Kausalstruktur: Die Ergebnisse der Erfolgsfaktorenforschung werden vor allem deswegen als unbefriedigend bezeichnet, weil sie dem zentralen Anspruch, die Ursachen des Untemehmenserfolges aufzudecken, haufig nicht ge-recht wurden. Um die Ursachen des Untemehmenserfolgs aufdecken zu konnen, muss sich eine Erfolgsfaktorenstudie differenziert mit dem sozialwissenschaftli-chen Konzept der Kausalitat auseinandersetzen: Diesem Prinzip zufolge sind Ur-sache-Wirkung-Beziehungen nicht messbar; es kann lediglich versucht werden, Hypothesen iiber solche kausalen Beziehungen zu falsifizieren. Werden die Hypo-thesen in einer Reihe von Uberpriifungen nicht falsifiziert, konnen die Hypothesen als bewahrt akzeptiert werden. Es gibt somit keine hinreichende, sondem nur eine notwendige Bedingung flir Kausalitat. Besteht zwischen zwei Variablen ein kausa-ler Zusammenhang, so sind die folgenden (notwendigen) Bedingungen erftillt (vgl. Kube, 1991, S. 46):

• Empirische Korrelation: Die Variablen zeigen eine gemeinsame Variation.

• Zeitliche Asymmetrie: Zwischen der Variation der Ursache- und der Wirkungs-variablen kommt es zu einer Zeitverzogerung.

• Keine Drittvariableneffekte: Die Variation der Variablen wird nicht durch die Beziehung zu einer weiteren Variablen verursacht.

• Theoretische Begrmdung: Die Kausalhypothese ist theoretisch begriindet.

Fur die Erfolgsfaktorenforschung wird hieraus eine grundlegende Aussage abgelei-tet: Die Ursachen des Erfolges k5nnen niemals direkt nachgewiesen werden; viel-mehr kann eine Erfolgsfaktorenstudie nur „m5gliche" Erfolgsursachen aufdecken.

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Erst der wiederholt gescheiterte Versuch einer Falsifizierung dieser Wirkungszu-sammenhange kann Ausgangspunkt fur die wissenschaftlich fundierte Annahme eines kausalen Zusammenhanges sein.

Die oben dargestellten Untersuchungsmethoden sind nicht gleichermafien geeig-net, die Kausalstrukturen des Untemehmenserfolges aufzudecken: Die Untersu-chung der empirischen Korrelation und der zeitlichen Asymmetrie ist nur bei den quantitativen Methoden gut m5glich. Die Identifikation von Drittvariablen-effekten ist am besten in quantitativ-konfirmatorischen Studien moglich. Bis auf die nur formal gestutzte, direkte Ermittlung der Erfolgsfaktoren bieten alle Metho­den die Moglichkeit, die Kausalitat theoretisch zu begrtinden: Vorhandene Kennt-nisse konnen genutzt werden und Hypothesen k5nnen aufgestellt und getestet wer-den (vgl. Abbildung 3.2 und Abbildung 3.3).

BEWERTUNG DER METHODEN BEZUGLICH DES KRITERIUMS AUFDECKEN VON KAUSALSTRUKTUREN

Bevy/ertung des Potentials

• Gut

3 BefrJedigend

O Mangelhaft

Methode

Methodisch gestutzte Expertenbefragung

Methodisch und materiell gestutzte Expertenbefragung

Qualitativ

Quantitativ-explorativ

Quantitativ-konfirmatorisch

Empirische Korrelation

o

o

o

Zeitliche Asymmetrie

o

3

O

9

9

Keine Dritt-variablen-

effekte

o

3

(?

9

Theoretische Begrundung

(5

Aufdecken der 1 Kausalstruktur

/ 0 1

»

1

1

Quelle: Haenecke 2002.

Abb. 3.2.: Bewertung der Methoden bezuglich des Kriteriums Aufdecken von Kausalstrukturen

Die Methodenbewertung ergSnzend, konnen aus der obigen Diskussion Forderun-gen an eine Erfolgsfaktorenstudie abgeleitet werden. Diese Forderungen miissen erflillt werden, um die Kausalstruktur des Untemehmenserfolgs zufriedenstellend aufdecken zu konnen: Vorliegende Ergebnisse und theoretische Erkenntnisse soil-ten in eine Analyse der Erfolgsfaktoren einbezogen werden. Aus den vorhandenen

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Erkenntnissen soUte ein gesamthafter Bezugsrahmen entwickelt werden, der mit Hypothesen uber kausale Zusammenhange gefullt wird. Die Hypothesen sollten anschliefiend empirisch uberpriift werden (vgl. Abbildung 3.4).

2. Berucksichtigung aller Perspektiven. Vielen Erfolgsfaktorenstudien ist gemein, dass der Blick auf die betrachteten Untemehmen unvollstandig ist. Vielfach wer­den ausschliefilich Mitarbeiter der untersuchten Untemehmen befragt und andere Perspektiven - zum Beispiel die der Kunden - vemachlassigt. Eine Erfolgsfak-torenstudie sollte aber die Perspektiven berucksichtigen, das heiCt alle Stakehol­der sollten im Rahmen der empirischen Analyse befragt werden.

3. Berucksichtigung qualitativer und quantitativer Erfolgsfaktoren. Weder der strategische Erfolg noch die Ursachen des Erfolges konnen immer in direkt mess-baren quantitativen GrOfien ausgedruckt werden. Haufig wurden insbesondere in quantitativen Erfolgsfaktorenstudien solche qualitativen Aspekte nur unzureichend beriicksichtigt (vgl. Kube, 1991, S.53). Fur die Erfolgsfaktorenforschung wird daher die Forderung abgeleitet, sich in der Analyse nicht auf die leicht operationa-lisierbaren „harten" Erfolgsfaktoren zu beschranken; sondem auch qualitative, „weiche" GroBen sind in die Untersuchung einzubeziehen.

In qualitativen Arbeiten konnen weiche Erfolgsfaktoren leicht erfasst werden. Solche Variablen konnen aber auch in quantitativen Arbeiten untersucht werden. So konnen beispielsweise mit Hilfe von Faktorenanalysen direkt gemessene Vari­ablen verdichtet werden, um abstraktere Inhalte (weiche Faktoren) zu operationali-sieren.

4. Uberpriifung der zeitlichen Stabilitdt. In vielen Markten muss davon ausgegan-gen werden, dass sich die Erfolgsfaktoren mit dem stetigen Wandel der Untemeh-mens- und Umweltsituation uber die Zeit verandem. Es ist daher notwendig, die Bedeutung eines Erfolgsfaktors uber die Zeit regelmafiig zu Uberprtifen, und zwar nicht nur die Starke eines einzelnen Erfolgsfaktors (Wirkungsintensitat), sondem auch die kausale Stmktur (Wirkungsinteraktion).

5. Objektivitdt. Eine Erfolgsfaktorenstudie sollte objektiv sein, das heiBt das Er-gebnis sollte nicht von der Durchfuhrung beeinflusst werden. Das vielfach in der Erfolgsfaktorenforschung angewandte monopersonale Erhebungskonzept kann diese Objektivitat nur schlecht gewahrleisten, denn die Daten werden bei jeweils nur einem Experten pro Untemehmen erhoben. Dabei werden die Befragten nicht nur um eine Beschreibung ihres eigenen Tatigkeitsbereiches befragt, sondem auch um eine Ergebnisbewertung ihrer Tatigkeiten gebeten. Es sind daher sowohl be-wusste Farbungen der Urteile, aber auch unbewusste Verzermngen (beispielsweise durch Fehlwahmehmungen) moglich. Es ist daher erforderlich, die Objektivitat zu Uberprtifen oder aber auf eine monopersonale Erhebung zu verzichten.

6. Reliabilitdt. Eine Erfolgsfaktorenstudie soil reliabel sein, das heiUt bei einer Wiederholung der Analyse sollen die gleichen Ergebnisse geliefert werden. Es ist daher notwendig, Zufallsfehler soweit moglich auszuschlieCen (vgl. Schnell/Hill/ Esser, 1999, S. 14If.).

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In einer zusammenfassenden Bewertung der Methoden in Bezug auf die vorgestellten Kriterien schneiden die quantitativen Ansatze am besten ab (vgl. Abbildung3.3).

ZUSAMMENFASSENDE BEWERTUNG DER METHODEN

Methode

Kausal- Beriick- Qualitative Uberpru-strul(tur sichtigung undquan- fungder aufdel(- allerPer- titative zeitlichen Objel(- Relia-

l(end spel(tiven Falttoren Stabilitat tivitat bilitat

Bewertung des Potentials

# Gut

3 Befriedigend

(5 Mangelhaft

Methodisch gestutzte Expertenbefragung

Methodisch und materiell gestutzte Expertenbefragung

Qualitativ

Quantitativ-explorativ

Quantitativ-konfirmatorisch

Quelle: Haenecke 2002.

0

3

0

9

(5

(5

3

(3

3

0

0

3

3

3

3

3

3 H

""'"""'"

Abb. 3.3.: Zusammenfassende Bewertung der Methoden

Die Bewertung der Methoden zur Identifikation von Erfolgsfaktoren hat sich auf deren Potenzial konzentriert. Damit die quantitativen Methoden dieses Potenziales tatsachlich ausschopfen, mussen einige Anforderungen an ihre Durchfuhrung ge-stellt werden, die sich aus der obigen Diskussion der Kriterien ergeben (vgl. Ab-bildung3.4).

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WESENTLICHE ANFORDERUNGEN AN DIE DURCHFUHRUN6 DER QUANTITATIVEN METHODEN

Aufdecken der Kausalstruktur * Nutzen vorhandener Ergebnisse und Theorien • Leitung durch Bezugsrahmen • Aufetellen und Test von Hypothesen • Akzeptieren von Hypothesen nur, wenn Falsifizierung

mehrfach misslingt

BeriJcksichtigung aller • Keine Einschrankung der Perspektive durch Perspektiven Beschrankung auf bereits vorliegendes Datenmaterial

• Keine Beschrankung durch ausschlieRliche Befragung von Mitarbeitem

Berucksichtigung qualitativer • Trennung von theoretischer Sprache und und quantitativer Erfolgsfaktoren Beobachtungssprache

Uberprufung der zeitlichen * Wiederholte Oberprufung der Erfolgsfaktoren und der Stabilitat Kausalstruktur

ObjektivitSt • Verzicht auf das monopersonale Erhebungskonzept Oder Uberprufung der Objektivitat der Expertenantworten

• Reduktion der sozialen Interaktion mit den Auskunftspersonen

ReiiabilitSt * Ausschluss von Zufallsfehlern Quelle: Haenecke 2002.

Abb. 3.4.: Wesentliche Anforderungen an die Durchfiihrung der quantitativen Methoden

4 Ausgewahlte Voraussetzungen der quantitativen Methoden

Auf Grund der Bewertung der Methoden zur Identifikation von Erfolgsfaktoren konnte man versucht sein anzunehmen, dass Erfolgsfaktoren stets mit Hilfe von quantitativen Methoden beziehungsweise insbesondere mit Hilfe des konfirmatori-schen Ansatzes bestimmt werden sollten. Im Folgenden soil anhand des Entwick-lungsstandes der Theorie und der StichprobengroBe untersucht werden, welche Voraussetzungen mindestens gegeben sein miissen, damit ein quantitativ-explora-tiver beziehungsweise ein quantitativ-konfirmatorischer Untersuchungsansatz ver-folgt werden kann.

Anforderungen an den Entwicklungsstand der Theorie. Das Untersuchungsziel einer konfirmatorischen Erfolgsfaktorenstudie ist es, aus frtiheren Studien abgelei-tete Hypothesen zu bestatigen oder zu falsifizieren. Ob ein konfirmatorisches Vor-gehen moglich ist, hangt somit entscheidend ab von dem in der Literatur dokumen-tierten Entwicklungsstand der Theorie. Nur wenn aus der vorliegenden Theorie Kausalhypothesen begrundet werden konnen, ist ein konfirmatorisches Vorgehen

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moglich (vgl. Backhaus, 2003, S. 7). Fehlen gesichertes Wissen und theoretische Grundlagen, die zu einer zufriedenstellenden Hypothesenbildung genutzt werden konnen, sollten die Moglichkeiten des explorativen Untersuchungsansatzes fur die Erkenntnisgewinnung genutzt werden (vgl. Kube, 1991).

Anforderungen an die Stichprobengrofie. Weitere Voraussetzungen flir die An-wendung quantitativer UntersuchungsansStze ergeben sich aus den verwendeten statistischen Analyseverfahren. In konfirmatorischen Untersuchungen kommt wie oben beschrieben bevorzugt die Kausalanalyse mit Hilfe des Software-Pakets LiSREL zum Einsatz, in explorativen Untersuchungen in der Regel die Korrelati-ons-, die Faktoren- und die Regressionsanalyse.

In der Literatur besteht Einvemehmen dariiber, dass eine LiSREL-Analyse nur durchgeflihrt werden darf, wenn ein ausreichender Stichprobenumfang sicherge-stellt ist. Als Faustregel gilt, dass ein ausreichender Stichprobenumfang vorliegt, wenn die Stichprobengrofie minus der Anzahl der zu schatzenden Parameter grO-fier 50 ist. Um das Risiko einer falschen Schlussfolgerung moglichst gering zu hal-ten, fordem einige Autoren aber, die Stichprobengrofie solle mindestens 200 betragen.

Fur die Korrelationsanalyse ist eine Stichprobengrofie von mindestens 30 Elemen-ten anzustreben. Ab dieser Zahl kann vereinfachend davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Eigenschaften einer Normalverteilung unterliegen (vgl. Bley-muller et al. 2000, S. 78).

Auch fur die Regressionsanalyse werden Mindestanforderungen an die Stichpro­bengrofie formuliert und mit der notwendigen statistischen Unabhangigkeit der Eingangsvariablen (Regressoren) begriindet. Ftir ein anzustrebendes Verhaltnis aus Stichprobengrofie und Anzahl der Regressoren liefert die Literatur aber keine einheitliche Richtlinie. So reichen die Vorschlage von einem anzustrebenden Ver­haltnis von 2:1 bis zu 10:1 (vgl. Kube, 1991, S. 64). Auch fur die Faktorenanalyse gibt es kein allgemeingultiges Kriterium fur die Grofie der Stichprobe.

Es muss somit festgestellt werden, dass eine allgemeingtiltige Mindestanforderung an die Stichprobengrofie nicht bestimmt werden kann. Es wird im Einzelfall zu beurteilen sein, ob die Stichprobe hinreichend grofi ist, um Erfolgsfaktoren quanti-tativ bestimmen zu konnen.

Die Auswahl der Methode zur Identifikation von Erfolgsfaktoren wird somit nicht nur durch den dokumentierten Stand der Forschung, sondem auch durch die mog-liche Stichprobengrofie mafigeblich bestimmt. Die Regressions- und Faktorenana­lyse als dominierende Verfahren in quantitativ-explorativen Ansatzen stellen dabei geringere Anforderungen an die Stichprobengrofie als die Analyse mit LiSREL in quantitativ-konfirmatorischen Ansatzen. Konnen diese Anforderungen nicht erfullt werden, muss auf eine qualitative Identifikation der Erfolgsfaktoren zuriickgegrif-fen werden. Somit stellt die Identifikation von Erfolgsfaktoren auf quantitativer Basis nicht in alien Fallen das Mittel der Wahl dar.

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5 Anwendung der Erfolgsfaktorenforschung in der Praxis

Die Methoden der Erfolgsfaktorenforschung wurden bisher nur unter dem Aspekt des Potenziales zum fundierten Aufdecken der Ursachen des Untemehmenserfol-ges bewertet. Im Marketing-Controlling der Praxis - vielleicht noch starker als in der Forschung - werden haufig weitere Kriterien eine Rolle spielen. Es gilt, neben dem Nutzen der Befragung auch die Kosten in die Bewertung einzubeziehen. Ent-scheidend sind also insbesondere in der Praxis auch die Kriterien „Kosten der Erhebung" und „Untersuchungsdauer" (vgl. Abbildung 3.5).

Wie beschrieben sind die quantitativen Verfahren die mit dem hochsten Potenzial fur fundierte Aussagen uber den Untemehmenserfolg. Sie sind aber an einige Vor-aussetzungen gekniipft und stellen hohe Anforderungen an die Durchfuhrung: Nicht nur muss eine umfangreiche Stichprobe erhoben werden; es sind auch grund-legende Kenntnisse statistischer Verfahren, wie der Korrelations-, der Varianz-, der Regressions-, der Faktor- oder sogar der Kausalanalyse, erforderlich. Da nicht nur Bezugsrahmen und standardisierte Fragebogen erarbeitet, sondem auch eine umfangreiche Befragung und ihre Auswertung erfolgen muss, muss mit einem zeitlichen Aufwand von typischerweise wenigstens drei Monaten gerechnet wer­den. Der personelle Aufwand wird in der Kegel nicht unter sechs Mitarbeiter-Monaten betragen. Nur wenn diese Anforderungen erfullt werden konnen, sollte eine quantitative Untersuchungsmethode gewahlt werden.

1st ein quantitatives Vorgehen nicht moglich, verbleiben die qualitative Untersu-chung Oder die methodisch und materiell gestutzte Expertenbefragung. Die qualita­tive Befragung hat ein niedrigeres Potenzial zum Aufdecken der Kausalstrukturen - dem eigentlich zentralen Kriterium einer Erfolgsfaktorenstudie. Sie wird daher in der Kegel weniger attraktiv sein als die gestutzte Expertenbefragung. 1st es aber von zentraler Bedeutung, dass alle Perspektiven in der Erfolgsfaktorenforschung beriicksichtigt werden, ist die qualitative Befragung mit weniger Aufwand verbun-den und daher besser geeignet. Die Beriicksichtigung aller Perspektiven kann zum Beispiel aus untemehmenspolitischen Grtinden oder auf Grund der hohen Kom-plexitat eines Produktes geboten sein.

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TENDENZAUSSAGEN ZUR AUSWAHL EINER UNTERSUCHUN6SMETH0DE IN DER PRAXIS

Ja

Sind Anforderungen quanti-tativer Methoden erfullt? • Umfangreiche Stichprobe und • Grundiegende statistische

Kenntnisse und • Personelle Ressourcen von

min. 6 Mann-Monaten und • Min. 3 Monate Zeit

Nein

Sind Anforderungen quantitativ-konfirmatorischer Methoden erfullt? • Guter Entwicklungsstand der Theorie und

• Kenntnis statistischer Ver-fahren zur Kausaianalyse (Z.B. LiSREL)

1st das Potenzial zum Auf-decken der Kausalstruktur und die MOglichkeit zur Betrachtung quantitativer Faktoren wichtiger als die Berucksichtigung aller Perspektiven?

Ja Quantitativ-konfimnatorisch

Nein

Ja

Nein

Quantitativ-explorativ

Methodisch und materiell gestiitzte ExpertenbefragungJ

Qualitativ

Quelle: Eigene Darstellung.

Abb. 3.5.: Tendenzaussagen zur Auswahl einer Untersuchungsmethode in der Praxis

Der Aufwand flir eine qualitative Befragung und eine gestiitzte Expertenbefragung ist gut skalierbar. Je mehr in die Vorbereitung, Durchfiihrung und Auswertung investiert wird, umso besser die Erkenntnisse Uber den Untemehmenserfolg. Be-reits eine kleine Anzahl von Interviews kann Erkenntnisse zu Tage fordem. Die Erfolgsfaktorenforschung kann somit auch in kleinen und mittleren Betrieben, denen in der Regel nur geringe Ressourcen zur Verfugung stehen, zur Anwendung kommen.

Insgesamt bietet die Erfolgsfaktorenforschung ein sinnvolles Instrument, um in-nerhalb des Marketing-Controlling die Ursachen fur Erfolg und Misserfolg von Marketing-Aktivitaten besser analysieren zu konnen.

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Literatur

Backhaus et al 2003. Klaus Backhaus, Bemd Erichson, Wulff Plinke, Rolf Weiber: Multi­variate Analysemethoden - Eine anwendungsorientierte Einfuhrung, 10., neubearb. und erw. Aufl., Berlin u.a.O.: Springer, 2003

Bleymuller et al. 2000. Josef Bleymuller, Gunther Gehlert, Herbert Gtillicher: Statistik fiir Wirtschaftswissenschaftler, 12., uberarbeitete Auflage, Mtinchen: Vahlen, 2000

Haenecke 2002. Henrik Haenecke: Methodenorientierte Systematisierung der Kritik an der Erfolgsfaktorenforschung, Zeitschrift fur Betriebswirtschaft, 72 (2002) 2, S. 165-183

Kube 1991. Christian Kube: Erfolgsfaktoren in Filialsystemen: Diagnose und Umsetzung im strategischen Controlling, Wiesbaden: Gabler, 1991; zugl. Diss.: Berlin, 1990

Nicolai/Kieser 2002. Alexander Nicolai, Alfred Kieser: Trotz eklatanter Erfolglosigkeit: Die Erfolgsfaktorenforschung weiter auf Erfolgskurs, in: Die Betriebswirtschaft, 62. Jahrgang (2002), Heft 6, S. 579-596

Patt 1988. Paul-Josef Patt: Strategische Erfolgsfaktoren im Einzelhandel: Eine empirische Analyse am Beispiel des Bekleidungseinzelhandels, Frankfurt a.M. u.a.O.: Lang, 1988; zugl. Diss.: Munster, 1987

Peters/Waterman 2000. Thomas J. Peters, Robert H. Waterman: Auf der Suche nach Spit-zenleistungen: Was man von den bestgefuhrten US-Untemehmen lemen kann, 8. Aufl., Landsberg am Lech: Modeme Verlagsges. MVG, 2000

Schnell/Hill/Esser 1999. Rainer Schnell, Paul Hill, Elke Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung, 6., voUst. uberarb. und erw. Aufl., Mtinchen/Wien: Oldenbourg, 1999

Wolff/Herrmann/Niggemann 2004. Gerhardt Wolff, Marco Herrmann, Markus Niggemann: Quo vadis Erfolgsfaktorenforschung?, in: Jahrbucher fur Nationalokonomie und Statis­tik, Band 224 (2004), Hefl 1 und 2, S. 263-269.

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Kapitel 4 MarketingorientiertesKernkompetenz-ControUing

Peter M. Rose

1 Einfiihrung: Die Kernkompetenzperspektive im Marketing-Management

Es herrscht heute in der Wissenschaft uberwiegend Einigkeit, dass eine Kemkom-petenz „... ein wertschopfender Mechanismus (ist), der kontinuierlich einen uber-legenen, langfristig verteidigbaren und wahrgenommenen Kundennutzen schafft und damit einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzeugt" (Deutsch/ Diedrichs/ Raster/Westphal 1997, S.20). Die Kemkompetenz-Perspektive wird ubereinstim-mend von Rasche (Rasche 1994, S.148ff.) und Thiele (Thiele 1997, S.67ff.) als „Derivat" des „Resource-Based-View" bezeichnet. Unter dem Terminus „Resour-ce-Based-View" werden dabei samtliche Ansatze und Modelle zusammengefasst, die den individuellen Wettbewerbserfolg einer Untemehmung iiber die Existenz einzigartiger Ressourcen zu erklaren versuchen. Die Vertreter einer solchen „res-sourcen-orientierten Untemehmensfiihrung" (zum Beispiel: Prahalad/Hamel 1994/ 1995; Amit/Schoemaker 1993, Dierickx/Cool 1989) stellen dem „Structure-Con-duct-Performance,,- Paradigma der marktorientierten Untemehmensfiihrung der Industrieokonomik (Die Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Hypothese der Industrieokonomie) als Gegenhypothese das „Resource-Conduct-Perfor-mance"- Paradigma gegenuber, das heiBt nicht die Marktstruktur determiniere die Wettbewerbsstrategien und den langfristigen Erfolg, sondem einzig und allein die effiziente Erarbeitung und Ausnutzung untemehmensspezifischer einzigartiger Ressourcen.

Insofem stehen ausschlieBlich Ressourcen im Mittelpunkt der Betrachtung, die auf Grund ihrer Untemehmensspezifitat als Fundament zur Erzielung komparativer Wettbewerbsvorteile dienen konnen. Nach Porter ist zwischen Humanressourcen, physischen Ressourcen, know-how-basierten Ressourcen sowie der Infrastruktur zu unterscheiden (Porter 1990, S.73f.). Weiterhin differenziert Porter diese Res­sourcen nach ihrer strategischen Bedeutung, indem er sie in eine hierarchische Beziehung zueinander setzt. Unterschieden wird dabei zum einen nach Grundres-sourcen und modifizierten Ressourcen, wobei erstere weitgehend den natUrlichen Produktionsfaktoren entsprechen und deshalb als „basic factors" bezeichnet wer­den. Bei den modifizierten Ressourcen handelt es sich dagegen um differenzierte Einsatzfaktoren, die im Rahmen des Wertschopfungsprozesses bereits einen „ad-

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ded value" in Form eines aus Kundensicht wahrgenominenen Zusatznutzens ge-schaffen haben.

Der marktorientierten Untemehmensfuhrung wird generell der Vorwurf gemacht, sich zu sehr den gegebenen Marktverhaltnissen anzupassen und die Moglichkeiten einer aktiven Gestaltung durch die Untemehmung zu vemachlassigen.

Der Verdacht, dass auf der anderen Seite die inside-out-orientierte Denkhaltung -somit die Konzentration auf die untemehmensintemen Gegebenheiten zu einer Vemachlassigung der Marktverhaltnisse fiihren kann, durfte inzwischen weitestge-hend ausgeraumt sein (zum Beispiel: zu Knyphausen-AufseB 1993, S.785f.; Ra-sche/Wolfrum 1994, S.513f.). „So sind Ressourcen gerade dadurch gekennzeich-net, dass sie eine Verbindung zwischen den Moglichkeiten der Untemehmung einerseits und den marktlichen Anforderungen andererseits herzustellen im Stande sind" (Freiling 1997a, S.249-277). Die markt- und ressourcen-orientierten Ansatze der Untemehmensfuhrung sind somit additiv miteinander verkntipft.

Bei der Betrachtung der Kemkompetenzen im Rahmen des „Resource-Based-View" wird die Bedeutung der Ressourcen als Bindeglied zwischen Untemehmen und Markt besonders deutlich: Den Anfordemngen an eine Kemkompetenz ent-sprechend implizieren Ressourcen nur dann Kemkompetenzen, wenn sie durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind („VRIO"-Kriterien) [Die „VRIO"- Krite-rien gehen im Wesentlichen auf Bamey (Bamey 1991, S.195ff.) zuriick; auch auf Freiling 1997b, S.39ff ] :

• Value: Ressourcen beinhalten nur dann Kemkompetenzen, wenn die Fahigkeit zur Nutzenstiftung am Markt vorliegt,

• Rareness: Kemkompetenzen sind so einzigartig, dass sie iiber Faktormarkte nicht bezo-gen werden konnen,

• Imperfect Imitability: Kemkompetenzen konnen des Weiteren auch nicht von anderen Untemehmun-gen imitiert beziehungsweise durch eine vergleichbare Ressourcenkombination substituiert werden.

• Organizational Specifity: Kemkompetenzen sind untemehmensspezifisch. AuBerhalb der Untemehmung sind ihre Verwendungsmoglichkeiten eingeschrankt.

Die Einzigartigkeit der Ressourcen einzelner Untemehmen wird in der Regel in der Vergangenheit begrundet und langsam und sukzessive im individuellen Unter-nehmenskontext akkumuliert. Auf der anderen Seite dUrfen die Gefahren, die sich aus dynamisch entwickelnden Markten ergeben, nicht tibersehen werden.

Kemkompetenzen unterliegen im Zeitablauf einem Wertverlust („asset erosion", Dierickx/Cool 1989, S.1508), sofem nicht bestandserhaltene Investitionen vor-genommen werden.

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Leonard-Barton (Leonard-Barton 1992, S.112) verweist darauf, dass sich bislang vorteilsgenerierende Ressourcen in turbulenten Markt- und Umweltsituationen in ihr Gegenteil verkehren konnen. Nasner (Nasner 2004, S.138) sieht das Hauptziel des Kemkompetenz-Controlling darin, die daraus resultierenden „Gefahren fur die Untemehmung" zu „kompensieren". Die dynamisch-flexiblen Lem- und Problem-losungsfahigkeiten, die letztlich das Tempo der know-how-Akkumulation determi-nieren, werden nach Teece et. al. (Teece/Pisano/Shuen 1997) als „dynamic capabi­lities" bezeichnet. Diese „zukunftsrelevanten" Fahigkeiten machen eine Kemkom-petenz einzigartig und schwer imitierbar und begrtinden eine ,,dynamische'' Kem-kompetenz.

Kemkompetenzen sind im Vergleich zu Produkten relativ langlebig. Im Erfolgs-falle konnen die dadurch erzielten Wettbewerbsvorteile ftir ein Untemehmen re­lativ dauerhaft („sustainable"), das heiBt bestandig gegeniiber Marktverande-rungen, sein. In nahezu alien Arbeiten zum Kemkompetenz-Ansatz wird die Dau-erhaftigkeit als BewertungsmaBstab fiir die generierten Kemkompetenzen hervor-gehoben.

Das oben angesprochene „Value-Kriterium" impliziert die Forderung nach Be-standigkeit des Wertes. Es ist das Ziel einer ressourcenorientierten Untemeh-mensfuhrung, den Wert nach Moglichkeit zu steigem und auf Basis vorhandener Fahigkeiten neue Kompetenzen zu entwickeln („leveraging-Effekt", Pra-halad/Hamel 1995,8.23Iff.). Nach Osterloh/Frost (Osterloh/ Frost 1998, S.174) zeichnen sich dynamische Kemkompetenzen „... dadurch aus, dass sie die Gmnd-lage fur die Hervorbringung .. (neuer) Kemkompetenzen bilden."

Zur Generiemng und Erhaltung dynamischer Kemkompetenzen in einem Unter-nehmen mlissen Kemkompetenzen im Untemehmensalltag standig uberwacht und weiterentwickelt werden. Um die Einbindung in die Tagesarbeit zu gewahrleisten, ist ein Kemkompetenz-Controlling aufzubauen. Im Folgenden wird das Kemkom­petenz-Controlling in Anlehnung an Kriiger/Homp (Kruger/Homp 1997, S.247ff.) als Teil des Kemkompetenz-Managements verstanden. Auch Nasner (Nasner 2004, S.139ff.) und Schmidt (Schmidt 2002, S.219) beziehen das Kemkompetenz-Controlling auf alle Phasen des Kemkompetenz-Managements. Zur Beschreibung der einzelnen Aufgabenkomplexe greifen einzelne Autoren auf unterschiedliche Controllingkonzepte zuruck, die sich in der Zielrichtung nur unwesentlich unter-scheiden. So konzentriert sich Nasner (Nasner 2004, S.139ff.) auf die Aufgaben­komplexe:

• Koordinierendes Planungsmanagement,

• Serviceaufgaben zur inhaltlichen Planung sowie

• die inhaltliche Planungsmitwirkung.

Das koordinierende Planungsmanagement umfasst nach Nasner (Nasner 2004, S.138) die Einbemfung, Vorbereitung, Organisation und Leitung von Planungs-mnden. Die Serviceaufgaben (Nasner 2004, S.138) implizieren die Aufbereitung von relevanten Daten, insbesondere die Implementiemng eines strategischen Friih-

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erkennungssystems und die Ausarbeitung von Trenddarstellungen und Szenarien. SchlieBlich fordert Nasner (Nasner 2004, S.139) den Einbezug des Kemkompe-tenz-Controlling in die inhaltliche Planungsarbeit.

Schmidt (Schmidt 2002, S.218) wendet das Steuerungs- und Controllingkonzept von Simons (Simons 1995, S.7ff.) auf das „Beteiligungscontrolling von Kemkom-petenzen" an und unterscheidet das „Wertesystem", das „Abgrenzungssystem", das „diagnostische Steuerungssystem" sowie das „interaktive Steuerungssystem" (Schmidt 2002, S.218f.). Im Rahmen des „Wertesystems" erfolgt die „grundlegen-de strategische Ausrichtung der Kemkompetenzen des Untemehmens" (Schmidt 2002, S.221). Das „Abgrenzungssystem" dient als „gemeinsamer klarer, einheitli-cher Orientierungsrahmen fiir das Handeln aller Mitarbeiter beztiglich Kemkompe­tenzen in dem Untemehmen" (Schmidt 2002, S.225f.) - entsprechend dem „koor-dinierenden Planungsmanagement" nach Nasner Das „diagnostische Steuerungs­system" befasst sich mit der Erfassung, Messung und Steuerung der Kemkompe­tenzen (Schmidt 2002, S. 227) - entsprechend der „Serviceaufgaben", die Nasner auffuhrt. Das „interaktive Steuemngssystem" soil „die kritische Reflexion des Status Quo und damit die Emergenz neuer Kemkompetenz-Strategien unterstiit-zen" (Schmidt 2002, S.236), entsprechend der Fordemng Nasners zum „Einbezug des Kemkompetenz-Controllings in die inhaltliche Planungsarbeit".

2 Kernkompetenz-Controlling als Teil des Kernkompetenz- Managements

Das Management von Kemkompetenzen umfasst folgende Aufgabengebiete (im Einzelnen: Kruger/Homp 1997, S.87ff.):

• Identifikation,

• Entwicklung,

• Integration,

• Nutzung und

• Transfer.

Nasner (Nasner 2004, S.142) und Schmidt (Schmidt 2002, S.219) erwahnen die Phase „Pflege von Kemkompetenzen", die inhaltlich der „Transfer-Phase" in der Terminologie von Kruger/Homp entspricht. Im Folgenden wird die Begrifflichkeit von Kriiger/Homp verwendet. Im Rahmen des Identifikations-Prozesses werden Ressourcen und Fahigkeiten eines Untemehmens bestimmt und auf der Gmndlage der „VRIO"- Kriterien beurteilt, ob beziehungsweise inwieweit sie Kemkompeten­zen darstellen. Die Entwicklungsaufgaben umfassen die Gesamtheit kompetenzori-entierter Aufbau- und UmbaumaBnahmen mit dem Ziel, im Sinne eines „levera-ging-Effektes" den Wert der Kernkompetenz nach M5glichkeit zu steigem und auf Basis vorhandener Fahigkeiten neue Kompetenzen zu entwickeln, die noch besser

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den Markt- und Wettbewerbsanforderungen gerecht werden. Ressourcen und Fa-higkeiten konnen auf vielfache Art und Weise weiterentwickelt werden: Vorhan-dene Kompetenzen kSnnen gefestigt und ausgebaut werden, etwa durch Standardi-sierung und durch sichere Beherrschung der Prozesse. Durch Lem- und Verbesse-rungsprozesse kon-nen Kompetenzen, die in der Vergangenheit begrundet wurden, kontinuierlich verbessert werden. Femer bedeutet eine Konzentration auf wenige Kompetenzen eine starkere Biindelung der Ressourcen und kann starker zu Best-leistungen fuhren. SchlieBlich k5nnen bestehende Kompetenzen erganzt bezie-hungsweise neue innovative Kompetenzen entwickelt werden.

Ressourcen und Fahigkeiten sind daraufhin personell, organisatorisch und tech-nisch so zu integrieren, dass ihre optimale Nutzung moglich ist. Femer ist im Rahmen des Kemkompetenz-Managements dafur Sorge zu tragen, dass der „add-ed value" in Form eines aus Kundensicht wahrgenommenen Zusatznutzens am Markt Erfolg bringend umgesetzt, das heiBt durch ihn ein konkreter (wirtschaft-licher) Nutzen erzielt wird. SchlieUlich besteht eine Aufgabe des Kemkompetenz-Managements darin, vorhandene oder im Entstehen befmdliche Kemkompetenzen auf neue Produkte, Regionen und Kunden zu ubertragen. Der Transfer setzt dyna-mische Kemkompetenzen voraus, die die Gmndlage fiir die Hervorbringung neuer Kemkompetenzen bilden.

Die Performance einer Untemehmung ist im Wesentlichen durch ihren Wettbe-werbsvorteil gepragt, der besonders im operativen Controlling durch quantitative Daten wie Kosten- und Erlosrechnungen erfasst wird. Verandert sich der Wettbe-werbsvorteil beziehungsweise wird ein neuer geschaffen, sind quantitative Daten allein nicht aussagekraftig. Das Controlling ist in den Strategiebereich hin zu er-weitem und muss demgemass auch die Ursachen fur Wettbewerbspositionen und -vorteile behandeln. Die Kemkompetenzen als direkte Ursache flir eine Nutzenstif-tung am Markt sind somit zum weiteren Gegenstand des Controlling, speziell des Marketing-Controlling, zu machen.

„Controlling lebt nicht von der richtigen, sondem von der falschen Planung" (Franke/Zerres 1999, S. 18).

Beim Kemkompetenz-Controlling geht es darum, den gesamten Prozess des Kem­kompetenz-Managements zu tiberwachen: In der Identifikationsphase erfolgt ein Vergleich der identifizierten Kemkompetenzen (Ist) mit den geplanten bezie­hungsweise realisierbaren (Soil). Abweichungen zwischen Ist und Soil machen korrektive MaBnahmen in Form von Empfehlungen notwendig, die eine Konzent­ration auf andere Kompetenzen beziehungsweise eine Weiterentwicklung beste-hender Kompetenzen zum Gegenstand haben konnen.

In der Entwicklungsphase wird der Fortschritt weiterentwickelter Ressourcen und Fahigkeiten iiberpriift. Stimmen auch hier die Ist-Werte nicht mit den Soll-Vor-gaben uberein, muss das Controlling Vorschlage erarbeiten, in welche Richtung eine Weiterentwicklung der Ressourcen und Fahigkeiten Erfolg versprechend er-folgen soil. Ergibt das Controlling, dass die personelle, organisatorische und tech-nische Allokation der Ressourcen und Fahigkeiten nicht optimal im Hinblick auf die Planziele erfolgte, sind entsprechende Umverteilungen vorzunehmen. In der

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Nutzungsphase liefert das Controlling Hinweise darauf, in welchen Bereichen die Nutzung der Kemkompetenz(en) unterreprasentiert oder gar rucklaufig ist und entwickelt Vorschlage fur eine bessere Nutzung der vorhandenen Kem-kompetenz(en). SchlieBlich Uberpriift das Controlling in der Transferphase, ob beziehungsweise inwieweit alle potentiellen Einsatzmoglichkeiten der Kemkompe-tenz(en) in die strategische Planung mit einbezogen worden sind.

Das Kemkompetenz-Controlling kann auf unterschiedliche Instrumente zurtick-greifen, von denen einige im folgenden Kapitel ansatzweise vorgestellt werden.

3 Instrumente des Kernkompetenz-Marketing-ControUing

Die Wertkette von Porter (Porter 1999, S.63ff.) als traditionelles Analyse-Instru-ment, die ein Untemehmen in strategisch relevante Tatigkeiten gliedert, liefert niitzliche Anhaltspunkte im Rahmen der Identifikationsphase. Sie gibt Aufschltisse dartiber, welche Tatigkeiten eines Untemehmens in besonderer Weise zur Ge-winnspanne des Untemehmens beitragen, indem sie Wettbewerbsvorteile in Form eines umfassenden Kostenvorsprungs und/oder in Form von Differenzierungsmog-lichkeiten generieren. Solche Tatigkeiten stellen zwar im Regelfall selbst keine Kompetenzen dar, greifen aber auf diese zurtick. Das gilt sowohl fur „unterstut-zende" Aktivitaten, die fflr den Kauf von Inputs, Technologie, menschlichen Res-sourcen fur das ganze Untemehmen sorgen, als auch fur „primare" Aktivitaten, die sich mit der physischen Herstellung des Produktes und dessen Verkauf und Uber-mittlung an den Abnehmer und dem Kundendienst befassen.

Bei der Analyse des jeweiligen Wertbeitrages der Tatigkeiten ist zu beachten, dass die Wertkette eines Untemehmens in ein „Wertsystem" eingebettet ist, das aus den Wertketten der Lieferanten, der Vertriebskanale und der Abnehmer besteht. Femer unterscheiden sich die Wertketten der Untemehmen einer Branche sowie die Wert­kette eines Untemehmens im Wettbewerbsumfeld von der seiner Konkurrenten, was eine potentielle Quelle von Wettbewerbsvorteilen darstellt. Zudem kann ein Untemehmen, das nur ein bestimmtes Branchensegment bedient, seine Wertkette maUgerecht auf dieses Segment zuschneiden, was im Vergleich zu den Konkurren­ten zu einem Kostenvorspmng oder zur Differenziemng fiihren kann. Bedient ein Untemehmen hingegen mehrere Branchensegmente, konnen die Wertketten fiir verschiedene Artikel seines Produktprogrammes oder ftir verschiedene Abnehmer, geographische Bereiche oder Distributionskanale unterschiedlich ausfallen. Die einzelnen Wertketten sind aber eng miteinander verknupft und nur im Zusammen-hang mit der Wertkette der Untemehmenseinheit interpretierbar. SchlieBlich kann die Tatigkeit in verwandten Branchen mit aufeinander abgestimmten Wertketten durch Verflechtungen zu Wettbewerbsvorteilen fuhren. Ein Untemehmen kann die Vorteile eines breiteren Feldes intem nutzen oder dafiir mit anderen Untemehmen Koalitionen bilden.

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Der erzielte Wert (entsprechend dem Kriterium „Value" der „VRIO"- Kriterien, vgl. weiter oben) ist nach Porter derjenige Betrag, den die Abnehmer fur das, was ein Untemehmen ihnen zur Verfligung stellt, zu zahlen bereit sind. Der Wert ist am Gesamtertrag zu messen, der von den fur das Produkt eines Untemehmens erziel-ten Preise und den verkauften Stuckzahlen abhangt. Die Gewinnspanne ist der Unterschied zwischen dem Gesamtwert und der Summe der Kosten, die durch die Ausflihrung der Tatigkeiten eines Untemehmens entstanden sind. Die Ge­winnspanne lasst sich auf sehr unterschiedliche Weise messen. Auch die Wertket-ten der Lieferanten und Vertriebswege enthalten eine Gewinnspanne, die zum Verstandnis der Ursachen der Kostenposition eines Untemehmens unbedingt zu ermitteln ist, da die Lieferanten- und Vertriebsgewinnspanne Teil der Gesamtkos-ten fur den Abnehmer sind. Auch Abnehmer haben nach Porter Wertketten, und das Produkt eines Untemehmens stellt in der Kette des Abnehmers einen gekauften Input dar. Haushalte (und die einzelnen Verbraucher in ihnen) engagieren sich in einem weiten Bereich von Aktivitaten, und die von Haushalten gekauften Produkte werden innerhalb dieser FUlle von Aktivitaten genutzt. Die Differenziemng eines Untemehmens entsteht aus der Art der Beziehung zwischen seiner Wertkette und der seiner Abnehmer. Dies ist eine Funktion sowohl der Art, wie das physische Produkt eines Untemehmens von den Abnehmem in bestimmten Aktivitaten ver-wendet wird, als auch aller anderen Beriihmngspunkte zwischen der Wertkette des Untemehmens und der der Abnehmer. Differenziemng durch Einzigartigkeit (ent­sprechend dem Kriterium „Rareness" der „VRIO"- Kriterien, vgl. weiter oben) entsteht im Gmnde dort, wo ein Untemehmen durch seinen Einfluss auf die Wert­kette des Abnehmers fiir ihn einen Wert schafft. Es schafft ihn dadurch, dass es seinem Abnehmer einen Wettbewerbsvorteil verschafft, seine Kosten senkt oder seine Leistung steigert.

Anders als bei einem Untemehmen, das den Wert in GroBen wie Preis oder Ge-winn messen kann, ist der WertmaBstab des Verbrauchers vielschichtig und von der Bedtirfhisbefriedigung bestimmt und entzieht sich somit einem reinen quantita-tiven Controlling. Ansatzpunkte fur Ist-Werte konnen nur qualitative Befragungs-ergebnisse im Rahmen von Kundenzufriedenheitsuntersuchungen liefem.

Ein Instmment, mit dem direkt Kompetenzen in einem Untemehmen identifiziert werden konnen, ist die „Skill-Cluster-Analyse" nach Edge/Klein/Hiscocks/ Plas-onig (Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.211ff.). Dabei werden spezielle Fa-higkeiten („Skills") mit dem Ziel einander gegeniibergestellt, herauszufmden, in welchem Umfang sie zur Entwicklung, Erstellung und Vermarktung der Produkte eines Untemehmens genutzt werden. Wenn beispielsweise die Produkte eines Untemehmens, die ein hohes Niveau der Fahigkeit „Digitaltechnik" benotigen, auch ein relativ hohes Niveau der Fahigkeit „Minaturisiemng" notwendig machen, ist es wahrscheinlich, dass das Untemehmen eine Kompetenz bei digitaler Mikro-elektronik hat. Wenn das Untemehmen jedoch zwar diese Fahigkeiten besitzt, diese aber nicht fur das Produkt kombiniert werden, hat es diese Kompetenz nicht. Die Vorgehensweise der Skill-Cluster-Analyse soil in Anlehnung an Edge/Klein/ Hiscocks/Plasonig an einem fiktiven Beispiel demonstriert werden. Ausgangspunkt ist eine Matrix, die „Skill-Clustering"- Indices enthalt. Ein Skill-Clustering- Index

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lij zeigt den Prozentsatz jener Produkte, fiir die sowohl Skill i als auch Skill j in einem hohen AusmaB verwendet werden:

/ij = Anzahl der Produkte, die Skill i und Skill j in hohem AusmaB verwenden

Gesamtzahl der Produkte

Skill-Cluster-Indices konnen auf der Grundlage von Datenbanken direkt abgeleitet werden. Eine Matrix der Skill Cluster Indices konnte folgendes Aussehen haben:

Abb. 4.1: Matrix der Skill Cluster Indices Quelle: Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.212.

Die Matrix zeigt, dass fur die Herstellung von 80 % aller Produkte die Skills 1 und 3 gemeinsam zum Einsatz kommen. Die Skills 1 und 2 werden nur bei 4 % aller Produkte benotigt. Wird die Matrix so umgestellt, dass durch jeweils uber-durchschnittliche Skill-Clustering-Indices Gruppen gebildet werden, ergibt sich folgendes Bild:

Abb. 4.2: Skill Clustering Indices fiir zwei Skill Cluster Quelle: Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.212.

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Es zeigt sich, dass die Skills 1 und 3 miteinander und Skill 2, 4 und 5 wechsel-seitig gruppiert sind. Die dabei entstandenen Cluster reprasentieren potentielle Kemkompetenzen, da sie empirisch beobachtbare Kombinationen von elementaren Skills darstellen. Eine Uberprufung anhand der „VRIO-Kriterien" bringt Auf-schluss, ob es sich bereits um Kemkompetenzen handelt. Es sei denn, die beobach-teten Skills haben sich bereits im Vorwege als „Key Skills" erwiesen, indem ihnen eine hohe Relevanz flir die Fahigkeiten eines Produktes und fur den Markt attes-tiert wurde. Aber auch im Nachhinein konnen die Skills im Hinblick auf ihre Eig-nung, Kemkompetenzen zu generieren, uberpruft werden. Das kann mit dem In-stmment ,,Skill Mapping'' (Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.211ff.) gesche-hen, das im Folgenden kurz skizziert werden soil: Ausgangspunkt fiir eine Aufstel-lung der Skills in einer Untemehmung bildet die jeweilige Organisationsstmktur. Verfligt eine Untemehmung uber eine Forschungsabteilung, so ist zu vermuten, dass Forschungsskills vorliegen. Weitere Skills (beispielsweise besondere Skills, die auf Gmnd der Produkte und Dienstleistungen evident sind) ergeben sich auf der Gmndlage von Interviews mit samtlichen Anspmchsgmppen einer Untemeh­mung (Stakeholder). Daran anschlieBend wird jede Skill anhand einer 5-stufigen Skala einzeln bewertet. Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig (Edge/Klein/Hiscocks/ Plasonig 1995, S.202) schlagen zur Evaluiemng folgende Verbalskala vor:

1 Keine Fahigkeit,

2 etwas Fahigkeit,

3 durchschnittliche Fahigkeit,

4 groBe Fahigkeit und

5 erstklassige Fahigkeit.

Die „Key Skills,, sind jene, die am starksten (Auspragung 4 und 5) sind und sich als besonders wichtig fiir den Wettbewerb des Untemehmens erweisen - ersicht-lich in den Produkten oder anhand der Marktposition des Untemehmens. Das Kemkompetenz-Controlling hat dafiir Sorge zu tragen, dass sich empirisch beob­achtbare „Key Skill"-Kombinationen, die mit hohen Skill-Clustering-Indices aus-gestattet sind, im Kemgeschaft einer Untemehmung wiederfmden. Ein Vergleich mit den Umsatz- und Ergebnisanteilen der vorhandenen Geschafte beziehungswei-se der strategischen Geschaftseinheiten zeigt, in welchem Umfang dies der Fall ist. Geschaftsfelder mit hohem Umsatz, aber niedriger Kompetenz deuten auf angreif-bare Positionen hin. Idealerweise sollten sich Umsatz- beziehungsweise Ergebnis-anteil und Kemkompetenzstarke langfristig entsprechen.

Das „Skill Mapping" ist auch als Instmment fUr die Entwicklungsphase geeignet. Bereits identifizierte Fahigkeiten werden im Wettbewerbsvergleich eingmppiert. Dabei werden Benchmark-Studien zum Zwecke eines Vergleichs moglicher Kom-petenzen mit denen aktueller und potentieller Konkurrenten genutzt. Weiterhin erfolgt eine UberprUfung der Marktrelevanz der Fahigkeiten, wobei nur hochgra-dig zur Kundenzufriedenheit geeignete Fahigkeiten von strategischem Wert sind.

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In Anlehnung an Freiling (Freiling 1998, S.72f.) soil beispielhaft anhand folgender Grafik auf der Grundlage des Skill-Mapping demonstriert werden, wie bestimmte Entwicklungslaufe von Fahigkeiten zu erkennen sind:

Entwick-lungsniveau

Markt-relevanz

niedrig

mittel

hoch

Stufe 1

Fahigkeit nur in An-satzen er-kennbar

1

Stufe 2

Fahigkeit unter Markt-standard

3

- ^ '

Stufe 3

Fahigkeit aufMarkt-standard

3

^ ^

Stufe 4

Uberlegen-heit im Wettbewerb

2

\

1

Stufe 5

weithin uberragende Fahigkeit

2

2

Abb. 4.3: Skill Mapping zur Uberprufung des Entwicklungsstandes beobachteter Skills

Quelle: Freiling 1998, S.74

Die Fahigkeiten einer Untemehmung werden gemaB einer - gegenuber dem Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig-Ansatz leicht modifizierten - funfstufigen Verbal-skala im Wettbewerbsvergleich eingruppiert. Die Felder mit den Dimensionen „hohe Marktrelevanz,, und „Stufe 4" und „Stufe 5" des Entwicklungsniveaus kenn-zeichnen den Bereich der Kemkompetenzen. Anhand der Fahigkeiten 1,2 und 3 soil exemplarisch deren Entwicklungsverlauf diskutiert werden: Die Fahigkeit 1 hat sich erfreulich entwickelt. Bei durchgangiger hoher Marktrelevanz hat ein kontinuierlicher Kompetenzzuwachs mit dem Ergebnis stattgefunden, dass sie den Kemkompetenzbereich erreicht hat. Mit dem Skill 2 verfugt das Untemehmen iiber eine uberragende Fahigkeit, sieht sich aber dem Problem gegenuber, dass die Kompetenz fur den Absatzmarkt immer unbedeutender wird. Hier fungiert das Skill Mapping als Fruhwarnindikator. Das Kemkompetenz-Marketing-Controlling muss AnstoBe daflir liefem, dass kommunikative Mafinahmen entwickelt werden, die zum Ziel haben, die Bedeutung dieser Kemkompetenz fiir alle Marktteilneh-mer wiederzubeleben. Die Entwicklung der Fahigkeit 3 lasst vermuten, dass das Untemehmen einer vorhandenen Kemkompetenz wegen der anfangs geringen Marktrelevanz wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat. Das hat dazu gefiihrt, dass die Fahigkeit an Wert eingebuBt hat. Ein wirksames Kemkompetenz-Marketing-Controlling hatte rechtzeitig auf die wachsende Marktrelevanz hingewiesen, was eine Konzentration des Untemehmens auf diese Kemkompetenz und eine Stabili-siemng der in ihr zum Ausdmck kommenden Fahigkeiten zur Folge hatte.

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Ein weiteres wichtiges Instrument, um den Entwicklungsprozess zu uberprufen, ist ein Kernkompetenzportfolio. Anhand der Dimensionen „zukUnftige Marktbedeu-tung" als exteme Perspektive und „relative Kompetenzstarke" (im Wettbewerbs-vergleich) als interne Sichtweise kOnnen die Positionen strategisch relevanter Fa-higkeiten gekennzeichnet werden (Mit Kompetenzportfolios arbeiten zum Beispiel Thiele 1997, S.84ff., Kruger/Homp 1997, S.270f. und Nasner 1998, S.42f, wobei Kriiger/Homp und Nasner eine Zukunftsperspektive durch die Bezeichnung der Dimensionen in die Betrachtung einbringen. Thiele arbeitet mit einem Kompetenz-Strategieportfolio mit den Dimensionen Strategische Bedeutung der Kompe-tenz/Starke der Untemehmung beztiglich der Kompetenz).

Im Folgenden soil anhand eines exemplarischen Kemkompetenzportfolios die Positionen von Fahigkeiten und ihre Entwicklungspotentiale veranschaulicht wer­den (vgl. Abb. 4.4.).

i

hoch

niedrig

i Zukiinftige Marktbedeutung der Fahigkeiten

Kompetenzliicke

0

Kostenbewusstsein

0

Funktionsweise der Produkte

Kompetenzstandard

Kernkompetenz

0

Serviceorientierung

0

Qualifizierung des Vertriebs

Kompetenzpotential

— • hoch niedrig Kompetenz­

starke

Abb. 4.4: Kemkompetenz-Portfolio Quelle: In Anlehnung an Kriiger/Homp 1997, S.271 und Nasner 1998, S.43

Dabei kennzeichnet der Quadrant: „hohe zukiinftige Marktbedeutung/hohe relative Kompetenzstarke" eine „Kemkompetenz". In dem Beispiel gilt es, die Serviceori­entierung beispielsweise durch gezielte SchulungsmaBnahmen und durch Vermitt-lung der Servicephilosophie nach innen und auBen auf hohem Niveau zu stabilisie-ren. Die Fahigkeit „Kostenbewusstsein" ist im Untemehmen gemessen am Wett-

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bewerb relativ gering ausgepragt, obwohl die Marktbedeutung sehr hoch ist. Diese Kompetenzlucke muss kurz- bis mittelfristig aufgefiillt warden, eine Herausforde-rung fur das Controlling, zumal das Vermitteln eines Kostenbewusstseins in einem Untemehmen zu dessen bevorzugten Aufgaben gehort. Die Funktionsweise der Produkte stellt den „Kompetenzstandard" im Markt dar, sodass sich die Unter-nehmung iiber diese Fahigkeit nicht am Markt profilieren kann. Das Controlling kann zu diesem Zeitpunkt problemlos das Outsourcen der Produktion empfehlen. Dabei muss das Controlling die weitere Marktentwicklung im Auge behalten. Eine Steigerung der Marktbedeutung kann auch in diesem Fall EntwicklungsmaBnah-men nach sich Ziehen. Die Qualifizierung des Vertriebes des Untemehmens ist starker ausgepragt als beim Wettbewerb. AUerdings ist diese Fahigkeit zum ge-genwartigen Zeitpunkt nicht geeignet, die Position am Markt zu verbessem. Das Kemkompetenz-Controlling muss Vorschlage erarbeiten, ob diese Fahigkeit in anderen Kombinationen eingebracht werden und/ oder ob diese Fahigkeit allein Oder in Kombination mit anderen in anderen, innovativen Markten zu Erfolg ver-sprechenden Positionen fiihren kann. Hier ist das Transferpotential der Fahigkeit angesprochen.

Wie bereits erwahnt, Uberwacht das Kemkompetenz-Controlling die personelle, organisatorische und technische Allokation der Ressourcen und Fahigkeiten in einem Untemehmen. Als Instmmente in der Integrationsphase lassen sich die ubli-chen Wirtschaftlichkeitsrechnungen einsetzen (beispielsweise die Kapitalwert-methode). Im Falle qualitativer Ziele schlagen Krtiger/Homp (Kruger/Homp, 1997, S.272) die Nutzwertanalyse vor.

Im Folgenden soil exemplarisch die Nutzwertanalyse illustriert werden:

Ein$at2 der Ressourcen und FShig-keiten

erfflllt

erfflllt

erfullt

Alternative Ai

Kompetenz Zentmm A

Kompetenz Zentmm B

Kompetenz Zentmm C

Ziele Zj Gewich-timgqj Motivation des Mitar-beiters

q-2

W=4 4*2=8

W=3 3*2=6

W=2 2*2=4

Integrati-onsfthig-keit das Mitarbeiters q-5

W=3 3*5=15

W=4 4*5=20

W=4 4*5=20

Herausfor-derung filr den Mit-arbeiter q^4

W=4 4*4=16

W=5 5*4=20

W=6 6*4=24

Nutzwerte je AHerna-tiveN

39

46

48

Abb. 4.5: Nutzwertanalyse Quelle: Kruger/Homp 1997, S. 272, verandert.

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Das Ergebnis der Nutzwertanalyse besteht im Beispiel darin, dass das Controlling die personelle AUokation der Ressourcen und Fahigkeiten dergestalt uberwachen muss, dass das Kompetenzzentrum C bevorzugt mit Ressourcen ausgestattet wird, gefolgt von den Kompetenzzentren B und A.

Fiir die Uberwachung der Nutzungsphase durch das Kemkompetenz-ControUing schlagen Kriiger/Homp (Kriiger /Homp 1997, S. 273f.) die Kennzahlen: Return on Core Competencies (ROCC) und den Kemproduktanteil vor:

Umsatzanteil der Neuprodukte, die auf einer Kemkompetenz beruhen ROCC =

Gesamtumsatz aller Neuprodukte

Der ROCC besteht aus dem Umsatzanteil aller Neuprodukte, die auf Kemkompe-tenzen beruhen, im Verhaltnis zum Gesamtumsatz aller Neuprodukte, also auch denen, die keine Kemkompetenzen enthalten. Je naher der Quotient an eins liegt, desto intensiver wird die Kemkompetenz genutzt, und das Controlling sieht (noch) keine Alarmanzeichen. Sinkt jedoch der Quotient, kann dieses ein Anzeichen dafur sein, dass die Nutzung der Kemkompetenz zuruckgeht. Das Kemkompetenz-ControUing muss einschreiten.

Anzahl der verkauften Kemprodukte Kempoduktanteil =

Anzahl der verkauften Endprodukte

Jene Komponenten, Module oder Subsysteme, die zu den Kemeigenschaften eines Endproduktes in besonderem Mafie beitragen, werden als Kernprodukte bezeich-net. Je hoher der Anteil der verkauften Kemprodukte an den Endprodukten ftir ein Untemehmen ist, umso groBer ist auch der Wettbewerbsvorteil dieses Untemeh-mens. Das Kemkompetenz-ControUing Uberwacht die Untemehmensbereiche, stellt auf Gmnd ROCC und des Kemproduktanteils fest, in welchen Bereichen die Nutzung der Kemkompetenzen iiber-, unterreprasentiert oder gar rucklaufig ist und entwickelt gegebenenfalls Vorschlage ftir eine bessere Nutzung der vorhande-nen Kemkompetenzen.

SchlieBlich erarbeitet das Kemkompetenz-ControUing Vorschlage ftir potentielle Anwendungsgebiete einer Kemkompetenz und iiberpruft in der Transferphase, ob beziehungsweise inwieweit alle potentiellen Einsatzmoglichkeiten der Kemkom-petenz(en) in die strategische Planung mit einbezogen worden sind.

Informationen zu potentiellen Einsatzmoglichkeiten der Kemkompetenzen lassen sich mit Hilfe einer ..Opportunity-Matrix'' nach Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig (Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.205ff) weiter verdichten.

Mit Hilfe der ..Opportunity-Matrix'' lassen sich neue Anwendungs-, Produkt- oder Marktmoglichkeiten ftir ein Untemehmen identifizieren, indem es die vorhandenen Skills nutzt. Auf der ersten Stufe miissen die Skill-Achse definiert und die Skills

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einer Untemehmung bewertet werden. Dies geschieht mit Hilfe der bereits vorge-stellten Skill Mapping-Technik. Auf der zweiten Achse muss die Produktachse defmiert werden. Die Produkte werden sich nicht nur in bereits bearbeiteten Mark-ten finden, sondem auch in neuen Markten. Jedes Produkt wird dann unabhangig davon bewertet, welches AusmaB jedes Skill benotigen wird, um dieses Produkt effektiv zu erzeugen und zu vermarkten. Es wird dieselbe 5-stufige Verbalskala, die im Zusammenhang mit der Skill Mapping - Technik erwahnt wurde, verwen-det. In einem letzten Schritt wird die Opportunity-Matrix verwendet, um die M6g-lichkeiten zu analysieren.

Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig (Edge/Klein/Hiscocks/Plasonig 1995, S.207f.) be-richten von einem groBen Chemieuntemehmen mit einer beherrschenden Marktpo-sition bei Edelmetall-Katalysatoren. Die Aufgabe war, neue Geschaftsmoglichkei-ten flir die im Untemehmen bestehende Skill-Basis zu finden. Das Untemehmen war besonders daran interessiert, neue Moglichkeiten im Umweltbereich zu identi-fizieren. Als erster Schritt wurden die Skills und deren Auspragung in den relevan-ten Bereichen des Untemehmens analysiert. Diese Skills wurden entsprechend der Skill Mapping-Technik eingetragen und bewertet. Die gefundenen Spills waren uberwiegend technischer Natur, beinhalteten jedoch auch Marketing, Distribution und das Finanzwesen. Diese Analyse ergab fur das Untemehmen 120 Skull-Bereiche, die mit Moglichkeiten im Umweltbereich verbunden waren; jeder wurde bewertet. Auf der nachsten Stufe mussten die Produkte ausgewahlt werden, die flir die Suche nach neuen Moglichkeiten in Betracht kamen. Hierfur wurden nicht nur Markte, die gegenwartig bearbeitet wurden, wie zum Beispiel Kraftfahrzeugkataly-satoren, untersucht, sondem auch Markte, flir die ahnliche Spills benotigt werden, beispielsweise NO-Filter flir Kraftwerke. Jeder dieser Sektoren wurde detailliert betrachtet. Als nachster Schritt wurde bewertet, welcher Grad des Spills notwendig war, um wettbewerbsfShig zu sein. Schlielilich musste bestimmt werden, welche dieser Moglichkeiten von dem Untemehmen mit den vorhandenen Skills wahrge-nommen werden konnte.

Zu diesem Zweck wurde eine Opportunity-Matrix eingesetzt, die folgendes Ausse-hen hat (vgl. Abb.4.6).

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Branche: Spezialchemie Sortimentsbereich: Luftreinhaltung

grundlegende chemische Kenntnisse

1 Dreiwege-Kataly-satoren Filteranla-gen ftir Diesel-motoren Oxidati-onskata-lysatoren Sauerstoff-sensoren Hilfskata-lysatoren Elektrosta-tische Be-schleuniger

Orga-nische Chemie

3

3

3

2

2

1

Anorga-nische Chemie

5

5

5

5

5

1

Physika-lische Chemie

5

3

5

5

5

3

Kata-lyse

5

5

5

1

4

1

Analyti-sche Chemie

4

4

4

4

4

3

Ober-flachen-Chemie

5

3

5

4

5

3

Elektro-Chemie

1

1

1

5

1

4

Branche: Spezialchemie Sortimentsbereich: Luftreinhaltung

Separatationstechnologische Kenntnisse

Dreiwege-Katalysa-toren Filteranla-ge ftir Die-selmotoren Oxidati-onskata-lysatoren Sauerstoff-sensoren Hilfskata-lysatoren Elektrosta-tische Be-schleuniger

Destil-lation

Fraktio-nation 1

1

1

1

1

1

Krystalli-sation 3

1

3

1

3

2

Evapo­ration 1

1

3

1

3

3

Konden-sation 3

1

3

1

1

3

Filtra­tion 1

5

5

1

3

5

Zentri-ftigation 1

1

1

1

1

1

Abb. 4. 6: Opportunity-Matrix Legende: „1" = keine besonderen FShigkeiten erforderlich

„5" = uberragende Fahigkeiten erforderlich Quelle:Edge /Klein/ Hiscocks, Peter G./Plansonig,Gerhard 1995, S.208. Frei-ling, Jorg 1998, S.76 (deutsche Ubersetzung des Beispiels)

Page 89: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

72

Im oberen Bereich der Matrix werden Felder abgetragen, in denen das Unter-nehmen tiber besondere Kenntnisse verfugt. Das Beispiel enthalt zu Verein-fachungszwecken mit den zwei Bereichen der chemischen Grundlagen-Fahig-keiten und der separationstechnologischen Fahigkeiten nur einen Ausschnitt aus der gesamten Geschaftstatigkeit. Den vorhandenen Fahigkeiten werden im linken Bereich der Matrix potentielle Neuprodukte gegenubergestellt, wie oben beschrie-ben.

Der notwendige Grad der Skills wird anhand einer 5-stufigen Skala bewertet - von „1"= keine besonderen Fahigkeiten erforderlich bis „5"= Uberragende Fahigkeiten notwendig. Geht man davon aus, dass die Anwendung grundlegender chemischer Fahigkeiten fur die Entwicklung und Produktion von Leistungen im Bereich der Luftreinhaltung eine wichtige Kompetenz darstellt, so ware es fur das betrachtete Untemehmen besonders wichtig, Fahigkeiten in den Bereichen der anorganischen und physikalischen Chemie aufzubauen und miteinander in Beziehung zu setzen. Gleiches gilt in abgeschwachter Form fiir die analytische und zum Teil flir die organische Chemie. Auf dieser Basis mtissen die vorhandenen Fahigkeiten diesen Marktanforderungen gegentibergestellt werden. Das Kemkompetenz-Controlling kann auf der Grundlage einer Opportunity-Matrix fur das Management eine Ent-scheidungsgrundlage zur ErschlieUung neuer Markte iiber eine Weiterentwicklung vorhandener Kompetenzen schaffen. Dabei konnen schliesslich auch Ergebnisse der Ausarbeitung von Trenddarstellungen und Szenarien in den Planungsprozess einflieBen (im Rahmen des Aufgabenkomplexes „Serviceaufgaben zur inhaltlichen Planung", vgl. Nasner 2004, S.138).

Page 90: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

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Kapitel 5 Corporate Citizenship-Controlling

Nicole Fabisch

1 Ausgangssituation

Die Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung von Untemehmen hat mit der sogenannten Kapitalismusdebatte, die seit April 2005 in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gefiihrt wird, in Deutschland einen neuen Hohepunkt erreicht. Wenngleich die Debatte in den Medien manchmal Ausgewogenheit und Sachver-stand vermissen lieB, hat sie doch dazu gefiihrt, dass die Verantwortung der Unter-nehmen gegeniiber verschiedenen gesellschaftlichen Anspruchsgruppen (=Stake-holder) in einer grSBeren Breite diskutiert wird als vorher. In diesem Zusammen-hang bekommen auch die entsprechenden Konzepte rund um das gesellschaftliche Engagement von Untemehmen, wie Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Citizenship (CC), eine neue Aufinerksamkeit. Waren deutsche Unter-nehmen an der europaischen Diskussion um CSR und CC lange Zeit kaum beteiligt (Enquete-Kommission 2002, S. 465.), so beginnen sie jetzt langsam aufzuholen. Neben einem wachsenden Interesse an der allgemeinen Thematik erwacht auch hierzulande das Bewusstsein, dass es keineswegs ehrenrilhrig ist, sich Gedanken daruber zu machen, wie gesellschaftliches Engagement strategischer fiir Unter-nehmensziele genutzt werden kann. Dies betrifft nun nicht langer ausschlieUlich die Vorreiter aus den GroBuntemehmen besonders exponierter Branchen, wie der (petro)-chemischen Industrie, sondem zunehmend auch mittelstandische Unter-nehmen. Kleine und mittlere Untemehmen (KMU) haben damit begonnen, ihre Praxis des herkommlichen Spenden-, Sponsoring- oder Stiflungsengagements auf Schwachstellen hin zu iiberpriifen und bislang ungenutzte Synergieeffekte zu er-schlieBen. In diesem Kontext einer systematischen strategischen Anpassung des gesellschaftlichen Engagements an Untemehmenszielsetzungen, besteht eine der zentralen Herausft)rderungen darin, diese Aktivitaten nicht nur strategisch zu pla-nen, sondem vor allem auch deren Erft)lgswirkung zu iiberprufen. In diesem Zu-sammenhang stellt sich das Problem, dass es selbst bei guter Planung schwierig bleibt, immaterielle Werte genau zu erfassen und die entsprechenden Einflussgro-6en herauszuflltem.

Im Folgenden sollen nach einer kurzen Klamng des Begriffes Corporate Citizens­hip und seiner Einbettung in den Marketingkontext Uberlegungen zu einem Corpo­rate Citizenship- Controlling angestellt und Best Practice-Ansatze vorgestellt wer­den, die mit entsprechenden Kennzahlen versuchen, diese Herausft)rdemngen zu meistem.

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2 Corporate Citizenship im Marketing-Kontext

Das Marketing vieler deutscher Untemehmen hat sich bislang noch kaum aktiv mit den Potenzialen gesellschaftlichen Engagements befasst. Man konzentrierte sich auf den emotionalen „Funfaktor" des Produktes oder lieferte sich Preiskampfe mit Wettbewerbem. Die soziale Komponente einer Marke oder ihren „Morability"-Effekt (als Wortmix aus Moral und Sustainability) (Fabisch 2004a, S. 75) zu the-matisieren, blieb wenn Uberhaupt der „Corporate Communication" Uberlassen und hatte kaum Einfluss auf die Produktkommunikation. Hier zeichnen sich durch die aktuelle gesellschaftliche Diskussion und die Aktivitaten einzelner Akteure (Die Erganzung der Testkriterien der Stiftung Warentest um soziale und okologische Faktoren sorgte nach Aussage des verantwortlichen Abteilungsleiters fiir „positive Unruhe" bei Markenartiklem. Pleon Kohtes Klewes 2005, S. 03.) Veranderungs-prozesse ab. Nach einer einleitenden Begriffsklarung werden die Instrumente des Corporate Citizenship dargestellt und anschliefiend die Bedeutung gesellschaftli­chen Engagements fiir das Marketing skizziert.

2.1 Begriffsklarung Corporate Citizenship

Corporate Citizenship ist keineswegs nur als neues Modewort fiir alt hergebrachte Wohltatigkeit zu verstehen. Das innovative Potential liegt darin, dass das gesell­schaftliche Engagement systematisch und abteilungsubergreifend geplant und mit den Kemkompetenzen des Untemehmens verkniipft wird. „Unter Corporate Citi­zenship wird das gesamte koordinierte, einer einheitlichen Strategic folgende und uber die eigentliche Geschaftstatigkeit hinausgehende freiwillige soziale Engage­ment eines Untemehmens zur nachhaltigen Losung gesellschaftlicher Probleme verstanden. Dieses Engagement schlieBt sowohl Belange und Bedtirfiiisse unter-nehmensintemer als auch extemer Anspruchsgruppen - inklusive der Umwelt -mit ein. Hierbei sollen alle Arten von Ressourcen des Untemehmens unter beson-derer Berucksichtigung seiner spezifischen Kompetenzen genutzt werden. Wesent-liches Element des CC-Konzeptes ist die bewusste und gezielte Kommunikation sozialen Engagements gegeniiber alien relevanten Anspmchsgmppen" (Fabisch 2004b, S. 38). Teilweise wird diese Sichtweise noch um die Komponente der „ordnungspolitischen Mitverantwortung" (Habisch 2003, S. 58) erganzt, indem sich die Untemehmen auch politisch betatigen, um an notwendigen Verandemngen der staatlichen Rahmenordnung mitzuwirken.

2.2 Corporate Citizenship-Mix

Im Instmmentarium des Corporate Citizenship-Mix finden sich sowohl traditionel-le MaBnahmen, die in deutschen Untemehmen seit langem eingesetzt werden, wie auch innovative Instmmente, die - aus der angloamerikanischen Charity-Tradition entstanden - zunehmend zur Anwendung kommen. Zu den traditionellen Instm-menten gehoren hier vor allem Spenden, Sponsoring und Stiftungswesen, wahrend

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Cause Related Marketing, Corporate Volunteering, Social Commissioning, Com­munity Joint Ventures, Social Lobbying oder Venture Philanthropy (Dresewski 2004, S. 21 f.) zu den neueren Engagementformen zahlen, die nachfolgend kurz beschrieben werden. Zentrales Merkmal aller Instrumente sollte im CC-Ver-standnis sein, dass sie zur nachhaltigen Losung gesellschaftlicher Probleme beitra-gen und alle Arten von Ressourcen des Untemehmens unter besonderer Bertick-sichtigung seiner speziflschen Kompetenzen nutzen.

Als Unternehmensspenden werden freiwillige und unentgeltliche Wertabgaben in Form von Geld- oder Sachzuwendungen bezeichnet. AuBer einer Spendenquittung fUr das Finanzamt wird keine Gegenleistung erwartet. Sponsoring wird definiert als Planung, Organisation, Durchfuhrung und Kontrolle samtlicher Aktivitaten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Untemehmen und Institutionen zur Forderung von nichtkommerziellen Initi-ativen oder Organisationen verbunden sind (zum Beispiel UnterstUtzung von Sozi-al- oder Gesundheitsorganisationen, Museen, Universitaten, Umweltprojekten), die dazu dienen, das Gemeinwohl zu fbrdem und gleichzeitig Ziele der Untemehmens-kommunikation zu erreichen (in Anlehnung an Bruhn 1998, S. 22). Nicht gemeint ist im Kontext von Corporate Citizenship die Unterstiitzung von Profisportlem, Profimusikem oder die Unterstutzung von Veranstaltungen, die ausschliefilich der Pflege von speziellen Kundengruppen dienen (zum Beispiel Polo- oder Golftumie-re). Unternehmensstiftungen stellen eine Moglichkeit dar, klar defmierte Stif-tungszwecke zu fordem, den Firmennamen mit einem guten Zweck zu verbinden, und diesen steuerlich vorteilhaft geltend zu machen. Unter Cause Related Marke­ting wird die Nutzung von Marketingbudgets, -techniken und -strategien zur Un­terstiitzung einer „guten Sache" unter gleichzeitiger Berucksichtigung der eigenen Geschaftsinteressen verstanden. Corporate Volunteering bezeichnet die Forderung des freiwilligen ehrenamtlichen Engagements der Mitarbeiter entweder durch die Unterstutzung der privaten ehrenamtlichen Aktivitaten durch die Bereitstellung von Firmenressourcen oder durch kollektives Mitarbeiterengagement im Rahmen von Untemehmensprojekten. Mit Social Commissioning ist die gezielte Vergabe geschaftlicher Auftrage an soziale Einrichtungen gemeint. Im Rahmen von Com­munity Joint Ventures, bringen Untemehmen und nicht-kommerzieller Partner gleichermaBen Ressourcen und Know-how in ein definiertes Projekt ein, sie stellen somit eine Form von Public Private Partnerships (PPP) dar. Beim Social Lobby­ing werden gute Kontakte zu Politik und Wirtschaftspartnem genutzt, um sich fiir ein soziales Projekt einzusetzen, wahrend Venture Philanthropy eine Sonderform des Venture-Capital bezeichnet, indem finanzielle Ressourcen plus Know-how als Starthilfe in sinnvolle soziale oder okologische Projekte flieBen.

2.3 Corporate Citizenship als Chance fur das Marketing

Fur das Marketing bieten Corporate Citizenship-Aktivitaten eine Reihe von An-kntipfungspunkten. Gerade im Konsumguterbereich mit seiner weitgehenden Pro-dukthomogenitat lassen sich durch den oben zitierten „Morability-Effekt" im Be-reich der Produktpolitik Differenzierungsmerkmale herstellen, die bei bestimmten

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Kundensegmenten eine deutlich positive Wirkung zeigen. Dies bedeutet nicht nur eine Chance zur Gewinnung von Neukunden, sondem auch im Hinblick auf die Kundenbindung (Fabisch 2004b, S. 124 ff.). Daruber hinaus bieten sich durch Pro-jektkooperationen mit Nonprofit-Partnem Chancen fur Produktinnovationen, die ohne den „Blick iiber den Tellerrand" nicht m5glich gewesen waren und sich als „Corporate Social Opportunities" (Grayson/Hodges 2004) verstehen lassen. Im Rahmen von Cause Related Marketing-Kampagnen lassen sich zudem preispoli-tische Neupositionierungen vorstellen, die ein Produkt durch eine „Faimess- oder Sozialabgabe" im Premiumsegment platzieren. Besondere Differenzierungsvorteile lassen sich Uber die Produktkommunikation erzielen, indem die Instrumentarien des CC-Mix offentlichkeitswirksam und zielgruppenspezifisch kommuniziert wer-den. Samtliche Aktivitaten konnen sich bei konsistenter Strategic positiv auf die Reputation der Marke (vgl. zu den Komponenten des Reputationsquotienten Fom-brun 2001, S. 23) auswirken und somit langfristige Effekte fur den Aufbau von Vertrauen, die Forderung des Absatzes und die Kundenbindung erzielen.

Hierbei kommt dem Marketing-Controlling als verantwortlicher Stelle fur die „Ko-ordination von Planungs- und Kontrollprozessen" (Zerres, Hrgs. 2000, S. 5) und deren Versorgung mit Informationen als Partnerfunktion zum inhaltlich gestal-tenden Marketing-Management eine wichtige Schlusselposition zu. Da Corporate Citizenship-Instrumente in der einen oder anderen Form mit dem Marketingmix verkniipft werden k5nnen, kann CC-Controlling ebenfalls an all diesen Funk-tionsfeldem ansetzen.

3 Controlling des Corporate Citizenship

Die groBte Herausforderung fiir die strategische Neupositionierung als Corporate Citizen und die aktive Nutzung der Potenziale fur das Marketing liegt darin, die angefiihrten Nutzenargumente auch in Kennzahlen uberfuhren und Erfolge mess-bar machen zu konnen. In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung, sich nicht ausschlieBlich auf die Ergebnisqualitat zu konzentrieren. Im Sinne eines umfassenden Controllingverstandnisses und unter Einbeziehungen von Erkenntnis-sen des Qualitatsmanagements ist es vielmehr vonnoten, bereits flir die Implemen-tierung des CC-Konzeptes (Strukturqualitat) und den funktionenubergreifenden Planungs- und Steuerungsprozess (Prozessqualitat) Uberlegungen zu einer zielori-entierten Koordination von „Planung, KontroUe und Informationsversorgung" (Horvath & Partners 2003, S. 5) anzustellen. Nur so lassen sich fhihzeitig Abwei-chungen zwischen Soil- und Ist-Zustand erfassen und Veranderungsprozesse in struktureller, personeller oder materieller Hinsicht einleiten. Diese planerische Sorgfalt wird bei sozialem Engagement in Deutschland jedoch bislang noch selten angewandt.

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3.1 AUgemeine Herausforderungen

FUr eine erfolgreiche und langfristig wirkungsvolle Nutzung gesellschaftlichen Engagements fiir Untemehmensziele und besonders fur Zielsetzungen des Marke­ting ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht unabdingbar, die gleiche planerische Sorgfalt wie bei anderen untemehmerischen Investitionsentscheidungen walten zu lassen. Vor allem die angloamerikanische Forschung betont, dass der „strategic approach" (The Center for Corporate Citizenship at Boston College, Hrsg. 2000, S. 31) eine zwingende Voraussetzung fiir einen zielunterstiitzenden erfolgreichen Einsatz sozialen Engagements ist. Hierbei flieBen theoretische Erwagungen der Planungslehre mit Erfahrungen von Best Practice-Untemehmen zusammen. Letz-teren ist gemeinsam, dass „citizenship is tied across business units and strategically linked to the business itself (Googins 2002, S. 89). In diesem Zusammenhang bedarf es eines weit h5heren Malies an Grundlichkeit, soziale Aktivitaten strate-gisch in das Untemehmen einzupassen als das heute ublich ist. Die Basiselemente eines strategischen Planungsprozesses mtissen folglich auch fur soziales Engage­ment gelten, um es konsistent und fur alle relevanten Stakeholder glaubwurdig zu gestalten (vgl. Abb. 5.1). Es gilt, im Rahmen des strategischen Controlling zu-nachst mittels SWOT-Analyse exteme Chancen im Kontext relevanter Stakeholder und „issues" zu identifizieren sowie einen speziellen Fokus auf mogliche themati-sche Risiken zu legen. Intern bedarf es einer Bestandsaufhahme der Starken und Schwachen sowie gemeinsamer Untemehmenswerte, relevanter Problemstellungen und deren Verankerung im Leitbild, um einen dauerhaften Orientierungsrahmen fiir Management und Mitarbeiter zu schaffen.

Daruber hinaus gilt es, Zielsetzungen festzulegen, die sich mit den Untemehmens-zielen decken und zu deren Erreichung soziales Engagement realistisch beitragen kann sowie adaquate Strategien zu entwickeln und deren operative Umsetzung zu evaluieren. Je spezifischer beispielsweise ein gesellschaftlich relevanter Themen-schwerpunkt definiert wird, umso besser lasst er sich in die Kemstrategie des Un-temehmens einpassen, um dadurch nachhaltig Wettbewerbspotenziale zu sichem.

Fiir das Controlling als funktioneniibergreifendes Steuerungskonzept ist daruber hinaus ein adaquater Informationsfluss von zentraler Bedeutung. Folglich sind fiinktionierende interne Kommunikations- und Partizipationsstrukturen, die sowohl aktives Feedback als auch flexible Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse zulassen, eine notwendige Voraussetzung fur eine effektive Umsetzung der einzel-nen Phasen des CC-Prozesses (Fabisch 2004b, S. 107, speziell zum CC-Prozess S. 300 ff). Hierdurch entsteht die notwendige Strategic-, Ergebnis- und Prozess-transparenz.

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Identifikation relevanter

Stakeholder

L. Themen

Chanoen und Risiken

—f— Umweltanalyse

7 S W O T

Interne Analyse

Unternehmen

Starken und Schwachen

Internes Engagement Interne Themen

1 Zielformulierung |

^ 1 Strategieformulierung | >| Implementierung |

JK

1 r-^ 1 1 1 Lrroigsmessung ]

Abb. 5.1: Elemente strategischer Planung des Corporate Citizenship

Wenngleich es analog zu den Erfahrungen der Werbewirkungsforschung auch bei dem Versuch, den Erfolg gesellschaftlichen Engagements zu messen, zu Interde-pendenz- und Attributionsproblemen kommen kann, die eine eindeutige Zuord-nung der Wirkfaktoren erschweren, sollte dennoch der Versuch untemommen werden, entsprechende Kennzahlen zu fmden, die sowohl den Erfolg nachhaltigen Wirtschaftens im Allgemeinen wie gesellschaftlichen Engagements im Speziellen mit Zahlen belegen konnen. Dies ist nicht nur unter Aspekten der Erfolgskontrolle, sondem auch hinsichtlich eines modemen Reporting essenziell.

3.2 Ermittlung relevanter Kennzahlen

Obwohl MaBnahmen der Erfolgsmessung fiir andere betriebswirtschaftliche Inves-titionen selbstverstandlich sind, fmden diese fiir den Bereich des gesellschaftlichen Engagements noch nicht in ausreichendem MaBe statt. Methoden wie Sozial-Audits, Reporting, die Integration in interne Steuerungssysteme oder gar Bench-

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marking mit anderen Untemehmen, wie es etwa die London Benchmarking Group betreibt, stehen in Deutschland noch ganz am Anfang. Zur Erfassung messbarer Kennzahlen liefert allerdings die intemationale Forschung im Kontext der CSR-oder Nachhaltigkeitsberichterstattung mogliche Ankniipfungspunkte. In diesem Zusammenhang sind besonders die „Sustainability Reporting Guidelines" der Global Reporting Initiative hervorzuheben, die unter Einbeziehung zahlreicher intemationaler Stakeholder und Untemehmen mit dem Ziel erarbeitet wurden, die Standardisierung und Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsberichte voranzutreiben (Global Reporting Initiative 2002, S. 2). Die Indikatoren der GRI-Leitlinien orien-tieren sich am Dreigestim der Nachhaltigkeit, wobei die soziale Saule neben den Kategorien „direct economic impacts" und „environmental" die umfangreichste Differenzierung erfahrt. Es finden sich eine Vielzahl von Indikatoren zu den Ein-zelthemen „labour practices and decent work", „human rights", society" und „pro-duct responsibility" (ebd., S.36), aus denen Untemehmen relevante branchen- und projektspezifische Kennzahlen wahlen konnen. Trotz der Materialfulle, die den Fokus nicht auf Corporate Citizenship, sondem das ubergeordnete Konzept der CSR legt und vor allem multinational Untemehmen als Zielgmppe hat, konnen auch kleine und mittlere Untemehmen eine umfassende Ubersicht an „core" und „additional indicators" finden, die sich in bestehende Systeme des intemen Quali-tatsmanagements integrieren beziehungsweise ohne allzu groBen additiven Auf-wand mit Hilfe vorhandener Datenbasen erstellen lassen.

Da es bislang kein Instmmentarium gibt, das sich explizit mit Corporate Citizen­ship-Controlling befasst, soil im Folgenden das Modell der London Benchmarking Group (LBG) als Best-Practice-Beispiel vorgestellt werden.

3.2.1 Best-Practice: London Benchmarking Group

Die Londoner Benchmarking Group ist ein Netzwerk von Untemehmen, das in Zusammenarbeit mit der Corporate Citizenship Company ein Modell erarbeitet hat, das die freiwilligen Formen gesellschaftlichen Engagements in drei Auspra-gungsformen unterteilt, denen unterschiedliche MessgroBen zugeordnet werden. Hierbei werden gmndsStzlich die freiwilligen gesellschaftlichen Initiativen von sozialen Aktivitaten entlang des Kemgeschaftes separiert. Dariiber hinaus wird innerhalb des extemen sozialen Engagements zwischen Spenden („charitable gifts"), Investitionen in das Gemeinwesen („community investment") und kom-merzielle Initiativen („commercial initiatives in the community") unterschieden (vgl. Abb. 5.2).

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Reputationsmessung

Absatz, M arktanteile, Neukunden-gewinnung

Audits, SBC Interne Umfragen

Spendenwesen

Weitere externe

spezifische M aBnahmen

Abb. 5.2: Messoptionen des gesellschaftlichen Engagements Quelle: Eigene Darstellung in Anl. an Co-Operative Bank 2002, S. 51.

Das LBG-Modell beinhaltet eine Matrix, in der neben der Dreiteilung der Enga-gementformen eine Trennung von Input und Output vorgenommen wird, um nicht nur die Ergebnisse erfassen zu konnen, sondem auch die geleisteten Aufwendun-gen des Untemehmens in monetare GroBen Uberfiihren und kommunizieren zu konnen (vgl. Abb. 5.3).

Spenden

Investitionen in das Ge-meinwesen

Kommerziel-le Initiativen

Input Monetare Um-rechnung der eingesetzten Ressourcen (zum Beispiel Geld, Sachmittel, Zeiteinsatz)

Zusatzliche Mittel (zum Bei­spiel durch Kunden Oder Admi­nistration)

Output Nutzen fiir das Gemeinwesen (zum Beispiel Anzahl der Personen, die direkt profitie-ren)

Nutzen fur das Unternehmen (zum Beispiel Reputations-quotient, Absatz, Marktanteil, Medienberichte)

Abb. 5.3: LBG-Matrix Quelle: In Anlehnung an Dresewski 2004, S. 37 und www.lbg-online.net

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Ziel des Verfahrens ist es, auf der Inputseite neben Geldmitteln auch andere einge-setzte Ressourcen, wie Mitarbeiterzeit oder Sachmittel, als finanzielle Ausgaben zu erfassen. Dartiber hinaus werden auf der Outputseite neben dem Nutzen fur das Untemehmen und die Begunstigten auch zusatzliche Mittel gezahlt, die durch die Aktivitaten des Untemehmens mal3geblich ausgel5st wurden, wie beispielsweise Kundenspenden oder Unterstiitzungen durch die Verwaltung. Das LBG-Modell ist in GroBbritannien als Standard anerkannt und kommt sowohl bei GroBuntemeh-men, wie auch im KMU-Sektor zum Einsatz. Die doppelte Erfolgsmessung (Un­temehmen und Begunstigte) im Sinne des vorgestellten LBG-Modells wird auch bei amerikanischen Untemehmen angewendet, die auf eine langere Tradition von pro-aktiven Programmen zur UnterstUtzung der eigenen Standortgemeinden bezie-hungsweise dort ansassiger Projekte (Community-Relation-Programs) zurtickbli-cken konnen. Laut einer Umfrage des Boston Centre for Corporate Citizenship aus dem Jahr 2001 gaben Uber die Halfte der befragten Untemehmen an, bei der Er­folgsmessung ihrer Programme sowohl die eigenen „benefits" als auch diejenigen der nichtkommerziellen Partnerorganisationen zu berticksichtigen (Coutsou-kis/Delaney 2002, S. 7). Bei der Messung intemer Effekte konnen konventionelle kurzfristige Finanzkennzahlen gerade im Hinblick auf nicht finanzielle Zielsetzun-gen, wie Mitarbeitermotivation, an Grenzen stoBen. Folglich ist es essentiell, im Rahmen der strategischen Planung sozialer Aktivitaten genau festzulegen, welche Zielsetzungen intem und extem erreicht werden sollen, diese schriftlich zu fixie-ren, Indikatoren zur Zielerreichung zu entwickeln, zu tiberpriifen und entsprechend anzupassen. Die englische Co-operative Bank veroffentlicht beispielsweise im Rahmen ihres jahrlichen Partnerschaftsreports eine Reihe von „key indicators" zur sozialen, okologischen und okonomischen Performance und wertet die jeweilige Zielerreichung als „performance over time" sowie „performance change" aus ( Co­operative Bank 2002, S. 7). Diese Entwicklungen werden allgemein verstandlich kommentiert und dienen der Bank intem als Basis fur die „new targets" des nachs-ten Jahres.

Sofem die Basisschritte der strategischen Planung vollzogen wurden, lassen sich nach den Erfahmngen der Benchmark-Untemehmen entsprechende Indikatoren sehr gut in bestehende Managementsysteme integrieren (The Corporate Citizens­hip Company 2002, S. 4). Beispielhaft seien die Balanced Scorecard (BSC) und das European Foundation for Quality Management Modell (EFQM) erwahnt. Ver-schiedene Forschungsgmppen haben erste Ansatze entwickeh, die konventionelle BSC um eine „Nicht-Markt"-Perspektive zur Sustainable Balanced Scorecard (SBC) zu erweitem, mit deren Hilfe soziale und okologische Aspekte in der Un-temehmensstrategie verankert werden konnen (Figge et al. 2001, S. 59). Im EFQM-Modell flieBen die „Auswirkungen auf die Gesellschaft" zu sechs Prozent-punkten in die gesamte Erfolgsmessung mit ein, wahrend die Zufriedenheit der Kunden 20 Prozent und die der Mitarbeiter neun Prozent ausmachen (Schuster 1998, S. 5).

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84

3.2.2 Weiterfiihrende Uberlegungen im Sinne einer ganzheitlichen Prozesskontrolle

Im Rahmen eines strategischen Controllingansatzes, der sich als „funktionen-ubergreifendes Steuerungskonzept mit der Aufgabe der ergebniszielorientierten Koordination von Planung, Kontrolle und Informationsversorgung" (Horvath & Partners 2003, S. 5) befasst, mussen fur einen Erfolg versprechenden zukiinftigen Einsatz von Corporate Citizenship-Konzepten weiterfflhrende Oberlegungen ange-stellt werden. In Ermangelung ausgereifter Konzepte soUen hierzu im Folgenden einige Aspekte des Qualitatsmanagements auf den Corporate Citizenship-Prozess ubertragen werden. Die Notwendigkeit einer systematischen Planung gesellschaft-lichen Engagements im Sinne des Corporate Citizenship wurde bereits begrundet und lasst sich als idealtypischer Ablaufyrozess darstellen, der folgende strukturel-len und strategischen Kemkomponenten enthalt:

Corporate Citizenship-Prozess |

Initiierung I

• > Zeit

Interne Kommunikation

•Sensibili-sierungder Abteilungg-leiter und Mitarbeiter

' Information

Leitbildprozess

Anpassungan

Team-bildung

Festlegiing des SoU-

Zustandes _ _

Feedback

Abb. 5.4: Corporate Citizenship-Prozess

FUr das Corporate Citizenship-Controlling ergeben sich daraus unter Riickgriff auf die Terminologie des Qualitatsmanagements Anknttpfungspunkte in den Bereichen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitat. In diesen Bereichen sind potenziell

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Abweichungen vom gewunschten Soll-Zustand moglich, die es fruhzeitig zu erfas-sen gilt. Ubertragen auf den Corporate Citizenship-Prozess sind zunachst Uberle-gungen anzustellen, inwieweit sich bereits im Initiierungs- und Implementierungs-stadium (Strukturqualitdt) eine (JberprUfimg der angestrebten Zielsetzungen be-werkstelligen iSsst. Relevante Fragestellungen fur das Untemehmen ergeben sich hierbei im Hinblick auf personelle, organisatorische und materielle Aspekte.

Im Bereich der personellen Ressourcen ist beispielsweise zu uberlegen, ob alle relevanten Abteilungsleiter/innen in regelmafiigen Teamsitzungen involviert sind, ob die notwendigen sachlichen Kompetenzen ausreichend vorhanden und klar verteilt sind oder ob es beispielsweise zusatzlicher extemer Beratung oder intemer WeiterbildungsmaBnahmen bedarf. Des Weiteren ist zu uberpriifen, inwieweit die Berichtspflicht beztiglich der festgelegten Zwischenziele sowohl kurze Wege als auch eine Uberprufung zulSsst oder ob es zu Zielkonflikten zwischen dem Kemge-schaft und dem neu implementierten CC-Konzept kommt.

Im Kontext organisatorischer Elemente ist zu tiberpnifen, ob die notwendigen Rahmenbedingungen fur einen erfolgreichen Einsatz des CC-Konzeptes auf alien Managementebenen implementiert sind beziehungsweise bis wann die entspre-chenden Prozesse umgesetzt werden sollen. Hierzu gehort neben einer klaren Un-terstUtzungszusage durch die Untemehmensfuhrung, unter anderem die Integration sozialpolitischer Themen in das Leitbild, die Abfassung entsprechender Leitlinien oder die Unterzeichnung sozial-5kologischer Codes of Conducts (Fabisch 2004b, S. 147 ff.).

Da neben personellen und organisatorischen Defiziten auch materielle und techni-sche Qualitdtsmdngel bereits im Stadium der Implementierung zu einer unteropti-malen Zielerreichung beitragen konnen, mussen auch diese Aspekte hinreichend beriicksichtigt werden. Fragen, die sich unter Controllingaspekten ergeben konnen, betreffen sowohl die notwendige finanzielle Budgetierung, als auch die techni-schen Voraussetzungen zu einer erfolgreichen Umsetzung. Letzteres kann bei­spielsweise die Kanale der intemen und extemen Kommunikation betreffen, die einen zentralen Erfolgsfaktor des Corporate Citizenship darstellt.

Fur die Uberprufung der CC-Prozessqualitdt ist zu uberlegen, ob sich bestehende Instrumente tibemehmen oder ausweiten lassen oder ob es der Entwicklung neuer Systeme bedarf. Zur Uberprufung eignen sich unter anderem ganzheitliche Sozial-oder Ethikaudits, die im Sinne eines integrativen Ansatzes speziell an das gesell-schaftliche Engagement angepasst werden sollten. Sie dienen der Uberprufiing im-plementierter Strukturen, Prozesse und Mafinahmen und machen die entsprechen-den Informationen den Entscheidungstragem zugSnglich. Sofem es sich nicht nur um vage Messungen des sozialen Klimas handelt, sondem um reale Defizitanaly-sen, besteht so die Moglichkeit, Anderungen beziehungsweise einen Revisionspro-zess einzuleiten. Anders ausgedrtickt, ist ein Sozial-Audit, wenn es emst genom-men wird, „a systematic attempt to identify, measure, monitor and evaluate an organization's performance with respect to its social efforts, goals and programs (Carroll/ Buchholtz 1999, S. 598)." Allein die Erstellung der entsprechenden Un-terlagen oder Instrumente kann eine bewusstseinsbildende und motivierende Wir-

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kung auf Mitarbeiter imd Management haben, insbesondere dann, wenn diese aktiv am Entstehungsprozess beteiligt werden. Dariiber hinaus bietet die exteme Zertifi-zierung durch unabhangige Gutachter die Moglichkeit, eine reputationsunterstut-zende Wirkung bei interessierten Stakeholdem zu entfalten. Standards, wie der SA8000, das Environmental Management and Auditing Scheme (EMAS) oder die ISO 14.001 Norm beriicksichtigen mittlerweile soziale und okologische Themen-stellungen und bieten Moglichkeiten, tiber eine exteme Zertifizierung Profil zu gewinnen.

Zur Messung der Ergebnisqualitdt der Corporate Citizenship-MaBnahmen wurde bereits auf das LBG-Modell verwiesen, dessen Grundstrukturen sich auch ohne Benchmarking-Partner auf einzelne Untemehmen ubertragen lassen. Kemaufgabe ist es, entsprechende Indikatoren flir die angestrebten individuellen Zielsetzungen zu entwickeln, die flir CC-Ma6nahmen realistischerweise vor allem in den Berei-chen Personalentwicklung, Untemehmenskommunikation, Standortentwicklung und Marketing liegen. Hierbei kann speziell fur das Marketing auf bekannte und bewahrte Kennzahlen und Bewertungsmethoden rekurriert werden, die sich um zu-satzliche Kundenbefragungen oder Messungen zur Reputation der Marke erganzen lassen.

4 Zusammenfassung

Obgleich gesellschaftliches Engagement von Untemehmen auch fiir das Marketing als „Mega-Trend" ausgemfen wurde (Hermes 2004, S. 30), stehen die Bemuhun-gen um ein strategisches Corporate Citizenship-Controlling noch ganz am Anfang. Viele deutsche Untemehmen haben sich zwar der Themenstellung in der einen oder anderen Form angenommen und die Trendsetter veroffentlichen erste Corpo­rate Citizenship-Reports, die auch Indikatoren und messbare Meilensteine enthal-ten, doch folgen viele nach wie vor dem traditionellen „Bauch-Ansatz", ohne wirk-lich systematisch und planerisch vorzugehen. Eine proaktive Nutzung der Potenzi-ale durch Initiiemng eigener zukunftsweisender Projekte sowie deren systemati-sche Integration in das Marketing unter Einbeziehung intemer Ressourcen inklusi-ve der Mitarbeiter fmdet in der Breite kaum statt. Da vielfach noch nicht einmal die ersten Schritte der strategischen Planung erfolgreich umgesetzt worden sind, bestehen zurzeit in Deutschland noch kaum Erfahmngswerte mit einem ziel- und planungsorientierten Controlling. Wenn nicht einmal die Route festgelegt ist, kann es auch keine sinnvollen Kurskorrekturen geben. Nichtsdestotrotz zeichnet sich ein Umdenkungsprozess ab. Obwohl die gesellschaftliche Orientiemng in der klassi-schen Betriebswirtschaftslehre immer noch eine untergeordnete Rolle spielt ( Han­sen 2004, S. 61), passt sich die Untemehmenspraxis durch den intemationalen Wettbewerbsdmck und eine gestiegene gesellschaftliche Erwartungshaltung lang-sam an die veranderten Rahmenbedingungen an. Immer mehr Untemehmen begin-nen auch hierzulande, ihre gangige Praxis zu modifizieren und unterziehen traditi-onelle gesellschaftliche Aktivitaten einer systematischen Analyse mit dem Ziel, sie

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strategischer auszurichten und an Untemehmensziele anzupassen. Hier konnen die Erfahrungswerte des strategischen Controlling wertvolle Unterstutzung liefem. Corporate Citizenship ist per definitionem ein abteilungstibergreifendes Manage-mentkonzept und stellt somit fur das Controlling eine neue Herausforderung an seine Kemaufgaben dar. Dies gilt vor allem fur seine Moderationskompetenzen von der strategischen Planung bis hin zur Erfolgsicherung und der Messbarma-chung relevanter „Intangible Assets". Hierzu bedarf es allerdings einer Wandlung der Controllingfunktion weg von ihrer primaren Fokussierung auf Kennzahlen und Kostenstellen hin zu einer starkeren Prozessorientierung und einem ganzheitlichen Ansatz. Denn es mag zwar richtig sein, dass nur das, was gemessen werden kann, auch gemanagt wird, aber wer nicht weiU, was er wann managen soil, braucht sich iiber dessen Messung auch noch keine Gedanken zu machen.

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Kapitel 6 Friihwarnsysteme

Michael Reich/Thomas Hillar

1 Einleitung

Die Marktdynamik mit ihrem geanderten Konsumverhalten und der daraus folgen-den Unsicherheit macht die Notwendigkeit einer perspektivisch ausgerichteten Planungsbasis fur die Untemehmen immer deutlicher. Je weniger Zeit verbleibt, desto eingeschrankter werden die Handlungsspielraume ffir das Untemehmen. Auch der Gesetzgeber hat die Schwachen und Verhaltensfehlsteuerungen in deut-schen Untemehmen erkannt und mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz eine Diskussion um Friihwam-, Fruherkennungs- und Friihaufklamngssysteme neu entfacht. In diesem Zusammenhang kommt dem Marketing-Controlling eine be-sondere Bedeutung zu, denn als informationsversorgende Instanz im Untemehmen sind entsprechende Systeme zu implementieren und die Informationsfltisse an der Nahtstelle zur Untemehmensleitung sicherzustellen, um damit mogliche Gefahren fruhzeitig abzuwenden und Chancen ergreifen zu konnen.

Die Anstrengungen erfolgreicher Untemehmen sind darauf ausgerichtet, sich schneller als die Konkurrenz immer neue Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Eine unabdingbare Voraussetzung hierzu ist es, sich schneller als der Wettbewerb auf das zukUnftige Umfeld einstellen zu kSnnen. In Zeiten des schnellen Wandels wird Fruherkennung immer mehr zum „Konigsweg", um als Gmndlage fiir zukunftsori-entierte Entscheidungen Zeit zu gewinnen. Gefahren werden aufgespurt, bevor sie fiir das Untemehmen bedrohliche Auswirkungen zeigen. Gelegenheiten konnen erfasst werden, bevor sie verloren gehen. Die Ursachen ungunstiger Entwicklun-gen konnen gerade im Marktbereich lange zurlickliegen, ehe sie erst in der Unter-nehmensrechnung zum Ausdmck kommen. Die Schlussfolgemngen hieraus: Jedes Untemehmen braucht ein radarahnliches System, welches StorgroBen fruhzeitig signalisiert, damit GegenmaBnahmen eingeleitet werden konnen.

Je weniger Zeit verbleibt, desto eingeschrankter werden die Handlungsspielraume; daraus folgt: Zeitgewinn ist ein Erfolgsfaktor, der immer mehr Bedeutung erlangt; denn fiir jedes Untemehmen ist es von Vorteil, den zu erwartenden Wandel offen-siv anzugehen, anstatt unter Dmck extemer Gegebenheiten und auf Ereignisse nur noch kurzfristig reagieren zu konnen. Zeitablauf dagegen vemichtet Handlungs-moglichkeiten und schrankt somit an sich mogliche Aktionsspielraume ein. Wah-rend ergebnisorientierte Systeme mogliche Abweichungen immer erst am Ende einer Periode aufdecken und dann im „feed-back"-Modus zu KorrekturmaBnah-

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men kommen, konnen in einem Fruhwamsystem auch zeitlich vorwarts gerichtete Kontrollen im „feed-forward"-Modus notwendige Zeitspielraume eroffiien, um noch wirksam zu reagieren (Becker 2001, S. 179).

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass vor allem die Untemehmen langfristig erfolgreich waren, die Risiken bewusst eingehen und aktiv gestalten. Vor-aussetzung fur eine solche aktive Risikopolitik sind indes Instrumente, mit denen sich die eigene Risikoposition ermitteln lasst (Baetge/Jerschensky 1999, S. 171).

Sieben Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) am 1. Mai 1998 hat die Diskussion um Frtih-wam-, Fruherkennungs- und Friihaufklarungssysteme nicht an Aktualitat und an Brisanz verloren. Eines der gesetzgeberischen Motive des KonTraG (und damit der notwendigen Veranderungen insbesondere im Aktiengesetz und im HGB) war es, Schwachen und Verhaltensfehlsteuerungen im deutschen System der Corporate Governance zu korrigieren (Krystek/MUller 1999, S. 177).

Gerade im Hinblick auf Frtihwam-, Fruherkennungs- und Friihaufklarungssysteme kommt dem Marketing-Controlling hier eine besondere Bedeutung zu; denn hat das Marketing-Controlling sein Instrumentarium bestmoglich auf die Zielbereiche hin ausgebaut, ist es die nachstliegende Quelle fiir Frtihindikatoren. Einige Instru­mente sind ohnehin fur die gesamte Untemehmenspolitik wichtig, so dass sie sich flir den Einbau in ein Friihwamsystem anbieten. Zu ihnen gehoren die Starken-/ Schwachenanalyse, die Erfolgs- und Misserfolgsanalyse, die Chancenanalyse, die Konkurrenzanalyse und die Marktbedarfsanalyse, deren Informationen in einer fur die Fruhwamung geeigneten Systematik miteinander kombiniert werden mussen. Der Nachteil dieser Instrumente liegt darin, dass ihre Aktualisierung sehr aufwen-dig ist und daher nur in groBeren Zeitabst^nden vorgenommen wird. Das Marke­ting-Controlling hat daher andere Friihindikatoren zur Verftigung zu stellen, die automatisch und regelmafiig anfallen. Auch auBergewohnliche Entwicklungen lassen sich mit Hilfe dieser Friihindikatoren leichter erkennen, besonders wenn man sie zusammen mit anderen Informationen aus dem Fruhwamsystem zu nutzen versteht; dann aber ist nicht nur das Marketing, sondem auch die Geschaftsfiihning gefordert (Remy 1997, S.102).

2 Funktion von Friihwarnsystemen

Vorrangige Aufgabe eines Fruhwamsystems ist eine Vorbeugungsfunktion, das heisst im Gegensatz zu Kontroll- und Uberwachungssystemen werden hier keine Daten aus Geschaftsaktivitaten zur Verfugung gestellt, die bereits stattgefunden haben, und der Schaden oder Nutzen bereits eingetreten ist. Es geht um das Erken­nen und die Analyse von Auftragseinbriichen, Gesetzesanderungen, Zins- und Wechselkursanderungen etc., deren Wirkungen mit einem zeitlichen Versatz wich­tig flir spatere Ergebnis- und Wachstumssicherung des Untemehmens sind (vgl. Abb. 6.1).

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Ckdcgische Umvvelt

AufSen-und binnen- I wirtschaftliche Umwelt

Techndogische Umwelt

SozJokulturelle und politische Umwelt

Abb. 6.1: Interne und exteme Ursachenfelder von Risiken Quelle: Becker 2001, S.179

Fruhwamsysteme dienen dazu, die Planung zu verbessem und damit die Risiken einzuschranken und gleichzeitig die Chancen zu verbessem. Sie sind Bestandteil strategischer Infomiationssysteme mit der MaCgabe, mit zeitlichem Vorlauf auf Ereignisse hinzuweisen, die die Untemehmensentwicklung mit hoher Wahrschein-lichkeit nachteilig beeinflussen werden (Becker 2001, S.179f.).

Chancen und Risiken orientieren sich nicht an einem Terminkalender. Insofem darf ein Fruhwamsystem kein mechanisch ablaufendes Informationssystem sein. Es geht vielmehr um eine permanente tJberwachung der flir das Untemehmen wesentlichen Entwicklungen. Diese Uberwachungsfunktion ist von alien Fiih-rungskraften in einem Untemehmen wahrzunehmen. Sie haben die wichtige Auf-gabe der Selektion, so dass aus der nahezu unbegrenzten Menge an Informationen nur diejenigen herausgefiltert werden, die fur das Untemehmen von Relevanz sind. Das Analysieren und Abschatzen der moglichen Auswirkungen geschieht in Zu-sammenarbeit mit dem Controller. AnschlieBend werden Handlungsaltemativen erarbeitet und Aktionen initiiert. Die Durchftihrung der hier geschilderten Aufgabe - permanente Uberwachung der wesentlichen Entwicklungen - stellt hohe Anfor-demngen an die Qualifikation der Fuhmngskrafte. Sie miissen sensibilisiert wer­den, Fruhwamsignale zu orten und vor allem direkte Zusammenhange zum eigenen Untemehmen herzustellen. Dazu ist eine entsprechende betriebliche Fortbildung erforderlich, die die untemehmerische Denkweise fordert. Dieser Prozess wird nur

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dann erfolgreich sein, wenn eine diesbezugliche Unterstutzung durch die Unter-nehmensleitung gegeben ist. In gleicher Weise muss diese bereit sein, die oft zi-tierte untemehmerische Weitsicht mit anderen zu teilen. Sie muss aufgeschlossen sein gegeniiber Informationen, die nicht nur aus Tatsachen, sondern oft auch aus Vermutungen bestehen. Unabhangig von der Fristigkeit sind Friihwamsysteme kein isoliert zu sehendes Informationssystem, sondern Vorlaufer der Planung (Franke/Zerres 1999, S. 203).

Ein idealtypisches Fruhwamsystem, das flir alle Untemehmen gleichermaBen gut geeignet ist, existiert nicht. Zu unterschiedlich sind die Anforderungen im Ein-zelfall. Analog zum Controlling insgesamt bietet sich auch flir Friihwamsysteme eine Unterscheidung in solche mit mehr operativem und mit mehr strategischem Charakter an. Der Schwerpunkt liegt bei strategischer Ausrichtung weniger in der Umsatz- und Ergebnisorientierung, sondern stattdessen mehr im Bereich der markt- und wettbewerbsorientierten Erfolgspotenziale (Becker 2001, S. 180).

2.1 Strategische Fruhwarnsysteme

Die strategische Fnihaufklarung (iberwindet das Prinzip der gerichteten Suche mit seiner eingrenzenden Funktion der Beobachtungsbereiche. Hier erft)lgt die Suche nach Frtihaufklarungsinformationen im Prinzip uberall und zu jeder Zeit. Dabei wird quasi mit einem ,,360-Grad-Radar" nach „Schwachen Signalen" gesucht.

Das Konzept der „Schwachen Signale'' beziehungsweise „Weak Signals" (Ansoff 1976, S. 129 ff.) basiert auf der Annahme, dass prinzipiell kein von Menschen initiiertes Ereignis unvorhergesehen eintritt, auch wenn das Individuum selbst davon vollig uberrascht wird. Ausgangspunkt flir diese Annahme ist die Uberle-gung, dass sich Diskontinuitaten (TrendbrUche) in okonomischen, technologi-schen, politischen und sozialen Bereichen schon lange vor ihrem tatsachlichen Eintreten durch schlecht definierte und unscharf strukturierte Infi)rmationen andeu-ten. Als Beispiele flir solche „Weak Signals" kSnnen gelten:

die Verbreitung von neuartigen Meinungen und Ideen (zum Beispiel in Me-dien),

die plotzliche Haufiing gleichartiger Ereignisse mit strategischer Relevanz flir die betreffende Untemehmung,

Meinungen und Stellungnahmen von Organisationen oder Verbanden bezie­hungsweise ihrer Vertreter, aber auch von sogenannten Schlusselpersonen aus dem offentlichen Leben und schlieBlich

Tendenzen der Rechtssprechung und sichtbare Initiativen zur Veranderung/ Neugestaltung der (in- und auslandischen) Gesetzgebung.

Die Sender „Schwacher Signale" bedienen sich dabei bevorzugt Sffentlich zu-ganglicher Kommunikationsorgane (wie zum Beispiel dem Internet) zur Verbrei­tung ihrer Ideen, Nachrichten, Meinungen etc. (Krystek/ Miiller 1999, S. 181).

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Eine besondere Problematik „Schwacher Signale" ergibt sich aus der anf^nglich zu beobachtenden Ignoranz bei den Empfangem. Fur die Formulierung von Reakti-onsstrategien zeichnet sich somit eine Art „Ignoranzfalle" (Krystek/ Muller 1997, S.681)ab.

Der Prozess der strategischen Friiherkennung durchlauft mehrere Stufen (vgl. Abb.6.2).

Ortung / Erfassung von Signalen

' Scanning • Monitoring > Dol<umentation

Analyse erfaBter Signale

• Feststellung /Analyse derVerhaitens-/ Ausbreitungsmuster

• Analyse der Ursachen • Prognose der Wirkungen (Szenarioeinsatz)

Beurteilung der Relevanz analysierter Signale

• Relevanzbeurteilung (Modelleinsatz) ' Rangordnungserstellung ' Darstellung des Diffussionsstadiums ' SIgnalisierung derDringlichkeit

Formulierung der Reaktions-strategien

' Entwicklung von Reaktionsstrategien • Auswahl von Reaktionsstrategien

Abb. 6.2: Prozess der strategischen Friiherkennung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Krystek/Muller 1999, S. 181

Im Rahmen von Monitoring und Scanning erfolgt die Ortung von „Schwachen Signalen". In der Analysephase werden die erfassten Signale hinsichtlich ihrer Verbreitungs- und Verhaltensmuster dargestellt. Es wird versucht, die Ursachen zu analysieren und deren Auswirkungen zu prognostizieren. AnschlieBend wird die Relevanz der analysierten Signale beurteilt und Reaktionsstrategien abgeleitet.

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2.2 Operative Fruhwarnsysteme

Die ersten Ansatze einer operativen Fruhaufklarung basieren auf Kennzahlen/ Kennzahlensystemen und Planungshochrechnungen.

Wahrend Kennzahlen nur begrenzt Fruhaufklarungscharakter haben, da die sich in ihnen widerspiegelnden Ereignisse bereits abgeschlossen sind und Steuerungs-handlungen somit meist nur noch reaktiven Charakter haben konnen, bieten Pla­nungshochrechnungen ein probates Mittel fiir kurzfristige FrUhaufklarung. Moder-ne Controllingkonzeptionen haben diese Form von Fruhaufklarung (Fore-cast) bereits in ihre Plan- und Berichtssysteme integriert (Hahn 1996, S. 210). Der Zeit-raum, fur den Planungshochrechnungen Friihaufklarungseigenschaften besitzen, schwankt je nach Planungswert und Branche, so dass keine genauen Angaben iiber die Reichweite von Planungshochrechnungen gemacht werden konnen. Selten reichen sie jedoch (iber sechs Monate hinaus. Das Bediirfhis nach Friihaufkla-rungsinformationen, die iiber diesen begrenzten Zeitraum hinaus latente Chancen und Bedrohungen signalisieren, fuhrte zur Entwicklung einer zweiten Generation von Frtihaufklarungssystemen (Krystek/MUller 1999, S.177), namlich die indika-tororientierte Fruhaufklarung.

Die indikatororientierte Fruhaufklarung weist bereits einen wesentlichen Unter-schied zu den beschriebenen Kennzahlensystemen beziehungsweise Planungshoch­rechnungen auf. Wahrend Kennzahlen und Planungshochrechnungen lediglich Abweichungen signalisieren, die sich bereits im untemehmensintemen Zahlenwerk niedergeschlagen haben, zeichnet sich die indikatororientierte Fruhaufklarung durch eine konsequente und gerichtete Suche und Beobachtung von relevanten Erscheinungen beziehungsweise Entwicklungen auch auBerhalb des Untemehmens aus. Indikatoren sind somit Anzeichen fiir verborgene, nicht direkt fassbare Er­scheinungen und Entwicklungen. Auff^lligstes Unterscheidungsmerkmal gegen-iiber Kennzahlensystemen und Planungshochrechnungen ist die nur indirekte, hilfsweise Abbildung des aufzuklarenden Phanomens, das sich selbst einer direk-ten, vollst^ndigen und operationalen Abbildung entzieht.

3 Grundmodell eines Friihwarnsystems

3.1 Festlegung der Beobachtungsbereiche

Gerade ein auf Zukunft ausgerichtetes Fruhwamsystem muss informations- und datenmaBig immer sehr eng sowohl mit der eigenen strategischen Ausrichtung des Untemehmens, aber auch ebenso mit der extemen Untemehmensumwelt verkniipft sein. Rein vergangenheitsbezogene Kennzahlensysteme verlieren daher immer mehr an Bedeutung. Vielmehr muss das Friihwamsystem auch in der Lage sein, „Schwache Signale" herauszufiltem, also nur unscharf strukturierte Informationen,

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die unter Umstanden auf Diskontinuitaten hindeuten. Es ist ahnlich wie bei einem Erdbeben. Mogliche kritische Ereignisse treten meist nicht abrupt uber Nacht auf. Im Allgemeinen sind sie das Ergebnis eines andauemden Prozesses, der lange Zeit vorher durch jene typischen Signale auf sich aufinerksam zu machen beginnt. Bei richtiger Auswertung koimen damit bereits in einem sehr frUhen Stadium strategi-sche Handlungsaltemativen gewonnen werden (Becker 2001, S.183).

Ausgangspunkt eines jeden Friihwamsystems ist die Festlegung der fur das Unter-nehmen wesentlichen Beobachtungsbereiche (vgl. Abb. 6.3). Dabei wird unter-stellt, dass aus diesen Bereichen Informationen erwartet werden, die fur die Ent-wicklung des Untemehmens bedeutsam sein konnen. Man unterscheidet exteme und interne Beobachtungsbereiche:

Emnittlung der Faktoren fur Erfolge und Risiken in den Beobachtungsbereichen

• Branchen- und Konjunktundaten

• Zahlungs\erhalten etc.

Bfoig^ und Risiken in den BeobacNungsber^idien

• Bndeutig

• Frijhzeitlg

•Wrtschaftlich

Ermltdung der Faktoren fur Erfolge und Risiken in den Beotachtungsbereichen

Ermittlung der Faktoren fur Erfolge und Risiken in den Beobachtungsbereichen

Abb. 6.3: Grundmodell eines Friihwamsystems Quelle: Becker 2001,8.183

Externe Beobachtungsbereiche

• AUgemein: Beobachtung von konjunkturellen, strukturellen, technologischen und soziopolitischen Entwicklungen sowie

• Untemehmensindividuell: Beobachtung der Absatz-, Beschaffungs-, Arbeits-und Kapitalmarkte.

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Interne Beobachtungsbereiche

• Gesamtuntemehmensbezogen: Insbesondere Beobachtung der Ergebnis- und Finanzlage, Modemitat des Maschinenparks und Mitarbeiterentwicklung so-wie

• Funktionsorientiert: Insbesondere Beobachtung von Forschung und Entwick-lung sowie Absatz.

3.2 Bestimmung von Indikatoren fiir die Beobachtungsbereiche

Im nachsten Schritt sind Indikatoren (vgl. Abb. 6.4) fur die einzelnen Beobach­tungsbereiche festzulegen. Bei den Indikatoren handelt es sich um Kriterien, die ftir das jeweilige Untemehmen geeignet sind, mogliche Chancen und Risiken auf-zuzeigen. Es ist unmittelbar einsichtig, dass die richtige Auswahl sehr sorgfaltig untemehmensindividuell vorgenommen werden muss. Dabei geht es nicht nur um die quantitativ erfassbaren „klassischen" Frtihwamindikatoren, wie zum Beispiel Auftragseingang oder Auftragsbestand, die einem operativen Friihwamsystem zuzuordnen sind. Von besonderer Bedeutung sind wiederum die sogenannten Schwachen Signale, die strategisch bedeutsame Anderungen andeuten konnen. Hier handelt es sich um uberwiegend qualitative Informationen, die oftmals mehre-re Interpretationen zulassen (Franke/Zerres 1999, S.206).

Generelle exteme Beobachtungsbereiche

Wlrtschaftliches LkTBystem

• l^jurWurelle EntvvicWmgen (nach Larriem, l ^ a i e n ^ -Auftragseingang -Airftnagsbestande - Beurteilung der Fertigwanenlager - GeschaflskiinrTa (if6-indkator)

• StrukyBlle BTivvicMungen (nach Laidem, Regponen): - InvestWonstendenzen - Bevolkeaingsdchte - Bnrttosazi^prodiM pro Kopf

SadopoiHisches UkTsystem

• Politische BitwicWungen - V\feNergebnisse - Infbmnationen aus politischen Parteien und Verbanden

• Saziale Entwicklungen (nach Landem, Regionen): - BevolkeringszaNen/-stnMjr - Leisensqu itat

Techndogisches Lknsystem

nnfbmrBticxTen uber mijglidie Andemngen der V e r ^ technologe bei V\fettbeMefbenVFor5chungsJnstituten

Untemehmensindividuelle exteme BecbachtungsJ — bereiche _ ^ a i * « J

Absatzrrarikt 1

• RoduWe / Regionen der Untemehmung: 1 -AuftnagseingSnge 1 -Auftragsbestande 1

• Kunden der Untemehnmng 1 - Bestellverhalten 1 -Zahlungsverhalten 1

• KbnlojrTienten der Untemehnrung 1 - Pneispolitik 1 - Rogranrnpolitik 1

Beschafhfigsmsirkt (insbesondere fur Rohstoffe) 1

•Rrodukte/Regionen 1 - VoJunren bekannter Vofkommen je Rohstoff 1 - CXaichschnittlicher Jahresverlxajch je Rohstoff 1

• Lieferanten 1 -Temintreue 1 - Qualitatsrvveau 1

Abb.6.4: Mogliche Indikatoren fur exteme und interne Beobachtungsbereiche Quelle: Franke/Zerres 1999, S. 207/208 (auszugsweise)

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Fur die Indikatoren gelten dabei folgende Auswahlkriterien:

• Eindeutigkeit, das heisst die M5glichkeit einer Fehlinterpretation eines Indi-kators muss weitgehend ausgeschlossen werden konnen.

• Vollstandigkeit, das heisst die Indikatoren mussen den Beobachtungsbereich nach Moglichkeit vollstSndig abdecken.

• Friihzeitigkeit, das heisst die durch den Indikator angezeigten Bedrohungen/ Chancen miissen durch diesen so friihzeitig erkannt werden, dass fur Planung und Realisierung von (Gegen-) MaUnahmen noch ausreichend Zeit verbleibt.

• Rechtzeitige Verfugbarkeit, das heisst neben der oben geschilderten Friihzei-tigkeit des Indikators selbst muss dieser dem Fruhaufklarungssystem aber auch rechtzeitig genug zuganglich sein. Beispielhaft sei hier die Ver5ffentli-chung statistischer Daten erwahnt. Die Daten konnen dabei das Kriterium der Fruhzeitigkeit durchaus erfullen; werden diese aber erst mit einem groBeren Zeitverzug publiziert, so kann dies dazu fuhren, dass sie dem Fruhaufkla-rungs-system nicht mehr rechtzeitig genug zur Verfugung stehen, um noch wirksame Mal3nahmen ergreifen zu konnen.

• Okonomische Vertretbarkeit, das heisst der Informationsnutzen eines Indika­tors und der mit seiner Beschaffung verbundene Aufwand mussen in einem angemessenen Verhaltnis zueinander stehen (Krystek/MUller 1999, S.179).

3.3 Identifikation von Friihwarninformationen und Methoden der Signalverstarkung

Neben der Bestimmung von Indikatoren fflr die Beobachtungsbereiche kommt der Identifikation von Fruhwaminformation sowie deren Verstarkung eine besondere Bedeutung zu. Will man Friihwarninformationen - starke oder auch schwache Signale - identifizieren, so muss man sich zunachst Uber die Form dieser Informa-tionen Klarheit verschaffen.

Es konnen einmal Vermutungen, Hypothesen sein, die auf Grund von erhaltenen Hinweisen geauBert werden. Als Beispiel konnen in diesem Zusammenhang sich anbahnende BoykottmaBnahmen jtidischer Organisationen in den USA gegeniiber deutschen Untemehmen genannt werden, die wahrend des Dritten Reiches Zwangsarbeiter eingesetzt hatten. Informationen konnen sich auch aus mehr oder weniger abgesicherten Erwartungen ergeben. Diese kGnnen zum Beispiel Beschaf-fungsschwierigkeiten bei wichtigen Rohstoffen signalisieren, wenn Lieferzeiten sich verlangem oder sogar Kontingentierungen drohen. Auf dem Absatzmarkt kann eine kritische Situation entstehen, wenn erkennbar wird, dass ein bedeutender auslandischer Konkurrent auf dem Heimatmarkt vordringen wird. Riickwirkend kann in diesem Sinne die Frage gestellt werden, in welcher Weise die deutsche Automobilindustrie sich rechtzeitig auf die sudostasiatische Konkurrenz eingestellt hat. SchlieBlich konnen Friihwarninformationen Entwicklungen betreffen, die sich bereits konkret abzeichnen oder schon begonnen haben. Beispielsweise ist in ei-

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100

nem Untemehmen ein Fuhrungskraftemangel erkennbar, ausgelost durch einen jahrelang wirkenden Einstellungsstop. Fruhwaminformationen aus dem politischen Geschehen betreffen zum Beispiel die Kostendampfung im Gesundheitswesen (Franke/Zerres 1999, S. 210).

Zur Identifikation von Fruhwaminformationen, insbesondere von schwachen Sig-nalen, sind verschiedene Methoden, wie zum Beispiel die Szenariotechnik oder die Portfoliotechnik, einzusetzen.

3.3.1 Szenariotechnik

Technische Entwicklungen, verandertes Nachfrageverhalten, starkere Konkurrenz oder politische Krisen und/oder Umbriiche etc. fuhren vor allem bei Absatz-, Pro-duktions- oder Beschaffiingspotenzialen vermehrt zu Diskontinuitaten. Auf den Ausbruch von Krisen haben Untemehmen kaum Einfluss. Was sie aber in der Hand haben, ist ihre Reaktion auf solche. Die tatsachliche Unkalkulierbarkeit der Untemehmensumwelt erfordert zusatzliche Techniken. So kann der Manager mit Hilfe der Szenariotechnik beispielsweise uben, in Altemativen zu denken. Im Denkmodell der Szenariotechnik gibt es nicht eine Zukunft, sondem immer „meh-rere Zuktinfte", mit denen man rechnen muss; denn wahrend die eigene Vorstel-lungskraft sich haufig auf ein mehr lineares Weiterdenken konzentriert, kann sich die Situation auf Gmnd technologischer, wirtschaftlicher, politischer wie auch gesellschaftlicher Entwicklungen plotzlich voUig anders darstellen. Hier greift entscheidend der Vorteil der Szenariotechnik: Es wird nicht mehr linear, eindi-mensional, monokausal gedacht und entschieden, sondem innerhalb ganzheitlicher Konzepte. Man begreift das Untemehmen als vemetzte Ganzheit mit offenen Grenzen gegeniiber ebenfalls vemetzten Umweltbeziehungen. Szenarien werden systematisch aus der gegenwartigen Situation heraus entwickelt und in plausible Zukunftsbilder umgesetzt, einschliefilich moglicher Pfade, die zu dieser zukunfti-gen Situation hinfflhren k5nnen. Dies aber wiedemm ist nur moglich, wenn sowohl quantitative als auch qualitative Informationsarten verarbeitet werden. Schon aus Zeitmangel wiirden die ublichen Methoden der Stmkturiemng hier nicht mehr rechtzeitig genug greifen. Das Scharioth vom Batelle-Institut unterscheidet nach folgenden Szenario-Typen:

• Visionsszenario

Dieser Typ wird ausschliefilich auf der Top- Managementebene eingesetzt. Strategische Visionen werden in der Regel in Form der Szenariodarstellung vomehmlich intuitiv entwickelt und sind stark normativ ausgerichtet.

• Megatrendszenario

Dieser Typ untersucht die Auswirkungen relevanter Trends und Verandemn-gen auf die verschiedenen Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Langfristig iiber-geordnete Trends werden in spezielle Bereiche projiziert, womit ein schnelles Erkennen sich verandemder Umfeldbedingungen moglich wird.

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,Direct- Writing'' - Szenario

Es handelt sich um eine Kombination des Megatrends und einem Visionssze-nario. In diesen Szenarien werden die Wandlungsbereiche (Environment For­ces) direkt verbunden und hieraus konkrete Strategieempfehlungen entwi-ckelt, das heisst was geschieht auf Grund der Megatrends mit den Handlungs-bereichen (Division Factors) und wie soil sich das Untemehmen verhalten?

• Modellorientiertes Szenario

Das modellorientierte Szenario basiert auf rechnergestiitzten Modellen, die quantitative Ergebnisse liefem. Die Wirkungszusammenhange werden dabei in quantifizierter Form in Simulationsmodelle eingegeben.

• Determiniertes Szenario

Ein bestimmtes Zukunftsbild wird auf seine Konsequenzen bin untersucht. Beispiel: Welche MaBnahmen mussen bei einem Ausstieg aus der Kemener-gie ergriffen werden? Basis des determinierten Szenarios ist ein bereits ent-wickeltes Zukunftsbild.

• Umfeldszenario

Dieser Typ beinhaltet eine Zukunftsbetrachtung, die nicht von der Entwick-lung des zu betrachtenden Untersuchungsfeldes ausgeht. Statt dessen werden die ftir das Untersuchungsfeld relevanten Umfelder und deren Entwicklung analysiert und zu in sich konsistenten Zukunftsbildem zusammengesetzt (Be­cker 2001, S.155ff.).

Die Szenario-Typen lassen sich hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Funktionen und damit ihrer Einsatzgebiete unterscheiden (vgl. Abb. 6.5).

Fuitl(tloit»v«rgl«ioh ^«rS2^narloty|:>»ii

Visions-szenario

Megatrend-szenario

„Direct-Wnting" Szenario

Modellorientier­tes Szenario

Determiniertes Szenario

Umwelt-szenario

Konsistente Zukunftsannahmen

Erarbeitung Einflussfaktoren

Handlungsempfehlungen

Fortschreibungsfahigkeit

Aufzeigen von Alternativen

Entwicklungspfade

Erarbeitung von Zukunftsbildem wdhrend der Szenarioerstellung

Nachvollziehbarkeit

Anvi/enderbeteiligung

Abb. 6.5: Funktionsvergleich der unterschiedlichen Szenario-Typen Quelle: Becker 2001, S. 156

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In Abgrenzung zu vielen quantitative!! Trendextrapolationsverfahren wird die Zukunft beim Einsatz der Szenariotechnik nicht !nehr als eine einzige zu prognos-tizierende Zustandsgr5Be betrachtet, sondem es werden verschiedene mogliche, plausible und in sich konsistente Zukunftsbilder entworfen und Entwicklungspfade aufgezeigt, die zu diesen Zukunftsbildem hinfiihren.

Auf der Basis der Analyse der gegenwartigen Situation werden also die Entwick-lungsmoglichkeiten von altemativen plausiblen, zukiinftigen Situationen aufge­zeigt. Die zukunftsorientierte Entwicklung eines bestin!!nten Bereiches ist jedoch nicht vollig offen, sondem wird durch die bestehenden Strukturen der Gegenwart bestimmt. Die plausiblen Wege in die Zukunft lassen sich dabei in diesem Zusam-menhang durch das Bild eines Trichters veranschaulichen.

Bei der Szenariotechnik handelt es sich also nach Horvath - noch einmal zusam-mengefasst - um die gedankliche Analyse und Beschreibung einer qualitativen und quantitativen Entwicklung in Form einzelner Teilentwicklungen, aus denen sich ein zukiinftiger Zustand (Szenario) insgesamt ergibt. Dabei werden verschiedene Entwicklungsverlaufe aufgezeigt und die Einflusse anderer Bereiche und die tech-nische Durchfuhrungsmoglichkeit der MaBnal!!nen, um den Zustand zu erreichen, untersucht. Unterstutzt wird diese Vorgehensweise durch die Einschaltung von moglichst interdisziplinar ausgerichteten Experten. Szenarien ko!!nen sowohl in Form von Studien als auch im Rahmen von Workshops erstellt werden. Wahrend Studien in erster Linie flir staatliche Stellen durchgeflihrt werden, um umfangrei-ches Datenmaterial als Entscheidungsgrundlage, zum Beispiel bei staatlichen For-derprogrammen, zu erhalten, bedient man sich in der Industrie vor allem der Workshops; da hier die Teilnehmer in der Kegel aus den verschiedenen Abteilun-gen des Untemehmens kommen, ergibt sich ein Vorteil in Bezug auf eine spatere Umsetzung der Ergebnisse in die Untemehmensplanung (Fra!!ke/Zerres 1999, S.7f).

3.3.2 Portfoliotechnik

Die Portfoliotechnik dient der Positionierung von Produktlinien oder Geschafts-feldem. Als Hilfsmittel verwendet man die Portfolio-Matrix, die aus vier oder neun Feldem besteht. Die Achsen der Matrix bilden die Variablen, die fiir die Standortbestimmung der Produktlinien oder Geschaftsfelder wesentlich sind. Ubli-cherweise wShlt man die Kriterien Marktattraktivitat/Wettbewerbsvorteil oder Marktanteil/Marktwachstum.

Das Marktanteils-ZMarktwachstums-Portfolio der Boston Consulting Group (BCG - Portfolio) baut direkt auf den Erkenntnissen auf, die im Zusamme!!hang mit der Erfahrungskurvenanalyse gesammelt wurden. Bei diesem Portfolio geht man von dem Geda!!ken aus, dass das Marktrisiko umso geringer ist, je hoher der relative Marktanteil ist. Man betrachtet das Marktwachstum als finanzmittelverbrauchende und den relativen Marktanteil als finanzmittelfreisetzende Dimension. Damit ver-sucht man den Zusammenhang zwischen Rentabilitat, Cashflow, Verschuldungs-kapazitat, Wachstums- und Dividendenpotenzial und Wettbewerbsfahigkeit herzu-stellen. Der relative Marktanteil gibt dabei das Verhaltnis zwischen dem eigenen

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Marktanteil und dem Marktanteil des groBten Hauptwettbewerbers beziehungswei-se der drei groBten Wettbewerber wider (Benkenstein 2002, S.72f.).

Bei der Positionierung der Geschaftsfelder lassen sich vier grundlegende Positio­ner! voneinander abgrenzen: Questions Marks, Stars, Cash Cows und Dogs, flir die sich dann jeweils entsprechende Normstrategien ableiten lassen.

Die Portfoliotechnik konnte weiterentwickelt werden, um sie als „Verstarker" von schwachen Signalen fur Fruhwamsysteme nutzbar zu machen. Hauptansatzpunkt dabei ist, bestehende Unscharfebereiche bei der Positionierung von strategischen Geschaftsfeldem sichtbar werden zu lassen. Zu diesem Zweck werden von den zahlreichen Beurteilungskriterien solche verwandt, die sich in einzelne Merkmale zerlegen lassen. Dies gilt beispielsweise fur die Kriterien Marktattraktivi-tat/Wettbewerbsvorteil. Diese lassen sich wie folgt gliedem:

• Marktattraktivitdt

GroBe des Marktes, Marktwachstum, geographische Lage des Marktes, Wettbewerbskonzentration, Markteintrittskosten, Preiselastizitat;

• Wettbewerbsvorteil

Marktanteil, Finanzkraft, Standortvorteile, Forschungspotential, Produkti-onspotenzial.

Auf Grund von untemehmensintemen Expertenbefragungen erfolgt nun eine Ein-schatzung der einzelnen Merkmale von Marktattraktivitat und Wettbewerbsvorteil flir die verschiedenen Geschaftsfelder. Ergebnis der Befragung ist ein Portfolio, das statt der ublichen Punktpositionierung eine Bereichspositionierung vomimmt.

Durch die Bereichspositionierung werden bewusst Unscharfebereiche sichtbar gemacht. HSufigkeitsverteilungen vervollstandigen die Untersuchungen. Durch diese Methode konnen insbesondere schwache Signale identifiziert und damit fur die Untemehmensplanung nutzbringend verwendet werden. Gleichzeitig wird durch die Einbeziehung eines grSBeren Personenkreises der Gefahr vorgebeugt, dass vorherrschende Verhaltensmuster („Betriebsblindheit") in die Zukunft uber-tragen werden (Franke/Zerres 1999, S.201).

3.4 Entscheidungen und Mafinahmen

Im nachsten Schritt sind die mutmaBlichen Auswirkungen der identifizierten FrUhwaminformationen auf Ziele des Untemehmens abzuschatzen. Wie groB ist das AusmaB der erwarteten Chancen und Risiken und wie ist deren zeitliche Wir-kung? Ergeben sich geringe oder starke Einflusse oder sind moglicherweise tiber-haupt keine Auswirkungen zu erwarten? Zur Beantwortung dieser Fragen konnen einmal mathematische Methoden eingesetzt werden. Die bei der erweiterten Port­foliotechnik erwahnten Haufigkeitsverteilungen sind eine geeignete Ausgangsbasis flir Simulationen. Zum anderen kann es sinnvoll sein, eine strukturierte Gruppen-befragung in Form etwa der Delphi-Methode durchzufiihren. Es handelt sich dabei

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um eine mehrere Runden umfassende anonyme Befragung von Experten. Nach jeder Runde erfolgt ein Informationsaustausch, so dass die Experten ihre Meinung korrigieren konnen. In Bezug auf ein Fruhwamsystem ist es Aufgabe der Experten, auf der Grundlage der identifizierten Fruhwamsignale mehrerer Befragungsrunden die erwarteten Auswirkungen fur das eigene Untemehmen abzuschatzen und unter Verwendung einer Skala zu gewichten.

Selbstverstandlich ist, dass die Entwicklung eines Fruhwamsystems nur dann sinn-voll ist, wenn die erkannten Auswirkungen auch zu einem Beschluss Uber entspre-chende MaBnahmen fiihren. Diese konnen von sofort wirksamen Aktionen bis bin zu Eventualplanen reichen, die erforderlich sind, um von einem erwarteten Ereig-nis nicht unvorbereitet Uberrascht zu werden (Franke/Zerres 1999, S.213).

4 Friihwarnsysteme als Instrument eines effizienten Risiko-ControUings

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass vor allem die Untemehmen langfristig erfolgreich waren, die Risiken bewusst eingehen oder neu gestalten. Die Forderung nach der Einrichtung von derartigen Friihwamsystemen, mit denen sich bestands-gefahrdende Entwicklungen erkennen lassen, hat der Gesetzgeber im Fruhjahr 1998 durch das eingangs erwahnte Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Un-temehmensbereich (KonTraG) kodifiziert.

Ziel des Risikomanagements ist es, die bereits bestehenden und die kunftig ent-scheidenden Risiken des Untemehmens so zu steuem und zu regeln, dass der Wert des Untemehmens durch die Verringemng von Risiken bei weiter bestehenden Ertragschancen gesteigert wird und sichergestellt ist, dass die Risikoposition des Untemehmens, das heisst die Gesamtheit der von einem Untemehmen eingegan-genen Risiken, dessen Risikotragfahigkeit nicht tibersteigt. Die Risikotragfahigkeit ist die Fahigkeit des Untemehmens, Verluste aus eingetretenen Gefahren tragen zu konnen, ohne insolvent zu werden. Das Risikomanagement ist in diesem Sinne das Gegenstuck zum Ertragsmanagement, dessen Aufgabe es ist, die Chancen eines Untemehmens zu identifizieren und moglichst effizient zu realisieren. Risiko- und Ertragsmanagement sind somit die beiden Facetten einer wertorientierten Unter-nehmensfuhmng (Baetge/Jerschensky 1999, S.171).

Das Risikomanagement umfasst im Wesentlichen drei Schritte:

1. Identifikation der Risiken,

2. Quantifiziemng der Risiken und

3. Steuemng und Regelung der Risiken.

Die Durchfuhmng eines effizienten Risikomanagements im Untemehmen, so wie es der Gesetzgeber fordert, zwingt zu einem Risiko-Controlling. Aufgabe des Risiko-Controllings ist es, Informationen fur Entscheidungen des Risikomanage-

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ments bereitzustellen. Es muss die fur das Untemehmen relevanten Risiken identi-flzieren und quantifizieren sowie die Konsequenzen der verschiedenen Optionen der Risikosteuerung und -regelung ermitteln.

Grundsatzlich lassen sich fur das Risiko-Controlling dieselben Instrumente ein-setzen, wie sie allgemein fiir das Controlling verwendet werden. Fur das Risiko-Controlling sind besonders geeignet (Hahn 1987, S. 143f.):

• Planbilanzen,

• Kennzahlenanalyse,

• Szenariotechnik und

• Friihwamsysteme.

Daruber hinaus gibt es eine Vielzahl von spezifischen Instrumenten, die speziell auf die einzelnen Risikoarten ausgerichtet sind.

Eine Anforderung an Fruhwamsysteme ist, dass sie die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Risikosituation objektiv ermitteln (Brebeck/Herrmann 1997, S.384). Eine Komponente eines solchen Systems, mit dem sich die Hohe der Gefahr einer Insolvenz objektiv als Wahrscheinlichkeit bestimmen lasst, ist das „Kunstliche Neuronale Netz".

„Kunstliche Neuronale Netze'' sind informationsverarbeitende Systeme, die bio-logischen Neuronalen Netzen nachempfunden sind und mit denen sich schwach strukturierte betriebswirtschaftliche Fragestellungen sehr erfolgreich bearbeiten lassen.

Zu einem umfassenden Risikomanagement im Untemehmen gehort deutlich mehr als nur die Friihaufklarung im beschriebenen Sinne (Liick 1999, S. 21). Von den organisatorischen SicherungsmaUnahmen bis zur Risikoabwalzung im Rahmen von Versicherungen spannt sich der Bogen risikoreduzierender Mafinahmen und deren Uberwachung. Es besteht hierbei die Gefahr, dass untemehmerisches Handeln, das Wahmehmen von Chancen also, immer auch untrennbar mit dem Eingehen von Risiken verbunden ist. Ohne es zu wollen, gehen entsprechend risikoavers agie-rende Untemehmen haufig ein ganz anderes Risiko ein, namlich das, Erfolgspoten-tiale nicht rechtzeitig oder nicht im erforderlichen Umfang zu emeuem. Solcher-maBen strategisch vemrsachte Krisen sind denn auch nach Erkenntnissen der Kri-senursachenforschung flir einen erheblichen Teil aller Insolvenzen verantwortlich. Um untemehmerische Risiken rechtzeitig zu erkennen, sind Friihaufklamngssys-teme eine sinnvoUe Erganzung, wenn nicht sogar Bestandteil des Risikomanage-ment-Instmmentariums der Untemehmensfiihrung. Wahrend jedoch organisatori-sche SichemngsmaBnahmen, Versichemngen, inteme Revision etc. schon lange Eingang in der betrieblichen Praxis gefunden haben - zum Teil auch, weil sie durch andere gesetzliche Regelungen fur bestimmte Untemehmen zwingend vor-geschrieben wurden (zum Beispiel durch das Kreditwesengesetz) - , sind metho-disch ausgearbeitete Friihaufklamngssysteme bislang eher die Ausnahme. Deshalb sollte ihnen, insbesondere auch wegen ihrer erkennbaren Nahe zu den durch das

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KonTraG formulierten gesetzlichen Anforderungen an die Sorgfaltsverpflichtung der Untemehmensfuhrung, in der Diskussion um Risikomanagement verstarkt Beachtung geschenkt werden.

AbschlieBend lasst sich feststellen, dass im Hinblick auf die Marktdynamik, nam-lich geandertes Verbraucherverhalten und den daraus resultierenden Planungsunsi-cherheiten, die Notwendigkeit fur ein perspektivisch ausgerichtetes Planungssys-tem im Untemehmen deutlich wird. Gerade vor dem Hintergrund der Fruhaufkla-rung kommt dem Marketing-Controlling dabei eine besondere Bedeutung zu, denn an der Nahtstelle zur Untemehmensleitung hat das Marketing-Controlling die entsprechenden Systeme zu implementieren und die Informationsfltisse sicherzu-stellen, um damit mSgliche Gefahren fruhzeitig abzuwenden und Chancen ergrei-fen zu konnen.

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Literatur

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Ill Operatives Marketing-Controlling

Kapitel 7 Break-Even Analysis and Measures of Performance

Nikolaos Tsorakidis/Sophocles Papadopoulos

In this chapter we discuss how break-even analysis can be used as an additional management decision support tool and introduce the reader to common tools for assessing the efficiency and effectiveness of marketing strategies.

A simple and basic way of measuring the performance of a business organization is by examining its profitability. The outcome of a business organization is esti­mated by assessing revenue and costs. Thus, profitability is increased by increas­ing revenue and controlling costs or by reducing costs and maintaining revenue. Given the uncertainty involved in future revenue many managers attempt to have a clear understanding of the costs of their business and in particular the behavior of these costs. When we refer to cost behavior we mean the way in which costs vary according to the level of production (volume of output) and how changes in costs affect profitability. Therefore, the understanding of the cost structure of a business organization is essential.

1 Break-Even Analysis

Break-Even analysis is used to give answers to questions such as "what is the minimum level of sales that ensure the company will not experience loss" or "how much can sales be decreased and the company still continue to be profitable". Break-even analysis is the analysis of the level of sales at which a company (or a project) would make zero profit. As its name implies, this approach determines the sales needed to break even.

Break-Even point (B.E.P.) is determined as the point where total income from sales is equal to total expenses (both fixed and variable). In other words, it is the point that corresponds to this level of production capacity, under which the com­pany operates at a loss. If all the company's expenses were variable, break-even analysis would not be relevant. But, in practice, total costs can be significantly affected by long-term investments that produce fixed costs. Therefore, a company

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- in its effort to produce gains for its shareholders - has to estimate the level of goods (or services) sold that covers both fixed and variable costs.

Break-even analysis is based on categorizing production costs between those which are variable (costs that change when the production output changes) and those that are fixed (costs not directly related to the volume of production). The distinction between fixed costs (for example administrative costs, rent, overheads, depreciation) and variable costs (for exampel production wages, raw materials, sellers' commissions) can easely be made, even though in some cases, such as plant maintenance, costs of utilities and insurance associated with the factory and production manager's wages, need special treatment. Total variable and fixed costs are compared with sales revenue in order to determine the level of sales volume, sales value or production at which the business makes neither a profit nor a loss.

1.1 Simple Break-Even Point Application

B.E.P. is explained in the following example, the case of Best Ltd. This company produces and sells quality pens. Its fixed costs amount to €400,000 approximately, whereas each pen costs €12 to be produced. The company sells its products at the price of €20 each. The revenues, costs and profits are plotted under different as­sumptions about sales in the break-even point graph presented below. The horizon­tal axis shows sales in terms of quantity (pens sold), whereas expenses and reve­nues in euros are depicted in vertical axis. The horizontal line represents fixed costs (€400,000). Regardless of the items sold, there is no change in this value. The diagonal line, the one that begins from the zero point, expresses the com­pany's total revenue (pens sold at €20 each) which increases according to the level of production. The other diagonal line that begins from €400,000, depicts total costs and increases in proportion to the goods sold. This diagonal shows the cost effect of variable expenses. Revenue and total cost curves cross at 50,000 pens. This is the break even point, in other words the point where the firm experiences no profits or losses. As long as sales are above 50,000 pens, the firm will make a profit. So, at 20,000 pens sold company experiences a loss equal to €240,000, whereas if sales are increased to 80,000 pens, the company will end up with a €240,000 profit.

The following table shows the outcome for different quantities of pens sold:

Pens Sold (Q) Total Sales (S)

Variable Costs (VC) Contribution Margin

(CM.) Fixed Costs (FC)

Profit / (Loss)

20,000 €400,000 €240,000

€160,000

€400,000

(€240,000)

50,000 €1,000,000 €600,000

€400,000

€400,000

€0

80,000 €1,600,000 €960,000 J

€640,000

€466,000

€240,000

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I l l

The break-even point can easily be calculated. Since the sales price is €20 per pen and the variable cost is €12 per pen, the difference per item is €8. This difference is called the contribution margin per unit because it is the amount that each addi­tional pen contributes to profit. In other words, each pen sold offers €8 in order to cover the fixed expenses. In our example, fixed costs incurred by the firm are €400,000 regardless of the number of sales. As each pen contributes €8, sales must reach the following level to offset the above costs:

Fixed Costs Fixed Costs €400000

Selling Price - VC (u) Contribution Margin € 8 50000 pens (B.E.P)

Thus, 50,000 pens is the B.E.P. required for an accounting profit.

Ill

20000 40000 60000 80000 100000

Unit Sales (pens)

Diagram 7.1: Break-Even Point Graph

Break-even analysis can be extended further by adding variables such as tax rate and depreciation to our calculations In any case, it is a useful tool because it helps managers to estimate the outcome of their plans. This analysis calculates the sales figure at which the company (or a single project) breaks even. Therefore, a com­pany uses it during the preparation of annual budget or in cases of new product development. The B.E.P. formula can be also used in the case where a company wants to specify the exact volume of sold items required to produce a certain level ofprofit.

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Finally, the marketing-controlling departments of an enterprise may use break­even analysis to estimate the results of an increase in production volume or when evaluating the option of investing in new, high technology machinery. In that case, the firm may operate more automatically, fewer workers will be needed and what finally happens is that variable costs are substituted by fixed ones. This will be examined later in this chapter.

1.2 Restrictions

Beside its useful applications, break-even analysis is subject to some restrictions. In every single estimation of the break-even level, we use a certain value to the variable "selling price". Therefore, if we want to find out the level that produces profits under different selling prices, many calculations and diagrams are required.

A second drawback has to do with the variable "total costs", since in practice these costs are difficult to calculate due to the fact that there are many things that can go wrong and mistakes that can occur in production. During estimations, if sales in­crease and output reaches a level that is marginally covered by current investments in fixed assets, labor cost will be increased (recruiting of new employees or in­crease in overtime costs) and consequently variable costs will grow. After a point, new investments in fixed assets must be realized too. The above affect the produc­tion and change both the level and the inclination of the total costs' line in B.E.P. graph.

Another affect that is not algebraically measured, is that changes in costs may alter products' quality. Also, the break-even point is not easily estimated in the "real world", because there is no in mathematical calculation that allows for the "competitive environment". This refers to the fact that the competition may cause prices to drop or increase according to demand.

1.3 Multiproduct Break-Even Point

When B.E.P. of a single product is calculated, sales price corresponds to the price of this product. However, in reality firms sell many products. It is easily under­stood that when different products are offered by a company, the estimation of the values of variables used in B.E.P. formula (sales price, variable costs) becomes a complicated issue, since the weighted average of these variables has to be com­puted.

An important assumption in a multiproduct setting is that the sales mix of different products is known and remains constant during the planning period. The sales mix is the ratio of the sales volume for the various products. To illustrate, let's look at Quick Coffee, a cafeteria that sells three types of hot drinks: white/black coffee, espresso and hot chocolate.

The unit selling price for these three hot drinks are €3, €3.5 and €4 respectively. The owner of this cafe wants to estimate its break-even point for next year. An

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important assumption we have to make is that current sales mix will not change next year. In particular, 50% of total revenue is generated by selling classic coffee, while espresso and hot chocolate corresponds to 30% and 20% of total revenues respectively. At the same time, variable costs amount to €0.5 (white/black coffee), €0.6 (espresso) and €0.7 (hot chocolate). We have to compute the weighted aver­age for these two variables, selling price and variable costs:

PRODUCT

COFFEE

ESPRESSO

HOT CHOCOLATE

PRODUCT

COFFEE

ESPRESSO

HOT CHOCOLATE

PRICE (€)

3.0

3.5

4.0

VARIABLE COST (€)

0.5

0.6

0.7

PROPORTIONAL TO TOTAL REVENUE

50%

30%

20%

PROPORTIONAL TO

TOTAL REVENUE

50%

30%

20%

WEIGHTED

AVERAGE

3.35

WEIGHTED AVERAGE

0.57

Applying the B.E.P. formula - company's fixed costs are €55,000 - gives us 19,784 units.

B.E.P. = €55,000 / (€3.35 -€0.57) = 19,784 units.

This computation implies that Quick Coffee breaks even when it sells 19,784 hot drinks in total. To determine how many units of each product it must sell to break even we multiply the break-even value with the ratio of each product's revenue to total revenues:

Classic Coffee: 19,784 x 50% = 9,892 units,

Espresso: 19,784 x 50% = 5,935 units and

Hot Chocolate: 19,784 x 50% = 3,957 units.

The above analysis can be used to answer a variety of planning questions. We can also vary the sales mix to see what happens under alternative strategies.

Page 129: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

114

1.4 Applying Break-Even Analysis in Services Industry

Break-even analysis can be used not only for companies that sell products, but also for companies that offer services. The following example is taken from the ser­vices' sector and shows us the calculation that the Finance Dpt of Advertising Ltd has made in order to evaluate a future project. Specifically, the Marketing depart­ment of Advertising Ltd came up with the idea of "buying" advertising space of urban buses in town Ville. They believe that many local companies will be willing to be advertised in urban buses by having their logos and various advertisements placed along buses' sides. Also, they believe that annual "bus rental" (advertising in every dimension of a bus) can be "sold" for €1,500. Municipal Bus Line, during negotiations with Advertising Ltd, made the following proposal: "Fixed payment of €500 for each bus of its fleet and extra payment (variable rental cost) €200 for each bus that will be used as for advertisement by Advertising' s clients". Given that the agreement will be valid for every single local bus of municipal lines (40 buses in total) the Finance Department calculated, as follows, the break even point:

B.E.P. = -Fixed Costs _ 40* €500 €20000

Constriution Margin ~ €1500-€200 ~ €1300 = 15,4 buses

75000 -

60000 -

0) 45000

3

^ 30000

15000 -

0 -

c

B.E.P.

) 5 10 15 20 25

Buses 30

Sales

Total Costs

Fixed Costs

35 40 45

Diagram 7.2: Break-Even Point Graph, Municipal Bus Line Proposal

Page 130: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

115

The answer in this case is 15.4 buses (shown in Diagram 7.2), which is the target number, the expected volume that covers both fixed and variable rental expenses of this new project. The management of Advertising Ltd. considered that pre-start projections and operating realities may be different and that the company may fall below the break-even volume. Generally, there are three ways for a company to lower its break-even volume, two of them involve cost controls:

- Lower direct costs (i.e. controlling inventory), which will raise the gross margin,

- exercise cost controls on fixed expense (i.e. use of capital budgeting) and

- raise prices (not easy in a price-sensitive market).

After several meetings, the finance and Marketing Dpts ended up with the follow­ing scenario to be proposed to Municipal Bus Lines: "Fixed payment of €250 for each bus of its fleet and extra payment (variable rental cost) €600 for each bus that will be used in campaign". In this case, the total cost for each bus is €850, that is €150 more than the previous scenario. However, as the following equation shows, the break-even point is less (Diagram 7.3).

60000 -

CO 45000

s ^ 30000

15000 -0

B . E . R ^ ^ — ^

Sales

^""'^""^ Total Costs

Fixed Costs

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

Buses

Diagram 7.3: Break-Even Point Graph, Advertising Ltd Proposal

B.E.P. Fixed Costs 40*€250 €10000

Constriution Margin €1500 - €600 €900 = 11,1 buse^

Diagram 7.4 depicts a comparison of total costs incurred, under these two scenar­ios. Total costs under the first scenario begin from €20,000 and rise with a low rate, while total costs under the second scenario begin from a significantly lower point (€10,000) but increase rapidly as sales rise. Intersection of the two lines (point A) gives us the point at which total costs under two scenarios are equal. So,

Page 131: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

116

over 25 buses as sales increase (the number of buses "rented") total costs - under scenario 1 - increase with a lower rate in contrast to scenario 2. Inference is obvi­ous. If the Marketing department of Advertising Ltd. believes that more than 25 buses will be "rented" (63% of total fleet of buses), then there is no need to make a different proposal and should agree with Municipal Bus Lines' offer. On the other hand, the second scenario could be proposed because this project is a new venture and the most important thing during the first year is to lower the break-even point rather than to maximize profits.

16 21

Buses 26 36

Diagram 7.4: Cost comparison between Scenario 1 and Scenario 2.

1.5 Operating Leverage

Diagrams 5, 6 and 7 depict the issue of operating leverage in three different com­panies that sell the same product. Company "First" maintains a low level of fixed assets therefore its fixed costs (€30,000), are not high. But, in order to offset this weakness it "suffers" fi*om high variable expenses (€2). Company "Second" ex­periences lower variable costs (€1.5), as a consequence of having invested in new, more productive machinery (fixed costs €50,000). This company ends up with a greater break-even value, due to the higher fixed expenses. So, at €15,000 units company "First" breaks-even, but "Second" is making loss. Finally, company "Third" has spent large amount in buying latest machinery and building plants (resulting to a fixed costs of €60,000). Its production is fully automated and fewer workers are needed. As a result variable expenses rise (according to production's increase) at a very low rate. Break-even value for company "Third" is higher than the one that "Second" experiences. But, beyond this point its profits highly in-

Page 132: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

117

crease at each level of rising sales. This is a useful information for its Marketing Departement and generally for its management when it prepares company's price-list.

We took the selling price (€4) for granted, but what will happen if company "Third" decides to increase its market share by cutting the selling price? The fol­lowing table gives us the answer:

Selling Price: €4

Total Cost (€)

Units Sold

Cost per unit (€)

First

430,000

200,000

2.15

Second

350,000

200,000

1.75

Third

260,000

200,000

1.30

Company "First"

Selling Price: €4

Fixed Expense: €30,000

Variable Cost (per unit): €2

Items Sold

10,000

15,000 50,000 60,000 100,000

Sales (€) 40,000

60,000 200,000 240,000 400,000

Total Cost (€)

50,000

60,000 130,000 150,000 230,000

Profit (€)

(10,000)

0 70,000 90,000 170,000

Page 133: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

118

220,000

200,000

180,000

160,000

140,000

o 120,000

111 100,000

80,000

60,000

40,000

20,000

0 0 5,000 10,000 15,000 20,000 25,000 30,000 35,000 40,000 45,000 50,000 55,000

Items Sold

Diagram 7.5: Break-Even Point Graph, Company "First"

Company "Second"

Selling Price: €4

Fixed Expense: €50,000

Variable Cost (per unit): €1.5

Items Sold

10,000

20,000

50,000

60,000

100,000

Sales (€)

40,000

80,000

200,000

240,000

400,000

Total Cost (€)

65,000

80,000

125,000

140,000

200,000

Profit (€)

(25,000)

0

75,000

100,000

200,000

Page 134: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

119

220,000 200,000 180,000 160,000 140,000

o 120,000 il 100,000

80,000 60,000 40,000 20,000

0 5,000 10,000 15,000 20,000 25,000 30,000 35,000 40,000 45,000 50,000 55,000

Items Sold

Diagram 7. 6: Break-Even Point Graph, Company "Second"

Company "Third"

Selling Price: €4

Fixed Expense: €60,000

Variable Cost (per unit): €1

Items Sold 10,000 20,000 50,000 60,000 100,000

Sales (€) 40,000 80,000

200,000 240,000 400,000

Total Cost (€) 70,000 80,000 110,000 120,000 160,000

Profit (€) (30,000)

0 90,000 120,000 240,000

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120

5.000 10.000 15.000 20.000 25.000 30.000 35.000 40.000 45.000 50.000 55.000

Items Sold

Diagram 7.7: Break-Even Point Graph, Company "Third"

When there is mass production (200,000 units) total cost per unit for company "Third" is €1.30, which gives a significant cost advantage against competitors "First" and "Second". In this case, company "Third" can lower the selling price and offer its products at the price of €2. This price knocks out of competition company "First", while company "Second" makes marginal profits. It is, therefore, obvious that there is an interaction between investment in fixed assets, variable costs and invoicing.

Operating leverage relates sales (in volume) with operational earnings. Mathemati­cally, it can be defined as the ratio of percentage change in operating earnings to percentage change in sales (or units sold).

Degree of Operating Leverage = %AX

%AQ

X = Profits,

AX = Change in profits

Q = Sales (volume)

AQ = Changes in sold items

Page 136: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

121

Applying the above formula to companies "First" and "Second" and for sales vol­ume 60,000 units (from 50,000 units) we find out that operating level is 1.43 and 1.65 respectively. The meaning is that if company "Second" sells 10% more prod­ucts, its profits will raise by 16.5%, while if company "First" experiences same rise in sales, it will end up with a 14.3% growth in its profits. So, earnings of com­pany "Second" are more sensitive to changes in the volume of items' sold than earnings of company "First". In other words, the larger the degree of operating leverage, the greater the profits' volatility.

Consequently, a high degree of operating leverage implies that an aggressive price policy (a situafion where products' prices decrease in the expectation of relatively higher increase in units sold) may lead to an important rise of profits, especially if the subject market is sensitive to products prices (e.g. pharmaceuticals).

1.6 Discounts and Promotions

A common question when deciding marketing strategies is "Should we offer a discount?". The answer to this question is far beyond simple and straightforward. It involves the examination of many factors such as the competition, the elasticity of demand etc. One can use break-even analysis to answer the above question from a pure cost and profit perspective. If the discount offer is made with a final objec­tive to increase profit through an increase in sales volume, caution should be exer­cised on the fact that the expected increase in sales (incremental sales) will be adequate to make up for the "lost" profit from the discount offer.

To illustrate, let us assume that the owner of a cinema in Alicante, Spain wants to increase the number of customers in August. His records indicate that his 500-seat hall, is typically less than 30 percent full during August (the lowest tickets sales among the twelve months of the year). He wants to increase the number of ticket sold beyond the average of 150 per day for that month (500 seats x 30%). In order to achieve that, he decides to offer a 20 percent discount to everyone who buys tickets during that month. To promote his offer his will run advertisements in a newspaper at a cost of €1000.

If the selling price, without the discount offer, is €10 and the variable cost per person is €2, how many additional customers must he generate in August through this promotion in order to break-even on the total expenses related to the promo­tion and the discount offer?

We can answer the above question by applying the break-even analysis. In particu­lar, we should first estimate the total expenses related to the promotion and the discount offer (fixed costs). In this case, we have obvious costs of €1000 (adver­tisement) and a "hidden" cost. This "hidden" cost reflects the lost profit from the discount offer.

Page 137: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

122

This is calculated as follows:

500 seats x 30% average ticket sales for August = 150 tickets per day

Lost profit per customer €10 x 20% discount = €2 per customer

Total Lost profit for August: 150 tickets x €2 x 31 days = €9,300

^ ^ ^ €9300 + €1000 €10300 , ^ , ^ , . , , , ^^ ^ , B.E.P.(tickets) = = = 1,717 tickets (approx. 56 per day)

€8—€2 €6 Approximately 56 more tickets must be sold per day in August to cover the total cost of the promotion (advertisement and discount). In other words, 206 tickets must be sold on average per day to have the same profit as at the level of 150 tick­ets before the promotion. This represents an increase of 37.3 percent. The owner of the cinema can use this figure as an additional tool to decide whether this is a good idea or not. He might believe that a 20 percent discount might not be enough to attract 37 percent more customers (without any additional profit) and therefore reconsider his decision. On the other hand, he might believe that if he can break even on the cost of the promotion, the additional customers will generate more sales for the kiosk from buying pop-corn, drinks etc.

1.7 Conclusion

Break-even analysis is useful as a first step in developing financial applications, which can be used in invoicing and budgeting. The main purpose of this analysis is to have some idea of how much to sell, before a profit will be made. Break-even analysis is extremely important before starting a new business (or launching a new product) because it gives answers to crucial questions such as "how sensitive is the profit of the business to decreases in sales or increases in costs". This analysis can be also extended to early stage business in order to determine how accurate the first predictions were and monitor whether the firm is on the right path (the one that leads to profits) or not. Even, mature business must take into consideration their current B.E.P. and find ways to lower that benchmark in order to increase profits.

Owners and managers are constantly faced with decisions about selling prices and cost control (recent massive layoffs at large multinational corporations are directed at this target, lowering the B.E.P. and increasing profits). Unless they can make reasonably accurate predictions about the price and cost charges, their decisions may yield undesirable results. These decisions are both short term (hiring new employees or subcontracting out work) and long term (purchasing plants / machin­ery).

Page 138: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

123

2 Measures of Performance

Different marketing strategies lead to different levels of performance. It is there­fore essential to define how performance can be measured. In this section, we discuss common tools for assessing the efficiency and effectiveness of marketing strategies. The evaluation of strategic marketing decisions requires the combined used of a variety of instruments that measure performance. It must be clearly un­derstood that there is no such thing as a single, fit-to-all, methodology to measure performance. Each company should develop its own set of tools and a system that will be able to serve the needs and the objectives of the nature of the business. It is for the management to decide what parameters to control beyond the generally applied parameters such as sales, costs and profits.

2.1 Measures of Financial Performance, Competitiveness and Sales Force Efficiency

Return on Investment (ROI)

A common method of evaluating a company's efficiency is by assessing the return on investment. ROI measures how efficiently companies utilize resources. Owners and investors provide financial resources to companies and want to know how efficiently companies employ these resources. If the rate of return that investors receive is lower than the one they consider acceptable (considering also the risk of the particular investment) they may decide to find alternative investment opportu-nifies.

In order to estimate ROI we simply need to divide annual return (or profit) that the investment generates by the average amount invested throughout the period that the return was generated (the accounting year):

^T. ,x Return Return on Investment (ROI) Average Amount Invested

This return is usually expressed as a percentage by multiplying the result of the above ratio with a hundred. The ROI ratio is used to evaluate the profitability of a business or a specific investment opportunity.

If ROI is unsafisfactory this may be because profit on sales is inadequate or it may be that while profit margins on sales are satisfactory the actual sales volume is too low in relation to the capital employed.

Return On Assets (ROA)

The return on assets ratio is used to measure how effectively the management

Page 139: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

124

utilized available assets. In order to calculate ROA we need to divide Operating Income by Average Total Assets. It is suggested that Operating Income is used instead of Net Income since interest expense and income taxes are determined by factors other than the manner in which assets are used:

r> ^ A ^ m^Ax Operating Income Return on Assets (ROA) =-Average Total Assets

The result of the ROA ratio should be compared with the company's cost of bor­rowing. A business should be able to earn a return on assets that is higher than the company's cost of borrowing:

r» ^ A>r • /o/^ NetIncome __ Profit Margm (%) = x 100

Sales The profit margin ratio examines the relationship between sales and profits. Gen­erally, low margins indicate poor performance but may be set by the management to increase market share or may be caused by expansion costs (new product launching). Therefore, this ratio must be used together with the market share (in volume) ratio to examine whether the lower price brought about higher market share in volume. High margins indicate good performance but may mean that the company will attract competition. The ratio can also be used to calculate the profit margin by product.

The following ratios might also be relevant for a particular business:

o ^^ c 1 Net Income Profit per Employee =: Number of Employees

^ ^^ Net Income Profit per square meter =-Total square meters

Sales per Employee =: Number of Employees

^ ^ . Current Assets Current Ratio =-Current Liabilities

Page 140: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

125

The current ratio measures the ability of a company to cover its short-term liabili­ties. A ratio of 1:1 indicates that current assets are just enough to cover the current liabilities of the company. Liquidity is important because future marketing strate­gies are usually based on current and future levels of liquidity. For example, the decision to provide discounts or to expand the free credit period to customers clearly depends on the company's liquidity. A rule of thumb is that the ratio should be between 1 and 1.5 but one should always remember that this varies significantly from industry to industry.

Quick Ratio

Current Assets - Inventories Quick Ratio =-

Current Liabilities

The quick ratio is a better measure of liquidity since for the measurement of cur­rent assets one considers only those of good quality. The word quality here is used to define how easily (quickly and at the lowest possible cost) a current asset can be converted into cash. Due to the fact that inventories may remain in the business for a period longer than a year it is reasonable to exclude them from current asset ratio (e.g obsolete stock). The new ratio arising provides a more accurate estimate of liquidity. The most informative feature is the trend of this ratio from year to year.

Market Share

The market share ratio is the key tool to compare a company with the competition. The market share ratio can be calculated both in terms of value and in terms of volume. A company may have market share by value that is the highest in the market and on the other hand, a market share by volume, that is not the highest. This would clearly mean that the company is pricing its products (on average) higher than the competition. A company would like to see its market share increase over time. It is important, however, to analyse how an increase in market share is achieved (cutting prices, increased marketing expenses etc) and if this increase in turn has a positive impact on profitability:

^, , ^, . t X Sales Revenue of the Company ,^^ Market Share (value) = ^ -^ - x 100

Sales Revenue of the Market

Units Sold by the Company Market Share (volume) = — x 100

Unit Sold by all Companies in the Market

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126

Relative Market Share

Another useful way to measure market share is by comparing company's market share with its largest competitor:

T 1 • x^ 1 oi Market Share of the Company ,^^ Relative Market Share = ^-^ x 100

Market Share of the Largest Competitor

Percentage Sales from New Product

This ratio measures the contribution of new product to total sales:

_ ^ o 1 ii. XT n J . New Product Sales Revenue ,__ Percentage Sales from New Products = x 100

Total Sales Revenue

Marketing Expenses to Sales Ratio

The result of the marketing expenses to sales ratio should be compared with the budgeted ratio in order to see if total expenses deviate outside the accepted limits. If expenses are much beyond those budgeted, the reasons should be investigated and corrective action should be taken:

^^ , . ^ o 1 T. • TotalMarketmgExpenses Marketmg Expenses to Sales Ratio = —

Sales Revenue

A practical way to expand our analysis using this ratio is to beak down total mar­keting expenses into different expense areas such as promotional expenses, market research expenses, etc. and compare these individual cost areas with the sales.

Strike Rate

This ratio indicates the numbers of quotations that are turned into orders:

^ ., ^ Number of Orders Strike Rate =-Number of Quotations

Page 142: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

127

Other Considerations

Individual ratios only give information about one aspect of the business, whereas several ratios analysed and interpreted jointly yield a more comprehensive picture about the business. A ratio is just a number and therefore it does not directly show favorable or unfavorable results. It needs to be compared with some standard in order to have a meaning. Usually, comparisons are made against industry average (not always useful because of different operating conditions) or the direct competi­tor, but it can be hard to get company results from previous periods. While meas­uring performance against specific standards the management should also deter­mine what are the permissable deviations from these standards. The final step in the control process is the implementation of action programmes designed to cor­rect any deviations from standards.

2.2 PIMS (Profit Impact of Marketing Strategies)

The PIMS is a research programme designed to measure the relationship between strategic actions and business results. The project was developed at the General Electric Co. (mid-1960s) and expanded upon at the Management Science Institute at Harvard in the early 1970s. Since 1975 the PIMS research programme is operat­ing at the Strategic Planning Institute.

PIMS is a decision-support tool. The purpose of the research is to help practitio­ners, academics, and students to learn from statistically documented experiences by providing insights on the impact of different business actions on different busi­ness environments. An individual can obtain information about profitability, ROI, market share, market growth, marketing budgets etc.

The PIMS research programme consists of over 3,000 businesses which are pri­marily located in the US, Canada and Western Europe. Companies such as, British Petroleum, Hewlett Packard, Motorola, Chase Manhattan Bank which contribute their business experiences to the PIMS database. The database covers characteris­tics of the market environment, the competition, the strategy pursued by each busi­ness and the results obtained. A number of different products and markets are included in the data base such as consumer durables and non-durables; high tech­nology, raw materials, components and suppliers; and services.

The PIMS unit of analysis is the Strategic Business Unit (SBU). According to the PIMS definition, a business unit is a division, product line, or other profit center within its parent company. The PIMS database has financial, strategic, competi­tive, and background data on each business unit. The programme uses approxi­mately 500 variables to describe a business.

The PIMS database can answer questions such as:

• What level of ROI is expected for a certain type of business?

• What would be the ROI if we invest in automation to reduce manufactur­ing cots?

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128

• What level of market share gain/loss is expected for a business?

• What level of marketing expenses is expected for a business?

The limitations of PIMS data are:

• Data describes business units, not companies.

• The database provides statistical summaries, not individual records.

• There are eight broad categories for a type of business; there is no data identifying the industry of the business.

• PIMS cases contain annual data, typically tracking a business over 4-6 years

To summarise we can say that the PIMS project has a multidimensional role. It is a data pool of business strategies, a source of business strategy principles derived through experience and finally a tool that helps us to evaluate business perform­ance and identify business problems and opportunities.

Page 144: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

129

Bibliography

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Buzeell R., and Gale B. (1987): The PIMS Principles: Linking Strategy to Performance. New York: The Free Press

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Lancaster G., and Massingham L. (2001): Marketing Management. Berkshire: McGraw-Hill Publishing Company.

Ross S., Westerfield R., and Jaffe J. (2002): Corporate Finance. New York: McGraw-Hill Publishing Company.

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Weston F., and Brigham E. (1986): Basic Principles of Financial Management and Strat­egy. Athens: Papazisi Publishing Company.

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Kapitel 8 Balanced Scorecard

Sascha Gotte

1 Einleitung

Ein wesentlicher Anwendungsbereich der Balanced Scorecard liegt neben der Strategieimplementierung besonders auch im Controlling. Die Balanced Scorecard ist fiir das Marketing-Controlling zu einem wichtigen Instrument geworden und wird heute von einer Vielzahl von Untemehmen aller Branchen und Untemeh-mensgroBen erfolgreich angewendet.

Das Konzept der Balanced Scorecard wurde Anfang der neunziger Jahre des ver-gangenen Jahrhunderts vom Havard-Professor Robert S. Kaplan und David P. Norton, dem Geschaftsfuhrer des Beratungsuntemehmens Nolan Norton, in Zu-sammenarbeit mit amerikanischen GroBuntemehmen entwickelt. Seither hat es in der Untemehmenspraxis groBe Anerkennung gefiinden.

Ausgangspunkt der Uberlegungen war die Kritik an der starken finanziell- und vergangenheitsorientierten Ausrichtung US-amerikanischer Managementsysteme. Zur besseren Beurteilung der Untemehmenswertschopfung sollte die einseitige monetare Orientierung relativiert und um ein ausgewogenes Set an geeigneten finanziellen und nicht finanziellen Messgr56en erweitert werden (Horvath & Part­ners 2004, S. 2). Die traditionellen finanziellen Kennzahlen werden dabei um eine Kunden-, eine interne Prozess- und eine Lem- und Entwicklungsperspektive er-ganzt; an die Seite vergangenheitsorientierter Ergebniskennzahlen treten zukunfts-orientierte Leistungskennzahlen. Die Ausgewogenheit (Balance) des Scorecard Ansatzes bezieht sich dabei auf die Berucksichtigung von kurz- und langfristigen Zielen, monetaren und nicht monetaren Kennzahlen, Spat- und Fruhindikatoren und extemen und intemen Perspektiven (Kaplan/Norton 1997, S. VII).

Das groBe Interesse, dass dem Konzept der Balanced Scorecard entgegengebracht wurde, liegt in einer Reihe von Managementproblemen begrundet.

Das turbulente und dynamische Untemehmensumfeld erfordert eine schnelle und effektive Implementierung der vom Top-Management erarbeiteten Strategien. Gerade hier bestehen aber erhebliche Defizite, da die Umsetzung vager strate-gischer Aussagen in konkrete und messbare Zielformulierungen und MaBnahmen erhebliche Schwierigkeiten bereitet, die ausgearbeiteten Strategien im Untemeh­men den Mitarbeitem kaum verstandlich kommuniziert werden konnen, wodurch kein gemeinsames Strategieverstandnis im Untemehmen entstehen kann, und das vielfach fehlende bereichsiibergreifende Denken die erforderliche gemeinsame

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132

Strategierealisierung verhindert (Horvath & Partners 2004, S. 18).

Die traditionell rechnungswesenorientierte Berichterstattung mit einer, gerade auch im deutschen Sprachraum ausgepragten Dominanz finanzieller SteuerungsgroBen berucksichtigt nur unzureichend die im heutigen Informationszeitalter erforderlich werdenden immateriellen und intellektuellen Vermogenswerte, wie zum Beispiel Innovations-, Prozess- und Kooperationsfahigkeit, Mitarbeiter-Know-how, -moti­vation und -flexibilitat sowie Kundenzufriedenheit und -treue (Kaplan/ Norton 1997, S. 7).

Der groBe Zeit- und Ressourcenbedarf bei der strategischen und operativen Pla-nung wird zunehmend unvereinbar mit der im Wettbewerb erforderlichen hohen Reaktionsfahigkeit (Horvath & Partners 2004, S. 19 f.).

SchlielJlich besteht ein weiteres Problem fiir die Untemehmen darin, geeignete Anreizsysteme zu etablieren, in deren Rahmen die Erreichung objektiv messbarer Individualziele mit den Bonus-Vergiitungen verkntipft ist. Da sich hier in der Re-gel kurzfristige Umsatz- und Deckungsbeitragssteigerungen oder Kostensenkungen anbieten (Horvath & Partners 2004, S. 25), werden nachhaltig wirkende, nicht fmanzielle Grofien meist vemachlassigt.

Mit dem vorliegenden Beitrag wird das Ziel verfolgt, das Konzept der Balanced Scorecard als strategisches Managementsystem und seine Bedeutung fiir die Stra-tegieentwicklung, -implementierung und vor allem -kontrolle aus Marketingsicht darzustellen. Die vier von Kaplan/Norton vorgeschlagenen Perspektiven werden beleuchtet und die Bedeutung der Etablierung von Ursache-ZWirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Kennzahlen herausgearbeitet. Abschliefiend werden Anre-gungen zur Vorgehensweise bei der Einfiihrung einer Balanced Scorecard im Un­temehmen gegeben.

2 Balanced Scorecard als strategisches Managementsystem

Die Balanced Scorecard untersttitzt den strategischen Fuhrungsprozess im Unter-nehmen und dient als sein Handlungsrahmen (Schaffer 2001, S. 477). Damit wer­den die Phasen der Strategieentwicklung, -umsetzung und -kontrolle untersttitzt.

Wegen der vorhandenen erheblichen Wissensdefizite erfolgt die Strategieent­wicklung selektiv, wobei haufig weniger das implizite Wissen, als das intuitive GespUr der Beteiligten dominiert. An dieser Stelle liegt das Potenzial der Balanced Scorecard, da bei Ihrer Anwendung das implizite Wissen dem kritischen Diskurs im Team ausgesetzt wird. Das Ziel der Erarbeitung einer prazisen und umsetzbaren Untemehmensstrategie wird somit im Konsens erreicht (Schaffer 2001, S. 478).

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Von ungleich groBerer Bedeutung ist die Balanced Scorecard jedoch fiir die Phase der Strategieimplementierung (Kaplan/Norton 1997, S. 23), denn gerade in dieser Phase sind vielfach erhebliche Defizite feststellbar. So sind Visionen und Strate-gien oftmals wenig konkret formuliert und damit in der Praxis nur schwer umsetz-bar und im Anschluss kaum objektiv uberprujbar (Horvath & Partners 2004, S. 24). Die Zielvorgaben der Abteilungen, Teams und Mitarbeiter, aber auch die Ressourcenplanungen, sind in der Kegel mit den Untemehmenszielen nicht ver-kniipft und strategisches Feedback kommt meist zu kurz (Weber/ Schaffer 1999, S. 14). Hier erm5glicht der Einsatz der Balanced Scorecard die Etablierung eines untemehmensweit iiber fiinktionale und hierarchische Grenzen hinweg gleichen Verstandnisses und die Ausrichtung aller auf die in der Scorecard verwendeten Kennzahlen, die von der Untemehmensebene stufenweise bis zum einzelnen Mit­arbeiter heruntergebrochen werden. Die Scorecard wird damit zur Basis fur ein gemeinsames Engagement aller Mitarbeiter, da jeder Einzelne erkennen kann, wie seine individuellen Handlungen zur Zielerreichung beitragen (Niven 2003, S. 286 ff.). Die Verkniipfung der Balanced Scorecard mit dem VergUtungssystem beant-wortet dariiber hinaus die schon seit langem gestellte Forderung nach einem strate-giegerechten Anreizsystem (Schaffer 2001, S. 480).

SchlieBlich soil die Balanced Scorecard auch den strategische Kontrollprozess unterstutzen. Hierbei geht es primer um eine durch regelmafiiges Feedback ermog-lichte Anpassung der Strategic im Sinne einer Durchflihrungskontrolle. Genau an diesem Punkt ist das Instrument der Balanced Scorecard aber Kritik ausgesetzt, da die Neigung zum regelmaBigen Infragestellen eigener Arbeitsergebnisse ublicher-weise eher als gering anzusehen ist (Weber/ Schaffer 1999, S. 482). Dem-gegeniiber ist jedoch als positiv festzuhalten, dass durch die Erganzung der fman-ziellen Perspektive um nicht finanzielle Aspekte die strategische Kontrolle auf eine wesentlich breitere Basis gestellt wird.

3 Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard

Kaplan/Norton schlagen im Konzept der Balanced Scorecard neben der fman-ziellen drei weitere Perspektiven vor, die zur Umsetzung der Vision und Strategic gleichermaBen beitragen: eine Kunden-, eine interne Prozess- und eine Lem- und Entwicklungsperspektive (vgl. Abbildung 8.1).

Die Wichtigkeit der Finanzen steht sicherlich auBer Frage, Gewinn kann nur mit Kunden erzielt werden, denen Produkte und Dienstleistungen durch optimale in­terne Geschaftsprozesse angeboten werden konnen, fur deren Erstellung wiederum Mitarbeiter erforderlich sind (Schaffer 2001, S. 468). Fiir jede Perspektive sind strategische Ziele zu formulieren, fur die dann jeweils Kennzahlen mit konkreten Zielwerten und den hierzu erforderlichen strategischen MaBnahmen festzulegen sind (Hungenberg 2000, S. 204).

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^

Kunden: Welche Anforderungen stellen unsere Kunden an uns?

^

Finanzen: Welche finanziellen Erwartungen haben unsere Teilhaber?

Vision und Strategic

T

ILernen & Entwicklung: Wie konnen wir lernen und unsere Innovations -fahigkeit verbessern?

^

Interne Prozesse: In welchen Geschafts-prozessen mussen wir die besten sein?

J Abb. 8.1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard

Quelle: in Anlehnung an Kaplan/Norton 1997, S. 9

Die vier Perspektiven basieren auf Empfehlungen von Kaplan und Norton, die jedoch nicht ausschlieCen, dass die individuelle Untemehmenssituation durchaus eine Variation der vorgeschlagenen Perspektiven erforderlich machen kann (Kap­lan/Norton 1997, S. 33).

Im Folgenden soUen die Perspektiven einzeln vorgestellt werden, wobei jeweils mogliche strategische Ziele vorgeschlagen werden, bevor dann im folgenden Ab-schnitt auf die Verkntipfung der Perspektiven durch die Ermittlung von Ursache-/Wirkungsbeziehungen eingegangen wird.

Finanzperspektive:

Die Finanzperspektive stellt dar, inwieweit das Untemehmen den finanziellen Erwartungen der Teilhaber in Bezug auf Wachstum, Rentabilitat und Wertsteige-rung nachhaltig entspricht (Niven 2004, S. 164). Die finanziellen Ziele nehmen dabei eine Doppelrolle ein, da sie einerseits die Finanzergebnisse defmieren, die das Untemehmen mit der Umsetzung seiner Strategie erreichen will, und anderer-seits die finanziellen Auswirkungen der Ziele der anderen Perspektiven wiederge-ben.

Bei der Auswahl der finanziellen Ziele ist die aktuelle Lebenszyklusphase zu be-riicksichtigen, da sich unterschiedliche Schwerpunkte ergeben, je nachdem, ob sich eine Geschaftseinheit in einer Wachstums-, Reife- oder Emtephase befindet (Kap­lan/Norton 1997, S. 47). Die Wachstumsphase zeichnet sich dabei durch hohe Aufwendungen bei meist negativem Cashflow aus, so dass sich hier als strategi-sches Ziel etwa ein Umsatzwachstum anbietet. Geschaftseinheiten in der Reifepha-se haben dagegen eine gute Marktposition, die weiter ausgebaut oder zumindest

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gehalten werden soil. In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf der Erzielung einer hohen Rendite. In der Emtephase sollen dagegen die vorhandenen Potenziale genutzt werden; das Hauptziel liegt in der Maximierung des Cashflows.

Folgende Ziele konnen beispielhaft fur die Finanzperspektive genannt werden (Horvath & Partners 2004, S. 54):

• Umsatze steigem,

• Kosten senken,

• Gewinn verbessem,

• Cashflow steigem,

• Eigenkapitalrendite erhohen,

• Fremdkapitalanteil reduzieren,

• Bonitat erhohen und

• Shareholder Value erh5hen.

Kundenperspektive:

In der Kundenperspektive identifiziert das Untemehmen strategische Ziele, die den Marktauftritt und die Marktpositionierung betreffen. In diesem Zusammenhang ist zu klaren, welche Kunden schwerpunktmaBig bedient sollen und welcher Nutzen ihnen dabei anzubieten ist (Horvath & Partners 2004, S. 45).

Die Kemzielsetzungen in Bezug auf Marktanteil, Kundentreue, Kundenakqui-sition, Kundenzufriedenheit und Kundenrentabilitat sind fur alle Untemehmen von hoher Bedeutung (Kaplan/Norton 1997, S. 66). Daneben ist jedoch die Frage indi-viduell zu beantworten, was ein Untemehmen seinen Kunden bieten muss, um diese Kemzielsetzungen auch erreichen zu konnen. Die drei wesentlichen Bereiche betreffen die Produkt-ZServiceeigenschaften in Bezug auf die Funktionalitat, den Preis und die Qualitat, die Kundenbeziehungen hinsichtlich Qualitat der Kaufer-fahmng und personlicher Beziehungen sowie das Image und die Reputation (We-ber/Schaffer 1999, S. 9). Bei der Zielformuliemng ist besonders darauf zu achten, dass eine Zielerreichung auch positive Auswirkungen auf die Rentabilitat des eige-nen und optimalerweise auch auf die des abnehmenden Untemehmen hat (Kohlof-fel 2000, S. 52). Die folgenden Ziele finden haufig Anwendung in der Kundenper­spektive (Horvath & Partner 2004, S. 55):

• Marktanteil erhohen,

• Kundenbindung steigem,

• Neue GroBkunden akquirieren,

• Produktqualitat erhOhen,

• Kundenservice verbessem und

• Image als Innovationsfuhrer etablieren.

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Interne Prozessperspektive:

In der Prozessperspektive soUte sich das anbietende Untemehmen auf diejenigen Geschaftsprozesse fokussieren, die eine strategische Bedeutung fiir die Kunden-und Finanzperspektive haben. Entlang der Wertschopfungskette sind hier der In­novations-, der Betriebs- und der Kundendienstprozess von besonderer Bedeutung (vgl. Abbildung 8.2).

Kunden-wunsch identi-fiziert

Innovation

^Markt- \Produkt-> identifi- ) ent-

^zierung /wicklung

Betrieb Kunden-

dienst

, ProduktX Produkt-\\ her- y aus- )

' stellung /lieferung// Service

Kunden-wunsch befrie-

digt

Abb. 8.2: Generische Wertschopfungskette Quelle: in Anlehnung an Kaplan/ Norton 1997, S. 93

Im Rahmen des Innovationsprozesses erforscht das Untemehmen die aktuellen und zukiinftigen Markt- und Kundenbediirfhisse und entwickelt die neuen Produkte. Diese werden dann im Betriebsprozess hergestellt und an die Abnehmer ausgelie-fert. Der abschlieBende Kundenserviceprozess beinhaltet alle Serviceleistungen fiir den Kunden nach Abschluss des eigentlichen Kaufes (Schaffer 2001, S. 474).

Hinsichtlich der Prozessperspektive sind haufig folgende Ziele anzutreffen (Horvath & Partner 2004, S. 56):

• Produktideenanzahl erhohen,

• Produktentwicklungszeiten verktirzen,

• Umsatzanteil innovativer Produkte erhohen,

• Produktionskapazitat erhohen,

• Durchlaufzeiten verringem,

• Ausschuss reduzieren,

• Nacharbeitsrate verringem,

• Liefertermintreue verbessem und

• Servicequalitat erhohen.

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Lern- und Entwicklungsperspektive:

Die vierte Phase fbrdert die lemende Organisation und schafft damit die zur Errei-chung der Ziele der anderen Perspektiven strategisch benotigte Infrastruktur. Er-forderliche Ressourcen hierfur sind u.a. Mitarbeiter, Wissen, Kreativitat, Innovati­on, Technologie, Information und Informationssysteme. Von hoher Relevanz flir die Zielformulierung sind dabei neben der InnovationsfShigkeit besonders die Mitarbeiterzufriedenheit, -produktivitat sowie die Personaltreue (Kaplan/Norton 1997, S. 123). Hinsichtlich der Umsetzung der formulierten Ziele ist es erforder-lich, dass die Mitarbeiter tiber die hierzu erforderliche Fach- und Handlungskom-petenzen verfugen. Sollten diese nicht hinreichend vorhanden sein, gilt es, diese Fahigkeiten zeitnah aufzubauen (Horvath & Partners 2004, S. 57)

Von alien vier Perspektiven erscheint die Formulierung konkreter Ziele fiir die Lern- und Entwicklungsperspektive am schwierigsten. Dieses darf jedoch keines-falls dazu fuhren, diese Perspektive zu vemachlassigen (Schaffer 2001, S. 476). Die folgenden Ziele sind hierfur in der Praxis anzutreffen (Kaplan/ Norton 1997, S. 121 ff.):

• Mitarbeiterzufriedenheit steigem,

Mitarbeiterkompetenzen verbessem,

• Kenntnis eigener Produkte erhohen,

• Abwesenheitszeiten reduzieren,

Mitarbeiterproduktivitat steigem,

• Umsetzungsquote der Verbesserungsvorschlage erhohen und

• Mitarbeiterfluktuationsrate reduzieren.

4 Ursache-AVirkungszusammenhange

Die Balanced Scorecard ist nicht nur eine bloBe Sammlung von strategischen Zie-len mit Zielvorgaben und entsprechend hinterlegten MaBnahmen, sondem sie soil die Beziehungen zwischen den Zielen der einzelnen Perspektiven verdeutlichen. Diese Ursache-ZWirkungsbeziehungen konnen als Reihe von Wenn-Dann-Aussagen ausgedriickt werden, wobei jede dieser Kausalketten eine Verknupfung mit einem Ziel oder mehreren Zielen aus der fmanziellen Perspektive aufsveisen muss (Kaplan/Norton 1997, S. 28 und 143 ff.). Diese Verkniipfung mit den fi-nanzwirtschaftlichen Zielen macht deutlich, dass alle Ziele, Programme und Initia-tiven im Untemehmen die Erreichung des monetaren Oberzieles unterstiitzen soil-ten (Weber/Schaffer 1999, S. 7). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Ursache-ZWirkungsketten keine algorithmische Logik darstellen. Die Ziele und die damit verbundenen Kennzahlen sind zwar logisch kausal, aber nicht unbedingt rechnerisch kausal miteinander verkniipft. Wird ein Zielwert verandert, iSsst sich

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in der Kegel nicht genau vorhersagen, wie hierdurch die anderen Werte des Ziel-systems beeinflusst werden (Horvath & Partners 2004, S. 62).

Das Prinzip der Ursache-ZWirkungsbeziehungen soil an einem einfachen Beispiel erlautert werden. Der Ausgangspunkt der in Abbildung 3 dargestellten Kausalkette liegt in der Lem- und Entwicklungsperspektive: So hat eine Verbesserung des Ausbildungsstandes der Mitarbeiter zum Einen eine Erhohung der Mitar-beitermotivation zur Folge. Zum Anderen wirkt sich eine verbesserte Ausbildung, beispielsweise hinsichtlich der Kenntnis der angebotenen Produkte, auch auf die Kundenperspektive aus, da eine damit einhergehende bessere Kundenbetreuung deren Zufriedenheit erhoht und hiertiber der Marktanteil des Untemehmens zu-nimmt. Die erh5hte Mitarbeitermotivation fuhrt zusammen mit einer verbesserten Qualitat der Fertigungsanlagen zu einer verringerten Fehlerquote in der Pro-zessperspektive. Eine niedrigere Fehlerquote wirkt sich positiv auf die Gesamtkos-ten aus. Die geringeren Kosten fiihren in Verbindung mit einem durch den erhoh-ten Marktanteil ansteigenden Umsatz zu einer Erhohung des Return on Investment (Rol).

Lernen und Entwicklung:

Interne Prozesse: Kunden: Finanzen:

Abb. 8.3: Ursache-ZWirkungsbeziehungen Quelle: in Anlehnung an BeaZHaas 2001, S. 192

5 Einfiihrung der Balanced Scorecard in der Unternehmenspraxis

Zur erfolgreichen Einfiihrung der Balanced Scorecard im Untemehmen ist eine phasenweise Vorgehensweise zu empfehlen, da es um deutlich mehr geht, als um die bloBe Definition von strategischen Ziele, Kennzahlen, Zielwerten und Mal3-nahmen. Im Folgenden werden die fflnf Phasen des in Abbildung 8.4 dargestellten

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Modells zur Implementierung der Balanced Scorecard von Horvath & Partners beschrieben.

Phase 1:

\Organisato-\ rischen / Rahmen

/schaffen

Phase 2: Phase 3: Phase 4:

\ \strategischevv Balanced \ \ yyGrundlagenyy Scorecard y

/ /k laren / / e n t w i c k e l n / /

Phase 5:

\\Xontinuier-Roll-out V \ lichen managen // Einsatz

//sichersteller

Abb. 8. 4: Modell zur Implementierung der Balanced Scorecard Quelle: in Anlehnung an Horvath & Partners 2004, S. 82

Phase 1: Organisatorischen Rahmen schaffen

Der organisatorische Rahmen beinhaltet die Festlegungen zur konzeptionellen Architektur und zum Projektmanagement.

Die konzeptionellen Regeln legen fest, welche Perspektiven fiir die Balanced Sco­recard im Untemehmen zur Anwendung kommen, ob also die von Kaplan/ Norton empfohlenen oder individuell erarbeitete Perspektiven verwendet werden sollen (Horvath & Partners 2004, S. 83). Des weiteren ist zu entscheiden, wie die Score-card von der Gesamtuntemehmensebene auf die nachgeordneten Untemehmens-ebenen und Organisationseinheiten herunterzubrechen ist. Eine derartige Kaska-dierung ermoglicht eine von oben nach unten schliissig aufeinander abgestimmte Zielstruktur (Niven 2003, S. 271 ff.).

FUr die Einfflhrung der Balanced Scorecard ist ein wirkungsvoiles Projekt­management zu etablieren, welches die Projektorganisation, den Projektablauf und das Informations- und Kommunikationskonzept beinhaltet (Horvath & Partners 2004, S. 83 f.). Von entscheidender Bedeutung ftir den Erfolg des gesamten Pro-jektes ist das voile Commitment der gesamten Untemehmensfuhrung, die als Pro-jektsponsoren die Umsetzung in alien Untemehmensbereichen aktiv unterstUtzen und sicherstellen (Niven 2003, S. 76 ff.).

Phase 2: Strategische Grundlagen klaren

Die Voraussetzung ftir die erfolgreiche Implementierung der Untemehmens-strategie mittels der Balanced Scorecard ist die Durchfuhrung der strategischen Analyse, bestehend aus der Umwelt- und Untemehmensanalyse. Die damit ermit-telten Chancen, Risiken, Starken und Schwachen beeinflussen die Wahl der grund-satzlichen strategischen StoUrichtungen des Untemehmens. Im Top-Management des Untemehmens muss dabei voiles Einverstandnis uber die gewahlte Strategic bestehen (Horvath & Partners 2004, S. 85 f.).

Wahrend der Einfuhrungsphase der Balanced Scorecard konzentrieren sich die Bemuhungen meist darauf, eine bereits etablierte Strategic im Untemehmen zu

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implementieren. Erst in den Folgejahren erfolgt dann durch die Funktion der stra-tegischen Kontrolle ein Feedback zur Uberarbeitung beziehungsweise Aktualisie-rung der bisherigen Untemehmensstrategie (Horvath & Partners 2004, S. 88).

Phase 3: Balanced Scorecard entwickeln

Basierend auf dem organisatorischen Rahmen und den strategischen Grundlagen wird in dieser Phase die Balanced Scorecard erstellt.

Der Ausgangspunkt hierfur ist die Ableitung der entscheidenden Ziele fur jede Perspektive, von denen der Erfolg der Untemehmensstrategie nachhaltig abhangt (Horvath & Partners 2004, S. 89). Entsprechend dem Leitsatz „twenty is plenty" sollten nur maximal zwanzig Ziele formuliert werden, die ausgewogen auf die Perspektiven zu verteilen, das heisst etwa funf Ziele pro Perspektive, und mog-lichst konkret zu formulieren sind (Schaffer 2001, S. 487 und Horvath & Partners 2004, S. 53). FUr jedes Ziel ist eine kurze Erklarung zu entwickeln, die die spe-zielle Bedeutung des Zieles herausstellt und beschreibt. Hiermit wird zum Einen sicher gestellt, dass alle Projektmitarbeiter das Gleiche unter dem Ziel verstehen und zum Anderen konnen diese Erklarungen zur spSteren Kommunikation im Gesamtuntemehmen herangezogen werden (Niven 2003, S. 152 f.).

Im nachsten Schritt sind die Ursache-ZWirkungsbeziehungen zwischen den Zielen innerhalb der einzelnen Perspektiven sowie zwischen den Perspektiven zu ermit-teln, wobei auch an dieser Stelle eine Beschrankung auf einige wenige, wirklich relevante Beziehungen erforderlich ist (Schaffer 2001, S. 487).

AnschlieBend erfolgt die Identifikation geeigneter Kennzahlen fur jedes Ziel. Von groiJer Bedeutung ist hierbei, ob durch die jeweilige Kennzahl das Verhalten der Betroffenen in die strategisch gewunschte Richtung gelenkt wird. Des weiteren muss an der Kennzahl das Erreichen des entsprechenden Zieles ablesbar sein (Horvath & Partners 2004, S. 90).

Fur jede Kennzahl muss nun durch das Management ein geeigneter Zielwert, zum Beispiel auf Basis von Benchmarks, Ergebnissen aus Kunden- und Mitarbeiterbe-fragungen, Erfahrungswerten oder individuellen Einschatzungen, vorgegeben werden (Horvath & Partners 2004, S. 90). Diese Zielwerte sollten ehrgeizig, aber mussen auch realisierbar sein, weil ansonsten die Akzeptanz des ganzen Instru-mentes durch die betroffenen Mitarbeiter riskiert wird. Allerdings ist zu beriick-sichtigen, dass es nicht mehr darum geht, einzelne Ziele und Kennzahlen isoliert zu betrachten. So mogen Zielwerte fiir einzelne Kennzahlen fur sich betrachtet kaum erreichbar erscheinen, aber durch die Besonderheit der Balanced Scorecard, einzelne Kennzahlen in Kausalketten miteinander zu verbinden, werden uber-durchschnittliche Leistungen erreichbar (Kaplan/Norton 1997, S. 219).

AbschlieBend werden die strategischen Aktionen und Projekte ausgewahlt, die zur Erreichung der Zielwerte beitragen. Die MaBnahmen sollten prazise formuliert und mit eindeutigen Verantwortlichkeiten versehen werden. In diesem Zusammenhang mussen auch die bereits im Untemehmen laufenden Projekte daraufhin untersucht werden, inwieweit sie zur Erreichung der in der Balanced Scorecard formulierten Ziele beitragen. Diejenigen Projekte, ftr die das nicht oder nur bedingt zutrifft und

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die nicht aufgrund anderer Vorgaben zwingend erforderlich sind, sollten grund-satzlich in Frage gestellt und vorzeitig beendet werden, um die knappen Ressour-cen auf die strategisch wichtigen Projekte zu konzentrieren (Schaffer 2001, S. 489).

Phase 4: Roll-out managen

Diese Phase beinhaltet einerseits das Herunterbrechen der zuvor erstellten Balan­ced Scorecard auf nachgelagerte Organisationseinheiten und andererseits die Ab-stimmung der Scorecards der Bereiche auf gleicher Organisationsstufe, um die erfolgreiche Umsetzung der Strategie im ganzen Untemehmen zu gewahrleisten (Horvath & Partners 2004, S. 91 f und Niven 2003, S. 271 ff). Die Komplexitat und der Umfang des Projektes nehmen in dieser Phase erheblich zu. Eine reibungs-lose Einfuhrung erscheint dabei nur mit Hilfe von Multiplikatoren auf Basis klarer Vorgaben und standardisierter Methoden moglich. Die entsprechenden Supportab-teilungen, wie das Controlling und die Untemehmensentwicklung, miissen umfas-send in das Projekt einbezogen werden. SchlieBlich ist an dieser Stelle das gelebte Commitment des gesamten Top-Managements zwingend erforderlich (Horvath & Partners 2004, S. 268).

Phase 5: Kontinuierlichen Einsatz sicherstellen

Einen nachhaltigen Erfolg erzielt ein Untemehmen mit der Balanced Scorecard schlieBlich nur dann, wenn diese auf Dauer fest im Untemehmen verankert wird. Zur Einbindung in das Managementsystem ist es erforderlich, ein Controlling im Bezug auf die konsequente Umsetzung der Ziele und MaUnahmen zu etablieren, die Balanced Scorecard in das Berichtswesen zu integrieren und diese mit der strategischen und operativen Planung, dem Qualitats- und Risikomanagement sowie Mitarbeiteranreizsystemen eng zu verzahnen (Horvath & Partners 2004, S. 93).

6 Fazit

Bei der Balanced Scorecard handelt es sich um ein strategisches Management-system, welches eine sehr wertvoUe Untersttitzung bei der Entwicklung, Imple-mentierung und Kontrolle der Untemehmensstrategie darstellt. Die Balanced Sco­recard ist fur das Marketing-Controlling zu einem wichtigen Instmment geworden und wird heute von einer Vielzahl von Untemehmen aller Branchen und Unter-nehmensgroBen erfolgreich angewendet.

Das in diesem Beitrag vorgestellte Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur finanzielle Ziele Berucksichtigung finden, sondem diese durch die Perspekti-ven Kunden, Inteme Prozesse und Lemen & Entwicklung erganzt werden. Ausge-hend von der Untemehmensstrategie werden fur jede Perspektive strategische Ziele formuliert, die uber Ursache-ZWirkungsbeziehungen mit den Finanzzielen des Untemehmens verkntipft werden. Durch die Ableitung relevanter KenngroBen

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und Zielwerte sowie das Einleiten konkreter MaBnahmen wird die operative Um-setzung der Untemehmensstrategie gewahrleistet.

Als wesentliche Einfuhrungsvoraussetzungen muss die gesamte Untemehmens-fuhrung voll hinter dem Projekt stehen und ein gemeinsames VerstSndnis liber die strategische StoBrichtung des Untemehmens bestehen. Da es sich bei der Einfiih-rung der Balanced Scorecard im Untemehmen nicht nur um die bloBe Definition von strategischen Zielen, Kennzahlen, Zielwerten und MaBnahmen handelt, ist eine phasenweise Vorgehensweise zu empfehlen.

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Literatur

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Weber, J. und Schdffer, U.: Balanced Scorecard & Controlling. Implementierung - Nutzen ftir Manager und Controller - Erfahrungen in deutschen Untemehmen, Wiesbaden 1999.

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Kapitel 9 Entwicklung und Test von Nutzenversprechen

Henrik Haenecke / Guide Laukamp

1 Einleitung

Die Marketingaktivitaten vieler Untemehmen sind haufig noch in der alten Logik traditioneller absatzwirtschaftlicher Konzepte gefangen. Eine Ausrichtung des Marketing an den Bedurfiiissen und Wunschen der Nachfrager ist dringend erfor-derlich. Nutzenversprechen sind ein geeignetes Instrument, um von der Anbieter-zur Kundenorientierung zu gelangen: Sie konnen gezielt von Kundenbediirfhissen ausgehend formuliert werden. Der folgende Beitrag zeigt, wie ein modemes Mar­keting-Controlling bei der Entwicklung und beim Test von Nutzenversprechen vorgehen und kreative Gruppenprozesse und bewahrte Techniken der Marktfor-schung systematisch und strukturiert einsetzen kann. Gerade in diesem, bisher tiberwiegend von „Kreativen" dominierten Prozess, kann das Marketing-Control­ling Mehrwert stiften, indem es auf strukturierte Auswahl und Tests moglicher Altemativen drSngt. Auch wenn in der Praxis die Mehrzahl der diesbeziiglichen Verfahren von darauf spezialisierten Kreativagenturen oder Marktforschungsinsti-tuten durchgefuhrt wird, so ist es doch fur einen Marketing-Controller wichtig, diese zu kennen und zu verstehen, um die Aussagekraft der Ergebnisse entspre-chend beurteilen zu konnen.

2 Nutzenversprechen als Teil der Positionierung im Markt

Nutzenversprechen sind ein zentraler Teil der Marketing-Strategie zur Posi­tionierung eines Produktes im Markt. In einer konsistenten Marketing-Strategie greifen Markenkem, Zielkundensegmentierung und Nutzenversprechen ineinander. Nutzenversprechen sollten dabei aus der Perspektive des Kunden formuliert wer­den - nicht aus Sicht des Anbieters beziehungsweise Produzenten.

2.1 Bedeutung von Nutzenversprechen

Die Marketingaktivitaten eines Untemehmens oder einer Abteilung werden haufig allein aus Sicht der Erstellung eines Produktes oder der Erbringung einer Dienst-

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leistung betrachtet (im Folgenden soil der Begriff "Produkt" immer auch Dienst-leistungen einschlieUen). Die Kundeninteressen werden dabei zu leicht aus den Augen verloren. So verwundert es nicht, dass viele Untemehmen auf eine einfache Frage ihrer Kunden haufig keine einfache Antwort geben konnen: „Warum soil ich gerade dieses Produkt und kein anderes kaufen?"

Die Werbung bezeichnet die Antwort auf diese Frage als „Unique Selling Proposi­tion", die Management- und Marketingliteratur als „Value Proposition". Im Deut-schen ist die Begriffsbildung uneinheitlich: Die Begriffe „Kundennutzen" (Meffert 2000), „Nutzenversprechen", „Verkaufsargument" (Naumann 1992) und „Wert-versprechen" werden synonym gebraucht. In diesem Beitrag verwenden wir im Weiteren den Begriff „Nutzenversprechen".

Ein einfaches und klar formuliertes Nutzenversprechen entwickelt seine Wirkung bei bestehenden Kunden ebenso wie bei Nicht-Kunden. Bei bestehenden Kunden dient es einem klaren Verstandnis iiber den Nutzen des gekauften Produktes. Der Kunde kann so die Wahl des Produktes gegenuber sich selbst und gegentiber ande-ren begrtinden; damit erhoht er seine Bindung an Produkt und Produzenten. Nicht-Kunden dagegen soUen ein klares Verstandnis des ihnen bisher entgangenen Nut-zens gewinnen und gleichzeitig die Relevanz des Nutzens des bisher gekauften Altemativproduktes in Frage stellen.

Eine eindeutige Positionierung der Produkte eines Untemehmens im Markt wirkt aber nicht nur auf Kunden, sondem kann auch die Mitarbeitermotivation und -zu-friedenheit erhohen: Ein klares Nutzenversprechen flUirt beispielsweise zur ver-besserten Argumentationsfahigkeit der Mitarbeiter im Vertrieb durch die Mog-lichkeit einer klaren Abgrenzung im Vergleich mit Wettbewerbem. Die Identifika-tion mit dem hergestellten beziehungsweise verkauften Produkt wird so erhoht.

2.2 Nutzenversprechen im Zusammenspiel mit Marke und Zielkundensegmentierung

Der Nutzen eines Produktes kann nur sinnvoll im Zusammenhang mit der Marke und den betreffenden Zielkunden betrachtet werden: Ftir die Zielkunden sollten die durch die Marke transportierten Werte und Stimmungen das Nutzenversprechen nicht nur erganzt werden; vielmehr mtissen Marke und Nutzenversprechen eine Einheit bilden. Fiir eine konsistente Marktpositionierung mttssen die drei Elemente Marke, Zielsegmente und Nutzenversprechen somit aufeinander abgestimmt sein und eng ineinander greifen (vgl. Abb. 9.1).

Das erfolgreiche Ineinandergreifen der drei Elemente sei kurz an einigen Beispie-len aus unterschiedlichen Branchen illustriert. Die Citibank hat vorgemacht, wie ein Untemehmen durch ein klares Nutzenversprechen in einem stagnierenden Markt erfolgreich sein kann. Das junge, unkomplizierte und engagierte Image der Marke spricht die Zielgruppe der jUngeren Bankkunden mittleren Einkommens in Stadten und stadtischen Gebieten erfolgreich an: Die bequeme Abwicklung aller Bankgeschafte durch einfachen Zugang und iiberlegenen Service stellt fur die

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Zielgruppe einen relevanten Nutzen dar, der perfekt zum Markenimage passt. Der Citibank ist es sicher auch auf Grund dieses Zusammenspiels von Marke, Nutzen-versprechen und Zielkundensegmentierung tiber viele Jahre gelungen, die einzige Universalbank mit signifikantem Kundenzuwachs zu sein.

Positionierung der Marke, Zielkundendefmition und Nutzenversprechen mussen ineinander greifen

• Marke zeigt das Selbst-verstandnis des Unter-nehmens

• Marke transportlert Nut­zenversprechen und macht es glaubwurdig

• Uberlegenes Nutzen­versprechen ist wichtig fur differenzierte Ansprache der Zielkunden

• Nutzenversprechen fasst konkrete Attribute des Produkts glaubwCirdig und uberzeugend zusammen

• Nutzenversprechen eriaubt Ableitung prSziser Anforde-rungen an Organisations-einheiten des Unterneh-mens

• Kunden erfordern auf Grund unterschied-licher Anspruche an Nutzen differen­zierte Marl<tbear-beitung

Quelle: Haenecke/Laukamp

Abb. 9.1: Zusammenspiel von Marke, Zielsegmenten und Nutzenversprechen

In der Automobilindustrie existieren eingSngige Beispiele einerseits fur konse-quente, andererseits aber auch fur unstimmige Marktauftritte. Audi hat unter ande-rem mit dem Slogan "Vorsprung durch Technik" das Image einer technikorientier-ten fortschrittlichen Marke besetzt. Das Nutzenversprechen "Wenn ich einen Audi kaufe, erhalte ich das Auto mit der modemsten Technik" wird uber Jahre durch konkrete High-Tech-Angebote wie zum Beispiel Quattro-Antrieb und Tip-Tronic tiberzeugend belegt. Marke und Nutzenversprechen sprechen modeme Stadtmen-schen mit mittlerem bis gehobenem Einkommen an.

Ford hingegen hatte im Vergleich fruher kein derart klares Nutzenversprechen: Der Markenslogan "Ford - Die tun was" war inhaltlich zu unbestimmt. Die Frage des Kunden "Welchen besonderen Nutzen erhalte ich, wenn ich einen Ford kau­fe?" blieb unbeantwortet; es wurde eher ungerichtete Hemdsarmeligkkeit transpor­tlert, die von vielen Kunden im Verkaufsgesprach in „Dann tun Sie doch noch mal was am Preis" umgedeutet wurde.

Die Jtingere Entwicklung zeigt, dass Ford diese Schwache adressiert hat: Nun heil3t es bei Ford: „Besser ankommen". Diese Kurzformel beinhaltet ein klares Nutzenversprechen an komfort- und sicherheitsorientierente Fahrer und trans-

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portiert zudem eine Wertigkeit, die als deutliche Abkehr vom Billig-Image zu ver-stehen ist. Ubrigens: Audi benutzt seinen Markenslogan weiter unverandert.

Die Beispiele aus der Automobilbranche verdeutlichen vor allem das Zusam-menspiel von Marke und Nutzenversprechen. Der enge Zusammenhang von Nut-zenversprechen und Zielgruppe wird vor allem dort deutlich, wo mehrere Kunden-gruppen mit unterschiedlichen Bediirfhissen adressiert werden sollen. In diesem Fall miissen segmentspezifische Nutzenversprechen entwickelt werden. Segment-spezifische Nutzenversprechen dttrfen einander jedoch nicht widersprechen und sollten sich einem ubergreifenden Nutzenversprechen unterordnen lassen. Das Haarwaschmittel der Marke Pantene von Proctor & Gamble beispielsweise ver-spricht "gesundes" Haar durch Verwendung von Vitaminen. Wahrend der Nutzen des gesunden Haares flir Manner durch den Zusatz "starkes Haar" erganzt wird, wird fur Frauen hervorgehoben, dass das Haar gesund wird und dass es "glanzt". Ftir Frauen mit gefSrbtem Haar wird der Nutzen noch weiter spezifiziert: Durch die Benutzung von Pantene erhalt die Kundin "gesundes Haar, das glanzt, ohne die Farbung zu schadigen".

Da unzahlige Veroffentlichungen zu den Themen Kundensegmentierung und Posi-tionierung der Marke existieren, soil im Folgenden von diesen beiden Elementen abstrahiert werden. Der Fokus der vorliegenden Betrachtung liegt auf der Entwick-lung und dem Test von Nutzenversprechen. Dazu soil ein mogliches, praxiserprob-tes Vorgehen beschrieben werden - dies erfolgt unter der Annahme, dass Marken-positionierung und Zielkundensegmentierung gegeben sind und nicht grundlegend verandert werden sollen. Es sei allerdings angemerkt, dass es auch moglich ist, Markenpositionierung, Zielkundensegmente und Nutzenversprechen in einem, dem hier beschriebenen Prozess ahnlichen Vorgehen parallel zu bestimmen. Eine sol-che parallele Vorgehensweise bietet natiirlich ungleich groBere Chancen fur die Entwicklung eines konsistenten und erfolgreichen Marktauftrittes.

2.3 Formate von Nutzenversprechen

In der einfachsten Form eines Nutzenversprechens wird der Kern der gesamten Marketingstrategie auf einen Satz reduziert. Nutzenversprechen treten oft in der Marketingkommunikation in Form eines Slogans, einer Selling Line oder eines Claims auf. Im Folgenden soil jedoch, losgelost von der werblichen Umsetzung, die Ebene der Marketingstrategie betrachtet werden.

Neben der Tatsache, dass viele Untemehmen oder Geschaftseinheiten bisher ihr Nutzenversprechen nicht formulieren, ist interessant, wie formuliert wird: Das flir das Nutzenversprechen gewahlte Format erlaubt RuckschlUsse auf den Denk-ansatz, der der Marketingstrategie zu Grunde liegt.

Grundsatzlich sind zwei Formate mit unterschiedlichem Denkansatz zu unter-scheiden. In vielen Fallen stoBt man auf ein angebotsorientiertes Format ("Wir bieten"). Dieses wird aus Anbietersicht formuliert: "Wir bieten [Kundennutzen] zu einem [niedrigen/angemessenen/Premium-/etc.] Preis." Diese Formulierung spie-

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gelt den traditionellen Ansatz der Entwicklung und Produktion wider: Aus den Moglichkeiten der Produktion wird ein Nutzen entwickelt, der die Kundenbediirf-nisse adressieren soil. Die eigene besondere Leistung oder das herausstechende Merkmal wird hervorgehoben, basierend auf der selbstbewussten Uberzeugung, mit dem Angebot einen Nutzen fur den Kunden zu schaffen. Die Erwahnung eines Preises oder einer Preislage unterbleibt in der Regel, wenn unterstellt wird, dass der Nutzen fur den Kunden von so hoher Relevanz ist, dass die Kosten keine Be-deutung haben. Das "Wir bieten''-Format ist marketinghistorisch gesehen nah an der alten Logik des Verkaufermarkts. Deshalb seien nachfolgend bewusst nur Beispiele aus den Achtzigerjahren angefiihrt:

• Caterpillar: Wir bieten 24-Stunden-Lieferung fur Ersatzteile, weltweit.

• Pizza Pizza: Wir bieten innerhalb der Stadtgrenze Lieferung in einer halben Stunde, oder die Pizza ist kostenlos.

• Volvo: Wir bieten den sichersten und langlebigsten Kombi flir Ihre Familie zu einem Premium-Preis.

Bine klare und selbstbewusst formulierte Vorstellung davon, womit man Wert stiftet, kann hilfreich und intern sehr motivierend sein kann. In einem nur be-schrankt kompetitiven Umfeld mag dies durchaus zielfflhrend und ausreichend sein. Fur die Entwicklung eines Nutzenversprechens, das im Wettbewerb bestehen kann, sollte jedoch ein leistungsfahigeres Format verwendet werden. Mit einem nachfrageorientierten Format ("Dann erhalte ich'% das wir im Weiteren vorstel-len werden, nimmt das Untemehmen die Perspektive eines Kunden ein:

"Wenn ich [Produkt des Untemehmens] anstatt [Produkt des Wettbewerbers] nutze, dann erhalte ich [Kundennutzen], weil [Beleg fiir den Kundennutzen]."

Das Nutzenversprechen ist in dieser Formulierung kompetitiv und wird durch be-weiskraftige Argumente unterfuttert. Die Ich-Form bezieht sich dabei immer auf den Kunden aus einem bestimmten Kundensegment, das Format ist also segment-spezifisch anzuwenden.

Wahrend das "Wir bieten"-¥ormat anbieterorientiert ist und ein Nutzenverspre­chen aus den Moglichkeiten der Produktion ableitet, spiegelt das "Dann erhalte /cA'-Format die umgekehrte Denkweise wider: vom Nutzen fur den Kunden (be-friedigtes Bediirfiiis) Uber das Nutzenversprechen zur Produktentwicklung und Produktion.

Fiir den kreativen Prozess der Entwicklung eines Nutzenversprechens bietet das "Dann erhalte /c/^'-Format die ideale Ausgangsbasis. Es zwingt Untemehmen, aus Kundensicht zu denken, und bringt sehr einfach auf den Punkt, warum der Kunde ein bestimmtes Produkt kaufen soil. Die syntaktische Ktirze, die nur einen, maxi­mal zwei relevante Nutzen zulasst, tragt der eingeschrankten Informationsaufhah-me und -verarbeitungsbereitschaft des Kunden Rechnung. Beim Durchspielen verschiedener Moglichkeiten flir die Variable [Produkt des Wettbewerbers] unter

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Berlicksichtigung der Hauptwettbewerber wird schnell deutlich, ob sich ein glaub-hafter Wettbewerbsvorteil formulieren iSsst. Da ein Produkt mit seinen Eigen-schaften haufig verschiedene Kundennutzen bedient, kann auch mit verschiedenen Kombinationen der Variablen [Produkt des Untemehmens und Kundennutzen] experimentiert werden. Prufstein fur diese Kombinationen ist, ob sich die Variable [Beleg fiir den Kundennutzen] sinnvoll fiillen lasst.

2.4 Bewertungskriterien fur erfolgreiche Nutzenversprechen

Haufig sind - zum Beispiel moderiert durch den Marketing-Controller - mehrere alternative Nutzenversprechen zu bewerten und gegeneinander abzuwagen. Die Bewertung der Altemativen sollte in den beiden Dimensionen Marktpotenzial und Umsetzbarkeit erfolgen (vgl. Abb. 27.2). Meistens wird das Marktpotenzial die Entscheidung fiir oder gegen ein Nutzenversprechen wesentlich beeinflussen. Al-lerdings kann ein Nutzenversprechen mit hohem Marktpotenzial und schwieriger Umsetzbarkeit ein Untemehmen vor kaum iiberwindbare Httrden stellen. Hier sollte stets bedacht werden, dass die erfolgreiche Umsetzung eines Nutzenverspre-chens nicht nur eine konsistente Kommunikation erfordert, sondem, viel wichtiger noch, die konsistente und fehlerfreie Erfullung des Nutzenversprechens.

Alternative Nutzenversprechen sollten in zwei Dimensionen bewertet werden

Marktpotenzial •Bestandspflege/Neukundengewinnung • Uberzeugungskraft: einfach, relevant, differenzierend, glaubhaft • Heute/in Zukunft • Erstgeschaft/Folgegeschaft

Hoch

Mittel

Gering

Schwer Mittel Leicht

Umsetzbarkeit • Erfullbar durch das Unter-

nehmen • Passend zum Markenkem • Wettbewerbschancen nutzend • Wettbewerbsvorteil erhaltbar

Oder sogar ausbaubar • Motivierend fur Mitarbeiter

Quelle: Haenecke/Laukamp

Abb. 9.2: Bewertung von Nutzenversprechen

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In der Bewertungsdimension des Marktpotenzials sollte das Nutzenversprechen eine hohe Uberzeugungskraft bei den Zielkunden besitzen, und zwar sowohl in der Bestandspflege als auch in der Neukundengewinnung. Dazu muss der versproche-ne Nutzen des Produkts fiir die Zielgruppe leicht verstandlich und relevant sein und durch, fur die Zielgruppe nachvoUziehbare Begrundungen glaubhaft gemacht werden. Auch die Einzigartigkeit sollte fur den Kunden erkennbar sein: Kann wirklich nur dieses Produkt das Problem losen? Die Uberzeugungskraft des Pro­dukts sollte nicht nur heute, sondem auch in Zukunft hoch sein. Dariiber hinaus kann noch von Bedeutung sein, ob durch das Nutzenversprechen Folgegeschafte ermoglicht werden. Im Beispiel der Citibank kann dies bedeuten, den angebotenen Nutzen von Bankgeschaften auf weitere Finanzdienstleistungen zu ubertragen.

Die zweite Dimension der Bewertung ist die Umsetzbarkeit, In erster Linie muss das Nutzenversprechen durch das Untemehmen vollstandig und ohne Qualitats-mangel erfullbar sein. Dariiber hinaus muss es auch zum Markenkem passen. Da das Nutzenversprechen kompetitiv ist, sollte der angebotene Nutzenvorteil beste-hende Wettbewerbschancen des Untemehmens nutzen - das konnen Wettbewerbs-vorteile, aber auch unerschlossene Lucken im Wettbewerb sein. Der angebotene Nutzenvorteil gegenuber dem Wettbewerb sollte femer nicht nur mittelfristig halt-bar, sondem nach M5glichkeit sogar mittel- beziehungsweise langfristig ausbaubar sein. SchlieBlich gih es auch zu uberprUfen, ob das Nutzenversprechen fiir die Mitarbeiter motivierend ist.

3 Entwicklung von Nutzenversprechen: Ideengenerierung und -selektion

Ideenfur Nutzenversprechen kOnnen in einem Inside-out-Ansatz aus der Organisa­tion heraus generiert werden; hierbei haben sich Workshops als eine sehr effektive Methode erwiesen. Eine zweite Moglichkeit der Ideengenerierung ist die Explora­tion beim Kunden in einem Outside-in-Ansatz. Aus den entwickelten Ideen miissen die erfolgversprechendsten Konzepte ausgew^hlt werden, um diese dann einem detaillierten Test zu unterziehen.

3.1 Entwicklung aus der Organisation heraus (Inside-out-Ansatz)

Ublicherweise werden Nutzenversprechen aus der Organisation heraus in einem Inside-out-Ansatz entwickelt. Initiator und Trager ist in der Kegel die Marketing-abteilung. Allerdings sollten Vertreter aus alien betroffenen Untemehmens-bereichen in die Entwicklung eines Nutzenversprechens eingebunden werden, denn die Einbeziehung moglichst vieler relevanter Perspektiven aus der Organi­sation wirkt sich nicht nur kreativitatssteigemd, sondem auch akzeptanzfordemd aus.

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Eine sehr effektive Methode zur Ideenentwicklung sind Workshops verbunden mit dem Einsatz geeigneter Moderationstechniken (Zur Einftihrung in Modera-tionstechniken siehe zum Beispiel Hartmann/Rieger/Pajonk 1997 oder Lipp/Will 1999). Die Workshopgruppen sollten hierarchic- und fiinktionsiibergreifend ge-mischt sein. Als besonders finchtbar haben sich Workshops erwiesen, die bei der Auswahl der Teilnehmer an klassischen "Reibungspunkten" der Organisation an-setzen (zum Beispiel AuBen- und Innendienst, Kundenkontakt- und technisches Personal, Werbe- und Vertriebsabteilung, Einkaufer und Verkaufer, Mitarbeiter der Zentrale und Filialmitarbeiter). Eine gleichberechtigte und unvoreingenomme-ne Mitarbeit aller Teilnehmer ist Grundvoraussetzung fiir den Erfolg derartiger Workshops. Haufig ist daher die Leitung durch unabhangige, exteme Moderatoren erforderlich. Bei entsprechender Methodenkenntnis kann auch die Leitung durch einen Marketing-Controller erfolgversprechend sein.

Workshops sollten grundsatzlich aus drei Phasen bestehen: Die eigentliche The-menbearbeitung ist immer sorgfaltig vor- und nachzubereiten. Auch Workshops zur Ideengenerierung von Nutzenversprechen folgen diesem Ablauf (vgl. Abb. 9.3).

D e IdBengenerieniig solKs sor^altig sbiMiiieft sein

Enfuhnug ThemBrtearbeitiiig AbecHuss

ISenabilisJeren ZlrtfomierBn 3k Fokussieren

V''

m

r&SbiMLi ierenn " 6k RiorisierBn \ ZDokuTBn-tieren

SkKxiraNeiHi

V\teV\frTemin|

XXM XWXXX yXXiKK XXX

xxxxxxxxxxx XXXX XMOC XX X)00( X)00( XXX

IVbcfiche IVbdenationstechniken

•4WBnstieg •Bilzlicht • Rnkt-ADfrgge

(Skalen-cder IVbtrixfonrj)

•QfuppdTh dskussicn

Anlvvort-VBifahrGn

Ban-storrring, Bran-witing,

\Afennich

snslstt

nulze;clsm erhslteich

wa'l

RtxiKdesUntemehrBis FhodLkdesVmtmerters

HLrdemtzen

BeleglurclenHlrdennutzen: RccUdiBetLfB& Ser\/icB& f^n

•IVbfJnalTTBTDlan • Bgebisprotokdl •Photokdl •Rrkt^^Dlifage •Bitzlicht

Qjelle: hteneckslaLkarrp

Abb. 9.3: Workshopkonzept fur die Ideengenerierung von Nutzenversprechen

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153

In der Vorbereitungsphase, der Einfuhrung in den Workshop, werden die Weichen fiir den kreativen Prozess gestellt: Wichtig ist hier vor allem die Sensibilisierung fur das Thema. Dies kann beispielsweise erfolgen, indem die Teilnehmer schon bei der gegenseitigen Vorstellung das Nutzenversprechen des Untemehmens aus ihrer Sicht beschreiben. Dabei wird haufig deutlich, wie unbestimmt oder wie heterogen die einzelnen Vorstellungen sind. Diese Wirkung kann noch gesteigert werden, wenn gleichzeitig das "Dann erhalte ich"-Format eingefuhrt wird und entsprechend vorbereitete Moderationskarten genutzt werden. Eine andere Moglichkeit der Sen­sibilisierung besteht darin, bestehende Werbeaussagen des eigenen Untemehmens denen von Mitbewerbem gegeniiberzustellen. Hieran lasst sich meist eindrucksvoll zeigen, wie unbestimmt und wie wenig differenzierend die Positionierung des eigenen Untemehmens ist.

Die Phase der Themenbearbeitung beginnt mit der Sammlung einer moglichst groBen Anzahl unterschiedlicher, m5glichst origineller Ansatze. Die Ideen sollten bereits im "Dann erhalte ich"-Format formuliert und festgehalten werden. Fur die Moderation gentigen hier oftmals einfache (aber sorgfaltig vorbereitete) Krea-tivitatstechniken, wie zum Beispiel das Karten-Antwort-Verfahren und/oder das Brainstorming. Gmndsatzlich soUte zu diesem Zeitpunkt in der Ideenentwicklung das Hauptaugenmerk auf die tatsachliche Ideengeneriemng und nicht so sehr auf die Ideenbewertung und -auswahl gelegt werden. Allenfalls kann eine vorlaufige Stmkturiemng und Priorisiemng der Ideen vorgenommen werden. Als Abschluss sollten die Ergebnisse der Themenbearbeitung fiir die Teilnehmer wahmehmbar festgehalten werden.

Das dargestellte Workshopkonzept lasst sich bei Bedarf verfeinem. So kann man beispielsweise in der Ideengeneriemng mehrstufig vorgehen und zunachst uber sehr konkrete Angebote, Services oder Produkte beziehungsweise deren Merkmale nachdenken, um dann erst in einem zweiten Schritt die nachsth5here Ab-straktionsebene, das eigentliche Nutzenversprechen, zu erreichen. Dies kann gera-de bei sehr praktisch orientierten Workshopteilnehmem, die nicht gewohnt sind, in strategischen Kategorien zu denken, hilfreich sein. Zur Verdeutlichung sei ein Beispiel skizziert: Mitarbeiter eines Autohauses entwickeln im Brainstorming Ideen fur neue Serviceangebote, wie Hoi- und Bring-Service, Ersatzfahrzeug und 24-Stunden-Auftragsannahme per Selbstbedienungsterminal; im zweiten Schritt konnte daraus das Nutzenversprechen "Voile Mobilitat bei freier Zeiteinteilung" entwickelt werden. In der Logik des "Dann erhalte ich"-Formats gesprochen, denkt man also zunachst uber den Beleg fur den Kundennutzen nach, um anschlieBend den Kundennutzen zu formulieren.

Machtiger und analytisch fundierter sind anspmchsvollere Workshopdesigns, die von bereits vorliegenden Marktdaten ausgehen. Praktisch bewahrt hat sich insbe-sondere die Ideengeneriemng ausgehend von

• Zielgmppentypologien,

• Markenkem und

• Starken im Wettbewerb.

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Voraussetzung ist, dass das Untemehmen (eventuell bereits in einem anderen Zu-sammenhang) Zielgruppen-, Marken- oder Wettbewerbsforschung betrieben hat und die Ergebnisse in einer Form vorliegen, die als Basis fiir den Workshop ge-nutzt werden kann.

Zielgruppentypologien, wie zum Beispiel die bekannten "Sinus-Milieus", liefem recht detaillierte Beschreibungen bestimmter Zielgruppen, die als Ausgangsbasis fur die Generierung von spezifischen Nutzenversprechen genutzt werden konnen. Ausgehend von einer bereits festgelegten Zielgruppe des Untemehmens werden so mogliche Nutzenversprechen entwickelt. Auf Grundlage der Zielgruppeneinstel-lungen kann in der Phase der Themenbearbeitung kreativ uber "Einen Tag im Leben von Herm/Frau Mustermann" nachgedacht werden und mogliche Bediirf-nisse abgeleitet werden. Altemativ ist auch denkbar, die unterschiedlichen Bediirf-nisse in bestimmten Lebensphasen abzuleiten. Die abgeleiteten Bedtirfhisse sollten anschlieBend in Form von Nutzenversprechen beantwortet werden. Dabei ist es haufig einfacher, aus konkreten Produktmerkmalen ein Nutzenversprechen zu entwickeln, anstatt direkt aus den Bedtirfhissen das Nutzenversprechen zu generie-ren. Ein exemplarisches Arbeitsformular zu diesem Vorgehen findet sich in Abbil-dung 9.4.

Ideen fur Nutzenversprechen konnen aus dem Wissen urn die Zielgruppe entwickelt wBrden

0Wichtigelnhalte ImTagesablauf J bzw. in einer

©Bedijrf-

(D Produkt-merkmale

(§) Nutzenver­sprechen fijr Zielgruppe

V\fennich dannerhalteich__

__ anstatt nutze,

Quelle: IHaenecke/Laukamp

Abb. 9.4: Ideengenerierung auf Basis von Zielgruppentypologien

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Markenkernuntersuchungen liefem eine Vielzahl von Begriffen beziehungsweise Attributen, die vom Konsumenten positiv wie auch negativ mit der Marke assozi-iert werden. Werden diese in der Einfiihrungsphase eines Workshops vorgestellt und dann in der Phase der Themenbearbeitung miteinander kombiniert, erganzt und erweitert, lassen sich "organisch" aus der Marke abgeleitete Nutzenverspre-chen generieren. Voraussetzung hierbei ist, dass das Untemehmen uber eine starke und positiv besetzte Marke verfugt.

Liegen aus Wettbewerbsanalysen konkrete Erkenntnisse uber vom Kunden wahr-genommene Starken und Schwachen der eigenen Produkte oder der Wett-bewerberprodukte vor, iSsst sich in der Phase der Themenbearbeitung zielgerichtet nach Nutzenversprechen suchen, die auf eigenen Starken aufbauen oder die Schwachen der anderen Anbieter ausnutzen (vgl. Abb. 9.5). Im Workshop kann der Moderator beispielsweise mit verschiedenfarbigen Moderationskarten flir jeden Mitbewerber arbeiten, die mit den jeweiligen Attributen beschriftet sind. Auf einer groBen Pinnwand wird mit Hilfe der farbigen Karten eine Art Spannungsfeld aus fremden Schwachen auf der einen Seite und eigenen Starken auf der anderen Seite aufgebaut. Der dazwischen liegende Raum wird anschlieBend mit moglichen Nutzenversprechen auf neuen Moderationskarten gefullt. Die Beziehungen zu den fremden Schwachen und eigenen Starken konnen dabei durch das Spannen von Faden oder das Ziehen von Linien visualisiert werden.

Ausgehend von eigenen Starken und Schwachen der Wettbewerber konnen Ideen fiir Nutzenversprechen generiert werden

Themenbearbeitung an der groBen Pinnwand:

Fremde Schwachen auf Karten schreiben, eriautern, anheften

@ Eigene Starken auf Karten schreiben, erISutern, anheften

(5) Verbindungen Ziehen und durchspielen

(4) Nutzenversprechen formulieren und auf Karten schreiben

Kreatives Spannungsfeld-

Quelle: Haenecke/Laukamp

Abb. 9.5: Ideengenerierung auf Basis von Wettbewerbsanalysen

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3.2 Exploration beim Kunden (Outside-in-Ansatz)

Wenngleich die bisher beschriebenen Ansatze implizit (durch das "Dann erhalte ich"-Format) oder sogar explizit (zum Beispiel in einem zielgruppenspezifischen Workshop) dazu zwingen, die Perspektive des Kunden einzunehmen, bleibt das Blickfeld dennoch beschrankt. Ausgangspunkt ist immer der Anbieter, und dieser ist in der Kegel tiefer involviert, besser informiert und in seiner Wahmehmung starker sensibilisiert als der Kunde. Um m5gliche emotionale Nutzenkategorien zu erkennen, muss der Anbieter oftmals erst "entlemen" beziehungsweise "entrationa-lisieren".

Ein echter Outside-in-Ansatz zur Generierung von Nutzenversprechen, der diese Beschrankungen nicht aufweist, ist die direkte Exploration beim Zielkunden. Dazu konnen tiefenpsychologische Interviews von Kunden eingesetzt werden, deren Ziel es ist, auch nicht-offensichtliche oder unbewusste Bediirfiiiskategorien aufzude-cken und die Motivationsstruktur des Kunden zu verstehen. Die entsprechende qualitative Richtung der Konsumentenforschung wird als "morphologischer An-satz" bezeichnet und von spezialisierten Marktforschungsinstituten angeboten. Es handelt sich dabei um ein rein exploratives Vorgehen, welches nicht zum Ziel hat, quantitative Aussagen zu treffen. Nicht alle Institute sind in der Lage, wirklich vollstandig explorativ, das heiBt ohne ein Konzept als Stimulus, zu arbeiten.

Von der Auswahl und dem Briefing des Instituts bis zum Vorliegen der Ergebnisse muss mit mindestens drei bis vier Wochen Zeitaufwand gerechnet werden. In die­ser Zeit ist auch der Auftraggeber intensiv gefordert, denn nur durch starke Inter-aktion mit den Marktforschem sind brauchbare Ergebnisse erreichbar. Der Auf­traggeber sollte neben dem Briefing des Instituts, das so richtungsneutral wie mog-lich sein sollte, seine Erfahrung insbesondere bei der Erarbeitung des Interview-leitfadens einbringen.

Der durchfiihrende Psychologe des Instituts wird sich in den jeweils etwa zwei-stundigen Einzelinterviews bemuhen, alle - auch die non-verbalen oder versteck-ten - Hinweise des Interviewpartners zu registrieren und diese (wenn notig, abwei-chend vom Interviewleitfaden) zu verfolgen. Er baut dazu zunachst einen inten-siven Kontakt zum Interviewten auf und bemiiht sich dann, durch offene Fragen und intensives Nachhaken tiefere Bedtirfiiisschichten und Motivstrukturen aufzu-decken. Mitarbeiter des Auftraggebers konnen in der Kegel als stille Beobachter (hinter einer verspiegelten Scheibe) am Interview teilnehmen. Die in solchen In­terviews gewonnenen Eindriicke konnen zwar kein Gesamtbild liefem, sind aber dennoch sehr wertvoll ftir jeden, der KundennShe emst nimmt.

Die Hauptarbeit findet haufig erst im Anschluss an die Interviews statt, denn oft ergibt sich aus den Aussagen der Kunden zunachst ein undifferenziertes Bild. Die Ergebnisse mussen daher in intensiver Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Institut zu Hypothesen auf mogliche Nutzenversprechen verdichtet werden, um schlieBlich drei bis fiinf Erfolg versprechende Optionen im "Dann erhalte ich"-Format formulieren zu konnen.

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3.3 Ideenselektion

An die Ideengenerierung schlieUt sich die Ideenselektion entlang den beschrie-benen Bewertungsdimensionen Marktpotenzial und Umsetzbarkeit an. Wahrend der Outside-in-Ansatz grobe Tendenzen fiir Nutzenversprechen liefert, die dann zu drei bis funf konkreten Optionen verdichtet werden mussen, produziert der Inside-out-Ansatz in den Workshops leicht 30 und mehr Ideen. Es scheint nahe liegend, Ideen, die in einem Outside-in-Ansatz gewonnen wurden, denen aus einem Inside-out-Ansatz vorzuziehen, denn ein beim Kunden exploriertes Konzept erweckt leicht den Anschein eines hohen Marktpotenzials. Es ist allerdings moglich, dass die aus der Exploration beim Kunden entstandenen Ideen nicht nur ubersteigerte Anforderungen an die Umsetzbarkeit stellen, sondem durchaus auch in einem breiter angelegten Kundentest durchfallen. Weiterhin ist denkbar, dass in intemen Workshops Ideen entwickelt werden, die so neuartig sind, dass sie ein grolies Marktpotenzial haben, aber fur einen Kunden so unvorstellbar sind, dass sie in Einzelinterviews nicht aufgedeckt werden konnten.

Da detaillierte Analysen zum Marktpotenzial und zur Umsetzbarkeit selten flir mehr als funf Optionen sinnvoll durchgefuhrt werden konnen, ist es notwendig, aus der Vielzahl der Ideen die Top-5 auszuwahlen. Zwar kann eine erste Ideen­selektion (wie oben erwahnt) bereits in den Workshops zur Ideengenerierung vor-genommen werden, es ist aber unabdingbar, diese erste Priorisierung aus der Phase der Ideengenerierung noch einmal zu hinterfragen. Nur so kann sichergestellt wer­den, dass man den Bewertungstrichter nicht zu friih verengt und Erfolg verspre-chende Vorschlage nicht auf Grund verktirzter Bewertungen ausgefallt werden. Bei der Workshop-Nachbereitung im kleinen Kreis - zum Beispiel im Projektteam Oder in der Marketingabteilung - sollten die Ideen daher entlang der beschriebenen Kriterien ausfuhrlich diskutiert werden. Eventuell ist es nicht nur sinnvoll, sondem sogar notwendig, die Bewertung einzelner Konzepte durch vorlaufige Analysen zur Umsetzbarkeit zu fundieren.

Auch der Selektionsprozess, der zu den Top-5-Ideen fuhrt, kann Gegenstand eines Gruppenprozesses sein. Ein exemplarisches Workshopdesign fiir diesen Zweck ist nachfolgend skizziert (vgl. Abb. 9.6). Teilnehmer eines solchen Workshops zur Selektion von Nutzenversprechen sind Entscheidungsvorbereiter sowie Entschei-dungs- und Umsetzungstrager, zwischen denen ein imaginarer "Markt fiir Nutzen­versprechen" geschaffen wird. Die Entscheidungsvorbereiter nehmen dabei die Rolle von "Marktschreiem" ein und versuchen, ihre Nutzenversprechen moglichst uberzeugend und wenn moglich durch vorlaufige Analysen belegt an die Entschei-dungs- und Umsetzungstrager zu verkaufen. Den "Kaufem" der Nutzenverspre­chen steht "Geld" in Form von Klebepunkten zur Verfugung, das sie am Markt -reprasentiert durch eine groBe Pinnwand mit den entwickelten Nutzenversprechen - fur Erfolg versprechende Optionen "ausgeben". Kleingruppenarbeitsphasen dienen dazu, die Implikationen der unterschiedlichen Optionen gemeinsam zu durchdenken und die attraktivsten Nutzenversprechen detailliert zu bewerten. Auf Grundlage des gebiindelten Sach- und Marktverstands der Workshopgruppe

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kommt man so zu einer differenzierten intemen Bewertung der Optionen, die im Weiteren durch exteme Markttests uberpruft werden soUte.

Die Ideen werden in einem "IVIarkt" vorgestellt, diskutiert und ausgewahit

I ) Abschluss ) EinfiJhrung Themenbearbeitung

m

• Ein-Punkt-Abfrage (Matrixform) - Ein klares Nut-

zenversprechen ist fiir uns [unwichtig/ wichtig]

- Ich er-warte von djesem Work­shop [nichts/ viel]

• Vorstellungsrunde (Btitzlicht) - Mein Name ist... -MeinPunktklebt...

• EinfQhrung |—» "Was ist \\ ein Nutzen- < f] verspre- ' "^ Chen"

• Agenda

Quelle: Haenecke/Laukamp

* Markt fiir Nutzenversprechen Entscheidungsvorbereiter ("l\/larktschreier") stellen Ent-scheidungs- und UmsetzungstrSgem ("potenziellen Kaufem") ihre Nutzenversprechen vor

• Anbringen der Vorschlage an vorbereiteter grofter |versprechen Pinnwand ("Markt") cfo^IiiT^ dj^vir^c:*^ Easy

• "Besichtigung" des Marktes v-j*-' U-^ ^•'-- - ^ * LGruppenarbeit l S i = i ^ ^ / ^ ^ 1^3 "Was muss sich bei uns andem^J L==J | = | ^ ^ ^ ^ wenn wir das Nutzen- l==pl 1=1 versprechen xyz umsetzen wollen?"

- Auswahl von 1-3 Nutzen­versprechen pro Gruppe

- Ausarbeitung der 5 wichtigsten Verandemngen auf Folien

• Pdsentationen/Diskussion im Plenum * Zwischenbewertung

- Klebepunkte als "Geld" - KSufer verteilen am Markt ihr "Geld" auf die

besten Nutzenversprechen * 2. Gruppenarbeit

Die besten Nutzenversprechen werden anhand Einzelkriterien diskutiert/bewertet, Dokumentation auf Folien

• Prasentationen/Diskussion im Plenum

Dokumentation der Gmppen-bewertungen in Ubersichts-Chart

b BeNvertg

OCEJU

7\ * Zusammen-fassung der Bewer-tungen

> Erlduterung des weiteren Fortgangs (z.B. geplante Marktfor-schung etc.)

• Feedback-runde (Blitzlicht)

Abb. 9.6: Workshopkonzept zur Selektion von Nutzenversprechen

4 Test von Nutzenversprechen

Um das Marktpotenzial der ausgewahlten Ideen zu testen, miissen die Ideen weiter ausformuliert werden. Ein erster qualitativer Markttest kann dann in Gruppen- und Einzelgesprachen mit Kunden durchgefiihrt werden. Statistisch representative Ergebnisse konnen in einem weiteren Schritt in einem quantitativen Test gewon-nen werden.

4.1 Vorbereitung der Tests

In der Ideengenerierung und -selektion ist das kurze "Dann erhalte ich"-Format hilfreich, um mogliche Nutzenversprechen nach ihrem Kemgedanken zu beurtei-len. Um ein Nutzenversprechen Uber eine allgemeine Plausibilitatsprufung hinaus in Kundentests genauer zu prufen, reicht das Ein-Satz-Format allerdings nicht aus.

Fur den Test mit Kunden wird der Kemgedanke des Nutzenversprechens in so genannten Concept Boards, zu Deutsch Verbalkonzepten, ausformuliert. Ein Con-

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cept Board stellt ein Nutzenversprechen in kurzen, einfachen Satzen in der Spra-che der Zielgruppe dar. Je nach Produkt und Testaufbau sind die Verbalkonzepte unterschiedlich lang, auf Grund der notwendigen Uberschaubarkeit jedoch nie langer als eine DIN-A4-Seite. Um der Exekution nicht vorzugreifen, darf der Text nicht zu stark werblich formuliert sein; er sollte vielmehr sachlich das Angebot beschreiben. Gleichwohl kann die Einbindung einer Werbeagentur, die spater auch das Konzept werblich umsetzt, vorteilhaft sein: Die Formulierung gelingt professi-onellen Textem meist besser, und die Werbeagentur erlangt durch die enge Ein­bindung ein sehr tief gehendes Verstandnis von der gewunschten Positionierung am Markt.

Die Kurzversion eines Concept Boards wird verwendet, wenn dem Kunden mehre-re alternative Nutzenversprechen zum Test vorgelegt werden sollen. In zwei bis drei knappen Satzen wird dem Kunden zunachst eine vertraute Problemsituation geschildert, die ihn sofort anspricht und involviert. Die gewUnschte Reaktion konnte ein Satz sein wie "Stimmt genau, das kenne ich". Der Kundennutzen wird als "Losung" fur die beschriebene Problemsituation moglichst klar und konkret formuliert und durch untersttitzende Argumente belegt. UnterstUtzende Argumente konnen Leistungsmerkmale des Anbieters oder Produktmerkmale sein, die bewei-sen, dass das Produkt beziehungsweise das Untemehmen den beschriebenen Nut-zen tatsachlich liefem kann. Die Kurzversion eines Concept Boards beschreibt somit in wenigen Satzen drei Kemgedanken des Nutzenversprechens, die logisch miteinander verkntipft sind:

• Problemstellung (Problem Setup): Was ist das angesprochene Problem des Kunden?

• Kundennutzen: Welchen Nutzen erhalt der Kunde?

• Beleg fur den Kundennutzen: Wie begrundet das Untemehmen diesen Nutzen glaubhafl?

Die Langversion eines Concept Boards dagegen wird eingesetzt, wenn lediglich drei bis maximal funf Nutzenversprechen gleichzeitig von einem Kunden getestet werden sollen. Die Kurzversion wird dabei um ein bis zwei Satze erweitert, die den innovativen Charakter des angebotenen Kundennutzens betonen. Die Heraus-hebung der Innovation ist notwendig, um das neue Konzept in einem kompetitiven Umfeld glaubhaft zu machen. Der Kunde erhalt so eine Antwort auf die Frage: Warum kann nur dieses Produkt diesen neuen Nutzen jetzt bieten? Zudem wird am Schluss ein Slogan angefugt, der sich einer werblichen Umsetzung schon sehr weit annahert und den Kemgedanken des Nutzenversprechens noch einmal auf den Punkt bringt. Die Langversion eines Concept Boards besteht also aus den Elemen-ten:

• Problemstellung (Problem Setup): Was ist das angesprochene Problem des Kunden?

• Innovation: Welcher neue Ansatz wird gewahlt, um das Problem zu losen?

• Kundennutzen: Welchen Nutzen erhalt der Kunde?

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• Beleg fflr den Kundennutzen: Wie begriindet das Untemehmen diesen Nutzen glaubhaft?

• Slogan: Was ist die Kemidee des Konzepts?

Concept Boards eignen sich als verbale Darstellung vor allem fur rationale Nut-zenversprechen (ein solcher rationaler Kundennutzen ware zum Beispiel "der schnellste Service" oder "die beste Beratung"). Der gleiche logische Aufbau lasst sich jedoch auch fiir starker emotional ausgerichtete Nutzenversprechen verwen-den ("Sicherheit" oder "Wohlfuhlen" sind Beispiele fur einen emotionalen Kun­dennutzen). Mood Boards sind in diesem Fall eine sinnvolle Erganzung der Con­cept Boards.

Ein Mood Board arbeitet im Gegensatz zum Concept Board nicht mit dem Mittel der Sprache, sondem ausschlieBlich mit Bildem. Es illustriert Stimmungen und Geflihle, die der Kunde mit dem Angebot verbinden soil, in Form einer Collage aus stark konnotativen (oder sogar suggestiven) Einzelbildem und hat nor-malerweise DIN-A3-Format. Als visuelle Stimuli konnen Mood Boards auch ein-zelne Bildelemente enthalten, die dem eigentlich zu transportierenden Gefuhl entgegenlaufen, um die Testperson zu Widerspruch und Abgrenzung und damit zu eindeutigeren AuBerungen zu provozieren. Das Mood Board ist keinesfalls mit den spateren Werbemotiven gleichzusetzen. Ebenso wie das Concept Board dient es als Stimulus fur die Testperson. Auch bei der Erstellung von Mood Boards sollte auf die Ressourcen einer Werbeagentur zuriickgegriffen werden, um die Erfahrun-gen - hier nun die Erfahrungen in der Ubersetzung von Gefuhlen und Stimmungen in Bildwelten - zu nutzen.

4.2 Qualitativer Test

Das Ziel qualitativer Tests ist es, grundlegende Einsichten in die Wirkung der entwickelten Nutzenversprechen zu erlangen und gegebenenfalls Anpassungsbe-darf zu identifizieren. Die Ergebnisse sind zwar niemals statistisch reprasentativ und verlangen nach vorsichtiger Interpretation; dafur sind solche Tests aber auch nur mit sehr wenig Aufwand verbunden.

Typische qualitative Testmethoden sind Einzelgesprache und Gruppendiskus-sionen. Vom Briefing des durchfuhrenden Instituts bis zum Vorliegen der Ergeb­nisse sind ftir beide Testmethoden jeweils mindestens rund zwei bis drei Wochen einzuplanen. Die Vorbereitung des Testmaterials (normalerweise Concept Boards und gegebenenfalls Mood Boards), die seitens des Auftraggebers beziehungsweise der Werbeagentur geschieht und einen erheblichen inhaltlichen und zeitlichen Einsatz fordert, ist dabei noch nicht eingerechnet. Auch fiir die Erstellung des Frageleitfadens und die Beobachtung der Tests sollte der Auftraggeber ent-sprechend Zeit veranschlagen.

Einzelgesprache kSnnen neben dem oben beschriebenen explorativen Einsatz in der Ideengenerierung auch zum Test von bereits ausformulierten Nutzenverspre­chen eingesetzt werden. Die Methodik entspricht weitgehend dem bereits bei den

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Einzelgesprachen zur Exploration beschriebenen Vorgehen. Einziger Unterschied ist, dass anders als bei der Exploration im qualitativen Test Concept Boards und gegebenenfalls auch Mood Boards als Gesprachsstimuli verwendet werden. Ziel der Gesprache ist, durch eine psychologisch geleitete Diskussion der Konzepte qualitative Aussagen uber deren Wahmehmung und Bewertung zu erhalten. Derar-tige Einzelinterviews fuhren in der Kegel zu sehr detaillierten und tief gehenden qualitativen Aussagen.

Gruppendiskussionen, oft Fokusgruppen genannt, sind wahrscheinlich das am weitesten verbreitete Instrument der qualitativen Marktforschung. Anders als Ein­zelinterviews modellieren sie implizit eine sozial-kommunikative Komponente der Entscheidungsfmdung der Kunden. Sie sollten deshalb - gegebenenfalls erganzt durch Einzelinterviews - eingesetzt werden, wenn davon auszugehen ist, dass der Entscheidungsprozess zumindest in Teilen sozial beeinflusst wird. Die von einem geschulten Psychologen moderierten Diskussionen werden mit acht bis zehn Teil-nehmem aus der Zielgruppe besetzt und dauem eineinhalb bis zwei Stunden. Um fehlerhafte Rtickschlusse aus einem einzelnen, eventuell sehr individuellen Verlauf zu vermeiden, sollten mindestens drei bis vier Gruppendiskussionen durchgefiihrt werden. Die Fokusgruppen werden in einem ortsansassigen Teststudio durchge­fiihrt, welches mit einem Beobachterraum mit Einwegspiegelwand und technischen Einrichtungen zur Video- und Tontibertragung sowie -aufzeichnung ausgestattet ist. Dieses Studio tibemimmt haufig auch die Rekrutierung von Probanden vor Ort. Struktur und Inhalt der Diskussionen werden durch den Frageleitfaden vorgege-ben, der allerdings flexibel eingesetzt wird: Die Schwerpunkte ergeben sich aus dem Diskussionsprozess. Haufig kann eine vergleichende Bewertung mehrerer Konzepte durchgefiihrt werden. Aufschlussreich kann auch der Vergleich mit dem bisherigen Marketingkonzept sein.

Ausgewertet werden Gruppendiskussionen und Einzelinterviews in Form der rein qualitativen Inhaltsanalyse: Auswertungsergebnisse sind Kundenaussagen zur Wahmehmung und Beurteilung der Nutzenversprechen. Aussagen zur Konzept-wahmehmung werden sich insbesondere auf kritische Punkte in Inhalt und Formu-lierung eines Nutzenversprechens und dem daraus ableitbaren Modifizierungsbe-darf beziehen. Aussagen zur Konzeptbeurteilung geben nur die Praferenzen der wenigen Probanden wider und sind deshalb niemals statistisch reprasentativ.

4.3 Quantitativer Test

Der Test eines Nutzenversprechens in Gruppen- oder Einzelgesprachen ist zwar gut geeignet, um Ideen weiterzuentwickeln und zu prazisieren, statistisch represen­tative Aussagen iiber die Akzeptanz des Konzepts konnen diese Testmethoden allerdings nicht liefem. Hierzu bedient man sich quantitativer Tests. Abhangig vom Marktforschungsinstitut werden unterschiedliche Bewertungskonstrukte ver­wendet, mit denen die Antworten auf geschlossene, standardisierte Fragen zu ei­nem GesamtmaB fiir die Akzeptanz eines Konzeptes verdichtet werden. Quanti-fizieren lasst sich aber nicht nur die Gesamtakzeptanz eines Konzepts, sondem

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auch die Reaktion einzelner Kundensegmente. Dariiber hinaus werden in einer qualitativen - nun aber statistisch reprSsentativen - Auswertung der Befragungs-ergebnisse die Ursachen fiir die Uberzeugungsleistung ermittelt und Schwachen des Konzepts analysiert. Dabei werden nicht nur besonders tiberzeugende Elemen-te identifiziert, sondem auch Elemente mit "negativer Wirkrichtung", das heiCt Elemente, die die Uberzeugungsleistung einschranken oder sogar zunichte ma-chen.

Um representative Aussagen zu ermoglichen, muss eine Stichprobe bei quantitati-ven Tests mindestens etwa 130 bis 150 Personen umfassen. Um die Befragten nicht zu tiberfordem, wird normalerweise ein so genannter monadischer Test durchgefuhrt, bei dem einer Testperson jeweils nur ein Nutzenversprechen zur Bewertung vorgelegt wird. Das Nutzenversprechen wird dem Probanden in Form eines Concept Boards im Langformat vorgestellt, gegebenenfalls erganzt durch ein Mood Board.

1st der Test durch die Gestaltung der Boards einmal vorbereitet, benotigt das Marktforschungsinstitut wahrend der Befragung kaum Betreuung durch das beauf-tragende Untemehmen. Fiir die Feldarbeit, die entweder in einem Studio, bei den Befragten zu Hause oder auf der StraCe stattfinden kann, mussen mindestens drei Wochen eingeplant werden. Die quantitative und die qualitative Auswertung durch das Marktforschungsinstitut benotigen noch einmal mindestens zwei Wochen.

Anders als bei den qualitativen Tests ist der Ablauf der Befragung bei quantitati-ven Tests vollkommen standardisiert, um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewahrleisten. Um die Akzeptanz eines Konzeptes zu uberpriifen, wird beispiels-weise eine dreistufige Meinungsbildung aus inhaltlichem Verstandnis, emotionaler Involvierung und positiver Uberzeugungsleistung angenommen: Mittels standardi-sierter Fragenkomplexe wird iiberpruft, ob der Proband das Nutzenversprechen zunachst versteht, sich anschlieBend davon beeindrucken lasst und schlieBlich von dem Konzept auch uberzeugt ist. Durch einen Vergleich der Anteile der uberzeug-ten Probanden ist ein statistisch reprasentativer Vergleich der so genannten Uber­zeugungsleistung eines Nutzenversprechens moglich. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings zu beachten, dass ein uberzeugter Proband noch kein zukunftiger Kunde sein muss: Von der Uberzeugung von einem Produktnutzen bis zum Kauf des Produkts kann es moglicherweise ein langer Weg sein.

Einige Marktforschungsinstitute bieten branchenspezifische Benchmarks fur die Uberzeugungskraft an. Derartige Benchmarks ergeben sich als Erfahrungswerte nach einer Vielzahl von durchgefuhrten Konzepttests. Eine solche Benchmark kann durchaus einen Anhaltspunkt fiir die absolute Uberzeugungskraft eines Nut­zenversprechens bieten. Allerdings ist die Relevanz der Benchmark im Einzelfall kritisch zu prufen: Wie wurde die Benchmark ermittelt? Ist die branchenspezifi­sche Benchmark fiir das angebotene Produkt tatsachlich relevant?

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5 AbschlieOende Bemerkungen

Die verbindliche Festlegung auf ein Nutzenversprechen ist eine Management-entscheidung mit erheblichen Implikationen fur die gesamte Geschaftseinheit be-ziehungsweise das gesamte Untemehmen. Sie muss vom Topmanagement getrof-fen und getragen werden. In ihr manifestiert sich die oft zitierte Forderung, das Untemehmen "vom Markt her zu fiihren".

Der hier vorgeschlagene systematische Einsatz von Gruppenprozessen und Markt-forschungsinstrumenten ist praxiserprobt und nutzt die verfiigbare interne und exteme "Marktintelligenz", um diese Entscheidung vorzubereiten. Allerdings ist der vorgestellte Ansatz nur einer unter mehreren denkbaren Altemativen: Andere statistische Verfahren (unter entsprechenden Voraussetzungen zum Beispiel die Conjoint-Analyse), andere Testformen (beispielsweise Produkttests oder Testkau-fe) und andere Formen der Einbeziehung der Organisation (denkbar ist eine Future Search Conference) konnen, je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls, sinnvoll und zielfilhrend sein.

Unabhangig vom gewahlten Ansatz gibt es auf dem Weg der Entwicklung eines Nutzenversprechens einige Stolpersteine, die nur durch eine konsequente Betreu-ung des Prozesses und kritisches Hinterfi-agen der Ergebnisse zu umgehen sind. Dazu gehort beispielsweise das " Verdrangen" von Testergebnissen auf Grund von Zeitdruck; oder aber es werden zwar alle Testergebnisse zur Kenntnis genommen, aber nur unzureichend analysiert oder verstanden. Auch auf der kreativen Seite lauem Gefahren: So kann zum Beispiel vor lauter Begeisterung flir ein neu gefiin-denes, vermeintlich "durchschlagendes" Nutzenversprechen die Umsetzbarkeit vemachlassigt werden; oder aber ein ursprUnglich uberzeugender Kemgedanke wird durch fortwahrende Uberarbeitung und Variation verwassert; oder eine be-sonders kreative Werbeagentur verSndert durch ihre Interpretation das Nutzenver­sprechen im Werbeauftritt bis zur Unkenntlichkeit.

Allen Stolpersteinen und Gefahren zum Trotz: Der zeitliche und personelle Einsatz lohnt. Zum einen hat ein durchdachtes und klar formuliertes Nutzenversprechen kanalisierende und fokussierende Wirkung und fuhrt damit zu hoherer Effektivitat. Zum anderen nimmt die Organisation bei der Entwicklung ihres Nutzen­versprechens eine reflektierende Haltung ein, die von entscheidender Bedeutung fiir das Lemen der Organisation sein kann: Neben dem Nutzenversprechen als direkt marktbezogenem Lemergebnis gewinnt die Organisation - speziell aber auch das Marketing-Controlling - eine Vielzahl von Einsichten uber den Markt und Uber sich selbst.

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Literatur

Hartmann, M./Rieger, M./Pajonk, B.: Zielgerichtet moderieren - Ein Handbuch fur Fuh-rungskrafte, Berater und Trainer, Weinheim und Basel 1997

Meffert, H.: Marketing: Grundlagen marktorientierter Untemehmensfuhrung, 9., vollstan-dig uberarbeitete und erweiterte Aufl., Wiesbaden 2000

Naumann, C: USP-Wertanalyse. Der Weg zum einzigartigen Verkaufsargument, Lands-berg/Lech 1992

Lipp, U./Hermann W.: Das groBe Workshop-Buch. Konzeption, Inszenierung und Modera­tion von Klausuren, Besprechungen und Seminaren, 3. unveranderte Aufl., Weinheim und Basel 1999

* * *

Die Autoren danken Herm Dr. Germo Gericke und Herm Dr. Daniel Forsmann fiir die intensive Diskussion der Inhalte und ihrer Darstellung.

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Kapitel 10 ProzesscontroUing

Michael Reich

1 Einleitung

Der Wandel von VerkSufer- zu Kaufermarkten und eine dadurch bedingt gestiege-ne Wettbewerbsintensitat erfordert von den Untemehmen erhohte Anstrengungen, das langfristige Uberleben zu sichem. Diese haben sich dabei konsequent an den Kundenbediirfhissen auszurichten. Dies erfordert ein Business Process Reenginee-ring und eine damit einhergehende Verankerung von steuerbaren Prozessen und Prozessverantwortlichkeiten im Untemehmen. Dem ProzesscontroUing als Teil des Marketing-Controlling kommt dabei sowohl wahrend des Business Process Reen-gineering, zum Beispiel im Rahmen der Datenerhebung, als auch in der folgenden Steuerung dieser Prozesse eine besondere Bedeutung zu, da hier die Nahtstelle zwischen Untemehmensfuhrung und Kunde geschlossen wird.

LI Kundenorientierung und Schwachstellen in heutigen Geschaftsprozessorganisationen

Ein Untemehmen ist in Zeiten wachsender Wettbewerbsintensitat um so eher in der Lage, auf Dauer am Markt zu bestehen, wenn es seine Kunden so zufrieden stellen kann, dass diese bereit sind, das anbietende Untemehmen als langfristigen Partner zu akzeptieren. Allerdings wird das Untemehmen nicht von alien Kunden gleich beeinflusst, denn empirische Ergebnisse zeigen, dass nur eine geringe An-zahl von Kunden fiir den GroBteil des Umsatzes eines Untemehmens verantwort-lich zeichnen.

Viele der heutigen Geschaftsprozessorganisationen weisen Schwachstellen auf, die sich in der Regel historisch entwickelt haben. Aufbau- und Ablauforganisation sind nicht im Hinblick auf ein angemessenes Verhaltnis der resultierenden Kosten und des erreichten Kundennutzens optimiert, sondem primar nach administrativen Kriterien gestaltet. Neue Produkte zum Beispiel von Versichemngen, werden regelmafiig unter Vemachlassigung der resultierenden Prozessanfordemngen und primar unter juristischen Aspekten konzipiert. Die DV-Anwendungen sind in der Regel tiberaltert und erreichen nur eine Teilautomatisiemng. Neuentwicklungen werden regelmafiig ohne in Frage stellen der bestehenden Stmkturen und Ablaufe konzipiert.

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Die Hauptursache fur einen unzureichenden Kundennutzen und fiir unangemessen hohe Prozesskosten liegt regelmaBig in einer hohen Produkt- und Prozesskomple-xitat (vgl. Abb. 10.1).

Vereinfachung Entscheidungs-

Organisation

Aufgaben-bundelung in einer Hand

Haufige Inkongmenz von Bearbeiter und

Entscheider

StandortmSBige Aufgaben-biJndelung

Starlcere Standardisierung und Automatisierung von Produlcten und Prozessen

Abb. 10.1: Darstellung der komplexitatstreibenden Faktoren in der Geschaftsprozessorganisation Quelle: eigene Darstellung

In den Prozessen herrscht haufig eine hohe horizontale und vertikale Arbeitstei-lung, das heisst dass sowohl viele Stellen als auch viele Standorte in die Bearbei-tung einzelner Aufgaben involviert sind. Als Beispiel kann hier die klassische Antragsbearbeitung in Versicherungen angefiihrt werden. Der AuBendienstmitar-beiter schlieUt vor Ort beim Kunden einen Versicherungsvertrag ab, der in der Kegel auch heute noch nicht fallabschliefiend zu bearbeiten ist. Haufig werden sogar die Antragsformulare noch schriftlich ausgefertigt und in einem zweiten Schritt vom AuBendienstmitarbeiter in ein entsprechendes Vertriebssystem tiber-tragen, so dass er zumindest elektronisch die Daten ubermitteln kann. Die nachste Bearbeitungsstation ist haufig die Geschaftsstelle; hier erfolgt die Antragspriifong, das heisst der Sachbearbeiter priiflt alle vom AuBendienstmitarbeiter ubermittelten Daten hinsichtlich der „Vollstandigkeit" und der „Richtigkeit". Entsprechen alle Daten der vorgegebenen Qualitat, so wird der Antrag im Anschluss an die Erfas-sung in die zentrale Betriebsabteilung weitergeleitet. Hier erfolgen von anderen Mitarbeitem des Untemehmens die Einstufung und die nachfolgende Policierung. Diese aufwendig gestaltete Ablauforganisation fiihrt nicht nur zu hohen Durchlauf-zeiten, sondem ist durch die Doppelarbeiten und dem Vorhalten von vielen Perso-nalkapazitaten sehr kostenintensiv. Durch die hohe Anzahl verschiedener Bearbei-tungsstationen ist diese Form der Geschaftsvorfallbearbeitung auBerdem wenig kundenorientiert, denn der Kunde hat mehrere Ansprechpartner im Untemehmen.

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Auswirkungen dieser komplexen Prozessorganisationen sind einerseits eine man-gelnde Effektivitat, das heisst es herrscht eine Intransparenz entlang der Wert-schopfungsstruktur mit geringen Wertschopfungsbeitragen; andererseits wirkt sich dies auch auf die Effizienz aus, denn diese arbeitsteiligen Prozessorganisationen erfordem einen hohen Informations- und Koordinationsaufwand. Dies flihrt zu Unproduktivitaten, mangelnder Motivation und damit zu hohen Durchlaufzeiten und Qualitatsproblemen.

Die Ausrichtung des Untemehmens auf die Kundenbediirfhisse erfordert ein um-fassendes Geschaftskonzept. Die gesamte Organisation wird konsequent an den Zielen der „Kundenzufriedenheit und -bindung" und der „Qualitat" ausgerichtet, sprich, die Geschaftsaktivitaten sind kundengetrieben und werden an den entspre-chenden Qualitatszielen orientiert (Booz Allen & Hamilton 1997, S.157).

Um diesen kundengetriebenen Geschaftsaktivitaten gerecht zu werden, ist in der Regel ein Business Process Reengineering des Untemehmens erforderlich. Die Prozesse sind so zu gestalten, dass einerseits eine integrierte Prozessverantwortung entsteht, anderseits die Prozesse aber auch anhand entsprechender Kennzahlen kontrollierbar werden.

1.2 Prozessoptimierung und -controlling im Rahmen des Marketing-Controlling

Komplexe Untemehmensentscheidungen erfordem den Einsatz leistungsfahiger Fiihmngskonzeptionen, welche die Untemehmensleitung wirksam unterstiitzen.

Diskontinuitaten, zunehmende Dynamik und Komplexitat der Marketingumwelt, wachsende UntemehmensgroBen und steigende Differenziemng der Marketing-fiinktionen erfordem hierbei gerade vom Marketing-Management eine hohe An-passungsflexibilitat und kennzeichnen die besondere Bedeutung einer effektiven Koordination innerhalb des Marketing, sowie zwischen Marketing und den ubrigen Funktionsbereichen der Untemehmung (Meffert 1994, S. 402), zum Beispiel Ver-trieb, Untemehmensentwicklung etc.

Im Rahmen umfangreicher strategischer Marketingprojekte, wie zum Beispiel der Ausrichtung des Untemehmens auf die Kundenbedtirfiiisse, kommt dem Marke­ting-Controlling eine besondere Bedeutung zu. Dies ist insbesondere auf die Not-wendigkeit zur Kombination der Daten des intemen Rechnungswesens mit spezifi-schen Marktforschungsinformationen, aber auch auf eine starkere Beriicksichti-gung nicht-monetarer ZielgroBen zurtickzufuhren. Im Anschluss an die Neuaus-richtung der Geschaftsprozessorganisation fallen dem Marketing-Controlling e-benso entsprechende Steuemngsaufgaben zu, denn die Prozesse sind im Unter-nehmen derart zu implementieren, dass sie kontinuierlich steuerbar werden (vgl. Abb. 10.2). Daflir ist es erforderlich, permanent die Prozessleistung zu messen und mit den entsprechenden Instmmentarien zu optimieren. Neben den wesentlichen Prozessparametem, wie zum Beispiel Prozesskosten, Prozessqualitat und Prozess-zeit, ist durch das Marketing-Controlling in gleichen Abstanden die Kundenzufrie-

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denheit im Untemehmen festzustellen, die sowohl den Prozesseigner als auch das Marketing-Management interessiert.

strategic

Prozess-optimierung

Ausrichtung des Untemehmens an den Kundenbedijrfnissen

Prozesskosten

Reduktion nicht wertschdpfender

latigkeiten

1 ProzessqualitSt

Reduktion nicht wertschOpfender

latigkeiten

J

Prozesszeit |

Reduktion nicht 1 wertschdpfender 1

Tdtigkeiten 1

Prozess- ' management/ -controlling i

Prozessleistung

• Prozesskosten • Prozessqualitat

• Prozesszeit

• Kundenzufriedenheit

Betroffene Organisationseinheiten

Geschaftsfuhrung

Interne Organisation/ Untemehmensentwicklung/

Strategisches Marketing

Prozessowner/ Prozessteams/ l\/larketing + Controlling

' Cross-Selling

' Untemehmenswert

Strategisches Marketing/ Marketing-Controlling

Abb. 10.2: Prozessoptimierung/ -controlling im Rahmen des Marketing-Controlling Quelle: eigene Darstellung

Kundenzufriedenheit, verursacht durch die vom Kunden wahrgenommene Qualitat der Untemehmensleistung, flihrt zu Loyalitat zum Untemehmen. Diese Kunden-treue driickt sich in der Absicht aus, die Geschaftsbeziehung weiterzufiihren, das Produkt wiederzukaufen und das Untemehmen weiterzuempfehlen. Diese Loyali-tatsauspragungen bestimmen den Wert des Kunden fur das Untemehmen und sind somit die Basis fur den langfristigen Untemehmenserfolg.

Der Marketing-Controller als Lotse liefert dabei die erforderlichen Informations-gmndlagen zu folgenden Fragestellungen:

• Mit welchen Kennzahlen steuem wir unser Untemehmen in den immer turbu-lenteren Markten?

• Wie identifizieren wir zukunftige Erfolgspotentiale?

• Wie hangen Leistungsangebot, Kundenzufriedenheit und Profitabilitat zusam-men?

• Mit welchen Kunden erzielen wir in Zukunft unsere Gewinne?

• Was kostet uns die Akquisition eines Neukunden und die Pflege eines Stamm-kunden?

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2 Geschaftsprozessoptimierung

2,1 Voraussetzungen

Business Process Reengineering setzt voraus, dass die Untemehmen einen GroB-teil der Weisheiten uber Bord werfen, die im Laufe der letzten zweihundert Jahre im Industriemanagement uberliefert warden. Es bedeutet, dass Untemehmen die Arbeitsweise des Zeitalters der Massenmarkte vergessen und sich uberlegen, wel-che Vorgehensweise heute optimal ware (Hammer/Champy 1996, S.13). Grund-voraussetzung zur Erzielung von Quantenspriingen in der organisationalen Leistungs- und Lemfahigkeit ist die Identifikation der kritischen und den unter-nehmerischen Erfolg bestimmenden Geschaftsprozesse. Effizienzsteigerung in relativ unbedeutenden Ablaufen ist kein sinnvolles Ziel. Kriterium fur die Auswahl der „entscheidenden" Prozesse (vgl. Abb. 10.3) muss die strategische Ausrichtung des Untemehmens sein. In vielen Reengineering - Projekten wurden Prozessopti-mierungen angestrebt, ohne dass eine konsequente Ausrichtung an der Strategic erfolgt ware. Dies ist vermutlich auch der Grund, warum es nach dem Kostensen-ken, Vereinfachen und Downsizing oft ungemein schwierig scheint, neue Wachs-tumsimpulse zu setzen.

Hoch

Stellenwert fur die Kundenzufrieden-heit

Niedrig

Probleme kurzfristig und pragmatisch beheben

Vernachlassigen Mittelfristig started 1

Niedrig Bedeutung fur die Unternehmensstrategie Hocii

Abb. 10.3: Matrix zur Selektion kritischer Geschaftsprozesse Quelle:Riekhofl998, S. 50

Wenn Prozess-Neugestaltung unabhangig von der Strategic, den Kundenbedurfiiis-sen, den Wettbewerbsvorteilen und den Kemkompetenzen eines Untemehmens erfolgt, dann ist zwar eine kurzfristige Ruckkehr in die Gewinnzone moglich; aber nur eine langfristige, vom Markt honorierte Leistung schafft Wettbewerbsvorteile und Wachstumsimpulse. Vor jeder Geschaftsprozessoptimiemng miissen daher als erster Schritt jene Geschaftsprozesse identifiziert werden, die fiir das Untemehmen

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jetzt Oder zukunftig wichtige Vorteile darstellen, die die Kundenzufriedenheit direkt oder nachhaltig beeinflussen und die im Zusammenhang mit den Kemkom-petenzen des Untemehmens stehen (Riekhof 1998, S.51).

2.3 Parameter der Geschaftsprozessoptimierung

Prozesse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch den Verbrauch von Res-sourcen einem Produkt einen Wert hinzufligen. Dieser Wert bestimmt sich vor dem Hintergrund der Anforderungen der Kunden des Prozesses. Versteht man unter Geschaftsprozessen wiederholbare und eindeutig abgrenz- und beschreibbare Ablaufe, die typischerweise dem (horizontalen) Arbeits- und Prozessfluss in einer Organisation folgen, so greifen diese uber Abteilungs- und Bereichsgrenzen hin-aus. Mit Ressourcen (Material, Personal etc.) als defmiertem Input und einem festgelegten Output (zum Beispiel Zahl der bearbeiteten Auftrage pro Tag) lassen sich messbare GroBen bestimmen, die eine Vergleichbarkeit oder ein Benchmar­king von Prozessen ermoglichen (Riekhof 1998, S. 48). Um Prozesse transparent und deren Leistung messbar zu machen, sind Prozesskennzahlen zu defmieren. Diese Prozesskennzahlen dienen im Rahmen des Prozesscontrolling beziehungs-weise -managements auch als Parameter zur Steuerung der Geschaftsprozesse. Die Performance eines Prozesses wird dabei durch die Auspragungen Zeit, Qualitat und Kosten bestimmt (vgl. Abb. 10.4).

Fehierrrate i

Prozesskosten

Ausgangssituation • Verbesserter Prozess Durchlaufzeit

Abb. 10.4: Parameter der Geschaftsprozessoptimierung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Gaitanides/Scholz/Vrohlings

Die Durchlaufzeit eines Prozesses ist die Zeitspanne vom Prozessbeginn bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das geforderte Prozessergebnis fflr exteme/inteme Kunden oder fur nachfolgende Prozesse verfugbar ist. Zum Prozessbeginn miissen alle

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Informationen, Daten und Materialien in der definierten Form vorliegen, die ein reibungsloser Ablauf erfordert. Bestandteil der Messung sind Bearbeitungszeiten, Liegezeiten und Transferzeiten, die sich zu der gesamten Durchlaufzeit eines Pro-zesses addieren. Erst die Kenntnis der so ermittelten Durchlaufzeit ermoglicht zum Beispiel innerhalb der Auftragsabwicklung die Angabe von verbindlichen Termi-nen.

Neben der Durchlaufzeit eines Prozesses ist die Prozessqualitat von maUgebender Bedeutung. Ob das Prozessergebnis den definierten Vorgaben entspricht - also die Frage nach der Qualitat des Ergebnisses - , ist davon abhangig, wie viele Fehler Oder Abweichungen im Prozess toleriert werden. Prozessqualitat ist in diesem Zusammenhang auf die bei der Leistungserstellung entstehenden Fehler reduziert. Sie ist nicht mit den Begriffen wie Total Quality Management oder Market Driven Quality gleichzusetzen. Die Erhebung der Abvy^eichungen nur auf den Prozessout-put des Gesamtprozesses zu beschranken, ist nicht ausreichend, da alle Fehler ausnahmslos im Ablauf des Prozesses beziehungsweise in den Subprozessen ent-stehen und durch rechtzeitige Erfassung fruhzeitig erkennbar sind. Die Messung von zum Beispiel Verwaltungsprozessen muss daher analog zu den Fertigungspro-zessen prozessbegleitend erfolgen.

Bei den Prozesskosten betrachtet man den gesamten Ressourceneinsatz, der zur Erbringung der Prozessleistung erforderlich ist, wie zum Beispiel Gebaudekosten, Gehalts- und Gehaltsnebenkosten, Kosten fur die Datenverarbeitungssysteme etc. Die Zuordnung dieser Kosten auf Prozesse und Teilprozesse erfasst die tatsachli-chen Kosten einer Transaktion wie zum Beispiel die Kosten einer Rechnung in der Auftragsabwicklung. Die Performance eines Prozesses wird somit also durch die Parameter Zeit, Qualitat und Kosten bestimmt. Prozessanderungen, die sich aus-schlieBlich auf einen der drei Leistungsparameter, zum Beispiel die Durchlaufzeit, konzentrieren, konnen daher die Prozesskosten oder das Qualitatsniveau negativ beeinflussen (Gaitanides/Scholz/Vrohlings 1994, S. 58/59).

2.4 Methodisches Vorgehen

2.4.1 Vorgehensmodell

Grundsatzlich hat sich ein auf Kostensenkung und Effizienzsteigerung ausgerichte-tes Projekt an vier Kemfragen zu orientieren:

• Bestehen Effizienzsteigerungsmoglichkeiten durch Veranderung der Ablauf-organisation?

Hier ist zu hinterfragen, inwieweit die Kemablaufe im Untemehmen effizien-ter gestaltet werden konnen, zum Beispiel durch die Reduzierung der Durch-laufzeiten, die Vereinfachung komplexer Schnittstellen etc. Dabei kommt der Betrachtung der extemen Schnittstellen, wie zum Beispiel zu den Herstellem und Lieferanten, eine besondere Bedeutung zu. Hier handelt es sich haufig um Schnittstellen, die nur begrenzt beeinflussbar sind, denn diese sind ab-

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hangig von der Kooperationsbereitschaft der Lieferanten beziehungsweise Hersteller.

• Gibt es Funktionen mit ineffizientem Ressourceneinsatz?

Neben den Effizienzsteigerungsmoglichkeiten durch die Veranderung der Ablauforganisation bestehen weitere Effizienzpotentiale im optimalen Ein-satz der Ressourcen entlang der Prozessorganisation. Dabei ist zu priifen, in-wieweit der Leistungsumfang ohne Verschlechterung des Kundennutzens kostengunstiger gestaltet werden kann.

• Entspricht die Struktur einer wettbewerbsfShigen Abwicklung der Kem-Prozesse?

Entlang der Kemprozesse ist die Ansiedlung der Funktionen hinsichtlich ih-rer ZweckmaBigkeit zu untersuchen und zu Uberlegen, inwieweit eine Reduk-tion der Hierarchie durch weitgehende Dezentralisierung von Verantwortung moglich ist.

• Wie gestaltet sich das Geschaftssystem?

Hier sind die Kostentreiber der Organisation im Hinblick auf die Verflech-tung zwischen den Funktionsbereichen zu identifizieren und durch geeignete MaBnahmen zu optimieren. Die Geschaftsprozessoptimierung (Business Pro­cess Reengineering) im Untemehmen stellt sowohl hinsichtlich der Komple-xitat, denn das gesamte Untemehmen wird uberpruft, als auch im Hinblick auf den kurzen Zeitraum, in dem das Projekt abgewickelt werden muss, ex-trem hohe Anforderungen an das Management. Dem kann das Management nur durch methodisches Vorgehen und einer „generalstabsmaBigen" Planung und Abwicklung des Projektes begegnen.

Das Projekt sollte sich in drei Phasen gliedem, die sequentiell abgearbeitet wer­den. Innerhalb der Phasen bietet sich vor dem Hintergrund des ehrgeizigen Zeit-planes ein paralleles Vorgehen an. Es ist sinnvoll, vor dem Start des Projektes eine Vorphase zu schalten. Hier werden die Weichen fur eine zielorientierte Projektar-beit gestellt (vgl. Abb. 10.5).

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Vor-phase

X Unternehmensanalyse \ "

~ V Analyse der \ Ablauforga- J nisation g

• Durchlaufeeiten • Schnittstellen • Kompetenzen

Analyse der \ Aufbauorga- g nisation /

Funktionen KapazitStsbindung

3. \ • Erfoigs Analyse des \ • StSrke Geschafts- I . Kosten systems i e^dge-

zzzr Erfolgsfaktoren StSrken/Sch\A/achen Kostenstruktur und Budgetierung .

Optimierung

^ Prozessoptlmierung\

• Effizienzstelgerung durch Veranderung der Kemabiaufe

• Schnlttstellen-optimlerung

Kostensenkung u. Strukturoptimlerung )

• Neuausrichtung der Strukturorganjsation

Y Umsetzungsplanung \

f Zlelkonzeptionen

der Ablauf- und Auf- '

bauorganlsatlon

• DurchlLihrung von

Sofortmafinahmen

• Design neuer Prozess^

• VorschlSge zur

k Frem ver abe ^ ^

• MaBnahmenver- \

folgungsplSne \

' Meilensteine / Ergebnis- \

vorgaben \

• Umsetzungsorganisation \

• Planung personeller \

Mafinahnnen / Qualifikatlon ^

• Festlegung der ^

VerantNA/ortlichkeiten ^

• Kommunikatjon der ^

Ergebnisse jf

Abb. 10.5: Phasenweises Vorgehen bei der Geschaftsprozessoptimierung Quelle: Eigene Darstellung

In der Vorphase, die je nach UntemehmensgroBe vier Wochen nicht uberschreiten sollte, wird in einem ersten Schritt ein Audit der Untemehmensstrategie durchge-fiihrt. Im Rahmen der Pilotgesprache mit den Fuhrungskraften des Untemehmens werden neben der Untemehmensstrategie detailliert die Projektziele aufgenommen und diskutiert. AnschlieBend erfolgen die Auswahl der zu untersuchenden Organi-sationseinheiten und die damit verbundene Feinplanung des Projektes. In der Feinplanung des Projektes werden die Ergebnistypen der einzelnen Phasen festge-legt und mit den entsprechenden Meilensteinen versehen. Im Rahmen der Pilotin-terviews mit den Fuhrungskraften ist es sinnvoll, die entscheidenden Erfolgsfakto­ren zur generellen Ableitung der Anforderungen an die Aufbau- und Prozessorga-nisation zu diskutieren und in die Projektplanung einflieBen zu lassen. In dieser Phase wird die Projektorganisation im Untemehmen im Rahmen von Kick-Off-Veranstaltungen installiert. Die Auswertung erster intemer Unterlagen fuhrt zum Aufstellen erster Ergebnishypothesen, die im weiteren Verlauf des Projektes suk-zessive angepasst werden.

Der Unternehmensanalyse kommt eine entscheidende Bedeutung zu, denn anhand der erarbeiteten Ergebnisse erfolgt die Bewertung der 1st-, Prozess- und Aufbauor-ganisation. In einem ersten Schritt werden die Kundenanforderungen nach Zeit, Qualitat und Kosten als Kriterien fiir die Prozessgestaltung aufgenommen. Dabei ist es notwendig, nicht die interne Sicht aus den einzelnen Fachbereichen, sondem vielmehr die exteme Sicht auf den Kunden durch Kundenbefragungen zu erfassen. Dieses fuhrt in den meisten Untemehmen regelmaBig zu Irritationen, denn man glaubt haufig, alle Kundenanfordemngen zu kennen. In ersten Workshops erfolgt die Definition und Vorstrukturiemng der Kemprozesse. AnschlieBend erfolgt die

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detaillierte Aufiiahme der ausgewahlten Kemprozesse des Untemehmens sowie der Aktivitaten in den einzelnen Kostenstellen. Wahrend die Kemprozesse in der Regel im Rahmen von Workshops aufgenommen werden, wird man die Aktivita­ten in den Kostenstellen mit einem entsprechenden Funktionserhebungsbogen erfassen. Auf Basis der Kostenstellen und Ergebnisse der Funktions- und Prozess-analyse werden die Prozesskosten ermittelt. Das Geschaftssystem wird mit Inter­views Oder Fragebogen zielgerichtet mit samtlichen Mengen- und Kostenstruktu-ren abgebildet. Parallel zur Erfassung aller notwendigen intemen Daten bietet es sich an, entsprechende Benchmarking-GroUen der Wettbewerber zu erheben. Die Bewertung der vorhandenen Ablauf- und Aufbauorganisation vor dem Hintergrund des Kundennutzens sowie der Kosten, Durchlaufzeiten, Qualitat als auch des Stan-dardisierungs- und Automatisierungsgrades bilden den Abschluss der Untemeh-mensanalyse.

In der Optimierungsphase sind zuerst die Gestaltungsziele und -prinzipien fiir die Prozess- und Aufbauorganisation abzuleiten. Hier werden die Kriterien fur eine sinnvolle Aufgabenbiindelung festgelegt und Fragestellungen der Aufgabenzentra-lisierungZ-dezentralisierung sowie des Standardisierungs- und Automatisierungs­grades gepruft. Ftir ausgewahlte Prozesstypen sind Musterprozesse zu erarbeiten und entsprechende Musterstrukturen ftir die Organisationsbereiche abzuleiten. Das Sollprozessdesign erfolgt durch fachbereichsubergreifende Workshops und Team-sitzungen. Auf Basis dieser Musterprozesse und -strukturen werden die Zielkon-zeptionen fur die Aufbau- und Ablauforganisation erstellt. Neben der Abschatzung der Wirtschaftlichkeitspotentiale stellt die Sicherung einer untemehmensweiten Kommunikation der Ergebnisse einen wesentlichen Aspekt der Optimierungsphase dar.

Im Anschluss an die Optimierungsphase erfolgt die Umsetzungsplanung der erar-beiteten Zielkonzeptionen. Dafur sind in einem ersten Schritt die MaBnahmen hinsichtlich des Umsetzungszeitraumes und der Prioritat, die anhand von Kriterien gebildet werden, in einem MaBnahmenportfolio (vgl. Abb. 10.6) zuzuordnen. An-schlieBend sind Umsetzungsplane zu erstellen, die Ergebnistypen, Termine und Verantwortliche der MaBnahmen enthalten.

Page 188: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

Maftnahmenportfolio

175

1. Detaillierte Sollprozesse erarbejten

2. Detaillierte Aufbauorganisation erarbeiten

3. Serviceziele fiir das Kundenservicecenter

ausgestalten

8. ISU-Einfuhrung sicherstellen

9. Reorganisation der RIVA-Daten

4. Entscheidungsvorlage fur „neue

Geschaftsfelder" erarbeiten

5. Strategisches Controlling-lnstrumentarium

erarbeiten

10. Uberleitung der Mitarbeiter in die neue

Stmktur

7. Abldsung der nicht benOtigten Anwendungen 6. Ausstattung des Kundenservicecenters mit

Hardware und Software

11. Konzepterstellung zur Personalentwicklung

kurzfristig mittelfristig

Abb. 10.6: Beispiel eines MaUnahmenportfolios Quelle: Eigene Darstellung

Um die MaBnahmen zu „controllen", ist eine Umsetzungsorganisation zu imple-mentieren. AbhSngig von den MaBnahmen ware hier eine Umsetzungsorganisation mit Projektleitung und einem entsprechenden Lenkungsausschuss denkbar.

Um den Erfolg eines solchen Projektes zu sichem, sind einerseits eine hohe Ak-zeptanz bei den Ftihrungskraften und Mitarbeitem des Untemehmens sicherzustel-len und andererseits der enge Terminplan in der Projektabwicklung einzuhalten. Zur Sicherstellung einer hohen Akzeptanz und Durchdringung im Untemehmen sind die entscheidenden Mitarbeiter in die Projektgruppen zu involvieren und eine intensive untemehmensweite Kommunikation, zum Beispiel iiber den Untemeh-mensbrief, durchzufuhren.

2.4.2 Instrumente

Die Geschaftsprozessoptimierung erfordert den Einsatz verschiedener Instrumente, die im Rahmen der Untersuchung das gesamte Untemehmen transparent machen. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Funktions-, Kostenstruktur- und Prozessanalyse (vgl. Abb. 10.7).

Page 189: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

176

Inhalt

Ergebnisse

Ziele

Funktionsanalyse 1 1 Prozessanalyse

• Aufgabenwahmehmung in i der Organisationseinheit 1

• Mengengeriist 1 - Entwicklung der MA-Anzahl i - Periodizitat der Hauptaktivitmen i - Anzahl der beteiligten MA i

- Dauer der TStigkeit 1

• Art der Systemunterstutzung 1

• ProzeBbeteiligung 1

• Doppelarbeiten in den Organi- 1 sationseinheiten 1

• Artfremde TStigkeiten in den 1 Organisationseinheiten 1

• Gebundene Kapazitaten 1

• Identifizieren der Kernabiaufe '

• Beteiligte Organisationsein­heiten

• Mengengeruste - Durchlaufzeiten

• Kompetenzverteilung

• Schnittstellenbeherrschung

• Schwachstellen bzgl. der invol-vierten Organisationseinheiten

• Verantwortlichkeiten

• Optimierung Aufbauorganisation i • Prozessoptimierung

1 Kostenstrukturanalyse |

• Gesamtkosten 1 (Primarkosten) 1

• Personalkosten 1

• Betriebsmittelkosten 1

• Investitionskosten I

• Kostentreibende Faktoren in 1 den Organisationseinheiten i

• Kostentreibende Prozesse 1

• Kostensenkung 1

Abb. 10.7: Instrumente der Geschaftsprozessoptimierung Quelle: Eigene Darstellung

Mit Hilfe der Funktionsanalyse wird die Aufgabenwahmehmung in jeder Organi-sationseinheit/Kostenstelle (Abteilung, Bereich) uberpruft. Dabei erfasst man fur jede Haupttatigkeit/Tatigkeit die Periodizitat, die Dauer und Anzahl der beteiligten Mitarbeiter. Femer ist die Entwicklung der Mitarbeiterzahl uber einen bestimmten Zeitraum sowie die Art der Systemunterstutzung bei der Durchfuhrung der Haupt-tatigkeiten/Tatigkeiten relevant. Die Funktionsanalyse ermoglicht, vorausgesetzt die Erhebungsbogen sind klar strukturiert und fiir den Empfanger leicht verstand-lich, Aussagen hinsichtlich der in einer Organisationseinheit gebundenen Kapazita-ten, der Doppelarbeiten oder etwa artfremder Tatigkeiten.

Die Prozessanalyse deckt die Schwachstellen hinsichtlich der involvierten Organi­sationseinheiten entlang des Prozesses auf. Die in der Vorphase identifizierten Kemprozesse werden im Rahmen mehrerer Workshops und/oder Interviews mit Hilfe eines entsprechenden Erfassungsbogens aufgenommen. Neben den beteilig­ten Organisationseinheiten in den Kemprozessen werden die Durchlaufzeiten sowie die Schnittstellenbeherrschung erfasst. An den einzelnen Schnittstellen wird in eine dafiir vorgesehene Kompetenzverteilungsmatrix nach dem IBZED - Sche­ma (Information, Beratung, Zustimmung, Entscheidung, Durchfuhrung) die Kom­petenzverteilung des Prozesses aufgenommen. In Kombination mit den anderen erfassten Daten lasst sich relativ einfach nachvollziehen, an welchen Stellen der Kemprozess Schwachstellen aufweist.

In der Kostenstrukturanalyse werden die Gesamtkosten, Personalkosten, Be­triebsmittelkosten, Investitionskosten etc. analysiert, um einerseits die kosten-treibenden Faktoren in den einzelnen Organisationseinheiten transparent zu ma-chen und anderseits in Verbindung mit der Funktions- und Prozessanalyse die Prozesskosten zu ermitteln. Nur eine Kombination aller drei Instrumente im Rah­men einer Geschaftsprozessoptimierung erm5glicht dem Management die optimale Transparenz uber das gesamte Untemehmen.

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177

2.4.3 Aufgaben und Funktionen der Projektorganisation

Eine wesentliche Voraussetzung zur Erreichung der gesetzten Ziele, namlich die effektive und effiziente Abwicklung einer Geschaftsprozessoptimierung mit einer hohen Ergebnisqualitat, ist ein effizientes Projektmanagement mit einem Len-kungsausschuss als Steuergremium.

Abb. 10.8 zeigt eine mogliche Variante einer Projektorganisation fur ein Business Process Reengineering - Projekt im Untemehmen.

Vorstatul / GesdiMftsfXIhrung

Lenkungsausschuss

V\firtschaftsausschuss

Projektieitung

Kemteam Kunde/Extem

Prozessbezogene Arbeitsgruppen

• Projektsteuerung und -uberwachung (ca. 4-w6chentliche Sitzungen)

• Bestimmung der Informationspolitik

• Festlegung weiterer Vorgehensweise/ Projektschwerpunkte und -ziele

• Teamleitung

• Konzeptionelle Vorgaben/Methodik

• RegelmSftiges Reporting an den Lenkungsausschuss

fli • Analysen

• Statusberichte

• Erarbeiten des Konzeptes

Abb. 10.8: Mogliche Projektorganisation fur die Geschaftsprozessoptimierung Quelle: Eigene Darstellung

Projekte dieser Komplexitat erfordem die Einbindung des Vorstandes bezie-hungsweise der Geschaftsflihrung in den Lenkungsausschuss. Wird man in dem Vorhaben von einem extemen Beratungshaus unterstUtzt, so ist hier ebenfalls die entsprechende Kompetenz im Lenkungsausschuss vorzusehen. Der Lenkungsaus­schuss ist Steuerungs- und LFberwachungsgremium. Hier werden die Informations­politik sowie die weitere Vorgehensweise, die Projektschwerpunkte und -ziele festgelegt. Der Lenkungsausschuss sollte regelmafiig zusammenkommen (ca. alle 4 Wochen), um die erarbeiteten Ergebnisse durch die Projektieitung vorstellen zu lassen, um eventuell steuemd eingreifen zu konnen. Des Weiteren hat er die Auf-gabe, den Betriebsrat beziehungsweise den Wirtschaftsausschuss zu informieren Oder sogar aktiv ins Projekt einzubinden.

Page 191: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

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Die Projektleitung hat die Aufgabe, die Projektteams zu fiihren. Um qualitativ hochwertige Konzepte zu entwickeln, sind von der Projektleitung nicht nur die konzeptionellen Vorgaben zu machen, sondem dementsprechend auch die Metho-dik vorzugeben. Des Weiteren hat sie regelmaBig die Zwischenergebnisse an den Lenkungsausschuss zu reporten.

Durch das Kemteam beziehungsweise die prozessbezogenen Arbeitsgruppen wer-den die Analysen durchgefiihrt, Statusberichte fur die Projektleitung erstellt und die Konzepte erarbeitet.

2.5 Wirtschaftliche Bewertung der optimierten Geschaftsprozesse

Fur die Abschatzung der GroBenordnung der wirtschaftlichen Vorteile der „SOLL - Prozessorganisation" gegenliber der „IST - Prozessorganisation" ist eine Kon-zentration auf die Veranderungseffekte aus der SOLL - Prozessorganisation not-wendig (vgl. Abb. 10.9).

S^sohr^ibung KemprozedS^

Kosten-charaide*

ristik

Service-q u a l M

• Wie andern sich die Alctivitaten / Arbeitsscliritte?

Quelle: Elgene Darstellung

L Auswir-l<ungen zur SQ

Trennung in fixe und variable Bestandteile

- Wie andern sich die Kosten infolge des geanderten Einsatzes der (VIA?

'—Welclie Auswirltungen liaben die geSnderten Alctivitaten, involvierte OE's, Zeiten auf die Leistungsmengen?

- Wie andern sicli die Zeiten infolge geanderter Arbeitsmittel? Welche Auswirkungen haben geanderte AS bzw. OE's auf die Zeiten?

Inwieweit werden neue Arbeitsmittel eingesetzt? Inwieweit andert sich die Involvierung von OE's bzw. MA im ProzelS?

Abb. 10.9: Auswertungsaspekte fiir die wirtschaftliche Bewertung der Beschaftsprozesse Quelle: Eigene Darstellung

Generell ergeben sich flir die wirtschaftliche Bewertung der SOLL-Prozesse im Abgleich mit den IST-Prozessen mehrere Auswertungsaspekte. Im Sinne eines effizienten und zielorientierten Vorgehens geniigt es, sich bei der wirtschaftlichen Betrachtung der SOLL-Prozesse auf das Delta zwischen IST- und SOLL-Prozes-sen zu konzentrieren. Das Delta in der IST-/ SOLL-Geschaftsprozessorganisation

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kann aus einzelnen Prozessaktivitaten resultieren oder auch im Gesamtprozess liegen. Zur Bewertung der SOLL-Geschaftsprozesse im Abgleich mit den IST-Ge-schaftsprozessen ist ein sukzessives Vorgehen zielfiihrend. Da es sich in der Regel um eine neue Prozessorganisation handelt, sind zuerst die geschnittenen und weg-gefallenen Organisationseinheiten zu ermitteln. AnschlieBend werden die benotig-ten Kostensatze erfasst. Dafur sind die betroffenen Kostenstellen festzulegen, das heisst diejenigen, die wegfallen und diejenigen, die geschnitten werden. Im nachs-ten Schritt wird das Delta zwischen der IST- und SOLL-Prozessorganisation berechnet und die Einsparungen uber den gesamten Prozess ermittelt.

3 ProzessmanagementZ-controUing im Unternehmen

3.1 Voraussetzungen zum Messen der Prozessleistung

Kennzeichen eines adaquaten MeUsystems ist es, dass neben der Erhebung einzel-ner, fur den Prozess relevanter Kennzahlen der Gesamtprozess und damit alle Subprozesse erfasst werden und ganzheitlich zu einem Measurementkonzept ein-gebunden sind (Gaitanides/Scholz/Vrohlings 1994, S. 67).

Die elementare Bedeutung der Prozesskennzahlen fiir eine effiziente und wir-kungsvoUe Prozesssteuerung erfordert ein nach einheitlichen Kriterien entwickel-tes MeBsystem. Dabei sind prinzipiell zwei Gesichtspunkte zu beachten:

• Es muss gewahrleistet sein, dass die gewahlten Indikatoren die tatsachliche Performance der Prozesse erfassen. Bei der Auswahl und der Definition von Messkriterien sind die Kundenanforderungen und untemehmensinteme Aspek-te zu beriicksichtigen.

• Der Prozesseigner darf nicht durch die Fulle der erhobenen Messwerte die faktisch erworbene Transparenz wieder verlieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Indikatoren nach identischen Kriterien (top - down) zu definieren, so dass einerseits die Prozessmerkmale vollstandig erfasst sind, aber anderseits redundante, unwesentliche oder zu detaillierte Messwerte nicht die Komplexi-tat der Aussagen erhohen und die Aussagekraft reduzieren (Gaitanides/ Scholz/Vrohlings 1994, S.60/61).

Ist die Prozessarchitektur definiert, so stellt sich zunachst die Frage, nach welchen Kriterien Indikatoren festzulegen sind.

Ausgehend vom Prozessoutput sind die Leistungsvereinbarungen mit den extemen oder intemen Lieferanten abzuschlieBen, damit der Prozessinput, die Verarbeitung und der Prozessoutput fehlerfi'ei, kostengUnstig und termingerecht zu realisieren sind. Der Prozessoutput reprasentiert die Eingangsschnittstelle und der Prozess­output die Ausgangsschnittstelle eines Prozesses oder Subprozesses. Prozess-schnittstellen (oder besser Prozessnahtstellen) sind von elementarer Bedeutung fiir

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die Performance eines Prozesses. Sie bilden daher die Ausgangspunkte fiir die Implementierung eines MeBsystems (Gaintanides/Scholz/Vrohlings 1994, S. 64).

3.2 Methodisches Vorgehen bei der prozessorientierten Kostenrechnung

Traditionelle Kostenrechnungssysteme sind auf Grund ihrer funktionellen Orien-tierung nur bedingt in der Lage, dem Management sowie dem Prozessverantwortli-chen Kosteninformationen uber prozessuale, abteilungsubergreifende Vorgange zur Verfugung zu stellen (Mayer/Lingscheid 1993, S. 73). Eine prozessorientierte Untemehmensorganisation erfordert daher auch eine Umorientierung des intemen Rechnungs- und Berichtswesens. Die Allokation der Kosten - insbesondere der Gemeinkosten - auf die einzelnen Teilprozesse kann dabei von der Prozesskosten-rechnung wirksam unterstutzt werden.

Prozessorientierte Kostenrechnungssysteme haben die Kosten so zu ermitteln, dass diese bereichs- und kostenstellenubergreifend den einzelnen Prozessketten zuge-ordnet werden konnen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Kosten in den sogenannten indirekten Leistungsbereichen: Vorbereitende, planende, steuemde, uberwachende und koordinierende Tatigkeiten in F&E, Beschaffiing, Logistik, Produktionsplanung, Auftragsabwicklung usw. gewinnen im Vergleich zu der „eigentlichen" Produktionsaufgabe immer mehr an Bedeutung (Horvath/Mayer 1989, S. 214). Die daraus resultierenden Kosten werden meist in undifferenzierter Form als Gemeinkosten erfasst, aufgeschlUsselt und auf die Endprodukte zuge-schlagen; dass eine solche nicht verursachungsgerechte Kostenumlage Fehler in der Produkt- und Preispolitik und erhebliche Fehlentscheidungen herbeifuhren kann, ist offensichtlich (Coenenberg/Fischer 1991, S. 21). Bedenkt man, dass in vielen Untemehmen die Gemeinkosten bis zu 80% der Selbstkosten ausmachen (Osterloh/Frost 2000, S. 358), so wird die Notwendigkeit einer Neuorientierung von Kostenrechnungssystemen besonders deutlich. Die Anwendung der Prozess-kostenrechnung in Verbindung mit dem Business Process Reengineering kann dabei in erheblichem MaBe dazu beitragen, die Kosten der indirekten Leistungs-bereiche zu erfassen und zu steuem.

Das Grundprinzip der Prozesskostenrechnung besteht in der Zerlegung der Tatig-keiten in den Gemeinkostenbereichen in Teilprozesse (Aktivitaten) und der Bil-dung eines verursachungsgerechten Kostensatzes je Teilprozess. Die Kosten indi-rekter Aktivitaten soUen leistungsorientiert auf die verschiedenen Teilprozesse verteilt werden; nur solche Kostentrager, welche die einzelnen Teilprozesse bean-spruchen, werden mit den entsprechenden Gemeinkosten belastet. Auf diese Weise lasst sich der Ressourcenverbrauch spezifischer Auftrage wesentlich genauer den einzelnen Aktivitaten zuordnen als bei traditionellen Kostenrechnungssystemen (Winz 1996, S. 34); insbesondere wird gewahrleistet, dass die Gemeinkosten bei denjenigen KostentrSgem beriicksichtigt werden, fur die sie entstehen.

Page 194: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

181

Zur Ermittlung der Prozesskosten ist folgendermaBen vorzugehen:

1. Ableiten von Hypothesen uber die Hauptprozesse und Cost Driver,

2. Funktionsanalyse in den Kostenstellen und Verdichtung der Aktivitaten zu Teilprozessen und MessgroBen,

3. Zuordnung der Kapazitaten und Kosten,

4. Verdichtung von Teilprozessen zu Hauptprozessen (vgl. Abb. 10.10) und Ermittlung der Kostensatze.

Hauptprozess 1

Material beschaffen

mm > :

Hauptprozess 2

Produktion >

Verdichtung der Teilprozessen zu IHauptprozessen

1 i ^ Tellprozess 2 ^ Teilprozess z\ ) Teliprozess 1 J , ) Teilprozess 1 ^ Teilprozess 1 \ £ / / / i L. / ^ / Teilprozess 1

Matertat Hilis- und iaeirSke urtd einkaufen Betri^sstolfe Aniagen

H09temmi^v,mm^iif

MateHaliJefsmngen entfegennehm^n

Kost^n i lie^S; W^rweonalime

Verdichtung zu Teilprozessen

Funktionsanalyse

Material lagiem IHilfS'* und

la^em

KQ&teni9telle 9: Uger

Abb. 10.10: Prinzip der Prozessverdichtung bei der Prozesskostenrechnung Quelle: Eigene Darstellung

Der Prozesskostenrechnung schlieBt sich das Prozessmanagement in Form konkre-ter Prozessgestaltungs- und -verbesserungsmaBnahmen an. Organisatorische Schwachen und unwirtschaftliche Ablaufe werden aufgedeckt und kostenmaBig transparent gemacht; Ziel ist die Beseitigung von „Blindleistungen", das heisst solcher Teilprozesse, die nicht wertschopfend, sondem ausschlieBlich ressourcen-verbrauchend sind und an sich vermeidbar waren; dadurch soil die Effizienz der gesamten Prozesskette gesteigert werden. Beispiele hierfur sind Mehrarbeit auf-grund ungenauer Bedarfspezifikationen, Bestellanderungen u.a. (Mayer/Ling-scheidt 1993, S. 74).

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182

3.3 Einsatzmoglichkeiten der prozessorientierten Kostenrechnung im Rahmen des Prozessmanagements

Bei der Prozesskostenrechnung ist zuerst die Entscheidung hinsichtlich der Einsatzbereiche und Moglichkeiten dieses Instrumentes zu treffen. Die Informatio-nen aus der Prozesskostenrechnung sind in der Umsetzung einer Prozessorganisa-tion zu verwerten und zur Steuerung des Prozessmanagements zu nutzen. Die Prozesskennzahlen bieten auBerdem die Moglichkeit des Prozessbenchmarking; damit konnen die intemen Prozessteams sowohl innerhalb des Untemehmens als auch mit den Wettbewerbem verglichen werden. Durch die Kenngrofien aus der Prozesskostenrechnung und die Impulse aus dem Prozessbenchmarking erhalt der Prozessverantwortliche konkrete Ideen fiir die Veranderung der Prozesse. Pro-zessmanagement hat auf Grund dieser Analysen die Aufgabe, die Prozesse nicht nur zu verbessem, sondem anhand des Komplexitatsmanagements neue Wege fiir eine moglichst einfache Gestaltung der ProzessablSufe zu fmden.

FUr den konkreten Einsatz als Kostenmanagementsystem ergeben sich drei unter-schiedliche Ansatzpunkte:

• Realisieren der Wirtschaftlichkeitspotentiale nach einer umfangreichen Ge-schaftsprozessoptimierung.

• Die Prozesskostenrechnung kann als permanentes (zum Beispiel im Jahres-rhythmus) eingesetztes Planungs- und Steuerungsinstrument dienen, wenn man die Ist- Prozessmenge und die Ist-Kosten gegeniiberstellt und die Unterauslas-tungen sichtbar werden.

• Sind die Cost Driver bekannt, so konnen langfristig wirkende Kostensen-kungsmafinahmen abgeleitet werden (Mayer 1998, S.19).

Nach der Durchfuhrung der Erstanalyse und Prozesskostenermittlung kann die Einbindung der Prozesskosten in die laufende Jahresplanung erfolgen (vgl. Abb. 10.11). Dabei ist zu beachten, dass der Ablauf nicht einmalig sequentiell erfolgt, sondem dass es Rtickwirkungen zwischen den simulierten Kosten- und Kapazitats-auswirkungen und den Abstimmungen mit dem Kostenstellenleiter geben kann. Diese Abstimmungen iiber Budget und MaBnahmen bilden wiederum die Planbasis fiir das folgende Jahr und wirken sich dementsprechend auf die emeute Hauptpro-zessverdichtung aus. Eine solche Vorgehensweise erlaubt es, Rationalisierungszie-le und Veranderungen des Arbeitsvolumens auf Hauptprozessebene, aber auch auf die Kostenstellen bezogen, auseinander zu halten und deren Kostenkonsequenzen aufzuzeigen. Damit wird die Planung in den Gemeinkostenbereichen versachlicht, weil ein Preis- und Mengengerust zugrunde liegt (Mayer 1998, S. 20).

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• Organisatorische Anderungen

• DV - Anderungen

Oberprufen der Aktuali-t^t der Prozessstruktur

und Kostenstellen

Preissteigersprozent-satz pro Kostenstelle

Neue Hauptprozess-verdichtung

• bezieht sich auf den Durch-schnitt der je-weiligen Kosten-struktur

Definition von Rationalisierungs-

zielen

Planbasis fur folgendes Jahr

Ermittlung der Menge je Hauptprozess

I Simulation der Kosten-

und Kapazitatsaus-wirkungen

Korrektur-iaufe

Abstimmung mit Kostenstellenleitern

• Anzahl der Durchfuhrungen

• Fur jede Kostenstelle • geplante (neue) Mengen und geplante (neue) Hauptkosten-satze

• Malinahmen

Abb. 8.11: Einbindung der Prozesskostenrechnung in die laufende Jahresplanung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Horvath/Mayer

AbschlieBend bleibt festzustellen, dass eine effektive und effiziente Steuerung des Untemehmens nur in der Verzahnung aus Business Process Reengineering und anschliefiendem Prozesscontrolling moglich erscheint. Innerhalb dieser Aktivitaten kommt dem Marketing-Controlling eine entscheidende Rolle zu, da hier die Naht-stelle zwischen Untemehmensflihrung und Kunde geschlossen wird.

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Literatur

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Booz Allen & Hamilton: Telekommunikation in der Welt von morgen, 3. Aufl., Frankfurt 1997

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Gaitanides, M./Scholz, R. /Vrohlings, A.: Prozessmanagement, Frankfurt 1994

Hammer, M./Champy, J.: Business Reengineering, 6. Aufl., Frankfurt, 1996

Hirzel, M: Erfolgsfaktor Prozessmanagement. Aus: Prozessmanagement in der Praxis / Matthias Hirzel ... (Hrsg.). - 1. Aufl. - Wiesbaden : Gabler ; 2005. - graph. Darst. -2005. - Umfang: S. 11-22, 2005

Horvath, P./Mayer, R.: Prozesskostenrechnung, in: Controlling, Nr.4, 1989

Mayer, RJLingscheidt, A.: Prozesskostenmanagement als Total-Quality-Baustein, in: io Management Zeitschrift, 62. Jg. Nr. 9, 1993

Mayer, R: Prozesskostenrechnung, hrsg. Von der Horvath & Partner GmbH, Stuttgart, 2. Aufl., Munchen 1998, S. 3-27

Meffert, H: Marketing - Management, Wiesbaden, 1994

Menden, B.: Prozesscontrolling. In: Controller-Magazin. - Offenburg, Worthsee, MUnchen. - 29. 2004, 2. - Umfang: 101-106, 2004

Neumann, S.; Probst, C.; Wernsmann, C.: Kontinuierliches Prozessmanagement. Aus: Prozessmanagement / J5rg Becker... Hrsg. - 5., iiberarb. und erw. Aufl. - Berlin [u.a.] : Springer ; 2005. - graph. Darst. - Umfang: 299-325, 2005

Osterloh, M./Frost, J. : Prozessmanagement als Kemkompetenz, 3. Aufl Wiesbaden 2000

Riekhof, H C: Die Beschleunigung von Geschaflsprozessen: Basis fiir operative Efflzienz, in: Industrie Management 14, 1998

Winz, G.: Prozessorientierte Modellbildung logistischer Ablaufe, in: Erfolgsfaktor Logis-tikqualitat, H.-P. Wiendahl (Hrsg.), Berlin, 1996

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Kapitel 11 Projekt-Marketing-ControUing

Florian Hiller/Philipp Kinkel

1 Einleitung

1.1 Begriff Nach DIN 69901 versteht man unter einem Projekt ein Vorhaben, das "im Wesent-lichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeich-net ist, wie zum Beispiel die Zielvorgabe, zeitliche, finanzielle, personelle und an-dere Begrenzungen, Abgrenzung gegeniiber anderen Vorhaben, projektspezifische Organisation." Projekte zeichnen sich also durch eine komplexe, budgetbeschrank-te und einmalige Aufgabenstellung aus und grenzen sich somit ab gegenuber Rou-tinetatigkeiten. Daher ist auch der Losungsweg oft nicht vollstandig klar und ein-deutig planbar. Im Verlauf eines Projektes konnen immer wieder unbekannte Va­riable und Schwierigkeiten auftauchen, die anfangs noch nicht einschatzbar waren. Hinzu kommt, dass Projekte hSufig gekennzeichnet sind durch die fachiibergrei-fende Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter oder Abteilungen. Diese verfiigen nicht selten Uber ganz unterschiedliche individuelle Ziele und Denkmuster und es kommt moglicherweise zu Kompetenziiberschreitung. Umso wichtiger ist eine dem Projekt angemessene eigene Organisationsform, die ahnlich der Gesamtorganisa-tion, aber auch je nach GroBe und Komplexitat vollig unterschiedlich sein kann. Auch eine Veranderung wahrend des Projektverlaufes kann durchaus von Vorteil sein. Daruber hinaus ist eine klare Projektzieldefmition sowie die Uberwachung der Zielerreichung durch KontrollmaiJnahmen sehr wichtig. Dementsprechend ist es von entscheidender Bedeutung, dass ein Projekt-Controlling, in diesem Fall ein Projekt-Marketing-Controiling, erfolgt, das es der Projektleitung erlaubt, Pla-nungsentscheidungen zu korrigieren, Strategien fiir die Durchftihrung des Projekts anzupassen und auf Veranderungen flexibel zu reagieren.

1.2 Funktionen des Projekt-Marketing-Controlling

Um die Vorgehensweise beim Projekt-Marketing-Controlling zu veranschaulichen bedient man sich des Regelkreises des Projekt-Controlling (vgl. Abb. 10.1).

Hier wird die besondere Wichtigkeit der fortlaufenden Kontrolle und Steuerung des Projektfortschrittes deutlich. Die Projektsteuerung erfolgt in standiger Ruck-kopplung zwischen Planung und Durchftihrung: Die Ist-Zustande der ablaufenden

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Arbeitspakete werden in jeweils der Aufgabe angemessenen Abstanden -und besonders an den festgelegten Meilensteinen - mit den SoU-Zustanden der Planung verglichen. Betroffen sind die einzelnen Termine, die Ergebnisse und die Kosten. Bei Abweichungen miissen geeignete MaBnahmen eingefuhrt werden, die den weiteren Projektfortschritt sicherstellen.

Es kann unter Umstanden auch der zugrunde liegende Plan geandert werden, so dass neue Soll-Zustande entstehen. Bei zu groBen Diskrepanzen ist auch ein vor-zeitiges Projektende moglich.

Aufgrund sich standig verandemder Bedingungen und ungenauem Vorwissen erscheint ein 100%iges Einhalten von Projektplanen nahezu unmoglich. Abwei­chungen, Verz5gerungen und Plananderungen gehoren also zum Alltag und das Ziel soUte sein, diese so gering wie moglich zu halten.

Durch die Projektplanung wird die Planbasis flir die Projektkontrolle gelegt. Paral­lel zu den Plandaten mussen die Ist-Daten erfasst werden, um einen erfolgreichen Plan/Ist-Vergleich durchfuhren zu konnen.

Hierbei ist darauf zu achten, dass die Ist-Datenerfassung, den zu den Plan-Daten passenden Detaillierungsgrad besitzt.

Eine zu starke Detaillierung der Ist-Daten fuhrt zu Untibersichtlichkeit, eine zu geringe dagegen zu Nichtvergleichbarkeit der Plan- und Ist-Daten.

I fahnin9

I Storungen I

Zielsetzung

Pro|ektw

SOLL/IST-Vergleich

Abb. 11.1: Regelkreis des Projekt-ControUings Quelle: Eigene Darstellung

Page 200: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

187

1.3 Ziele Dem Controlling werden im Allgemeinen zwei Aufgaben zugeordnet: Die Pla-nungsunterstutzung und die Unterstutzung der Fuhrungskrafte bei Abweichungs-analysen und MaBnahmenfestlegung. Das Aufzeigen von Abweichungen durch routinemalJige Plan-Ist-Vergleiche ist dabei lediglich die Konsequenz einer ent-sprechenden Systemgestaltung. Der entscheidende Punkt ist die Analyse, warum es zu diesen Abweichungen gekommen ist und welche MalJnahmen eventuell ergrif-fen werden mtissen (Stahl 1992). Hierin ist auch die Aufgabe des Projekt-Marketing-Controlling zu sehen.

Bevor jedoch eine Projektziel-Definition vorgenommen werden kann, muss ein Projektteam zusammengestellt werden. Dieses setzt sich zusammen aus dem Pro-jektleiter, bei groBeren Projekten eventuell Teilprojektleitem und schlieBlich die Projektmitarbeiter. Die Auswahl der Mitarbeiter erfolgt grundsatzlich in Abstim-mung zwischen Leistungszentren (Abteilungen) und Projektleiter, wobei die Lei-stungszentren in der Kegel die Verantwortung fur die Entwicklung und Bereitstel-lung qualifizierter Mitarbeiter fur alle Projekte tragen. Die disziplinarische Ver­antwortung fur Projektmitarbeiter bleibt beim Leistungszentrum, wahrend die zeit-liche und funktionale Steuerung bei der Projektleitung liegt. Auf dieser Grundlage baut die sehr wichtige Zieldefmition fiir Projektplanung, -durchfuhrung und -ab-schluss mit immerwahrendem Projekt-Controlling auf.

Das oberste Ziel des Projekt-Marketing-ControUing ist es in diesem Zusammen-hang, sicherzustellen, dass das Projekt sein wirtschaftliches Ziel erreicht. Die Er-reichung dieses wirtschaftlichen Zieles hangt im Wesentlichen von drei Elementen ab, Kosten, Termin und Qualitat. Diese drei Elemente sind interdependent, das heisst sie beeinflussen sich gegenseitig und konnen in Form eines magischen Ziel-dreiecks verbildlicht werden (vgl. Abb. 10.2).

Was soil geplant und erreicht werden?

Welche Funktionen sollen erfiillt sein? I S a c h z i c l c

Welches Qualitatsziel ist zu erreichen?

Was darf das Projekt insgesamt kosten? (Budgetvorgaben)

Gibt es bereits Budgetabweichungen?

Wie konnen Kosten eingespart werden?

Abb. 11.2: Magisches Zieldreieck Quelle: Eigene Darstellung

Bis wann soil alles erreicht werden ?

Gibt es Verzogerungen ?

Ist die Terminplanung realistisch ?

Page 201: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

188

Die GefShrdung eines dieser Teilziele kann sich somit negativ auch auf die ande-ren Elemente auswirken und gefahrdet damit moglicherweise die Erreichung des wirtschaftlichen Gesamtzieles. Dabei erweist es sich in der Praxis ebenfalls als auBerst schwierig, bei einer Optimierung eines Teilzieles ebenfalls eine Optimie-rung der anderen beiden Teilziele zu gewahrleisten. Ganz im Gegenteil. Oft zieht ein Vorteil, der durch die Erreichung des einen Teilzieles hervorgerufen wird, einen Nachteil in einem anderen Bereich mit sich.

Kosten-Controlling, Termin-Controlling oder auch Qualitats-Controlling dtirfen daher nicht flir sich allein betrachtet werden, sondem mtissen immer im Hinblick auf die Erreichung des wirtschaftlichen Gesamtzieles betrieben werden.

Hierzu ein Beispiel:

Durch den Einsatz zusatzlicher Ressourcen kann ein Projekt beschleunigt werden. Um das Projekt einen Monat filiher abzuschliessen ist aber mit uberplanmaBigen Kosten von 5% der Investitionssumme zu rechnen. Der geplante Deckungsbeitrag des Projektes belSuft sich laut Planung im ersten Jahr auf 60% der Investition. Bei einer Investition von 10 Mio. € entsprache das 6 Mio. €/ Jahr. Kann das Projekt einen Monat fisher abgeschlossen werden, ergibt sich dementsprechend fiir diesen Monat ein Deckungsbeitrag von 6 Mio. €/ 12 = 500 T€. Dem gegentiber stehen uberplanmaBige Kosten von 6 Mio. € x 5% = 300 T€. Rechnet man die tiberplan-maBigen Kosten von 300 T€ und den zusStzlichen Deckungsbeitrag von 500 T€ gegeneinander auf, so ergibt sich netto ein zusatzlicher Deckungsbeitrag von 200 T€. Betrachtete man dieses Projekt nur unter dem Aspekt des Kosten-Controlling, ginge dieser Deckungsbeitrag verloren. Ebenfalls muss man sich der Frage stellen, ob die Qualitat unter der Beschleunigung des Projektes nicht leidet.

Kosten-Controlling und Termin-Controlling haben in der Praxis bereits weit-gehend Einzug gehalten und werden immer haufiger auch im Hinblick auf das wirtschaftliche Gesamtziel betrachtet. Qualitats-Controlling hingegen wird oft vemachlassigt. Wahrend Kosten und Termine leicht an greifl^aren GroBen gemes-sen werden konnen, stellt sich der Begriff "Qualitat" sehr viel abstrakter dar. Ent-scheidende Faktoren sind hier beispielsweise die Konkurrenzfahigkeit, die durch die hohere Produktqualitat verbessert wird, ein gesteigerter Umsatz durch einen besseren Firmenruf, die Kosten flir das nachtragliche Beseitigen von Fehlem und Mangeln sinken auf ein Minimum sowie weniger Schadensfalle, die die Pramie der Produkthaftpflichtversicherung positiv beeinflussen. Grundsatzlich kann ein hohe-rer Aufwand flir die QualitStssicherung durch die Vorteile aufgewogen bezie-hungsweise ubertroffen werden.

Qualitat darf dabei nicht ausschlieBlich als Qualitat der erbrachten Einzelleistun-gen zur Zielerreichung verstanden werden. Ebenso wichtig ist die fortwahrende Kontrolle der Qualitat der originaren Zielsetzungen, die mit dem Projekt verfolgt werden. Insbesondere dem Marketing kommt hier bei vielen Projekten die Aufga-be zu, die Wirtschaftlichkeit der Investition uber regelmaBige Markteinschatzun-gen zu iiberprufen.

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1.4 Phasen

Projekt-Marketing-Controlling untergliedert sich sinnvollerweise in drei Phasen:

- Planung,

- Durchflihrung und

- Abschluss.

Diese drei Phasen haben in der Praxis jedoch sehr unterschiedliches Gewicht. Wahrend dem Projekt-Marketing-Controlling in der Planungsphase in der Regel dieselbe Aufinerksamkeit wie dem Projekt-Marketing-Controlling in der eigentli-chen Projektphase gewidmet wird, fmdet ein Projekt-Marketing-Controlling nach Abschluss des Projektes in weitaus geringerem Umfange statt. Dementsprechend soil der Fokus der Betrachtung im Folgenden vorwiegend auf dem Projekt-Marketing-Controlling in der Planungsphase so wie auf dem Projekt-Marketing-Controlling wahrend der Durchfuhrung liegen. Daran schlieBt sich dann ein kurzer Uberblick tiber die Fragestellungen des Projekt-Marketing-Controlling mittels elektronischer Datenverarbeitung (EDV) an. AbschlieBend soUen einige kritische Betrachtungen verdeutlichen, dass die Qualitat eines Projektes und seiner Durch­flihrung maBgeblich von den beteiligten Personen und deren Organisation und KontroUe abhangt.

2 Projekt-Marketing-Controlling in der Planungsphase

2.1 Praxisbewahrte Verfahren

Insbesondere bei groBeren Projekten herrscht in den Untemehmen noch oft das traditionelle Verfahren der Planung in Abstimmung auf das Geschaftsjahr des Untemehmens vor. Bei diesem Verfahren wird das Projekt zu einem notwendigen Entscheidungstermin vor Beginn des neuen Geschaftsjahres zur Genehmigung vorgelegt. Je mehr Stufen dabei die Hierarchic umfasst, desto groBer ist notwendi-gerweise der zeitliche Vorlauf der Beantragung. Dadurch ergeben sich oft Unge-nauigkeiten und Schatzungen bezUglich zuktinftig zu erwartender Kosten, Ent-wicklungen und Termine. So wird bei diesem Verfahren weniger tiber das Projekt selbst, als tiber den finanzierbaren Rahmen des Projektes entschieden. Daher fmdet immer haufiger ein zweites Verfahren Eingang in die Praxis, das sogenannte rol-lierende Verfahren. Grundsatzlich finden beim rollierenden Verfahren alle Instru-mente des traditionellen Verfahrens Anwendung, erganzt jedoch durch weitere Instrumente beziehungsweise Aussagequalitaten. Der maBgebliche Unterschied gegentiber dem traditionellen Verfahren ergibt sich daraus, dass ein Projekt erst dann - also auch unterjahrig - in den Entscheidungsprozess eingespeist wird, wenn es als entscheidungsreif gelten kann. Voraussetzung daflir ist, dass die Qualitat der fiir das Projekt wesentlichen Daten sichergestellt ist. In der Regel erfolgt das rol-

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190

lierende Verfahren nach einem funfstufigen Konzept (vgl. Abb. 10.3; Michel 1993).

Stufe

1 2

3

4

5

Beschreibung

Anmeldung eines Investitionswunsches

Antrag auf Bearbeitungsfreigabe

Hauptplanungsphase

Inangriffnahme des Projekts

Prqjekt-Controlling nach Abschluss

des Projekts

Kalkulationsgenauigkeit

+/- 30%

+/- 20% beziehungsweise

0,lMio.€

+/-10%

Reale Kalkulation

Planungsaufwand

Max. 2 Tage

10%desProjekt-

umfangs

20-30% des Projekt-

umfangs

Ca. 70% des Projekt-

umfangs

l%desProjekt-

umfangs

Abb. 11.3: Die ftinf Stufen des rollierenden Verfahrens Quelle: Eigene Darstellung

Abweichungen von diesem Verfahren konnen dabei nach Projekterfordemissen durchaus sinnvoll sein.

2.2 Freigabe zur Vermeidung von Fehlallokationen In der ersten Phase des Projekt-Marketing-Controlling erfolgt eine Vorpriifiing und Grundsatzentscheidung, ob das Projekt weiter verfolgt werden soil. In diesem Stadium werden alle projektrelevanten Informationen - oft noch als grobe Schat-zung - dem Entscheidungsgremium, zum Beispiel der Geschaftsleitxing, vorgelegt. Neben der Finanzierbarkeit wird hier zunachst uber Plausibilitat, Realisierbarkeit und Obereinstimmung mit den strategischen Zielen des Untemehmens entschieden. Die in dieser Phase zu treffenden Entscheidungen sollten dabei mit groBtem Be-dacht erfolgen, denn nicht selten ist das spStere Scheitem von Projekten bereits von vomherein in einem falschen Konzept angelegt.

Die in der Phase der Grundsatzentscheidung vorzulegenden Daten entsprechen im Wesentlichen den Daten und Informationen, die nach Bearbeitungsfreigabe des Projektes in der Kegel in Form eines Investitionsantrages detailliert werden. Je nach Art und Umfang des Projektes kann diese Zusammenstellung formlos oder nach standardisierten Formularen erfolgen.

Sowohl der Antrag zur Bearbeitungsfi*eigabe als auch der Investitionsantrag sollten dabei neben Aussagen zur strategischen Bedeutung, zum konkreten Projektziel sowie zum zeitlichen Rahmen insbesondere Informationen bezuglich der ausga-benseitigen sowie der ertragsmaBigen Auswirkungen beinhalten. Dabei kann auch nach projektbezogenen Kann- und A/w55-Investitionen unterschieden oder eine Darstellung moglicher Altemativen aufgezeigt werden.

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2.3 Wirtschaftlichkeitsanalyse anhand von Kennzahlen Teil des Bearbeitungs- sowie des Investitionsantrages sind immer geeignete Wirt-schaftlichkeitsanalysen, die als Vorausschau- oder Kontrollrechnung die Vorteil-haftigkeit der zu untersuchenden Projekte im Vergleich zueinander untersuchen. Die gangigen Verfahren werden gemeinhin unterteilt in statische Verfahren und dynamische Verfahren. Zu den statischen Verfahren zahlen die Kostenvergleichs-rechnung, die Gewinnvergleichsrechnung, die Rentabilitatsrechnung sowie die Amortisationsrechnung. Hierbei werden zeitliche Unterschiede beim Anfall von Kosten und Ertragen sowie Kapitaleinsatzen nicht berucksichtigt. In der Kegel arbeitet man mit jahrlichen Durchschnittswerten, die aus der Vorperiode abgeleitet und auf folgende Perioden ubertragen werden.

Hinsichtlich der dynamischen Verfahren unterscheidet man die Kapitalwertmetho-de, die Annuitatenmethode und die Methode des intemen ZinsfuBes (Franke/Zerres 1999). Bei diesen Methoden werden im Gegensatz zu den statischen Verfahren die zeitlichen Unterschiede beim Anfall der Kosten und Ertrage berucksichtigt. Bei-spielsweise konnen Ertrage aus fruheren Perioden hoher bewertet werden, als solche zu spateren Zeitpunkten, da die Moglichkeit einer Reinvestition wahrend der Folgeperioden hohere Zinsertrage zur Folge haben konnen.

Bei den oben genannten verschiedenen Verfahren handelt es sich sowohl bei den statischen als auch bei den dynamischen Methoden um die „klassischen" Verfah­ren; demgegeniiber stehen die „modemen" Verfahren, welche unter anderem Si-multanplanungsprobleme, unsichere Erwartungen und vieles mehr beriicksichtigen. Sie sind durchweg mathematisch anspruchsvoller und werden in der Praxis im Hinblick auf die schwierige Datenbeschaffung nur in Ausnahmefallen verwendet. Daher soil sich im Folgenden lediglich auf die „klassischen" Verfahren beschrankt werden.

In der Praxis dienen am hSufigsten der Retum-on-Investment (ROI) sowie die Amortisationsdauer der Investition als entscheidende Kennziffem. Die absolute sowie die relative Rentabilitat einer Investition lasst sich in Verbindung mit der absoluten Hohe der Investitionsbetrage graphisch, zum Beispiel im Gerbelschen Strahlenraster darstellen (vgl. Abb. 11.4). In dieser Darstellung lassen sich unter-schiedliche Projekte anschaulich vergleichen und priorisieren.

Auf Grund der beschriebenen Besonderheiten eines Projektes sind die in der Pla-nung verfligbaren Daten und Informationen naturgemaB ungenau. Eine Verande-rung bestimmter Planannahmen kann daher unter Umstanden nicht unerhebliche Auswirkungen auf die betrachteten Kennzahlen haben. Der Einschatzung dieser moglichen Auswirkungen dient die Sensitivitdtsanalyse, Hierbei erfolgt eine Be-trachtung der Auswu*kungen auf die festgelegten Kennzahlen bei Uber- bezie-hungsweise Unterschreitung der wesentlichen Plankennziffem. Dabei werden in der Regel kritische Werte fur die Uber- beziehungsweise Unterschreitung der Plandaten definiert, bei deren Uberschreitung das Projekt in die Verlustzone gerat. In Abhangigkeit der Wahrscheinlichkeit der Erreichung dieser kritischen Werte kann so eine Risikoeinschatzung vorgenommen werden (vgl. Abb. 11.5).

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Gewinn

Investition

Abb. 11.4: Gerbelscher Strahlenraster Quelle: Eigene Darstellung

ROI

Plankennziffer 1

Plankennziffer 2

Plankennziffer 3

Kritische Grenze

Plankennziffer 4 +20% _ J .

Veranderung der Plankennziffern Verlust

Abb. 11.5: Kritische Grenze bei Uberschreitung wesentlicher Plankennziffern Quelle: Eigene Darstellung

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2.4 Projektstrukturbestimmte Analysequalitat Um in der spateren Phase des Projekt-Marketing-Controlling wahrend der Umset-zung aussagekraftige Analysen machen und gegebenenfalls GegensteuerungsmaB-nahmen empfehlen zu k5nnen, ist eine ausreichende und sinnvolle Projektstruktur von groBter Bedeutung. In der Kegel werden Projekte daher untergliedert in Projektschritte, Teilprojekte und Arbeitspakete. In der Planung werden sogenannte Meilensteine festgelegt, die wichtige Ereignistermine, wie zum Beispiel den Ab-schluss eines bestimmten Projektschrittes, kennzeichnen.

Die festgelegten Meilensteine konnen dabei ganz unterschiedlicher Natur sein und auch der zeitliche Rahmen zur Erreichung der Meilensteine kann durchaus variie-ren. Haufig sind Meilensteine jedoch so definiert, dass ein neuer Projektschritt Oder eine Teilaufgabe nicht begonnen werden kann, wenn der Meilenstein der Beendigung der vorherigen Aufgabe nicht erreicht ist.

Im Hinblick auf eine moglichst kurze Reaktionszeit auf etwaige Planabweichungen erweist es sich in der Praxis als sinnvoll, eine konsequente Meilenstein-Planung durchzufuhren. Auf die Kontrolle der Meilenstein-Planung anhand von Meilen-stein-Trendanalysen wahrend der Projektphase soil spater naher eingegangen wer­den.

3 Projekt-Marketing-Controlling in der Projektphase

3.1 Instrumente Das traditionelle Konzept des Projekt-Marketing-Controlling wahrend der Pro­jektphase beruht insbesondere auf zwei Instrumenten. Hinsichtlich des Investiti-onsprogrammes erfolgt in der Regel jahrlich ein Plan/Ist-Vergleich, der sogenann­te Rechenschaftsbericht. Der Fortschritt des einzelnen Projekts wird regelmafiig in sogenannten Projektstati dokumentiert.

Inhalt des Rechenschaftsberichtes sind Erlauterungen zum Investitionsverhalten des abgelaufenen Geschaftsjahres. Um einen Vergleich zum geplanten und verab-schiedeten Investitionsprogramm fur diesen Zeitraum zu schaffen, gliedert sich der Rechenschaftsbericht meist in drei Kategorien:

- PlanmaBige Investitionen,

- vorgesehene Investitionen, die noch nicht genehmigt und begonnen worden sind und

- nicht vorgesehene Investitionen, die jedoch bereits genehmigt und begonnen worden sind.

Der Projektstatus ist ein Plan-Ist-Vergleich, der im Wesentlichen den tatsachlichen Projektfortschritt dem geplanten gegentiberstellt sowie die tatsachlich angefallenen

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Teilkosten mit den Plankosten fur das Projekt vergleicht. Hierbei sollte man insbe-sondere darauf achten, dass man das Augenmerk nicht ausschlieBlich auf das In-vestitionsobligo richtet. Das Investitionsobligo gibt zwar Aufschluss daruber, ob die angefallenen Kosten beziehungsweise die noch ausstehenden Planaufwendun-gen sich in Summe im geplanten Rahmen bewegen; es erlaubt fur sich gesehen jedoch keine Beurteilung, ob die tatsachlichen Kosten en detail den ursprunglich veranschlagten entsprechen. Da Projektverantwortliche in der Regel kein Interesse daran haben, unnotig oft Nachantrage zu stellen, erfolgt die Meldung von Projekt-kosteniiberschreitungen oft nicht zeitgerecht, sondem erst nachdem das urspriing-lich veranschlagte Gesamtbudget aufgebraucht ist.

Die Ist-Kosten setzen sich - wie auch die Plankosten - aus zwei Komponenten zusammen, der Menge und dem Preis. Um eine verlassliche Aussage uber eventu-elle Planabweichungen zu bekommen, muss daher das Mengen- und Preisgeriist im Teil-Ist mit eben dem entsprechenden Mengen- und Preisgerust im Teil-Plan ver-glichen werden. Die im traditionellen Verfahren aus der Buchhaltung iibemomme-nen Daten reichen hierzu nicht aus, da dort vorwiegend Werte, nicht aber Mengen verbucht werden.

Die Informationen fiir diese Situationsberichte konnen neben der Buchhaltung auch sowohl dem schriftlichen Reporting, wie zum Beispiel Mitteilungen ("me-mo"% e-Mails (im Intra- oder Internet), Protokolle von Besprechungen, Berichte von Mitarbeitem, als auch verbaler Kommunikation entnommen werden. Aufier-dem macht es Sinn, unabhSngig von auftraggeberorientierten Berichten einen Ab-schlussbericht nach Projektende fiir interne Zwecke zu erstellen.

3.2 Restplankostenprognose im roUierenden Verfahren

Im roUierenden Verfahren werden Projektinformationen daher fortwahrend vor Ort uberpriift und aktualisiert. Dabei wird nicht nur Einblick genommen in die bereits angefallenen Ist-Mengen und Ist-Preise, sondem auch und vor allem die noch ausstehenden Restplanmengen sowie die zu erwartenden Restplanpreise ermittelt. Aus den ermittelten Restplanmengen zu den real zu erwartenden Preisen ergeben sich so die Restplankosten. Unter Hinzunahme der bereits angefallenen Teil-Ist-Kosten errechnen sich die voraussichtlichen Gesamtkosten.

In der Praxis werden Projekte wie bereits erwahnt meist in einzelne Projektschritte untergliedert. Nach Abschluss eines solchen Projektschrittes erfolgt dann ein Plan/ Ist-Vergleich sowie eine Hochrechnung der Gesamtkosten auf Basis des Fertigstel-lungsgrades. Eine solche einfache Hochrechnung ist aber wenig sinnvoU, solange etwaige Kosteniiber- oder -unterschreitungen nicht genauer analysiert werden, denn die Kostenstrukturen fur die einzelnen Projektschritte sind nicht notwendi-gerweise vergleichbar. So ist es durchaus moglich, dass sich im Folgenden ganz andere Kosteniiber- oder -unterschreitungen ergeben. Dariiber hinaus ist in der Praxis haufig zu beobachten, dass ein solcher Prozessschritt zum Betrachtungs-zeitpunkt nur annahemd zu 100% abgeschlossen ist, andere jedoch bereits ange-fangen haben.

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Weiterhin ist zu uberprufen, ob das ursprtingliche Projektziel noch immer iden-tisch ist. Haufig ergeben sich im Laufe eines Projektes neue Anforderungen oder veranderte Rahmenbedingungen, die eine Anpassung des ursprunglichen Leis-tungszieles und damit auch der Projektzieldefinition zur Folge haben. Diesen Ent-wicklungen und moglichen Abweichungen ist daher in einer aktualisierten Vorkal-kulation am besten Rechnung zu tragen.

3.3 KontroUe der Meilenstein-Planung mittels Trend-Analyse Einen guten Uberblick iiber Planabweichungen und zu erwartende Gesamtkosten beziehungsweise Fertigstellungstermine verschafft die Meilenstem-Trend-Analyse. In der reinen Meilenstein-Trend-Analyse werden die zu erwarteten Fertigstellungs­termine der einzelnen Meilensteine zu unterschiedlichen Berichtszeitpunkten dem Plan gegeniibergestellt. Verbindet man diese Terminbetrachtung mit einer Kosten-betrachtung so ergibt sich daraus eine Zeit-/ Kostenkurve, die in den meisten Pro-jekten S-formig verlauft. Anfanglich werden Kosten/Termine nur wenig tiber-schritten, dann sehr deutlich und zu Ende wieder etwas weniger (vgl. Abb. 11.6).

125%

100%

75%

50%

25%

25% 50% 1% 125% 150%

Abb. 11.6: Meilenstein-Trend-Analyse mittels Zeit-/ Kostenkurve Quelle: Eigene Darstellung

Das oben dargestellte typische Projekt konnte zum Beispiel so verlaufen sein:

• Der Projektleiter wahlt fur den Bezug bestimmter Leistungen einen kosten-giinstigeren Anbieter als geplant. Dadurch bleiben die Kosten zur Erreichung von Meilenstein 1 (Ml') unter Plan (Ml). Der Anbieter der Leistungen hat al-lerdings Lieferschwierigkeiten, weswegen sich Ml' zeitlich nach hinten ver-schiebt.

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Daraufhin wird beschlossen, durch Einsatz zusatzlicher Ressourcen den Zeit-verlust wieder aufzuholen. Bis dieser Entschluss umgesetzt wird, ist M2' be-reits erreicht; die zusatzlichen Ressourcen greifen erst im nachsten Projekt-schritt.

Durch den Einsatz zusatzlicher Ressourcen kann M3' nahezu plangerecht er­reicht werden, jedoch nur mit erheblichen Mehrkosten.

Um das Gesamtkostenbudget nicht zu iiberschreiten, werden nun fflr die fol-genden Projektschritte wieder Ressourcen abgezogen; der Projektabschluss verzogert sich wiederum.

3.4 Steuerung mittels Bewertung wahrscheinlicher Kosten Da die der Projektplanung zugrundeliegenden Daten und Informationen haufig nur mehr oder minder genaue Schatzungen sind, erfolgt die Planung und Steuerung des Projektes haufig uber die Bewertung der Wahrscheinlichkeit bestimmter Werte. In der Regel wird fur die wesentlichen Teilaufgaben oder Projektschritte eine opti-mistische, eine pessimistische und eine realistische Kosten- und Terminschatzung vorgenommen. Die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes der jeweiligen Variante wird mit einem Prozentsatz beziffert. Multipliziert man diesen Prozentsatz jeweils mit den geschatzten Kosten und addiert die Ergebnisse der drei Varianten, ergibt sich daraus ein wahrscheinlicher Wert, der in die Planung einfliefit.

Hierzu wieder ein Beispieh

Kosten ftir Projekt:

Optimismuswert: 80 Mio. € Wahrscheinlichkeit: 20% ergibt: 16 Mio. €

Pessimismuswert: 120 Mio. € Wahrscheinlichkeit: 10% ergibt: 12 Mio. €

Realismuswert: 100 Mio. € Wahrscheinlichkeit: 70% ergibt: 70 Mio. €

Daraus errechnet sich ein Planwert von 16 + 12 + 70 = 98 Mio. €.

Der so ermittelte Planwert wird um so genauer, je gr56er der Projektfortschritt ist und je mehr tatsachliche Ist-Werte in die Betrachtung mit einflieBen. Daher sollte diese Einschatzung regelmaUig nach Erreichung wichtiger Meilensteine oder nach Abschluss groBerer Projektschritte erfolgen.

4 Projekt-Marketing-Controlling nach Abschluss des Projektes

Wie zu Beginn bemerkt, nimmt das Projekt-Marketing-Controlling nach Abschluss des Projektes gegentiber den zwei vorhergehenden Phasen in der Praxis weitaus weniger Raum ein. Das Projekt-Marketing-Controlling nach Abschluss des Projek­tes erfolgt normalerweise in Form einer WirtschaftlichkeitsUberprufung. Eine

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Reihe von Grunden fiihren dazu, dass diese Wirtschaftlichkeitsanalyse jedoch oftmals vemachlassigt wird.

Zwischen ursprtlnglicher Planung, Durchflihrung, Abschluss des Projektes sowie dem Verbuchen der daraus resultierenden Ertrage vergeht zusammen - insbeson-dere bei groBen Projekten - oft eine lange Zeit. Je langer der Zeitraum ist, der zwischen Planung und Ertrag liegt, desto schwieriger wird es, die Qualitat der Pla­nung und Durchflihrung im Nachhinein objektiv zu beurteilen. Der damit verbun-dene Au^and wird oft zugunsten anstehender neuer Planungen und Projekte ge-scheut.

Die Wirtschaftlichkeitsiiberprufiing anhand der Gegeniiberstellung einzelner (oft interdependenter) Ist- und Planwerte kann dariiber hinaus haufig zu Fehlschlussen fiihren, wenn nicht eine Gesamtbetrachtung erft)lgt, die zum Beispiel auch unvor-hersehbare Aspekte mit einbezieht. Solche Aspekte konnen etwa in Form von Wechselkursverschiebungen, beh5rdlichen Eingriffen, Substitutions-Produkten Oder -Verfahren, Wegfall von Lieferanten etc. auftreten. Allerdings konnen durch-aus auch Planabweichungen systematischer Natur durch Wirtschaftlichkeitsanaly-sen aufgedeckt und fur die Zukunft vermieden werden. So werden nicht selten aktivierte Eigenleistungen in der Projektkalkulation vemachlassigt oder es flieCen ungenaue Schatzungen statt konkreter Angebote in die Planung ein.

Haufig wird das Projekt auch von vomherein zu knapp kalkuliert, urn es "poli-tisch" intern durchzusetzen oder es werden SicherheitszuschMge vemachlassigt, die in keinem Projekt fehlen dtirfen. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse als Instrument des Projekt-ControUing im Nachhinein erfullt so zumindest eine psychologische Rolle, indem sie das Bewusstsein schafft, dass alle Entscheidungen einer spateren Uberprufung und objektiven Kontrolle standhalten miissen.

5 Datenverarbeitung im Projekt-Marketing-Controlling

Projekt-Marketing-ControUing basiert auf der Planung, Analyse und Auswertung der wesentlichen projektrelevanten Daten und Informationen. Es stellt sich daher in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Form der Datenverarbeitung. Die Moglichkeiten, welche die elektronische Datenverarbeitung in diesem Bereich bietet, sind mannigfaltig. Im vorliegenden Rahmen sei daher nur ein kurzer Uber-blick tiber die grundsatzlichen Fragen gegeben.

Zunachst ist zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die GroBe und Komplexi-tat des Projektes den Einsatz von EDV uberhaupt nahe legt. Dabei stellt sich die Alternative, mit einem Host oder ausschlieBlich auf dem PC zu arbeiten.

Sind diese grundsatzlichen Entscheidungen getroffen, stellt sich die Frage nach der geeigneten Software. Auch hier spielt die Komplexitat des Projektes eine entschei-dende Rolle, wenn es etwa darum geht, selbstprogrammierte Software, Standard-

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Software oder angepasste Standard-Software einzusetzen. Wahrend selbstpro-grammierte Software genau auf die jeweiligen Projektbediirfiiisse bin angelegt ist, bietet Standardsoftware erhebliche Preisvorteile und garantiert daruber hinaus die Weiterentwicklung entsprechend des technischen Fortschrittes. In der Praxis wird daher bei kleineren Projekten auf das Standard-Software-Tool MS Project zuriick-gegriffen. Ftir groBere Projekte ist eine projektspezifische Software wie zum Bei-spiel SAP eine zwar kostenintensive, aber ausgezeichnete Losung.

Allerdings bietet Standardsoftware meist weitaus mehr M5glichkeiten der Daten-verarbeitung, als es dem individuellen Bedarf entspricht. Der Uberfluss an Daten schafft in der Kegel keine Transparenz, sondem fflhrt haufig dazu, dass die eigent-lich wichtigen Inft)rmationen keine Beachtung fmden. Es sei daher nachdrticklich empfohlen, vor Auswahl der Software einen aus den Projekterfi)rdemissen abgelei-tetes Informationsbedarf zu defmieren. Diesem Anft)rderungsprofil muss die Soft­ware gerecht werden und nicht umgekehrt.

Als Beispiel speziell ftir Projekt-Marketing-Controlling lasst sich hier die Software SPSS (Statistical Package for the Social Sciences) anfiihren. Mithilfe dieser Soft­ware ist es moglich, ein systematisches QualitStsmonitoring durchzuflihren, das die Starken und Schwachen klar herausstellt und Ansatzpunkte ftir eine gezielte Ver-besserung aufzeigt. Es wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Kundenzufi*ie-denheit und den einzelnen Komponenten hergestellt. Mit dieser Methode ist es moglich zu erkennen, welche Aspekte in welchem MaUe die Kundenzufriedenheit beeinflussen. Damit konnen gezielt diejenigen Leistungen optimiert werden, die den meisten Einfluss auf die Zufi*iedenheit der Kunden haben, das heisst man er-kennt, auf welche Leistungen es den Kunden wirklich ankommt und mit welchen MaBnahmen man die Kundenzufriedenheit am effektivsten erhohen kann. Die Analysesoftware SPSS ist eine Statistiksoftware, die mittlerweile im Marketing und bei Banken zum Standard gehort und die bei Projekten ohne weiteres zur Anwendung kommen kann.

6 Schlussbetrachtung Projekte zeichnen sich, wie eingangs bemerkt, durch eine Zielvorgabe sowie durch ihre zeitliche, fmanzielle und personelle Begrenzung aus. Um sicherzustellen, dass eben diese Zielvorgaben unter Berucksichtigung der gegebenen Begrenzungen eingehalten werden, ist es wichtig, die Verantwortung dafur klar zu personifizie-ren. Dabei kann die Verantwortung ftir bestimmte Planwerte oder Teilaufgaben selbstverstandlich nur derjenige Ubemehmen, der dafiir auch die entsprechende Kompetenz hat. Daher wird sich der Verantwortliche auch seinerseits wieder ruck-versichem, indem er Teile dieser Verantwortung an nachgeordnete Stellen dele-giert.

So kann zum Beispiel bei Entwicklung eines neuen Produktes von einem Marke-tingleiter verlangt werden, dass er fur eine realistische Einschatzung der zu erwar-tenden Verkaufsmengen sowie der zu erzielenden Preise die Verantwortung iiber-

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nimmt. Diese Verantwortungstibemahme wird in der Kegel in Form einer schriftli-chen Erklarung dokumentiert. Der Marketingleiter wird nun seinerseits versuchen, diese Werte, zum Beispiel durch einen Vorvertrag mit einem wichtigen Kunden, zu plausibilisieren. Auf diese Weise werden die der Projektplanung zugrundege-legten Daten weitgehend objektiviert und "politische" Werte oder Gefalligkeits-aussagen verschwinden aus der Planung. Daruber hinaus wird der Verantwortliche die von ihm getroffenen Aussagen fortwahrend uberprUfen und gegebenenfalls drohende Abweichungen umgehend melden, um sich selbst zu dekulpieren.

Dieses System funktioniert aber nur dann, wenn auch eine entsprechende Priifung der Verantwortung stattfmdet. Dabei besteht die Gefahr, dass die Qualitat der zu verantwortenden Leistung zugunsten der Einhaltung von Terminen und Kosten vemachlassigt wird. Deshalb ist bei Vergabe der Verantwortung darauf zu achten, dass eine moglichst sorgfaltige Definition und Dokumentation des Umfanges der Verantwortung im Hinblick auf die Projektziele vorgenommen wird.

Ein effektives Projekt-Marketing-Controlling ist nur dann moglich, wenn die Ver­antwortung dafiir an objektiver Stelle liegt. Das bedeutet in erster Linie, dass der zustandige Projektleiter keinesfalls auch der Projektcontroller sein darf, wenn hier nicht "der Bock zum Gartner" gemacht werden soil.

Dennoch darf man nicht Gefahr laufen, Projekt-Controlling aus der Distanz und losgelost von der Projektarbeit zu betreiben. Wenngleich der Projektleiter - eben-so wie auch die ubrigen Projektmitarbeiter - eigene Interessen verfolgt und Einmi-schungen nur ungem sieht, so kennt er das Projekt doch besser als andere. Damit hat der Projektleiter die wichtige Funktion, Fehlinterpretationen vorzubeugen. Andererseits ist es die Pflicht des Projekt-Marketing-Controllers, kritische Sach-verhalte aufzudecken und „vor Ort" mit dem Projektleiter zu klaren.

Haufig identifizieren sich Projektleiter und -mitarbeiter derart mit einem Projekt, dass dieses eine Dynamik entwickelt, die uber die ursprunglich defmierten Ziele, flir deren ausschlieBliche Erreichung die bewilligten Mittel bereitgestelh wurden, hinausgeht. Auch hier hat der Projekt-Marketing-Controller den Auftrag, die Kon-zentration auf das urspriingliche Ziel und somit auf den wirtschaftlichen Kern des Projektes zu gewahrleisten.

Vor diesem Hintergrund sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Ziel-Controlling wichtiger ist als Kosten-, Termin- oder Qualitats-Controlling. Im Vordergrund jedes Projektes muss immer der zu erzielende Ertrag stehen. Die Kosten einzelner Projektteile soUten daher immer auch in Relation zum Beitrag gesehen werden, den dieser Teil zum Projekterfolg beitragt.

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Literatur

Franke, RJZerres, M.: Planungstechniken - Instrumente fiir erfolgreiche Unter-nehmensfiihrung im intemationalen Wettbewerb; 5. Aufl., Frankfurt am Main, 1999.

HorvdtK Peter: Controlling; 7. Aufl., Munchen, 1998.

Litke, H.-D./Kunow, I.: Projektmanagement. STS, Standard-Tabellen- und Software, Pla-negg 1998.

Michel, R. M; Projektcontrolling - Know-how der Just-in-Time-Steuerung, Heidelberg 1993.

Stahl, H.-W.: Controlling - Theorie und Praxis einer effizienten Systemgestaltung, Wiesba­den 1992.

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Kapitel 12 Kundenbindungs-ControUing

Enno Wolf

1 Aktuelle betriebliche Herausforderungen

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist fiir viele Untemehmen gepragt gewe-sen von einer dringend gebotenen Verbesserung der betrieblichen Effizienz. Hier sind Prozesse optimiert (Beispiel ist die Verlagerung einzelner oder ganzer Pro-zesse ins Ausland) und Organisationen neudefiniert und -ausgerichtet worden (Reorganisation und Verkauf von Beteiligungen); BetriebsgroBen wurden den Anforderungen angepasst (Reduktion der Belegschaften oder WerksschlieBungen), IT-Systeme vereinheitlicht und konsolidiert (Versicherungen und Banken). Vor diesem Hintergrund sind in der betrieblichen Praxis Problemfelder und Projekte im Kontext von Kundenbindung sowie der Kundenschnittstelle zeitweise in den Hintergrund geriickt, sofem sie nicht schon abgeschlossen waren - zu dringend war oftmals der existenzielle Druck im Bereich der Kemwertschopfung.

Nachdem eine Vielzahl von deutschen Untemehmen eine Trendwende in der Er-gebnissituation herbeifuhren konnte und - teilweise auch durch stark wachsendes profitables Auslandsgeschaft - Rekordergebnisse verbucht worden sind, besteht wieder vermehrt das Interesse, sich der Optimierung der Kundenseite zuzuwenden. Hier liegen nach wie vor die im Rahmen der CRM-Debatte der letzten Jahre iden-tifizierten Wert- und Wachstumspotenziale, die es untemehmensseitig immer noch in Teilen zu erschlieBen gilt, um sich im und gegen den Wettbewerb abzusichem. Viele Vorhaben und Programme sind entsprechend abgeschlossen beziehungswei-se repriorisiert worden und warten auf eine Auswertung der Ergebnisse und des Returns beziehungsweise die finale Realisierung.

In diesem Zusammenhang steht das Interesse vieler Untemehmen, auf der Kunden­seite einerseits konsequent die Kundenbasis zu erweitem, andererseits ihre Wer-tigkeit sukzessive zu vertiefen (durch Erhohung des Share-of-wallet oder der Kun-denpenetration durch einen Anbieter im Rahmen der Optimierung des durch-schnittlichen Customer-Lifetime-Value) sowie die Abwanderung zum Wettbewerb zu vermeiden. AUerdings erwSchst aus der Erfahrung der Konsolidierung und Effizienzsteigerung der vergangenen Jahre zugleich das Verstandnis, dass Kun­denbindung und die diese unterstutzenden Aktions-Programme und MaBnahmen nicht zum Selbstzweck erfolgen dtirfen, sondem Aspekten von Wirtschaftlichkeit im Kontext der gesamten Kundenstrategie unbedingt zu gentigen haben. Damit wird Kundenbindung konsequent gepaart mit dem Profitabilitatsbegriff; letztend-

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lich, so die herrschende Meinung gilt es - im Idealfall profitable Kunden zu bin-den beziehungsweise solche mit entsprechendem Potenzial. Von einer Bindung aller Kunden ( auch solcher mit immer negativen DeckungsbeitrSgen bei voller Ausschopfiing eigener Effizienz in Akquisition und Betreuung) mtisste sich ein, seinen Gewinn optimierendes Untemehmen in der Kegel trennen.

Damit stehen Untemehmen oftmals vor der Herausforderung, das abstrakte Kon-strukt der Kundenbindung auf den Untemehmenskontext zu transponieren, zu operationalisieren sowie gleichzeitig adaquate Mechanismen zur Steuerung zu entwickeln, einzufiihren und schrittweise weiter zu optimieren. Es gilt also, Kun­denbindung auf ein Niveau zu bringen, dass sie fur Untemehmen handhabbar, steuerbar und damit kontrollierbar wird; zugleich konnte sie dann Fakten getrieben ihre Existenzgmndlage - bei Gelingen solcher Vorhaben - eindmcksvoll doku-mentieren. Auf diese Herausfordemng wird im weiteren Verlauf der Darstellung eingegangen. Zuvor werden kurz elementare Begrifflichkeiten zur Kundenbindung geklart. Eine klare Begrifflichkeit ist fur die Implementiemng eines Konzeptes flir das Controlling von Kundenbindung unerlasslich.

2 Besonderheiten der Kundenbindung

2.1 Klarung der Begrifflichkeiten

Kundenbindung ist in der betriebswirtschaftlichen Literatur ausfuhrlich diskutiert worden. Unter Kundenbindung soil hier die Aufrechterhaltung einer Geschaftsbe-ziehung zwischen Anbieter und Kunde verstanden werden, die charakterisiert ist durch eine dabei nicht zufSllige Folge von Markttransaktionen (Krafft 2002, S. 22 f ).Bei Kundenbindung handelt es sich also um das Aufrechterhalten einer Ge-schaftsbeziehung zwischen einem Kunden und einem Anbieter, die durch Folge-kaufe Oder eine VerlSngemng eines bestehenden Vertrages erreicht wird oder durch die Intention des Kunden, zuktinftige Kaufe bei einem bestimmten Anbieter zu tatigen oder einen bestehenden Vertrag zur Abnahme mit diesem verlangem zu wollen (Krafft 1999, S. 520).

In der CRM-Debatte sowie vielen Abhandlungen uber Kundenbindung ist die Frage nach der Identifikation des richtigen, das heifit des fur eine Untemehmung profitablen Kunden bisher immer noch weitgehend offen geblieben. Oftmals ist die Fokussiemng von Untemehmen auf eine isolierte Optimiemng von Kundenbin­dung um jeden Preis kostenseitig ein uferloses Unterfangen gewesen - mit ent-sprechend hoher Wahrscheinlichkeit des Scheitems. In kaum einem Untemehmen gibt es durchweg nur Jdeale'' Kunden, die es unbedingt zu binden gilt. Im Zu-sammenhang damit ist es geboten, geeignete Kennzahlen zu finden, die neben der Bindung eines Kunden an ein Untemehmen ein betriebswirtschaftliches Kriterium fiir die Sinnhaftigkeit einer solchen Bindung darzustellen verm5gen.

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Hierbei kann die Kundenprofitabilitdt helfen. Defmiert werden kann Kundenprofi-tabilitdt als die Differenz zwischen kundenspezifischen Nettoerlosen und Kosten, die etwa bei der Bedienung eines Kunden entstehen (Shapiro et al. (1987), S.102). Eine besondere Rolle bei der Bestimmung der Kundenprofitabilitat spielt die KenngroBe des Deckungsbeitrages, der verstanden wird als ein Bruttouberschuss und ermittelt wird als die Differenz zwischen Umsatz und verursachten Kosten pro Kunde. Ein Nachteil dieser Sicht ist, dass vielfach die Berechnung pauschal erfolgt und die Gemeinkosten im Rahmen eines mehrstufigen Zurechnungsverfahrens ungenau verteilt werden.

Diese eher statische Sichtweise der kundenbezogenen Erfolgsrechnung kann um eine dynamische Komponente erweitert werden, womit man zum Customer-Lifetime-Value-Ansatz (CLV-Ansatz) gelangt. Dabei werden alle Einnahmen und Kosten, die mit einem Kunden verbunden sind, betrachtet, und zwar iiber den gesamten Lebenszyklus hinweg. Im Rahmen des CLV-Ansatzes werden beide KenngroBen vereint und machen deutlich, warum eine jeweils isolierte Optimie-rung unsinnig ist.

Im gemeinsamen Wirkungsgefuge wird bei den ZielgroBen oftmals Kundenbin-dung mit Effektivitdt assoziiert; Kundenprofitabilitat mit Effizienz. Die simultane Steigerung beider Zielsetzungen kann den Kundenstamm konsequent wertseitig optimieren. Daneben steht die diesen Prinzipien folgende Kundenneugewinnung -als weiterer wesentlicher Stellhebel der Optimierung der Kundenbasis.

Maximierung von Zielgrofien

Fraglich ist, ob eine eindimensionale Optimierung von Kundenprofitabilitdt oder von Kundenbindung sinnvoll ist. Wenn ein Untemehmen zum Beispiel nur Wert legte auf Kundenbindung, kSnnten auch solche Kunden gebunden werden, die vorubergehend keinen oder niemals einen positiven Beitrag zum Untemehmenser-folg liefem. Der Kundenstamm ware zwar perfekt gebunden, auf Grund des An-teils an ,,Problemkunden'' allerdings nicht von hochstmoglichem Wert. Bei einem groBen, intensiv gebundenen Kundenstamm wurden zudem durch eine aufwendige Kundenbetreuung und durch ein notwendigerweise ausdifferenziertes Produkt- und Serviceangebot hohe Komplexitdtskosten entstehen, die nicht entsprechend kom-pensiert wUrden. Die undifferenzierte Bindung der gesamten Kundschaft flihrt also nicht automatisch auch zu einer Wertsteigerung des gesamten Kundenstammes. Der Ansatz einer undifferenzierten ,,Zero-Migration''-K\x\tm musste insofem revi-diert werden.

Eine isolierte Maximierung der ZielgroBe Kundenprofitabilitdt hatte zur Folge, dass alle Kunden, die keinen positiven Deckungsbeitrag aufweisen, abgestoBen wurden. Zudem wiirden bei der Neukundengewinnung nur solche Kunden akqui-riert, die sofort einen positiven Beitrag leisten. Problematisch an einer solchen Vorgehensweise ware, dass Kunden, die langfristig ein positives Beitragspotenzial besaBen, in diesem Ansatz keine Berticksichtigung fanden. Die wenigsten Kunden bringen sofort einen positiven Beitrag, weil am Anfang meistens eine kosteninten-sive Betreuung notwendig ist. Ein nur profitabler und nicht gleichzeitig auch ge-bundener Kundenstamm wSre im Ubrigen ein sehr attraktives Ziel fur Wettbewer-

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ber; jeder verlorene Kunde schluge sich direkt auf den Untemehmenserfolg nega-tiv nieder.

Diese Ausfiihrungen zeigen, dass, wenn ein Untemehmen Wertsteigerung anstrebt - Ziel ist eine langfristige und nachhaltige Steigerung des Wertes - es notwendig ist, sowohl Kundenbindung als auch Kundenprofitabilitat zu optimierten. Die Erhohung der Kundenbindung allein ware eine Frage der Verbesserung der Effek-tivitdt; erst im Zusammenhang mit einer Steigerung der Kundenprofitabilitat ergibt sich ein Zuwachs an Effiziem. Kundenbindungsmanagement und -controlling miis-sen beide ZielgroBen berucksichtigen und dabei im Idealfall gleichrangig behan-deln (Freiling 2001, S.98). Die Optimierung beider ZielgroBen im Verbund ver-korpert den grundlegenden Gedanken beziehungsorientierter Ansatze, namlich den der Bindung profitabler Kunden,

2.2 Abgrenzung zu anderen Konstrukten

Neben dem Ausdruck Kundenbindung tauchen die Begriffe Kundenzufriedenheit und Kundenloyalitdt auf, die wegen ihrer Nahe zur Kundenbindung kurz naher beleuchtet werden mtissen . Sie werden dabei entsprechend abgegrenzt.

Abgrenzung zur Kundenzufriedenheit

Kundenzufriedenheit ist Gegenstand zahlreicher Abhandlungen in der Marketing-literatur, weil auch hier die Annahme zu Grunde liegt, dass ihr Vorhandensein mit positiven Effekten fiir den Untemehmenserfolg verbunden ist. Insofem ist auch sie fiir Untemehmen zu einer sehr wichtigen ZielgroBe geworden.

Das Problem ist, dass es kein einheitliches Verstandnis bezuglich des zu Gmnde liegenden Konzeptes gibt beziehungsweise dass verschiedene Komponenten, wie zum Beispiel Modelliemngsrahmen, Prozessmodelle und Konsequenzen von Un-zufriedenheit, vielfach miteinander vermischt werden (Krafft, 2002, S.15).

Nach neuerer Erkenntnis kann Kundenzufriedenheit defmiert werden als "kogniti-ve und affektive Evaluiemng der gesamten Erfahrungen mit einem bestimmten Anbieter und dessen Produkten (Homburg/Giering, 2000, S. 83f). Im Sinne der Theorie des Disconfirmation Paradigma" kann man unter Kundenzufriedenheit das positive Ergebnis eines komplexen Informationsverarbeitungsprozesses verstehen, dessen Mittelpunkt ein Soll/Ist-Vergleich bildet. Die Ist-Komponente ist die vom Kunden wahrgenommene Leistung, die Soll-Komponente eine Erwartung oder ein Erwartungsstandard. Als Ergebnis des Vergleiches fiihren enttauschte Erwartungen zu Unzufriedenheit, ubertroffene hingegen zu Zufriedenheit des Kunden. Einfluss-gr5l3en der Kundenzufriedenheit sind beispielsweise das Preis- und Leistungsver-haltnis sowie die jeweilige Qualitat von Produkt und Dienstleistungen.

Kundenzufriedenheit entsteht wahrscheinlich durch eine Vielzahl von Transaktio-nen uber die Zeit und den daraus resultierenden Erfahmngen. Sie kann sich dabei auf das gesamte Leistungsspektrum eines Untemehmens beziehen oder auch nur auf einzelne Aspekte davon. In der wissenschaftlichen Forschung ist inzwischen

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allerdings festgestellt worden, dass der Aspekt Kundenzufriedenheit zwar erfreu-lich fiir betroffene Untemehmen ist, aber nicht zwangsldufig zu wirtschaftlichem Erfolg flihrt. Das liegt daran, dass nicht automatisch alle zufriedenen Kunden auch zu gebundenen Kunden werden. In diesem Zusammenhang wird auch von "Zufrie-denheitsfalle'' gesprochen. Vor diesem Hintergrund erwachst derzeit Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Ziels Kundenzufriedenheit.

Abgrenzung zur Kundenloyalitat

Der Begriff Kundenloyalitat beschreibt die nachfragerbezogene Perspektive einer Bindung, das heiBt, der Kunde hat seinerseits eine verringerte Wechselbereitschaft (Bruhn/Homburg, 2000, S. 8). An dieser Stelle wird die Verbundenheits- und Gebundenheitsdiskussion relevant. Kundenloyalitat kann demnach als Verbunden-heit gesehen werden, die dazu fiihrt, dass ein Kunde bewusst und gewollt eine Geschaftsbeziehung weiterflihrt und dabei eine positive Einstellung dem Anbieter gegenuber hat oder entwickelt.

Als eine zentrale Determinante der Kundenloyalitat wird in der Literatur die Kun­denzufriedenheit genannt. Sie ist auBerdem abhangig von der Leistungsfahigkeit eines Anbieters sowie dem Angebot der Wettbewerber. Was sie von der Kunden-bindung unterscheidet, ist die Freiwilligkeit der Bindung von Seiten des Kunden, wahrend bei Kundenbindung Mobilitatsbarrieren hinzutreten.

2.3 Darstellung eines postulierten Zusammenhanges

Die Konstrukte Kundenzufriedenheit, Kundenloyalitat und Kundenbindung wer­den von der Literatur in einen Zusammenhang gestellt; die dabei postulierte Wir-kungskette wird in der folgenden Darstellung wiedergegeben (vgl. Abbildung 12.1).

Kundenbindung wUrde demnach durch eine Vielzahl von Schritten erreicht. Aus der Ausrichtung von Produkten und Serviceangeboten nach den Bedurfhissen der Zielkunden und aus der positiven Gestaltung der Erstkontakte kann sich ein hohes MaB an Kundenzufriedenheit ergeben, die ihrerseits - wenn sich im Verlauf der Zeit eine positive Einstellung zum Untemehmen ausgebildet hat - Kundenloyali­tat entstehen lassen kann. Bei der Kundenbindung entsteht idealer Weise ein Ver-trauensverhaltnis zwischen Kunde und Untemehmung: Der gebundene Kunde wird nicht ohne weiteres wechseln.

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CRM Einsatz ^ ^ p.

• Kaufent-scheidung

Kiilicieil-ofietitler-

ttng

• Produkt-merkmale - Preis -Design

1 • Kaufmenge

• Wahr-nehmung der Leistung -Qber-

\ «

Kufideii*^ ioyatit^t

«

\

4

Dauerder Beziehung

Kunden* Niidang

• Wiederkauf • Cross-Buying • Weiter-empfehlung

-Qualitat erruiiung • Steigende • Transaktions- "" ^^""""9 Wechsel-

merkmale -Unter- kosten fur -Service ®^^"""9 Kunden -Beratung - Flexibilitat - Information

• Wirkung

y liter* ii0limens»

0lfOt0

* Umsatz-steigerung

» Hohere Kauffrequenz

» Hohere Preisbereit-schaft

* Sinkende Kosten fur Unter-nehmung

Quelle: in Aniehnung an Homburg & Bruhn (1998); Hermanns & Thurm (2000), S.473

Abb. 12.1: Postulierte Wirkungskette

Die Wirkungskette ist bisher allerdings empirisch nicht ausreichend belegt war­den. Es besteht erheblicher weiterer Forschungsbedarf bezUglich des Zusammen-spieles der einzelnen Konstrukte. Der spezielle Zusammenhang zwischen Kunden-zufriedenheit und Kundenloyalitdt zum Beispiel, der in verschiedenen Arbeiten analysiert worden ist, darf nicht als zwangslaufig verstanden werden. Die aktuelle Diskussion nimmt vielfach fur den Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalitat einen progressiven sattelformigen Verlauf an, wie der nach-stehenden Abbildung zu entnehmen ist (vgl. Abbildung 12.2).

Wahrend innerhalb der erkannten Indifferenzzone Wahmehmungen beim Kunden zu keinen Anderungen des Verhaltens fuhren, tritt dort beim Uberschreiten eines gewissen Schwellenwertes schlagartig eine Modifikation ein.

Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass der Zusammenhang zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenloyalitat branchenabhdngig ist. Die Unterschie-de konnten sich unter anderem aus der unterschiedlichen Wettbewerbsintensitat ergeben. Je starker der Wettbewerb, desto enger der beobachtbare Zusammenhang zwischen Kundenloyalitat und Kundenzufriedenheit. Neuere Untersuchungen zum Zusammenhang von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zeigen eine noch hohere Komplexitat und Facettenvielfalt des Zusammenspieles der GroBen, als dies fruhere Betrachtungen getan haben (Blum 2004).

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Kunden-loyalitat

• Sinkende Wiederkaufsrate • abnehmendes Cross-Selling • stelgende Preissensibllltat • negative Mundwerbung

Indifferenz-zone

• Steigende Wiederkaufsrate • vemriehrtes Cross-Selling • sinkende Preissenslbilitat • positive Mundwerbung

^ Kunden-Sattigungs- zufriedenhelt

zone

Quelle: Nach Hemiann & Huber & Braunstein (2000), S.48

Abb. 12.2: Zusammenhang Kundenzufriedenheit und Kundenloyalitat

2.4 Inhaltliche Konkretisierung der Kundenbindung

Das Phanomen der Kundenbindung ist in der betrieblichen Praxis bisher nur rela-tiv schwer erfassbar gewesen. Diese Problematik wird insbesondere in der neueren Marketingliteratur sichtbar, wobei Wissenschaft und betriebliche Praxis insbeson­dere nach der Messbarkeit und der Beeinflussbarkeit von Kundenbindung fragt (Krafft2002).

Messbarkeit von Kundenbindung

Bei der Messung werden ublicherweise zwei Dimensionen unterschieden: Zum einen das bisherige Verhalten des Kunden, zum anderen die Verhaltensabsicht, die sich auf die Zukunft bezieht. Beide Verhaltensformen sind durch Indikatoren messbar oder zumindest erfragbar; sie werden in der folgenden Abbildung aufge-gliedert mit den jeweiligen Indikatoren dargestellt (vgl. Abbildung 12.3).

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Kundenbindung

Bisheriges Verhalten

» KaufintensitM. * Treue * Zuneigung • Kuridenpenetrationsrate * Dauer der Geschiftsbezlehung ' Kontaktdichte

X Verhaltensabsicht

Wfederkauf und Besuchsabstcht

^'Relevantsef Anteil Kauf- und Besuchswahrsch^ntichkea Wiederkaufswahrscheinlichkeit Weilsrempfehiungshiufigkett Wechselfoereitschaft

Quelle: Erweiterung nach Diller(1996)

Abb. 12.3: Dimensionen und Indikatoren zur Messbarkeit der Kundenbindung

Die in der vorstehenden Abbildung aufgefuhrten Indikatoren sind in der Literatur ausflihrlich beschrieben worden. Diese Operationalisierung in der Messbarkeit, die sich am gegenwartigen Stand der Forschung orientiert, kann in Zukunft durchaus noch eine Erweiterung erfahren; insbesondere sind angenommene Zusammenhan-ge empirisch zu iiberpriifen.

Beeinflussbarkeit von Kundenbindung

Die Verbesserung der Kundenbindung kann erst dann wirksam erfolgen, wenn die EinflussgroBen des Konstruktes erfasst sind. Nachfolgend wird die Beeinflussbar­keit von Kundenbindung betrachtet. Die Kundenbindung wesentlich beeinflussen-de Faktoren sind - bisherigen Erkenntnissen folgend - Attraktivitdt des Konkur-renz-angebotes, Variety Seeking, Kundenzufi'iedenheit sowie Wechselbarrieren (Krafft 2002).

Attraktivitdt des Konkurrenzangebotes: Die Attraktivitat des Konkurrenzangebo-tes, die bestimmt wird durch eine Reihe von Faktoren, wie Design, Service, Ga-rantieleistung, Image des Wettbewerbers, kann einen negativen Einfluss auf die Kundenbindung haben. Ein Untemehmen hat auf dieses Phanomen keinen direkten Einfluss, kann aber durch gezielte MaBnahmen, wie zum Beispiel durch uber-durchschnittlichen Service versuchen, die Konkurrenz zu ubertreffen. Dariiber hinaus kann es durch gezielte WerbemaBnahmen die Wahmehmung der Kunden in Bezug auf sich selber beeinflussen, etwa durch ein neues oder besseres Image.

Variety Seeking: Bei dieser nachsten Determinante der Kundenbindung handelt es sich um ein Konstrukt der Konsumentenverhaltenstheorie, das erklart, warum

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Geschaftsbeziehungen durch Kunden unter- beziehungsweise abgebrochen wer-den. Hierbei wird ein grundsdtzlicher Wunsch nach Wechsel angenommen, der nicht auf einer Unzufriedenheit mit dem Leistungsangebot beruht und genauso wenig von der Attraktivitat des Konkurrenzangebotes abhangig ist. Wechselbe-strebungen dieser Art erschweren die Bildung von langfristigen und intensiveren Geschaftsbeziehungen. Ein Untemehmen kann ihnen hochstens dadurch begegnen, dass es selbst flir eine gewisse Abwechslung sorgt, wie etwa durch eine Rotation von Mitarbeitern oder die Einfiihrung neuer Marken.

Kundenzufriedenheit: Dass zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung kein zwangslaufiger Zusammenhang besteht, ist bereits dargestellt worden. Unbe-streitbar ist, dass sie generell als eine zentrale Voraussetzung von Kundenbindung verstanden wird. Sie kann in der Regel durch MaBnahmen einer Untemehmung gezielt beeinflusst werden.

Wechselbarrieren: Wechselbarrieren sind Hemmnisse, die in einer langer andau-emden Geschaftsbeziehung entstehen und die Abwanderung zu einem Anbieter erschweren oder gar unmoglich machen. Sie lassen sich in okonomische, soziale und psychische Barrieren untergliedem. Wahrend die psychischen und sozialen Wechselbarrieren durch eine positive Einstellung zum Anbieter entstehen und damit hochstens langfristig zu beeinflussen sind, konnen die okonomischen Wech­selbarrieren durch gezielte MaBnahmen der Kundenentwicklung, wie zum Beispiel durch Rabatte, die Gewahrung von Sonderkonditionen und bevorzugte Behand-lung, geschaffen werden. Um diese Vorteile oder auch bereits getatigte Investitio-nen, wie Verhandlungskosten nicht zu verlieren, wird der gebundene Kunde eher bei einer Untemehmung verbleiben.

Die Vielschichtigkeit des Konstruktes Kundenbindung, die Bedeutung der Aspekte ihrer Messbarkeit und Beeinflussbarkeit und die Rolle der oben genannten Deter-minanten soil die folgende Abbildung verdeutlichen (vgl. Abbildung 12.4).

Sie erlaubt vom Prinzip her eine stufenweise Unterscheidung von Ursache und Wirkung und zeigt gleichzeitig die KomplexitSt dieses Konstruktes, bei dem Ver-anderungen einer Determinante nicht unbedingt Auswirkungen auf bestimmte Messindikatoren haben mussen. Das macht zugleich auch deutlich, warum es so schwer fur viele Untemehmen ist, geeignete Ansatze einzufiihren.

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KQII8$CIMIBIIGB6II dipt*

Kundenbindung

5Z BshBriges Veftialten

WorhaHioriissihfBiHhil V C l I KUIlCl PCMlJPim Hi

Dmensionen

/"^^MeBbaiteitvon XKundenbindiiTg

Deteminanten

Beeinfiufibarkeit Kundenbii

^^^

Quelle: BgeneDarstellur nitinhaltlJcherAnlehnunganF er(igg7),

Abb. 12.4: Mehrstufigkeit des Konstruktes Kundenbindung

3 Konzept eines Kundenbindungscontrolling fiir die betriebliche Praxis

Die bisherigen Ausfuhrungen haben deutlich werden lassen, dass eine praxis-taugliche Umsetzung eines untemehmensseitig sinnvoll ausgestalteten Ansatzes eines Kundenbindungsmanagement mit Schwierigkeiten verbunden sein muss. Das Konstrukt der Kundenbindung erweist sich als komplex; die unterschiedlichen Determinanten auf der Ebene der Beeinflussung von Kundenbindung - den aktuel-len Stand der Forschung zu Grunde legend - sind mit der Ebene der Erfassung / Messung zu verkntipfen.

Zugleich gilt es, das Konstrukt „Kundenbindung" und ein unterstiitzendes Control­ling auf den spezifischen Kontext eines Untemehmens zu transponieren, was uber-aus komplex ist. Hier sind in der Regel unterschiedliche Sparten oder Geschaftsbe-reiche anzutreffen sowie zentrale Servicefunktionen. Zugleich tritt ein Untemeh-men uber eine Vielzahl von Kontaktkanalen mit Kunden in Verbindung und

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tauscht eine Menge von Produkten und Dienstleistungen im Idealfall tiber langere Zeitdauer aus; damit ist eine Vielzahl von Informationen verbunden. Zugleich gilt es, Mitarbeiter und ihr Verhalten in Beziehung zur Kundenbindung zu setzten; Anreizsysteme entsprechend zu erweitem und Kundenbindung als ZielgroBe zu integrieren. Zu klaren ist in diesem Zusammenhang, wie der Differenzierung von Kunden entsprochen werden kann, zudem ist es wichtig, Aspekte des Kunden-Lebenszyklus zu berucksichtigen.

Im Folgenden wird ein moglicher Ansatz prasentiert, Kundenbindung zu managen und im Rahmen eines praktikablen Kundenbindungscontrolling transparent und handhabbar werden zu lassen. Dieser Ansatz basiert auf konsolidierten Erfahrun-gen aus der betrieblichen Praxis sowie langjahriger Beratungstatigkeit des Autors in einer Vielzahl von Branchen.

Ein Kundenbindungsmanagement (und damit ein untersttitzendes Controlling) in einem Untemehmen zu verankem, erfordert zunachst eine klare Definition der zu erreichenden Zielsetzungen. AnschlieBend erfolgt ihre Verankerung in der Strate-gie eines Untemehmens, die Transponierung der Zielsetzungen in einzelne organi-satorische Bereiche und Prozesse sowie eine informationstechnische Verankerung des Ansatzes in den IT-Systemen und Datenstrukturen. Damit wird der Ansatz final transparent und messbar gemacht und letztendlich auch erst wirklich „controllbar". Zudem ist ein MaBnahmen- urid Kundenbetreuungskonzept entspre­chend der Zielsetzungen von Noten, das klare Handlungsanweisungen zu liefem vermag, wie mit Kunden grundsStzlich zu verfahren ist (Treatment Profile). Dies sind neben den allgemeinen Herausforderungen von Messbarkeit, Erfassbarkeit und Beeinflussbarkeit von Kundenbindung als ZielgroBe unter anderem grundle-gende Hurden eines Ansatzes fur ein Kundenbindungsmanagement und ein unter­sttitzendes Controlling.

Integration Zielgrojie-,,Kundenbindung'' in die Unternehmensstrategie

Um ein entsprechendes Programm wie ein Kundenbindungsmanagement mit unter-stUtzendem Controlling einzufxihren, muss das Ziel einer solchen Initiative auf oberster Ebene eines Untemehmens konkretisiert werden. So konnte ein Unter-nehmen zum Beispiel das Kundenbindung bezogene Ziel einfuhren, den Kunden-stamm an „Premium" Kunden doppelt so stark zu binden wie bisher. Dies soil in den nachsten drei Jahren erreicht werden und zwar fur alle bestehenden Geschafts-felder mit alien Kunden, die sich in unterschiedlichen Reifephasen befinden. Das zu betrachtende Untemehmen tauscht mit Kunden Produkte und Dienstleistungen aus und interagiert uber mehrere typische Kanale tiber eine Kundenschnittstelle mit seinen Kunden. Das nachfolgende Konzept eines Kundenbindungsmanagement und unterstiitzenden Controlling kann gmndsatzlich auf andere betriebliche Kon-texte iibertragen werden, ist dann allerdings entsprechend anzupassen.

Das Ziel Kundenbindung ist zunachst in das Zielprogramm eines Untemehmens zu integrieren; dies vollzieht sich auf der strategischen Ebene mit dem primaren Be-teiligungsfeld Untemehmensebene. Dabei wird - einer der derzeit wohl praktika-belsten und in der betrieblichen Praxis oftmals verwendeten Ansatzweise gefolgt -konkret ein untemehmensumfassendes Indexsystem fiir Kundenbindung vorge-

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schlagen, das sich von einer konsolidierten Gesamtsicht auf einzelne Bereiche eines Untemehmens weiter konkretisiert (vgl. Abbildung 12.5). Dem Indexschema wird insgesamt eine Universalskala zu Grunde gelegt, auf die Kriterien bezie-hungsweise Erfullungsgrade einzelner Determinanten (zur Messung) pro Kunde ubertragen werden; diese Werte werden im Rahmen kundenindividueller „Steck-briefe" und iiber Segmente und Bereiche konsolidiert, was zu den Indexwerten einzelner Ebenen fiihrt.

Aktuelles Zielsystem +

KB(U) = SummeK(B1..B4)

KB (81)

S* KB (B2) KB. KB (B4)

KB(P1) KB(P2)

^ mpiik) l<8f>1(B) | y

KyhdeftM f d n d J ^ KiideCN

X

m I KB(P3) I

Strategische Ebene

BeteillgtingisfeM: iliitBrii^hmeiis&beiid

Operative Ebene (Bereiche Oder

Segmente)

mp2i^) Kift2(8) |[}<6ia2<C))

iffepdere

Kuhdeb* m\dm KlfidebN

JOTideO

K8I>S(A) ^ A:.

KWHC))

^ d e i ^

l^ ideWl Kjndd&N

HaJhdeBSS:

Abb. 12.5: Indexsystem Kundenbindung

Somit kann auf konsolidierter Ebene ein Gesamt-Indexwert fur Kundenbindung in einem Untemehmen festgelegt werden KB(U) als Summenwert fur die Bereiche KB(B1)...KB(BN); in diesem Fall (Beispiel der Abbildung) sind es vier Bereiche. (Wichtig ist in diesem Zusammenhang Konsistenz in Erfassung und Messung sowie eine entsprechende Gewichtung unterschiedlicher Untemehmensbereiche -je nach Anzahl Kunden und Messpunkten. Femer wird bezuglich der Indexwerte Konsolidierbarkeit angenonunen). Solche Indexsysteme fiir Kundenbindung sind (wenn sich Verhalten und Verhaltensabsicht von Kunden in akkurater Form zu-mindest fur Bereiche oder Segmente eines Untemehmens erfassen lassen) prakti-kable Formen in der betrieblichen Praxis, um das Konstrukt Kundenbindung hand-habbar und damit kontrollierbarer zu machen.

Dieser Gesamtwert KB(U) ist fur das Top Management eine zu erfullende Top-Zielgrofie (daher hier primares Beteiligungsfeld Untemehmensebene), iiber die Auskunft zu geben ist; zugleich wird diese (prozentual nach Gewichtung) an die

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variablen VergUtungen der Geschaftsflihrung zu koppeln sein, wo sie in Konkur-renz zu anderen Topzielen wie zum Beispiel Wachstum, Marktanteile, Gewinne, Kundenstammgr56e oder Innovationsrate treten wird.

Die vorstehende Abbildung zeigt, wie das Top-Ziel KB(U) in Bereichsziele und fur einen Bereich (Bl) exemplarisch noch weiter verfeinert wird, wobei die Ziel-setzung sukzessive aus der strategischen Ebene in die operative Ebene mit organi-satorischen Bereichen und unterstutzenden Prozessen hinein konkretisiert wird (vgl. Abbildung 12.5).

Integration in Organisation und Prozesse eines Unternehmens

Auf operativer Ebene (i.d.R. primares Beteiligungsfeld Bereichs-, Gruppen- und Individualziele) wird Kundenbindung im Rahmen der betrieblichen Organisation in Teilbereich-Indexwerten (in der Abbildung KB(Bl) bis KB(B4)) als ZielgroBe KB(i) mit hier i=1..4 flir Bereiche vorgegeben. Die Summe aller Teilbereiche und ihrer Indizes liefert wieder den Index-Gesamtwert KB(U), wobei hier Additivitat der Indexformen unterstellt wird, die aber grundsatzlich erreichbar sein sollte, wenn auf gleiche Kriterien der Erfassbarkeit und Beeinflussbarkeit auf alien Ebe-nen sowie fiir alle Bereiche abgestellt wird. Auch hier ist Kundenbindung (Index-basiertes Zielsystem) fur die einzelnen Bereiche in deren Zielsysteme als Bestand-teil zu integrieren; neben Bereichszielen konnen Ziele ftir einzelne Gruppen oder Individuen festgelegt werden (zum Beispiel fur Key Account Teams oder Betreu-ungsgruppen etc.).

Erschwerend kommt auf Bereichsebene hinzu, dass sich in einzelnen Geschaftsfel-dem Kunden in unterschiedlichen Stadien des Kundenlebenszyklus befmden (Ak-quise, Reifephase oder Ende des Lebenszyklus); zudem ist ihr Deckungsbeitrag sowie individuelles Potenzial unterschiedlich. Hier sind - exemplarisch ftir die gesamte Struktur - im Nachfolgenden die Kundengruppen eines Bereiches Bl zum einen zu differenzieren nach der individuellen Phase des Lebenszyklus; zum ande­ren nach der grundlegenden Kategorie: A, B oder C Kunde (nach Wert und Kun-denbindungspotenzialeingeschatzt).

Wesentlich ist hier - dem Konstrukt des Lebenszyklus folgend - die Dauer der Kundenbeziehung. Je nach Dauer waren Kunden der Phasen-Bindungsmatrix hin-zuzuordnen. So konnten 0-1 Jahre Neukunden (Phase 1: PI), 1-2 Jahre Reife- und Entwicklungskunden (Phase 2: P2) und >3 Jahre Bestandskunden und treue Kun­den (Phase 3: P3) unterteilt werden. Fiir diese ergeben sich individuelle Einschat-zungen von „Idealitat" fiir ein Untemehmen.

Nattirlich sind flir solche Zeitprofile die jeweiligen industriespezifischen Zyklen zu berticksichtigen sowie die Industrie, in der ein Untemehmen aktiv ist. So erfolgt neben der Einteilung in Lebensphasen die Klassifizierung nach Kundenbindungs-potenzial und eine Einschatzung des Deckungsbeitragspotenzials nach A, B und C Kundengruppe. A Kunden sind - der gangigen Auffassung folgend - in der Regel Hochpotenzialkunden mit gegebenenfalls sofortigem oder zukunftigem positiven Deckungsbeitrag; B Kunden sind eher neutrale Kunden mit „Upside-Potenzial" beziehungsweise leicht negativem Deckungsbeitrag; C Kunden sind klassische

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Beobachtungskandidaten, die entsprechend zu entwickeln sind beziehungsweise deren Betreuung dem Wertpotenzial anzupassen ist. Die folgende Abbildung zeigt Zielsetzungen, Zeithorizonte, Beteiligungsfelder sowie mogliche Gewichtungen von Kundenbindungszielsetzungen (im relevanten %-Anteil der Vergiitung des Top-Managements fur Kundenbindung):

Strate-

gische

Ebene

Opera­

tive

Ebene

Prozes-

suale

Ebene

Zielsetzung/

Zielhierarchie

Kunden­

bindung als

Globalziel

Kunden­

bindung als

Teil-/Bereichs-

ziel

Kundenbindung

als Segment-

ziel

Zeit­

horizonte

3-5 Jahre

2-3 Jahre

1-2 Jahre

Mogliche Beteili­gungsfelder

Unternehmen, Be-

reichsziel, Individual-

ziel (Top Manage-

nnent)

Unternehmen, Be-

reich, Individualziel

beziehungsweise

Gruppenziel

Unternehmen, Be-

reich, Individualziel

beziehungsweise

Gruppenziel

Gewichtungsvorschlag

Untemehmensebene: 60 %,

Bereichsebene: 30 %

Individualziel: 10%

Untemehmensebene: 30 %,

Bereichsebene: 50 %

Individualziel: 20 %

Untemehmensebene: 20 %,

Bereichsebene: 40 %

Individualziel: 40 %

Abb. 12.6: Gewichtungen von Kundenbindungszielsetzungen

Fur die Vereinbarung konkreter Zielsetzungen ist es wichtig, sicherzustellen, dass die „neue Zielsetzung" entweder die alte ersetzt oder - wenn Kundenbindung als eigenstandiges neues Ziel eingefuhrt wird, Prioritaten beziehungsweise Gewich­tungen der „Altzielsetzungen" entsprechend angepasst werden, damit das neue Ziel auch wirkliche Berucksichtigung finden kann. Ansonsten konnen Ziel- und Res-sourcenkonflikte schon im Vorfeld einen entsprechenden Ansatz stark negativ beeintrachtigen. In Sonderfallen kann auch der Anreizraum erweitert werden, um zusatzliche Zielerreichung sicherzustellen.

Die folgende Abbildung (Abb. 12.7) zeigt fiir ein Kundenbindungsprogramm ei­nen moglichen Schlussel fur die Umlage von ZielgroBen eines Kundenbindungsan-satzes als Anteil an der variablen Vergiitung im „Top-Management". Dabei wird der jeweils zuvor vereinbarte und letztendlich erfiillte Grad der Zielerreichung von Kundenbindung auf der jeweiligen Ebene an die variable Vergiitung des Manage­ments anteilig in % gekoppelt.

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Aufgliederung Vergutung

management

Quelle: Wolf (2002), angepasst fur Kundenbindung

Abb. 12.7: Beispiel Aufgliederung Zielgrossen fur Topmanagement

Auf oberster strategischer Ebene kann das Top-Management primSren Einfluss auf das Top-Ziel Kundenbindung nehmen; entsprechend ist hier besonderes Ge-wicht auf die Untemehmensebene zu legen. In den Bereichen auf der operativen Ebene andert sich die organisatorische Verantwortung und damit zugleich auch die Beeinflussbarkeit der Ziele. Entsprechend h5her eingestuft wird hier der Anteil fur den Bereich an der Gewichtung. Konsequent erfolgt eine weitere Verlagerung hin zu Bereichs- und Individualzielen auf prozessual-operativer Ebene. Hier ist von Einzelnen das Gesamtuntemehmen immer weniger direkt beeinflussbar; individu-elle ZielgroBen rucken konsequent immer mehr in den Vordergrund. Individualzie-le konnten etwa KundenbindungsausmaBe fur Einzelkunden sein; auf oberster Ebene ist ein „Premium Key Accounting" denkbar oder das Ziel, eine Kundenbin-dungs-Pilot-Initiative zum Erfolg zu bringen.

Es stellt sich immer wieder die Frage, wo eigentlich die relevanten Informationen zur Messung von Kundenbindung herkommen und wie man Kundenbindung als ZielgroBe richtig messen, steuem und letztendlich beeinflussen kann. Die Pro-zesswelt - fokussiert wird wegen der besonderen Relevanz fiir die Kundenbindung in diesem Zusammenhang auf die Schnittstelle eines Untemehmens zum Kunden -an der Kundenschnittstelle eignet sich besonders zur Messung und Beeinflussung von Kundenbindung (vgl. Abbildung 12.8).

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Kuiite Kundenakquisition Untepnr fmn

Ordermanagement

Kundenbetreuung

( Leistungserbringung

Beschwerdemanagement

Kundenentwicklung

c o

> f 1

Kundenruckgewinnung

liltefiw

Kundenorientierte ZielgroKen

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 12.8: Prozesse an der Kundenschnittstelle

Untemehmensinteme ZielgroKen ^

Durch die tagliche Interaktion eines Untemehmens mit einzelnen Kunden uber Prozesse und unterschiedliche Kanale werden eine Vielzahl von Daten gewonnen, die das individuelle Cockpit des Kundenbindungs-Index-Wertes eines Kunden befiillen helfen. So konnten kundenspezifische Informationen zu bisherigem Ver-halten (zum Beispiel Bestellungen, Bestellwerte, Dauer der Kundenbeziehung, Reklamationen, Kundenkontakte, Share-of-wallet Annahme etc.) gewisse Ruck-schlusse auf das MaB der jeweiligen Kundenbindung zulassen. Zugleich wird aus Verhaltensmustem und Trends zumindest teilweise deutlich, wie sich das Verhal-ten in Zukunft gestalten mag (Wiederkaufsabsicht durch Befragung, Einstellung zum Untemehmen, Wiederkaufwahrscheinlichkeit, Weiterempfehlungen etc.). ERP-Systeme und CRM-Komponenten im Betrieb und Call-Center sowie ergan-zende Angaben durch Betreuer oder Key-Accounter stellen eine Vielzahl von relevanten Informationen schon heute zur Verfugung, die es aus Untemehmens-sicht nur zu sammeln, zu strukturieren und zu konsolidieren gilt.

Fur fehlende Informationen konnen konkrete Nachfragen zu weiteren RiickschlUs-sen fuhren. Betrachtet man einen bestehenden Kunden aus dem zeitlichen Konti-nuum, so kann im Idealfall ein Indexwert fur Kundenbindung aus einer Konsoli-dierung von Vergangenheitswerten (Verhaltensindikatoren) und Zukunftsabsichten

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217

(zukunftiges Verhalten etc.) ermittelt werden. Die genaue und phasenabhangige Gewichtung ist bisher nicht vollstandig wissenschaftlich durchdrungen; plausibel ist, das eine reale Faktenbasis - also Daten der Vergangenheit zu bestimmten Kunden - ein hohes Mafi an Relevanz haben durften. Gleichzeitig konnte ange-nommen werden, dass bei Neukunden mit geringer Historie die Zukunft durch geeignete Maiinahmen noch eher zu beeinflussen ist als bei solchen Kunden, die schon lange bei einem Untemehmen sind und deren Bild sich in Bezug auf ein Unteraehmen „verfestigt" hat und umgekehrt. Bis diese Zusammenhange und Ge-wichtungen ausreichend fundiert Klarung erfahren haben, wird fiir das Modell pragmatisch von einer Gleichwertigkeit mit einer Quote von 50 % / 50 % ausge-gangen.

Beeinflussbarkeit der Kundenbindung

Neben einer Messung von Kundenbindung auf der prozessualen Ebene erfolgt an dieser Stelle eine Steuerung der Kundenbindung durch das Untemehmen und ins-besondere in der t^glichen Arbeit seiner Mitarbeiter.

Prinzipiell konnen sowohl Kundenbindung als auch Kundenprofitabilitat fur ein-zelne Kunden mittels einer Prozessbeitragsmatrix beeinflusst und systematisch gesteuert werden. Diese Einflussfaktoren (Indikatoren) wirken - dem Konstrukt folgend - direkt auf beeinflussende Determinanten von Kundenbindung (-profita-bilitat) und sollten somit zumindest langfristig auch in einer Variation des Ausma-Bes an Kundenbindung (hier entsprechend der Index-Wert) beitragen konnen. Die nachstehende Abbildung zeigt ein Beispiel fur eine Prozessbeitragsmatrix.

Mit Hilfe der Prozessbeitragsmatrix - der Schwerpunkt liegt auf der linken Seite bei der Kundenbindung - (prinzipiell direkt beeinflussbar sind Kundenzufrieden-heit, Wechselbarrieren, sowie mittelbar Attraktivitat des Konkurrenzangebotes durch ein hochattraktives Eigenangebot; in Kemprozessen konkret beeinflussbar: Kundenakquisition, Leistungserbringung, Ordermanagement, Kundenbetreuung-und -information, Beschwerdemanagement) wird unter Verwendung des derzeiti-gen Wissens deutlich, durch welche konkreten Indikatoren die Determinanten von Kundenbindung in welchen Prozessen an der Kundenschnittstelle durch konkrete Aktionen zielgerichtet beeinflusst werden konnen (vgl. Abbildung 12.9).

Somit konnen auch EinflussgroBen mit Standards besetzt werden, Mindestvorga-ben fflr einzelne Indikatoren entsprechend der Zielsetzungen bestimmt werden, die in Zielwerte von Bereichen und einzelnen Mitarbeitem (ibemommen werden konn-ten. Dies kann im „Trial & Error Vorgehen" erfolgen, bis alle Zusammenhange ausreichend durchdrungen sind. Dazu wird es allerdings einiger Iterationen bediir-fen.

So kann im Beschwerdeprozess etwa Prozess- und Ergebniszufriedenheit die Ser-vicezufriedenheit eines Kunden positiv stimulieren und im Idealfall durch Wir-kungsketten auf die Kundenbindung positiv wirken; zugleich erhoht sich bei exzel-lenter Bearbeitung von Beschwerden durch ein Untemehmen fiir Kunden das Wechselrisiko zu anderen Untemehmen, wo entsprechender Service schlechter ausfallen konnte.

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218

akqulsitlon

nagenBnt

Kiiiid^ibe»

eftnngung

mandgetmnt i

Kjundenent"

KumfenKiok*^ pevMJnniiiip i

Kundenbinduna ZMnedenheK

*Smce *Sons6ge

•Servioezi> friedenheit

•Servioezu-friedenheit

•Servioezu-friedenheit

• Servioa-ZProdukt-zufriedenheit

•Servioezu-friedenheit

• Seivic»-/Produkt-zufriedenhelt

• Servioezu-friedenheit

VifechsoibairieiBii •Sunk Costs * Beendi^ngskcstgn *V\fedTsefrisiko

•Sunk Costs • vertragl. Bindungen

• Beendigungskosten • Verhandlungskosten

• VVfechselkosten • Sonderkonditionen

• Wfechselrisiko • Beendigungskosten

• VVfechselrisiko

• MaRnahmenspez. Bameren

•Sunk Costs

KundenDTOfitabilitat Biose •Vdumen •Reispot^n^

•NeuerlOse • ErlOspotenziale

• Eridspotenziale

• Eridspotenziale

• Eridspotenziale

•Folgekaufe

• Cross-und Up-selling

•Folgekaufe

K O S I B I I •Ateiiisitlonskosten • Beteiungskosten • fnteraklionskoslen • Sonslige I • Akquisitionskosten

• Betreuungskosten • Interaktionskosten

• Betreuungskosten

• Nachbesserung

• Beschvverdekosten

• Betreuungskosten

• Ruckgevvinnungs-kosten

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 12.9: Prozessbeitragsmatrix

Ein weiteres Beispiel ware etwa die Akquise von Kunden, wo bereits friih Wei-chen flir deren kunftige Entwicklung gesetzt werden; hier kann durch nicht zu aufdringliches professionelles Wirken Servicezufriedenheit im besten Fall auf die Kundenbindung uber die Kundenzufriedenheit als Zwischenkonstrukt wirken; interessant sind auch langfristigere Vertragslaufzeiten (zum Beispiel im Mobil-funkmarkt oder bei Finanzdienstleistungen), die zu entsprechenden vertraglichen Bindungen fuhren und mitunter Sunk Costs fur Kunden verursachen, damit direkt Wechselbarrieren induzieren (zumindest okonomische Hemmnisse) und die Kun­denbindung positiv beeinflussen konnen. Diese Uberlegungen lassen sich auf alle Felder der Matrix auf Kundenbindung (und Kundenprofitabilitatsseite) ausdehnen.

Fraglich ist aus konkreter Untemehmenssicht, wie Aspekte der Messbarkeit mit solchen der Beeinflussbarkeit Uber unterschiedliche Ebenen eines Untemehmens hinweg strukturiert in Einklang gebracht werden konnen und wie dies zugleich mit Zielsetzungen und Beteiligungsfeldem flir unterstutzende Anreizsysteme zusam-menpasst.

Die folgende Abbildung fasst wesentliche Zusammenhange zusammen:

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219

0) c o

LU

'5)

1 s (0

0> c a>

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5

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liJ

(0 3 tf) (0

1 0.

Zielset-

zung/

Zielhierar-

chie

Kunden-

bindung

als Glo-

balziel

Kunden-

bindung

als

Teil-/Be-

reichsziel

Kunden-

bindung

als Seg-

mentziel

Zeit-Hori-

zonte

Topziel

3-5 Jahre

2-3 Jahre

1-2 Jahre

Mogliche

Beteili-gungsfelder

Unterneh-

men, Be-

reichsziel,

Individuaiziel

(Top Mana­

gement)

Unterneh-

men, Be-

reich, Indivi­

duaiziel

beziehungs-

weise Grup-

penziel

Unterneh-

men, Be-

reich, Indivi­

duaiziel

beziehungs-

weise Grup-

penziel

Gewichtungs-Vorschlag

Unternehmens-

ebene: 60 %,

Bereichs-

ebene: 30 %

Individuaiziel:

10%

Unternehnnens-

ebene: 30 %,

Bereichs-

ebene: 50 %

Individuaiziel:

20%

Unternehmens-

ebene: 20 %,

Bereichs-

ebene: 40 %

Individuaiziel:

40%

Messbarkeit

(Indexsystem)

mit Summen-

formetn

KB(U) = S KB

(Bereiche(i))

U: Unternehmen

B: Fur die Berei-

che i=1...k

KB (Bi) = I KB

(P(r))

P: Phaser=1..3

B: Bereiche

durchlaufend

i=1...k

KB (P(i)) = I KB

(A,..)

Fur Kundenseg-mente

A, B und C

i=1..3

Beeinfluss-

barkeit von

Kundenbin-

dung pro

Ebene

Budget,

Allokation der

Ressourcen,

Prioritaten,

globaler Marke­

ting & Promoti­

ons Plan

Budget, Alloka­

tion der Res­

sourcen, Priori­

taten

Bereichs Mar­

keting & Pro-

motionsplan

Budget,

Allokation der

Team ressour­

cen, Prozess-

indikatoren,

Personenspezi-

fische Marke­

ting & Promoti­

on Aktionen

Abb. 12.10: Zusammenfassung

Erganzend zur Prozessbeitragsmatrix zur bewussten und gesteuerten Beeinflussung von Kundenbindungsdeterminanten mussen Verhaltensregeln beziehungsweise „Treatment Profile" fiir Kunden in den jeweiligen Lebensphasen mit Potenzialen hinterlegt werden. Diese regeln grundsdtzliche Formen und Mittel- sowie Medien-einsatz der Akquisition, Betreuung, Prinzipien fur Marketing- und Promotion-MaBnahmen sowie Freiraume fur Mitarbeiter in der Behandlung von Kunden. Sie sind auf Zielen basierende Verhaltensregeln, die Grundsatze in der Behandlung

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220

von Kunden - quasi Spielregeln - festlegen und damit auch in der taglichen Arbeit Maxime des Handelns sein sollten. Dabei sind Einzelfalle immer wieder nach Aspekten einer kulanten kundenorientierten Untemehmung zu klaren; die Mitar-beiter sollten entsprechenden Entscheidungsspielraum bekommen.

Akquisition

Anfragen

Betreuung

Beratung

Aktionen

Beschwer-den

Kulanz-spanne Kundigung

Rijckgewin-nung

Phase 1

A Sales-force, Call Center Internet Sales-force, Call Center Internet personlich

personlich

Gesamtes Spektrum &nach Bedarf

24 h Bearbei-tung hoch

Gegen-mafinah-men

Ja

B Sales-force, Call Center Internet

Call Center Internet

Teilweise person­lich

Teilweise person­lich

Mittleres Spektrum

72 h Bearbei-tung mittel

Ggf. Mali-nahmen

Ja

c

Call Center Internet

Call Center Internet

Call Center

Call Center

Kleines Spekt­rum

96 h Bearbei-tung gering

IdR. keine Maft-nahmen Nein

Ffliasea

A

Sales-force, Call Center Internet personlich

personlich

Gesamtes Spektrum &nach Bedarf

24 h Bearbei-tung hoch

Gegen-malJnah-men

Ja

B

Call Center Internet

Call Center, Web Shop Call Center, Web Shop Mittle­res Spekt­rum

72 h Bear-beitung mittel

Ggf. MaB-nahmen

DB check

c

Call Center Internet

Call Center, Web Shop Call Center, Web Shop Minimal Pro-gramm

96 h Bearbei-tung gering

IdR. keine Maft-nahmen Nein

A

Sales-force, Call Center Internet person­lich

person­lich

Gesam­tes Spekt­rum & nach Bedarf 24 h Bearbei-tung hoch

Gegen-malS-nahmen

Ja

B

Call Center Internet

Call center, Web Shop, Call Center, Web Shop Mittle­res Spekt­rum

72 h Bear-beitung mittel

Ggf. MalS-nah-men DB check

c

Call Center Internet

Call center, Web Shop Call Center, Web Shop Minimal Pro-gramm

96 h Bearbei-tung gering

IdR. keine Ma(S-nahmen Nein

Abb. 12.11: Beispiel flir Treatment Profile ( nach Phase und Potenzial)

Neben grundsatzlichen Treatment Profilen fur unterschiedliche Kundengruppen, die Ressourceneinsatz und Ergebnisse beim Kunden optimieren sollen, erfahrt oftmals ein Marketing & Promotions-Programm Einsatz, um gezielt durch einzelne MaBnahmen Kunden zu entwickeln beziehungsweise auf die Determinanten ein-zuwirken, um Kundenbindung zu beeinflussen. Da der Katalog entsprechender MaBnahmen in der betrieblichen Praxis mit unter sehr breit gefachert ist, werden nachfolgend einige MaBnahmen exemplarisch aufgezeigt, die Kundenbindung durch UnterstUtzung ihrer EinflussgroBen positiv beeinflussen konnen.

Dabei wird der Zusammenhang zwischen MaBnahmen und Wirkung auf Determi­nanten der Kundenbindung zusammengefasst.

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221

Maflnahme

..Recommend a

friend Programm"

Kundenbefragung

Kundenclub

Sonderveranstal-

tungen (Konzerte,

Dinner. Gutscheine)

Pre-buy Promotions

Kundenzeitschrift

Mailings

Mogliche Ansatzhebel

Kundenanzahl,

Akquisitionskosten

Ego des Kunden,

Erhohung Servicezufrie-

denheit

Ego des Kunden,

Erhohung Servicezufrie-

denheit

Ego des Kunden.

Erhohung Servicezufrie-

denheit

Erhohung Servicezufrie-

denheit / Ego des Kunden

Starkung Informationsni-

veau beim Kunden

Starkung Informationsnl-

veau beim Kunden

Potentieller Beitrag:

Nicht direkt auf Kundenbindung; eher

indirekt: Neukundenanzahl; Positive

Qualitat der neuen Kundschaft

Erhohung Kundenzufriedenheit

Erhohung Wechselbarrien (Okonomisch

und psychologisch)

Erhohung Wechselbarrien (dkonomisch

und psychologisch)

Erhohung Kundenzufriedenheit

Erhohung Wechselbarrien (okonomisch

und psychologisch)

Erhohung Kundenzufriedenheit

Erhohung Wechselbarrien (okonomisch

und psychologisch)

Erhohung Kundenzufriedenheit

Erhohung Abschwachung Variety

Seeking beziehungsweise Reduktion

Attraktivitat des Wettbewerbs (durch

Abb. 12. 12: Zusammenhang zwischen Massnahmen und Wirkung auf Determi-nanten der Kundenbindung

Controlling von Kundenbindung (Prozess & kleinster Baustein)

Um Kundenbindung in der betrieblichen Praxis wirksam kontrollieren zu konnen, bedarf es eines umfassend strukturierten und prozessgetriebenen Ansatzes. Dazu wird zunachst der Prozess fur einen entsprechenden Ansatz aufgezeigt, anschlie-Bend wird auf ein konkretes Zielsystem sowie die kleinste Ebene der Bestimmung kundenindividueller Indexwerte eingegangen, die stufenweise nach oben in Index-Werte hoheren Niveaus verdichtet wird.

Die nachfolgende Abbildung (vgl. Abbildung 12.13) zeigt einen iterativen Pro­zess, der innerhalb eines Untemehmens im AUgemeinen durchlaufen wird, wenn ein entsprechender Ansatz eingefuhrt wird. Klassisch ist die einleitende Standort-bestimmung, die vielfach unter Zuhilfenahme extemer Berater oder Experten voll-zogen wird, wie auch der erstmalig Aufbau eines entsprechenden Kundenbin-dungs-Cockpits fiir ein Untemehmen.

Danach gilt es, in iterativen Zyklen schrittweise (Schritt 1: Zielbestimmung &

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222

Definition; Schhtt 2: MaBnahmen-Umsetzung & Monitorring und Schhtt 3: Mes-sung Ergebnis/Erfolgskontrolle) den Ansatz zu realisieren und iiber detaillierte Analysen der Ist/Plan-Abweichungen beziehungsweise Ubereinstimmungen Riick-schltisse auf die Treffergenauigkeit des Ansatzes zu ziehen. Dabei kann sukzessive durch eine Schwachstellenbetrachtung eine Optimierung des Ansatzes erfolgen. Im Idealfall wachst die strukturierte Basis flir Informationen zur Kundenbindung in einem Untemehmen, so dass empirische Zusammenhange klarer werden miissten. Insbesondere die immer noch schwammigen direkten Ursache-Wirkungsketten lieBen sich somit schrittweise weiter fundiert konkretisieren.

Bchritt 0: \ ptandort-pest immungi

• Bestimmung Kriterien der Erfassung von Kundenbindung (bisheriges Verhalten & Verhaltens-absicht)

' Bestimmung Messverfahren und Index-system

' Feststellung aktueller Indexwerte (Messung & Befragung)

' Bestimmung Spielregein fur Kundenbin-dungs-Ziel-system

Schritt 1 : Zielbestimmung &) Definition

• B«$timmurJ9

- Qjobalzi^i "" Semictisztele - OmppBn /

* Intvat ion Zieie m Imh system des

Anreizsysteme an mm

* Allokatlon ^m Ressourcen nach Indivldyeller tM-

< Wmln^tun^ es$-eltriume

Schritt 2: iVIadnahmen Umsetzung & IVlonitorring

« EntwurfMainahmenkaiaiQ^ fi i fA,B«^clCKyr^en

» B^timmur^g Ko$t$Ji/Nytz:^-BffBm pro yaiSnahme

* EmkiMon Ma^nahmen / Prt>motr0f $- / Progmmim BtC,

* Dyrahfaiirting Kontroli* nrmMungen (FOr

Stiohproben Im Kundenbestanci

' Auswertung Stickprd^en und Abgleich mit ynterjihrlg^r

' Q§t FoKussierutig awf n^ativaAbvs^lchMiig^rt vom F»teinverlauf

' Qpf, Enlwlcklung* Test und Um$etzurtgi von O^ganmaS-nahn^en (Troyfofe Shooting)

' R^onitomng clef Oesamt-^(Srtamen des Untemehinena

Schritt 3: IVIessung Ergebnis / Erfolgskontrolle

• Kontiny^rlicha$ Updata ICundeml^ndyngs-mievanter Paten tbai Anfass) sowie bet ver« elnbaitattt ZtttpynkI

• Var^iditung frtdividyaliar Kundenwerta auf Segment ma Bamichswarta nadi A, s ynd C Kundengfiipi^an^

• Abgleich Ptemwert mit

• Bestimmung Atmeh chun^en un<i Analyse dim Ursaclten

• imiftllyng Zlalerre{ctiyn9s*9rad IPr Kyndaii-bindyngs^:^!)

• irmlttfyng Anteli an Aus-$OhOttungAnr^fea

• EInieityng Gawthrungi

Iterativer Prozess Feedback-Schleife & Lernkurve zur Optimierung

des Ansatzes uber mehrere Zyklen

Abb. 12.13: Prozess Kundenbindungscontrolling

Die nachstehende Abbildung (vgl. Abbildung 12.14) zeigt eine Konkretisierung des oben bereits eingefuhrten Ansatzes fur einen Bereich im Detail. Hier wird der Plan-Kundenbindungsindexwert konkret auf einzelne gleichgewichtete Bereiche aufgebrochen, der Bereich Bl weiter konkretisiert im Hinblick auf Plan-Indexwerte flir Phasen und Segmente (A, B und C Kunden). Final werden in ein-zelnen Kundengruppen Plan-Indexwerte auf Einzelkundenbasis bestimmt.

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223

Zunachst wird also fiir die Top-Ebene ein Kundenbindungs-Globalindexwert als ZielgroBe (Planwert) vorgegeben. Dieser 1st nichts anderes als eine aggregierte Gesamtangabe der einzelnen Bereichswerte und ihrer Beitrage zum Gesamtindex KB(U); hier mit Planwert „3,5". Im weiteren Verlauf werden die Bereiche mit gleichen GroBen und Kundenzahlen angenommen (alle 25 % Gewichtung).

Fur die einzelnen Bereiche werden dem Prinzip der hierarchischen Strukturierung folgend Plan-Indexwerte fur Niveaus von Kundenbindung fiir die einzelnen Berei­che vorgegeben (2,58 fiir KB(Bl) bis 2,5 fiir KB(B4)). Diese werden sukzessive weiter verfeinert in dem Bereich untergeordnete Sub-Indexwerte. Hier erfolgt konsequent eine Aufspaltung der Kundengruppe nach Lebensphase (Phase 1, 2 Oder 3); wobei zugleich eine Untergliederung der Kunden der jeweiligen Phase in A, B und C Kunden erfolgt. Auch hier wird zur Illustration eine Gleichgewichtung unterstellt.

KB(U): Plan = 3,5; 1st ( )

Gewichtung 25% r

K(B1) Plan = 2,58; 1st ( )

I 25% 25%

K(B2) Plan = 3,8; 1st ( )

K(B3) Plan = 4,0; 1st ( )

K(B4) Plan = 3,62; 1st ( )

Konk retjsierung Berefch 1

7 3 / 3 -2,S8; (Andahim, n,n und P3 gleich^ Gewicinimgen)

33,3% K(B1(P1))

Plan = 2,3; 1st ( )

2]elweit[ljrch5diiitt iVizaN Kunden Zeisunre alle KLndei 3i2 2

1,7

2D00

2X0

2X0

©100

40G0

3400

PI: 6,9/3*2.3

33,3% I

K(B1(P2)) |Plan = 2,63; 1st ( )

3i5 ^5 1,9

23C0 2X0 2D0O

7000 9D00 3800

Pa: 7,9/3 «2,63

33,3%

K(B1(P3)) [Plan = 2,83; 1st ( )

P3:8.5/3*2.63 211

2X0 2X0 2X0

7400 5400 4200

Annahme zur exemplarischen Illustration: Gleiche Kundenzahlen

Abb. 12.14: Beispiel Zielsystem - Konkretisierung Planwerte Bereich 1

Damit sind fiir Phasen und Potenziale Zielwerte von Indexwerten fiir die Kunden­bindung vorgeben worden; zugleich ist mit A, B und C-Qualifikation ein Aspekt der Kundenprofitabilitat simultan integriert. In diesem System konnen nun Aus-wertungen einzelner Phasen in unterschiedlichen Bereichen erfolgen; zum anderen kann aber auch nach A, B und C Kundengruppen gruppiert werden. In dieser Ma­trix konnen die Test- und Kontrollgruppen fiir die Untersuchung der Ursache-

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224

Wirkungsgefuge einzelner MaBnahmen gebildet und einzelne Effekte transparent gemacht werden.

Im Idealfall geht die Konkretisierung bis auf Kimdenebene; hier sind individuelle Kundenbindimgs-Cockpits in enger Vemetzung mit der Kontakt-Historie sowie den Kundenstammdaten zu finden. Diese Sichtweise ist zugleich die hochste Stufe individueller Komplexitat und Granularitat an Informationen mit aller Erschwemis in der soliden Erfassung und Bestimmung einzelner Indikatoren beziehungsweise Dimensionen.

Nachfolgend wird der „kleinste gemeinsame Nenner" fur alle Kunden an einem Beispiel gezeigt. Hier gilt es auf individueller Kundenbasis, bestmoglich die erfor-derlichen Datenfelder aus System und Kundeninteraktion auszufuUen. Fehlende Informationen konnten mit Hilfe der Mitarbeiter oder vom Call Center erfragt werden. Auch hier sind zunachst Planwerte eingestellt; sie gilt es, mit zu erfassen-den Ist-Werten auf Kundenebene sukzessive zu erganzen. Die Darstellung kann in modemen Reporting-Oberflachen mittels nutzerfreundlicher GUIs optimiert und verfeinert werden (vgl. Abb. 12.15).

Kundenkerndaten Name Vomame

Mustermann Erwin

Geb. Eintritt

11.11.1972 22.02.2004

Organisatorische Zuordnung Bereich Key Account

Finanzielle Kennzahlen

B1 Muller 1

Kundentyp A Phase P I 1 Jahr

Umsatz 2004 Umsatz 2005

30000 35000

DB DB

600€p.a. 700€p.a.

Kundenkontakthistorie (leteten 5 Eintrage) Kauf Produkt 1 Beschwerde Positives Feedback Weihnachstaktion Bezug Serviceleistung A Anfrage Vertragskonditionen

11. Feb. 05 17. Jan. 05 3. Jan. 05

22. Dez. 04 11. Dez. 04

ly/liiiier 1 Call Center Call Center Muller 1 Muller 1

eriedigt eriedigt eriedigt eriedigt Anfrage offen

Kaufintensit^ Treue Zuneigung Kunden penetration Dauer Beziehung Kontaktdichte

Wiederkaufabsicht Relevant Set Anteil Kauf- & Besuchs Wkt. WiederkaufWkt. Weiterempf.Wkt. Wiederbes. Wkt

• inhei t "^' '^"" Kdufe/Monat Niedrig-Hoch Niegrig-Hoch in Prozent Jahre Kontakte/Monat

•""'•'Bnheir'"'"'''"'^'""' Nfiegdrig-Hoch Prozent Prozent Prozent Prozent Prozent

Planwert 3,0 3.0 2,0 3,8 3,5 4,0

Planwert 3,0 2,0 4,0 4,0 3.5 3,0

Gewicht 20% 10% 10% 20% 20% 20% 100%

Gewicht 20% 10% 10% 20% 20% 20%

Sum me 0.6 0.3 0.2 0,76 0,7 0,8 3.36

Summe 0,6 0,2 0,4 0,8 0,7 0,6

ls^vert 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0

Istwert 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0.0

Gewicht 20% 10% 10% 20% 20% 20% 100%

Gewicht 20% 10% 10% 20% 20% 20%

Summe 0 0 0 0 0 0 0

Summe 0 0 0 0 0 0

Abb 12.15: Kundenindividuelle Erfassung

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225

4 Zusammenfassung und Ausblick

Die bisherigen Ausfuhrungen haben gezeigt, warum es fiir Untemehmen eine Her-ausforderung ist, ein umfassendes und schlussiges Konzept eines Kundenbin-dungsmanagements sowie eines unterstutzenden Controlling zu implementieren. Grundliegende Schwierigkeiten liegen bereits in der Komplexitat der Zielsetzung Kundenbindung.

Entsprechend ist der vorstehende Konzeptansatz ein erster pragmatischer Schritt, dieser Herausforderung zu begegnen. Nach einer entsprechenden Implementie-rung ist die erforderliche Datenbasis strukturiert zu generieren, aufzubereiten und auszuwerten, um insbesondere auch die Ursache-Wirkungsketten im Geflecht aus Beeinflussung und Messbarkeit klarer vorhersagen zu konnen und das Konstrukt schrittweise transparenter zu machen. Untemehmen praktizieren heute oftmals hier den „Trial & Error-Ansatz", mit dem fallweise Erfahrungen gemacht werden, die zu einer fiindierten Scharfung des Ansatzes fiihren konnen.

Neben alien Ansatzen zur Kundenbindung ist parallel die Zielsetzung Kundenpro-fitabilitat zu betrachten; weil nur so sichergestellt werden kann, dass langfristig auch die richtigen Kunden, namlich „profitable" Kunden ressourcenoptimiert akquiriert, bearbeitet und dann schrittweise gebunden werden. In diesem Bereich sind in letzter Zeit im Rahmen der Optimierungen betrieblicher Prozesse und Strukturen sowie der Kostenzurechnung erhebliche Fortschritte gemacht worden, auf die aufgesetzt werden kann. In vielen Branchen ist eine mehrstufige Kundener-trags- und Erfolgsrechnung mittlerweile Standard.

Viele Untemehmen haben begonnen, entsprechende Ansatze - in Teilen mehr Oder weniger differenziert - zu implementieren. Hier ist insbesondere Praktikabili-tat und Umsetzbarkeit gefordert bei bestmoglichem Kosten-Nutzenverhaltnis. Zu Schmerzhaft waren die Erfahmngen von Vorhaben in der Vergangenheit mit oft­mals zweifelhaftem oder vielfach nicht messbarem Nutzen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind die aktuellen Ansatze noch nicht perfekt; mit zunehmender Erkenntnis in Wirkungsweisen der Ebenen des Konstmktes, in Messung und Beeinflussbarkeit sowie der vorhandenen Datenbasis kann davon ausgegangen werden, dass die Ansatze sukzessive eine weitere inhaltliche Scharfung fmden werden.

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226

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Kapitel 13 Dienstleistungsmarketing-ControUing

Enno Wolf

1 Einleitung

Die Kostensenkungs- und Effizienzsteigemngsdebatte in vielen Branchen hat in der betrieblichen Praxis in Deutschland zeitweise einen prominenten Themenkom-plex - beziehungsorientierte Ansatze im Marketing oder innovative Konzepte der Differenzierung vom Wettbewerb durch Dienstleistimgen - in den Hintergrund geruckt. Fast jedes Untemehmen hatte hier mit umfangreichen Konzepten und Multikanalansatzen gearbeitet oder zumindest experimentiert, oftmals dabei erheb-liche finanzielle Mittel und personelle Ressourcen in entsprechende Vorhaben investiert. Mangels fehlender konzeptioneller und theoretischer Verankerung so-wie unzureichender Durchdringung der Themenkomplexe in der betrieblichen Praxis waren diese Projekte allerdings oftmals verbunden mit hohen Scheiterraten.

Im Rahmen der Neuausrichtung und Konsolidierung einzelner Branchen sowie der Losung grundlegender kostenseitiger Probleme in vielen Betrieben sind eine Viel-zahl von Erkenntnissen zu vormals gescheiterten Vorhaben erwachsen, die ihrer-seits Eingang finden in neue Ansatze zur Ausweitung der Umsatzseite. Gerade diese erfahren nach erfolgreicher Bewaltigung der Herausforderungen auf der Kostenseite zur Steigerung der Untemehmensprofitabilitat wieder zunehmend an Bedeutung. Dies voUzieht sich an klassischen Hebeln, wie etwa in der Starkung der Kundenbasis bei gleichzeitiger Steigerung ihrer Wertigkeit sowie der Optimie-rung des Produkt- und Dienstleistungsmixes. Damit richtet sich der Blickwinkel auch wieder verstarkt auf das Marketing und seine verheiBungsvollen Potenziale auf der Absatzseite.

In der wissenschaftlichen Diskussion ist parallel zu dieser Entwicklung erkennbar, dass die Debatte im Marketing sukzessive dem gestiegenen Anspruch der betrieb­lichen Praxis folgt und durch diesen inspiriert wird. Hier widmet sich ein Teil der Diskussion einem „neuen Verstandnis" von Marketing, dem eine entsprechende Reife zugesprochen wird und damit auch strengere Anforderungen an selbiges stellt (Rageth 2004, S. 18). Vorbei scheinen die Zeiten, wo Marketing (als Wissen-schaft beziehungsweise betriebliche Funktion) isoliert neue Konzepte ausbrtitet, die - oftmals mangels Einbezug betriebswirtschaftlicher Effizienzgedanken - nicht immer praktische Anwendung beziehungsweise entsprechenden Erfolg finden konnten. Festzustellen ist bei einigen Autoren das Bestreben, klassische und neue Ansatze im Marketing-Umfeld einer entsprechenden Opemationalisierung zuzu-fiihren und somit die Implementierung voranzutreiben. Von Interesse ist dabei

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unter anderem die Schaffiing betrieblicher Testwelten fur Ansatze - konkretisiert durch Integration in organisatorische und prozessuale Wirklichkeit.

Innovative Ansatze im Marketing und angrenzender Gebiete finden wieder ver-starktes Interesse in Wissenschaft und betrieblicher Praxis; allerdings unter einem verstarkt kritischen Blickwinkel von Effektivitat und Effizienz. In diesem Zusam-menhang steht nicht nur die Konzeption und Implementierung von solchen Vorha-ben, sondem gleichzeitig die erachtete Notwendigkeit eines umfassenderen Cont­rolling, um behauptete Effekte nachweisen zu konnen und damit auch ihre Recht-fertigung zu untermauem (vgl. u.a. Corsten 2004). Hiermit sollen Erfahrungen der Vergangenheit in Zukunft vermieden werden.

Im Rahmen immer vergleichbarer und austauschbarer Produkte und Services ver-sucht sich eine Vielzahl von Untemehmen emeut, durch Dienstleistungen vom Wettbewerb zu differenzieren; entsprechend wird das Produkt- und Serviceange-bot erweitert und qualifiziert (zum Beispiel hoheres Niveau an Qualitat). In diesem Zusammenhang sind zusatzliche Ziele in das Zielsystem von Untemehmen zu intemalisieren. Hier sind beispielsweise neben Dienstleistungsqualitat Servicezu-friedenheit als Komponente der Kundenzufriedenheit als Determinante von Kun-denbindung sowie auch Wechselbarrieren zu nennen, die mittels sehr guter Dienst­leistungen auf Kundenseite geschaffen werden und die auf die Kundenbindung einwirken konnen.

In diesem Kontext gewinnt der Umstand an Bedeutung, Dienstleistungen aus Un-temehmenssicht fur Kunden bestmoglich zu definieren, nachhaltig aus Kunden-sicht wahrgenommenen relevanten Wert zu schaffen und final die Umsetzung innerhalb der Organisation und der Prozesslandschafl eines Untemehmens zu kontrollieren. Hierzu bedarf es unter anderem eines Dienstleistungscontrolling und bei Berucksichtigung entsprechender ZielgroCen im Marketing eines umfassenden Dienstleistungsmarketing-Controlling (vgl. Wiest 2005, S. 40ff.).

Bevor auf einen Ansatz eines Dienstleistungsmarketing-Controlling fiir die be-triebliche Praxis eingegangen werden kann, sind grundlegende Begrifflichkeiten und Besonderheiten zu Dienstleistungen zu klaren, Verfahren fiir Ihre Messbarkeit zu skizzieren, was ftir eine entsprechende Konzeption und spatere Implementie­rung eines Diensdeistungsmarketing-Controlling unerlasslich ist. Darauf aufbau-end wird ein fiir die betriebliche Praxis praktikabler Ansatz vorgestellt.

2 Besonderheiten von Dienstleistungen

Dienstleistungen weisen einige Besonderheiten auf, die eine undifferenzierte Uber-tragung bisher gewonnener Erkenntnisse des Sachgiitermarketing erschweren. Gleiches ist anzunehmen ftir eine entsprechende Entwicklung und Implementie­rung eines unterstiitzenden Marketing-Controlling-Ansatzes ftir Dienstleistungen. Von zentraler Bedeutung und maligeblich ftir ihre Besonderheit sind die konstitu-tiven Merkmale von Dienstleistungen - namlich die Immaterialitdt der Dienstlei-stung und der Einbezug des externen Faktors.

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2.1 Immaterialitat

Unter der Immaterialitat wird verstanden, dass Dienstleistungen als eigentliche Kemleistungen nicht materiell greifbar sind. Daraus resultiert, dass bei potenziel-len Leistungsabnehmem grundsStzlich eine Unsicherheit uber die Qualitatder angebotenen Leistungen bestehen kann. Zum Abbau dieser Unsicherheit suchen Leistungsabnehmer nach entsprechenden Zeichen und Hinweisen (Leistungsort, Mitarbeiter, Broschiiren usw.), aus denen Ruckschlusse auf die Qualitat gezogen werden konnen.

So versucht beispielsweise eine Vielzahl von Finanzinstituten, die Unsicherheit auf Kundenseite bezuglich der Qualitat der angebotenen Dienstleistungen durch prag-nante materielle Ausdrucksformen bereits in der Beschreibung der Dienstleistung zu adressieren und konkret psychographische Marketingziele zu benennen und zu versprechen. Konkret werden darunter etwa Kompetenz, Image eines Leistungsan-bieters oder Kundenzufriedenheit verstanden. In diesem Zusammenhang ist schon vor langerer Zeit aus empirischen Untersuchungen hervorgegangen, dass psycho­graphische ZielgroBen wesentliche Indikatoren flir die Dienstleistungsqualitat dar-stellen konnen; so ist zum Beispiel das Image ein Kemfaktor im Kreditsektor.

Aus der bereits angefiihrten Immaterialitat der Dienstleistung resultieren akzesso-rische Merkmale wie Nichtlagerfdhigkeit und Nichttransportfdhigkeit.

• Nichtlagerfdhigkeit impliziert, dass eine Dienstleistung prinzipiell nur in dem Moment in Anspruch genommen werden kann, in dem sie erstellt wird. Dienstleistungen konnen vom Grundsatz her nicht auf Vorrat produziert wer­den; so muss ein Dienstleistungsmarketing ein fimktionierendes Kapazitats-management enthalten. Insbesondere im Hinblick auf Nachfrageschwankun-gen sollte dieses flexible Optionen bereithalten und in der Lage sein, die kurzfristige Nachfrage durch verschiedene Marketinginstrumente zu beein-flussen.

• Nichttransportfdhigkeit bedeutet in diesem Kontext, dass eine Dienstleistung grundsatzlich am Ort ihrer Erstellung konsumiert werden kann.

Neben der Beschreibung einer Dienstleistung muss diese fiir den Kunden grund­satzlich im Rahmen einer Materialisierung „erlebbar" gemacht werden. Ziel hier-bei ist es, den Nutzen, wie zum Beispiel bei einer Finanzdienstleistung, glaubhaft zu vermitteln und einen Beweis dafur zu liefem, dass die versprochenen Vorteile dieser Leistung auch eintreten werden. Die Materialisierung von Finanzdienstleis-tungen ist auf unterschiedliche Art denkbar: Sie kann beispielsweise erfolgen durch die technische und personelle Ausstattung von Geschafts- und Beratungs-stellen, Broschiiren und in Form von Werbespots.

2.2 Externer Faktor

Dienstleistungen zielen im Allgemeinen auf Bediirfhisse, Anspriiche und Erwar-tungen von Kunden ab. Damit sind sie per se auf eine ,,externe Komponente" ge-

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richtet, die oftmals bei Definition, Erstellung, Umsetzung und Realisierung ent-sprechende Berucksichtigung findet. Fur die Erstellung von Dienstleistungen zur Erzielung nutzenstiftender Wirkungen am externen Faktor oder an einem seiner Verfligungsobjekte ist also dessen Integration beziehungsweise die seiner Verfu-gungsobjekte in den Leistungserstellungsprozess unbedingte Voraussetzung. Dabei wird der Adressat oder die rezipierende Entitat, der exteme Faktor, systematisch involviert. Auch ist zu beriicksichtigen, dass ein Dienstleistungsanbieter auf Grund der Notwendigkeit der Integration des externen Faktors die Potenzialfaktoren zur Dienstleistungserstellung nicht mehr allein voUstandig bestimmen kann.

FUr das Marketing von Dienstleistungen leiten sich hieraus eine Vielzahl grund-satzlicher Implikationen ab; vor allem sind Standardisierungsprobleme von Dienstleistungen offensichtlich; gleichzeitig zeigt sich eine mogliche Komplexitat in der auszugestaltenden Kundenorientierung im Dienstleistungserstellungspro-zess. Diese Implikationen sind auch im Rahmen eines unterstiitzenden Dienstleis-tungsmarketing-Controlling entsprechend zu beriicksichtigen.

2.2.1 Standardisierungsprobleme

Dienstleistungen sind durch die Integration des externen Faktors sowie durch das am Dienstleistungserstellungsprozess beteiligte menschliche Leistungspotential individualistisch, personalintensiv und - nach ihrer jeweiligen Genese - nur be-dingt standardisierbar. Zum einen herrschen beim externen Faktor unterschiedliche Erwartungen, die in den Erstellungsprozess integriert werden; zum anderen ist zu berucksichtigen, dass bei menschlich ausgeflihrten Dienstleistungen hohe Ausfuh-rungsschwankungen im Resultat auftreten konnen, da abhangig vom Leistungs-erbringer ungleiche LeistungsfShigkeiten (Fachkompetenz, Sozialkompetenz) sowie unterschiedliche Leistungsbereitschaften vorhanden sind. Ein Ziel der An-bieter von Dienstleistungen miisste konsequent sein, die verschiedenen Moglich-keiten einer Standardisierung zu nutzen, um die Kontinuitat in QualitSt, der Erfiil-lung von Erwartungen und der Beschaffenheit des finalen Ergebnisses bestmoglich sicherzustellen.

Standardisierung kann in einer Vielzahl von Aspekten im Rahmen einer Dienst-leistung erreicht werden: Erstere kann auf der konkreten Angebots- und Leistungs-seite erfolgen, was Inhalte und Beschreibungen von Dienstleistungsofferten an-geht, femer kann nach ahnlichen Bediirfnisgruppen standardisiert werden, zudem konnen Mitarbeiter in Bezug auf Ihre Auswahl sowie Qualifikation und Leistung einer gewissen „Standardisierung" unterworfen werden; zudem kann ein Vorge-hensmodell in der Erstellung von Leistungen Standards sicherstellen; erganzend kann die Beschaffenheit der Vergiitungssysteme fiir den Vertrieb sowie die konse-quente Gestaltung von Anreizsystemen durch Lenkung von Provisionen und An-reizen im Sinne bestmoglicher Erstellung und Ergebnisse einen gewissen Standard von Dienstleistungen untersttitzen.

• Leistungsseite: Im Hinblick auf die Leistungspotenziale erfolgt die Standardi­sierung des Anlagenpotenzials, beispielsweise bei Banken, Versicherungen und Bausparkassen, durch die Wartung von Kommunikations- oder Compu-

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teranlagen zur Gewahrleistung gleichbleibender beziehungsweise steigender Leistungsabgaben.

BedUrfnissegmentierung: Eine weitere Standardisierungsmoglichkeit des ex-temen Faktors kann durch die Kategorisierung von Kundenerwartungen als Ergebnis einer differenzierten Marktsegmentierung erfolgen. Dabei generiert eine mehrstufige Marktsegmentierung im Idealfall Gruppen von Menschen mit vergleichbaren Bedurfliisstrukturen. Zur Verdeutlichung kann hier das Le-bensphasenkonzept dienen, das Kunden unter anderem nach Lebensalter diffe-renziert und davon abhangig bestimmte Bedtirfhisstrukturen unterstellt. Dabei erfahrt auch dieser Ansatz Grenzen in Streuverlusten und in der Unscharfe von Pauschalisierungen.

Mitarbeiterauswahl und Leistung: Eine gewisse Standardisierung der Lei-stungsfahigkeit von Mitarbeitem erfolgt unter anderem durch deren Auswahl, Bewertung und Einsatz sowie durch Vermittlung von Mindest- und Zusatz-qualifikationen in Schulungen und Seminaren. So kann ein vergleichbarer Qualifikationsstand eine gewisse Standardisierung in Beratungs- und Informa-tionsqualitat sowie in der Bearbeitung des Prozesses sicherstellen.

Vorgehensmodell zur Erstellung der Dienstleistung: Auch bei den Prozessen zur Dienstleistungserstellung sind M5glichkeiten fur eine Standardisierung gegeben, oftmals unterstUtzt mittels Informationstechnologie: Finanzdienst-leistungsinstitute nutzen heute im Zuge der Beratung - neben den traditionell unterstutzenden Prospekten - etwa tragbare Computer mit entsprechender Be-ratungssoftware. Hier erfolgt in einem Standardprozess ein Informationsaus-tausch mit der Zentrale iiber Online-Verbindungen. Mit Hilfe eines solchen Vorgehens stellen Tabellen in Prospekten sowie Beratungsprogramme neben einer gewissen Stringenz in der Erstellung auch das Ergebnis der Dienstleis­tungserstellung in standardisierter Form sicher, indem fur verschiedene Kun­den bei gleichen Wunschen und Zahlungsplanen auch identische Beratungser-gebnisse ermittelt werden.

Beschaffenheit der Vergiitungsstrukturen und Anreizsysteme: Zur Gewahrleis-tung einer Ergebnisstandardisierung tragt neben einem schlanken Produktan-gebot auch das Vergiitungssystem von Finanzdienstleistungsinstituten bei. Durch besondere Vergiitungskomponenten fur das Erreichen vorgegebener quantitativer wie qualitativer ZielgroBen konnen Standardergebnisse gefordert werden. Auch die Vereinbarung von entsprechenden ZielgroBen fiir die Erstel­lung einer Dienstleistung konnen zur Standardisierung beitragen.

Service Level Agreements und Vertragswesen: Ein weiterer wichtiger Aspekt der Standardisierung von Dienstleistungen liegt - sofem deren Genese es zu-lasst - in der ausfuhrlichen Gestaltung von Service Level Agreements zwi-schen Kunden und Untemehmen sowie in einem entsprechend umfassenden Vertrag zur Sicherstellung und Klarung moglicher Konfliktfalle, um spater umfassende Streitigkeiten und Auslegungen vertraglicher Regelungen auf ein notwendiges Mindestma/3 zu begrenzen.

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Mittels Service-Level-Agreements koirnen abstrakt wirkende Dienstleistun-gen konkretisiert werden, dabei werden spezifische Parameter der Kemleis-tung definiert, opemationalisiert und flir Anbieter und Nachfrager damit transparent steuerbar. Bei Beratungsauftragen sind dies etwa Vertragswerke mit Beschreibung von Prozess der Erstellung sowie Endprodukten (Ergebnis-typen); bei weitergehender Standardisierbarkeit wie IT oder Logistikdienst-leistungen werden konkrete Vereinbarungen zu Kemaspekten der Leistung getroffen. Zu auf MSrkten jederzeit beziehbaren Leistungen mit hochstem Standardisierungspotenzial gibt es zumeist branchenspezifische Vereinba­rungen.

2.2.2 Kundenorientierung

Vor dem Hintergrund des steigenden wirtschaftlichen Drucks haben viele Unter-nehmen den Imperativ hin zu mehr Kundenorientierung erkannt. Kundenorientie­rung bedeutet dabei eine Ausrichtung der gesamten Wertschopfungskette der Un-ternehmung nach den Bedurfnissen des Kunden. Sie verzeichnet einen zunehmen-den Stellenwert in der betrieblichen Praxis und wird zugleich immer mehr zu einem festen Bestandteil untemehmerischer Strategien. Transponiert man den Anspruch von Kundenorientierung auf den Kontext der „Erstellung und Lieferung" von Dienstleistungen, so wird deutlich, dass die Wertschopfungskette insgesamt stark durch den extemen Faktor beeinflusst sein wird, um gr5l3tmoglichen Kun-dennutzen liefem zu konnen.

So besteht zum Beispiel beim standardisierten Bauspargeschaft die Individualitat im Abschlusszeitpunkt aus den Einflussnahmemoglichkeiten des extemen Faktors auf die spezifische Ausgestaltung dieses standardisierten Produktes. Sie umfasst insbesondere die Wahl des Bauspartarifes, der Bausparsumme sowie die Wahl der Art, der Hohe und der Zeitpunkte von Sparleistungen. Wahrend individuelle Ein-flussmoglichkeiten auf den Bausparvertragsverlauf nach dem Abschlusszeitpunkt in der Vergangenheit allein durch Veranderungen der Sparleistungen und/ oder durch die Veranderung der Bausparsumme moglich waren, bestehen durch flexib-lere Tarife auch wahrend der Sparphase grundsatzlich die gleichen Ge-staltungsmoglichkeiten wie zum Abschlusszeitpunkt. So treten zumeist schon in der sich dem Kauf anschliefienden Sparphase Veranderungen vielfaltiger Art ein. Einerseits haben hohere, niedrigere oder zeitlich versetzte Sparraten Einfluss auf den gewunschten Zuteilungstermin, andererseits konnen sich die Ziele des exter-nen Faktors andem, indem fruher oder spater die nutzen-stiftenden Wirkungen (zum Beispiel die Darlehensinanspruchnahme) des Bausparvertrages in Anspruch genommen werden k5nnten.

Die Notwendigkeit, zu solchen Anlassen in Kontakt zu treten, um die Dienstlei-stung „Bausparvertrag„ den veranderten Gegebenheiten durch Modifikationen (Veranderung der Bausparsumme, des Bauspartarifes, der Sparleistungen) recht-zeitig entsprechend anzupassen, muss die Bausparkasse hierbei dem extemen Faktor ausreichend und zweifelsfrei deutlich machen. Erfolgen diese Kontakte im Rahmen einer Kundenorientierung hingegen nicht, wird das Ergebnis des Leis-

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tungserstellungsprozesses mit groBer Wahrscheinlichkeit die Kundenerwartungen nicht ganz erfullen. Die Forderung nach Kundenorientierung bezieht sich im Prin-zip auf jede der verschiedenen Phasen des Lebenszyklus von Finanzdienstleistun-gen.

2.3 Klassifikation von Dienstleistungen

In der betrieblichen Praxis ergeben sich, was die konkrete Messung von Dienstleistungsqualitat angeht, eine Vielzahl von Herausforderungen. Untemehmen miissen individuell entscheiden, welches Verfahren der Messung Anwendung finden soil.

So ist ein Auftrag einer Top-Management Beratung fur die Ausgestaltung einer Untemehmensstrategie sicher vOllig anders „messbar" als die Standard-Logistik Dienstleistung und auf Grund der moglichen Tragweite der Inhalte bei Umsetzung sowie der entstehenden Kosten sicher von anderer Bedeutung als ein Fall solcher alltaglicher Leistungen. Eine mogliche Klassifikation von Dienstleistungen ist die nach individueller Wertigkeit sowie nach dem Potenzial an Standardisierung, Damit ergibt sich die folgende exemplarische Ubersicht einer grundsatzlichen Moglichkeit der Einteilung (vgl. Abbildung 13.1).

Je hoher der Grad an Individualitdt, desto schwieriger wird grundsatzlich eine Erfassung der Qualitat der Dienstleistung. Hier gibt es - wie oben schon einmal angefiihrt wurde - wenig Vergleichsmomente fiir Kunden, woran gemessen wer-den kann, zugleich ist die Wertigkeit in dieser Kategorie oftmals sehr hoch (Bera-tungsprojekte, Architektenarbeit, Designvorschlage). Hier sind die Umstande der Erstellung sowie das Vertrauensverhaltnis Kunde/Dienstleister von entsprechender Relevanz. Auf Kundenseite sucht man nach mSglichst vielen Faktoren, die die Qualitat der Arbeit sowie die Erstellung und das Ergebnis beeinflussen konnen. Die Preisbereitschaft ist bei solchen Individualleistungen grundsatzlich hoher.

Nimmt das Verhaltnis Wertigkeit und Standardisierung in der Form Gestalt an, dass erstere sinkt, zugleich ein hoheres Mali an Standardisierbarkeit auftaucht, dann besteht oftmals ein transparenter oder vergleichbarer Markt fiir die ausge-tauschte Dienstleistung. Da allerdings einige kundenspezifische Aspekte in der Dienstleistung auftauchen konnen, kann auch in solchen Fallen aus Kundensicht nur in gewissen Grenzen eine klare Vorstellung der Qualitat erreicht werden. Auf jeden Fall besteht sicherlich ein klareres Bild als im Fall der „hochwertigen Indi-vidualleistung". So konnten beispielsweise logistische Transportleistungen - wie bei der Belieferung von Filialen mit speziellen Kundenanforderungen - in diese Kategorie fallen.

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5

Beratungsauftrag Strategieberatung

..LoSlstiW^ ^ ^ Kundensji^ezifisch

• o

c

IT-Plattformservice iGlobal standardisiertl

niedrig Standardisierbarkeit hoch

Abb. 13.1: Mogliche Einteilung von Dienstleistungen Quelle: Eigene Darstellung

Im Fall vollstandig standardisierbarer Leistungen mit eher geringer Wertigkeit, liegt vielfach ein voll funktionsfahiger hochtransparenter Markt vor. Die Leistun­gen sind dann zumeist so vergleichbar, dass auf Kundenseite eine sehr klare Vor-stellung zur Definition, zum Preis-ZLeistungsverhaltnis und zur Qualitat der Dienstleistung vorliegen diirfte. Zudem lasst eine Vielzahl von Erlebnisfallen eine konkretere und auf Erfahrungen basierte eigene Einschatzung zu, als das bei selte-nen und hochwertigen Dienstleistungen der Fall ist. Hier sind als Beispiel IT-Dienstleistungen oder Standard-Abwicklungsvorgange im Finanzgeschaft zu nen-nen, die sich auf hoch standardisierte Prozesse und Anforderungen beziehen.

Grundsatzlich sind fiir die einzelnen Typen von Dienstleistungen unterschiedliche Verfahren zur Messung der Dienstleistungsqualitdt denkbar, die im Folgenden weiter konkretisiert werden. Die ZielgroBen Kundenbindung und Kundenprofitabi-litdt k5nnen grundsatzlich erganzend zu alien Verfahren erfasst werden. Die hier-flir notwendige Datensituation diirfte allerdings mit zunehmender Standardisier­barkeit besser werden, was Definition der Zielwerte und Messung der jeweiligen Erreichung erleichtem wiirde. Aus Untemehmenssicht gilt es, fur den Einzelfall die best geeignetesten Verfahren zu identifizieren und mit einem oder mehreren

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zugleich ein entsprechendes Dienstleistungsmarketing-ControUing-Konzept zu entwickeln, das dem situativen Kontext eines Untemehmens bestmoglich gerecht wird. Dabei werden Qualitat, Kundenbindung (ihre ErfassungsgroBen und Beein-flussungsgroBen) und Kundenprofitabilitat in ein stimmiges Gesamtkonzept zu integrieren sein.

3 Messung von Dienstleistungsqualitat

3.1 Mogliche Verfahren zur Messung

Aus der Informationsfunktion des Marketing-Controlling ergibt sich heute unter anderem auch die betriebliche Notwendigkeit zur Messung der Dienstleistungs­qualitat. Da Verfahren wie Kennzahlenanalysen (Umsatz, Marktanteil, Wieder-kaufsrate) allerdings nur begrenzt Rtickschlusse auf die Dienstleistungsqualitat zulassen, rucken hier spezielle Messverfahren in den Mittelpunkt der Betrachtung. Daneben sollen verstarkt auch KenngroBen von Kundenbindung und Kundenprofi­tabilitat sowie ihre Determinanten im Rahmen entsprechender Messungen erfasst werden, was im Kontext eines effizienten Dienstleistungsmarketing-Controlling unerlasslich sein wird, urn Dienstleistungsqualitat sowie zugleich Bindung von Kunden und ihr wirtschaftliches Potenzial zu durchleuchten und strukturiert weiter zu optimieren.

Denn insbesondere im Bereich der Dienstleistungen ist bei geringer Standardisie-rung und hohem Wert die Vertrauensbasis im Rahmen der Beziehung Kunde-Untemehmen relevant; hier hat Kundenbindung oftmals einen entsprechend hohe-ren Stellenwert. Weniger relevant wird Kundenbindung in Bereichen sein, wo Dienstleistungen iiber einen anonymen Markt nachgefragt werden konnen (wie zum Beispiel fur Auftrage von Standard-Transportleistungen). Kundenprofitabili­tat dtirfle - ein den Gewinn optimierendes Untemehmen unterstellt - allerdings immer grundsatzlich von Relevanz sein; so sind beide ZielgroBen im Rahmen der Kennzahlensysteme im Idealfall zu integrieren.

Auf der Ebene der kundenorientierten Messansatze lassen sich grundsatzlich ob-jektive und subjektive Ansatze unterscheiden. Subjektive Messansatze werden in ereignisorientierte und in merkmalsorientierte Verfahren klassifiziert.

• Objektive Messverfahren: Zu den objektiven Messverfahren gehoren insbe­sondere Expertenbeobachtungen (nicht teilnehmende Beobachtung einer Leis-tungserstellung durch geschulte Experten) sowie als teilnehmende, verdeckte Beobachtung durch Testkaufer das "Mystery Shopping"-Verfahren, welches unter anderem zum Testen der Beratungsqualitat von Finanzdienstleistungsin-stituten Verwendung findet; genauso kann auch im Einzelhandel die Qualitat und Prozessleistungsfahigkeit von Filialen mittels „Mystery Shopping" beur-teilt werden.

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• Subjektiv orientierte Ansdtze: Sie werden unterschieden in ereignisorientierte und merkmalsorientierte Messverfahren:

- Bei ereignisorientierten Messverfahren werden mit teilstrukturierten Fragen spezifische Merkmale von beobachteten Dienstleistungen ergrtindet. Dabei geht es vor allem um die Erkennung kritischer Kontaktereignisse im Sinne besonders negativer oder positiver Vorfalle im Rahmen von Dienstleis-timgserstellungsprozessen. Zu den Vorteilen gehort hier die Problemorien-tierung aus Kundensicht, da konkrete Starken und SchwSchen des Leis-tungserstellungsprozesses erkannt werden. Die geschilderten Merkmale be-schreiben eine Dienstleistung im Idealfall voUstandig und sind durch wie-derholte Erlebnisse auf Kundenseite relevant flir Zufriedenheit beziehungs-weise Unzufriedenheit. Die Nachteile dieser Methode liegen im hohen Zeit-und Kostenaufwand der Erhebung. Zu prominenten Verfahren zahlt als un-gesttitzte Methode das „Story-Telling", bei dem Dienstleistungskunden ihre Erlebnisse unstrukturiert schildem; gestutzte ereignisorientierte Evaluatio-nen konnen etwa mittels der „Critical Incident Technik" und der sequentiel-len Ereignismethode erfolgen.

- Beim merkmalsorientierten Ansatz baut die Entwicklung von spezifischen, attributorientierten Fragebogen grundsatzlich auf den Ergebnissen des qua-litativen ereignisorientierten Ansatzes auf. Durch explizite oder implizite Gewichtungsverfahren konnen relevante Merkmale von Dienstleistungen festgestellt und Zufriedenheit ermittelt werden. Die explizite Gewichtung erfolgt dabei durch mehrwertige Skalen, Rankingverfahren, die Verteilung einer festgelegten Punktsumme auf die einzebien Merkmale, die Festlegung einer Prioritatenliste durch den Kunden oder durch die Kartchentechnik. Dagegen erfolgt eine implizite Gewichtung der Bedeutung einzelner Merk­male durch statistische Verfahren im Zuge der Auswertung der Untersu-chungsergebnisse. Die methodische Grundlage flir den Kemgedanken des merkmalsorientierten Messansatzes bildet das aus dem Sachleistungs-bereich stammende Multiattributmodell. Danach bildet die Kombination von Einzeleindriicken die gesamte Kundenzufriedenheit mit einer Leistung ab. Zu den merkmalsorientierten Verfahren zahlen insbesondere SERV-QUAL, PRC-Analyse und die SIMALTO-Plus Technik. SERVQUAL gilt dabei als bekanntestes, aber auch umstrittenstes Verfahren.

Eine Bewertung der dargestellten Untersuchungsverfahren ergibt zusammenfas-send folgende Praxisrelevanz: Ereignisorientierte Messansatze eignen sich wohl am besten fur Messungen in Ausnahmesituationen und zur Ermittlung spezifischer Leistungskomponenten, die mit merkmalsorientierten Ansatzen nicht sinnvoll zu erforschen sind. Letztere eignen sich eher zur Abfrage der Routinequalitat und fur den Aufbau von Vergleichen im Rahmen zeitorientierter Betrachtungen, wobei die Vorteile dieser Verfahren - als standardisierte Messinstrumente - in der Verwen-dungsfreundlichkeit sowie der Zeit- und Kostenerspamis gegenuber ereignisorien­tierten Messansatzen liegen.

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Als Konsequenzen fiir ein Dienstleistungsmarketing-Controlling ist aus den vorste-henden Ausfiihrungen festzuhalten, dass die aufgefuhrten Besonderheiten fiir die Praxis grundsatzlich ein umfassendes Methoden-Mix der zur Verfugung stehenden Messverfahren bedingen kOnnen.

3.2 GAP-Modell

An dieser Stelle wird das GAP Modell naher vorgestellt, da es aus der Vielzahl der von Autoren zur Messung der Dienstleistungsqualitat entwickelten Verfahren nicht nur das Ergebnis konzeptioneller tJberlegungen, sondem zugleich empirischer Uberprufungen ist und die damit eine gewisse inhaltliche Bestimmtheit aufweist. Ausgehend von einer explorativen Studie in vier verschiedenen Dienstleistungs-branchen (diese Untersuchung fand bei Banken, bei Kreditkartenuntemehmen, bei Wertpapier-Brokem und bei Reparaturwerkstatten statt), wurde in umfangreichen qualitativen und quantitativen empirischen Untersuchungen zunachst einen Kata-log von funf Dimensionen der Dienstleistungsqualitat ermittelt:

1. Tangibles (Annehmlichkeit des materiellen Umfeldes): Erscheinungsbild des Dienstleistungsortes (Raumlichkeiten, Einrichtung) sowie des Kon-taktpersonals,

2. Reliability (ZuverlSssigkeit): Verlasslichkeit eines Anbieters, die verspro-chene Leistung zuverlassig und akkurat zu erbringen,

3. Responsiveness (Einsatzbereitschaft): Reaktionsbereitschaft und Schnel-ligkeit, dem Nachfrager bei der Erfiillung seiner Wunsche zu helfen,

4. Assurance (Leistungskompetenz): Kompetenz, Hoflichkeit und Vertrau-enswurdigkeit der Mitarbeiter eines Anbieters und

5. Empathy (Einfuhlungsvemi5gen): soziale Kompetenz der Mitarbeiter ei­nes Anbieters, auf individuelle Kundenwunsche einzugehen.

Zur Feststellung von Unterschieden zwischen der wahrgenommenen Dienstleis­tungsqualitat aus der Sicht von Anbietem und aus der Sicht von Nachfragem wur­de das "Gap'Modell" entwickelt. Ausgehend von den Kundenerwartungen konnen in diesem Ansatz folgende funf „Gaps" bestimmt werden (vgl. Parasuraman & Zeithaml & Berry (1985), S. 43 ff.):

• Gap 1: Abweichungen zwischen den Kundenerwartungen und deren Wahmeh-mung durch das Management.

• Gap 2: Abweichungen zwischen der Wahmehmung der Kundenerwartungen durch das Management und ihrer Umsetzung in Vorgaben der Dienstleistungs­qualitat.

• Gap 3: Abweichungen zwischen dem vom Management vorgegebenen Quali-tatsziel fur Dienstleistungen und der Qualitat der tatsachlich erstellten Leis­tung.

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240

• Gap 4: Abweichungen zwischen der Erstellung der Dienstleistimg und der an den Kunden gerichteten Kommunikation uber diese Dienstleistung.

• Gap 5: Abweichungen zwischen der erwarteten und der wahrgenommenen Dienstleistung durch den Kunden. Gap 5 resultiert als kundenbezogenes Quali-tatserleben aus dem funktionalen Zusammenhang der Gaps 1 bis 4, welche die qualitats-relevanten Diskrepanzen beim Anbieter beschreiben.

Die folgende Abbildung stellt in ein adaptiertes „Gap-Modell" beispielsweise fur die Dienstleistungsqualitat deutscher Bausparkassen dar:

Empfehlungen von

Verwandten/Bekonnten

Kunde

Bausparkasse

Gap 1

^ w

Gap

Gap

Gap

^ w

Individuelle

Bedurfnisse

• Erwartete

Bausparkassenleistung

• :

t Wahrgenommene

Bausparkossenleistung

A k

Dienstleistungs-

erstellung (inkl.

Vor- und Nach-

kaufkontakte) A

3

L A

f

L

Umsetzung der

Wohrnehmungen

in Qualitdtsspezifika-

tionen fur Bauspar-

kassenleistungen A

2

L A

f

L

Kundenerwortungen

in der

Wahmehmung

des Managements

^ ^

^ ^

Gap 4

Bisherige Erfahrungen

mil Bausparkassen

Kunden-

gerichtete

Kommunikation A L

Abb. 13.2: Gap-Modell der Dienstleistungsqualitat bei Bausparkassen Quelle: modifiziert nach Mobus (1999)

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241

4 Ermittlung der Dienstleistungsqualitat in der Praxis

4.1 Messung der Dienstleistungsqualitat mittels SERVQUAL-Ansatz

Mit dem SERVQUAL-Ansatz wurden die bereits im GAP-Modell beschriebenen flinf Dimensionen der Dienstleistungsqualitat in ein Verfahren zur Einstellungs-und Zufriedenheitsmessung von Dienstleistungsqualitat integriert. Hierbei wird das Dienstleistungsuntemehmen selbst Beurteilungsgegenstand, dessen Dienstleis­tungsqualitat als ein einstellungsorientiertes Konstrukt aus dem Vergleich zwi-schen erwarteter und erfahrener Dienstleistung resultiert.

Zur Messung der aus Kundensicht wahrgenommenen Dienstleistungsqualitat dient bei SERVQUAL ein standardisierter Fragebogen, in dem die fiinf Dimensionen der Dienstleistungsqualitat durch Fragestellungen reprasentiert werden. Zu jeder dieser Fragestellungen werden zwei Aussagen in Form einer Doppelskala formu-liert. Einerseits werden die Erwartungen an die Dienstleistungs-Qualitat mit der Formulierung "sollte sein" ermittelt, andererseits die erlebte Qualitat einer Dienst­leistung mit Aussagen wie "war/ist". Bei diesem Ansatz wird zum Beispiel eine 7er-Skala verwendet, wobei die Befragten gebeten werden, ihr Urteil in den Kate-gorien "stimme voUig zu" (1) bis "lehne entschieden ab" (7) anzugeben. Je groBer die sich ergebende Differenz ist (Wert pro Fragestellung zwischen + 6 und - 6), desto hoher schatzt der Kunde die Dienstleistungsqualitat ein. Dabei wird das globale Qualitatsurteil durch den Durchschnitt aller zu einer Qualitatsdimension gehorenden Fragestellungen ermittelt. AnschlieBend fflhrt die Ermittlung des Mit-telwertes samtlicher Qualitatsdimensionen zum Urteil uber die gesamte Dienstleis­tungsqualitat des Dienstleistungsuntemehmens.

Das SERVQUAL-Verfahren wurde, da es sich auf Grund eines konkreten Praxis-bezuges sowie seiner Durchfuhrbarkeit vor allem in Finanzdienstleistungsbetrieben durchgesetzt hat, beispielsweise fiir eine Ermittlung der Dienstleistungsqualitat des Kundenclubkonzeptes der LBS adaptiert. Im Folgenden wird kurz skizziert, auf welche Weise die Dienstleistungsqualitat hier ermittelt wurde (vgl. Mobus 1999, S. 135ff.).

Ausgehend von der Vermutung, dass in der Startphase des Kundenclubs Selbstse-lektionseffekte eingetreten sein konnten - die es zur Vermeidung methodischer Fehler zu berticksichtigen gait - sowie der Annahme, dass die Intensitat der Nut-zung angebotener Clubleistungen auch unterschiedliche Wirkungsintensitaten in Bezug auf die psychographischen GrOBen besitzt, wurden funf unterschiedliche Zielgruppen definiert. In einer explorativen Vorphase wurden im Rahmen von Gruppendiskussionen durch Erfassung ereignisorientierter Schilderungen auf der Grundlage teilstrukturierter Gesprachsleitfaden relevante Faktoren der Dienstleis­tungsqualitat aus Kundensicht ermittelt. Fur die anschlieBende Quantifizierungs-stufe wurden hierdurch Bediirfiiisse, Einstellungen, Meinungen und Motive der Mitglieder zum Club "DomiZiel" ermittelt und Forschungshypothesen gebildet.

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242

Auf Basis der Erkenntnisse des Instrumentes Gruppendiskussion wurde dann ein merkmalsorientierter, uberwiegend vollstmkturierter Fragebogen mit einem vom SERVQUAL-Ansatz adaptierten Untersuchungsdesign entwickelt, der durch einen erfolgreich verlaufenden Test bestatigt wurde. Die darauffolgende quantifizierende Hauptuntersuchung wurde schriftlich durchgefuhrt. Dazu wurde ein Fragebogen innerhalb der definierten Zielgruppen an Kunden der LBS versandt. Hierbei erhiel-ten Nichtclubmitglieder einen dreiseitigen Fragebogen mit allgemeinen Fragestel-lungen zur Dauer und Intensitat der Geschaftsbeziehung, zu Ansprechpartnem, zum Image der Bausparkasse, zum Nachfrageverhalten, zu Fragestellungen zur Wichtigkeit und Zufriedenheit von Leistungen sowie zu demographischen Daten. Die Personen der weiteren Zielgruppen erhielten ebenfalls je einen Fragebogen, bei dem die oben angefuhrten Fragen analog gestellt wurden. Weiterhin enthielt dieser Fragebogen einen speziellen Fragenkomplex zur Wichtigkeit von und zur Zufriedenheit mit einzelnen Clubleistungen, daneben Fragen zu denkbaren Erwei-terungen. Auf Grund des Umfanges des Fragebogens der Clubmitglieder wurde ein Anreiz zur Erhohung der Rucklaufquote fflr alle Kunden geschaffen.

4.2 Messung der Dienstleistungsqualitat durch Mystery Shopping

Ein oftmals verbreitetes objektives Verfahren zur Bestimmung der Dienstsleis-tungsqualitat ist das „Mysteiy Shopping". Im Handel oder fiir Filialen von Finanz-dienstleistem kann dieses Verfahren zum Beispiel eine Quantifizierung und Quali-fizierung der Dienstleistungsqualitat unterstiitzen. Dabei wird die reine „Kaufsitua-tion" ausgeweitet in das gesamte Umfeld, das Vor- und Nachkaufaspekte sowie samtliche Prozesse entsprechend mit integriert.

Dazu wird die zu messende Dienstleistung in „reine Kemleistung" und „Umfeld" pragmatisch getrennt. Fiir jede Kategorie werden Fragen entwickelt, die die ein­zelnen Dimensionen im Detail adressieren und abdecken. So konnen etwa erste Eindrucke von auBen, Eindrucke im Innenbereich, der Umgebung einer Filiale, Reklamations- und sonstige Prozesse oder dessen Umfeld strukturiert abgefragt werden.

Eine ubliche Zusammenfassung der Fragen konnte in die Hauptblocke Aufienan-sicht einer Filiale (AuBenbild, Sortimenterscheinung, Innenraum und Tresen), Umgebung (Lagerbereich, Sanitarbereich, BackOffice beziehungsweise Zuberei-tungsbereich, Toiletten etc.) sowie in Administration und Prozesse (Reklamation, Beratung, Informationsauskunft, Kulanz etc.) erfolgen. Daneben konnen konkrete Fragestellungen zu Produkten- und Services gestellt werden, um auch hier eine Einschatzung zur Qualitat zu bekommen. Die nachstehende Tabelle zeigt einen moglichen Sektionsausschnitt ernes „Mystery Shopper"-Bewertungsbogens mit dem Schwerpunkt der Aujienansicht, Erscheinung und Sortiment fiir eine typische Filiale mit Beratung, wo beispielsweise neben reinen Verbrauchsgiitem auch Fi-nanzdienstleistungen oder beratungsintensive Leistungen angeboten werden kon­nen.

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243

Fragen und Bewertimgsskalen sind Firmen- und Kontext individuell anzupassen. Aus Sicht der Untemehmensleitimg werden Standards als Zielwerte fur die Haupt-kategorien vorgegeben, die es mindestens zu erreichen gilt (Firmenstandards und Branding); alle tJberschreitungen daruber hinaus in der Erreichung von Werten (iiber das Ziel) konnen durch materielle und/oder immaterielle Anreize belohnt werden.

SECTION 1 : A

1

2

3

4

5

a

b

c

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

Erscheinung & Sortiment Firmenzeichen sauber und funktionsfahig?

AuBenseite ordentlich und sauber?

Sind Sitzbereiche und Barrieren ordentlich und sauber?

Sind AuBenwerbemittel funktionsfahig und unbeschadigt?

1st das Schaufenster:

Entsprechend den Standards hergerichtet?

Frei von Schmutzspuren und Fingerabdrucken?

Plexiglas Abdeckungen sauber und unbeschadigt?

Haben alle Gegenstande im Fenster eine Auszeichnung ?

1st der Flurbereich sauber, ordentlich, frei von Miill?

Korrespondieren alle Werbemittel innen und auBen?

Konnen die Artikel aus dem Fenster im Shop ge-kauft/nachgefragt werden?

Sind Sonderartikel entsprechend sicher gelagert (groBe Gegenstande) ? Haben alle Gegenstande in den Regalen, auf Sonderplat-zierungen und mobilen Einheiten Preisschilder bezie-hungsweise Auszeichnungen?

Sind alle Motive entsprechend platziert? 1st die Platzierung der Werbemittel auf den Kunden ausge-richtet?

Sind pro Regal/Stellwand mindestens 2 unterschiedliche Artikel zu finden?

Sind Regale und Platzierungen frei von Staub?

Sind die Regale mit alien Werbemitteln bestuckt?

Entspricht die Presentation der Regale den Firmenstan­dards?

Sind alle mobilen Einheiten mit dem Standard konform?

Sind alle Lampen funktionsfahig?

TOTAL Sektion 1

Tat-sachli-che Score

MOgli-cher Zielwert

10

15

10

10

15

10

10

10

10

15

5

10

15

5

5

10

10

10

15

20

10

230

Erforderli-che MaB-nahme

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244

Zur Durchfuhrung begibt sich regelmafiig ein anonymer „Mystery Shopper" unan-gekiindigt in die Filialen eines Untemehmens. Dabei handelt es sich zumeist um wechselnde Personen, damit die erforderliche Objektivitat gewahrt bleibt, zugleich die Anonymitat des Erfassens sichergestellt werden kaiin. Die im Rahmen der Bewertung entstehenden Ergebnisse (Punktestande) werden systematisch in eine Datenbank Ubertragen, so dass zu bestimmten Zeitpunkten eine Serie von Mess-werten fiir einzelne Filialen vorliegt. Hier konnen neben Abgleich von Ziel- mit Ist-Werten wertvolle Vergleiche zwischen Vertriebs-Kanalen, Vertriebskraften, Filialmanagem etc. durchgefuhrt werden; zugleich konnen Starken und Schwachen ermittelt werden. Aus den Ergebnissen lassen sich Implikationen auf die vom Kunden wahrgenommene Qualitat der Dienstleistung ableiten. Sind beispielsweise Faktoren der AuBenwirkung sowie der Umgebung aus Kundensicht deutlich nega-tiv, so kann sich das auf das „physische Eintrittsverhalten" in eine Filiale konkret auswirken; der Kunde kann im ersten Eindruck negativ gestimmt werden, was die spatere Abschluss- oder Kaufwahrscheinlichkeit negativ beeinflussen kann. Schlimmstenfalls tritt ein Kunde gar nicht ein, die Kundenfrequenz verringert sich entsprechend.

Ebenso konnen schlecht laufende Prozesse wie Beratung oder Information, bei Kunden Unzufriedenheit bezUglich der Leistungserbringung hervorrufen, die im Extremfall uber langere Zeit zum Wechsel des Anbieters fuhren kann. Aber auch nach bereits erfolgtem Abschluss von VertrSgen (Beispiel Finanzdienstleistungen) kann der Prozessablauf bei Nachfragen und erganzenden Aktivitaten eine ent-scheidende Rolle auf die Zufriedenheit spielen (Behandlungszufriedenheit und Ergebniszufriedenheit konnen bekanntermaBen auf die Kundenzufriedenheit ein-wirken). Filialen, die alle Standards erflillen, sind - so die Erfahrungen aus der Praxis - oftmals erfolgreicher als andere Standorte mit weniger Stringenz in der Zielerreichung. Dies schlagt sicht konkret in hoheren Erlosen/Umsatzen sowie besseren Profiten nieder.

4.3 Messung von Dienstleistungsqualitat mit Service Level Agreements

Neben erfolgreichen Beispielen der Verwendung von SERVQUAL-Ansatzen oder „Mystery Shopping" zur Bestimmung der Dienstleistungsqualitat soil ein weiteres Verfahren vorgestellt werden, das in der betrieblichen Praxis oftmals Verwendung findet. Dabei handelt es sich um die Steuerung der Dienstleistungsqualitat mittels „Service Level Agreements" (SLA). Hier wird eine Dienstleistung durch einen Katalog von verbindlichen Kemkriterien konkretisiert, die kontinuierlich erfasst und mit Planwerten beziehungsweise Mindestwerten hinterlegt werden. Die Erful-lung oder Abweichung vom Plankorridor der Kriterien ist ein zentrales Ma6 fur die Dienstleistungsqualitat.

Im folgenden Beispiel eines Logistik-Dienstleiters mit spezifischen Kundenan-forderungen werden Transporte zu bestimmten Zeiten in verschriebenen Behaltem mit kundenindividueller Prozess- und Papierflussgestaltung in Bezug auf Service

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Levels konkretisiert. Zwar besteht fiir Transportdienstleistungen mehr oder weni-ger ein standardisiertes Angebot auf einem transparenten Markt, in diesem Bei-spiel ist durch besondere kundenindividuelle Anfordemngen die Leistung aller-dings nur teilstandarisiert.

Mogliche Service Level k5nnten hier die Lieferzeiten sein, das heiBt Liefertage sowie sogenannte Lief erfenster. Diese sind in „Just in Time" Branchen von beson-derer Bedeutung (Beispiele Automobilbau, Retail, Pharmagrofihandel). Die Pro-zesse sind hier zeitlich so eng gefasst, dass stundenweise bestimmte Anlieferungen zu erfolgen haben. Gibt es Verspatungen, ist beispielsweise die Laderampe blo-ckiert oder der Gesamtprozess der Produktion stockt. Daneben ist die simultane Rechnungserstellung sowie Verkntipfung mit der Lieferung ein mogliches Service Level, zugleich die Prozesse und Vollstdndigkeit der Informations- und Papier-flUsse vorwarts und riickwarts. In Zeiten von EDI kann das physische Papier auch durch einen e-Transfer ersetzt werden, was zunehmend der Fall ist.

Die jeweiligen Service Levels werden mit konkreten Zielwerten belegt (Zielspan-nen oder Korridore), beispielsweise maximale zeitliche Abweichungen oder Schwellenwerte. Das permanente Messen von Istwerten gegen Zielwerte kann in den einzelnen Vereinbarungen ein nachvollziehbares und beeinflussbares MaB fur die Qualitat der Dienstleistung sein. Bestmogliches Erreichen aller Parameter und Indikatoren im Sinne der Zielsetzungen ware demnach interpretierbar als Indiz fur eine „gute" Dienstleistung.

Fur die Dienstleistung „Zuverfugungstellen einer IT-Plattform sowie eines Infor­mations- und Abrechnungssystems" fur einen Energieversorger konnen zum Bei-spiel die nachstehenden Service Levels vereinbart werden (vgl. Abb. 13.3). Dabei ist zwischQn funktionalen Service Levels und technischen Service Levels zu unter-scheiden sowie Service bezogenen Service Levels.

FiXr funktionale Service Levels werden %-Werte des Gesamtumfanges eines Funk-tionalitatsblockes im Detail definiert. Diese Umfange mussen im Planwert zur Verfugung stehen und sind messbar als konkrete Funktionalitaten und unterstiitzte Prozesse innerhalb einer Systemlandschaft. Die technischen Service Levels sind Eckparameter der technischen LeistungsfShigkeit eines Systems, die ebenfalls klar definiert und kontroUiert werden konnen. Das Ausmafi des jeweiligen Erreichens ist ein unmittelbarer Indikator fur die wahrgenommene Dienstleistungsqualitat „IT-Plattform". Die Erfullung von spezifischen Vereinbarungen zu Services in Notfal-len und bei StOrungen und die tatsachlich erfolgenden Leistungen werden durch Nutzer besonders bewusst wahrgenommenen; so ist der schnelle und qualifizierte Service in Storfallen bei Hochverfugbarkeitssystemen fur die Wahmehmung einer guten Dienstleistungsqualitat grundsatzlich unumganglich. Entsprechendes gilt fiir andere IT-Systeme in fast alien betrieblichen Kontexten, moglicherweise in etwas abgeschwachter Form.

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Functional Service Levels Abrechnung Sammelrechnung Datenerfassung Kundeninformation Mahnwesen Kontenfiihrung Leistungsberechnung Kontakthistorie

Technische Service Levels Systemverfugbarkeit Skalierbarkeit Nutzer Faktor Anzahl paralleler Nutzer Mogliche Peak Level Zugriffe Zugriffe / Sekunde Transaktionen / Sekunde Garantierte Antwortzeit MIPS Speicher Zugriffe Speicherplatz / Nutzer

Service Hotline Erreichbarkeit 1st Level support 2nd Level Support 3rd Level support Downtime Recovery Restore Full System

Plan-bereich

70% 80% 100% 90% 60% 70% 90% 80%

99,98%

15 300

400 1000

500 <5s 20

2000/hr 100 GB

95% 30min 90min 120 min 20min 60 min

Durch-Tag 1 Tag 2 Tag .... Tag N schnitt

Abwei-chung

Abb. 13.3: Service Levels

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247

5 Ansatz fur ein Dienstleistungsmarketing Controlling fiir die betriebliche Praxis

Die vorgestellten Ansatze haben gezeigt, wie man je nach Typ der Dienstleistimg mogliche Ansatze in der betrieblichen Praxis verwendet, um die Qualitat einer erbrachten Dienstleistung besser einschatzen und kontrollieren zu konnen. Aufga-be eines Dienstleistungsmarketing-Controlling ist es unter anderem, die unter-schiedlichen ZielgroBen in einen integrativen Ansatz zu iiberfuhren, ein Gesamt-zielsystem zu bieten sowie einen geeigneten Prozess zur strukturierten und trans-parenten Durchfuhrung der Qualitatsmessung sowie der anderen ZielgrGBen zur Verfugung zu stellen. Dieser Prozess kann im Rahmen einzelner Durchlaufe weiter optimiert werden. Gleichzeitig muss sich diese Konzeption in das Gesamtbild des UntemehmenscontroUing stimmig einreihen lassen.

5.1 Komponenten eines DienstleistungscontroUing (Zielsystem)

Die bisherigen Ausfiihrungen haben deutlich werden lassen, dass das Zielsystem eines Dienstleistungsmarketing-Controlling idealer Weise aus Dienstleistungsqua-litdts-, Kundenbindungs- und Kundenprofltabilitdtskomponente bestehen sollte. Diese werden anschlieBend zusammengefasst (vgl. Abb. 13.4).

Komponente 1: Dienstleistungsqualitat

pienstleistungsmarketing Controlling-Konzept

Komponente 3: Kundenprofitabilitat

Ziele & Indikatoren Kernleistung 1

Zieie & Indikatoren Leistungsumfeld

^l^^«^tenprelit<d^i^i«it

„ Z N^

/ V ^IT \: 2HJ |Volumen| | Preis| | AkquM iBetreuj I Inter- JlSon-

sitlon ung aktion 1 stige

Abb. 13.4: Komponenten eines Dienstleistungsmarketing-ControUing

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248

Insgesamt konnen pro Komponente Zielwerte definiert und festgelegt werden (Operationalisierung), die je nach Ebene im Untemehmen mit den variablen Ver-gutungen der Fuhrungskrafte und verantwortlichen Mitarbeiter verkniipft werden sollten. Damit kann grundsatzlich sichergestellt werden, dass auch im Rahmen des angedachten Konzeptes Ressourcen entsprechend allokiert werden und insgesamt zielgerecht gehandelt wird.

Komponente 1 Dienstleistungsqualitdt Dem Gedankengang der vorherigen Ausfiihrungen folgend ist nach der individuellen Auspragung der Dienstleis-tung zunachst eine Aufspaltung in Ziele und Indikatoren fiir Kemleistung und Leistungsumfeld zu vollziehen. Hier gilt es, Ziele und Indikatoren moglichst konkret zu fassen, um Erfassbarkeit, Beeinflussbarkeit und NachvoUziehbar-keit sowie Akzeptanz bezUglich gemessener Werte zu erreichen. Wie das er-reicht werden konnte, haben die oben angefuhrten Verfahren und Beispiele bereits suggeriert. So kann flir hochwertige Individualleistungen ein Ver-tragswerk mit konkreten Zielen, Prozessen und Ergebnistypen als Grundlage dienen. Fiir teilstandardisierte, mittelwertige Dienstleistungen konnen umfang-reichere Vereinbarungen getroffen werden, die bei hochstandardisierten und eher geringwertigen oder weniger zentralen Dienstleistungen in marktgerech-ten Service-Level-Agreements gipfeln kSnnen. Anschliefiend ist - pragmatisch nach Standardisierbarkeit und Wertpotenzial der Dienstleistung - ein (oder mehrere) entsprechende Verfahren zur Messung der Dienstleistungsqualitat zu bestimmen. Das Erreichen beziehungsweise Nichterreichen vereinbarter Ziele und einzelner Indikatoren kann Aufschluss geben iiber die jeweilige Qualitat von Dienstleistungen. Nichterfullte Leistungen im Standardgeschaft werden oftmals mit Vertragsstrafen belegt.

Komponente 2 Kundenbindung: Kundenbindung ist ein umfangreiches Kon-strukt, dessen Messbarkeit und Beeinflussbarkeit sich uber mehrere Stufen vollzieht. In der betrieblichen Praxis wird oftmals versucht, durch Indexsys-teme die Komplexitat des Verfahrens pragmatisch zu reduzieren und hand-habbar zu machen, zugleich die Datenbasis dahingehend zu optimieren, dass schrittweise eine Verfeinerung im Sinne des wissenschaftlichen Ansatzes moglich werden diirfte. Hier konnen fur bestimmte Kundentypen oder Grup-pen (A,B oder C Kunden) in unterschiedlichen Stadien des Lebenszyklus In-dex-Zielwerte im Rahmen eines untemehmensweiten Indexsystems fur Kun­denbindung vorgegeben werden. Diese Indexwerte konnen nach einzelnen Gruppen, Segmenten oder im Idealfall auch kundenindividuell bestimmt wer­den. Das AusmaU der Erreichung von Indexwerten fur Kundenbindung ist ein Indiz fiir das erreichte Niveau an Kundenbindung. Diese kann iiber Indexwer­te von Bereichen zu einem Gesamtwert verdichtet werden, der mit entspre-chenden Gewichtungen und unter Konsistenz der Erfassung und Messung im Idealfall einen Gesamtindexwert von Kundenbindung flir ein Untemehmen zu liefem vermag. Die Aussagekraft eines solchen Indexwertes ist auf oberster Ebene in hochster Konsolidierung allerdings ziemlich allgemein.

In diesem Zusammenhang konnen auch Wechselbarrieren und Kundenzufrieden-heit (als primar beeinflussbare Determinanten von Kundenbindung) individuell

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betrachtet werden (wie es oflmals in der betrieblichen Praxis geschieht). Hier konnten Unterziele festgelegt, sowie MaBnahmen zu deren Optimierung in die Zielvereinbarungen von Mitarbeitem konkret mit aufgenommen werden. Kunden-zufriedenheit wird oftmals als eigene Zielgr56e explizit mit definiert und entspre-chendes Erreichen von Zielen inzentiviert.

Komponente 3 KundenprofitabilitSt. Neben statischen Werten wie Deckungs-beitragen kann auch dem dynamischen Prinzip des Customer-Lifetime-Value (CLV) gefolgt werden, um dynamische Profitlabilitatsziele fur Kunden festzu-legen. Das Ausmafi des Erreichens solcher Ziele wird entsprechend vergutet. Die meisten Untemehmen haben vollst^ndige Kurdendeckungsbeitragsrech-nungen oder zumindest Kundenrohertragsrechnungen, woran angeknupft wer­den kann. In zahlreichen Branchen ist das CLV-Prinzip zumindest auf Seg-mentebene fur Kunden mittlerweile Realitat (Beispiel: Finanzdienstleistungen, Telekommunikation). Auch fiir Dienstleistungen konnen Ertrage und Kosten-seite konsequent definiert und erfasst werden. Hier sind Akquise, Abschluss-kosten, Erlosstrome, Beratung, Betreuung und Transaktionskosten sowie Kos-ten der Pflege der Kundenbeziehung entsprechende Treiber. Die oftmalige Dauer im Rahmen eines Dienstleistungsverhaltnisses (Beispiel: Finanzdienst­leistungen) macht unter Umstanden Kundenwertbetrachtungen einfacher als in kurzlebigen Branchen.

5.2 Vorgehensweise und Prozess

Die Einfuhrung eines Dienstleistungsmarketing-Controlling vollzieht sich in unter-schiedlichen Schritten (vgl. Abb. 13.5). Zunachst gilt es im Rahmen einer Stand-ortbestimmung (Schritt 0) die relevanten Zielgrofien zu definieren (hier im Bei­spiel Dienstleistungsqualitat, femer Kundenbindung sowie Kundenprofitabilitat). AnschlieBend sind die Messverfahren zu bestimmen. Fiir die Dienstleistungsquali­tat kann auf die oben beschriebenen Verfahren hingewiesen werden, die je nach Art und Wertigkeit der Dienstleistung unterschiedlich ausfallen konnen. Entspre­chend kann ein erster Testlauf die Ausgangslage zeigen, zugleich wird die Zielbe-stimmung klarer. In diesem Zusammenhang sind auch grundsatzliche Spielregeln festzulegen, um das Verfahren abzusichem (Beispiel Regelung von Ressourcen-konflikten, Klarungsverfahren bei Unklarheiten, Anreizgewahrung etc.).

Parallel zur Bestimmung der Ausgangslage wird (in Schritt 1) die Zielsetzung bestimmt. Hier gilt es, konkrete AusmaBe fiir die Ziele zu bestimmen, sie bestmog-lichst zu operationalisieren, um spatere Erreichbarkeit bestmoglich prufen zu kon­nen. Es erfolgt die Konkretisierung der Zielhierarchie, femer die Integration der Ziele in das Zielsystem eines Untemehmens, zugleich die Anleitung, die Anreiz-systeme anzupassen; femer sind Ressourcenallokationen entsprechend der Priorita-ten zu vollziehen und zu entscheiden sowie MesszeitrSume zu bestimmen.

In Schritt 2 werden MaUnahmen zur Zielbestimmung sowie Umsetzung erarbeitet und implementiert. So werden fiir einzelne Kunden Mafinahmenkataloge erstellt, femer fiir einzelne MaBnahmen Kosten- / Nutzenaspekte bestimmt, bevor sie um-

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250

gesetzt werden. Im Rahmen der Durchfuhrung erfolgt - zum Beispiel bei Nachhal-tung der Indikatoren fiir Dienstleistungsqualitat innerhalb der einzelnen Verfahren - die Messung des Erfolges. Stichproben in der Messung konnen negative Trends rechtzeitig identifizieren; in solchem Fall konnen sofortige MaBnahmen eingelei-tet werden (zum Beispiel offensive Filialqualitat und Beratungskompetenz oder Verbesserung Servicelevels im Krisenfall fur ein System oder eine Piinktlichkeits-offensive). Samtliche MaBnahmen werden in einer Mafinahmensteuerung zusam-mengefasst, um Cberlappungen auszuschlieBen und Effekte zu btindeln.

Final erfolgt die Messung der Ergebnisse (in Schritt 3) sowie die Erfolgskontrolle. Grundsatzlich werden alle Ergebnis relevanten Daten kontinuierlich aktualisiert werden mussen, um Ergebnisakzeptanz sicherstellen zu konnen. Sofem moglich beziehungsweise sinnvoU konnen Einzelkundenergebnisse auch konsolidiert in Segmenten zusammengefasst werden, womit Vergleichbarkeit erreicht wird, zugleich negative Abweichungen oder Trends deutlich werden konnen. Diese Abweichungen (zum Beispiel in Beratung, Sauberkeit einer Filiale oder Punktlich-keit einer Lieferung) werden analysiert und Losungen fur eine konkrete Verbesse­rung bestimmt.

Schritt 0: Standort-Bestimmung

• Bestimmung ZielgrdBen fur Dienstleistungsmarketing - Controlling

• Bestimmung Messver-fahren fur - Qualitat von

Dienstleistungen (MYS; SERVQUAL, GAP etc.)

- Kundenbindung (Indexsystem)

- Kundenprofitabilitat (DB vs CLV)

• Bestimmung Ausgangslage durch ersten Messlauf

» Bestimmung Spielregein Dienstleistungsmarketing -Controlling

Schritt 1: Zieibestimmung & Definition

Schritt 2: iVIaHnahmen Umsetzung & IVIonitorring

Schritt 3: iVIessung Ergebnis / Erfoigsl(ontrolle

Aiiri(Sizsyst«ine an nm&

* Allokallon der R^9<jufcmnaoh

Vereinlsaruiig 1vie«M«itriyiD0

fuf^tolrt^Kiafiden0ln3s^6fi0r *

* Sestlmmunp Kosterj^utzen-

* m^mm ummhmm I

* PwfoHfOhri^ Kontroli-messimsef>Cfariy^rki#imeii) ^ ^<my& nach Sli^jl^obert m Kund^nb^and'

^ Aus^w^rtun^ SiSciiprafoefi und Abpfaich m\i unlerl&hrlger

^ Q0. Fd(us&iemn9 wJ

ym$«t3£ung von Oeg^nr^^^* f ^ m e n ^Troiitote Shooling)

Untemehin^m

Konllrtyleiliched i>pd^& D^n$Hel$tun9«r«s^«>t}ng-Control}^ -relwanter

Kiunderjw^fte auf S^merjt ur^ a^eiciiswen^ mdn A, B und C Kundertgruppen. Abgbfch Phmmt mit Islweit

chungan und An^^yse der

EmMum IiBim^k^un^s^^ti fur Qit^lM, Kynd^nbhdun^ und Kunderpro^iabilM BmMkng Antall €^ Aus-

mmiiMmgf Mr«i2;e

Feedback-Schlelfe & Lernkurve zur Optimierung des Ansatzes uber mehrere Zyklen

Abb. 13.5: Prozess Dienstleistungscontrolling

Die folgende Abbildung zeigt eine mogliche Auswertung von Tanzsportdienst-leistungen auf taglicher Basis (vgl. Abb. 13.6). Hier wird permanent Ziel vs. er-folgte Leistung verglichen, Anderungen und MaBnahmen werden sofort sichtbar. Ahnliche Cockpits (mit anderen Inhalten) konnten in anderen Ansatzen etabliert und auch zur Steuerung von Filialen oder Vertriebswegen verwendet werden.

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Ueferzeiten / Zeitslots Basis: Anzahl Ueferungen

Zielliefertag 99 %

Anzahl Ueferungen ohne Rechnung Basis: Wert

45 46 47 48 49 50 51 52 53 1 2 3 4

Anzahl Papiere gesammelt Lieferung

90%

70% -

t...5_aM% . , , . -9904 . . . , , . . . . „ 1

^ 8 9 %

" *" Lieferscheine korrekt • ^ T X Code yorhanden

48 49 50 51 52 53 1 2 3 4 5 6 7 |

|ioo%

| 8 0 %

170%

| 6 0 % ^

RQcklieferungen mit Papieren

99% 98%

" 86%

r62%

^ 7 1 %

"**"VerfUgbare RQcklieferungen -^Vorhandene & gelieferte TX codes ••*•• RQcklieferungsscheine vorhanden

1 deli^^^/vJIek 4 5 6 7 8 9 10 11 12 |

Abb. 13.6: Beispiel Service Level Scorecard

Insgesamt liefem die konsolidierten Zielwerte sowie die moglichen Grade des Erreichens von Zielen die notwendigen Aussagen zur Gewahrung von Anreizen. Auch hier ist ein Lemprozess etablierbar, Starken und Schwachen des Verfahrens werden schrittweise identifiziert und ausgebaut beziehungsweise verringert (Bei­spiel Ressourcenkonflikte). Damit optimiert sich das Verfahren tiber die Zeit im Idealfall selbst.

Erfahrungen haben gezeigt, dass das systematische Aufzeigen von erreichten Wer-ten versus Plan, das heifit die kontinuierliche Konfrontation des operativen Geschaftes mit seiner Leistung zu einer Sensibilisierung des gesamten Prozesses und aller Beteiligter ftihren karin. So kann die Einfiihrung von veroffentlichten Leistungswerten zwischen Teams einen positiven Wettbewerb induzieren, der Lemeffekt wird angeregt, weil nach Grunden fur die Abweichungen systematisch gefragt wird. Kontrolle kann zur Scharfung des Ursachen-Bewusstseins flihren, was sich in konkreten operativen Verbesserungen niederschlagt, die spiirbar und spater inkrementell sichtbar werden konnen. Zur weiterfuhrenden Motivation der Mitarbeiter und Fiihrungskrafte koimen monetare beziehungsweise nicht monetare zusatzliche Anreize fur all diejenigen geschaffen werden, die die Zielwerte konsequent iibererfuUen.

Diesen Ansatz eines Dienstleistungsmarketing-Controlling gilt es, fur jedes inte-ressierte Untemehmen und seinen spezifischen Kontext entsprechend anzupassen und weiter zu konkretisieren. Ein universal gultiges Modell ist wegen der Komple-xitat der betrieblichen Praxis und ihrer Gegebenheiten nicht moglich, daher kon-

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nen hier auch nur die GrundzUge eines solchen Ansatzes vorgestellt werden. Die-ser Vorschlag soil als Ausgangspunkt fur weitere Diskussion und die Moglichkeit einer pragmatischen Vorgehensweise in der betrieblichen Praxis verstanden wer­den.

6 Zusammenfassung

Im Rahmen der vorliegenden Darstellung wurde zusammengefasst, was Dienstleis-tungen ausmacht und wie sie sich grob klassifizieren lassen; femer wurden mogli-che Ansatze fur die Bestimmung der Qualitat von Dienstleistungen vorgestellt. Dies ist oftmals mit Unsicherheit auf Untemehmensseite verbunden. Die Komple-xitat der Bestimmung von Dienstleistungsqualitat - verstarkt durch die unter-schiedlichsten Auspragungen von Dienstleistungen Uber unterschiedliche Branchen - fuhrt fur Untemehmen in der betrieblichen Praxis zu einer Vielzahl von Heraus-forderungen.

Neben der Erfassung und Steuerung der reinen Dienstleistung in Bezug auf Quali-tat gilt es untemehmensseitig, diese mit Aspekten der Kundenbindung sowie Kundenprofitabilitat zu kombinieren. Auch Dienstleistungsqualitat erfolgt nicht zum Selbstzweck, sondem hat Anforderungen nach ProfitabilitSt und Angemes-senheit des Umfanges an Qualitat fiir bestimmte Kundengruppen zu genugen. Somit ergibt sich flir Untemehmen die Aufgabe, ZielgroUen, wie Dienstleistungs­qualitat, Kundenbindung und Kundenprofitabilitat, in ein Gesamtkonzept eines Dienstleistungsmarketing-Controlling zu uberfuhren.

In diesem Zusammenhang wurde neben Grundztigen eines entsprechenden Ansat­zes ein mOglicher Zielbaum vorgeschlagen, den es untemehmensseitig weiter zu konkretisieren gilt. Dazu sind einzelne Komponenten identifiziert und vorgestellt worden. Femer sind hier die Besonderheiten in der Messung und Kontrolle von Kundenbindung und Kundenprofitabilitat zu berucksichtigen.

Ein eingefuhrtes System bedarf eines stmkturierten Prozesses sowie einiger Durch-iSufe, um ein akzeptables Mal3 in Organisation und Belegschaft zu finden. Ein solcher Prozess wurde schrittweise zusammengefasst dargestellt. Die Erfahmngen haben gezeigt, dass die systematische Konfrontation des operativen Geschaftes im Vergleich von erfolgter Leistung zu zu erzielenden Leistungen (im Idealfall auf Tages beziehungsweise Wochenbasis zumindest) - verheiBungsvolle Effekte zu erzielen Vermag in der Etabliemng von Dienstleistungsqualitat. Hiermit gepaart sind automatisch oftmals simultane Verbesserungen in Standards und Branding. Das zunehmende „Offshoring" und „Outsorcing" schafft flir bestimmte Dienstleis-tungssegmente mittlerweile intemationale Markte, die Transparenz und Vergleich-barkeit weiter optimieren durften.

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Literatur

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Kapitel 14 Markenwert-ControUing

Ulrich H. Heider

1 Einfiihrung

Die Europaische Union verlangt von alien kapitalmarktorientierten Firmen vom Geschaftsjahr 2005 an eine Rechnungslegung nach dem intemationalen Standard IAS 38. Danach miissen die Konzeme immaterielle Vermogenswerte, also auch Marken, die sie bei Ubemahmen erwerben, in ihrer Bilanz einzeln ausweisen und jahrlich neu bewerten. Bislang ging der Markenwert in der SammelgroBe "Good­will" unter. Nach Expertenmeinung wird die Bilanzierungspflicht der erworbenen Markenwerte nur der erste Schritt sein, der einen weiteren Schritt zur Bilanzierung geschaffener Markenwerte mittelfristig nach sich Ziehen wird. Dem steht heute allerdings noch die handelsrechtliche Bilanzierung in Deutschland entgegen, die ein Aktivierungsverbot von Marken fiir den Fall vorsieht, dass diese unentgeltlich erworben wurden (§ 248 (2) HOB). Dies bedeutet, dass selbst getatigte Aufwen-dungen zur Entwicklung eigener Marken nicht aktiviert werden diirfen. Entgeltlich erworbene Markenrechte hingegen miissen aktiviert werden (§ 246 (1) HOB).

Bei der Umstellung ihrer Bilanzen auf die Regeln der IAS bietet sich fur Unter-nehmen die Moglichkeit, Markenbewertung fruhzeitig fur das strategische Marke­ting zu nutzen. Dabei steht weniger die erstmalige Bilanzierung einer erworbenen Marke (zum KauQ)reis) im Vordergrund, sondem viel mehr die Pflicht, die Mar­ken jedes Jahr neu zu bewerten. Wahrend Firmenwerte bisher planmafiig abge-schrieben wurden, werden kiinflig die Werte der einzelnen Marken bei jeder Ab-schlussbilanz transparent und gegebenenfalls in der Bilanz gemindert. Somit stellt die Marke einen nicht zu unterschStzenden Wert flir viele Untemehmen dar. Da die Wertentwicklung der Marke Ublicherweise einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Untemehmenswert hat, gilt es, diesen Markenwert im Rahmen eines Mar-kenwert-Controllmg sowohl als strategische ErfolgsgroBe als auch zuktinftig als relevanten Posten in der Bilanz zu tiberwachen. Diese Tatsache hat jungst zu neu-en Anstrengungen bei den Anbietem der weltweit tiber 300 bestehenden Marken-bewertungsansatzen gefiihrt. Die Vielzahl der Verfahren lasst allerdings eine flir das Controlling elementare Standardisierung noch immer vermissen. Abhilfe schaffen will das Deutsche Institut flir Normung (DIN), das gemeinsam mit dem Markenverband eine DIN-Norm "mit Grundanforderungen an Methoden der mo-netaren Markenwertmessung als Meta-Standard" erarbeiten will.

Trotz dieser Anstrengungen ist eine Vereinheitlichung der verschiedenen Bewer-tungsverfahren nicht absehbar. Zu verschieden sind Bewertungszwecke und -an-

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lasse, die noch immer aus kundenpsychologischen Verfahren auf der einen und finanzorientierten Verfahren auf der anderen Seite bestehen. Die gangigsten Be-wertungsverfahren sollen dem Controller im Folgenden in Abhangigkeit vom Be-wertungsanlass vorgestellt werden.

2 Bewertungsanlasse

Der Uberblick hinsichtlich der imterschiedlichen Sichtweisen und Interpretationen des Markenwertes legt den Schluss nahe, dass die Ermittlung des Markenwertes an ganz bestimmte Anlasse und situative Gegebenheiten geknupft ist. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich die beiden dargestellten Sichtweisen nicht gegenseitig ausschliefien, sondem die jeweiligen Interessen und Ziele des Bewer-ters widerspiegeln. Fur den Controller stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welche Anlasse eine Bewertung der Marke erforderlich machen. Diese Bewertungsanlasse werden im Folgenden dargestellt.

Generell lassen sich bei mSglichen Anlassen interne und exteme Verwendungs-zwecke unterscheiden. Der bedeutendste exteme Bereich des Markenwertes ist im Falle einer Akquisition des Untemehmens gegeben, bei denen er in vielen Fallen ausschlaggebender Preisbestimmungsfaktor ist. Marken zahlen als gewerbliche Schutzrechte zu den immateriellen Verm5gensgegenstanden des Anlagever-mogens. Hinsichtlich der bilanziellen Bewertung gilt bei erworbenen Marken wie bereits erwShnt eine handels- und steuerrechtliche Aktivierungspflicht, die eine nach objektiven WertmaBstaben ausgerichtete Wertermittlung erforderlich macht (Bekmeier 1994, S. 383). Die moglichen Auswirkungen heutiger und zukunftiger Anderungen bei den Bilanzierungsrichtlinien wurden bereits dargelegt. Anwen-dungsfelder smd weiter die vertragliche Einraumung von Markennutzungsrechten in Form von Lizenz- und Franchise-Vertragen. Starker Bedarf der Wertermittlung besteht auch bei Missbrauchsfallen, um die Hohe des Nutzungsentgangs festzustel-len. Die vielfaltigen und sehr unterschiedlichen extemen Bewertungsanlasse wer­den noch umfassend dargestellt.

Ein wichtiges internes Einsatzgebiet des Markenkapitals ist die Entscheidungs-unterstutzung des Markenmanagements. Der Controller kann mit seiner Kenntnis des Markenwertes bei der Planung und Kontrolle von Entscheidungen, die die Marke betreffen, im Sinne des Marketing-Controllings einen entscheidenden Bei-trag leisten. In Bezug auf die Markenbudgetierung kann die Markenbewertung in diesem Zusammenhang beispielsweise ein wichtiger Anhaltspunkt fur die Alloka-tion des Marketingbudgets sein (Sattler 1995b, S. 665).

2.1 Unternehmensexterne Anlasse fiir die Markenbewertung

AUgemein wird der Markenwert bei unternehmensexternen Bewertungsanlassen zunachst als ein in Geldeinheiten ausgedruckter, immaterieller Vermogensgegen-

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Stand interpretiert. Der Bedeutung der monetaren Bewertung einer Marke kommt ein immer groBeres Gewicht zu, seit den spektakularen Ubemahmen von Unter-nehmen der Markenartikelindustrie zu einem Vielfachen ihres Buchwertes statt-gefiinden haben. Beim Kauf einzelner Marken steht zumeist die Absicht dahinter, keine eigene Entwicklung neuer Marken vomehmen zu mussen, sondem durch bereits eingefuhrte Marken umgehend von deren vertrauensbildender Wirkung beim Konsumenten zu profitieren. Dem Untemehmen, welches die Markenrechte erwirbt, bleibt ein kosten- und zeitintensiver Neuaufbau einer Marke somit erspart. AuBerdem ist das finanzielle Risiko in diesem Fall deutlich geringer und kalkulier-barer als bei Neuentwicklungen von Marken, und es eroffiiet dem Kaufer die Chance zur Kapitalisierung eines bereits aufgebauten Marken-Goodwills beim Konsumenten. Allerdings kann auch der in Geldeinheiten ausgedriickte Marken-wert bei Transaktionen von Markenrechten nur als OrientierungsgroBe und als Basis fur die Kaufverhandlungen dienen, da das strategische Interesse des Kaufers hier die Grenze fur den Markenwert bildet. Demzufolge konnen verschiedene Anbieter und Nachfrager je nach Ausgangsposition und strategischem Interesse durchaus zu sehr unterschiedlichen Einschatzungen des Markenwertes kommen, der somit letztendlich am Markt durch Angebot und Nachfrage ermittelt wird.

Sehr ahnlich verhalt es sich bei der Lizenzvergabe von Nutzungsrechten einer Marke. Die Bestimmung von Lizenzgebuhren oder die Gebiihr in Franchisever-tragen entwickelt sich in AbhSngigkeit von der relativen Bedeutung, die der Mar-kenname fxir den jeweiligen Geschaftserfolg hat.

Ein anderer Hintergrund ist gegeben, wenn es um die Feststellung der Schadens-hohe im Zusammenhang mit der Verletzung von Markenrechten geht. Ausgehend von der wirtschafllichen Bedeutung des Markenartikels fiir ein Untemehmen neh-men die Falle missbrauchlicher Nutzung von Marken, insbesondere bei hochwerti-ger Bekleidung, stark zu. Hierbei handelt es sich einerseits um die rechtswidrige Verwendung der Marke auf Produkten derselben Gattung, wie sie zum Beispiel der Markeninhaber herstellt, andererseits um den Gebrauch der Marken auf gat-tungsfremden Artikeln. Es handelt sich um ein gezieltes, systematisches Verletzen von bestehenden Markenzeichen (Meister 1992, S. 270). In diesem Zusammen­hang kann die Bewertung von Marken Aufschluss Uber die Hohe des Schadener-satzes geben, der im Falle der missbrauchlichen Nutzung von Marken zu leisten ist. Hier muss auf den entgangenen Nutzen abgestellt werden, den der Markenan-bieter durch den Schadiger in der Markenfiihrung erlitten hat.

Von brancheniibergreifendem Interesse ist dagegen die Frage, wie Marken im Sinne von Vermogenswerten in der Bilanz zu behandeln sind. Insbesondere in der Markenartikelindustrie, aber auch im Bereich der renommierten Automobil-marken, stellen die Marken einen erheblichen Verm5genswert dar. Die rechtlichen Regelungen der Staaten sind recht unterschiedlich. In Deutschland konnen laut § 248 Abs. 2 HGB nur entgeltlich erworbene immaterielle Vermogensgegenstande aktiviert werden. Selbst geschaffene Marken finden in der Bilanz hingegen (bis-lang) noch keine Berticksichtigung. Begrundet wird dies in erster Linie mit den groBen Bewertungsspielraumen, die sich beim Ansatz selbst geschaffener Marken ergeben. Im Gegensatz zu dieser Auffassung diirfen beispielsweise in England

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auch vom Untemehmen selbst entwickelte Marken in der Bilanz bewertet werden. Besonders bei der Gefahr durch feindliche Untemehmensubemahmeversuche („unfriendly take-over") ist die Bilanzierung von Marken recht hilfreich, da durch die Beriicksichtigung von Marken der potentielle Kaufer sein finanzielles Enga­gement zum Kauf des Akquisitionsobjektes entsprechend ausweiten muss.

2.2. Unternehmensinterne Anlasse fiir die Markenbewertung

In unternehmensinterner Hinsicht ist die Markenbewertung vor allem fur Marke-tingentscheidungen, das heifit Markenfuhrung und -kontroUe, von Interesse. Die Steuerung und Pflege der Marken durch das Management soil erleichtert werden, um eine gezielte Erhohung des Markenkapitals zu erreichen. Entscheidungen im Rahmen des Markenmanagements betreffen den Aufbau beziehungsweise Ausbau, Abbau und den Transfer von Marken in neue Lander beziehungsweise Produkt-markte. Damit wird die Allokation der Ressourcen festgelegt, also eine Entschei-dung tiber die Verteilung finanzieller Mittel auf die einzelnen Marken des Mar-kenportfolios beziehungsweise auf die unter einer Marke angebotenen Produkte.

Typische Ziele der Markenpolitik sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel der Marktanteil und/oder Gewinn- beziehungsweise Umsatzziele sowie Ziele, die auf die Markentreue, Markenbekanntheit, Produktkenntnis usw. abstellen. Die Funkti-on der Markenbewertung als Instrument der Kontrolle im Bereich des Markenma­nagements kommt dann zum Tragen, wenn ein SoU-Ist-Vergleich zwischen den angestrebten Auspragungen der Zielvariablen und den tatsachlich realisierten Ziel-erreichungsgraden vorgenommen wird. Im Fall groBerer Abweichungen, die au-Berhalb der Toleranzgrenze liegen, sind MaBnahmen zu treffen, um weitere Fehl-entwicklungen zu vermeiden. Mit dem auf diese Weise erstellten StSrken/ Schwa-chen-Profil konnen im Bedarfsfall durch Schwachstellenermittlung mogliche Al-temativstrategien aufgezeigt werden, um eine Reduzierung des Markenkapitals zu vermeiden. Die Kenntnis des Markenwertes soil Handlungsanweisungen fur die strategische und operative Markenpolitik erleichtem. Auch fur die Allokation des Marketingbudgets ist der Markenwert einsetzbar. Demnach werden die Marketing-ausgaben nicht mehr als kurzfristige, sondem als langfristige Investitionen angese-hen. Vor dem Hintergrund steigender Marketingausgaben und der kritischen Dis-kussion kurzfristiger Werbewirkungen ben5tigt das Marketingmanagement ein quantitatives MaB, um den Investitionscharakter von Marketingausgaben zu un-termauem und damit einen steigenden Budgetanteil zu rechtfertigen. Hierfur wird der Markenwert benotigt. Kann der Markenwert ursachlich auf bestimmte Marke-tinginstrumente zuruckgeflihrt werden, liegt es nahe, das Markenwertkonzept auch zur Allokation innerhalb des Marketingbudgets zu verwenden (Sattler 1995, S.665b).

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3 Darstellung bestehender Ansatze zur Markenbewertung

Wahrend die Diskussion uber den Wert der Marke in den Vereinigten Staaten unter dem Begriff „Brand Equity" und in GroBbritannien unter dem Begriff „Brand Valuation" gefuhrt wird, hat sich in Deutschland in diesem Zusammenhang der Begriff „Marfe«w^rr* durchgesetzt. Die wertmaBige Bestimmung einer Marke wird durch ihre Immaterialitat sowie ihre vielschichtige Zusammensetzung erheb-lich erschwert. Verschiedene Definitionen des Markenwertes haben in der Vergan-genheit somit zu unterschiedlichen Ansatzen der Markenbewertung gefuhrt. Die Markenwertforschung ist im Wesentlichen durch Verfahren aus zwei unterschied­lichen Kategorien gepragt:

Bewertungsverfahren mit wissenschaftlichem Ursprung stehen solchen gegenUber, die von Marketingpraktikem, Beratungsuntemehmen oder Marketingforschungsin-stituten entwickelt wurden. In jiingerer Zeit sind verstarkte Bemiihungen zu beo-bachten, Modelle in Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis zu entwi-ckeln. Im Sinne der eingangs getroffenen Differenzierung lassen sich okonomische (finanzorientierte) und verbraucherbezogene (marketingorientierte, psychologisch-behaviorale) Verfahren sowie in neuerer Zeit Modelle, die beide Funktionen zu integrieren versuchen, unterscheiden. Erganzend lassen sich die bestehenden Mo-dellansatze nach Global- und Indikatormodellen systematisieren.

Globalmodelle basieren auf der monetaren Markenwertdefinition und ermitteln den Markenwert ganzheitlich, wobei die Bewertung von Marken nach ertragswert-oder substanzwertorientierten Verfahren erfolgen kann. Finanzorientierte Global­modelle haben keinerlei Erklarungsfunktion, etwa bezUglich der Genese des Mar­kenwertes und der Wichtigkeit einzelner Kriterien, da der Markenwert lediglich als „Barwert aller zukiinftigen EinzahlungsUberschusse, die der Eigentiimer aus der Marke erwirtschaften kann" (Kaas 1994, S. 48), definiert wird. Somit leistet diese Sichtweise aus der Sicht des Controllers zwar einen Ansatz zur Bestimmung eines Geldwertes einer Marke zum Zweck der Bilanzierung, der Lizenzierung, der Ak-quisition oder der Schadensbemessung bei Verletzung von Markenrechten, sind aber fur die Markensteuerung untauglich (Sattler 1995b, S. 664ff.).

Dagegen sind Indikatormodelle mehrstufige Verfahren, bei denen zunachst die Messung von Indikatoren erfolgt, die in einem weiteren Schritt zu einem Marken­wert gewichtet werden (Scoring-Modelle). Diese Gewichtung der EinzelgroUen kann per expert judgement oder empirisch abgeleitet erfolgen. Bei einigen Model-len steht abschlieliend die Monetarisierung. Die psychologisch-behavioralen Indi­katormodelle lassen sich nochmals in Makromodelle (aggregiertes Datenniveau) und Mikromodelle (individualisiertes Datenniveau) trennen. In der bestehenden Vielfalt existierender Verfahren der Markenwertbestimmung fallt es naturgemaB schwer, die Orientierung zu behalten. Umso wichtiger ist es daher klarzustellen, dass fiir die strategische Markenfiihrung - im Gegensatz zur Bilanzierung - nur verbraucherorientierte Indikatormodelle einen sinnvollen Ansatz darstellen, da nur

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sie die inhaltliche Explikation der generierenden Faktoren und ihrer Bedeutung, auch in Bezug zum relevanten Wettbewerb erlauben.

Auch die innerhalb von Markenwertmodellen verwendeten Indikatoren lassen sich in zwei Kategorien einteilen: konsumentenbezogene und marktbezogene. Zur ers-ten Kategorie zahlen sowohl kognitive als auch emotionale Konstrukte, wie etwa Markenbekanntheit, Markenloyalitat, Affinitat zur Marke („Sympathie"), Marken-image („innere Markenbilder", „Markenfaszination"), das Markenwissen (Assozia-tionen zur Marke) und das Vertrauen der Konsumenten in die Leistungsfahigkeit der Marke (beispielsweise in ihre gleich bleibende Qualitat). Als marktbezogene GroBen werden haufig das Volumen, die Entwicklung und die Wertschopfimg des jeweiligen Marktes, der mengen- und wertmaBige Marktanteil der Marke, die Entwicklung dieses Marktanteils (Wachstum), die numerische und gewichtete Distribution der Marke, der fur die Marke getroffene Werbeaufwand, ihre Intema-tionalitat sowie ihre Anfalligkeit fur Schutzverletzungen (Patente, intemationaler Markenschutz) genannt. Es ist offensichtlich, dass diese GroBen zum Teil inner­halb der Kategorie mehr oder weniger stark korrelieren, so dass jedes Marken-wertmodell daruber Auskunft geben muss, wie die Autoren sich die nomologische Vemetzung der Konstrukte untereinander vorstellen. Trivialerweise korrelieren die Indikatoren auch zwischen den Kategorien. So steht die Markenbekanntheit beim Verbraucher in AbhSngigkeit von den Media-Spendings fiir eine Marke und ihrer Prasenz am POS. In einigen Modellen werden voneinander abhangige Faktoren ohne Beriicksichtigung ihrer Interdependenz mehrfach bei der Bildung des Mar-kenwert-Scores berticksichtigt und so die Ergebnisse unkontroUiert verzerrt.

Die Ansatze zur Markenbewertung sind in der letzten Zeit zahlreicher geworden. Im Folgenden werden stellvertretend insbesondere die Modelle aufgegriffen und beurteilt, die sich entweder durch einen hohen Grad an Praxisrelevanz oder durch die Giite ihrer Ergebnisse auszeichnen. Es existiert bis heute allerdings kein Mo-dell, das auf der Grundlage einer anerkannten Theorie des markenbezogenen Verbraucherverhaltens eine Auswahl der Indikatoren und ihre Zuordnung zu Mar-kenwertdimensionen im Sinne von theoretischen Konstrukten vorgenommen hatte.

3.1 Finanzorientierte Verfahren zur Markenbewertung

Bei der finanzorientierten Markenwertmessung wird eine Bewertung der Marke als immaterieller Vermogensgegenstand analog zur Bewertung herkommlicher Vermogensgegenstande vorgenommen. FUr diese Bewertung kommen das kosten-orientierte Verfahren, der preisorientierte Ansatz sowie die kapital- und ertrags-wertorientierte Bewertung in Betracht (Bemdt/Sander 1994 S. 1361).

3.1.1 Kostenorientierter Ansatz

Die kostenorientierten Verfahren basieren auf dem Substanzwertverfahren, wel­ches insbesondere hn Zusammenhang mit Untemehmensbewertungen diskutiert wird. Der Substanzwert ergibt sich aus der angenommenen Rekonstruktion des

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Untemehmens und setzt sich aus den mit Wiederbeschaffimgskosten bewerteten Vermogensgegenstanden abzuglich der Verbindlichkeiten sowie der Berticksichti-gung der Abschreibimgen zusammen. Die substanzwertorientierte Sichtweise lasst sich altemativ in zwei Varianten anwenden. Abhangig vom Zeitpunkt der Kosten-betrachtung unterscheidet man zwischen einer Bewertung nach historischen Kos-ten und Wiederbeschaffimgskosten (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 69). Bei Ver-fahren der historischen Kosten ist die Grundlage der Ermittlung des Markenwertes die Summe aller Investitionen, die in der Vergangenheit flir den Aufbau der Marke n5tig waren, also alle Kosten flir Forschung und Entwicklung, Werbung, Distribu­tion usw. Dabei mtissen die Kosten aufgespalten werden in direkte Kosten, die von der Marke selbst verursacht wurden, und indirekte Kosten. Im Prinzip handelt es sich um eine relativ einfache und logische Methode, die bei der Bewertung von den Wiederbeschaffimgskosten einer aquivalenten Marke mit gleicher Marken-starke ausgeht.

Problematisch ist allerdings die Veranschlagung der Kosten bei Marken, die tiber viele Jahre hinweg im Untemehmen aufgebaut worden sind, da die Kosten nicht den vielfaltigen Prozessen des Markenaufl^aus zugeordnet werden konnen. Weite-rer Kritikpunkt ist die Beriicksichtigung von rein quantitativen GroBen. Der Wert von Marken liegt jedoch gerade in qualitativen Merkmalen, wie Bekanntheit und Image. Auch uber die Starke der Marken sagt die Summe der verursachten Kosten wenig aus, denn gerade besonders schwache Marken verschlingen einen groBen Teil der Mittel zum Beispiel fiir Werbung. Beim „Wiederbeschaffimgskosten-Ansatz" wird versucht, das Problem, welches sich bei Bestimmung der histori­schen Werte ergibt, zu umgehen. Es wird gefi*agt, was es das Untemehmen kosten wurde, die Marke neu zu schaffen. Die Basis ist dabei die Summe der imaginaren, aktuellen Anschaffimgskosten einer Marke gleicher Starke. Kritikpunkt ist hier ebenfalls die alleinige Betrachtung auf quantitativer Basis (Kapferer 1992, S. 299). Die ausschlieBliche Verwendung des kostenorientierten Verfahrens weist folglich betrachtliche Informationsdefizite und Unwagbarkeiten auf

3.1.2 Preisorientierter Ansatz

Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein Untemehmen fiir eine Marke Preisauf-schlage auf Gmnd von Markenbekanntheit und Qualitat durchsetzen kann. Dies wird im Allgemeinen durch Verbraucherbefi*agungen und Marktpreisbeobachtun-gen festgestellt und fiihrt somit zu einer einfachen Handhabbarkeit des Ansatzes (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 71).

Eine besondere Form der preisorientierten Markenwertmessung stellt die „hedoni-sche Theorie" von Sander dar. Auf Grund semer Theorie muss die Marke in den Wert der Marke selbst und den Wert der Produkteigenschaften aufgeteilt werden. Aus Sicht des Kaufers spiegelt sich der Wert der Marke in Assoziationen, Anmu-tungen und Vorstellungen wider, die aus dem Markenprodukt als Ganzes entsprin-gen, wahrend flir den Markeninhaber der Wert der Marke aus dem Gewinn resul-tiert, welcher allein auf die Marke zurtickzuflihren ist und ohne die Beifligung des Markenzeichens an dem Produkt nicht hatte erwirtschaftet werden konnen. Dieser

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Wert wird mit Hilfe der „hedonischen Theorie" errechnet. Grundgedanke dieser Theorie ist es, Produktpreise durch Produkteigenschaften zu erklaren. Dazu wird danach gefragt, wie sich der Preis des Produktes Sndert, wenn Produkteigenschaf­ten modifiziert werden. Aus diesen, sich ergebenden monetSren Teilbetragen (he-donischen Preisen) der Auspragungen ergibt sich der Marktwert der Produkteigen­schaften. Aus der Differenz des Preises flir die Marke mit Markenzeichen im Ver-gleich zum identischen Produkt ohne Markierung erhalt man den Marktwert des immateriellen Vermogensgegenstandes „Marke". Eine Trennung des Wertes der Marke als immaterieller Vermogensgegenstand und dem Produkt als Bundel in-und extrinsischer Produkteigenschaften kann eine konkrete Aussage iiber den Wert einer Marke flir den Markeninhaber machen.

Problematisch sind die preisorientierten AnsStze insofem, als dass sie nur Preis-und Kostendaten beriicksichtigen. Unbeachtet bleibt hier die Vielfaltigkeit des Markenwertphanomens sowie die zukunftstrachtigen Potentialleistungen des Mar-kenwertes und die Auswirkungen im vertikalen Marketing. Der Markenwertansatz von Sander zeichnet sich durch sein finanzorientiertes Markenwertverstandnis aus, da die Erlose, welche durch die Marke erzielt wurden, den Markenwert bezeich-nen. Der direkte Nachweis der Zuverlassigkeit kann zwar nicht erbracht werden, jedoch ist der Ansatz wegen wiederholter Messeinsatze an verschiedenen Produk-ten als relativ verlasslich anzusehen. Nicht zu verkennen ist allerdings der groBe Aufwand, der auf Grund sorgfaltig durchgefflhrter hedonischer Analysen erforder-lich wird, so zum Beispiel Marktabgrenzung und Analyse der relevanten Produkt­eigenschaften. Eine einfache Handhabbarkeit wird somit bedauerlicherweise stark eingeschrankt (Sander 1995, S. 76).

3.1.3 Kapitalmarkt- und ertragswertorientierte Markenbewertung

Der kapitalmarktorientierten Markenbewertung liegt der Gedanke zu Grunde, dass die Borsenentwicklung eines Untemehmens die Zukunftschancen einer Marke widerspiegelt. Beriicksichtigung findet dieser Gedanke im Ansatz von Simon und Sullivan, die den Markenwert als Funktion des Aktienpreises sehen. Der Gesamt-wert einer Untemehmung ergibt sich durch die Multiplikation des Aktienpreises mit der Aktienstuckzahl. Markenwert defmiert sich also als Barwert der zukiinfti-gen Gewinne, die sich aus der Markierung einer Sach- oder Dienstleistung mit einem Markennamen ergeben (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 74). Diese kapital-marktorientierte Bewertung eignet sich allerdings eher flir Einzelproduktunter-nehmen, da hier kaum Zuordnungsprobleme auftreten. Die Methode setzt femer einen transparenten Markt voraus und berlicksichtigt iiberwiegend nur einschnei-dende MarketingmaBnahmen, da Informationen, die den Markenwert betreffen und nicht schlagartig bekannt werden, keine eindeutige Reaktion des Aktienmarktes hervorrufen und somit auch hinsichtlich der Entwicklung des Markenwertes nicht interpretiert werden konnen. Untemehmen, die nicht an der Borse agieren, werden bei diesem Ansatz (iberhaupt nicht beriicksichtigt.

Bei der Ertragswertmethode handelt es sich um ein traditionelles Verfahren zur Bewertung des Markenwertes, in dem es um die Bewertung eines Vermogens-

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Gegenstandes beziehungsweise einer Marke geht. Orientiert wird sich anhand der mit dieser Marke zukiinftig erwirtschaftbaren Reinertrage. Diese Ertrage werden entsprechend abgezinst, um eine Aussage iiber den aktuellen Wert dieses Ertrags-stroms zu bekommen. Uber die Hohe des KalkulationszinsfiiBes konnen bei die-sem Ansatz Risikoiiberlegungen berucksichtigt werden.

Ein allgemeines Problem bei der ertragswertorientierten Methode ist die Tatsache, dass sehr viele subjektive Faktoren, wie die Zukunftseinschatzungen imd die H5he des KalkulationszinsfiiBes das Ergebnis nachhaltig beeinflussen. Beim Kalkulati-onszinsfiiB wird in der Kegel die landesspezifische Verzinsung einer langfi-istigen und sicheren Anlage am Kapitalmarkt zugrunde gelegt. In der Modifizierung die­ses Basiszinssatzes mit Zu- und Abschlagen zeigt sich der weitgefasste Bewer-tungsspielraum. Dieser ergibt sich aus der Berucksichtigung des Risikos der Inves-tition in das Bewertungsobjekt, angefangen vom Branchenrisiko uber das Immobi-litatsrisiko der Kapitalbindung bis hin zur Ungewissheit der prognostizierten Er-ft)lge. Es gibt keinen allgemeingiiltigen MaBstab fiir die Berechnung dieser Zu-schlage, es soil lediglich eine Orientierung an einem adaquaten Vergleichsobjekt erfolgen. So besteht die Gefahr der Willkiirlichkeit in der Festsetzung dieser Gro-Ben. Der entscheidende Vorteil der Ertragswertorientierung ist ihre Zukunftsorien-tierung, also die vorwartsgerichtete Potentialbetrachtung. Zu den bekanntesten ertragswertorientierten Modellen gehoren zum Beispiel die nachft)lgenden Bewer-tungsansatze von Kern, Herp, Interbrand und A.C. Nielsen.

3.1.3.1 Markenwertmodell von Kern

Bei dem Ansatz von Kern handelt es sich um einen globalen, ertragswertorien­tierten Ansatz, dessen Ergebnis in Geldeinheiten ausgedriickt und Uber eine Be-wertungsstufe berechnet wird. Der Markenwert wird definiert als die Umsatze, die durch die Markierung der Produkte zusatzlich erzielt werden konnen. Grundlage ist der Umsatz und nicht der Gewinn, da angenommen wird, dass dieser durch Faktoren beeinflusst wird, die nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Verwendung der Marke stehen. Es sollen keine Kosten in die Markenbewertung einflieBen, die nicht ursachlich auf die Marke zurtickzuflihren sind (Pepels 1998, S. 300). Anstelle des Gewinns legt Kern eine branchentibliche Umsatzrendite zugrunde (zum Beispiel 4 - 6 %, je nach Branche) und nimmt an, dass der Wert der Marke bei steigenden Umsatzen degressiv anwachst (Herreiner 1995, S. 18). In der Markenwertfi)rmel smd erste Ansatze von Marktorientierung erkennbar, da neben ertragsorientierten Parametem auch eine marktorientierte Variable (Lizenz-satz) Berucksichtigung findet, der die Verkehrsgeltung sowie den rechtlichen Schutz der Marke bezeichnet. Um dem Zukunftsaspekt der Markenbewertung Rechnung zu tragen, werden die Umsatze Uber die geschatzte Lebensdauer der Marke diskontiert (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 75). Die Formel fiir die Marken­bewertung setzt sich zusammen aus:

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W = Wert der Marke, U = durchschnittliche Umsatzerwartung pro Jahr, L = branchenublicher Lizenzsatz in Prozent, n = Zeitdauer der Umsatzerwartung und q = 1 +p/l 00 (Rentenbarwertfaktor), mit p = landesUblicher ZinsfiiB

Bezuglich des branchenilblichen Lizenzsatzes geht Kern von einem Wert zwischen 1 und 2 % aus. Als Zeitdauer n soUte wegen des nicht unerheblichen Risikos ein Zeitraum von 3 - 6 Jahren, bei starken Marken bis 10 Jahre angesetzt werden. Die weiteren Risiken werden, wie auch in der Untemehmensbewertung ublich, mit einem Risikozuschlag auf den ZinsfiiB p berucksichtigt. Nach der Festlegung der erforderlichen Grofien errechnet sich der Wert nach folgender Formel:

=1 W = A U 2 * L * . q"- 1

q " * ( q - l )

Kern sieht den Zweck der Markierung in der Erwirtschaftung zusatzlicher Ge-winne. Es geht also um die zu erwartenden Geldstrome; daher wird bei dieser Bewertung auf das Ertragswertverfahren zuriickgegriffen. Der Markenwert ent-spricht den erzielten UmsStzen, die auf Grund der Markierung entstanden sind (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 78). Der Umsatz wird als „Globalgro6e", die mar-ken- und produktspezifische Effekte umfasst, zugrunde gelegt. Da aber aus Sicht des Markeninhabers nur der Erfolg der Marke als NettogroBe entscheidend ist -schlieBlich miissen die auf die Marke zurtickgehenden Kosten getragen werden -handelt es sich um eine starke Vereinfachung der Realitat. Auch andere Bestand-teile des Verfahrens sind nur sehr subjektiv. Bei der Bestimmung des branchenilb­lichen Lizenzsatzes (L), der nach Meinung von Kern auch den rechtlichen Schutz der Marke und die Verkehrsgeltung beinhalten soUte, des Risikozuschlages (m), um den der Diskontierungssatz erhoht wird, und vor allem der Zeitdauer (n) be-steht die Gefahr einer subjektiven Einschatzung. Die vorstehenden Ausfuhrungen zeigen einen relativ groBen personlichen Ermessensspiebaum, der bei der Anwen-dung des Verfahrens zum Tragen kommt. Folglich muss angenommen werden, dass unterschiedliche Betrachter zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Ein Vor-teil liegt allerdings in der einfachen Handhabbarkeit des Modells (Herreiner 1995, S. 39).

3.1.3.2 Markenwertmodell von Herp

Auch der globale Ansatz von Herp ist finanzorientierter Herkunft. Der Marken­wert definiert sich als Summe der zusatzlichen Umsatze, die durch die Markie­rung der Produkte erzielt werden konnen. Er ist wie der Ansatz von Kern ein er-tragswertorientierter Ansatz mit einer Bewertungsstufe (Pepels 1998, S. 301). Nach der Ansicht von Herp hat die Markierung des Produktes Auswirkungen auf den Verkaufserfolg des Untemehmens. Es ist der Versuch, markenspezifische

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Effekte analytisch als bestimmten Teil am Umsatz der Marke herauszufiltem. Zur Feststellung dieser Anteile bedient Herp sich des Conjoint Measurement. „Dies ist ein Verfahren zur Erklarung von Praferenzen auf Grund von Einzelurteilen. Unter der Voraussetzung der Fahigkeit der Testpersonen, Praferenzurteile abzugeben, werden den Versuchspersonen Kombinationen verschiedener Merkmalsauspra-gungen von Objekten prasentiert, die sie nach ihren Praferenzen in eine Rangfolge bringen soUen. Das Ziel ist die Zerlegung der Gesamturteile uber Merkmalskom-binationen in der Weise, dass auf das Gewicht oder den Nutzen der einzelnen MerkmalsausprSgungen geschlossen werden kann" (Gabler Wirtschaftslexikon 1997, S. 801). Mit Hilfe dieses Analyseinstrumentariums werden die unterschied-lichen Ausstattungen eines Produkts berucksichtigt, um so einen Aufschluss dar-uber zu bekommen, welche Preis- und Umsatzeffekte auf die Marke zuriickzufuh-ren sind. Preise und Eigenschaften verschiedener Produkte werden in Beziehung zueinander gesetzt, um als Resultat fiir jede Auspragung der Merkmale, also auch fur die Marke, einen Wert zu erhalten, der einen bestimmten Beitrag zum Endver-kaufspreis beitragt. Dieses Verfahren bietet die Moglichkeit, den Umfang der Auswirkungen von Marken auf den Verkaufserfolg von Produkten unter mehreren verschiedenen Gesichtspunkten zu beurteilen (Herp 1982, S. 137).

Herp sieht die Marke als ein Hilfsmittel, um den Absatz von KonsumgUtem zu unterstUtzen. Er gelangt, wie Kern, zu der Feststellung eines Zusatznutzens, der einer Marke zugerechnet werden kann. Dies erfolgt mit der Conjoint-Analyse, welche die Unterschiede der Objekteigenschaften ausgleichen soil, um die Wir-kung der Markierung herauszustellen (Herreiner 1995, S. 41). Vorteil beim Con­joint-Ansatz ist, dass Konsumentenurteile nicht verzerrt werden, wie dies durch Kriterienvorgaben oder Gewichtungskoeffizienten der Fall ware (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 87). Der Markenwert spiegelt sich nach Ansicht von Herp in den zusatzlichen Umsatzen wider, die durch die Markierung der Produkte erwirt-schaftet werden. Im Gegensatz zu den anderen Modellen stellt der Markenwert hier einen Vergangenheitswert dar, denn Herp berechnet nicht erwartete, sondem tatsachlich erzielte markenbezogene Zusatzumsatze (Herreiner 1995, S. 42). Sub-jektive Beeinflussungselemente, wie die im Modell von Kern, spielen beim Ansatz von Herp keine Rolle. Auch hier werden keine markenspezifischen Kosten beriick-sichtigt. Ein besonderer Nachteil ist, dass nur ein relativer Markenwert berechnet werden kann. Bedingt ist dies durch die Verkniipfung des relativen Preisanteils, der auf die Marke zurtickzufuhren ist, mit dem relativen Absatzerfolg. Fraglich ist, ob dieses Modell fur Produkte geeignet ist, die sich weniger durch objektiv geeig-nete Produkteigenschaften auszeichnen. Produkte, die zum Beispiel durch Ge-schmack oder Anmut charakterisiert sind, werfen bei der Conjoint-Analyse Prob-leme auf Eine Beschreibung der Produkteigenschaften und ihrer Auspragungen sowie eine Klassifikation der Produkte hat anhand dieser Eigenschaften zu erfol-gen. GroBer Vorteil ist, dass auf theoretisch fimdierte Weise markenspezifische Effekte von anderen produktspezifischen Effekten isoliert werden (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 87).

Das Modell von Herp kann allerdings nur angewendet werden, wenn die unter-suchten Marken alle zu einer Produktkategorie gehoren und sich in Bezug auf

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objektive Produktkriterien kaum imterscheiden. Ob tatsachlich der Markenwert ermittelt wird, bleibt allerdings offen. Ergebnis der Untersuchung ist namlich nur ein relativer Markenwert, der zwar Aussagen uber die Wettbewerbsverhaltnisse macht, flir die Bewertung im Rahmen einer Untemehmensubemahme aber nur sehr eingeschrankt anwendbar ist (Herreiner 1995, S. 42). Die Bezugspunkte der Unter­suchung sind eben nicht die Umsatzerlose unmarkierter Produkte, sondem die Verkaufserfolge anderer Markenartikel.

3.1.4 Indikatorgesteuerte AnsStze

Ende der 80er Jahre wurden neben den globalen Verfahren zwei indikatorge­steuerte Modelle zur Bestimmung des Markenwertes entwickelt. Hierzu gehoren die Modelle von Interbrand und A.C. Nielsen. Beide Modelle basieren auf dem Scoringansatz. Sie versuchen, den multidimensionalen Schwierigkeiten der Bewer­tung von Marken durch Beriicksichtigung aller moglichen Einflussfaktoren zu begegnen. Die Bewertung erfolgt an Hand eines Punktesystems, mit dessen Hilfe zuerst einzelne relevante Kriterien beurteilt und danach zu einem Gesamt-wert verdichtet werden (Schmidt 1997, S. 90).

3.1.4.1 Brand Valuation von Interbrand

Dieses zweistufige, indikatorgesteuerte Verfahren wurde 1988 von dem englischen Untemehmen Interbrand als Element einer Abwehrstrategie gegen feindliche Un-temehmensubemahmen entwickelt und 1989 publiziert. Es ist ebenfalls den er-tragswertorientierten Verfahren zuzuordnen. Die Notwendigkeit einer Markenbe-wertung sieht Interbrand in dem erheblich gestiegenen Kostenaufwand, der bei einer Neuentwicklung einer Marke betrieben werden muss. Der Markenwert nach Interbrand beinhaltet alle geistigen und inhaltlichen Eigentumsrechte, die einem bestimmten Markenartikel zugeordnet werden konnen (Hamann 1992, S. 228). Zunachst werden mit Hilfe des Scoring-Modells sieben verschiedene Hauptkatego-rien bewertet. Die Hauptkategorien mit den dazu gehorigen Einzelkriterien - Indi-katoren - sind: Marktfuhrerschaft (zum Beispiel Marktanteil, relative Marktpositi-on, Breite der Kundenbasis), MarkenstabilitSt (zum Beispiel Alter der Marke, Bekanntheitsgrad), Markt (zum Beispiel Konkurrenzstruktur, Produktaktualitat), Intemationalitat (zum Beispiel Marktposition im Ausland, Markteintrittswege), Trend der Marke (zum Beispiel Umsatzentwicklung, Marktentwicklung), Marke-tinguntersttitzung (zum Beispiel Absatzforderung, Werbeaufwendungen) und rechtlicher Schutz. Von besonderem Interesse, neben den einzelnen Indikatoren, ist die unterschiedliche Gewichtung dieser Hauptkategorien (vgl. Abb. 14.1).

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25

1 jMarktfiihrer-1 'schaft

r-T^Stabilitat 15

QlVlarktlO

^ H Intemationalitat

• Trend der Marke

25

25

10

• • j Marketing ^HUnterstutzun 10

Schutz der Marke

05

Abb. 14.1: Gewichtete Hauptkategorien Quelle: Schmidt 1997, S.92

Die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl gilt flir alle Bewertungsobjekte, wobei lediglich die Hauptkategorien und nicht die Unterkriterien mit Punktwerten verse-hen werden. Somit kormen die Bewertungsexperten die Zuordnimg mnerhalb der Hauptkategorien frei wahlen (Hamann 1992, S. 225). Die Gesamtpunktzahl der gesamten Bewertungskriterien ergibt die Markenstarke, welche den Ausgangs-punkt fur die nachfolgende Monetarisierung bildet (Schmidt 1997, S. 92).

Bei der Monetarisierung geht es darum, den ermittelten Wert in eine monetare Gr5Be zu transformieren. Dazu wird die Markenstarke in einen Multiplikator Uber-fiihrt. Dieser Wert ergibt sich aus der S-formig verlaufenden Markenindexkurve, auf der das Verhaltnis zwischen Markenstarke und Markenwertfaktor abgebildet wird. Interbrand geht davon aus, dass mit zunehmender Starke der Marke die Mar­kenindexkurve exponentiell, danach linear und spater nur noch degressiv anwachst (Hamann 1992, S. 231). Beispiel fur den Verlauf einer S-formigen Markenindex­kurve (vgl. Abb. 14.2).

Bestimmt wird der Markenwertfaktor durch die Verknupfung des Multiplikators mit dem markenbezogenen Durchschnittsgewirm. Um dies zu erreichen, werden die anteiligen fixen und variablen Kosten einer Marke sowie die anteiligen Steuem und Einstellungen in das Eigenkapitel von den Umsatzerlosen der Marke subtra-hiert. Um zu verhindem, dass auBergewohnliche Jahresergebnisse die Resultate verzerren, werden die Markengewinne in einer 3-Jahres-Analyse unterschiedlich gewichtet.

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Markenwertfaktor

20|

0 100

Punktwert Markenstarke

Abb. 14.2: Verlauf einer S-fbrmigen Markenindexkurve Quelle: Hamann 1992, S. 231

Kritisch anzumerken ist die Tatsache, dass das Modell von Interbrand in hohem MaBe von Subjektivitat geprSgt ist. Es sind lediglich die sieben Hauptkriterien festgelegt, wahrend die einzelnen Unterkriterien je nach Art der Anwendung vari-ieren. Viele der Unterkriterien beinhalten auch Zukunftsperspektiven, was einer-seits auf Grund der zimehmenden Realitatsnahe des Modelles positiv zu bewerten ist, andererseits ein grofies Unsicherheitspotential darstellt (Huber 1997, S. 148). Die groBe Anzahl der Bewertungskriterien ist sicherlich vorteilhaft, urn dem kom-plexen Gebilde „Marke" gerecht zu werden, fiihrt im einzelnen moglicherweise aber zu Korrelation verschiedener Kriterien und somit letztlich zu einer mehrfa-chen Beriicksichtigung eines Bewertungsfaktors (Bemdt/ Sander 1994, S. 1368). Grundsatzlich werden bei Interbrand relativ viele qualitative und zahlenmaBig nicht greifbare Gesichtspunkte, wie Produktvorteile, Qualitatserwartungen etc. eingesetzt. Perspektiven werden durch diese sicherlich erweitert, die Objektivie-rung des Bewertungsverfahrens wird dadurch allerdings schwieriger (Herreiner 1995, S. 49). Ungeklart bleibt auch das Zustandekommen der Markenwertfaktoren und ihre funktionale Begriindung. Problematisch ist, dass der weitaus groBte Teil der notwendigen Informationen vom Markenfiihrer bereitgestellt werden muss. Die Bewertung konnte also auch untemehmensintem - beispielsweise in der Control-lingabteilung des markenfiihrenden Untemehmens - durchgefuhrt werden. Fur mOgliche Markenerwerber beziehungsweise im Schiedsfall wiirde dies hingegen nicht genugen (Hamann 1992, S. 232).

Der eindeutige Vorteil des Interbrand-Modelles liegt in der detaillierten Erfassung der EinflussgroBen des Markenwertes, mit dem sich dessen Entstehung nachvoll-ziehen lasst. Ftir den Anwender lasst sich dieses Modell somit zur strategischen Markenfuhrung einsetzen.

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3.1.4.2 Brand Performance System von A.C. Nielsen

Auch in der Markenbilanz von Nielsen, Ende der achtziger Jahre von Schulz/ Brandmeyer entwickelt, wird eine umfassende Markenwertdefinition geboten. Dieser Markenwert wird als Gesamtheit aller positiven und negativen Vorstellun-gen defmiert, die im Publikum aktiviert warden, wenn es das Markenzeichen wahmimmt. Diese spiegeln sich in den 5konomischen Daten des Markenwettbe-werbes wider. Wie beim Modell von Interbrand handelt es sich um ein, in zwei Bewertungsstufen angelegtes Markenwertmodell. In der ersten Stufe wird die Markenstarke festgelegt. Dies geschieht ebenfalls mit Hilfe des Scoring-Modelles. In der zweiten Stufe werden diese Werte mit den Betriebsdaten verkntipft, um zu einem monetSren Wert zu gelangen. Die Markenstarke wird anhand von 19 ver-schiedenen Kriterien, den Indikatoren, beurteilt. Diese Indikatoren sind in sechs Hauptgruppen unterteilt (Pepels 1998, S. 299):

Marktanteil und Entwicklung wertmaBiger-relativer Marktanteil, Marktanteil in bezug auf Gewinn, Marktanteilsentwicklung

Hersteller/Rendite Produktqualitat, Preisverhalten, Share of Voice

Konsument/Konsumentenbildung Markentreue, Vertrauenskapital der Marke, Share of Mind, Werbe-erinnerung, Markenidentifikation

Markt/Markenentwicklung GroBe, Entwicklung, Wertschopfung des Marktes

Internationalitat/Geltungsbereich Markengeltungsbereich, Markenschutz

Handel/Handelsakzeptanz Gewichtete Distribution, Handelsattraktivitat

Abb. 14.3: Hauptgruppen und Indikatoren des Nielsen - Modelles Quelle: Pepels 1998, S. 299

Die obigen Kriterien werden nach ihrem geschatzten Einfluss auf den Markenwert gewichtet. Dies geschieht unter Anwendung eines Skalierungsverfahrens (Bekmei-er 1995, S. 1468). Die genauen Bewertungskriterien sind nicht bekannt, da dieses Modell, wie auch das von Interbrand, im Beratungsgeschaft eingesetzt wird und aus Wettbewerbsgrunden nicht alle Bestandteile preisgegeben werden (Herreiner 1995, S. 23). Bekannt ist, dass eine maximale Punktzahl von 500 Punkten erreich-bar ist. Liegt der Wert eines Markenproduktes unter 200 Punkten, spricht dies fur Markenschwache (Bekmeier 1995, S. 1468). Um nun einen monetaren Wert des Markenartikels zu ermitteln, bedient sich Nielsen einer drei-stufigen Ertragswert-ermittlung unter Beriicksichtigung der kurz-, mittel- und langfristigen Gewinner-wartungen der Auftraggeber (Hamann 1992, S. 224). Anhand von Schatzungen wird dort versucht, die Ertrage zu ermitteln, welche in der Zukunft erwirtschaftet werden konnten. Die Punktzahl aus dem Scoring-Modell wird in einen Diskontie-rungsfaktor ubergefuhrt. Hohe Punktzahlen ftihren zu einem niedrigen Diskontie-rungsfaktor und ergeben somit einen hohen Ertragswert. Der sich so ergebende Ertragswert wird als Ausdruck des Markenwertes verstanden. Anhand des nachste-

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henden Ablaufschemas sollen die einzelnen Bearbeitungsschritte verdeutlicht wer-den (vgl. Abb. 14.4).

Prognose der Umsatzentwicklung der Marke auf EV-Preisbasis unter Berucksichigung von Markt- und Marktanteilsentwicklung der Marke

Prognose der Umsatzrendite auf Vergangenheits- und

Plankostenbasis

Ertragsprognose

Prognose des Umsatzes zu Fabrikabgabepreisen

Kapitalisierung der Ertrage mittels eines adjustierten

KalkulationszinsfiiBes (entsprechend Punktwert

aus Scoring-Modell)

Wert der Marke

Abb. 14.4: Ablaufschema einer Markenbewertung Quelle: Hamann 1992, S.224

Eine Weiterentwicklung dieses Modelles, welches die Schwachpunkte der Mar-kenbilanz aufgreift, ist der Brand Performancer von A.C. Nielsen. Bei diesem Verfahren wird mehr Gewicht auf den strategischen Aufbau der Marke gelegt. Als ein gegenwartsbezogenes Modell geht es somit verstarkt auf die zukunftigen Ent-wicklungsmoglichkeiten der Marke ein. Haupteinsatzgebiet ist die Unterstiitzung des Markenmanagements. Es liefert Entscheidungsgrundlagen fur Planung und Kontrolle von Marketingentscheidungen. Eine Bewertung der Marke erfolgt paral­lel zur Bewertung ihrer Konkurrenzmarken.

Der Brand Performancer gliedert sich in vier Teilbereiche: Mittelpunkt des Model­les ist der Brand Monitor, welcher durch statistisch gesicherte Verfahren eine ob-jektive Bewertung anhand eines Kriterienkataloges vomimmt. Hier konnen auch branchenfremde Marken miteinander verglichen werden. Im Brand Steering Sys­tem untersucht man die momentane Stellung der Marke aus Sicht des Verbrau-chers, indem unter anderem die Marketingaktivitaten der Konkurrenz untersucht werden. So kann die zukiinftige Markensteuerung geplant werden. Im Brand Control System werden markenstarkebezogene Kennzahlen, wie Werbeausgaben,

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Distributionsgrad und Erinnerungswerte ermittelt. Im Brand Value System geht es schlieBlich um die fmanzielle Bewertung der Marke. Auf Basis dieser Ergebnisse wird dann die relative Markenstarke ermittelt, die Grundlage fur die Ermittlung des Ertragspotentials ist (Pepels 1998, S. 303).

Die fast zeitgleich mit dem Modell von Interbrand entwickelte Methode von A.C. Nielsen ist tendenziell verhaltensorientiert. Beriicksichtigt man die Tatsache, dass der Verbraucher, mittels Kaufentscheidung, letztlich uber den Erfolg der Marke entscheidet, scheint dies durchaus sinnvoll (Herreiner 1995, S. 52). Im Unter-schied zum Interbrand-Modell wird bei der Markenbilanz die Datenerhebung an-hand von Paneldaten vorgenommen. Dadurch ist sie reprasentativer, weniger ma-nipulierbar und wesentlich objektiver (Pepels 1998, S. 301). Da auch hier mit einer Punktbewertung gearbeitet wird, treten mit dieser Bewertungsart zwangslau-fig verbundene Probleme auf. Die Bestimmung und Gewichtung der Kriterien sowie mogliche Interdependenzen zwischen einzelnen Kriterien erweisen sich als schwierig. Es bleibt weiterhin offen, wie auf Grund der Kriterien ermittelter Star-ken und Schwachen eine Steuerung der Marktanteilsschwachen moglich ist. Es muss mit Tendenzaussagen und Schatzungen gearbeitet werden (Bekmeier-Feuer-hahn 1998, S. 83). Gerade bei der allgemeingtiltigen Festlegung des fimktionalen Zusammenhangs zwischen Diskontierungsfaktor und erreichter Punktzahl zur monetaren Bewertung der Marke ergeben sich auf Grund der Ungewissheit even-tueller Bewertungsspielraume. Bei A.C. Nielsen wird von einer objekt-orientierten Sichtweise ausgegangen, eine Bewertung der Marke als immaterieller Vermogens-gegenstand findet daher nicht statt. Folglich ist dieses Modell fUr viele Zwecke der Markenbewertung nicht einsetzbar (Bemdt/Sander 1994, S. 1369).

Die mit diesem Problem verbundenen Schwierigkeiten waren Anlass, dass die Begriinder der Markenbilanz, zusammen mit dem Marketinglehrstuhl von Prof Trommsdorf in Berlin, ein verbessertes Modell entwickelt haben, welches auf Basis einer Kausalanalyse eine validierte Auswahl und Gewichtung von Eigen-schaften als Grundlage hat. Es erfolgte die Weiterentwicklung zum Brand Per-formancer, auch bezeichnet als Nielsen-Bilanz der zweiten Generation (Franzen 1995, S. 564). Der Brand Performancer versucht, konsumenten- und untemeh-mensorientierte Markenwertbestimmung zu integrieren. Dies bezieht sich auch auf das Ziel, bei der Markenwertermittlung die qualitativen Daten der Marken-wertanalyse zu berticksichtigen und monetar zu bewerten. Besonders durch die Einschrankung der Messkriterien verringem sich die Messprobleme des Modelles. Allerdings sind Zweifel an der Zuverlassigkeit des Zusammenhangs zwischen Indikatorenwahl und Markenstarke angebracht, obwohl die Auswahl der konsu-mentenorientierten Indikatoren der Markenstarke auf Erkenntnissen der KaufVer-haltensforschung basieren. Der Brand Performancer beriicksichtigt eine Vielzahl an objektiven Informationen, lasst jedoch auch noch subjektive Spielraume offen. Zu nennen sind hier die Ermittlung des Umsatzpotentials, die Schatzung der Um-satzrendite oder die Bestimmung des in der Ertragswertformel integrierten Risi-kofaktors. Wie beim Modell von Interbrand findet auch bei diesem Messmodell keine Absonderung des immateriellen Markenwertes statt; dies ist aber in vielen Fallen der Bewertung besonders wichtig (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 87).

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Wie auch das Modell von Interbrand eignet sind die Markenbilanz eher fur eine Markenbewertung auf Index-Basis und weniger fur eine monetare Bewertung. Sie bietet aber immerhin die MSglichkeit, eine Marke im Verhaltnis zu anderen Mar-ken einzuordnen. Dies kann zum Beispiel fur strategische Untemehmensentschei-dungen genutzt werden, wenn Entscheidungen anstehen, ob weiterhin in die Marke investiert werden soil (Herreiner 1995, S. 57). Im Brand Performancer ist durch den modularen Aufbau die M5glichkeit gegeben, die Messung des Markenwertes durch differenzierte Analysen fur die Markensteuerung, die finanzielle Bewertung der Marke und die Kontrolle der Markenfiihrung zu erganzen.

3.2 Verhaltenwissenschaftliche Markenbewertung

Bei den bisher vorgestellten und diskutierten Messmodellen ging es urn die fi-nanzwissenschaftliche Betrachtung des Markenwertes. Ausgehend von der Tat-sache, dass viele Wertkomponenten, zum Beispiel Transferpotential, Marketingef-fizienz sowie deren Zukunftsperspektiven, sich weniger durch Aktiva wie Produk-tions-flache und Produktionsverfahren beschreiben lassen und sich auch durch Kenn-ziffem nicht ausreichend und nur einseitig wiedergeben lassen, hat sich in der jungeren Vergangenheit eine umfassendere, verhaltensorientierte Bewertung ent-wickelt. Dadurch wurde das Begriffsbild des Markenwertes erheblich erwei-tert. Die iiberwiegend betriebliche Betrachtungsweise ist einer mehr marktorien-tierten Sichtweise gewichen (Bekmeier 1994, S. 384).

Aus der Sicht der Verhaltenswissenschaft handelt es sich beim Markenwert um die Verkntipfung bestimmter Gedachtnisinhalte mit spezifischen Marken. Diese sind durch MarketingmaBnahmen wie Kommunikation und unmittelbare Erfahrung mit den Marken bei den Konsumenten aufgebaut worden. Markenwerte zeigen also den aktuellen Stand der MarketingmaUnahmen. Definiert wird der Markenwert eines Markenproduktes mit den Eigenschaften, die der Konsument mit diesem verbindet. BezugsgroBen sind hierfur die Bekanntheit der Marke und das Image. Die Bekanntheit ist dabei Voraussetzung, damit sich der Verbraucher ein Bild vom Image der Marke machen kann. Nach Aaker wird durch eine Markenbekanntheit die Marke bei der Kaufentscheidung iiberhaupt erst berUcksichtigt. Sie ist Grund-lage fur markenspezifische Assoziationen und Vertrautheit und Zuneigung bei den Konsumenten. Das Markenimage spielt bei gegebenem Grad der Bekanntheit eine wichtige Rolle. Image setzt sich aus emotionalen und kognitiven Komponenten zusammen. Dabei sind einige Aspekte flir den Markenwert von zentraler Bedeu-tung: Inhalte, die mit der Marke verbunden werden (zum Beispiel „Mercedes" wird verbunden mit SoliditSt, Zuverlassigkeit), Starke der Verbindungen zwischen bestimmten Eigenschaften und einer Marke (zum Beispiel Reinigungsmittel „Frosch" mit der Verbindung zur Umweltfreundlichkeit), die Richtung der Ver­bindungen zwischen Eigenschaften und Marken (zum Beispiel Verkntipfung von „Nivea" mit Creme und umgekehrt) und die Zahl der mit einer Marke verbundenen Eigenschaften (Esch/Andresen 1997, S. 25). Konsumentenorientierte Ansatze sind die von Keller (1993), mit der These, dass der konsumentenorientierte Markenwert vom Markenwissen des Verbrauchers abhSngig ist und sich aus dem Vergleich

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einer Marke mit einem unmarkierten aber artgleichen Produkt ergibt und dem „brand-trek-Ansatz" von Andresen (1991), der direkt beim Konsumenten und seinen inneren Vorstellungen von Marken ansetzt (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 92).

3.2.1 Verhaltenwissenschaftliches Markenwertmodell von Aaker

Aaker machte den ersten vielbeachteten Versuch, den Konsumenten in den Mittel-punkt der Markenbewertung zu stellen. Der Markenwert wird hierbei als rein qua-litatives Konstrukt untersucht. Nach der Definition von Aaker ist der Markenwert „eine Gruppe von Vorzugen und Nachteilen, die mit einer Marke, ihrem Namen Oder Symbol im Zusammenhang stehen und den Wert eines Produktes oder Diens-tes flir ein Untemehmen oder seine Kunden mindem oder mehren" (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 90). Zusammengesetzt wird der Markenwert aus flinf Dimen-sionen (vgl. Abb. 14.5):

Abb. 14.5: Die funf markenwertbestimmenden Dimensionen nach Aaker Quelle: Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 90

„Der Markenwert selbst", so Aaker, „umschreibt eine Gruppe von Vorzugen und Nachteilen, die mit einer Marke, ihrem Namen oder Symbol in Zusammenhang stehen und den Wert eines Produkts oder Dienstes fur ein Untemehmen oder seine Kunden mehren oder mindem" (Aaker 1992, S. 32). Im Einzehien haben die Vor-zuge folgende Bedeutung: Die Markentreue hilft dem Untemehmen, Kosten zu vermeiden, denn es ist billiger, alte Kunden zu halten, als neue zu gewinnen. Au-Berdem vermindert sie die Anfalligkeit gegentiber der Konkurrenz. Kunden wer-den eher bekannte Marken kaufen, well sie den Umgang mit Vertrautem als ange-nehm empfinden. Der Bekanntheitsvergleich spielt eine wichtige Rolle, wenn

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verschiedenen Marken verglichen werden, um zu entscheiden, welche fur den Kauf in Betracht kommt. Unbekannte Marken haben in dieser Konstellation kaum eine Chance. Die angenommene Qualitat nimmt direkt Einfluss auf die Kaufentschei-dung und die Markentreue. Sie rechtfertigt hohere Preise und kann Ausgangspunkt fur eine Markenerweiterung sein (Qualitat strahlt auch auf verwandte Bereiche ab). Der Markenwert basiert oft auf den damit verbundenen Assoziationen. Die Asso-ziation mit einem Lebensgefflhl kann die Anwendungserfahrung moglicherweise vollig umkrempeln (Beispiel: Der Besitz eines Jaguars macht das Fahren eventuell zu einem vollig neuen Erlebnis). Eine Markenassoziation kann sich als Markt-eintrittsschranke fiir die Konkurrenz erweisen. Mit den anderen Markenvorztigen sind zum Beispiel Patente, Warenzeichen und Absatzwege gemeint. Markenvorzti-ge sind am wertvollsten, wenn sie die Kundentreue bestarken beziehungsweise eine Kundenabwanderung verhindem. Warenzeichen konnen den Markenwert vor Nachahmungen der Konkurrenz schutzen. Ein bedeutendes Patent kann, sofem es auch fiir den Konsumenten von Relevanz ist, direkte Konkurrenz unterbinden. Aul3erdem kSnnen Absatzwege auf Grund der Zugkrafl einer Marke vollig be-herrscht werden. Diese VorzUge kommen nur zum Tragen, wenn die VorzUge der Marke auch an diese gebunden sind (Aaker 1992, S. 34ff). Das Konzept von Aa-ker ist der Versuch, die an der Markenwertbildung mitwirkenden Faktoren aufzu-zeigen. Abgeleitet werden diese Erkenntnisse aus der verhaltenswissenschaftlichen Theorie. UnterstUtzt werden seine Ausfuhrungen durch die Beschreibung von Einzelbeispielen aus der Praxis, an denen er die Bedeutung der aufgefuhrten Di-mensionen erlautert.

Problematisch bei diesem Ansatz ist die Verzahnung der abgebildeten Dimensio-nen. Die markenwertbestimmenden Dimensionen sind nicht unabhangig voneinan-der; so ist zum Beispiel „Qualitat" abhangig von den Dimensionen „Bekanntheit" und „Treue". Interdependenzen ergeben sich auBerdem daraus, dass die fiinf Di­mensionen nicht nur als bestimmende Faktoren, sondem auch als Folge des Mar-kenwertes zu sehen sind. Somit ist neben der genauen Festlegung und Erhebung der Dimensionen ebenfalls die Verkniipfung derselben problematisch. Aaker gibt bei der Messung der Assoziationen einem kategorialen Ansatz den Vorzug. Er unterteilt die zu erwartenden Assoziationen in elf unterschiedliche Assoziations-qualitaten (zum Beispiel Assoziationen zum Kunden beziehungsweise Verbrau-cher, zu Herstellungsland beziehungsweise Region, zum Preis etc.). Fraglich bleibt jedoch, ob eine Marke alle elf dieser Qualitaten erftillen kann. Insbesondere bei einer Marke wie Coca-Cola ergeben sich vor allem herstellungslandbezogene sowie verbraucherbezogene, dafiir aber weniger preisbezogene Assoziationen. Wie aber wirkt sich nun eine fehlende Assoziationsqualitat auf den Markenwert aus? Fiir diesbezUglich positive oder negative Wirkungen sowie flir die Gewichtung der Assoziationskriterien und deren Verkniipfung liefert Aaker keinerlei Hinweise. Es fehlen weiterhin Angaben zu einer wertmaBigen Erklarung der einzelnen Dimensi­onen und Werte. Klarheit fehlt darUber hinaus, ob sich bestimmte Dimensionen kompensieren oder wann ein guter oder schlechter Markenwert vorliegt. Betriebs-wirtschaftliche Indikatoren finden zwar in der Betrachtung von GroBen, wie hohe­re Gewinnspanne, mehr Markenerweiterung auf Grund des positiven Markenwer-tes, Berucksichtigung, jedoch fehlt eine Uberfiihrung des Markenwertes in be-

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triebswirtschaftlich monetare Verrechnungseinheiten. Das Markenwertmodel von Aaker ist also weniger ein an messtechnischen Fragestellungen orientierter Ansatz, sondem ist eher ein konzeptionelles Markenwertmodell. Im Sinne einer Star-ken/Schwachen-Analyse wird die Positionierung der Marke beim Konsumenten betrachtet (Bekmeier-Feuerhahn 1998, S. 89).

3.2.2 Markenkraftmodell der Gesellschaft fiir Konsumentenforschung (GfK)

Dieses rein 5konomische Untersuchungsmodell operiert mit dem Begriff der .Mcirkenkraft, Hier wird zum Beispiel mit dem Testmarktsituationsmodell (TESI) von der GfK Tochter G&I (Forschungsgemeinschaft fur Marketing) die Wertedif-ferenz zwischen verschiedenen Marken monetar ausgedruckt. Die Markenkraft wird durch das Kaufverhalten der Konsumenten bestimmt beziehungsweise wird erst dadurch messbar. RichtgroBe fur die Markenkraft ist der Preis der Marke, den die Konsumenten, im Vergleich zu den Produkten der Konkurrenz, gerade noch zu zahlen bereit sind (Huber 1997, S. 149). Grundiiberlegung ist, den Markenwert durch die Gegeniiberstellung von Kosten und Erlosen festzustellen. Hierbei wird die Kostenseite durch die Untemehmen beleuchtet, wahrend die Kaufe der Kon­sumenten die Ertragsseite bilden. Die zu ermittelnde Markenkraft wird aufgefasst als „Attraktivitat einer Marke fur den Konsumenten, die nicht durch das kurzfristi-ge Marketingmix erklart werden kann", welche sich aber im KaufVerhalten aus-driickt (Esch/Andresen 1997, S. 15). Neben diesem Modell der Markenbewertung gibt es von der GfK noch den „Markensimulator", auf den hier nicht weiter einge-gangen werden soil.

Das TESI-Preismodell kann als Inft)rmationsinstrument fur die Preispolitik ebenso verwendet werden, wie als KontroUinstrument fur das Marketing. Es ist sowohl fiir Gebrauchs- als auch fur VerbrauchsgUter einsetzbar. Bedingung ist allerdings eine hohe Kauffrequenz, da diese Voraussetzung fur Bekanntheit und Verwendungser-fahrung der Produkte ist. Die Daten der Testpersonen werden zunachst individuell ermittelt und erst dann aggregiert. Dadurch ist es moglich, eine Segmentierung nach Demographic und KaufVerhalten durchzufiihren. Die Gultigkeit dieses Ver-fahrens ist anhand realer Daten, die uber Behavior-Scan (Scanner-Datenverfahren der GfK) ermittelt wurden, iiberprtift worden (Mullner 1997, S. 111). In diesem Modell, bei dem der Markenwert als Markenkraft bezeichnet wird, sind alle fur die Vorstellung „Marke" relevanten Einflussfaktoren berticksichtigt. Diese sind im Gedachtnis der Testpersonen gespeichert und werden bei Ermittlung des gerade noch gezahlten Preises aktiviert. Allerdings sind hier nur Konkurrenzmarken ver-gleichbar, da bei einer Bewertung der Vorstellung „Marke" die Attraktivitat des relevanten Marktes nicht berucksichtigt werden kann. Unsicher ist, ob die Testper­sonen bei ihrer Preissetzung nur die Marke honorieren. Durch die begrenzte Erkla-rungsperspektive ist die Eignung des Modells zur Markenbewertung einge-schrankt. Die Wirkungen von anderen Variablen auf den Marktanteil bleiben auf Grund der Zielsetzung auBer Betracht (Hamann 1992, S. 234). Der durch dieses Modell ermittelte Wert fiir die Markenkraft kann jedoch keine Erklarung dafur liefem, warum der Wert hoch oder niedrig ist, wodurch die Markenkraft beein-flusst wurde und welche MaBnahmen zu ergreifen sind, um die Markenkraft zu

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erhohen. Um den Markenwert zu starken, mussen Mafinahmen ergriffen werden, die sich auf verhaltenswissenschaftliche Daten stutzen. Der Konsument und dessen Sicht von der Marke sind in die Uberlegungen mit einzubeziehen, wobei dies kaum durch die Anzahl der Kaufakte erfolgen kann. Das Modell ist eigentlich eher auf die Ermittlung von Wertdifferenzen ausgerichtet. Einen absoluten Wert fflr die Markenkraft kOnnte man in dem Fall erhalten, wenn man die Wertdifferenz einer Marke zu einem fiktiv markierten Produkt ermittelt. Diese Differenz wurde einem Markenwert entsprechen (Esch/Andresen 1997, S. 16).

3.3 Integration verhaltens- und finanzwissenschaftlicher Modelle

Aus den vorstehenden ErlSuterungen und der kritischen Wurdigung der Marken-bewertungsmodelle kann gefolgert werden, dass finanz- und verhaltensorientierte Ansatze fur sich allein genommen derzeit noch keinen zuverlassigen Markenwert ermitteln konnen. Vielmehr ist es notwendig, diese beiden Orientierungen zusam-menzuflihren. In den Modellen von Interbrand und Nielsen wurde dieses bereits versucht, allerdings mit den aus wissenschaftlicher Sicht dargestellten Schwachen. Nur wenn neben den betriebswirtschaftlichen GrSBen auch die Konsumentenurtei-le mit in die Bewertung einflielien, kann ein allgemeingttltiges Modell gefunden werden. Aus diesem Sachverhalt soUte der Schluss gezogen werden, dass die In­tegration von finanzwissenschaftlichen und verhaltenswissenschaftlichen Aspekten erstrebenswert ist. Im Rahmen eines solchen Gesamtkonzepts ware es moglich, Aussagen dariiber zu treffen, wie marketingpolitische BeeinflussungsmaBnahmen auf den Verbraucher wirken und welche Auswirkung diese auf den monetaren Wert einer Marke haben. In diese Richtung zielt der Ansatz von Heider (Heider, 2001), der unter anderem in einem neuen Modell von KPMG aufgegriffen wurde, welches auf dem erzielbaren finanziellen Nutzen basiert, der vom Bewertungsob-jekt unter Beriicksichtigung psychologischer und verhaltensorientierter Daten erwirtschaftet wird.

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4 Anhang: Praxisrelevante Modelle in der tJbersicht

„Bi*and Asset Valuator" (Young & Rubicam): Der Markenwert beruht auf vier Faktoren, die anhand von 52 Kriterien gemessen werden: Differenzierung und Relevanz (MarkenstSrke) sowie Ansehen und Vertrautheit (Markenstatur). Y&R zieht Konsumentenbefragungen heran, um die Komponenten zu ermitteln. Vorteil: Dient der Markenfiihrung, ist international einsetzbar. Nach-teil: Y&R legt nicht offen, welche Kriterien im Einzelnen abgefragt werden. Info: www.youngandrubicam.com. Kontakt: Tel. 069/750601.

„BEES" (BBDO Consulting): Dem "Brand Equity Evaluation System" liegen acht Faktoren zu Grunde, so der Umsatz einer Marke, deren Entwicklungsperspek-tive (Analystenmeinungen, zu einer Kennziffer zusammengefasst), die werbliche Unterstutzung (prozentualer Anteil der Spendings am Vorsteuergewinn) und die Markenstarke innerhalb der Branche (Umsatzanteil der Marke am Umsatz des Branchenfuhrers). Vorteil: Die Daten sind in der Regel leicht zuganglich; das Modell berUcksichtigt die branchentiblichen Werbespendings. Nachteil: Eignet sich fur Corporate Brands, nicht fiir Submarken. Info: www.bbdo-consulting.de. Kontakt: Tel. 0211/13790.

,,Brand Evaluation" (Semion): Vier Determinanten machen bei Semion den Markenwert aus: Finanzwert des Untemehmens (u.a. Vorsteuergewinn), Marken­starke (u.a. Marktanteil, Bekanntheit), Markenschutz und Markenbild (u.a. Image). Vorteil: Semion berUcksichtigt neben okonomischen Gr56en auch weiche Faktoren wie das Image. Nachteil: Das Modell vemachlassigt zukunftsorientierte GroBen, die Hinweise auf die Nachhaltigkeit einer Marke geben. Info: www.semion.de. Kontakt: Tel. 089/74909660.

„Bi*and Navigator" (Icon Brand Navigation): Der Markenwert ergibt sich aus "Markenbild" und "Markenguthaben". Das Markenbild umfasst den fiir den Kon-sumenten sichtbaren Teil des "Markeneisbergs" (u.a. Werbung, Promotions, Pro-duktdesign). Es wird gepragt durch die Eigenstandigkeit des Markenauflrittes, die Einpragsamkeit der Werbung und den vom Konsumenten wahrgenommenen Wer-bedruck. Das Markenguthaben, das unsichtbar "unter der Wasseroberflache" liegt, umfasst langffistige Werte wie Sympathie und Loyalitat. Vorteil: Fruhere "Investi-tionen" in eine Marke fliefien ein; iiber die Icon-Datenbank sind zudem Vergleiche innerhalb einer Branche m5glich. Nachteil: Zusammenhang zwischen Markenbild und -guthaben bleibt unklar. Info: www.icon-brandnavigation.de. Kontakt: Tel. 0911/95930.

^Bf^nd Performance System" (ACNielsen): Das zentrale Element, der sogenannte Brand Monitor, stUtzt sich auf Gr5l3en wie Marktanteil, Markt-wachstum, Markentreue und Bekanntheit. Zur Ermittlung des Markenwerts (Brand Value System) wird das geschatzte Marktvolumen mit der jahrlichen Umsatz-rendite verrechnet. Im Brand Steering System, einem weiteren Element des Mo-dells, bewertet Nielsen die Marketingaktivitaten im Vergleich zum Wettbewerb. Das Brand Control System setzt die Investitionen in Beziehung zur erreichten

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Brand Control System setzt die Investitionen in Beziehung zur erreichten Marken-starke. Vorteil: Auch Konkurrenzmarken lassen sich ohne groBen Mehrauf-wand bewerten. Nachteil: Faktoren wie die Schatzung des Umsatzpotenzials sind subjek-tiv. Info: www.acnielsen.de. Kontakt: Tel. 069/79380.

„Bi*and Valuation" (Interbrand): Sieben Faktoren sind durch 80 bis 100 Krite-rien operationalisiert. Zu diesen unterschiedlich gewichteten Faktoren gehoren: Marktflihrerschaft (u.a. Marktanteil), Intemationalitat der Marke, Markenstabilitat (u.a. Historic, aktuclle Position, kUnftige Entwicklung) und Markcting-Untcr-sttitzung (u.a. Wcrbimg, Verkaufsfordcrung). Fur jeden Indikator kann die Marke cine maximalc Punktzahl errcichen. Vorteil: Versuch einer ganzheitlichen Erfas-sung. Nachteil: Zur monetaren Wertermittlung zieht Interbrand etwa den Nach-steuergewinn heran, was cine Abhangigkeit vom jeweiligen Steuersystem bedeutet. Info: www.interbrand.de. Kontakt: Tel. 040/3553660.

„Markenkraft-ModeH" (GfK): Markenkraft sieht die GfK als die Attraktivitat einer Marke fur den Konsumenten, die nicht auf kurzfristige Mal3nahmen (wie Promotions) zuruckzufuhren ist. Sic zeigt sich im Kaufverhalten und wird geschaf-fen durch den Aufbau von Images und Gewohnheiten beim Verbraucher. Als RichtgroBe dient der Preis, den der Kaufer im Vergleich zu Konkurrenzprodukten zu zahlen bereit ist. Das KaufVerhalten misst die GfK Uber Paneldaten. Die Formel lautet: „Markenkrafl - kurzfristiges Marketing = Markenstarke". Vorteil: Einfaches Modell. Nachteil: Es bleibt unklar, was genau die Markenkraft beeinflusst. Info: www.gfk.de. Kontakt: Tel. 0911/3950.

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Kapitel 15 Controlling der Preise und Konditionen

Reimund Franke/Michael Bergmann

1 Einfuhrung

Die volkswirtschaftliche Preistheorie hat zu einem umfassenden Aussagesystem von auBerordentlicher formaler Geschlossenheit geflihrt. Es ist jedoch zu beachten, dass die preistheoretischen Modelle auf Pramissen beruhen, die wirklichkeitsfremd sind. Folglich haben sie fur die Preisfindung in der betrieblichen Praxis kaum Relevanz. Die Praxis orientiert sich hinsichtlich vomehmlich der Preisfindung an den Kosten, der Konkurrenz und der Nachfrage (vgl. Abb. 15.1).

Abb. 15.1: Orientierungskriterien der Preispolitik. Quelle: Eigene Darstellung.

Steht die Konkurrenz im Vordergrund der Betrachtung, wird man sich in Abhan-gigkeit von der eigenen Marktstellung am Marktfuhrer, am Durchschnittspreis der Branche ausrichten oder versuchen, eigene Preisvorstellungen zu realisieren. Hat man zum Beispiel einen Innovationsvorsprung gegentiber dem Wettbewerb, wird man mit hohen Preisen in den Markt gehen und eine Abschopfiingspolitik betrei-

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ben. Eine nachfrageorientierte Preisfestlegung beruht auf den Wertvorstellungen, die die Kunden dem Untemehmen und dessen Produkten gegenuber besitzen. In diesem Zusammenhang ist die Preiselastizitat der Nachfrage von zentraler Bedeu-tung. Es muss die Frage beantwortet werden: Wie reagiert der Kunde auf Preisan-derungen oder anders formuliert, in welchem Umfang werden Kaufentscheidungen durch Preisanderungen beeinflusst? Orientiert sich die Preisfestlegung an den Kosten, so sind Kalkulationen, wie etwa Kostentragerstuckrechnungen zu erstellen. Dabei ergibt sich der Kostenpreis aus den Stuckkosten des Produktes zuzuglich eines Gewinnaufschlages.

Alle drei genannten Kriterien Konkurrenz, Nachfrage und Kosten beeinflussen die Preisfestlegung. Sie sind also gleichzeitig zu berucksichtigen und optimal aufein-ander abzustimmen. Da dies praktisch nicht moglich ist, spricht man vom „magi-schen Dreieck der Preispolitik".

Dieser Beitrag legt den Fokus der Betrachtung vomehmlich auf das Kriterium der Kosten und versucht dabei, neue Wege zu beschreiten. Die traditionelle Kalkulati-on beantwortet die Frage: „Was kostet ein Produkt?" Dies ist nicht mehr zeitge-maB. Vielmehr geht es um die Beantwortung der Frage: „Was darf ein Produkt auf Grund der bestehenden beziehungsweise zukunftig erwarteten Marktanforderungen kosten?" Es sind also die Kosten der Leistungserstellung von Produkten den Markt- und Wettbewerbsbedingungen anzupassen. Berucksichtigt man diese ver-anderte Fragestellung, so empfiehlt sich der Einsatz eines „Target Costing". Wei-ter ist zu berucksichtigen, wie sich die Kostenstrukturen in den Untemehmen ver-andert haben. Heute sind Untemehmen in der Kegel durch steigende Gemeinkos-ten in Relation zur betrieblichen Wertschopfung gekennzeichnet. Der Erfolg eines Produktes ist nicht mehr allein von der kostengunstigen Herstellung abhangig, sondem wird zunehmend von den Leistungen im Gemeinkostenbereich beeinflusst. Gemeinkosten haben weitgehend Fixkostencharakter. Mit dieser Entwicklung einhergehend haben sich die Zuschlagsbasen der traditionellen Zuschlagskalkulati-on deutlich erhoht. Die Lohneinzelkosten sind, wegen ihrer immer geringer ge-wordenen Bedeutung im Verhaltnis zu den Gemeinkosten, keine geeignete Zu-schlagsbasis mehr. Die veranderten Bedingungen werden von der „Prozesskosten-rechnung" berucksichtigt.

Die Ergebnisse des Target Costing wie auch der Prozesskostenrechnung fuhren im Vergleich zu den traditionellen Verfahren zu Kalkulationsergebnissen, die den veranderten Bedingungen Rechnung zu tragen vermogen. Das fiihrt letztlich dazu, dass die Ergebnisrechnung in Form der „Deckungsbeitragsrechnung" zu aussage-fMhigeren Resultaten fuhrt. Damit ist das Marketing-Controlling in der Lage, das Marketing-Management bei seinen preis- und konditionenpolitischen Entschei-dungen nachhaltig zu unterstiitzen.

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2 Target Costing

Target Costing, japanisch „Genka Kikaku", wird seit den 70er Jahren in japani-schen Untemehmen angewandt und hat sich zu einem bedeutenden Instrument des Kostenmanagements weiterentwickelt. In der englischsprachigen Literatur wurde Target Costing als geschlossener Ansatz zur Kostenplanung erstmals zu Beginn der 80er Jahre durch japanische Autoren vorgestellt. Seit Anfang der 90er Jahre finden sich diesbeztigliche Veroffentlichungen auch in Deutschland. Target Costing Oder auch Zielkostenmanagement ist ein Kostenkonzept, das sich streng an den Markt- beziehungsweise Kundenwunschen orientiert. Dabei ist es wesentlich, bereits in der fruhen Phase der Produktentwicklung mit dem Prozess des Target Costing zu beginnen, da bereits in dieser Phase der betragsmaBig groBte Teil der Herstellkosten festgelegt wird. Es zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass Target Costing gewisse Merkmale der Wertanalyse iibemommen hat (Franke/Zerres, 1999; Bergmann, 2002). Die Marktnahe des Target Costing erfordert eine diffe-renzierte Analyse der KundenwUnsche (vgl. Abb. 15.2).

w. m± 1

Abb. 15.2: Herleitung des Begriffs „Target Costing". Quelle: Vgl.: R5sler, 1996.

Vielfach wird im Zusammenhang mit dem Target Costing die „Conjointanalyse" eingesetzt. Bei der Conjointanalyse handelt es sich um ein Instrument zur Ermitt-lung der Nutzenwerte moglicher Produktmerkmale, abgeleitet aus dem Gesamtnut-zen, welcher der Konsument mit dem Produkt erzielen kann (Backhaus/Erichson/ Plinke/Weiber 2000). Man geht davon aus, dass sich der auf der Basis empirischer Untersuchungen ermittelte Gesamtnutzen additiv aus den Teilnutzen der einzelnen Merkmale ergibt. Durch die Conjointanalyse erfolgt eine intensive Auseinanderset-zung mit den Bedttrfiiissen der Kunden, die im Target Costing durch ein weiteres Instrument, namlich dem „Quality Funktion Deployment (QFD)" unterstutzt und

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durch dieses in eine konkrete Leistungsgestaltung umgesetzt werden kann (Berg-mann 2003).

Hier greift das Target Costing in besonderer Weise auf das Gedankengut der Wert-analyse zuriick, denn ahnlich wie dort wird auch im Target Costing zwischen ei-nem Gebrauchs- und einem Geltungsnutzen unterschieden. Der Gebrauchsnutzen beschreibt die technischen Eigenschaften eines Produktes, wahrend der Geltungs­nutzen ein Kriterium fur Prestige, Luxus, Aussehen, Markenbewusstsein ist. Beide Nutzenwerte ergeben den Gesamtnutzen, aus dem der erzielbare Marktpreis, der „Target Price" abzuleiten ist. Dieser Marktpreis ist dann Ausgangspunkt fur den Target Costing-Prozess. Vom erzielbaren Marktpreis wird der angestrebte Gewinn subtrahiert. Das Ergebnis sind die Zielkosten, die auch „allowable cost" genannt werden. Die Zielkosten bilden die Obergrenze fur die Herstellung des Produktes. Die Zielkosten werden durch zahlreiche interne und exteme Bereiche beeinflusst, welche vergleichbar einem Zielkranz, die Hohe der geplanten Selbstkosten deter-minieren (vgl. Abb. 15.3).

<t ^ Ableitung des Zielgewinns

Identifikation der Zielgruppe

^^ Preisbereitschaft Ableitung der Ermittlung des

Produktnutzens

'ng '°«^n.,

^.^^%<^^ .d>

Abb. 15.3: Interne und exteme Bereiche als Determination der Selbstkosten. Quelle: Eigene Darstellung.

Parallel hierzu werden auf der Basis der bestehenden Verfahren und Technologien die Plankosten des Produktes berechnet. Diese werden als „drifting cost" bezeich-net. Bezogen auf die einzelnen Komponenten oder Baugruppen konnen die „drif-ting cost" uber oder unter den Zielkosten das heisst den „allowable cost" liegen.

Fur das gesamte Produkt werden die „drifting cost" in aller Regel hoher sein als die Zielkosten. Die bestehende Zielkostenliicke bei den einzelnen Komponenten oder Baugruppen wird differenziert analysiert, realistische Altemativen flir Kos-tensenkungsmaBnahmen werden erortert und anschliefiend wird eine Zielkostenzo-ne flir die einzelnen Bestandteile des Produktes verabschiedet. Damit ergibt sich

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eine verbindliche Kostenvorgabe fur die Mitarbeiter. Verdeutlicht wird der ge-schilderte Zusammenhang durch das Zielkostenkontrolldiagramm (vgl. Abb. 15.4).

Kostenanteil in %

> Gewichtung in %

Abb. 15.4: Zielkostenkontrolldiagramm Quelle: Eigene Darstellung.

Liegt eine Baugruppe auf der Winkelhalbierenden, ist der Zielkostenindex = 1, so entsprechen die Zielkosten den ermittelten Plankosten. Liegen die Werte daruber, so ist die Baugruppe zu aufwendig konstruiert worden. Im umgekehrten Fall be-steht ein Spielraum fur Leistungsverbesserungen, oder es kann ein kalkulatorischer Ausgleich mit zu teuren Baugruppen geschaffen werden.

Das Target Costing ist eine Methode, welche zwei Bestandteile des „magischen Dreiecks der Preispolitik" kombiniert. Dies sind einerseits die Nachfrage und andererseits die Kosten. Die sich aus den Marktbedingungen ergebenden Zielkos­ten werden den Plankosten gegentibergestellt. Durch Subtraktion wird dann die Zielkostenlucke bestimmt, welche versucht wird, durch zweckmafiige MaBnahmen zu schliefien. Target Costing ist also eine gut geeignete Methode, um dem Ziel des „magischen Dreiecks der Preispolitik" in alien drei Kriterien „Kosten", „Konkur-renz" und „Nachfrage" naher zu kommen.

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3 Prozesskostenrechnung

Die Prozesskostenrechnung wurde in den USA entwickelt. Die ersten Veroffentli-chungen erschienen Mitte der 80er Jahre unter dem Namen „activity based costing". Stellvertretend fflr die zahlreichen Veroffentlichungen soil die 1987 von Thoma Johnson und Robert Kaplan erschienene Monographic „Relevance Lost -the rise and fall of Management-Accounting" erwahnt werden. Inzwischen steht auch in Deutschland umfangreiche Literatur zur Verfiigung erganzt um Erfah-rungsberichte aus der Praxis. Das Interesse der Praxis ist weiterhin ungebrochen. Die bisher veroffentlichten empirischen Beitrage beschaftigen sich jedoch nur mit der Einfuhrung der Prozesskostenrechnung in betrieblichen Teilbereichen, wie zum Beispiel der Forschung & Entwicklung oder dem Vertrieb. Eine das gesamte Untemehmen umfassende Implementierung der Prozesskostenrechnung ist noch nicht bekannt geworden. Die Prozesskostenrechnung iibertragt das Denken in Bezugsgr513en oder KosteneinflussgroBen, wie es von der Grenzplankostenrech-nung bekannt ist, auf den Gemeinkostenbereich. Man geht davon aus, dass es Ta-tigkeiten sind, die die Kosten im Gemeinkostenbereich verursachen und fragt dann konsequenterweise nach den Kosten fur die einzelnen Tatigkeiten. Insgesamt ist die Prozesskostenrechnung eine Weiterentwicklung der bestehenden Kostenrech-nungssysteme. Sie erganzt die vorhandenen Verfahren.

Im Vergleich zum Target Costing ist die Prozesskostenrechnung ein reines Kosten-rechnungsverfahren, welches jedoch aufgrund seiner expliziten Konzentration auf die Gemeinkosten, aussagefahigere Kalkulationen erm5glicht als dies beispielswei-se die traditionellen Verfahren leisten konnen. Insofem wird die Prozesskosten­rechnung auch fur den Target Costing-Prozess als zweckdienlich angesehen. So meint z. B. Horvath, dass der Prozesskostenrechnung als Hauptaufgabe eine Input-funktion ftir das Zielkostenmanagement zukommt (Horvath 1997).

Der Aufbau der Prozesskostenrechnung vollzieht sich in drei Stufen: • Festlegung der Prozesse, • Bestimmung der ProzessgroBen und • Ermittlung der Prozesskostensatze.

3.1 Festlegung der Prozesse

Der erste Schritt bei der Einflihrung der Prozesskostenrechnung besteht in der Festlegung der einzelnen Prozesse („activities"). Im Hinblick auf die Messbarkeit von Leistungen wird zwischen repetitiven und innovativen Prozessen unterschie-den. Da sich innovative Prozesse kaum quantifizieren lassen, werden der Kosten-transparenz an dieser Stelle Grenzen gesetzt. Ein wesentliches Merkmal der Pro­zesskostenrechnung besteht nun darin, die kostenstellenindividuell ermittelten Prozesse (Aktivitaten) zu kostenstelleniibergreifenden Prozessketten zu verbinden. Es entstehen so genannte Prozesshierarchien, wie sie in der folgenden Abbildung (vgl. Abb. 15.5) ersichtlich sind.

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Material beschaffen

HauptproE^s

" « Einkauf

veratilassen Wahreneingang

abwickeln Rechnung bearbeiten

TeilproacesiB L OrdniiEg

Rechnung prufen

Rechnung buchen

3t Zahlung freigeben

Zahlung durchfuhren

Tdlproasess 2, Ordniing

Abb. 15.5: Prozesskette. Quelle: Eigene Darstellung.

Hauptprozesse, zum Beispiel Material beschaffen, sind kostenstellenubergreifende Tatigkeiten. Sie setzen sich aus einer Vielzahl von Teilprozessen verschiedener Ordnung zusammen. In aller Regel reichen jedoch, wie oben dargestellt, zwei Hierarchiestufen aus.

3.2 Bestimmung der ProzessgroBen

Nachdem die Teilprozesse in den Kostenstellen festgelegt worden sind, ist zu untersuchen, welche EinflussgroBen die Kostenhohe der einzelnen Teilprozesse bestimmen. Dabei handelt es sich urn die Prozessgrossen beziehungsweise die so genannten „cost driver". Ziel muss ist es, eine moglichst verursachungsgerechte Beziehung zwischen den Teilprozessen und ihren Prozessgrossen herzustellen. Bildlich gesprochen fragt man, welche Einflussfaktoren die Kosten in die Hohe treiben? (vgl. Abb. 15.6)

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j T^ilpmrnun . -

Qualitat prufen

Warenbestellung fertigen

Wareneingang prufen

Reklamationen bearbeiten

Rechnungen bearbeiten

Kundenstamm pflegen

Zahlungseingang bearbeiten

Arbeitsplane andem

Kostenstellenrechnung erstellen

Personal einstellen

FroMsisgrdsse

Anzahl Priifiingen

Anzahl Bestellungen

Anzahl Wareneingange

Anzahl Reklamationsvorgange

Anzahl Rechnungen

Anzahl Kunden

Anzahl Zahlungen

Anzahl Produktanderungen

Anzahl Kostenstellen

Anzahl Einstellungen

Abb. 15.6: Zusammenhang Teilprozess - Prozessgrosse Quelle: Eigene Darstellung

Die vorstehende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen Teilprozess und Prozessgrosse. So wird beispielsweise die Hohe der Kosten fur den Teilpro­zess „Rechnungen bearbeiten" unmittelbar durch die Prozessgrosse „Anzahl Rech­nungen" beeinflusst. In Addition mit den Teilprozessen „Wareneingang abwi-ckeln" und „Einkauf veranlassen" entsteht, wie schon in Abb. 15.6 erkennbar, der Hauptprozess „Material beschaffen".

Obige Prozesse sind leistungsmengeninduzierte Prozesse; das bedeutet, dass sich die Kosten im Wesentlichen proportional mit dem geforderten Leistungsvolumen verandem. Daruber hinaus gibt es auch leistungsmengenneutrale Prozesse, denen sich keine ProzessgroBen zuordnen lassen. Die damit in Verbindung stehenden Kosten mussen, wie bisher, geschlUsselt werden. Auf diese Weise werden auch bei der Prozesskostenrechnung Grenzen im Hinblick auf die verursachungsgerechte Kostenverrechnung erkennbar.

3.3 Ermittlung der Prozesskostensatze

Prozesskostensdtze sind die Kosten je Einheit der jeweiligen Prozessgrosse. Sie ergeben sich aus der Division von Prozesskosten und Prozessmengen. So wird beispielsweise die Frage beantwortet: Was kostet die Anderung eines Arbeitspla-nes, wenn eine Produktanderung vorgenommen wird? Prozesskostensatze gibt es flir jede Stufe einer Prozesskette. In der folgenden Abbildung ist beispielhaft die Ermittlung des Prozesskostensatzes fur den Hauptprozess „Bearbeitung Eingangs-rechnungen" dargestellt (vgl. Abb. 15.7).

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Am Process beteiligte Kostenstelteii

Rechnungs-priifUng

I

Hauptbuch-haltung

T

Fertigwaren-buchhaltung

Kreditoren

T

Zahlungs-verkehr

T

SteUenkdstenatitdle dem fm^mB mBt^Mti

FromBBkostmmtdh: Be^beltimg Etogangsrectamgeii

Kosten

Kostentreiber

Leistungspreis

199.001

12.000

16,56

I Euro

Anzahl Rechnungen

Euro pro Kostentreiber

Kontm eEtspreotieM Ldstmigspreis vmtmhim

KoBteMteUen Letetirngsnehmer

Abb. 15.7: Ermittlung Prozesskostensatz: Bearbeitung Eingangsrechnungen Quelle: Eigene Darstellung.

Notiz: Teilprozesse: Eingangsrechnung erfassen, priifen, buchen, bezahlen, Fehler reklamieren, belasten, gutschreiben.

Einsichtig ist, dass sich die Kosten in Abhangigkeit vom mengenmaUigen Umfang der ProzessgroBe verandem, so dass fur die Kalkulation auch die Verwendung eines wenigstens linearen Regressionsmodelles sinnvoll erscheint. Mit diesem Modell konnen die Stellenkostenanteile in Abhangigkeit von den mengenmaBig zu erwartenden Rechnungen differenziert prognostiziert und zur Grundlage kiinftiger Leistungspreis fiir das Bearbeiten der Rechnungen erhoben werden.

Wird eine lineare Abhangigkeit unterstellt, dann ergeben sich, legt man beispiel-haft die nachstehende Anzahl Rechnungen und Kostenanteile je Periode zu Grun-de:

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Anzahl Rechnungen (x)

Rechnungsprufimg zu 25%

Hauptbuchhaltuugzu 17%

1 Fertigwarenbuchhaltungzu 19%

1 Kreditorenzu21%

1 Zahlungsverkehrzu 18%

1 Z Stellenkostenanteile

Leistungspreis

I^riodel

10.000 Stk.

50.000 €

35.000 €

28.000 €

33.000 €

33.001 €

179.001 €

17,90 €/Stttck

Pei1ode2

11.000 Stk.

52.000 €

36.000 €

28.000 €

36.000 €

36.001 €

188.001 €

17,09 €/Stack

FeiiodeS j

12.000 Stk

53.000 €

36.000 €

22.000 €

44.000 €

44.001 € 1

199.0016

16,58 €/Stttck 1

unter Verwendung der Regressionsrechnung: y = a + b • x;

mit X = Anzahl Rechnungen; und:

a = Z y i * S X i ' - Z x . •Zx.y.

n » I X j ' - ( Z x j ) '

^ ^^n^Zx•y • -Sx .^ Iy • n*Zxj^ -(EXj)^

die Prognosegleichungen:

Rechnungsprufung

Hauptbuchhaltung

Fertigwarenbuchhaltung

Kreditoren

Zahlungsverkehr

Yii

y-M

yi3

yi4

yi5

35.167

30.167

59.000

-22.833

-22.832

+

+

+

+

+

1,5 Xi

0,5 Xi

-3,0 Xi

5,5 Xi

5,5 Xi

und daraus folgend ein Leistungspreis fur das Bearbeiten der Rechnungen, welcher sich in der vierten Periode auf 16,29 €/Stuck, in der funften Periode auf 16,84 €/Stuck und in der sechsten Periode auf 16,56 €/Stuck belauft.

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291

Diese Berechnung verdeutlicht nochmals, dass der Kempunkt der prozessorientier-ten Produktkalkulation darin liegt beziehungsweise liegen muss, soweit wie mog-lich, direkte Abhangigkeitsbeziehungen zwischen den Produkten und den Prozess-groBen herzustellen. Prozessgrossen beziehungsweise die dazugehorigen Prozess-kostensatze konnen nur dann direkt auf Kostentrager verrechnet werden, wenn eine direkte Beziehung zum Produktionsvolumen beziehungsweise der Beschaftigung besteht. Es muss also die Frage beantwortet werden, wie viel ProzessgroBeneinhei-ten fur die Herstellung einer Einheit eines bestimmten Produkts erforderlich sind. Direkte Beziehungszusammenhange zwischen Produkten und Prozessgrossen lassen sich im fertigungsnahen indirekten Bereich leicht finden. Eine produktspezi-fische Zuordnung fiir die allgemeinen Verwaltungskosten bleibt jedoch problema-tisch. Hier sind regelmaBig die von den traditionellen Kalkulationsverfahren be-kannten SchlUsselungen vorzunehmen. So ist beispielsweise festzulegen, wie viele Transportvorgange, Rechnungsprtifungen je Quartal fur die Herstellung einer Er-zeugniseinheit erforderlich sind.

Auch wenn nicht alle Kosten verursachungsgerecht auf die Kostentrager verrech­net werden konnen, tragt die prozessorientierte Produktkalkulation doch dazu bei, die Kostentransparenz zu erhohen, die Komplexitat im Gemeinkostenbereich sichtbar werden zu lassen und damit die Grundlage fiir fundierte Preisentscheidun-gen zu verbessem. Zwar wird die prozessorientierte Kalkulation zu keinen gravie-renden Veranderungen in den Kalkulationen ftihren, entscheidungsrelevante Ver-schiebungen wird es aber geben. So ist beispielsweise bei der Abwicklung von Auftragen erkennbar, dass GroBauftrSge wie auch Kleinauftrage in der Administra­tion den gleichen Aufwand verursachen. Dem tragt die prozessorientierte Kalkula­tion Rechnung, wahrend bei der traditionellen Zuschlagskalkulation GroBauftrage auf Grund ihres hohen Wertes zu hohe Gemeinkosten zugeordnet bekommen.

4 Deckungsbeitragsrechungen

Seit Uber vierzig Jahren wird die Deckungsbeitragsrechnung in Deutschland prak-tiziert. In dieser Zeit wurden mehrere methodische Varianten erarbeitet. Dazu gehoren insbesondere: Die Grenzplankostenrechnung, das Rechnen mit relativen Einzelkosten und Deckungsbeitragen sowie die stufenweise Fixkostendeckungs-rechnung. Fiir die qualifizierte Beurteilung des Vertriebserfolgs wurden im Rah-men der Deckungsbeitragsrechnung Differenzierungen nach verschiedenen Merk-malen vorgenommen: Erzeugnisse beziehungsweise Erzeugnisgruppen, Kunden beziehungsweise Kundengruppen, Sparten und geografische Gliederungsmerkma-le.

Die zunehmende Komplexitat in Verwaltung und Vertrieb und die haufig anzutref-fende Produktvielfalt haben jedoch zu einer „schleichenden" Fixkostenerhohung geftihrt und damit die Aussagekraft des Deckungsbeitrages I, also desjenigen De-ckungsbeitrags, der sich nach Abzug der proportionalen Herstellkosten ergibt,

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eingeschrankt. Kommt es beispielsweise zu einer wesentlichen Ausweitung des Produktions- und Vertriebsprogrammes, so fiihrt eine ausschliel31iche Beurteilung der Rentabilitat von Produkten am Deckungsbeitrag I zu falschen Schlussfolgerun-gen, da mit dieser Ausweitung auch Fixkostenerhohungen verbunden sind. Das gilt zum Beispiel fur den Bereich der Lagerkosten in Form von zusatzlicher Kapital-bindung oder auch zusStzlich erforderlichem Lagerraum. Auch werden die Quali-tatskontrollkosten steigen. Es ist auch zu bedenken, dass die Auftragsabwicklung bei kleinen Auftragsmengen verteuert wird.

Will man auch in Zukunft erfolgreich mit dem Instrument der Deckungsbeitrags-rechnung arbeiten, so empfiehlt es sich, die Ergebnisse der Kalkulation mit Pro-zesskosten in die Deckungsbeitragsrechnung einfliefien zu lassen. Soweit Kosten fur die Preisfindung von Bedeutung sind, bietet es sich also an, die Deckungsbei­tragsrechnung mit der Prozesskostenrechnung zu kombinieren, weil hierdurch der zunehmenden Komplexitat Rechnung getragen wird (vgl. Abb. 15.8).

Traditionelle DB-Rechnung

Bruttoerlos

./. Erlosschmalerungen

= Nettoerlos

./. Proportionate Herstellkosten

= Deckungsbeitrag I

Prozessorientierte DB-Rechnung

Bruttoerlos

./. Erl5sschmalerungen

= Nettoerlos

./. Proportionate Herstellkosten

./. Prozessorientierte Herstellkosten

= Deckungsbeitrag I

Abb. 15.8: Traditionelle und prozessorientierte Deckungsbeitragsstruktur. Quelle: Eigene Darstellung.

Ideal ware es, wenn man in die Rechenart der Deckungsbeitragsrechnung zusatz-lich noch das Instrument des Target Costing integrieren konnte, hat man dadurch doch die Moglichkeit die Nachfrage und damit die kundenorientierte Sichtweise bei der Preisfindung mit zu beriicksichtigen. Diese Integration ware moglich, wenn es gelingt, die Zielkosten prozessorientiert aufzulosen.

Neben der Preisfindung kann die Deckungsbeitragsrechnung auch flir konditio-nenpolitische Entscheidungen herangezogen werden. Dies gilt fur die Differenz zwischen Brutto- und Nettoerlos, also die Erlosschmalerungen. Zu diesem Zweck ist eine Erlosrechnung als integrierter Bestandteil der Deckungsbeitragsrechnung aufzubauen. Eine derartige Rechnung wird heute bereits in einzelnen Branchen praktiziert. Sie wird in Analogic zur Betriebsabrechnung als Verkaufsabrechnung bezeichnet. Entsprechend ware dann zwischen Erlosarten, Erlosstellen und Erlos-tragem zu differenzieren. Erlosarten sind in diesem Zusammenhang die einzelnen Bestandteile des Erloses, also der Bruttoerlos, die Erlosschmalerungen und der Nettoerlos. Ordnet man die Erlosarten Kunden oder Absatzgebieten zu, so ergeben sich die Erlosstellen. Besonders die abnehmerspezifischen Rabattunterschiede

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293

werden hier deutlich. Durch die Zuordnung der einzelnen Produkte zu den Erlos-stellen erhalt man die Erl5strager. Die praktische Realisierung einer derart diffe-renzierten Erlosrechnung in Verbindung mit der Deckungsbeitragsrechnung wird nicht ganz einfach sein, da das reine Umsatzdenken im Vertrieb haufig noch vor-herrschend ist.

Wesentlicher Bestandteil konditionenpolitischer Uberlegungen im Rahmen einer betrieblichen Preispolitik ist vor allem die Rabattpolitik. Rabatte sind Preisnach-lasse fur bestimmte Leistungen des Abnehmers. Man unterscheidet dabei vomehm-lich den Funktionsrabatt, Mengenrabatt, Zeitrabatt und Treuerabatt. Der Funkti-onsrabatt wird dem Handel fur die Ausubung seiner Aufgabe gewahrt. Bezugs-grundlage ist die Funktion, die der Abnehmer im Einzelnen wahmimmt. Wahrend in der Praxis hier oftmals lediglich Pauschalrabatte (Einzelhandler/ GroBhandler) gewahrt werden, ware es sicherlich zweckmSBiger, wenn diese Rabatte auf Grund der tatsachlich ubemommenen Funktionen gewahrt wurden, etwa bei Abholung, Lagerhaltung, Garantieubemahme etc. Diese Rabattart flihrt bei der vorgeschlage-nen Differenzierung zu kunden- beziehungsweise kundengruppenspezifischen Unterschieden. Der Mengenrabatt ist entweder auftrags- oder periodenbezogen. Einem auftragsbezogenen Rabatt kann zum Beispiel die Abnahme einer bestimm-ten Anzahl von Verkaufseinheiten zugrunde liegen. Bezieht sich der Mengenrabatt auf eine Periode, in der Regel ein Jahr, so spricht man vom Bonus. Dieser Bonus wird zu Beginn eines Jahres zwischen den Vertragspartnem in Bezug auf eine bestimmte Umsatzhohe festgelegt.

In Abhangigkeit von der erwarteten Umsatzhohe kann man auch eine Rabattstaffel vereinbaren. Dadurch ergibt sich flir den Kaufer der Vorteil, bei Uberschreiten einer bestimmten Umsat^ohe in den Genuss eines erhOhten Bonus zu kommen. In Abhangigkeit vom tatsachlich erreichten Umsatz werden am Periodenende zusatz-liche Gutschriften gewahrt oder Nachbelastungen in Rechnung gestellt.

Zeitrabatte werden nur vorubergehend gewahrt. Bezugsgrundlage ist der Zeitpunkt der Abnahme. Wahrend Funktions- und Mengenrabatte in der Regel auf das ge-samte Sortiment gewahrt werden, bezieht sich der Zeitrabatt auf einzelne Produkte beziehungsweise Produktgruppen. Zeitrabatte werden tiblicherweise bei der Ein-flihrung neuer Produkte zur Unterstutzung der Markteinfiihrung (Einflihrungsra-batt), beim Auslauf von im Markt befindlichen Produkten zwecks Lagerraumung (Auslaufrabatt) und zeitlich befristet zur Verkaufsunterstutzung einzelner Produkte (Aktionsrabatt) gewahrt.

Speziell fur diese Rabattarten empfiehlt es sich flir den Marketing-Controller, differenziert nach den verschiedenen Aktionen getrennte Budgets aufzustellen. Erfolg oder Misserfolg der verschiedenen MaBnahmen ist dann im Soll/Ist Ver-gleich nachvoUziehbar. Wie hoch war der zusatzlich erwirtschaftete Deckungsbei-trag im Vergleich zum gewahrten Aktionsrabatt? Bezugsgrundlage fur den Treue­rabatt ist die Dauer der Geschaftsbeziehungen zwischen den Vertragspartnem. Er dient in erster Linie dazu, Kunden an das Untemehmen zu binden, beziehungswei­se neuen Konkurrenten das Eindringen in den Markt zu erschweren.

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In der Praxis werden die einzelnen Rabattarten im Rahmen von komplexen Rabatt-systemen kombiniert. Entscheidungsprobleme sind in diesem Zusammenhang zun^chst die Wahl der dem jeweiligen Untemehmensziel entsprechenden Rabattart sowie die Bestimmung der konkreten Rabatth5he. Dies ist besonders schwierig, da Rabatte auf der einen Seite die Gewinne schmalem, also in Kombination nicht zu hoch gewahrt werden diirfen, auf der anderen Seite diirfen sie jedoch auch ihren Anreizcharakter fur die Kunden nicht einbuBen.

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Kapitel 16 VertriebscontroUing bei Banken

Klaus Zimmer/ Thomas Brakensiek

1 Einfiihrung

Gerade bei Banken kommt dem Vertrieb eine herausragende Bedeutung im Mar­keting-Mix zu, da er eine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb ermog-licht. Die anderen Instrumente des Marketing-Mix, also Produkte, Preise und Kommunikation sind hingegen oftmals rasch durch den Wettbewerb imitierbar und bieten deshalb nur eingeschrankt ein Differenzierungspotenzial.

Das VertriebscontroUing untersttitzt den Vertrieb, indem es drei Kernfunktionen erfullt:

Steuerung durch Planung und Kontrolle,

Denken in betriebswirtschaftlichen Kategorien und

Hilfe zur Selbsthilfe.

In diesem Beitrag werden die fur das VertriebscontroUing wichtigsten Entwick-lungslinien dargestellt. Dabei wird die Entwicklung bin zu einem integrierten An-satz deutlich, der die finanziellen Kennzahlen ("Financials"), die am finanziellen Ergebnis ansetzen, mit Kennzahlen aus den vorgelagerten Prozessen der Wert-schopfungskette ("Nonfinancials") verbindet. Drei Anwendungsbeispiele dienen anschliessend der praktischen Veranschalichung.

2 Entwicklung

In den 80er Jahren wurde das moderne Instrumentarium des Bankcontrolling entwickelt und in vielen Instituten zum Einsatz gebracht. Es handelt sich dabei um ein sehr erfolgreiches, in sich geschlossenes Modell der Rentabilitatssteuerung nach dem klassischen ROI-Schema. Als Kennzahlen werden die finanziellen Er-gebniszahlen verwendet, wie zum Beispiel nach der Marktzinsmethode kalkulierte Bruttobeitrage oder Standardstuckkosten und Standardrisiko (vgl. Schierenbeck 1994).

Als Reaktion auf neue Markterfordemisse wurde das Instrumentarium bis zum

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und operational Risk zur Steuerung des Shareholder Value oder die Kundenkalku-lationen zur Unterstutzung des Costumer Relationship Managements. Der aulier-ordentliche Erfolg dieses Instrumentariums fuhrte zu einer paradoxen Situation: In dem MaBe, in dem die "Financials", wie Ertrag, Produktivitat, Risiko, Shareholder Value, Deckungsbeitragsrechnung, in den Fokus riickten, verloren vorgelagerte Prozesse, wie zum Beispiel Kundenloyalitat, Mitarbeiter- und Fiihrungsqualitat, Vertriebsleistung, ProzeUqualitSt im Vertriebscontrolling an Bedeutung. Bei einem einseitig auf "Financials" ausgerichteten Vertriebscontrolling kann es aber system-bedingt zu Fehlsteuerungen kommen. So besteht die Gefahr, dass Investitionen in die Kundenbindung, die Neukundengewinnung oder die Qualitat der Prozesse nicht im ausreichenden MaB erfolgen, wenn sie nicht unmittelbar zu einer Verbes-serung der "Financials" beitragen.

Mit einem eklektischen Ansatz wurde versucht, dieses Problem zu losen. Dabei wurde das Steuerungsinstrumentarium fallweise um zusatzliche Kennzahlen er-ganzt, um akute Probleme in den vorgelagerten Prozessen besser in den Griff zu bekommen. So entstand mit den Jahren eine lange Liste von "nonfmancial" Kenn­zahlen, wie zum Beispiel Terminvereinbarungen fur BeratungsgesprSche, Besuchs-reporting, Neugeschaft, Neukunden, Kundenzahlen, Nutzung der altemativen Vertriebswege, Kundenbindung, Kundenabwanderung oder auch Mitarbeiterzu-friedenheit. Jede dieser Kennzahlen hilft, ein akutes Steuerungsproblem im Ver­triebscontrolling zu erfassen. Der Preis daflir ist aber, dass das bisher geschlossene Controllingsystem der "Financials" ersetzt wird durch ein offenes Kennzahlensys-tem, das widerspriichliche Steuerungsimpulse zulaBt. Ungeloste Widerspriiche im Controllingssystem schlagen aber direkt negativ auf die Vertriebsmitarbeiter und die Kundenbeziehungen durch.

Ansatze des integrierten Vertriebscontrollings versuchen in jungster Zeit, diese Probleme zu losen. Hierzu wird die gesamte Untemehmensstrategie zum Beispiel mit Hilfe einer Balanced Score Card in ein stunmiges Kennzahlenystem von "Fi­nancials" und "Nonfinancials" umgesetzt.

Dieser Abschnitt endet mit einem Hinweis auf zwei wichtige Marktentwicklungen, die in nachster Zeit das Vertriebscontrolling pragen werden:

Der wachsende Ertragsdruck zwingt Banken zunehmend zu einer standardisierten Marktbearbeitung, um einerseits Kosten zu senken und andererseits durch ein systematischeres Vorgehen die Marktaussch5pfung zu verbessem. Dieser auch als "Retailisierung" bezeichnete ProzeB wird bei Di Vanna (2004) und McDonald/ Keasey (2002) ausflihrlich beschrieben: Die Leistung des Retailvertriebes ist als ein ProduktionsprozeB zu verstehen, der ahnlich einer industriellen Fertigung mit hoher PrSzision und Standardisierung ablauft. Das gesamte Vertriebscontrolling ist darauf auszurichten. W^hrend noch vor wenigen Jahren in vielen Banken ein mo-natliches Reporting der zentralen fmanziellen Kennzahlen als ausreichend angese-hen wurde, benotigt der modeme Retailvertrieb jetzt jeden Freitag ein Reporting aller wesentlichen Kennzahlen des Verkaufsprozesses, um am Montag liber alle Hierarchieebenen hinweg die Ergebnisse analysieren und gegebenfalls MaBnah-men vereinbaren zu konnen (siehe auch das Anwendungsbeispiel in Abschnitt 4.3).

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Eine weitere Herausforderung an das VertriebscontroUing stellt der Multikanalver-trieb dar. Ursache ist das sich Sndemde Nutzungsverhalten der Kunden (vgl. Abb. 16.1).

Nutzung der Vertriebswege bei Bankdienstleistungen

Direktkanal ii^m%

6 0 - 8 0 % <!Viulti-kanal)

»m%

Genutzte Kanale heute in % aller Kunden

Quelle: Booz-Allen & Hamilton 1999

Zukunftige Nutzungsperspektive

Peine Direktkunden

gemischte Nutzung:

• Fiiiale - Internet - Telefon - Selbstbedienung

Filial-Traditionalisten

Abb. 16.1: Nutzung der Vertriebswege bei Bankdienstleistungen Quelle: zitiert nach Schuller/Riedl 2000

Abbildung 16.1 zeigt, daB zukiinftig 80% bis 90% der Kunden mehrere Vertriebs­wege nutzen werden. Dabei verhalt sich der Kunde multioptional, das heisst er wahlt den Einstiegskanal und entscheidet bei jeder Phase des Kaufyrozesses neu, welchen Vertriebsweg er nutzen wird. Wahrend in der Vergangenheit das Ver­triebscontroUing sich auf den zentralen Vertriebsweg Fiiiale konzentrieren konnte, erfordert der multioptionale Kunde zunehmend ein Vertriebswege-Controlling, das die Vertriebsleistung der einzelnen Vertriebswege in den jeweiligen Schritten des Verkaufsprozesses abbildet. Die besondere Herausforderung an das Vertriebswe-gecontrolling liegt in der Komplexitat, die sich aus der kombinatorischen Explosi­on der Kontaktmoglichkeiten ergibt (siehe auch Abschnitt 3.3).

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300

3 Integriertes Vertriebscontrolling

3.1 Balanced Score Card

Die Erfahrungen mit dem eklektischen Ansatz des Vertriebscontrollings haben gezeigt, dass es erforderlich ist, sSmtliche Aktivitaten auf die strategischen Ziele und StoBrichtungen des Untemehmens auszurichten, um Widersprtiche und Rei-bungsverluste zu vermeiden.

Das integrierte Vertriebscontrolling versucht, genau dieses zu leisten. Es verfolgt dabei vor allem flinf Ziele:

• Durchgangigkeit uber alle Hierarchieebenen, das heisst vom Topmanagement bis zum einzelnen Betreuer und uber alle Vertriebswege,

• Verbindung der kurzfristigen Quartals- und Monatsziele mit den mittelfristi-gen Zielen der Mehrjahresplanung,

• Verzahnung der strategischen Ziele mit den MaUnahmen und Budgets,

• breiter Fokus durch Integration der "Financials" und "Nonfmancials" und

• Verbindung von der potentialorientierten strategischen Perspektive mit der an AuschOpfung orientierten operativen Perspektive.

Ausgangspunkt ist das strategische Ergebnisziel des Untemehmens. So wird zum Beispiel aus den Erfordemissen des Kapitalmarktes eine Kemkapitalrentabilitat nach Steuem in H5he von 15% abgeleitet. Eine Ebene tiefer werden die nachge-ordneten strategischen Ziele ausformuliert, zum Beispiel strategische Ertrags- und Kostenstrukturen, Marktanteile, Neukunden, Kundenbindung, Qualitat des Mitar-beiterportfolios und in eine logische Reihenfolge gebracht. Nach den Erfahrungen von Kaplan/Norten (1997) hat es sich dabei bewahrt, die strategischen Ziele in einigen wenigen Perspektiven zu bundeln. In Abbildung 16.2 sind beispielhaft fur Banken die vier Perspektiven Financials, Kunden, Prozesse und Mitarbeiter/Fuh-rung dargestellt. Wichtig ist hier die Anmerkung, dass die genaue Zahl der Per­spektiven und ihre Inhalte immer untemehmensspezifisch festzulegen sind. Es gibt kein „Naturgesetz" der Balanced Score Card.

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Financials

monetar bewertete ZielgroBen, wie z.B. Ertrage, Kosten, Risiko, und qualitative Relationen, wie z.B. Cost Income Ratio, Ertrags- Kosten- und Risikostrukturen

Kunden

objektiv meBbare ZielgroBen, wie z.B. Anzahl Neukunden und vom Kunden wahrgenommene Qualitaten, z.B. Kundenbindung

Prozesse

objektiv gemessene und von internen und externen Kunden wahrgenommene Qualitat der Prozesse

Mitarbeiter & Fuhrung

objektiv gemessene und von den Mitarbeitern und Fuhrungskraften wahrgenommene Qualitat

Abb. 16.2: Beispiel einer Balanced Score Card Quelle: eigene Darstellung

In dem in Abbildung 16.2 dargestellten Beispiel einer Balanced Score Card be-steht die innere Logik der strategischen Ziele darin, dass die internen Ressourcen, wie Mitarbeiter- und Fuhrungsqualitaten, die die Basis des Untemehmens darstel-len, auf die interne ProzeBqualitSt und die marktgerichteten Kundenzielen nach-einander aufbauen. Die "Financials" sind schlieBlich das Ergebnis der anderen drei Perspektiven. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zahl der Ziele so klein wie mog-lich, aber so groB wie notig gehalten wird. Bei vier Perspektiven wird sich die Zahl der Ziele zwischen 10 und 30 bewegen.

In einem nachsten Schritt werden fur jedes Ziel inhaltlich passende und meBbare Kennzahlen ermittelt. In einer Plausibilitatsiiberpriifung werden die logischen Wirkungsweisen zwischen den Kennzahlen uberpriift, um Redundanzen, Wider-spriiche und "Locher" zu entdecken. Abbildung 16.3 stellt ein solches Bezie-hungsgeflecht schematisch fur die vier Perspektiven dar. SchlieBlich werden die Kennzahlen quantifiziert. Drei Elemente sind dabei wichtig: Planwerte, Ist-Werte und ein Regelwerk, wie die Planabweichungen zu bewerten sind (vgl. Abb. 16.3).

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Wachstum

Financials

Rentabifitit

iijikQualitit

Qualitat

Financlais Financials Financials

lyiitarbeiter^ FCIhrung

4.1

Abb. 16.3: Plausibilitatsprufiing Balanced Score Card Quelle: eigene Darstellung

3.2 Operatives VertriebscontroUing

Auf Basis der Balanced Score Card erfolgt die Mehrjahresplanung. Die langfristig ausgerichtete Mehrjahresplanung beschaftigt sich ublicherweise mit der auf grobe Blocke verdichteten Leistungs- und Kostenplanung, der langfristigen Personal-und Investitionsplanung und der strategischen Bilanzstruktur- und GuV-Planung.

Aus jeder der im Mehrjahresplan geplanten Zeitscheiben konnen dann die einzel-nen Jahresplanungen abgeleitet und konkretisiert werden (Abbildung 16.4). Die Leistungsplanung wird differenziert nach Kundengruppen, Produktgruppen, Teil-markten und Vertriebswegen; in der Kostenplanung werden prazise Budgets fur Personal- und Sachkosten sowie fur die Abschreibungen definiert.

In der Mafinahmenplanung wird die operative Umsetzung festgelegt. Es werden fiir Zielgruppen, Vertriebswege, Produktgruppen und Regionen die MaBnahmen der Marktbearbeitung geplant, die erforderlich sind, um die in der Jahresplanung formulierten quantitativen Ziele zu erreichen. Nach AbschluB der geplanten MaB-nahme erfolgt die Analyse der Zielerreichung und der qualitativen und quantitati­ven MaBnahmenwu-kung sowie der Aufdeckung von Verbesserungspotentialen.

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303

MiNIUAHRiSF>tANUNO Planjahr 1 Planjahr2 Planjahr 3 Planjahr 5>

JAHf^iaFUVNUNlSl

Planjahr 1

Abb 16.4: Integrierte Mehrjahresplanimg Quelle: Brakensiek/Zimmer 2001

In einem Jahreskalender werden die MarketingmaBnahmen zusammengefaBt zu einer aufeinander abgestimmten ^A: /V/Ya/ «- und Ressourcenplanung. Es ist darauf zu achten, dass die Aktivitaten im Zeitablauf in einer sinnvoUen Abfolge zueinan-der stehen und sich so gegenseitig verstarken und nicht etwa behindem. Bei der Ressourcenplanung gilt es, Belastungsspitzen moglichst zu vermeiden und plane-risch sicherzustellen, dass iiber den gesamten Zyklus jeder MaBnahme, also auch in Vor- und Nachbereitungsphasen ausreichend Kapazitaten vorhanden sind.

Die Kommunikationsplanung baut auf die Aktivitaten- und Ressourcenplanung auf. In ihr werden Ziele, Inhalte und Medieneinsatz der extemen und intemen Kommunikation geplant. Um die spezifischen Starken der einzelnen Medien opti­mal nutzen zu konnen, ist der aufeinander abgestimmte Medien-Mix entscheidend. Einen Uberblick uber die integrierte Kommunikation gibt Bruhn (2003). Dabei gilt nicht der Grundsatz "mehr ist besser", sondem jedes Medium ist unter Kosten- und Nutzeniiberlegungen auf die Anforderungen der MaBnahme abzustimmen. Bei-spielsweise werden in der intemen Kommunikation einer MaBnahme zunachst die Ftihrungskrafte auf Regeltreffen personlich informiert und eingebunden. In der Kaskade nach unten geben die Ftihrungskrafte die Kembotschaften in der person-lichen Kommunikation an ihre Mitarbeiter weiter. Parallel erhalten alle Kundenbe-treuer uber das Intranet alle wesentlichen Detailinformationen, erganzt um emotio-nalisierende Fihnbeitrage Uber das Business-TV. In der Umsetzungsphase werden im "Monday Call" die aktuellen Ergebnisse analysiert und gegebenenfalls Adjus-

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304

tierungen in der Umsetzung vorgenommen. Als Vorbild fur VerbesserungsmaB-nahmen koiinen besonders erfolgreiche Initiativen einzelner Vertriebseinheiten des Untemehmens dienen (best angewandte Praxis). Auch in dieser Phase dient das Intranet der Vertiefung der Information und Kommunikation. Nach Beendigung der MaBnahme schlieBt sich der Kommunikationskreislauf mit einer abschlieBen-den Bewertung, die tiber die Regelkommunikation erfolgt und als Vorlage zur Vorbereitung zukiinftiger MaBnahmen im Archiv des Intranets abgelegt wird.

3.3 VertriebswegecontroUing

Ausgangspunkt des Vertriebswegecontrollings sind die seitens der Bank angebote-nen Vertriebswege. Abbildung 16.5 zeigt die heute im Bankengeschaft fur die Betreuung von multioptionalen Kunden eingesetzten Vetriebswege auf. Der statio-nare Vertrieb hat seine zentrale Rolle im Vertriebssystem behalten, wobei der traditionelle Filialvertrieb gegenuber modemen Filialkonzepten deutlich an Boden verloren hat. Der mobile Vertrieb und der direkte Vertrieb iiber Internet und Di-rectmarketing gewinnen stetig an Bedeutung, wahrend sich beim Telefonbanking Sattigungstendenzen abzeichnen.

ValridGBkcindeirrLBcinkirTg

S t d i c i i t o

VotidD

TrcdtiaMQ-HlichairidD

Mxfene ElidkoBgie

Valridcskandle

imBcmkirg

Voliido

MMe Aferfaist

EMdarVotrido

CHirB Banking

^rect^M Bcaiking ftnking

Abb. 16.5: VertriebskanSle im Banking Quelle: Schiiller/Riedl 2000

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Folgende Fragestellungen miissen fiir das jeweilige Bankuntemehmen vor Etablie-rung des Vertriebscontrollings geklSrt sein:

Welchen Mix von Vertriebskanalen nutzen die Kunden (Einkanal versus Mehrkanal) und

in welcher Beziehung stehen die Vertriebswege untereinenader (Wettbe-werb versus Kooperation).

Bei den deutschen Banken ist gegenwSrtig der kooperative Multikanalvertrieb vorherrschend. Dabei wird dem Kunden die Wahlfreiheit uber die Nutzung der Vertriebswege gegeben. Um Kanalkonflikte innerhalb des Untemehmens zu ver-meiden, ist die Beziehung zwischen den Vertriebswegen kooperativ gestaltet, wobei der dominierende Filialvertrieb meist das Gesamtergebnis der Kundenbe-ziehung erhalt und die anderen Vertriebswege lediglich den von ihnen geleisteten Beitrag in einem Schattenergebnis ausgewiesen bekommen.

Das Vertriebswegereporting erfordert ein sehr komlexes mehrdimensionales Steu-erungssystem. Grundlage ist ein Kennzeichen, dass bei jedem Geschaftsvorgang mitlauft. Mit seiner Hilfe kann dann zum Beispiel horizontal nach den einzelnen Schritten des KauQjrozesses und der Vertriebskanale auswertet werden und diago­nal nach den Dimensionen Kunde und Vertriebsweg. Die Kennzahlen konnen so je nach Bedarf nach den Dimensionen Kunde, Produkt, Kau^rozeB und Ver­triebsweg aggregiert werden.

Die Kennzahlen werden aus der Balanced Score Card abgeleitet. Hierzu wird die Balanced Score Card auf die einzelnen Vertriebswege heruntergebrochen, so dass finanzielle Kennzahlen und auch "nonfinancial" Kennzahlen zum Einsatz kommen. Abbildung 16.6 zeigt das fiktive Beispiel eines Vertriebscockpits fiir die www.bank.de. In der linken Kategorie "Zufuhrung" wird die Entwicklung der aktiven Nutzer und die Zufuhrungen durch MarketingmaBnahmen dargestellt. In der zweiten Kategorie wird die daraus resultierende Nutzung abgebildet, zum Beispiel Visits, Page Impressions, Logins und die dabei gebotene Performance. In der dritten Kategorie "Ziele" sind die Kennzahlen dargestellt, an denen der Erfolg des Vertriebsweges festgemacht wird. Das konnen Ergebnisziele, Kostensenkun-gen, Kundenbindung oder Uberleitungen ("Leads") in andere Vertriebswege sein. In der rechten Kategorie sind die Ergebnisziele nach Produkten weiter aufge-schliisselt.

Aufgrund der hohen Komplexitat des Multikanalvertriebes ist das Vertriebswege-controlling in den meisten Banken derzeit erst teilweise eingefiihrt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine der zentralen Weiterentwicklungen des Vertriebs­controllings in diesem Gebiet stattfinden wird.

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Vertriebscockpit www.bank.de • Bei spiel •

Zufuhrung Financials

Abb. 16.6: Vertriebscockpit Quelle: eigene Darstellung

4 Anwendungsbeispiele

4.1 Kompetenzmanagement

Der Preis ist ein zentraler Gewinntreiber imd MaBnahmen zur Optimierung der Preise steigem den Gewinn erheblich. Folgende Beispielrechnungen verdeutlichen das: Bei einem Cost-Income-Ratio von 0,9 bewirkt eine 10%tige Preiserhohung bei konstanten Volumina eine Profitsteigerung von 100 % (bitte iiberpriifen Sie das mit eigenen Zahlenbeispielen!). Wie sieht das bei einer Preissenkung aus? Angenommen der Absatz betragt 100 Stuck und bei Kosten von 80 und einem Preis von 100 pro Stuck wird ein Gewinn von 20 * 100 StUck also 2000 erzielt. Bei einer 10%igen Preisreduzierung auf 90 muB der Absatz bei Annahme gleicher Kosten auf 200 verdoppelt werden, um den gleichen Gewinn von 2000 zu erzielen. Fehler bei der Preisgestaltungen konnen also durch Volumenseffekte oft nicht mehr ausgeglichen werden.

Der Vertrieb hat die Aufgabe, die Preise am Kunden durchzusetzen. Er steht dabei in einem Konflikt zwischen dem auf niedrige Preise ausgerichteten Kundeninteres-se und dem am Preispremium orientierten Bankinteresse. Das Kompetenzmanage­ment legt die Basisstrategien der Preispolitik fest und regelt den Handlungsspiel-raum des Vertriebes bei den Preisverhandlungen mit den Kunden. Im Folgenden

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werden zimachst die Determinanten der Preisbildung erlautert und dann am Bei-spiel der Kompetenzampel das Kompetenzmanagement vorgestellt.

Die Bankpreise, also zum Beispiel Provisionen fiir Dienstleistimgen oder Zinssatze im Aktiv- und Passivgeschaft, haben diverse EinfluBgroBen, die im folgenden kurz vorgestellt werden. Grundsatzlich ist dabei festzustellen, dass die Preisuntergren-zen durch bankinteme Rahmenbedingimgen bestimmt werden, sich die Preisober-grenzen hingegen aus der jeweiligen Marktsituation ergeben (Abbildung 16.7).

Effektivzins / Provisionssatz H Band-breite

\r'---IIII}

Abb. 16.7: Rahmenbedingungen der Preispolitik Quelle: Brakensiek/Zimmer2001

Basis der Preisuntergrenzen im zinsabhangigen Geschaft sind zunachst, entspre-chend der inzwischen im BankencontroUing tiblichen Marktzinsmethode, die lauf-zeitkongruenten Einstandszinssatze fiir das jeweilige Geschaft. Anteilige Stuckkos-ten der zentralen Produktion und des dezentral stattfindenden Vertriebes erhohen die Preisuntergrenze ebenso wie die auf standardisierter Basis gerechneten Risiko-kosten und der anteilige Beitrag zum kalkulierten Gewinnbedarf. Bei Provisionen im Dienstleistungsgeschaft bestimmen die StUckkosten die Untergrenze. Ein Ge-schaftsabschluB unterhalb dieser Preisuntergrenze wurde einen negativen De-ckungsbeitrag generieren und somit negativ zum Gesamtergebnis beitragen.

Die Preisobergrenze wird von der Marktseite her determiniert. Hier ist zunachst die Stellung der Bank im Marktumfeld und die kundenseitig wahrgenommene Markenstarke von Bedeutung. In umkampften Markten sind nur enge Preisspiel-

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raume moglich, da Kunden ihre dann vorhandene Marktmacht mit Wechsel zum Wettbewerber ausspielen kSnnen. Neben der eigenen Stellung niirnnt aber auch die Position des Kunden eine wichtige Rolle ein. Grofikunden und solche mit hohem Produktnutzungsgrad konnen gegeniiber kleineren Kunden und Einproduktnutzem Preisvorteile fiir sich aushandeln.

Das Kompetenzmanagement regelt, wie die Spielraume zwischen Preisober- und -untergrenze genutzt werden sollen. Zur Wahl stehen zwei Basisstrategien:

Im standardisierten Retailgeschaft ist die Produktstrategie (Abb. 16.8) verbreitet. Sie sieht vor, dass die am Kunden durchgesetzten Preise so bemessen sind, dass sich jedes Produkt rechnet imd keine negativen Produktdeckungsbeitrage gene-riert. Allerdings besteht das Risiko, dass insbesondere bei preissensiblen Kunden die gesamte Kunde-Bank-Beziehung gefahrdet wird.

Demgegenuber nimmt die kundenorientierte Sicht negative Deckungsbeitragsbrin-ger bewufit in Kauf und konzentriert die Akquisitionsbemiihungen auf solche Ge-schaftsfelder, in denen ein ausreichendes zusatzliches Potential liegt. So wird die gesamte Kundenverbindung ausgebaut und insgesamt profitabler gestaltet.

Produktorientierte Sicht Kundenorientierte Sicht

Positive ErtrSge A B C

negative ErtrSge

D

H Die Konzentration auf ein Produkt. Konzentration auf die gesamte

Kundenbeziehung, negative Produkte werden in Kauf gemommen

Abb. 16.8: Produktstrategie Quelle: Brakensiek/Zimmer2001

Die praktische Umsetzung der Preisstrategie erfolgt in der Kompetenregelung, in der die Entscheidungsbefugnisse der Vertriebsmitarbeiter konkret festgelegt wer­den. Eine solche Kompetenzregelung wird in Abbildung 16.9 am Beispiel der Kompetenzampel dargestellt.

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309

0 1 Topsatze [

JRichtsatzel

: ©

Preisart

Ausnahme-preise

Sonder-preise

Standard-preise

Orientierung

Bank-/Kunden-orientierung

Kunden-orientierung

Produkt-orientierung

Entscheidungsgrundlage

wichtiger Kunde fur die Bank

gesamte Kundenverbindung hat zufriedenstellenden Deckungsbeitrag

produktbezogener Deckungsbeitrag ist positiv

Kompetenztrdger

Topmanagement

Management

Vertriebsmitarbeiter

Abb. 16.9: Kompetenz-ZPreisampel Quelle: Brakensiek/Zimmer2001

In der Kompetenzampel werden drei Preistypen unterschieden:

Die im Preisaushang veroffentlichten Preise und Konditionen werden als Stan-dardpreis bezeichnet und zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit jedem Geschafts-abschluB positive DeckungsbeiMge generieren.

Bis zu den Prime Rates, den Topsatzen, sind die Kalkulationen so angelegt, dass positive Deckungsbeitrage, unter Umstanden auch durch Cross Selling-MaBnahmen in der Gesamtkundenverbindung erzielt werden konnen. Die Vergabe solcher Konditionen bedarf einer besonderen Kompetenz.

Eher negative Deckungsbeitrage generieren die Ausnahmepreise, die entsprechend auch mit ROT in der Ampel unterlegt sind. Diese konnen fur ubergeordnete Bank-interessen vergeben werden und bedtirfen einer Zustimmung durch das Topmana­gement.

4.2 Kundenbindungsmanagement

Das Kundenbindungsmanagement steuert die Zufriedenheit der Kunden und ihre Bindung an das Untemehmen. Das VertriebscontroUing unterstutzt das Kunden­bindungsmanagement hierbei, indem es flir die Messung, Verzielung und Kontrol-le der vom Kunden wahrgenommenen Kundenbindung sorgt.

Die Kundenbindung ist als eine psychologische Kategorie zu verstehen und als solche den "Nonfmancials" zuzurechnen. Sie gibt Auskunft daruber, wie stark ein

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Kunde an ein Untemehmen gebunden ist beziehungsweise wie wahrscheinlich zukunftig sein Wechsel zu einem Mitbewerber ist. Die Kundenbindung sagt damit etwas aus iiber den wirtschaftlichen Erfolg von morgen. Vereinfachend wird dieser Zusammenhang mit folgender "Erfolgskette" beschrieben: Qualitat -> Kundenzu-friedenheit -> Kundenbindung -^ Ertrag. Eine ausfuhrliche Diskussion der Kun­denbindung bieten Meffert/Bruhn (1995). Demnach bewirkt die heute vom Kun-den wahrgenommene Leistung seiner Bank im Abgleich mit seinen Erwartungen ein bestimmtes Niveau der Zufriedenheit, das im Zeitablauf seine Bindung an das Untemehmen starkt beziehungsweise schwacht und schlieBlich sein Kaufverhalten beeinfluBt (vgl. Abb. 16.10).

Ziel-grolBe

MeB-

verfahren

• Globalzufriedenheit

• Zufriedenheit mit Beratung, Service, Produkte, Preis

• Kundenbefragung

• externes Benchmark, Kundenmonitor

\ b i t id i i i igy

• Loyalitat Wiederkauf, Cross-buy Weiterempfehlung

• Verwurzelung

• Kundenbefragung • externes Benchmark,

Kundenmonitor

^ - \ , Ertrag )

• Ertrag pro Kunde • Share of Wallet • Dauer der Geschafts-

beziehung

• Kundenkalkulation

• Kundenwertanalyse • Kundenwanderungsbilanz • Branchenvergleich;

interner Konkurrenz-vergleich

Abb. 16.10: Erfolgskette der Kundenbindung Quelle: eigene Darstellung

Wie kann die Kundenbindung nun konkret in das Vertriebscontrolling integriert werden?

Zunachst ist es erforderlich, die Kundenzufriedenheit und -bindung kontinuierlich zu messen. Dazu wird eine Methode gewahlt, die robust ist gegeniiber organisato-rischen Veranderungen im Untemehmen und die Entwicklung von Zeitreihen er-moglicht. Nur so konnen die zeitlichen Zusammenhange zwischen den vorgelager-ten psychologischen ZielgroBen und dem nachgelagerten oft erst Jahre spater fol-genden wirtschaftlichen Erfolg erfafit werden. Der Zusammenhang fur jeden Ab-schnitt der Wirkungskette wird quantifiziert und in Geldeinheiten bewertet. Das ist aus zwei Griinden wichtig: Erstens uberzeugt erst der konkrete Nachweis das Ma­nagement und die Vertriebsmitarbeiter von der praktischen Bedeutung der Kun­denbindung fiir die Vertriebssteuerung. Zweitens verhindert man so eine "Uber-produktion" von Kundenzufi*iedenheit und -bindung, die nicht mehr rentabel ist.

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311

Bei der Entwicklung der Kennzahlen ist darauf zu achten, dass sie sich in den Gesamtrahmen der Balanced Score Card sinnvoll einfiigen. Nur so konnen Wider-sprUche zwischen den verschiedenen Zielsetzungen, zum Beispiel heutige Ertrags-ziele zu Lasten der Kundenbeziehung und Mafinahmen zur Stabilisierung der Kundenbeziehungen, aufgelost werden.

Die Kennzahlen mussen femer fur alle Hierarchieebenen handlungsrelevant sein und Konsequenzen auslosen. Hierzu bedarf es:

der vollen Transparenz der Ergebnisse fur alle Mitarbeiter,

plausibler Ergebnisse mit einer leicht nachvoUziehbaren Methode,

einer verursachergerechten Ergebniszuordnung fiir alle Organisationseinhei-ten,

Ansatzpunkte fur konkrete MaBnahmen und schliesslich

einer Integration in die Leistungsbewertung.

Insbesondere die letzten drei Punkte beinhalten „Sprengstoff' in der praktischen Umsetzung. So erfordert eine verursachergerechte Ergebniszuordnung fur alle Organisationseinheiten eine umfangreiche Befragung von Kunden, damit alle Ver-triebsmitarbeiter die Ergebnisse ihrer Kunden zu sehen bekommen. Unterstellt man fur die unterste auszuwertende Einheit, die nur wenige Vertriebsmitarbeiter umfassen darf, aus methodischen Griinden eine Mindeststichprobe von 50 befrag-ten Kunden so ergeben sich fiir das Gesamtuntemehmen beachtliche Gesamtkos-ten, zumal diese Befragung jahrlich zu wiederholen ist. Eine schlanke Befragung einer kleinen Stichprobe ftir das Gesamtuntemehmen ist fur Marktfoschungszwe-cke sinnvoll, aber fiir ein Vertriebscontrolling der Kundenbindung nicht ausrei-chend.

Die Befragungsergebnisse mussen Ansatzpunkte Sir konkrete MaUnahmen bieten, um tatsachlich zu Verbesserungen zu fuhren. Hierzu sind interne und exteme Benchmarks hilfreich. Sie stellen die best angewandte Praxis dar und dienen Ein-heiten mit schlechteren Ergebnissen als Vorbild. In Abbildung 16.11 sind beispiel-haft fiir eine Vertriebseinheit die Befragungsergebnisse in den Kategorien Bera-tung und Service dargestellt. Der Abgleich mit den Ergebnissen der best ange-wandten Praxis, hier als bestes Drittel aller Vertriebseinheiten definiert, gibt so sehr konkrete Ansatzpunkte bei welchen Aspekten der Beratung und des Services in dieser Vertriebseinheit der groBte Handlungsbedarf besteht.

SchlieBlich sind Kundenzufriedenheit und -bindung in die Belohnungs- und Sank-tionsmechanismen des Vertriebes zu integrieren. Wie bei anderen Kennzahlen auch setzt das drei Dinge voraus: Planwerte, verlassliche, das heisst nicht eratisch schwankende Ist-Werte und ein Regelwerk, wie die Planabweichungen zu bewer-ten sind.

Mit dem oben beschrieben Instrumentarium sind hierfur die Grundlagen gelegt.

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Berotung mmm

% uberzeugte Kunden

0 10 20 30 40 50 60 70

Haben Sie sich in den letzten zwolf Monaten in Ihrer Filiale beraten lassen?

Wie zufrieden sind Sie insgesatnt mit der fachlichen Beratung in Ihrer Filiale?

Wie zufrieden waren Sie mit der Diskretion wahrend des Beratungsgespraches?

Wie zufrieden waren Sie mit der Vorbereitung des Kundenbetreuers auf das Gesprach?

Wie zufrieden waren Sie mit der Verstandlichkeit der Aussagen des Kundenbetreuers?

Wie zufrieden waren Sie mit der fachlichen Kompetenz des Kundenbetreuers?

Wie zufrieden waren Sie mit der deuUichen Herausstellung moglicher Risiken?

Wie zufrieden waren Sie mit der Erarbeitung I eines fur Sie passenden Angebotes?

Wie zufrieden waren Sie mit der Zeiyjii^^iiifiMef;, Kundenbetreuer fur das Gespraj"

Wie zufrieden waren Sie mit d( I und der Verstmw

Haben' Ansprech^

Wie beurteilen Sie den Umfang an telelol schriftlichen Angeboten in Ihrer Filiale?

1st die Beratung durch Ihre Filiale der Vereins- und Westbank in den letzten zwolf Monaten besser geworden?

T^^^m Service

1% Beratung mind. 1 xl

% uberzeugte Kunden

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit dem Service an Kasse und Schalter in Ihrer Filiale?

Wie zufrieden sind Sie rait der Freundlichkeit der Mitarbeiter?

Wie zufrieden sind Sie mit der Erledigung Ihrer Auftrage?

Wie zufrieden sind Sie mit den Informationen, die Sie von den Mitarbeitern erhalten?

Wie zufrieden sind Sie mit der Schnelligkeit der Geschaftsabwicklung?

Werden Sie am Schalter mit Namen angesprochen?

1st der Service an Kasse und Schalter in den letzten 12 Monaten besser geworden?

Abb. 16.11: Best angewandte Praxis in der Kundenbindung Quelle: eigene Darstellung

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4.2 Systematischer VerkaufsprozeU

Der systematische Verkaufsprozefi sorgt dafur, dass durch eine standardisierte Marktbearbeitung die Vertriebsleistung kostengunstiger als bisher erbracht und die MarktausschOpflmg durch eine systematischere Marktbearbeitung erhoht wird. Das Vertriebscontrolling hat die Aufgabe, jeden einzelnen ProzeBschritt in geeigneter Weise mit Steuerungsinformationen zu unterstutzen.

Die konzeptionelle Grundlage des systematischen Verkaufsprozesses ist der Kun-denmanagementprozeB (Abb. 16.12) der sich aus den funf Teilprozessen 1. "Kun-dengewinnung, 2. Gesprachsvorbereitung, 3. Kundenansprache, 4. GesprSchs-durchfuhrung und 5. Gesprachsnachbereitung zusammensetzt.

Abb. 16.12: KundenManagementProzess (KMP) Quelle: Brakensiek/Zimmer 2001

Im systematischen Verkaufsprozefi werden die Schritte 1 bis 3 des Kundenmana-gementprozesses zentral durch die CRM-Systeme des Vertriebscontrollings fur den Kundenbetreuer vorbereitet. Hierzu werden zunachst Zielgruppen gebildet. Zielgruppen umfassen eine Auswahl von Kunden mit ahnlichen Bedarfsstrukturen, die deshalb bei bestimmten Produkten hohere Abschlufiwahrscheinlichkeiten auf-weisen.

Dann wird der Vertriebsweg beziehungsweise ein Mix von Vertriebswegen be-stimmt, Uber den die Kunden der Zielgruppe am effektivesten erreicht werden konnen. Typische Ansprachekanale sind zum Beispiel Telefonbanking, Internet-banking, eMail, klassische Mailings. Ziel der Ansprache ist es entweder, einen

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direkten AbschluB, zum Beispiel im Internet, zu generieren oder den Kunden mit einem festen Beratungstermin in den personalen Vertrieb (stationer oder mobil) uberzuleiten. Der Berater bekommt so qualifizierte Kundentermine mit einer hohe-ren AbschluBwahrscheinlichkeit zugefiihrt.

Im Beratungsgesprach wird der Kunde durch den Betreuer zum AbschluB gefuhrt. Zur UnterstUtzung erhalt der Berater auf seinem elektronischen Arbeitsplatz alle relevanten Vertriebsinformationen in komprimierter Form dargestellt:

• Stammdaten des Kunden, die Auskunft geben uber Name und Adresse, Konto-und Kundennummer sowie die Anbindung an seinen Kundenberater. Eine immer groBere Bedeutung erhalten in diesem Zusammenhang die im Rahmen des Konsumentenschutzes getroffenen Vereinbarungen, zum Beispiel Einver-standniserklarungen des Kunden zur Nutzung seiner Daten ("Permission-Marketing"), Femabsatzgesetz, Risikotypen nach Wertpapierhandelsgesetz.

• Strukturdaten des Kunden. Dies sind im Wesentlichen die sozio-demo-graphischen Basisdaten, die iiber Befragungen in die EDV gelangt sind. Diese Informationen sind fur die Konkretisierung moglicher Bedarfe notwendig.

• Aus der Kundenkalkulation wird die derzeitige Produktnutzung gespeist. Neben den einzelnen Produkten sind hier auch Informationen tiber die Volu-mina und die Ergebnisbeitrage der einzelnen Geschafte abgetragen.

• Aus den Kombinationen von Produktnutzung, Ergebnisbeitrag und Struktur­daten k5nnen so Akquisitionshinweise gesetzt werden. Zur UnterstUtzung sind Nutzenargumentationen beigelegt.

• In der Kontakthistorie sind die bisherigen Kontakte mit dem Kunden hinter-legt. So kOnnen schnell geeignete AuMnger fur den Gesprachseinstieg ge-funden und Doppelungen in der Ansprache vermieden werden.

Im letzten Schritt wird die Kundenbindung durch MaBnahmen im Bereich des "After Sales" gefestigt. Hierzu zahlen zum Beispiel kontinuierlich angebotene Serviceleistungen oder kundenspezifische Aktivitaten, wie Jubilaen, Fristen, be-sondere Ereignisse. Durch Cross-Selling Hinweise wird dabei der Grundstein flir den Einstieg in den nachsten Verkaufszyklus gelegt.

5 Ausblick

Der zunehmende Ergebnisdruck wird die Banken dazu zwingen, im Vertrieb ihre Ertragspotentiale noch besser auszuschopfen. Bei dieser Aufgabe ist ein erstklassi-ges Controllinginstrumentarium unverzichtbar. Es ist deshalb davon auszugehen, daB das Vertriebscontrolling bei Banken weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Dabei wird zunehmend em integriertes Vertriebscontrolling erforderlich, das die Untemehmensstrategie konsequent Uber alle Hierarchieebenen in operative Ver-triebsleistung umsetzt. Hierfur steht das Instrumentarium der Balanced Score Card

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zur Verfugung, das in sinnvoller Weise mit dem bestehenden Instrumentarium der Vertriebssteuerung bei Banken zu verbinden ist.

Das VertriebscontroUing ist stets eine Gratwanderung zwischen Unter- und Uber-steuerung einer Vertriebsorganisation. Das integrierte VertriebscontroUing bietet das Potential einer konsequenteren Marktausschopfung. Es darf aber nicht zu ei-nem lahmenden und Uberkomplexen KontroUmonster mutieren. Hier den richtigen Ausgleich zu fmden ist eine permanente Herausforderung fur Praxis und For-schung. Der Wettbewerb wird sich auch in dieser Frage als ein Entdeckungsvefah-ren zum Aufsptiren der besten Losungen erweisen.

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316

Literatur

Bruhn, M; Integrierte Untemehmens- und Markenkommunikation, 3. Aufl., Stuttgart, 2003

Biischgen, H. K: Bankmarketing, 2. Aufl., Dusseldorf 2002

Brakensiek, T./Zimmer, K.: Marketingcontrolling bei Banken, in: Handbuch Marketing Controlling, Frankflirt/Wien 2001

DiVanna, J.: The Future of Retail Banking, New York 2004

Kaplan, R. S./Norton, D. P.: Balanced Scorecard, Stuttgart 1997

Lamberti, H.-J.: Industrialisierung des Bankgeschafts, in: die bank, 6/2004

McDonald, O./Keasey, K.: The Future of Retail Banking in Europe, West Sussex 2002

Meffert, K: Marketing, 9. Aufl., Wiesbaden 2000

Meffert, H./Bruhn, M.: Dienstleistungsmarketing, Wiesbaden 1995

Horvdth&Partner: Balanced Scorecard umsetzen, 2. Aufl., Stuttgart 2001

Krafft, MJ Frenzen, K: Vertriebssteuerung: in Handbuch Industriegiiter-Marketing, Wies­baden 2004

Schierenbeck, K: Ertragsorientiertes Bankmanagement: Controlling in Kreditinstituten, 4. Aufl., Wiesbaden 1994

Schiiller, St./Riedl, M; Multi Channel Management - die Vertriebsherausforderung im Retail Banking, die bank, 12/2000

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Kapitel 17 Kommunikations-ControUing

Charlotte Reich/Wolfgang Zahner

1 Einleitung

Werbung, PR und Verkaufsfbrderung geraten als Instrumente des Marketing-Mix und Teile der Kommunikationspolitik zunehmend unter Erfolgsdruck: Zum einen wachst ihre Bedeutung als strategische Erfolgsfaktoren des Marketing. Mit zuneh-mender Austauschbarkeit der Produkte und Dienstleistungen, die auf etablierten und gesattigten Markten angeboten werden, erfolgt die Differenzierung der GUter vor allem durch die Kommunikation (kommunikative Produktdifferenzierung) (Zerres 2000, S. 4; Kroeber-Riel 1995, S. 2694). Zum anderen werden Werbung, PR und Verkaufsforderung auf Grund einer voranschreitenden Intensivierung des Wettbewerbes auf den Markten sowie einer steigenden Fragmentierung und Differ­enzierung in den untemehmensintemen Strukturen mit schwierigen Markt- und Kommunikationsbedingungen konfrontiert (Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 45). Die Aufwendungen, die Untemehmen fur diese Kommunikationsinstrumente aufbrin-gen, sind erheblich und weisen steigende Tendenz auf (GfK/Wirtschaftswoche 2004). Untemehmen investieren in Werbung, PR oder Verkaufsforderung, um Mehrverkaufe zu erzielen. Die Kommunikationsinstrumente stellen somit sowohl Kosten- als auch Erlostreiber dar. Um einer Wertvemichtung vorzubeugen und der Forderung nach Effektivitat und Effizienz der KommunikationsmaBnahmen ge-recht werden zu konnen, ist ein Controlling der KommunikationsmaBnahmen un-erlasslich. Durch den Einsatz eines KommunikationsControllings wird das Ziel verfolgt, die Realisierung von Kommunikationszielen (Effektivitat) als auch die Wirtschaftlichkeit (Effizienz) von KommunikationsmaBnahmen im Sinne eines wirtschaftlichen Einsatzes der Kommunikationsausgaben sicherzustellen. (Steffen-hagen 1999, 30; Kloss 2000, S. 22; Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 5).

Die Controlling-Literatur unterscheidet fiinf Dimensionen des Kommunikations-ControUing (Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 3; Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 2). DiQ funktionale Dimension bildet die Funktionen des Controlling ab und umfasst Aspekte wie Rationalitatssicherung, Informationsversorgung, Koordination, Fiihr-ungsunterstiitzung und Managementservice (Ziegenbein 1995, S. 20 ff.; Weber 1998, S.19). DiQ prozessuale Dimension manifestiert sich in den einzelnen Phasen der Planung, Kontrolle und Steuerung des Managementprozesses (Baum/ Coenen-berg et al. 1999, S. 4). Die Differenzierung in strategisches und operatives Cont­rolling erfolgt im Rahmen der Dimension Ebenen des Controllings. Wahrend die institutionale Dimension die Aufgabentrager und Organisation beschreibt, zeigt

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die instrumentelle Dimension schlieBlich die verschiedenen Instrumente im Sinne von Verfahren, Techniken und Methoden auf, die das Controlling zur Erflillung seiner Funktionen entwickelt und einsetzt (Horvath 2003, S. 797 f.).

Die ersten beiden Teile des vorliegenden Beitrages befassen sich schwer-punktmaBig mit der instrumentellen Dimension des Kommunikations-Controlling. Der erste Teil stellt die Werbeerfolgskontrolle als Controllinginstrument und Be-standteil der Werbeprogrammplanung dar. Der zweite Teil skizziert das PR-Kon-zept als Analysebasis fiir ein PR-Controlling. Der Beitrag schliefit mit der Dar-stellung einer gesamthaften Konzeption des Verkaufsforderungscontrolling in Teil drei.

2 Werbeerfolgskontrolle

(1) Begriffsabgrenzungen

Unter Werbung wird die versuchte Verhaltensbeeinflussung verstanden, die mittels bezahlter Kommunikationsmittel erfolgt, von einem erkennbaren Sender ausgeht und sich an ein breites Publikum richtet (Kroeber-Riel 1995, S. 2692). Die Wer­bung bezieht sich entweder auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen Oder auf das gesamte Untemehmen. Unter Erfolgskontrolle wird im Allgemeinen die systematische Uberprufung der Erreichung von Zielen (Soll-Ist-Vergleich von ZielgroBen) verstanden. Werbeerfolgskontrolle ist die systematische Uberprufung der durch die WerbemaBnahmen bewirkten Veranderungen von Werbezielinhalten (Erichson/Maretzki 1993, S. 524; Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 21). Sie umfasst zum einen die Kontrolle der Erreichung von Werbezielen (Soll-Ist-Vergleich von Zielgr56en) und zum anderen die Kontrolle der Wirkung von Werbemafinahmen (Werbewirkungsmessung). Wahrend sich der Werbeerfolg aus dem Soll-Ist-Vergleich von Zielgrolien ergibt, befasst sich die Wirkungsmessung mit der kausa-len Zuordnung von Anderungen der ZielgroBen auf Grund von WerbemaBnahmen (Erichson/Maretzki 1993, S. 524). Werbewirkung kaxm als Reaktion einer Zielper-son auf Werbung verstanden werden. Aus Sicht der Werbetreibenden stellen die angestrebten Werbewirkungen verfolgenswerte Werbeziele dar (Steffenhagen 1995, S. 2679). Die spezielle Problematik der Werbeerfolgskontrolle resultiert daher, dass WerbemaBnahmen und Werbewirkung meist nicht zeitgleich auftreten und dass die ZielgroBen der Werbung auch durch andere untemehmensinteme und -exteme Faktoren beeinflusst werden (Simon/Mohrle 1993, S. 314; Kohler 2003, S. 815).

(2) Werbekonzept

Gegenstand der Werbeerfolgskontrolle sind sowohl zu kontrollierende werbliche Aktivitaten als auch werbliche Wirkungen beziehungsweise ZielgroBen, hinsicht-lich derer die Aktivitaten iiberpriift werden sollen (Erichson/Maretzki 1993, 526). Die nachfolgende Skizzierung des Prozesses der Planung und Kontrolle des Wer-beeinsatzes, auch als Werbekonzept bezeichnet, verdeutlicht dies und zeigt, dass

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die Kontrollaktivitaten nicht nur auf das Ergebnis gerichtet sind, sondem den ge-samten Prozess des Werbeeinsatzes umfassen. In zeitlicher Hinsicht ist eine regel-maUige Durchfuhrung der Werbekontrolle anzustreben, da Werbewirkungen sich in der Kegel nur aus den Veranderungen von Gr56en ableiten lassen. Das Werbe-konzept kann in die ftinf Schritte Werbezielplanung, Werbebudgetplanung, Wer-begestaltungsplanung, Werbestreuplanung und WerbeerfolgskontroUe unterteilt werden (Erichson/Maretzki 1993, S. 527; Sander 1993, S. 269; Kotler/Bliemel 1999, S. 977; Schnapka 2000, S. 322).

Werbekontrolle

Werbe-ziele

Werbe- \ ^ Werbe- \ Werbe-budget >^gestaltung J^ streuung

iCD

•Okonomische Ziele

•Aulierokono-mische Ziele

(D •Festlegung des Aufwan -des von Wer-bemaRnahmen

I® •Bestimmung der Werbebot -schaft

•Auswahl der Werbemittel

® •Bestimmung der Werbe -trager

•Zeitliche Ein-satzplanung

•Messung der Werbewirkung

•Messung des Werbeerfolges

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 17.1: Werbekonzept

A Werbeziele

Der erste Schritt in der Entwicklung des Werbekonzeptes ist die Festlegung der Werbeziele. Durch die Vorgabe von Soll-Werten werden die angestrebten Werbe­wirkungen fixiert (Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 23). Aus den iibergeordneten und vor allem okonomisch orientierten Zielsetzungen des Marketing sowie den Ziel-markt-, Positionierungs- und Marketing-Mix-Entscheidungen werden zunachst die Aufgaben der Werbung abgeleitet, um diese dann in operational Zielvorgaben fiir die Verhaltensbeeinflussung zu transformieren (Kroeber-Riel 1995, S. 2697; Kot­ler/Bliemel 1999, S. 977; Schnapka 2000, S. 322). Die Operationalitat der Werbe­ziele, das heisst die Moglichkeit, die Zielerreichung zu messen und zu kontrollie-ren, ist Voraussetzung fiir die WerbeerfolgskontroUe (Zerres/Zerres. 1998, S. 162).

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Die Wahl eines geeigneten Messkriteriums ist dabei von zentraler Bedeutung fiir die Kontrolle des Werbeerfolges: Eine sinnvolle Wirkungsmessung kann nur mit entsprechendem Pendant im Zielsystem erfolgen (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 21). Im Allgemeinen gibt es keine kontrollierbaren Beziehungen zwischen den Skonomischen ZielgroBen und den Werbewirkungen (Zurechenbarkeitsproblem) -daher sind okonomische Werbeziele als operationale Werbeziele weniger gut ge-eignet (Steffenhagen 1993, S. 287). Im Vordergrund stehen deshalb oftmals wahr-nehmungs- und einstellungsbezogene Werbeziele (Kroeber-Riel 1995, S. 2697 f.). Wahmehmungsbezogene Ziele wie zum Beispiel die Erhohung der Markenbe-kanntheit dienen dabei der Aktualisierungsaufgabe der Werbung: Die Werbung soil dafur sorgen, dass die Angebote bei der Kaufentscheidung des Konsumenten in Betracht gezogen werden („relevant set"). Einstellungsbezogene Ziele wie die Veranderung des Markenimages stehen im Dienste der Profilierungsaufgabe der Werbung: Die Werbung soil erreichen, dass ein Angebot so positioniert wird, dass es bei den Konsumenten Praferenzen erzeugt, das heisst als attraktiv und anders als die Konkurrenz wahrgenommen wird. Wichtig ist, dass die Werbeziele im Hin-blick auf Zielgruppe, kommunikative Aufgabe, Aufgabenerfullungsniveau und Planperiode konkretisiert werden, damit im Rahmen der Werbeerfolgskontrolle Erfolg und Wirkungen gemessen werden konnen (Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 21).

B Werbebudgetierung

Nach Festlegung der Werbeziele kann das Untemehmen das Werbebudget fur jedes seiner Produkte oder Dienstleistungen bestimmen. Hierbei stellt sich das Problem, die richtige Hohe der Werbeaufwendungen zu bestimmen und somit einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewahrleisten: Budgetiert das Untemehmen zu geringe Werbeaufwendungen, ist die erzielte Wirkung unerheblich und die getatigten Aufwendungen somit nutzlos. Oft muss zunachst eine Werbewirkungs-schwelle uberwunden werden, ehe die Werbung zu wirken beginnt (Bliemel 1986, S. 122 ff..). Doch auch wenn das Werbebudget zu hoch ist und die obere Werbe-wirkungsschwelle Uberschritten wird, werden Marketingmittel ineffizient einge-setzt. Die Werbebudgetierung ist zudem mit der erwahnten Unsicherheit iiber die Existenz und das Ausmal3 der Wirkungszusammenhange konfi-ontiert (Simon/ Mohrle 1993, S. 303).

In der Praxis existieren trotz des hohen Umfanges der Werbeinvestitionen primar heuristische Verfahren zur Festlegung der Hohe des Werbeetats (Simon/Mohrle 1993, S. 304; Zerres, M./Zerres, I. 1998, S. 160).

Bei der ausgabenorientierten Methode wird das Werbebudget entsprechend der Finanzlage des werbetreibenden Untemehmens bestimmt. Die Einfachheit und die Moglichkeit zur Ausgabenkontrolle stehen als Vorteile dieses Verfahrens dem Nachteil des fehlenden sachlichen Zusammenhanges zwischen Finanzmitteln und Werbezweck entgegen (Zerres/Zerres 1998, S. 160). Das Werbebudget nach die-sem Ansatz festzulegen heiBt, dass dessen kurz-, mittel- und langfi-istige Wirk­ungen ignoriert werden und Werbung als eine RestgroBe betrachtet wird. Diese Methode fiihrt dazu, dass das Budget jahrlich nach Absatzlage fluktuiert. Eine

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kontinuierliche Marktbearbeitung ist somit nicht mSglich (Simon/Mohrle 1993, S. 305; Kotler/Bliemel 1999, S. 951).

In der Praxis findet haufig auch eine Budgetierung anhand des Umsatzes der ver-gangenen, laufenden oder kommenden Periode statt (Zerres/Zerres 1998, 160). Dieser Ansatz fUhrt jedoch zum einen zu Aufwendungen, die nicht von Markt-chancen, sondem der Verfugbarkeit finanzieller Mittel bestimmt werden. Hohe umsatzabhangige Fluktuationen in der Absatzforderung widersprechen einer lang-fristig angelegten Marktbearbeitung (Kotler/Bliemel 1999, S. 951 f.). Zum anderen wird der postulierte Wirkungszusammenhang, dass das Budget den Umsatz be­stimmt, ins Gegenteil verkehrt (Simon/Mohrle 1993, S. 304).

Im Rahmen der Budgetierung anhand von Zielen und Aufgaben (,,Ziele- undAuf-gaben-Methode") werden auf Basis der festgelegten Werbeziele die zur Zielerrei-chung geeigneten WerbemaBnahmen und ihre Kosten bestimmt. Die Verkniipfung von WerbemaBnahmen und zugeh5rigen Zielerreichungsgraden wird als Werbe-wirkungsflinktion bezeichnet. Aus der Summe der Kosten fur die Erstellung der Werbemittel (inkl. Marktforschung und Kreativitat) ergibt sich das erforderliche Werbebudget. Diese Methode ist als einzige der in der Praxis angewandten Heuris-tiken rational. Das Verfahren wird am ehesten dem Anspruch einer zielorientierten Steuerung des Controllings gerecht, weil der Werbetreibende seine Ziele konkreti-siert und anschliefiend die Werbekosten zur Erreichung dieser Ziele abschatzt (Simon/Mohrle 1993, S. 306 f.; Kotler/Bliemel 1999, S. 951 und 979 ff.).

C Werbegestaltung

Der nachste Schritt der Werbegestaltung umfasst zum einen Entscheidungen zur Werbebotschaft, welche die Art und Weise betreffen, wie die Werbebotschaft entwickelt, bewertet, ausgewahlt und wirkungsvoll ausgeflihrt werden soil. Die Werbebotschaft stellt die Werbeaussage dar, die an die Zielgruppe herangetragen werden soil. Eine strenge Zielgruppenorientierung ist flir die Aktivierung, Wirkung und Akzeptanz der Werbebotschaft bei der Botschaftsgestaltung entscheidend (Sander 1993, S. 277 f.; Kotler/Bliemel 1999, S. 982 ff.). Zum anderen erfolgt in dieser Phase die Werbemittelgestaltung, welche formale (zum Beispiel typografi-sche und sprachliche Aspekte, AnzeigengroBe) und inhaltliche (zum Beispiel Ar-gumentationsstil) Aspekte der Gestaltung von Werbemitteln wie Anzeigen, Rund-ftink- und Femsehspots, umfasst (Sander 1993, S. 279).

D Werbestreuplanung

AnschlieCend sind im Rahmen der Werbestreuplanung Entscheidungen zur Bele-gung der Werbetrager zu treffen, die die Botschaft zum Empfanger tragen. Dabei gilt es, die kosteneffektivsten Werbetrager zu ermitteln, um mit dem Zielpublikum durch eine angemessene Anzahl von Werbedarbietungen in der erwiinschten Ein-drucksqualitat in Kontakt zu treten (Kloss 2000, S. 129). Der Medienplaner muss dafiir zuerst die Leistungsfahigkeit der unterschiedlichen Mediengattungen (zum Beispiel Tageszeitungen, Femsehen, Direktwerbemittel oder Publikumszeitschrif-ten) bei Reichweite, Frequenz und Eindrucksqualitat unter zu Hilfenahme mehr-erer Kriterien, wie zum Beispiel der Mediennutzung der Zielgruppe, dem Typ des

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beworbenen Produktes oder der VerfUgbarkeit des Mediums, beurteilen (Kot-ler/Bliemel 1999, S. 992 ff.).

Nach der Entscheidung der WerbetrSgergattung sind spezielle Werbetrdger zu ermitteln, die zielgruppengenau und kosteneffektiv die gewunschte Kommunikati-onsleistung erbringen. Da die Auswahl an Werbetragem in Deutschland sehr groB ist, stutzt sich der Medienplaner auf Medienanalysen und Kennzahlen, die bei-spielsweise von Forschungsinstituten oder Medienverbanden zur Verfiigung ge-stellt werden. Zur Preis-Leistungs-Beurteilung eines Werbetragers sind Beurtei-lungsgroBen einzubeziehen, wie zum Beispiel das Tausender-Kosten-Kriterium (Preis fur 1.000 Kontaktchancen), die Zielgruppengenauigkeit des Werbetrager-publikums oder das redaktionelle Umfeld (Prestige und Glaubwurdigkeit des Wer­betragers).

SchlieBlich umfasst die Werbestreuplanung neben der Auswahl der Werbetrager-kategorien und der speziellen WerbetrSger auch die Entscheidung, wann und wie oft die Werbebotschaften geschaltet werden {Timing des Medieneinsatzes) (Kotler/ Bliemel 1999, S. 1006 ff.).

E Werbeerfolgskontrolle

Zur Beurteilung der Leistungsfahigkeit von WerbemaBnahmen existieren eine Vielzahl von Verfahren, welche nach dem Kriterium des zeitlichen Einsatzes in Pretests (vor Schaltung der Werbemafinahme) und Posttests (nach Schaltung der WerbemaBnahme) unterteilt werden k5nnen (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 21). Weiterhin lassen sich die verschiedenen BewertungsmaBstabe danach differenzie-ren, ob sie die auBerokonomische (Werbekontakte und kommunikative Wirkung) oder die okonomische Zielerreichung (Verkaufswirkung) der Werbung messen.

(a) Kontrolle der Werbestreuung

Die Kontrolle der Werbestreuung ist deshalb von groBer Bedeutung, da es Voraus-setzung flir jegliche Werbewirkung ist, dass Kontakte der Werbemittel mit der Zielgruppe zustande kommen (Simon/Mohrle 1993, S. 546). Wichtige ZielgroBen der Streuplanung sind:

Reichweite = Anzahl der Personen mit mindestens einem Kontakt. Kontakt- = Gesamtzahl der Kontakte liber Personen und Werbetrager. summe Kontaktver- = Anzahl der Personen mit einem, zwei, drei usw. Kontakten. teilung Share of = Kontaktanteil einer Marke an der Gesamtheit alier Kontakte Voice in der betreffenden Produktklasse. Share of = Durchschnittlicher individueller Kontaktanteil einer Marke Mind (je Zielperson).

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(b) Kontrolle der kommunikativen Wirkung

Die Methoden zur Beurteilung der kommunikativen Leistungsfahigkeit von Wer-bebotschaften und ihrer Ausgestaltung werden in der Praxis unter dem Oberbegriff „Copytest" zusammengefasst. Sie konnen vor oder nach der Verbreitung der Wer-bebotschaft eingesetzt werden (Kotler/Bliemel 1999, S. 1011 ff..). Dominierende Beurteilungsmethode ist die Befragung. Bei der direkten Befragung beurteilen Verbraucher oder Experten unterschiedliche Werbeanzeigen anhand mehrerer vorgegebener Kriterien. Neben der Befragung gewinnen zunehmend apparative Messverfahren an Bedeutung. Hierbei werden die physiologischen Reaktionen (wie z.B. Anderungen im Hautwiderstand, Blutdruck, Herzschlagrythmus, Pu-pillenweite) von Testpersonen auf die Darbietung von unterschiedlichen Werbe-botschaften in einem Labor untersucht (Kotler/Bliemel 1999, S. 1012).

Es existieren eine Reihe von Messkriterien, anhand derer die kommunikative Wir­kung der Werbebotschaften mit Hilfe dieser Verfahren getestet werden kann:

Die Aufmerksamkeit des Botschaftsempfangers als bewusste selektive Zuwendung zu dem dargebotenen Werbereiz ist ein bedeutendes Werbewirkungskriterium in der Friihphase der Informationsverarbeitung. Aufmerksamkeit als kognitive Reak-tion kann im Rahmen von Werbetests durch eine Vielzahl von Verfahren, wie zum Beispiel apparative Blickregistrierung oder diverse Befragungsverfahren gemessen werden (Steffenhagen 1995, S. 2682; Zerres/Zerres 1998, S. 163).

Die Prdgnanz einer Werbebotschaft ist wichtig, da durch hohe Pragnanz die rich-tige Identifikation zentraler Werbethemen auch bei flUchtiger Betrachtung sicher-gestellt wird (Huth/Pflaum 1996, S. 248). Die Pragnanz lasst sich apparativ ermit-teln, indem ein Tachistoskoptest oder ein Blickregistrierungsverfahren eingesetzt wird(Pepelsl996, S. 199).

Um den Gesamteindruck einer Werbebotschaft zu erfassen oder aber zwecks Ver-besserung von Anzeigen Hinweise iiber differenzierte Eindrucksqualitdten zu erhalten, kann der Werbetreibende direkte Befragungen einsetzen. Hierbei beurtei­len die Befragten die Werbebotschaft auf Ratingskalen anhand vorgegebener Fra-gen oder Kriterien, wie zum Beispiel sympathisch, natiirlich, aussagekraftig, har-monisch oder dynamisch (Kotler/Bliemel 1999, S. 1014).

Ein in der Praxis sehr haufig anzutreffendes Werbeziel ist der Auf- oder Ausbau von Markenbekanntheit. Die Messung werbebedingter Kenntnisse kann aus-schlieBlich befragungsgesttitzt erfolgen, wobei zwischen der Wiedererkennung (Recognition) und Erinnerung (Recall) differenziert werden kann. Zur Ermittlung der Wiedererkennung werden dem Probanden Erinnerungshilfen, wie zum Beispiel Hinweise auf die Produktkategorie oder die Marke, von der die betreffende Wer-bung handelt, vorgegeben (Steffenhagen 1995, S. 2686). Im „Starch-Test" wird die Wiedererkennung von Zeitschriftenanzeigen beispielsweise dadurch gemessen, wie viel Prozent der Leser eine Anzeige filiher schon bemerkt haben, sie gesehen haben und zuordnen konnen sowie den GroBteil der Anzeige gelesen haben. Das WerbewirkungsmaB Erinnerung (Recall) fordert vom Befragten mehr Gedachtnis-leistung. Bei dieser ungestutzten Erinnerungsmessung fehlt jede Gedachtnishilfe.

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Die Befragten mussen sich hierbei an Anzeigen in einem bestimmten Medium erinnem und das Werbeobjekt (Marke, Thema) dokumentieren (Zerres/Zerres 1998, S. 163 f.; Schnapka 2000, 338 ff..).

Des Weiteren interessiert unter Werbewirkungsaspekten, ob die Werbung zu Ein-stellungsverdnderungen bei den Testpersonen geflihrt hat (Zerres/Zerres 1998, S. 165). Einstellungen als wertende EinschStzungen, die eine Person einem Objekt Oder Subjekt entgegenbringt, konnen im Hinblick auf die Werbung selber, das beworbene Objekt oder ein bestimmtes Verhalten erfasst werden (Steffenhagen 1995, S. 2687 f.). Werbewirkungsmessungen, die auf Einstellungen abzielen, kon­nen sich einiger weniger Rating-Skalen zur pauschalen Erfassung von Einstel-lungsfacetten bedienen oder aber umfangreicherer Skalen, um eigenschaftsbezo-gene Urteile detaillierter zu erfassen. (Kotler/Bliemel 1999, S. 1014).

Werbung kann auch zum Ziel haben, eine Anderung der Kaufabsicht beim Ziel-publikum zu bewirken (Schenk/Donerstag et al. 1990, SA. 196 f.). Die Kaufab­sicht kann im Rahmen einer direkten Befragung gemessen werden, bei der die Be­fragten auf einer abgestuften Skala die Starke ihrer Kaufabsicht deklarieren sollen. Solche Messungen sind jedoch lediglich dann von Nutzen, wenn sie regelmafiig uber langere Zeitabschnitte oder vor und nach einer Werbekampagne durchgefiihrt werden, weil nur so die Gultigkeit der Daten beurteilt werden kann (Kotler/Blie­mel 1999, S. 1014 f.).

Zusammenfassend ist bezuglich der Gute von Werbewirkungsmessungen festzu-halten, dass bei jeglicher Erfassung dauerhafter Gedachtnisinhalte, wie Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensabsichten, eine Vorher-Messung („Nullmessung") durchgefiihrt werden musste, um sicherzustellen, dass die Gedachtnisinhalte nicht aus anderweitigen Informationsquellen resultieren (Steffenhagen 1995, S. 2689).

(c) Verkaufswirkung

Wie eingangs bereits erwahnt, ist die Verkaufswirkung der Werbung im Allgemei-nen schwerer zu messen als die Kommunikationswirkung, da der Absatz eines Untemehmens von vielen verschiedenen Faktoren und nicht nur von der Werbung beeinflusst wird (Erichson/Maretzki 1993, S. 557). Dazu zahlen die allgemeine Marktsituation (z.B. Wirtschaftslage, Konkurrenzverhalten) oder andere Elemente des Marketing-Mix (z.B. Preisstellung und Verfiigbarkeit des Produktes). Eine Isolierung der Faktoren ist in der Praxis auBerst schwierig, zumal diese selten liber mehrere Perioden hinweg konstant sind (Zerres/Zerres 1998, S. 163). Des Weite­ren ist es auf Grund der Verbund-Interdependenz der einzelnen Kommunikations-maBnahmen kaum m5glich, Synergieeffekte flankierender MaBnahmen der Werbe-politik, wie zum Beispiel MaBnahmen der Verkaufsforderung oder der PR-Arbeit, herauszuarbeiten. Auch sind die Zeitverzogerung von Werbewirkungen sowie „Carry-Over-Effekte" von vorangegangenen Kampagnen zu beachten, die eben-falls schwierig festzustellen sind (Pickert 1994, S. 129; Bruhn 2003, 414).

Erst die Einfiihrung von Scannerforschung und computergestiitzten statistischen Auswertungsverfahren in den achtziger Jahren ermoglichte die Entwicklung von Markttest-Verfahren, Mittels dieser Verfahren kann der Zusammenhang zwischen

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Verkaufsdaten und Werbeinvestitionen und damit der okonomische Werbeerfolg berechnet werden, da der Einfluss der anderen Marketing-Mix-Faktoren kontrol-lierbar wird (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 22).

In Deutschland bieten die Marktforschungsinstitute GfK und Nielsen die Nutzung von Mikrotestmdrkten an, urn abzuschatzen, inwiefem Werbung zu Erst- und Wie-derholungskaufen anregt: Der „Behavior Scan" (GfK) und „Telerim" (Nielsen). In diesen Mikro-Markttests wird das Konsumentenverhalten durch Haushaltspanels erfasst, der Abverkauf in den L^en durch Scannerkassen kontrolliert (iiber EAN-Strichcode und Identitatskarten) und der Medieneinsatz ortlich gesteuert (Kotler, /Bliemel 1999, S. 1010 f.). In Gebietsverkaufstests als regionalen TestmSrkten konnen Untemehmen ihre Produkte sowie einzelne Marketing-Mix-Parameter vor der eigentlichen Produkteinfiihrung auf ihre Verkaufswirkung hin testen (Nieschlag/Dichtl et al. 2002, S. 1109). Des Weiteren konnen Testmarktsimulatio-nen im Labor durchgefuhrt werden, um das Einkaufsverhalten ausgewahlter Pro-banden zu uberpriifen (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 22).

Im Zusammenhang mit Markttests und der Messung des okonomischen Werbeer-folges kommt multivariaten statistischen Methoden eine entscheidende Bedeutung zu (Erichson/Maretzki 1993, S. 537). Bei der Modellierung wird versucht, alle zur Verfugung stehenden Markt- und Konsumentendaten in mathematischen Ana-lysemethoden, meist in Regressionsanalysen, zu verarbeiten. Marktforschungsinsti­tute bieten Standardmodelle an, wie zum Beispiel Nielsen mit dem Modell „Brand Choice" (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 23).

Ein wichtiges Verfahren zur Analyse des Werberfolges sind auBerdem Tracking-Studien, in denen eine kontinuierliche Bewertung von Werbekampagnen anhand festgelegter Erfolgskriterien stattfindet (Berekoven/Eckert et al. 1999, S. 185).

Die bisherigen Ausfuhrungen zeigen, dass die Herausforderung fur das Werbe-management nicht darin besteht, den Werbeerfolg methodisch zu ermitteln: Die Marktforschung bietet eine breite Palette von Verfahren und Messkriterien an. Kritisch ist es vielmehr, das geeignete Messinstrument auszuwahlen. Ein allge-mein-gultiges Instrumentarium existiert jedoch nicht - die optimale Vorgehenswei-se ist vielmehr abhangig von der jeweiligen Problemstellung des Werbetreibenden (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 24). Zudem ist eine effiziente und effektive Daten-erhebung und -bewertung entscheidend, um eine unwirtschaftliche Informationsge-winnung zu vermeiden, die nicht dazu beitragt, die relevanten Sachverhalte abzu-bilden. In diesem Zusammenhang nimmt das Werbecontrolling eine steuemde und strukturierende Funktion ein, indem es den Prozess der Informationsgewinnung zum Beispiel durch die Bereitstellung von werblichen Kennzahlensystemen unter-stutzt (Reichmann 2001, S. 23).

Wie eingangs erwahnt, ist es Aufgabe der Werbeerfolgskontrolle die Effektivitat und Effizienz des Werbeeinsatzes zu prtifen. Dies beinhaltet neben der geschilder-ten Kontrollaktivitaten auch eine gesamthafte rtickblickende Revision des gesam-ten Prozesses der Werbeprogrammplanung. Es gilt sicherzustellen, dass die Wer-beziele im Hinblick auf Zielgruppe, kommunikative Aufgabe und Planperiode ausreichend konkretisiert, das Werbebudget sinnvoU auf die Werbetrager verteilt

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und die Werbewirkungsanalysen richtig durchgefuhrt wurden (Pepels 1996, S. 95). So ist hinsichtlich der Aktivitaten der Werbeerfolgskontrolle zu iiberprufen, ob die angewandten Verfahren den flir alle experimentellen Forschungen geltenden For-derungen nach Objektivitat, Validitat, Reliabilitat, ReprSsentativitat und Sensitivi-tat gerecht werden (Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 24). Die Werbeerfolgskontrolle ist als Instrument des Werbecontrolling jedoch nur ein Bestandteil eines effizien-ten und effektiven Controlling. Um die optimale Allokation der Werbeinvestitio-nen zu gewahrleisten und zu uberpriifen, ist es unerlSsslich, Kennzahlensysteme zu etablieren sowie eine Werbekostenrechnungen (Ermittlung und Zurechnung der Werbekosten) und ein kontinuierliches Werbekostenmanagement (Kostenbeein-flussungsmaCnahmen) als Elemente der instrumentellen Controllingdimension einzurichten (K5hler 1993, S. 356; Bauer/Meeder et al. 2000b, S. 25).

3 Public Relations (PR)-Coiitrolling

(1) Begriffsabgrenzungen

Public Relations (PR) beziehungsweise Offentlichkeitsarbeit ist ein Instrument der Kommunikationspolitik, das die bewusste Planung, Organisation, Durchfuhrung und Kontrolle solcher Untemehmensaktivitaten umfasst, mit denen bei bestimmten extemen und intemen Interessengruppen Verstandnis und Vertrauen geschaffen beziehungsweise gepflegt wird (P.F./Sch., K. 2001, S. 1443). Primares Ziel von PR ist die also die Pflege und Gestaltung der Beziehung zur Offentlichkeit, die Absatzforderung ist eine sekundSre Aufgabe (Osmann 2005, S. 4). Hinsichtlich der Erscheinungsformen von PR kann unterschieden werden, ob die PR bestimmte Leistungsattribute von Produkten oder Dienstleistungen herausstellt (leistungsbe-zogene PR), ein Untemehmensleitbild prasentiert (untemehmensbezogene PR) Oder gesellschaftsbezogene Handlungen des jeweiligen Untemehmens kommuni-ziert (gesellschaftsbezogene PR). Die Aktivitaten dieser PR-Formen unterscheiden sich bezuglich der Zielgruppen- und Absatzorientierung, des Ausmafies der Infor-mationsvermittlung und der Imagebildung, der Kontinuitat und des zeitlichen Ho-rizontes. So ist beispielsweise ein leistungsbezogenes PR starker zielgruppen- und absatzorientiert und informativer als untemehmens- oder gesellschaftsbezogene PR. Letztere sind wiederum kontinuierlicher und langfi-istiger angelegt und zeich-nen sich durch hOhere Imagebildung aus (P.F./Sch., K. 2001, S. 1443).

PR-Controlling unterstUtzt das PR-Management, indem es unter Einsatz spezieller PR-Controlling-Instrumente in den Phasen der Planung, Durchfiihrung und Kon­trolle auf operativer und strategischer Ebene informiert und koordiniert (Krause, 1996, S. 62; Bauer/Meeder et al. 2000a, S. 9).

(2)PR-Konzept

Der Einsatz von ControUinginstrumenten und die Durchfiihrung einer PR-Erfolgskontrolle setzt voraus, dass der entsprechende PR-Prozess beziehungsweise der Ablauf der PR-Konzeption analysiert wird (Osmann 2005, S. 44). Das PR-

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Konzept beinhaltet die integrierte Planung, Durchfuhrung und Erfolgskontrolle von operativen und strategischen PR-Aktivitaten. Die PR-Aktivitaten orientieren sich dabei an den Untemehmensleitlinien sowie an den anderen Bereichskonzepti-onen und die kommunikativen Zielsetzungen richten sich an denen der Gesamtun-temehmung sowie dem situativen Umfeld aus (Pflaum/Linxweiler 1998, S. 73). Der Ablaufplan eines PR-Konzeptes iSsst sich in funf Phasen teilen, die wiederum in einen fortlaufenden und andauemden Controlling-Prozess eingebunden sind: Analysephase, Planungsphase, Konzeptionsphase, Umsetzungsphase und Evalua-tionsphase.

A PR-Analysephase

In der PR-Analysephase erfolgt im Rahmen der Problemdefinition zuerst eine Beschreibung des Anlasses fur aktive Kommunikationsarbeit. Um ein objektives, aktuelles Bild beztiglich aller kommunikationspolitisch relevanten Variablen zu erhalten und konkrete kommunikative Problemstellungen herausarbeiten zu kon-nen, wird anschlieBend eine Situationsanalyse (Ist-Analyse) durchgefuhrt. Dabei sind neben untemehmensextemen auch untemehmensinteme Faktoren zu beriick-sichtigen (Siihling 1996, S. 114 ff.). Die Soil-Analyse basiert auf den herausgear-beiteten kommunikativen Problemstellungen (z.B. Kundenbindungs- oder Image-profilierungsproblem) und formuliert unter Berucksichtigung der Untemehmens-und Marketingziele generelle PR-Ziele (Bruhn 2003, S. 129).

B PR-Planungsphase

Die PR-Planungsphase beginnt mit einem SoU-Ist-Vergleich, in dem den Ergeb-nissen der Situationsanalyse die generellen PR-Ziele gegenubergestellt werden, um spezifische PR-Ziele formulieren zu konnen. Ahnlich der Systematisierung der Werbeziele lassen sich PR-Ziele in 5konomische (z.B. Steigerung des Deckungs-beitrages) und psychologische ZielgroBen (z.B. Verbesserung des Unter-nehmensimages) unterteilen (Bruhn 2003, S. 129). Ebenso ist es bei der Formulie-rung der PR-Ziele im Hinblick auf die Ergebniskontrolle wichtig, Bewertungs-mal3stab der Zielerreichung, Zeithorizont, Verantwortliche sowie Mittel zur Zieler-reichung festzulegen (Osmann 2005, S. 52). Bei der Messung des Zielerreich-ungsgrades der avisierten PR-Wirkungen, wie zum Beispiel der Steigerung des Untemehmensimages, stellt sich fiir das PR-Controlling, wie bei der Werbeerfolgs-kontrolle auch, das Problem der „Zurechnungsvaliditat": Da die verschiedenen Marketing-Mix- und Kommunikationsaktivitaten integrativ miteinander verzahnt sind, ist die Wirkung der einzelnen kommunikativen MaBnahmen meist nur sehr schwierig zurechenbar (Steffenhagen 1995, S. 2690 f.). Nach Festlegung der PR-Ziele erfolgt in einem nachsten Schritt die Entscheidung fur die entsprechende PR-Botschaft, deren Inhalte sich aus den defmierten Zielen ableiten. Diese Entschei­dung kann auch als Strategiewahl bezeichnet werden, da mit den PR-Botschaften diverse strategische Ansatze verfolgt werden kSnnen: Bekanntmachungsstrategie, Informationsstrategie, Imageprofilierungsstrategie, Konkurrenzabgrenzungsstrate-gie, Zielgruppenerschliefiungsstrategie, Kontaktanbahnungsstrategie und Scha-densvermeidungsstrategie (Osmann 2005, S. 55).

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C PR-Konzeptionsphase

Die sich anschlieBende PR-Konzeptionsphase kann in vier Unterschritte unterteilt werden. Zuerst werden der Mafinahmenplan erstellt und die entsprechenden PR-Instrumente ausgewahlt. Diese beiden Schritte geben vor, wie die PR-Ziele er-reicht werden sollen. In diesem Zusammenhang wird im Rahmen der PR-Copy-strategy das PR-Grundkonzept inhaltlich fixiert (z.B. Reason-Why, Tonality), die PR-Mittel Oder -Instrumente ausgewahlt (z.B. Events, Pressearbeit) und die PR-Medien bestimmt (z.B. TV, Print, Internet). Der dritte Schritt der Kon-zeptionsphase beinhaltet die Zeitplanung der PR-Aktivitaten. Hierbei soil sicher-gestellt werden, dass die ausgewShlten Mafinahmen zur richtigen Zeit im richtigen Medium wirksam werden. Den Abschluss der Konzeptionsphase bildet die Budge-tierung, welche die finanziellen Mittel festlegt, die zur Deckung der Planungs-, Durchfiihrungs- und KontroUkosten samtlicher PR-Aktivitaten in einer vorgegebe-nen Planungsperiode zur Erreichung der gesetzten PR-Ziele notwendig sind (Bruhn 2003, S. 187). Die in Theorie und Praxis existenten Methoden zur Festle-gung des PR-Budgets entsprechen denen, die im Rahmen der Werbeeffizienz-kontrolle in diesem Beitrag skizziert wurden (Pflaum/Linxweiler 1998, S. 223 f.).

D Umsetzungsphase

Im Mittelpunkt der Umsetzungsphase steht die Implementierung des erarbeiteten PR-Konzeptes. Aus Controlling-Gesichtspunkten kommt hier einer optimalen Nutzung sowie dem zielorientierten Einsatz der Kapazitaten eine entscheidende Rolle zu, die sich an den im Rahmen der vorherigen Phasen gesetzten Prioritaten orientieren. So sollten beispielsweise potenzielle Kapazitatenengpasse bereits in der Zeitplanung berticksichtigt worden sein. Es konnen in Abhangigkeit der getrof-fenen PR-Instrumente- und PR-Medienentscheidungen sowie der avisierten Ziel-gruppe und der PR-Botschaft vier Grundtypen der kommunikativen Umsetzung der PR-Mafinahmen unterschieden werden: die personliche Ansprache (z.B. Ge-sprache auf Messen), PrSsenzveranstaltungen (z.B. Vortrage, Kongresse), die direkte mediale Ansprache (z.B. Emails, Faxsendungen) sowie die Ansprache durch Massenmedien (z.B. Image-Anzeigen, Pressemitteilungen) (Osmann 2005, S. 70).

E Evaluationsphase

Den Abschluss des PR-Konzeptes bildet die Evaluationsphase, in deren Rahmen die PR-Ergebnisse bewertet werden. Ein PR-spezifisches Instrument zur Wir-kungsmessung der eingesetzten Mafinahmen stellt die Medienresonanzanalyse als besondere Form der Inhaltsanalyse dar (Brosius/Koschel 2001, S. 158; Bonfadelli 2002, S. 179). Sie hat zum Ziel, die Haufigkeit der Beitrage oder Nennungen und Meinungstendenzen zu ermitteln sowie die Medienberichterstattung mit konkreten PR-Mal3nahmen zu vergleichen. Hierzu wird zunachst das Medienmaterial erfasst und eine Ubersicht der Medienprasenz erstellt. Die Daten werden anschliefiend quantitativ (z.B. Meldungen pro Medienart) sowie qualitativ im Hinblick auf die gesetzten Ziele analysiert und elektronisch erfasst. AnschlieBend werden die Er-gebnisse der Medienresonanzanalyse ubergreifend bewertet und daraus Empfeh-lungen fur weiterfiihrende PR-Ma6nahmen abgeleitet. Die Medienresonanzanalyse

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unterscheidet verschiedene Analysetypen, dazu gehoren die Langzeit-Clip-Tracking-Analyse, die Ad-hoc-Evaluationsanalyse, die Input-Output-Analyse sowie die Umfeldanalyse (Osmann 2005, S. 78). Bei der Langzeit-Clip-Tracking-Analyse liegt der Schwerpunkt, analog zu den Werbe-Tracking-Studien, auf einer langfristigen Beobachtung und Bewertung, wobei eine groBere, nach Themenge-bieten differenzierte Menge von Presseausschnitten (Clippings) insbesondere hin-sichtlich der Imageentwicklung des Untemehmens analysiert wird (Bonfadelli 2002, S. 180). Die Ad-hoc-Evaluationsanalyse ist in der Regel als Querschnitts-analyse angelegt und iiberprtift, ob die Medienresonanz mit den Inhalten und Zie-len der Kampagne iibereinstimmt. Dieses Verfahren zielt auf den Durchdringungs-grad von Themen, deren regionale Verteilung oder auf die erreichten Medien (Bonfadelli 2002, S. 180 f). Im Rahmen der Input-Output-Analyse werden die vom Untemehmen ausgehenden kommunikativen MaBnahmen mit der Wiedergabe dieser MaBnahmen in der Presse verglichen. Hierbei wird auch uberpruft, ob sich das Verhaltnis von Selbstinitiierung und Fremdinitiierung der Medienresonanz nahe dem als optimal angesehenen Verhaltnis von 70:30 bewegt (Avenarius 2000, S. 129). Umfeldanalysen werden durchgefiihrt, um eigene PR-Aktivitaten mit MaBnahmen der Konkurrenz vergleichend zu bewerten. Hierzu konnen die folgen-den Medienkennzahlen herangezogen werden (Osmann 2005, S. 96 f):

Share of PR- = Eigene PR-Aufwendungen im Verhaltnis zu den Spendings PR-Gesamtaufwendungen der Branche

Share of Voice = Anzahl der durch eigene MaBnahmen gewonnenen Kontakte im Verhaltnis zu den Gesamtkontakten der Branche

Share of Mind = Anzahl der durch eigene PR-MaBnahmen erreichten Kontakte pro Zielperson im Verhaltnis zu den Ge­samtkontakten pro Zielperson in der Branche

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass es Aufgabe des PR-Controlling ist, sicherzustellen, dass sich die Medienresonanzanalyse nicht in der Darstellung der Ergebnisse erschopft, sondem vielmehr ein Transfer der gewonnenen Erkenntnisse auf die betriebliche PR erfolgt. Auch wenn die Medienresonanzanalyse keine Aus-sagen tiber die Wahmehmung und Wirkung der PR-MaBnahmen macht, gibt sie doch AnstoBe fflr weitere durchzuflihrende Evaluationsanalysen. So kann die MaB-nahmenwirkung beispielsweise im Rahmen von Meinungsforschung dutch Befra-gung, Beobachtung oder Imageanalyse bei den jeweiligen Zielgruppen - analog zum Vorgehen bei der Werbeerfolgskontrolle - festgestellt werden (Bogner 1999, S. 322 f).

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4 Sales-Promotion-Controlling

(1) Begriffsabgrenzungen

Die zentralen Objekte des Sales-Promotion-Controlling sind Sales Promotions beziehungsweise Verkaufsforderungsaktionen. Hierunter sind zeitlich befristete MaBnahmen mit Aktionscharakter zu verstehen, die andere Marketing-MaBnahmen unterstutzen und den Absatz bei Handlem und Konsumenten fbrdem sollen (Ge-denk 2002, S. 11). Sales Promotions sind per definitionem zeitlich begrenzt, wo-bei es sich nicht notwendigerweise um einmalige Aktionen handeln muss. So kann beispielsweise eine an ein saisonales Motto gebundene Verkaufsforderungsaktion durchaus wiederholt werden. VerkaufsforderungsmaBnahmen zeichnen sich zu-dem durch einen Aktionscharakter aus. Darunter ist neben der zeitlichen Begren-zung eine Bundelung verschiedener Verkaufsforderungsinstrumente zu verstehen. So werden etwa in der deutschen Nahrungsmittelbranche bei vielen Sales Promo­tions eine Preissenkung, eine Kommunikation im Handzettel und eine Zweit-platzierung am Point of Sale (POS) kombiniert (Blattberg/Neslin 1990, S. 2; Ru-schen 1998, S. 13). Weiterhin unterstUtzt die Verkaufsforderung typischerweise andere Marketing-MaBnahmen. Dabei werden die bestehenden Produkt- und Leis-tungseigenschaften durch den Einsatz verkaufsfbrdemder Aktivitaten mit einem Zusatznutzen versehen. Die Verkaufsforderung soil dabei zusatzliche, auBerge-wohnliche Verkaufsanreize schaffen (Bruhn 2003, S. 281; Zerres/Zerres 1998, S. 165; Cristofolini 1989, S. 455; Diller 1984, S. 494). Als Zielgruppen der Ver­kaufsforderung sind zum einen die Handler, zum anderen die Konsumenten zu unterscheiden. Damit werden MaBnahmen und Anreize, die auf den eigenen Au-Bendienst gerichtet sind, ausdriicklich nicht unter dem Begriff Verkaufsforderung subsumiert. Diese Fokussierung der Definition auf zwei Zielgruppen ist not-wendig, um betrachtliche Uberschneidungen des Sales-Promotion-Controlling mit dem Vertriebs- und Personal-Controlling zu vermeiden (Bruhn 2003, S. 281; Ge-denk 2002, S. 12; Blattberg/Neslin 1990, S. 3; Hruschka 1996, S. 175f; Stoiber 1996, S. 8). Die Bedeutung der Verkaufsforderung hat im Zeitablauf zugenom-men: heute entfallt in der deutschen Konsumgtiterindustrie etwa ein Drittel des gesamten Kommunikationsbudgets auf die Verkaufsfbrderung (vgl. GfK/Wirt-schaftswoche 2004, S. 16; Heerde/Leeflang/Wittmk 2002, S. 201). In einzelnen Produktkategorien werden mehr Produkte im Rahmen von Aktionen als im Nor-malgeschaft verkauft: Spitzenreiter beim Anteil des Aktionsgeschaftes am gesam­ten Absatz ist Rostkaffee (68 Prozent), gefolgt von Sekt (54 Prozent) und Wein-brand (44 Prozent) (vgl. Gedenk 2002, S. 42). Untemehmen setzen Sales Promoti­ons ein, um Mehrverkaufe zu erzielen, die bei erfolgreichen Aktionen nicht selten in Gr5Benordnungen von mehreren hundert Prozent uber den Normalverkaufen liegen (vgl. Ballin/Braun/Kopka 2002, S. 36; Braun/Kopka/Tochtermann 2003, S. 18). Somit stellen Sales-Promotion-Aktivitaten gleichermaBen einen wichtigen Kosten- und Erlostreiber dar.

Sales-Promotion-Controlling dient nach Becker (Becker 2000, S. 7ff., Becker 1999) der Untersttitzung einer wertorientierten Untemehmensfuhrung: Sales-Promotion-Controlling soil im Dienste der Optimierung von Effektivitat und Effi-

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zienz das Fuhrungs- und Ausfuhrungshandeln aller an Verkaufsfbrderungs-aktivitaten beteiligten Aufgabentrager eines Untemehmens auf das Ziel der Wert-schopfung ausrichten. Dazu sind die Funktionen der Informationsversorgung und der Koordination - vor allem im Bereich der Planung und Kontrolle von Verkaufs-forderungsaktivitaten - zu erfullen (Zahner 2005, S. 34).

Sales-Promotion-Controlling ist ebenso wie das Werbe-Controlling oder PR-Controlling als ein bereichsbezogenes Controllingkonzept aufzufassen. Um den Gegenstand eines Bereichscontrolling zu bestimmen, werden die allgemeinen Con-trollingfunktionen auf den jeweils relevanten Funktions- oder Geschaftsbereich eines Untemehmens ubertragen (vgl. Ktipper 2001, S. 408). Das Sales-Promotion-Controlling beinhaltet die Austibung der ControUingfiinktion innerhalb des funkti-onal zu interpretierenden untemehmerischen Bereiches der Sales Promotions. Darunter ist die gedankliche Zusammenfassung aller einzelnen Aufgaben im Un-temehmen zu verstehen, die in Zusammenhang mit der Durchfiihrung von Ver-kaufsfbrderungsaktionen stehen. Entscheidend ist hierbei nicht, dass die Auf-gaben einem bestimmten organisatorisch abgegrenzten Bereich, wie etwa dem Key-Ac­count-Management Oder dem Marketing, zugeordnet sind; vielmehr fallen Auf­gaben der Verkaufsfbrderung auch im Trade Marketing, der Logistik, der Produk-tion etc. an.

Wesentliche Zielsetzung des Sales-Promotion-Controlling ist die Effektivitat und Effizienz der Sales-Promotion-Aktivitaten. Allerdings treten bei der Bewertung der Wirkungen von Verkaufsfbrderungsmal3nahmen, vor allem im Hinblick auf deren Profitabilitat, in der Praxis oftmals Probleme auf: So konnen etwa Schwie-rigkeiten bei der Messung von Absatzwirkungen, mangelnde Verfugbarkeit brauchbarer Daten, Zurechnungsprobleme bei Kosten- und Erloskomponenten zur Bestimmung der Profitabilitat einzelner Aktionen, ein zu hoher (wahrgenom-mener) Aufwand bei der Anwendung theoretischer Promotionbewertungsmodelle oder auch mangelndes Problembewusstsein einer optimalen Ausgestaltung des Sales-Promotion-Controlling entgegenstehen. Dariiber hinaus wird die Bewertung von VerkaufsfbrderungsmaBnahmen in vielen Untemehmen bis heute oftmals vemachlassigt. Einer Studie zufolge analysieren lediglich 22 Prozent den Erfolg dieses Instrumentes regelmafiig; fast doppelt so viele verzichten ganz darauf -obwohl diese Analysen von den Ftihrungskraften als wichtig eingeschatzt werden (vgl. Reinecke/Tomczak 2001, S. 79). Genau an diesen Defiziten setzt die integra­tive Konzeption des Sales-Promotion-Controlling an.

(2) Integrative Konzeption des Sales-Promotion-Controlling

Die Differenziertheit und Dynamik in der Ausgestaltung von Verkaufsfbrderungs-maBnahmen, die sich einerseits durch die Vielzahl verschiedener moglicher Aktio­nen, andererseits durch die standige Entwicklung neuer Formen der Sales Promo­tions, wie beispielsweise innovativer VerkaufsfbrderungsmaBnahmen unter Nut-zung neuer Medien, ergeben, fiihren zu einer Komplexitat, die sich nur im Rahmen einer integrativen Konzeption des Sales-Promotion-Controlling (SPC) adaquat abbilden lasst. Der im Folgenden dargestellte Konzeptrahmen leistet dazu eine Systematisierung der Einzelelemente des SPC -Aufgaben, Aufgabentrager, In-

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strumente etc. - und ihrer jeweiligen Gestaltungspotenziale - beispielsweise Ein-satz eines aufwendigen versus Einsatz eines weniger au^endigen Instrumentes. Zugleich sind die Elemente des Sales-Promotion-Controlling dabei in eine gesamt-hafte Konzeption eingebunden, die eine integrative Betrachtung der einzelnen Bestandteile sowie ihrer Gestaltungspotenziale und Interdependenzen ermoglicht (vgl. Zahner 2003, S. 246ff.):

Integrative Konzeption des Sales-Promotion-Controlling

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Quelle: Zahner (2003), S. 246, in Aniehnung an Becker (1999), S. 11.

Abb. 17.2: Integrative Konzeption des Sales-Promotion-Controlling

Die einzelnen Elemente der integrativen Konzeption des Sales-Promotion-Controlling werden im Folgenden naher erlautert. Die hierbei beschriebenen Ges­taltungspotenziale sind das Ergebnis einer 2004 durchgefuhrten qualitativen Stu-die zum Sales-Promotion-Controlling in der deutschen Nahrungsmittelbranche (vgl. Zahner 2005, S.272ff.).

A SPC-Philosophie

Die SPC-Philosophie beinhaltet das Grundverstandnis des Controlling und wirkt sich daher auf alle anderen Bestandteile des Konzeptes aus. Die Gestaltungs­potenziale der SPC-Philosophie als kulturelles und damit stark an die Verhaltens-weisen von Mitarbeitem gebundenes Element lassen sich anhand der drei grund-satzlichen Controller-Typen abbilden: den historisch-buchhaltungsorientierten Controller-Registrator, der vor allem Dokumentationsfimktionen wahmimmt, den gegenwarts- und aktionsorientierten Controller-Navigator, der auf Lenkungshilfe fokussiert, und den zukunfts-, strategic- und managementsystemorientierten Cont-

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roller-Innovator, der auf antizipative Problemlosung ausgerichtet ist. Fur die Aus-gestaltung der SPC-Philosophie kommen sowohl der gegenwarts- und aktions-orientierte Controller-Navigator als auch der zukunfts- und managementorientierte Controller-Innovator in Frage. Insbesondere erscheint eine integrierte Wahmeh-mung der Funktionen der Dokumentation, Lenkungshilfe und antizipativen Prob-leml5sung Erfolg versprechend. Dagegen kann eine allein historisch-buchhalte-rische Orientierung als mit dem wertorientierten SPC nicht kompatibel eingestuft werden (vgl. Zahner 2005, S. 304ff.).

B SPC-Leitbild

Zur Kommunikation der SPC-Philosophie kann ein SPC-Leitbild dienen, das als Transfermedium die Grundsatze der Controllingarbeit in griffigen und realisti-schen Aussagen formuliert und an die mit Sales Promotions befassten Mitarbeiter und die "intemen Kunden" des SPC vermittelt. Neben allgemeinen Gestaltungs-anforderungen stellen hierbei vor allem der Kodifizierungsgrad (schriftlich versus mlindlich) und die Art der Erstellung (partizipative Erarbeitung versus Vorgabe) wesentliche Freiheitsgrade dar. Die Relevanz einer schriftlichen Fixierung des SPC-Leitbildes ist aus empirischer Sicht nur emgeschrankt gegeben: Personliches Vorbild und Ruckendeckung durch das Management sind tendenziell als wichtiger fur die Durchsetzung des SPC anzusehen. Demzufolge konnen hinsichtlich der konkreten Vorgehensweise bei der Erstellung eines SPC-Leitbildes nur allgemeine Aussagen getroffen werden, die sich an der prinzipiellen Vorteilhaftigkeit einer partizipativen Mitarbeiterfiihrung orientieren (vgl. Zahner 2005, S. 306ff.).

C SPC-Ziele

Im Rahmen der untemehmerischen Zwecksetzung und des obersten Zieles der langfristigen Existenzsicherung lassen sich Zielsetzungen fiir das SPC ableiten. Wesentliche Gestaltungspotenziale der Ziele eines wertorientierten Sales-Promotion-Controlling sind die Erzielung von Deckungsbeitragen durch eine Ver-besserung des Sales-Promotion-Programmes, die Schaffung von Transparenz iiber die Ergebnisse der Aktionen, die Abstimmung der Sales-Promotion-Aktivitaten und die Unterstutzung der fur die Durchfuhrung von Sales Promotions Ver-antwortlichen. Bedeutendste Gestaltungsvariante ist hierbei die Erzielung von Deckungsbeitragen, die in der Rangfolge der empirischen Bewertung vor der Schaffung von Transparenz, der Unterstutzung der Verantwortlichen und der Ab­stimmung von Sales Promotions rangiert. Letztlich konnen die drei Zielsetzungen der Transparenz, Abstimmung und Unterstutzung als Voraussetzungen einer Op-timierung des Sales-Promotion-Programmes und der daraus resultierenden Erzie­lung von Deckungsbeitragen und damit als dessen Unterziele angesehen werden konnen. Im Idealfall wird mit dieser Verkniipfiing der einzelnen SPC-Zielsetzungen ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess initialisiert, der zu einem sukzessiven Wissenszuwachs und damit zu einer fortlaufenden Optimierung zu-kunftiger Sales-Promotion-Aktivitaten fiihrt (vgl. Zahner 2005, S. 309ff.). Die SPC-Ziele bestimmen auf Basis der SPC-Funktionen - wie etwa Informations-versorgung und Koordination - fur bestimmte SPC-Objekte - beispielsweise ein-zelne Verkaufsforderungsaktionen - die konkreten Aufgaben des SPC.

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D SPC-Funktion

Zentrale SPC-Funktion ist es, die Verkaufsfbrderungsaktivitaten eines Untemeh-mens auf die Wertschopfiing auszurichten, was im gleichen Zuge eine adaquate Informationsversorgung und Koordination erforderlich macht. Beispielsweise kann es im Untemehmen an der Zielausrichtung der Akteure mangeln, wenn Key-Account-Manager unprofitable Verkaufsfbrderungsaktionen durchfuhren, weil keine geeignete Bewertung von Promotionen etabliert ist. Hier ist das Sales-Pro­motion-Controlling gefragt, tiber den Aufbau eines entsprechenden Kontroll-systems die Handlungstrager zu steuem und ihre Zielausrichtung auf die Wert­schopfiing sicherzustellen. In einem anderen Fall ist es beispielsweise bei man-gelnder Informationstransparenz wegen einer zu undifferenzierten Deckungs-beitragsrechnung notig, diese in die Dimensionen Produkte und Kunden auszubau-en, dadurch detailliertere Inft)rmationen flir die Bewertung von Promotions bereit-zustellen, und damit der Inft)rmationsfiinktion des SPC zu geniigen. Die Koordi-nationsfiinktion kann sich etwa in der Abstimmung von Sales Promotions mit an­deren Marketing-MaBnahmen oder in einer Abstimmung der Verkaufsfbrderungs­aktivitaten bei unterschiedlichen Kunden oder Kundengruppen konkretisieren (vgl. Zahner 2005, S. 126ff.).

E SPC-Objekte

SPC-Objekte sind die Sales Promotions, die ein Untemehmen durchflihrt. Zur Systematisierung der Vielzahl existierender Sales Promotions ist eine Unter-scheidung verschiedener Ebenen entlang der Akteure Hersteller, Handler und Verbraucher hilfi-eich. So konnen Verkaufsfbrderungsaktivitaten von Herstellem fur den Handel betrieben werden (Handels-Promotions), von Herstellem flir den Konsumenten (Verbraucher-Promotions) und von Handlem flir Konsumenten (Handler-Promotions) (vgl. Blattberg/Neslin 1990, S. 4). Handels-Promotions sind etwa Sonderkonditionen, Werbekostenzuschiisse, die Bereitstellung von Dis­plays oder gewShrte Riickvergiitungsrabatte. Demgegeniiber sind Gewinnspiele, Produktzugaben, Warenproben, Aktionspackungen, Coupons oder Garantieleistun-gen den Verbraucher-Promotions zuzurechnen. Typische Handler-Promotions sind Sonderangebote und Zweitplatzierungen, oft verbunden mit einer Abbildung im Handzettel, einer Beilage oder einem Inserat, sowie Treuepramien (vgl. Gedenk 2001, S. 448).

F SPC-Aufgaben

Die beschriebenen Sales Promotions sind die Bezugsobjekte der SPC-Aufgaben, die von Aufgabentragem unter Zuhilfenahme von Instmmenten des SPC wahrge-nommen werden. Die SPC-Aufgaben sind in vier gmndlegende Aufgabenfelder zu unterscheiden: Zielbildungs- und Planungsaufgaben, Steuemngs- und Kontroll-aufgaben, Management-Rechnungs-Aufgaben und Berichts- und Beratungsaufga-ben. Im Rahmen dieser Bereiche lassen sich jeweils wiedemm eine Vielzahl ein-zelner Aufgaben identifizieren, wie beispielsweise als Steuemngs- und Kontroll-aufgaben die Erfassung, Beschaffiing und Aufbereitung von Daten (Ist-Werten) als Basis der Erfolgskontrolle, die Messung kurzfi-istiger Absatzwirkungen von Sales Promotions, die Uberpriifiing der Einhaltung vorgegebener Budgets fiir Sales

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Promotions, die Uberprtifiing der Unterstutzung des Handels, die Erfolgskontrolle und Analyse des Grades der Zielerreichung durch SolMst-Vergleiche, die Er-stellung von Abweichungsanalysen mit Angabe von Ursachen und Empfehlungen zu Korrekturhandlungen, sowie das Benchmarking eigener Sales-Promotion-Aktivitaten mit Aktionen der Konkurrenz oder des Handels. Gestaltungspotenziale bestehen hierbei in zweierlei Hinsicht; zum einen in der grundsatzlichen Moglich-keit der Selektion bestimmter Zielbildungs- und Planungsaufgaben, Steuerungs-und Kontrollaufgaben, Management-Rechnungs-Aufgaben und Berichts- und Be-ratungsaufgaben beziehungsweise der Beteiligung des Sales-Promotion-Con­trolling an einzelnen dieser Aufgaben, zum anderen bei der konkreten Wahmeh-mung ("innerhalb") einzelner Aufgaben.

Auf Basis empirischer Ergebnisse sind zumindest die folgenden Kernaufgaben zu erflillen, um die Zielsetzungen des wertorientierten Sales-Promotion-Controlling zu erreichen: Definition von Zielen und Erfolgsgrofien, Datenbeschaffung zur Planung, Uberpriifting der Unterstutzung des Handels und der Sales-Promotion-Budgets, Erfassung und Aufbereitung von Ist-Daten, Messung kurzfristiger Ab-satzwirkungen, Erfolgskontrollen mit Soll-Ist- und Ist-Ist-Vergleichen, Abwei­chungsanalysen mit Generierung von Handlungsempfehlungen und die Einrichtung eines laufenden Berichtswesens fur Sales Promotions. Zudem ist festzustellen, dass eine starke Orientierung an bewahrten Losungen, Konzepten oder Vorjahreswerten vor allem bei bestimmten Zielbildungs- und Planungsaufgaben ein Rationalisie-rungsdefizit darstellt, das einerseits der Bedeutung der Sales Promotion nicht ent-spricht und andererseits einem professionellen SPC deutlichen Optimierungs-spielraum bietet (vgl. Zahner 2005, S. 312ff.).

G SPC-Instrumente

Die Instrumente des SPC lassen sich in die drei Gruppen der instrumentellen Da-tenbasis, der Instrumente zur Messung der Absatzwirkungen von Sales Promotions und der Instrumente zur Beurteilung und Kommunikation der Erfolgswirkungen von Sales Promotions klassifizieren. Gestaltungspotenziale bestehen dabei sowohl in der generellen Selektionsentscheidung, welche Instrumente im SPC Anwendung finden und welche nicht, als auch in der konkreten Ausgestaltung der angewende-ten Instrumente. Wie bei den SPC-Aufgaben sind innerhalb der drei Bereiche ein-zelne Instrumente zu unterscheiden, etwa fur die instrumentelle Datenbasis unter-nehmensinteme Daten und Informationen des AuBendienstes, traditionelle Han-delspanels, Scanner-Handelspanels, Anzeigenpanels, Verbraucherpanels, Single-Source-Panels sowie die Absatzsegmentrechnung.

Prinzipiell unterliegt die Relevanz und Ausgestaltung der instrumentellen Ebene des SPC - wie alle anderen Elemente auch - einer Vielzahl von Einflussfaktoren, wie etwa Branchenzugehorigkeit, UntemehmensgroBe oder Verkaufsforderungs-intensitat. FUr die deutsche Nahrungsmittelbranche zeigen empirische Ergebnisse eine noch deutlichere Differenzierung der Relevanz einzelner Gestaltungs­potenziale als etwa bei den SPC-Aufgaben. Hinsichtlich der instrumentellen Da­tenbasis erscheinen zur Abdeckung des weitaus groBten Teiles des Informations-bedarfes eines wertorientierten SPC untemehmensinteme Daten, insbesondere die

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Absatzsegmentrechnung und Informationen des AuBendienstes, sowie extern zu beschaffende Scannerdaten als notwendige, aber auch hinreichende Vorausset-zung. Demgegenuber lasst die empirisch festgestellte niedrige Relevanz von Ver-braucher- und Single-Source-Panels fur das SPC darauf schlieBen, dass der Fokus der Analysen des SPC in der Praxis deutscher Nahrungsmittelhersteller vomehm-lich auf den zusatzlichen EinverkSufen an den Handel und dessen Abverkaufen an den Konsumenten liegt, und demgegenuber eine detaillierte Analyse von Effekten der Sales Promotion auf der Ebene des Konsumenten eher als zweitrangig betrachtet wird.

Zur Messung der Absatzwirkungen der herstellerinduzierten Sales Promotion in der deutschen Nahrungsmittelbranche weisen empirische Ergebnisse indirekte Modelle der Wirkungsmessung, so genannte Baseline-Ansatze, als die am haufigs-ten angewandten und am besten geeigneten Verfahren aus. Dabei liegt der Fokus der Wirkungsmessung des SPC deutscher Nahrungsmittelhersteller eindeutig auf einer Analyse der kurzfristigen Effekte von Sales Promotions auf der Ebene des Handels, um den promotioninduzierten Zusatzabsatz im Einverkauf an den Handel und im Abverkauf an die Konsumenten zu bestimmen. Demgegenuber werden langfristige Effekte von Promotions nur in EinzelfSllen untersucht.

Die Instrumente zur Beurteilung und Kommunikation der Erfolgswirkungen, wie Kennzahlen, Erfolgskontrollen mit Abweichungsanalysen, Deckungsbeitragsrech-nung fflr Sales Promotions, Berichte und die Absatz-Deckungsbeitrags-Matrix, sind fiir ein wertorientiertes SPC von besonders hoher Bedeutung. Ftir die deut-sche Nahrungsmittelbranche konnte empirisch eine breite Akzeptanz und An-wendung konstatiert werden (vgl. Zahner 2005, S. 330ff.).

H SPC'Aufgabentrdger und-organisation

Die AufgabentrSger des SPC, wie etwa Vertriebs- oder Marketing-Controller, Controller, Key-Account-Manager, Marketing-Manager, Trade-Marketing-Mana­ger, Category-Manager oder auch exteme Berater, miissen organisiert werden. Die Gestaltungspotenziale der organisatorischen Ausgestaltung des Sales-Promotion-Controlling bestehen zum einen hinsichtlich der Zuordnung der Aufgaben des SPC zu geeigneten Aufgabentragem, im Einzelnen in der Ubertragung der Aufgaben des SPC an die fiir die Durchfiihrung von Sales Promotions Verantwortlichen, der Ubertragung an (Marketing- oder Vertriebs-)Controller, der Einrichtung eines eigenen Sales-Promotion-Controllers und der Ubertragung an exteme Berater. Daruber hinaus existieren bei der Einrichtung einer Stelle fur einen Sales-Pro­motion-Controller zusatzliche Gestaltungsoptionen bezuglich der Kompetenz-ausstattung in Form von Linien-, Stabs- und/oder Zentralinstanz sowie im Hin-blick auf die Eingliederung in die bestehende Organisation, die mittels Unter-stellung unter Marketing oder Vertrieb, unter das Controlling oder nach dem "Dot-ted-Line-Prinzip" erfolgen kann.

Empirisch wurde eine PrSferenz fiir die Ubertragung der Aufgaben des SPC an Vertriebs-ControUer beziehungsweise Marketing-Controller oder (Zentral-)Con-troller festgestellt, wobei gleichzeitig in vielen Fallen auf eine temporare Unter-stUtzung durch exteme Berater zuruckgegriffen wurde, um das SPC erstmalig im

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Untemehmen zu installieren. Diese Kombination von Gestaltungspotenzialen ent-spricht zugleich am Besten den Anforderungen der Nahe zum operativen Geschaft und des Fach- und Methodenwissens, die bei erganzender Beriicksichtigung der Neutralitat der Beurteilung und Vermeidung von Uberlastung durch das Tagesge-schaft als handlungsleitende Kriterien zur organisatorischen Ausgestaltung am hCchsten gewichtet wurden. Eigene Stellen ftir Sales-Promotion-Controller exis-tierten trotz genereller Eignung dieser Gestaltungsoption zur Zeit der Studie nur sehr vereinzelt. Treiber fur die Einrichtung einer eigenen Stelle fur einen Sales-Promotion-Controller sind prinzipiell die Bedeutung der SPC-Philosophie im Untemehmen, die Gr56e des Untemehmens, die Intensitat der Sales-Promotion-Aktivitaten sowie die Verfugbarkeit adaquater FShigkeitsprofile im Untemehmen (vgl. Zahner 2005, S. 35Iff.).

Hinsichtlich der Kompetenzausstattung erscheinen sowohl die Stabs-, Linien- und Zentralinstanz relevant, wobei mit zunehmender Bedeutung der Sales Promotion als Umsatz- und Kostentreiber im Untemehmen eine starkere Steuemngsfunktion des Sales-Promotion-Controllers und damit eine deutlichere Auspragung der Li-nienkompetenzen zu erwarten ist. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit der unter-schiedlichen Gestaltungspotenziale zur Eingliederung eines Sales-Promotion-Con-trollers - Unterstellung unter Marketing oder Vertrieb, Controlling oder geteilte Weisungsrechte - kann letztlich nur situationsspezifisch auf Basis der konkreten Organisationsstruktur des jeweiligen Untemehmens erfolgen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Eingliederung eines Sales-Promotion-Controllers in die Or­ganisation prinzipiell von der gmndlegenden SPC-Philosophie und der gmndsatz-lichen Ausrichtung des Untemehmens auf Kostensenkung oder Wachstum abhangt und zudem der Eingliedemng des Marketing- oder Vertriebs-Controllers folgt (vgl. Zahner2005,S.356ff.).

SPC-Aufgaben, SPC-Instmmente und SPC-Aufgabentrager bilden gemeinsam die SPC'Struktur als bewusst gestaltetes System zur Erreichung der SPC-Ziele. Nach Festlegung dieser Stmktur sind die AblSufe zu bestimmen, also die SPC-Prozesse hinsichtlich der Aktivitaten, Zeiten und Orte zu detaillieren.

I SPC-Prozesse

Die Ausgestaltung der prozessualen Dimension des Sales-Promotion-Controlling unterliegt allgemein einer starken AbhSngigkeit von der jeweiligen Ausgestaltung der stmkturellen Komponenten des SPC. Der im Folgenden dargestellte Best-Practice-Prozess des Sales-Promotion-Controlling basiert auf einer Konsolidiemng empirischer Ergebnisse und stellt ein Instrument dar, mit dem Untemehmen die Prozesse des eigenen Sales-Promotion-Controlling je nach konkretem Anwen-dungszusammenhang ausgestalten konnen. Die folgende Abbildung zeigt diesen Best-Practice-Prozess mit den originaren Aktivitaten, den Unterstiitzungsaktivi-taten und den notwendigen Abstimmungsschleifen beziehungsweise Interaktionen des SPC:

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Best-Practice-Prozess des Sales-Promotion-Controlling

; * iMtfinitloti and Oberarbeibinis v«ia BeM^nunsskHterleti v<m Satees l>r«}ni»tl<m»

Kontrolie von Sales Promotions

Planung von Sales Promotions

Durchfuhrung I von Sales

Promotions Daten-beschaffung

Auswertung und Ergebnis-kontroile

Ableitung von MaBnahmen

Originare Aktivitaten des SPC

UnterstUtzung von Aktivitaten durch SPC

' Projektplanung ' Methodische

UnterstUtzung ' Hilfestellung und

Motivation

Abstimmung/ • Marketing Interaktion des • KAM SPC mit... • Trade Marketing

• Category Mgnt.

Quelle: Zahner (2005), S. 366.

• Beschaffung/Auf- • n/a bereitung von Daten fur Planung

• Situationsanalysen • Budgetierung • Wirkungsprognosen • Dokumentation der

Soll-Werte • Abstimmung kun-

denubergreifend und mit Marketing

> Ma&nahmenplanung • OberprUfung der

• Beschaffung/Auf-bereitung von Daten fur Erfolgskontrolle

• Ableitung von Infor-mationen aus Mana-gement-Rechnungen

' Einrichtung und Pflege von Datenbanken

' Oberprufung von Pramissen, Han-delsunterstutzung, Budgets

' Wirkungsmessung ' Ergebniskontrolle

und Abweichungs-analyse

' Standardberichte und Sonderanalysen

' Benchmarking

' n/a ' Durchfuhrung

' Steuerung der Aktion wahrend Durchfuhrung

• KAM/AuBendienst • Marktforschung » Trade Marketing • KAM/AuBendienst • Category Mgnt. • Controlling/KoRe • Logistik • Exlemen Anbietem

AbieKung von MaBnahmen zur Verbesserung des SP-Programmes Abstimmung der MaBnahmen mit Marketing-Zielen

' UnterstUtzung und/ Oder Mitwirkung an Jahresgesprachen

' Extemen Anbietem • Marketing ' Konkurrenz- • KAM/AuBendienst

untemehmen • Trade Marketing • Category Mgnt.

Abb. 17.3: Best-Practice-Prozess des Sales-Promotion-Controlling

Der Kernprozess umfasst die drei groBen Schritte der Planung, Durchfuhrung und Kontrolie von Sales Promotions, wobei die Phase der Kontrolie weiter unterschie-den wird in die Teilprozessschritte der Datenbeschaffiing, der Datenauswertung und Erfolgskontrolle sowie der Ableitung von MaBnahmen zur Verbesserung der Sales Promotions. Die generierten Handlungsempfehlungen als Ergebnis des Best-Practice-Prozesses dienen im Rahmen eines Feedback wiederum einer verbesser-ten Planung. Diese funf Teilprozessschritte, die zusammen den Kernprozess des SPC konstituieren, sind eingebettet in ilbergreifende Aktivitdten, die sich auf alle Phasen des Kemprozesses auswirken. Zu diesen Aktivitaten zahlen die Definition und Uberarbeitung von Bewertungskriterien von Sales Promotions, die Einrich­tung und Pflege eines laufenden Berichtswesens und die Uberpriifung der Wirt-schaftlichkeit des Sales-Promotion-Controlling selbst, also etwa des Kosten-Nutzen-Verhaltnisses der eingesetzten Instrumente (vgl. Zahner 2005, S. 358ff.).

K SPC'Effizienz

pie beschriebenen Komponenten des integrativen Sales-Promotion-Controlling-Konzeptes werden vom situativen Kontext beeinflusst. Beispielsweise konnen die Branchenzugehorigkeit oder die UntemehmensgroBe zu einer unterschiedlichen Ausgestaltung des SPC fuhren. Die SPC-Effizienz, beziehungsweise der Erfolg des Sales-Promotion-Controlling, bestimmt sich aus dem "Fit", also der Angemes-senheit des SPC im jeweiligen Kontext. Ein Controllingsystem ist allgemein dann

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als effizient anzusehen, wenn der Zielerreichungsgrad der formulierten Control-lingziele unter Berucksichtigung des dafur erforderlichen Aufwandes hoch ist (vgl.Geisler 2001,8.43).

Zur Messung der SPC-Effizienz erscheinen qualitative Erfolgsmajistdbe, wie etwa die subjektive Zufriedenheit mit dem im eigenen Untemehmen angewandten SPC, als geeignet, die zusatzlich um die Erfassung von typischen Problembereichen und angewandten vorbildlichen Vorgehensweisen ergSnzt werden. Empirische Ergeb-nisse fiir die deutsche Nahrungsmittelbranche zeigten dabei deutliche Ver-besserungspotenziale auf, deren Realisierung zu signifikanten Effizienz- und Wert-steigerungen flihren kann. Dabei ist davon auszugehen, dass die Wertsteigerung durch das Sales-Promotion-Controlling umso grofier ist, je starker die identifi-zierten Problembereiche - vor allem hinsichtlich der Orientierung an Deckungs-beitragen von Sales Promotions und der Transparenz iiber diese, der Ermittlung aller relevanten Kosten und Liefermengen, Messproblemen, der abstimmten Pla-nung von Sales Promotions, Kapazitatsausstattung und Verhaltensaspekten - bei der Ausgestaltung des SPC vermieden und je starker die identifizierten Best Prac­tices - vor allem hinsichtlich der kombinierten Nutzung von Sell-In- und Sell-Out-Daten, des zeitgerechten Einsatzes von Analysen, der Anwendung von Szenario-Analysen, der Einbettung der Sales-Promotion-Planung in die allgemeine Kunden-planung und der mehrdimensionalen Beurteilung von Sales Promotions - bei der Implementierung berucksichtigt und angewendet werden (vgl. Zahner 2005, S. 363ff.).

Allgemein ist festzuhalten, dass sich die Forderung nach Effizienz der eingesetzten Analyseverfahren grundsStzlich in einer AbwSgung zwischen Pragmatismus und Informationszugewinn manifestiert (vgl. Litzinger 1996, S. 186). Dabei kann sich eine situationsspezifische Ausgestaltung des Sales-Promotion-Controlling in prag-matischen Vereinfachungen entlang grundsatzlicher Effizienztreiber auBem: Ers-tens kann der Stichprobenumfang begrenzt werden, indem beispielsweise eine fundierte und gezielte Analyse der Absatzwirkungen von Aktionen auf Basis einer kleinen Zahl von TestmSrkten stattfindet, bei denen aussagekraftige Sell-Out-Daten vorliegen, um dann anschliefiend Analogieschlusse fur die Wirkungen von Aktionen auf nationaler Ebene zu ziehen, statt im Gegensatz dazu ein umfassendes Sales-Promotion-Tracking auf nationaler Ebene durchzufuhren. Zweitens kann eine Fokussierung der Analysen des SPC auf besonders wichtige Bereiche vorge-nommen werden. Als derartige Bereiche kommen in erster Linie Kunden- oder Produktgruppen in Frage, bei denen ein hoher Grenznutzen der Anwendung von Sales-Promotion-Analysen besteht beziehungsweise vermutet wird, wie etwa sehr ressourcenintensive Aktionen bei Top-Kunden oder auch Aktionen fiir besonders ertragsschwache Produktgruppen, bei denen ein hoher Wertverlust vermutet wird. Drittens konnen, obwohl hinsichtlich der Beschaffung von Informationen fiir das SPC gerade von Seiten der Marktforschungsinstitute zahlreiche Angebote beste-hen, in aller Kegel auch mit im Untemehmen vorhandenen Informationen relativ aussagekraftige Sales-Promotion-Analysen durchgefiihrt werden. So konnen etwa gerade bei kleineren Untemehmen Informationen iiber Umsatz- und Deckungs-beitragsveranderungen, die durch Sales Promotions induziert wurden, auch unter

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Verwendung von untemehmensintem vorhandenen Sell-In-Daten generiert war­den. Unter Beriicksichtigung dieser Effizienztreiber kann ein wertorientiertes SPC auch bei Vorliegen unterschiedlicher situativer Bedingimgskonstellationen effi-zient angewendet werden (vgl. Zahner 2005, S. 37Iff.).

Im Ergebnis erlaubt die beschriebene integrative Konzeption des Sales-Promotion-Controlling eine strukturierte und gesamthafte Analyse der Gestaltungsparameter der einzelnen Elemente des Sales-Promotion-Controlling und ihrer Interdependen-zen, die fur eine erfolgreiche Implementierung notwendig sind.

5 Schlussbetrachtung

Werbung, PR und Verkaufsforderung werden fiir Untemehmen auf Grund ihrer strategischen Bedeutung im Marketing zunehmend wichtiger: steigende Investitio-nen in die KommunikationsmaBnahmen sind die Folge. Untemehmen informieren die Konsumenten im Rahmen von Werbe-, Verkaufsforderungs- und PR-MaB-nahmen uber sich und ihre Produkte. Die KommunikationsmaBnahmen beein-flussen in ihrer Gesamtheit die Wahmehmung und Einstellung der Kunden den Produkten und dem Untemehmen gegeniiber. Ein effizientes und effektives Kom-munikations-Controlling ist daher angebracht, um diese strategisch wichtigen In-vestitionen abzusichem. Die Ausflihrungen haben gezeigt, dass die Bewertung des Kommunikationserfolges fur die Untemehmen hSufig eine Herausfordemng dar-stellt, da sich auf Gmnd des Zusammenspieles der Marketing-Mix-Bestandteile die anteilige Zurechnung von Kosten- und ErlOskomponenten zu den einzelnen MaB-nahmen als schwierig erweist. Hierzu Klarheit zu schaffen, ist wesentliche Aufga-be der Instmmente des Kommunikations-Controlling, die damit auch Bestandteile der Marketing-ErfolgskontroUe werden. Die Instmmente sollen daruber hinaus die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltung der KommunikationsmaBnahmen unter-stUtzen. Sie sind folglich ein wesentlicher Baustein einer Kommunikations-Con-trolling-Konzeption.

Festzuhalten bleibt des Weiteren, dass den Anfordemngen einer integrierten Kommunikation nur ein ganzheitliches Kommunikations-Controlling gerecht wer­den kann, das die verschiedenen MaBnahmen systematisch abzustimmen hilfl und dabei Aspekte der Ziel- und Strategieanpassung berucksichtigt. Ein effizientes und effektives Controlling sollte das Management beim Treffen wirtschaftlicher Ent-scheidungen unterstUtzen, wobei Informationsversorgung, Planung und Berichter-stattung der Verbundwirkung der KommunikationsmaBnahmen gerecht werden miissen. Durch eine entsprechende Transparenz tiber die einzelnen Kommunika­tionsmaBnahmen und deren Ergebnisse, eine konsequente Planung und Kontrolle der Aktionen sowie eine engpassorientierte Steuemng des Budgets kann das Kom­munikations-Controlling maBgeblich zu einer wertorientierten Untemehmens-fuhmng beitragen.

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Page 355: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

Kapitel 18 Direktmarketing-ControUing

Andreas Mann

1 Charakteristika, Medien und Auspragungen des Direktmarketing

Direktmarketing gehSrt zu einer der wichtigsten Marketingauspragungen. Dennoch hat sich in Wissenschaft und Praxis bisher kein einheitliches Begriffsverstandnis zum Direktmarketing herausgebildet (vgl. Dallmer 2002, S. 5; Loffler/Scherfke 2000, S. 42 ff.; O'Mai ley/Patterson/Evans 1999, S. 6). Die meisten Definitionen stellen zumindest den unmittelbaren, mitunter individuellen Kontakt zum (poten-ziellen) Kunden und die gezielte Auslosung von direkt messbaren Responseaktivi-taten der Zielpersonen als Kemmerkmale des Direktmarketing im engeren Sinne heraus (vgl. u. a. Holland 2004, S. 5; Loffler/Scherfke 2000, S. 46; McDonald 1998, S. 2; Spiller/Baier 2005, S. 8 ff.; Stone/Jacobs 2001, S. 5). Zur Erfullung dieser Anforderungen ist die Identifikation der einzelnen (potenziellen) Kunden mit den entsprechenden Adress- und Kommunikationsdaten fur eine direkte An-sprache erforderlich. Die Identifikation kann entweder durch die Analyse vorlie-gender Kundendaten in entsprechenden intemen Datenbanken oder durch die Nut-zung extemer Datenbanken (z. B. von Adressbrokem) mit adaquaten Informatio-nen und/oder auf der Basis so genannter Direct Response Marketing-Aktivitaten erfolgen. Beim Direct Response Marketing erhalten in der Regel potenzielle Neu-kunden aus anvisierten Marktsegmenten/Zielgruppen die Moglichkeit, durch die Nutzung spezieller Responseelemente (z. B. Antwortkarten, Coupons oder die Angabe von E-Mail-Adressen) ihre Anonymitat aufzugeben und iiber die Einlei-tung eines neuen Kommunikationsprozesses in den direkten Kontakt mit dem Anbieter zu treten (vgl. Bruhn 2003, S. 303, Hilke 1993, S. 11 f). Das Feedback der Interessenten kann dann vom Anbieter zum Aufbau einer individuellen und interaktiven Zielkundenansprache genutzt werden. Hierfur ist in der Regel wieder-um der Einsatz von leistungsfahigen Datenbanksystemen erforderlich, die neben den allgemeinen Adress- und Potenzialdaten der (potenziellen) Kunden auch alle Direktmarketing-Aktionen des Anbieters und die entsprechenden Reaktionen der Zielkunden systematisch erfassen und analysieren konnen. Sie liefem damit eine wesentliche Grundlage fur die Erfullung genereller Ziele und Funktionen des Di­rektmarketing, die neben der Erreichung von wirtschaftlichen Formalzielen bezie-

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346

hungsweise -anforderungen (z. B. Rentabilitat, Gewinn und Umsatz/Absatz) u. a. in der Minimierung von Streuverlusten (Kosten), einer Steigerung des kommunika-tiven Wirkungsgrades (Nutzen) sowie der Unterstutzung beim Aufbau und der Sicherung von Kundenbeziehungen bestehen (vgl. Holland 2004, S. 14 ff.; Link/ Schleuning 1999, S. 80; McDonald 1998, S. 29 f.).

Direct Response Marketing nutzt also zunSchst Massenmedien (z. B. TV, Radio, Zeitungen und Zeitschriften), die speziell gestaltetete Kommunikationsmittel mit Riickkopplungsmoglichkeiten an mehr oder minder disperse Zielgruppen transpor-tieren. Im Gegensatz dazu werden beim Direktmarketing im engeren Sinne nur Medien eingeschaltet, die als reine Ubermittlungsinstanzen die Botschaften vom Sender (Anbieter) zum Empfanger (Nachfrager/Kunde) bringen, ohne selbst redak-tionelle Inhalte zu kommunizieren.

In der folgenden Abbildung (vgl. Abb. 18.1) sind typische Medien des Direktmar­keting aufgeflihrt. Die Aufteilung in „klassische" und „neue" Medien weist unter anderem auf die Tradition und auch die Entwicklung des Direktmarketing bin. Empirische Untersuchungen zeigen, dass bisher kein wesentlicher Substitutionsef-fekt von den klassischen Medien durch neue Formen der Kundenansprache in der Praxis stattgefiinden hat. Es ist vielmehr ein kombinativer Einsatz zu verzeichnen. Damit sind die klassischen Medien, wie zum Beispiel Werbebriefe (Mailings), auch weiterhin ganz wichtige Kommunikationsinstrumente im Direktmarketing von Konsum- und Industriegtiteranbietem (vgl. Mann 2005 a, S. 45; Meffert/ Schneider/Krummenerl 2004, S. 743; ZAW 2004, S. 320). Adressierte Werbesen-dungen liegen in Deutschland - bezuglich der Aufwendungen fiir Direktmarketing im Jahre 2003 - an erster Stelle, gefolgt von Response-Anzeigen und -Beilagen. Auf dem dritten Rang steht der Telefoneinsatz (Inbound- und Outbound), gefolgt vom WWW-Einsatz. Gemeinsam an fflnfter Stelle stehen unadressierte Werbesen-dungen und E-Mailings als Direktmarketing-Medien (vgl. Deutsche Post World Net 2004, S. 43). Im Hinblick auf die Zahl der Untemehmen, die Direktmarketing-Medien nutzen, steht die adressierte Werbesendung (Mailing) auf dem dritten Platz hinter dem WWW sowie dem (aktiven und passiven) Telefoneinsatz (vgl. Deutsche Post World Net 2004, S. 43).

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347

Art der Zielgruppen-ansprache

Individuelle / adressierte 1 Einzelansprache 1

(Direktmarketing-Medien i. e. S.) 1

"Klassische'i Medien i Medien |

Q Werbebrief Q E-Mailing (Mailing / Package)

QlE-Newsletter Ql Kunden-

zeitschrift

QlTelefon (aktiv / passiv)

Ql Telefax

Q PersOnliches Gesprach

O Chatting

QSMS

Massenansprache mit direkter Ruckkopplungsmoglichkeit (DirecUResponse-Medien)

"Klassischel

Malffl I "Neue" Medien

QCoupon-Anzeigen

QlHandzettel

QPostwurf-sendungen

QlPlakate

Q See-and-write-Cards

Qwww-Sites

O Banner/ Pop ups

Ql CD-ROM

Ql Direct-Response-TV (DRTV)

(Antwortkarten) Q Interaktives Fernsehen

Q Radio- / TV-Spots mit (ITV) Responseteil

Abb. 18.1: Medien des Direktmarketing

Die vorstehenden AusfUhrungen stellen den kommunikationsbezogenen Aspekt des Direktmarketing in den Vordergrund. Wenngleich dieser Bereich - vor allem in der Praxis - besonders herausgestellt und genutzt wird, lasst sich Direktmarke­ting auch umfassender verstehen und umsetzen (vgl. Meffert 2002, S. 43 ff.). So kann letztlich das gesamte Marketing-Mix im Sinne eines One-to-One-Marketing - zumindest in Teilen - individuell ausgerichtet und gestaltet werden (vgl. Mann 2004, S. 131; Peppers/Rogers/Dorf 1999, S. 152 ff.). Neben der personlichen Interaktion, die in der Regel die Grundlage fiir ein Individual-Marketing ist, waren dann beispielsweise auch mafigeschneiderte Produkte und Serviceleistungen flir einzelne Kunden, individuelle Preisdifferenzierungen sowie auf die einzelnen Kunden zugeschnittene Bestellmoglichkeiten und Lieferzeiten die Bestandteile und Ergebnisse eines umfassenden Direktmarketing-Verstandnisses (vgl. Hilke 1993, S. 13; Link/Schleuning 1999, S. 108 ff.; Wirtz 2005, S. 14; S. 234 ff ). In der Praxis ist dieser umfassende Ansatz bisher kaum oder nur ansatzweise realisiert worden. Die meisten Untemehmen verfolgen vielmehr weniger anspruchsvolle Auspragungsformen des kommunikationsorientierten Direktmarketing. Hierzu gehoren insbesondere das passive und das reaktionsorientierte Direktmarketing.

Das passive Direktmarketing ist durch eine geringe Individualitat und eine fehlen-de Interaktivitat gekennzeichnet. Typisch fur diese AusprSgung des Direktmarke­ting ist der Einsatz von Hauswurfsendungen, Flugblattem, adressierten Werbebrie-fen und Mail Packages (z. B. Werbebriefe mit Prospekten), die dem Empfanger

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348

lediglich werbliche Informationen zukommen lassen, ohne dass bei der Kundenan-sprache explizit Responseaufforderungen beziehungsweise -elemente berucksich-tigt werden (vgl. Bruhn 2003, S. 303; Mann 2004, S. 132). Das passive Direkt-marketing erfordert in der Regel lediglich bestimmte Adress- und Kommunikati-onsdaten, die den Einsatz von Direktmedien ermoglichen (vgl. Link/Schleuning 1999, S. 48).

Beim reaktionsorientierten Direktmarketing wird der Kommunikationsempfanger durch den Einsatz integrierter Responsemoglichkeiten (z. B. See-and-write-Cards, Fax-Karten, Coupons) ausdrucklich zu einer Feedbackreaktion aufgefordert. Die Kundenansprache kann dabei direkt (z. B. per Brief, Fax, E-Mail) oder durch Direct Response-Aktivitaten uber Massenmedien (z. B. Plakate, Radio, Zeitschrif-ten, Zeitungen und TV) erfolgen (vgl. Bruhn 2003, S. 303). Da die Reaktionsmog-lichkeiten fur die Zielkunden in der Regel sehr eingeschrankt sind und sich nur auf vom Anbieter vorgegebene Responseinhalte und -formen beziehen, sind sowohl der Interaktivitats- als auch der Individualisierungsgrad der Kommunikationsakti-vitaten beschrankt (vgl. Mann 2004, S. 133). Allerdings ergeben sich hierbei schon hohere Anforderungen fUr die Anbieter als das beim passiven Direktmarketing der Fall ist. So erfordert die systematische Bearbeitung der Kundenreaktion zumeist eine komplexere Datenbankstruktur, die neben den Adress-ZKommunikationsdaten in jedem Fall auch Aktions- und Reaktionsdaten beriicksichtigen sollte. Es kann sogar ein Customer Data Warehouse, das alle Kontaktdaten aus verschiedenen Kontaktkanalen zusammenfiihrt und systematisch auswertet, sinnvoll und notwen-dig sein. Dariiber hinaus ist die Untemehmensorganisation auf den direkten Kun-denkontakt, der eventuell iiber verschiedene Kanale stattfmdet, auszurichten. In der Folge sind beispielsweise Call Center, Beschwerdeabteilungen oder Kunden-clubs zu implementieren und miteinander zu koordinieren.

Eine umfassendere Erscheinungsform und Entwicklungsphase in Richtung One-to-One-Marketing ist das interaktive Direktmarketing. Es handelt sich hierbei um eine ausserst interaktive Ausgestaltung der Kundenansprache, die weitgehend individuell erfolgt (vgl. Bruhn 2003, S. 304). Der Einsatz von Medien, die eine groBe Simultaneitat des kommunikativen Rollenwechsels und eine personliche Gestaltung der Kommunikationsinhalte zulassen, ist hierfur notwendig. Typische Medien und Kommunikationsformen mit entsprechender Eignung sind zum Bei-spiel der personliche Face-to-Face-Kontakt, Telefon und Chatting (vgl. Huner-berg/Mann 2003, S. 113 ff). Durch die groBe gegenseitige Eingriffstiefe in den Kommunikationsprozess ist eine gewisse Flexibilitat der Kommunikationspartner erforderlich, wenn der Prozess nicht abrupt und erfolglos beendet werden soil (vgl. Mann 2004, S. 133). Damit steigen wiederum die Anforderungen an die Informa­tions- und Managementsysteme sowie an die Organisationsstrukturen, die gegebe-nenfalls auch eine Integration der Kunden in die betriebliche Wertschopfung ge-wahrleisten mtissen.

Das interaktive Direktmarketing wird hSufig auch als Dialogmarketing bezeichnet (vgl. Belz 2003, S. 5; Bruns 1998, S. 23; Holland 2002, S. 10). Obwohl die starke Individualisierung und Interaktivitat der Zielkundenansprache fur die Fuhrung von Dialogen eine wesentliche Voraussetzung ist, erfordert ein „echter" Dialog auch

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349

noch eine Verstandigungsorientierung von den Dialogpartnem. Hiermit ist eine vorurteils- und suggestionsfreie Kommunikation gemeint, bei der auf Basis argu-mentativer und objektiv nachvoUziehbarer Begrundungen eine Ubereinstimmende Situationsdeutung und ein von alien anerkanntes Kommunikationsergebnis ange-strebt wird (vgl. Mann 2004, S. 88 ff.). Diese auf einen Konsens ausgerichtete offene Kommunikation ist in praxi ein idealer Zustand und kann ein Leitgedanke sein, der - allein aus wirtschaftlichen Griinden - haufig nur in ausgewahlten Situa-tionen (z. B. Krisen) und mit ausgewahlten, wichtigen Kunden (z. B. Opinion Leadem) umgesetzt wird (vgl. Hunerberg/Mann 2003, S. 106 f.). „Echtes" Dialog-marketing ist damit bisher in der Praxis eher eine Ausnahmeerscheinung und soil daher nachfolgend nicht explizit betrachtet werden.

2 Ansatzpunkte und Instrumente des Direktmarketing-ControUing

Die erfolgreiche Durchfiihrung von Direktmarketing-Aktivitaten erfordert eine ge-wissenhafte Planung und Umsetzung. Weitgehend unabhangig von den vorstehend genannten Direktmarketing-AusprSgungen sind wirkungsvolle Konzepte zur Um­setzung von Direktmarketing-Aktionen zu erarbeiten. In Abbildung 18.2 sind typi-sche Schritte hierfur dargestellt. Wie ersichtlich ist, sind die einzelnen Phasen als Kreislauf miteinander verknupft und erfordem fiir eine erfolgreiche Umsetzung den Einsatz von (intemen) Kundendatenbanken.

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350

Konzeption der j (Direkt-) Marketingaktion

Ql FestlegungderZiele 1

Ql Auswahl der Zielgnjppe(n) / 1

-kunden(n) 1

Ql Bestimmung des Aktionsinhalts / 1 -budgets 1

Analyse der Kunden- und Marktreaktionen

^ quantitativer und quaiitativer Response

Q l Wirkungsanalyse (Zielerreichung, okonomischer Erfolg etc.)

Durchfuhrung eines Pre-Tests

^ Konzeptuberprufung

Q l ggf. Aktionsmodifikation / -optimierung

Umsetzung der Aktion im Markt

Q l gezielte Zielgruppen- bzw. Zielkunden-Ansprache

Q l Koordination flankierender M a l i -^ ^ nahmen (inteyierte^^

Abb. 18.2: Regelkreis des database-gestutzten Direktmarketing Quelle: in Anlehnung an Ceyp 2002, S. 28; O'Malley/ Patterson/Evans 1999, S. 36; Schweiger/Wilde 1993, S. 99

In jeder der vier Phasen ergeben sich Aufgaben fiir das Direktmarketing-Controlling. Hierunter sollen alle Informations- und Bewertungsaktivitaten zur Entscheidungsvorbereitung sowie die Koordination und Kontrolle von einzelnen Aktivitaten und Kampagnen im Direktmarketing verstanden werden (vgl. u. a. Wirtz 2005, S. 286). Die Grundaufgabe des Direktmarketing-Controlling liegt jedoch in der informatorischen Untersttitzung bei der Steuerung von Direktmarke­ting-Aktivitaten (vgl. K5hler 2001, S. 12 f.). Im Folgenden werden die wesentli-chen Ansatzpunkte und Methoden des Direktmarketing-Controlling im Rahmen des Regelkreises skizziert.

2.1 Auswahl und Bewertung von Direktmarketing-Zielgruppen/ -kunden

Grundlage fur die Konzeption von Direktmarketing-Aktionen ist die Festlegung von bestimmten Zielen, die durch die MaBnahmen erreicht werden sollen. Die Zielsetzungen konnen sehr vielfaltig sein. Abbildung 18.3 zeigt typische Direkt-marketingziele in der Untemehmenspraxis, die in einer empirischen Untersuchung von 379 Untemehmen in Deutschland vom Autor erhoben wurden (fur Detailin-formationen zur Studie vgl. Mann 2004).

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351

Durchschnittliche Zielverfolgung (n = 379)

Interesseweckung

Pflege \A3n Kundenbeziehungen

Produktabsatz / Verkauf

Differenziemng vom Wettbewerb

Neukundengewinnung

Ermittlung von KundenwQnschen

Autbau von Kundenvertrauen

Vermittlung von Produktkenntnissen

Ermittlung von Kundenzufriedenheit

Erhdhung des Bekanntheitsgrades

Ermittlung von Kundenproblemen

VerkaufsfCrderung

Praferenzschaffung

Aulbau eines Goodwill

Nachkaufbetreuung

Einstellungsanderungen

Ermittlung von Kundenerfahrungen

Kunden-Ruckgewinnung

Ermittlung von Innovationsideen

Cross-Selling

1 : I ; J i

l l l^^ 3 8 j j i i m ipmm 3 7

miiiiiiM^ 7

^^•[^^^•3 7 • • • • • • ^ M 3 6 imii{uifl3 ^

nn3,2

\ t

msmmA.Z

mmA.9

^ 4 1 ^ 1

4,0

4,0

4,0

4,0

4,0

3,9

3,9

3,9

sehr hdufig

Abb. 18.3: Direktmarketingziele in der Untemehmenspraxis (n = Quelle: Mann 2004, S. 375; Mann 2005 a, S. 45

379)

Uber die Zielheterogenitat wird das Einsatzspektrum des Direktmarketing ersicht-lich, das in der Untemehmenspraxis genutzt wird. Sowohl absatzbezogene, infor-matorische beziehungs- und wettbewerbsbezogene Ziele werden im Durchschnitt haufig verfolgt (vgl. Mann 2004, S. 387). Fiir Cross-Selling, Neukaufbetreuung und Ruckgewinnung von Lost-Customers sowie fur die Ermittlung von Kundener­fahrungen und Innovationsideen wird das Direktmarketing hingegen weniger stark eingesetzt. Diese Einsatzbereiche liegen auf den unteren Mngen der Zielbedeu-tung fiir das Direktmarketing und zeigen damit zugleich auch noch Einsatzpotenzi-ale auf.

Ziele sollten grunds^tzlich neben der Festlegung des Inhalts (was?), dem AusmaB (wie viel?) und des Zeitraums (bis wann?) vor allem auch einen Segmentbezug aufweisen (wo?). Gerade die Segmentierung von (potenziellen) Kunden und die Auswahl von Zielpersonen, an die sich die Direktmarketingaktivitaten richten, gehort zu den wesentlichen Kementscheidungen, die vom Direktmarketing-Controlling in dieser Konzeptphase unterstutzt werden konnen. Hierbei wird fest-gelegt, welche Interessenten und Kunden iiberhaupt im Rahmen des Direktmarke­ting angesprochen werden sollen, um einen moglichst effizienten und effektiven Kommunikationsprozess zu erreichen. Zu den Segmentierungskriterien, die isoliert Oder in Kombination herangezogen werden konnen, gehoren beispielsweise der Wert der (potenziellen) Kunden fiir das Untemehmen, die Dialog-ZKommuni-

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352

kationsbereitschaft und -fahigkeit sowie psychografische Kriterien und Verhal-tensweisen der potenziellen Zielgruppe(n).

Wie die empirischen Ergebnisse in Abbildung 18.4 zeigen, werden in der Unter-nehmenspraxis vor allem die wirtschaftliche Bedeutung, die Bedurfhisse/Anforde-rungen, die Einstellungen und das Produktnutzungsverhalten der Kunden als Seg-mentierungskriterien genutzt. Im Gegensatz dazu werden wichtige Faktoren des Kommunikationsverhaltens, wie zum Beispiel die Kommunikationsbereitschaft und die Kommunikationsfahigkeit der Kunden, im Durchschnitt nur teilweise von den Untemehmen zur Segmentierung herangezogen. Dabei sind gerade diese bei-den Kriterien fur die erfolgreiche Fiihrung von Kundendialogen bedeutsam, um die Potenziale eines interaktiven Direktmarketing nutzen zu konnen. Sind die Kunden namlich weder bereit noch in der Lage, mit dem Anbieter in Interaktion oder gar in einen Dialog zu treten, dann „verpuffen" die Interaktions-ZDialogangebote, und es kommt zu erheblichen EffizienzeinbuBen.

Auch die Berucksichtigung der Medienausstattung der Kunden ist fur ein reibungs-loses Direktmarketing bedeutsam. Dies gilt vor allem fur neue Medien, die nicht unbedingt von alien okonomisch relevanten Interessenten und Abnehmergruppen genutzt werden. Fiir den Einsatz klassischer Direktmedien ist dieses Kriterium in der Kegel weniger wichtig, well entweder eine relativ breite Medienausstattung in der Bevolkerung gegeben (z. B. im Falle von Telefonen) beziehungsweise keine besondere Ausstattung erforderlich ist (z. B. bei der Briefkommunikation oder dem personlichen Gesprach).

Wirtschaftliche Bedeutung der Kunden

Bedurfnisse / Anforderungen der Kunden

Einstellungen der Kunden

Produktnutzungsverhalten der Kunden

Kommunikationst^ereitschaft der Kunden

Informationsverhalten der Kunden

Kommunikationsfahigkeit der Kunden

innovationsverhalten der Kunden

Sozio-okonomische Merkmale der Kunden

Geografische Herkunft der Kunden

Medienausstattung der Kunden

DurchschniWicher Grad der BerQcksichtigung (n = 379)

2 3 4

Qberhaupt nicht

eher schwach

• 3,8| 13,7

i§3,4

13,3

13,2

|3,2

3,0

[9

4,1

4,0

weder / noch

eher stark

sehr stark

Abb. 18.4: Kriterien fiir die Segmentierung von Dialogpartnem/Zielgruppen in der Praxis (n = 379)

Page 363: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

353

Die Nutzung von intemen und/oder extemen Datenbanken mit Interessenten-/ Kundeninformationen karni zu einer groBeren Genauigkeit bei der Bildung und Auswahl von Zielgruppen und -kunden flihren und ist deshalb sinnvoU (vgl. Hol­land 2004, S. 99). Dem Direktmarketing-Controlling kommt hierbei zunachst die Aufgabe zu, relevante Segmentierungskriterien und Datenfelder fiir die Database zu formulieren und entsprechende Informationen im Untemehmen zu beschaffen Oder fur eine exteme Informationserhebung mittels sekundSrer oder primarer Marktforschungsaktivitaten als Anforderung vorzugeben. Die generierten Informa­tionen dienen dann der anschlieUenden Bewertung und Auswahl von Zielgruppen beziehungsweise -personen. Hierbei kann das Direktmarketing-Controlling ver-schiedene Ansatze der Bewertung von Interessenten und Kunden einsetzen. Die Grobklassifikation in Abbildung 18.5 zeigt einige der etablierten Bewertungsverfahren.

Kriterien ^ ^ \ ^

ein-dimensional

metir-dimensional

Einzelfall-beurteilung

(^ Kundenerfolgsrechnung / Kunden-DB-Rechnung

Ql Customer Lifetime Value

Ql Scoring-Modelle / RFMR-Methode

KollektiV' 1 beurteilung 1

(^ ABC-Analyse 1

Ql Absatzsegment- I rechnung 1

Ql Kunden-/ 1 Segmentportfollos 1

Abb. 18.5: Methoden zur Interessenten- / Kundenbewertung Quelle: in Anlehnung an Krafft 2002, S. 57

Zu den eindimensionalen, lediglich auf die okonomische Bedeutung ausgerichteten Verfahren der Kundenbewertung gehoren die Kundenerfolgsrechnung und der Customer Lifetime Value. Diese Methoden lassen sich primar zur Auswahl von Zielpersonen aus dem bestehenden Kundenstamm nutzen, da tiber Interessenten die notwendigen Informationen Uber ihre wirtschaftliche Bedeutung fiir den Anbie-ter in der Regel nicht vorliegen. Fiir die Segmentierung des Kundenstamms sind sie - wie die empirischen Ergebnisse zur Zielgruppen-Bildung gezeigt haben -besonders bedeutsam.

Die Kundenerfolgsrechnung versucht, die durch einen Kunden entstandenen Erl5-se und Kosten verursachungsgerecht zuzuordnen. Ziel ist die Ermittlung des An-

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354

teils, den einzelne Kiinden zum Periodenergebnis beitragen. Diese Informationen liefem die Basis fur die weitere marketingtechnische Bearbeitimg der Kunden. Zumeist erfolgt die Realisierung der Kundenerfolgsrechnung stufenweise nach bestimmten Kunden-Deckungsbeitragen (vgl. Link/Gerth/VoBbeck 2000, S. 222f.). Grundlage hierfur ist der Aufbau einer Grundrechnung nach dem System der rela-tiven Einzelkosten mit einer hierarchischen BezugsgroBenstruktur, die ausgehend von der Produkt- iiber die Auftragsebene zu einzelnen Kunden fiihrt und davon weitergehend zu Zielgruppen/Marktsegmenten und zur Untemehmensebene ge-langt. In Abbildung 18.6 ist eine mehrstufige Kundenerfolgsrechung beispielhaft dargestellt.

Kunden-Bruttoumsatz (in einer Periode)

• Eriosschmalerungen (z. B. Rabatte, Skonti. Boni)

= Kunden-Nettoerlose (in einer Periode) • Summe der variablen Herstellkosten der vom Kunden gekauften Produkte / Dienstleistungen

= Kunden-Deckungsbeitrag I

- eindeutig kundenbedingte Auftragskosten (z. B. Bestellabwicklungskosten, Versandkosten)

= Kunden-Deckungsbeitrag II

- eindeutig zurechenbare kundenbedingte Verkaufs- und Besuchskosten (z. B. AuRendienstbesuche)

• sonstige relative Einzelkosten des Kunden einer Periode (z. B. Gehalt eines speziellen Key-Account-Managers, Werbekostenzuschusse, Listungsgebiihren)

= Kunden-Deckungsbeitrag III

Abb. 18.6: Kunden-Deckungsbeitrags-Rechnung Quelle: Kohler 1998, S. 338

Wie ersichtlich ist, werden zunachst die Brutto-Erlose eines Kunden pro Abrech-nungsperiode ermittelt und davon etwaige Eriosschmalerungen (Rabatte, Skonti, Boni) abgezogen. Von den dadurch entstandenen Nettoerlosen werden die Stuck-kosten der von den Kunden erworbenen Produkte subtrahiert. Hieraus ergibt sich der erste Deckungsbeitrag eines Kunden, der durch die schrittweise Subtraktion von direkt zurechenbaren Auftrags- und Vertriebskosten letztlich zum dritten De­ckungsbeitrag fuhrt. Er dient der Deckung von alien nicht kundenspezifischen Kosten eines Untemehmens (z. B. FuE-Kosten und allgemeine Verwaltungskos-ten).

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355

Die Kundenerfolgs- beziehungsweise Kunden-Deckungsbeitrags-Rechnung liefert zwar interessante Hinweise auf die wirtschaftliche Bedeutung einzelner Kunden, sie ist jedoch auch mit einigen Problemen versehen. So basiert sie beispielsweise auf Vergangenheitsdaten bereits erfolgter Transaktionen, die nur eine sehr einge-schrankte Aussagekraft uber die zukunftige Entwicklungsfahigkeit eines Kunden aufweisen. Damit kann es schnell zu Fehlentscheidungen kommen, wenn ein Kun-de mit geringem Deckungsbeitrag (III) und einem durchaus hohen Wertpotenzial zukunftig nicht mit wirkungsvollen, aber aufwendigen Direktmarketingaktivitaten angesprochen wird. AuBerdem werden zum Beispiel Weiterempfehlungsaktivitaten eines Kunden zur Neukundenakquisition nicht berucksichtigt, die indirekte Erlos-potenziale darstellen und letztlich nur dem Neukunden zugerechnet werden (vgl. Kohler 1998, S. 338 f.; Rese 2001, S. 284). Auch Informations- und Kooperati-onswerte, die als „angewandte Untemehmensberatung" des Kunden zu einer kos-ten- und/oder nutzenbezogenen Optimierung von Produkten/Dienstleistungen und Prozessen mit einer entsprechenden Vermeidung von Kosten und der Steigerung des akquisitorischen Potenzials fuhren, werden ebenfalls nicht berucksichtigt.

Der Customer Lifetime Value (CLV) ist - im Gegensatz zur Kunden-Deckungs-beitrags-Rechnung - eine Methode zur dynamischen Bewertung von Kunden. Dabei wird in Anlehnung an das Kapitalwertverfahren der Investitionsrechnung der iiber die wahrscheinliche Dauer einer Geschaftsbeziehung/eines Kunden-Lebenszyklusses abdiskontierte Barwert eines Kunden ermittelt (vgl. McDonald 1998, S. 391). Hintergrund dieser Vorgehensweise ist die Erkenntnis, dass zukUnf-tige Erlos-/ZahlungsUberschusse (Et - At) weniger wert sind als gegenwartige (vgl. Homburg/Daum 1997, S, 100). Dementsprechend wird - wie die nachfolgende Berechnungsformel zeigt - der Barwert einzelner Kunden (CLV) zum heutigen Zeitpunkt ermittelt und bewertet (vgl. u. a. Bruhn et al. 2000, S. 171 ff.; Gupta/ Lehmann/Stuart 2004; S. 8 f.):

mit

lo = Anfangsinvestition zur Akquisition eines Neukunden Ct = (erwartete) Einnahmen/Einzahlungen aus der Geschaftsbeziehung in der

Periode t at = (erwartete) Ausgaben/Auszahlungen aus der Geschaftsbeziehung in der

Periode t t = Periode / Jahr (t =1 ,2 , . . . , T) T = (erwartete) Dauer der Geschaftsbeziehung.

Page 366: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

356

Dabei ist

mit

Xt = (erwartete) Absatzmenge eines Kunden in der Periode t

Pt = (erwarteter) Netto-Verkaufspreis der vom Kunden bezogenen Produkte in der

Periode t

und

mit

Xt = (erwartete) Absatzmenge eines Kunden in der Periode t

kt = (erwartete) Stuckkosten der vom Kunden bezogenen Produkte in der Periode t

Mt = (erwartete) kundenspezifische Marketing- und Vertriebskosten in der Periode t

Grundsatzlich ist ein positiver Kapitalwert (CLV) in jeder Kundenbeziehung anzu-streben. Kunden mit negativen Kapitalwerten sollten hingegen nicht mehr aktiv betreut oder per Direktmarketing angesprochen werden. Der Customer Lifetime Value gibt also wichtige Hinweise ftir die Planung und Verteilung des Marketing-budgets auf einzelne Kunden tiber mehrere Perioden/Jahre hinweg (vgl. Gupta/ Lehmann 2003, S. 18 f.). Obwohl die Berechnung des Customer Lifetime Value uber eine statische Betrachtung hinausgeht und damit auch die Entwicklungspo-tenziale einzelner (Neu-) Kunden betrachtet, ergeben sich bei seiner Ermittlung jedoch erhebliche Probleme.

Zum einen basiert die Berechnung auf Prognosen und damit auf Unsicherheit (vgl. Kuhlmann 2001, S. 155). So sind sowohl die kundenbezogenen Einzahlungen beziehungsweise Einnahmen und Auszahlungen beziehungsweise Ausgaben als auch die Dauer der Kundenbeziehung zu schatzen (vgl. Krafft 2002, S. 58). Hier kann es bei fehlerhaften Annahmen zu einer falschen Beurteilung und Betreuung der Kunden kommen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Kaufbereitschaft eines Kunden Uber die Zeit hinweg verandem kann und aus ei-nem anfanglich guten Kunden im Zeitablauf vielleicht ein eher schlechter Kunde wird (et vice versa). So zeigen empirische Analysen, dass bis zu 55 % der besten Kunden (rund 20 % im Untemehmen) bei Customer-Lifetime-Beurteilungen als

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357

normale Kunden angesehen werden und daraufhin keine besondere Behandlung erhalten, obwohl diese gerechtfertigt ware. Von den normalen Kunden (rund 80 % im Untemehmen) werden immerhin 15 % falschlicherweise als Top-Kunden ein-geschatzt und erhalten daher eine zu gute Behandlung (vgl. Malthouse/Blattberg 2005, S. 11).

Zum anderen sind die Ein- und Auszahlungen beziehungsweise Einnahmen und Ausgaben nicht unabhangig voneinander. So kann eine Steigerung der Kunden-betreuung nicht nur zu hSheren Kosten, sondem ebenso zu einer hoheren Kaufbe-reitschaft fuhren. Diese Verbindung musste durch die explizite Beriicksichtigung von entsprechenden Reaktionsfiinktionen in die Ermittlung des Customer Lifetime Value eingehen. Hierdurch wird seine Berechnung wiederum erschwert, zumal es in der Regel auch Zeitverzogerungen zwischen den Auszahlungen/Ausgaben und den Einzahlungen/Einnahmen gibt (vgl. Bruhn et al. 2000, S. 184). Verfeinerungen der Berechnungsformel zur Berucksichtigung von indirekten Einzahlungs-/Ein-nahmeeffekten durch Weiterempfehlungen eines Kunden oder Auszahlungs-/ Aus-gabeeinsparungen auf Grund von Kundeninformationen und -hinweisen auf Opti-mierungsmoglichkeiten bei Produkten/Dienstleistungen oder Prozessen fuhren sowie die Berucksichtigung von Retention-Rates als Wahrscheinlichkeitswerte des Kundenbestandes letztlich ebenfalls zu einer erheblichen Komplexitatssteigerung der Methode. Zumeist liegen die notwendigen Informationen zur Anwendung derartiger Erweiterungen des Customer Lifetime Value in den Untemehmen auch nicht vor und sind nur mit hohem Aufwand zu ermitteln. AuBerdem ftihrt die Ein-fuhrung von Eintrittswahrscheinlichkeiten bei bestimmten Wertdeterminanten letztlich nur zu einer Verlagerung von Prognoseschwierigkeiten auf Schatzproble-me fflr die Wahrscheinlichkeitswerte (vgl. Kuhlmann 2001, S. 155).

Typische Verfahren zur okonomischen Beurteilung von Kundengruppen sind die ABC-Analyse und die Absatzsegmentrechnung. Die ABC-Analyse klassifiziert den Kundenstamm anhand eines wirtschaftlichen Erfolgskriteriums (z. B. Absatzmen-ge, Umsatz, Deckungsbeitrag oder Gewinn) in drei Kundenklassen:

• A-Kunden, die das Kriterium besonders umfassend erfullen,

• B-Kunden, die das Kriterium mittelmafiig erfullen und

• C-Kunden, die das Kriterium schwach / unterdurchschnittlich erfullen.

Hierzu werden die Kunden - entsprechend dem Klassifizierungsmerkmal - in eine Rangfolge gebracht, wobei der Abnehmer mit dem hochsten Erfiillungsgrad auf dem ersten Platz steht und der Kunde mit dem geringsten Wert des Merkmals auf den niedrigsten Rang gesetzt wird. Bei der grafischen Darstellung der kumulierten Auspragungen des Klassifikationsmerkmales lasst sich haufig eine asymmetrische Verteilung des Anteils von Kunden an dem GesamtausmaB des Erfolgskriteriums feststellen. So liefem in der beispielhaften Darstellung in Abbildung 18.7 die wichtigsten 20 % der Kunden genau 60 % des Erfolges (z. B. des Gesamtumsat-zes), 40 % der Kunden generieren 20 % des Erfolgs, und mit den reestlichen 50 % der Kunden werden ebenfalls 20 % des Erfolges erwirtschaftet. Haufig ist in praxi auch eine Verteilung nach der 80:20-Regel/Pareto-Regel festzustellen, bei der 20

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358

% der Kunden (A-Kunden) allein 80 % des Gesamtumsatzes erzielen (vgl. Hom-burg/Daum 1997, S. 59).

Umsatz/ Absatz/

Oeckungsbeitrag/ Gewinn (in %)

100-

100

Anzahl der Kunden

Abb. 18. 7: Aufbau einer ABC-Analyse des Kundenstammes

Die ABC-Analyse ist ein recht einfaches Instmmentarium zur Segmentierung eines groBen und sehr heterogenen Kundenstammes (vgl. Kuhlmann 2001, S. 132). Insbesondere die Umsatzdaten einzelner Kunden sind in den Untemehmen vor-handen und ohne groBeren Aufwand zu nutzen. Andere ErfolgsgroBen erfordem hingegen eine entsprechende kosten- und erlosrechnerische Erfassung. Abgesehen von dem Grundproblem der eindimensionalen Kundenbewertung und der aus-schlieBlichen Betrachtung von Vergangenheitswerten kann die Anwendung der ABC-Analyse schwierig werden, wenn die Kunden nur geringe Differenzen bei ihren Erfolgsbeitragen aufweisen. Schwankungen im Einkaufsverhalten der Kun­den konnen zudem zu unterschiedlichen Klassenzuordnungen eines Abnehmers fuhren (vgl. FlieB 2001, S. 481). Eine auf die Kundentypen zugeschnittene (Direkt-) Marketingpolitik kann dann auf Grund permanenter Anderungen schnell zu Ver-wirrungen bei den Abnehmem fuhren. Auch die Bewertung von Neukunden kann Probleme bereiten, da wegen der fehlenden Betrachtung von Entwicklungspoten-zialen einer Geschaftsbeziehung und fehlender Erfahrungs-A/^ergangenheitswerte rasch eine Fehlzuordnung in die B- oder C-Klasse erfolgt.

Die Absatzsegmentrechnung verfolgt die gleichen Ziele wie die oben beschriebene Kundenerfolgsrechnung. Im Unterschied hierzu bezieht sie sich jedoch auf Kun-

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359

dengruppen und nicht auf einzelne Abnehmer. Sie ist deshalb vor allem fur Unter-nehmen sinnvoU, die relativ viele Kunden mit eher geringem Absatz-ZUmsatz-volumen haben. Die Funktionsweise sowie die Vor- und Nachteile entsprechen weitgehend der Kundenerfolgsrechnung und soUen deshalb nicht mehr erlautert werden.

Zu den mehrdimensionalen Ansatzen der Interessenten- und Kundenbewertung gehoren unter anderem Scoring-Modelle und Kunden-ZSegmentportfolios. Gene-relies Ziel dieser multifaktoriellen Verfahren ist es, die Komplexitat des Wertes von (potenziellen) Kunden besser zu erfassen als dies bei den zuvor genannten eindimensionalen Methoden der Fall war.

Scoring-Modelle (Punktbewertungsverfahren) konnen eine Vielzahl von qualitati-ven und quantitativen Bewertungskriterien beriicksichtigen. Jedes Kriterium wird dabei beziiglich seiner Bedeutung fur den Wert eines Kunden in Relation zu den anderen Variablen gewichtet. Durch die Multiplikation der jeweiligen Beurtei-lungswerte mit der Gewichtung des Beurteilungskriteriums entstehen Punktwerte. Durch die Summierung aller Punktwerte erhalt man fur jeden einzelnen Kunden ein Gesamtwert, der als hoch, mittel oder gering zu beurteilen und mit bestimmten Konsequenzen fur die Kundenansprache beziehungsweise -betreuung verbunden ist.

Ein Scoring-Modell, das im Rahmen des Direktmarketing-Controlling bereits seit langerem eingesetzt wird, ist die RFMR-Methode, Sie wurde bereits seit den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts zur Beurteilung von Versandhandelskunden in den USA eingesetzt (vgl. Holland 2004, S. 108). Dieses Modell basiert auf drei Beur-teilungsgroBen: decency (letztes Kaufdatum), Frequency (Kaufhaufigkeit) und Monetary Ratio (kumulierter Umsatz). Dabei wird - auf Basis empirischer Er-kenntnisse - unterstellt, dass von den Kunden haufiger und in hoheren Einkaufs-werten bestellt wird, je aktueller der letzte Bestellzeitpunkt ist, je haufiger der Kunde bisher bestellt hat und je groBer der bisherige Umsatz in der Geschaftsbe-ziehung ist (vgl. Krafft 2002, S. 61; McDonald 1998, S. 98). Die RFMR-Methode kann damit auch zur Prognose des zukiinftigen Kauf-/Bestellverhaltens der Kun­den angesehen werden (vgl. Kehl 2000, S. 240). Zur Ermittlung der Gesamt-Scores jedes einzelnen Kunden werden haufig noch die Kosten der Kundenanspra­che und -betreuung von den RFMR-Bruttowerten subtrahiert (vgl. Abb. 18.8).

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360

1 • -.,....^__^_^ Kunden 1 RFMR-Faktoren -—-.^.....^^^^

Kaufdatum (in diesem Monat =12 Punkte im letzten Monat =11 Punkte im vorletzten Monat =10 Punkte...)

KSufe in den letzten 12 Monaten (Pro Kauf= 10 Punkte)

Durchschnittsumsatz pro Auftrag in den letzten 12 Monaten (Pro 1,00 SFR Umsatz = 1 Punkt)

Anzahl der Direktmarketing-Kontakte in den letzten 12 Monaten

(Pro Mailing - 5 Punkte, pro Package mit Prospekt / Katalog = -10 Punkte)

Gesamtpunkte

KundeA

in diesem Monat 12 Punkte

20 Kaufe 200 Punkte

Durchschnittswert 150,00€ 150 Punkte

6 Mailings (- 30 Punkte)

1 Package (-10 Punkte)

322 Punkte

KundeB

im letzten Monat 11 Punkte

13 KSufe 130 Punkte

Durchschnittswert 125,00 € 125 Punkte

3 Mailings (-15 Punkte) 2 Packages (- 20 Punkte)

231 Punkte

Kunde C

in diesem Monat 12 Punkte

IKauf 10 Punkte

Durchschnittswert 800,00 € 800 Punkte

1 Package (-10 Punkte)

812 Punkte

KundeD i

im vorletzten i Monat 1

10 Punkte i

10 Kaufe 1 100 Punkte i

Durchschnittswert I 275,00 € 1 275 Punkte 1

5 Mailings i (- 25 Punkte) 1

360 Punkte 1

Abb. 18.8: RFMR-Methode

Scoring-Modelle und damit auch die RFMR-Methode sind relativ einfach durchzu-fuhren und konnen zu einer gewissen Steigenmg der Transparenz des Kunden-stammes beitragen. Trotz der Beriicksichtigung und - durchaus problematischen -Quantifizierung von qualitativen Merkmalen bleiben sie jedoch sehr subjektiv (vgl. Kohler 1998, S. 342). Sowohl die Festlegung der Beurteilungskriterien und deren Gewichtung als auch die Bewertung selbst sind intuitiv und von der individuellen Einschatzung des Beurteilers abhangig. Zudem fuhrt die Verdichtung der Daten zu einem Informationsverlust. Die Verwendung dichotomer Bewertungskriterien ist aus messtechnischer Sicht problematisch. Die Beriicksichtigung von K.O.-Kri-terien ist wegen der relativen Gewichtung ebenfalls mit erheblichen Problemen verbunden. Dariiber hinaus konnen sich die Punktwerte der Kunden im Zeitablauf verandem, weshalb eine tumusmaBige UberprUfung der Klassifizierung von Kun­den sinnvoU, aber auch aufwendig ist. Scoring-Modelle suggerieren damit dem Anwender nicht nur eine „Schein-Objektivitat", sondem auch eine „Schein-Genau-igkeit", die er auf jeden Fall beriicksichtigen sollte (vgl. Kuhlmann 2001, S. 139).

Scoring-Modelle konnen grundsatzlich auch zur Bewertung von einzelnen Interes-senten genutzt oder auf die Ebene von Interessenten- und Kundensegmenten tiber-tragen werden, wenngleich hierbei die Bewertung schwieriger beziehungsweise anfallig wird. Daruber hinaus sind Scoring-Modelle auch die Grundlage fiir Kun­den- und Segmentportfolios, Diese dienen haufig der Bewertung und Visualisie-rung des Kundenstammes anhand einer exogenen und einer endogenen GroBe. Handelt es sich hierbei um Beurteilungsdimensionen, die aus mehreren Einzelkri-terien bestehen (z. B. Kundenattraktivitat und Wettbewerbsposition), dann werden Scoring-Modelle zur Ermittlung der Positionierungswerte in der Portfolio-Matrix herangezogen (vgl. Homburg/Daum 1997, S. 68 ff).

Haufig erfolgt die Klassifikation des Kundenstammes in Form einer 4-Felder-Matrix. Wie in Abbildung 18.9 angedeutet ist, wird den Feldem eine unterschied-

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361

liche Relevanz zugeordnet. Wahrend „Mitnahmekunden" nicht aktiv angesprochen und bearbeitet werden, ist das Engagement bei „Ausbaukunden" und bei „Top-Kunden" weitaus grower. Hier soUte ein Anbieter versuchen, die Position bei den Kunden entweder zu verstarken oder zumindest zu halten. Auch bei den „Ab-schopfiingskunden" wird man - ohne groBere Investitionen - ein Halten der Posi­tion anstreben.

Kunden-

attraktMmt

Kriterien

0 Einkaufsvo lumen

0 PotenziellerBedarf

0 Preisbereitschaft

0 ServiceansprQche

9 Zahlungsfdhigkeit (LiquiditSt)

9 MeinungsfQhrer-

funktion

9 ...

Gewichtung

Gesamtwerte (Gew. x Punkte)

1

Punkte 1

"Ausbau-

kunden"

"Mitnahme-

kunden"

"Top-

kunden"

"Abschdpfungs-

kunden"

Kriterien

© EigenerLieferanteil

9 Image beim Kunden

9 Kundenzufriedenheit

9Standort

9 ...

Gewichtung

Gesamtwerte (Gew. x Punkte)

L Punkte 1

^Wettbewerbs-

position

Abb. 18.9: Kundenportfolio Quelle: in Anlehnung an Link/Gerth/VoBbeck 2000, S. 132

Die Schwachen des Scoring-Ansatzes kommen auch beim Kundenportfolio zum Tragen. Deshalb sind Kunden- beziehungsweise Segmentportfolios kaum zur ex-akten Beurteilung des Kundenstammes geeignet. Eine Vielzahl der notwendigen Informationen tiber die Kundenattraktivitat oder die relative Wettbewerbsposition sind im Anbieteruntemehmen nicht vorhanden und lassen sich nicht oder nur mit groBem Aufwand beschaffen. Die Abgrenzung der Felder/Kundengruppen ist relativ grob und vor allem an den Schnittpunkten/Bereichsgrenzen sehr ungenau. So konnen Kunden (-gruppen), die wegen einer mittleren Auspragung bei den beiden Dimensionen in der Mitte der Matrix positioniert werden, letztlich alien Kundentypen zugeordnet werden. Dennoch hilft die gedankliche Auseinanderset-zung mit den verschiedenen Bewertungsdimensionen - wie auch bei den anderen Methoden - dabei, eine bessere Einschatzung des Kundenstammes und einen sen-sibleren Mitteleinsatz im (Direkt-) Marketing zu bekommen. Der Weg ist also haufig schon das Ziel beim Einsatz der beschriebenen Verfahren.

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362

Eine weitere Aufgabe des Direktmarketing-Controlling liegt in dieser Phase neben der Interessenten-ZKundensegmentierung in der Festlegung des Direktmarketing-Budgets. Es handelt sich hierbei um die Festlegung der fmanziellen Mittel zur Durchfiihrung der Direktmarketing-Aktivitaten sowie um die Aufteilung auf ver-schiedene Direktmedien. Neben mathematischen Optimierungsmodellen konnen fur die Ermittlung der Budgeth5he auch heuristische Ansdtze genutzt werden, die wegen ihrer einfachen Anwendung in der Praxis eine gewisse Beliebtheit erfahren (vgl. Bruhn 2003, S. 191). Dazu geh5ren insbesondere die so genannten Prozent-vom-Verfahren. Hier wird beispielsweise ein bestimmter Prozentsatz vom geplan-ten beziehungsweise in der letzten Periode erzielten Umsatz oder Gewinn als Bud­get festgelegt (vgl. Shimp 2003, S. 249). Problematisch hierbei ist, dass es zu prozyklischen Direktmarketing-Aktivitaten kommt. In Zeiten hoher Umsatze und Gewinne wird viel Direktmarketing betrieben, wahrend in weniger erfolgreichen Perioden die direkte Zielkundenansprache reduziert wird. Doch gerade bei einer schlechten Absatzlage sollte die Nachfrage durch entsprechende (Direkt-) Marke-ting-MaBnahmen stimuliert werden (vgl. Bruhn 2003, S. 194). Ein weiteres Prob­lem dieser Verfahren liegt in der fehlenden Zielorientierung.

Dies gilt auch fur die wettbewerbsorientierte Budgetierung, bei der sich die zur Verfligung stehenden Finanzmittel fur das Direktmarketing an den Ausgaben und Aktivitaten der Wettbewerber ausrichten (vgl. Shimp 2003, S. 252). Dartiber hin-aus ist es in der Kegel schwierig valide Informationen Uber die Budgets der Kon-kurrenten zu erhalten (vgl. Vergossen 2004, S. 68). Ebenfalls unzureichend ist die Budgetierung nach der Restgrojien-Methode, bei der sich die H5he des Direktmar-keting-Budgets danach richtet, wie viele Finanzmittel noch verfugbar sind, nach-dem alle anderen Marketingaktivitaten budgetiert wurden. Abgesehen davon, dass dieses Verfahren nur einsetzbar ist, wenn neben dem Direktmarketing auch noch indirekte Mafinahmen der Kundenansprache und -bearbeitung verfolgt werden, ist auch hier kein Ziel- und Majinahmenbezug gegeben. Doch gerade die Orientierung an den Zielen/Aufgaben und Mitteln/Medien ist fur die Bestimmung des (Direkt-) Marketingbudgets von grofier Relevanz (vgl. Nash 2000, S. 65). Allerdings ist auch diese Vorgehensweise problematisch, da kein exklusiver Zusammenhang zwischen dem Direktmarketing-Ziel und dem Einsatz eines bestimmten Direktme-diums gegeben ist. In der Kegel k5nnen Direktmarketingziele in unterschiedlicher Intensitat mit verschiedenen Medien zu unterschiedlichen Kosten erreicht werden (vgl. Vergossen 2004, S. 69). Das hSngt nicht zuletzt von der wirkungsvoUen Ges-taltung der verschiedenen Direktmarketing-MaBnahmen ab.

2.2 Test von geplanten Direktmarketing-Aktionen

Nach der Konzeption von Direktmarketing-Aktivitaten folgt eine Testphase, in der noch einmal die geplanten Mafinahmen auf ihre potenzielle Wirkung hin analysiert werden. Die Planung und Kontrolle derartiger Tests ist Aufgabe des Direktmarke­ting-Controlling.

Grundsatzlich konnen ganz verschiedene Bereiche einer Direktmarketing-Aktion

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bei einer Auswahl von Testpersonen hinsichtlich ihrer Eignung fiir eine Ansprache der gesamten Zielgruppe uberpruft werden. Typische Testbereiche sind Zielgrup-pen-, Listen-ZAdressen-, Gestaltungs- und Medientests (vgl. Nash 2000, S. 94 ff.; Schoberl 2004, S. 85 ff.). Daruber hinaus k5nnen mittels Direktmarketing-Akti-onen beispielsweise auch Tests fur die Einfiihrung von Neuprodukten oder Preis-festlegungen durchgefuhrt werden, die hier jedoch keine weitere Beachtung fmden sollen.

Bei den Zielgruppentests soil die Eignung verschiedener Zielgruppen fiir bestimm-te Direktmarketing-Aktionen iiberprtift werden. Das ist insbesondere dann rele­vant, wenn ein bestimmtes Angebot grundsatzlich fur mehrere Ziel-/Kundengrup-pen in Frage kommt, aber zum Beispiel auf Grund von Kapazitatsbeschrankungen nicht alle Abnehmerkreise angesprochen werden konnen. Mit Hilfe des Tests soil nun ermittelt werden, wie die verschiedenen Zielgruppen auf das Angebot reagie-ren, um ein moglichst optimales Verhaltnis zwischen Nachfrage und Angebotska-pazitat zu erhalten. Dariiber hinaus lassen sich Zielgruppentests grundsatzlich zur Feststellung mSglicher Reaktionsunterschiede zwischen einzelnen Kundengruppen einsetzen.

Listen- und Adressentests sind im Wesentlichen fur Mailing-Aktionen von groBer Bedeutung, vor allem wenn Fremdadressen von Adress-Brokem genutzt werden sollen. Hier gibt ein Test bei (zufallig) ausgewahlten Adressen wichtige Hinweise auf die Qualitat verschiedener Adresslisten, die fur eine Anmietung zur Wahl ste-hen (vgl. Holland 2004, S. 52).

Beim Gestaltungs- beziehungsweise Kreativtest werden unterschiedliche Auspra-gungsformen einzelner Gestaltungselemente von bestimmten Direktmarketing-Mitteln (z. B. Text oder Layout eines Werbebriefes) hinsichtlich ihrer Wirkung beim EmpfSnger iiberprtift (vgl. Schoberl 2004, S. 85 ff). Besonders interessant ist hierbei unter anderem die Uberprtifung, ob eine besonders aufwendige Gestal-tung der Werbemittel zu einer tiberproportionalen Responsewirkung fiihrt (vgl. Holland 2004, S. 52 f).

Zur Uberprtifung von emotionalen und kognitiven Wirkungen der Gestaltung von Direktmarketing-Mitteln lassen sich beispielsweise auch spezielle Anmutungs- und Wahrnehmungstests durchfuhren, die tiblicherweise als Laborbeobachtungen unter nicht-biotischen Bedingungen stattfinden. Bei der Messung von Anmutungen sol­len spontane emotionale Einschatzungen und Wahmehmungsbilder analysiert werden. Diese emotionalen GroBen haben haufig einen atmospharischen Charak-ter, der tiber die Hin- oder Abwendung einer Person zum Direktmarketing-Mittel entscheidet.

Zur Beurteilung der visuellen Informationsaufiiahme einzelner Elemente der Di­rektmarketing-Mittel konnen Blickverlaufsanalysen durchgefuhrt werden. Dabei werden die Anzahl, die Dauer und die Abfolge so genannter Fixationen ermittelt. Unter Fixationen versteht man die kurzzeitigen Stopps (200-400 Millisekunden), bei denen die Augen eines Werbemittel-Betrachters auf einer Vorlage zum genau-en Hinsehen stehen bleiben, um Informationen wahrzunehmen (vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg 2003, S. 264). Der Sprung von einer Fixation zur anderen wird als Sac-

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cade bezeichnet und gibt Hinweise zum Ablauf der Informationsaufhahme. Die Anzahl und Dauer der Fixationen sagt etwas iiber den Umfang und die Tiefe der Informationsaufhahme aus.

Bei den Medientests wird die Responsewirkung unterschiedlicher Direktmarke-ting-Instrumente bei identischen Zielgruppen iiberpriift. Dabei konnen Einzelme-dien oder geplante Medienkombinationen hinsichtlich der Akzeptanz bei den Ziel­gruppen getestet werden. Bei Medienkombinationen lasst sich zum Beispiel die Einsatzreihenfolge der Instrumente hinsichtlich einer Wirkungs- und Wirtschaft-lichkeitsoptimierung analysieren.

Grundsatzlich sind bei der Durchfflhrung von Tests stichprobentheoretische Grundlagen zu beriicksichtigen und experimentelle Untersuchungsdesigns einzu-setzen. Das bedeutet einerseits, dass die Auswahl der Testpersonen per Zufall erfolgen und der Umfang der zu analysierenden Probanden auch geniigend groB sein sollte, damit die Tests reprasentative Schliisse mit einer moglichst geringen Fehlerspanne und einer ausreichenden Sicherheit der Schatzungen zulassen (vgl. Bortz/Doring 2002, S. 422 ff). StichprobengroBen von 5.000 Probanden sind deshalb fiir Direktmarketing-Tests im Feld durchaus tiblich. Selbst TestumfMnge von 20.000 bis 50.000 Probanden sind in der Praxis bei Konsumguterherstellem Oder Versandhandlem keine Seltenheit (vgl. Holland 2004, S. 60; Nash 2000, S. 109).

Zum anderen basieren „echte" Tests auf dem Ceteris-Paribus-Prinzip und dem Einsatz von Versuchs- und Kontrollgruppen. Die Ceteris-Paribus-Forderung ver-langt, dass immer nur ein Testmerkmal verandert werden sollte, um etwaige Wir-kungen m5glichst eindeutig dem Testelement als Ursache anrechnen zu konnen. Der Einsatz von mindestens einer Experimentiergruppe (E) und einer Kontroll-gruppe (K) soil zur Bestimmung der Wirkungsintensitat des Testelementes beitra-gen. Das gilt insbesondere fur Gestaltungs- und Kreativitatstests. Dabei ist - zum Ausschluss von unerwunschten Storvariablen bei den Probanden - moglichst eine zufSllige Aufteilung (Randomisierung) der jeweiligen Mitglieder in der Test- und der Kontrollgruppe vorzunehmen (vgl. Churchill/Iacobucci 2002, S. 147). Die Wirkung des Testelementes kann dann durch den Vergleich der Reaktionen von der Experimentier- und der Kontrollgruppe (E - K) ermittelt werden. Da bei die-sem Testdesign nicht klar ist, ob bereits vor der Testdurchfuhrung ein Unterschied zwischen den beiden Gruppen gegeben war, ist es sinnvoll, sowohl vor dem Test (B) als auch nach der Testdurchfuhrung (A) eine Messung durchzufiihren. Die (Netto-) Wirkung ergibt sich hierbei durch die folgende Berechnung: (EA - EB) -(CA-CB).

Auf Basis der Testergebnisse ist iiber eine Durchfiihrung der Direktmarketing-Aktion im groBeren Rahmen und iiber etwaige Veranderungen der geplanten Vor-gehensweise zu entscheiden.

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365

2.3 Koordination des Medieneinsatzes

In der Umsetzungsphase der Direktmarketing-Aktivitaten erfolgt der Einsatz der ausgewahlten und getesteten Direktmarketing-Medien zxir Zielkundenansprache. Abbildung 18.10 zeigt die Einsatzintensitat von Direktmedien in den 379 unter-suchten Untemehmen. Wie ersichtlich ist, werden insbesondere die klassischen Medien zur Kundenansprache im Durchschnitt recht hSufig genutzt. Die Anwen-dungen neuer Medien respektive des Internets, wie zum Beispiel in Form von Newsgroups, Mailinglists oder Chats, hat bisher nur eine sehr geringe Bedeutung fiir das Direktmarketing. Ausgenommen hiervon ist E-Mailing, das eine groBe Re-levanz flir direkte Kundenansprache hat. Wie weiterfuhrende Analysen im Rahmen der angesprochenen empirischen Untersuchung zeigen, wird E-Mailing relativ iso-liert und kaum in gezielter Kombination mit anderen Medien zur Direktkommuni-kation genutzt. Es hat sich damit als eigenstandige Kommunikationsform flir den Kundendialog etabliert.

Da die Untemehmen in der Regel mehrere Direktmedien zur Kundenansprache einsetzen, ist es angebracht, eine inhaltliche, formale und zeitliche Abstimmung des Medieneinsatzes vorzunehmen (vgl. Mann 2005 a, S. 47). Diese Aufgabe kommt dem Direktmarketing-Controlling zu. Ziel des integrierten Direktmedien-Einsatzes ist es, synergetische Effekte auszulosen, bei denen die Wirkungen/Er-gebnisse groBer sind als die Summe der EinzelwirkungenZ-ergebnisse isolierter Aktivitaten (vgl. Shimp 2003, S 12). Einerseits konnen hierdurch bestehende Kos-tensenkungspotenziale ausgeschopfl; werden. Demnach konnen beabsichtigte Wir-kungen mit geringerem Ressourceneinsatz realisiert oder bei gegebenen Kos-ten/Budget hohere Wirkungen erreicht werden (vgl. Bruhn 2003, S. 83). Anderer-seits lassen sich durch die Integration der Dialogmarketing-Aktionen auch Wahmehmungsbilder/Images bei den Zielgruppen eindeutiger aufbauen (vgl. Mann 2005 a, S. 47). Zudem kann die Glaubwtirdigkeit und Akzeptanz der Kommunikationsinhalte durch die Vermeidung von Friktionen gesteigert werden (vgl. Shimp 2003, S. 12).

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366

1

Telefonkommunikation PersOnlicher (Face-to-Face-) Kontakt

E-Maiiing Briefkommunikation / Mails

Response-Prospekte / -Broschiiren Response-Kommunikation in Zeitungen

Internet-Newsletter Internet-Newsgroups

Online-Foren Chatting im Internet

Response-Werbung im WWW. Customer Advisory Boards?

Customer Focus Groups Plakate mit ResponsemOglichkeit

Kundenclubs Radio- / TV-Response-Kommunikation

Durchschnittliche EinsatzintensitSt

2 3

^ ^

12,1 2,0

•Wf t i ipp f l 4,K

4,0 4,0

haufig sehr hdufig

Abb. 18.10: Einsatzintensitat von Direktmedien in deutschen Untemehmen (n = 379) Quelle: Mann 2004, S. 387

Trotz dieser wichtigen Effekte wird die Koordination des Medieneinsatzes in der Praxis nur mit mittlerer Intensitat verfolgt (vgl. Abb. 18.11). Selbst die eher einfa-che formale Abstimmung von wesentlichen Gestaltungsmerkmalen der Kommuni-kationsmittel erfolgt nur teilweise. Bei dieser Aufgabe des Direktmarketing-Controlling besteht in der Untemehmenspraxis demnach noch ein erhebliches Optimierungspotenzial.

Durchschnittliche AusprSgung (n = 379)

Inhaltllche Abstimmung einzelner Dialogkontakte mit dem Kunden

Zeitliciie Abstimmung einzelner DialogmaHnahmen

Formale Abstimmung verschiedener

Dialogmedien / -instrumente 3,

3,2

3,2

0

sehr schwach ausgepragt

schwach ausgeprctgt '

mittelmdliig ausgeprdgt

stark ausgepragt

sehr stark ausgeprdgt

Abb. 18.11: Grad der integrierten Dialogkommunikation in Untemehmen

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367

2.4 ErgebniskontroUen von Direktmarketingaktionen/ -kampagnen

In der letzten Phase des Direktmarketing-Konzeptes folgt die Erfolgskontrolle der durchgefuhrten Malinahmen, die haufig auch als traditionelle Kemaufgabe des Direktmarketing-Controlling angesehen wird. Ausgangspunkt hierfur sind die operationalisierten und verfolgten Ziele der Direktmarketing-Aktivitaten.

Zu den typischen Verfahren und Kriterien der Erfolgsmessung gehoren neben der Ermittlung von Responsequoten auch Wirtschaftlichkeitsanalysen auf Basis ver-schiedener Kennzahlen, die mitunter auch schon bei den Direktmarketing-Tests zur Beurteilung der Erfolgsaussichten eines „Full-Runs" genutzt worden (vgl. Abb. 18.12). Zur Endkontrolle sollten sie auf jeden Fall herangezogen werden, unab-hangig davon, ob sie im Rahmen von Tests zum Einsatz kamen und welche Ergeb-nisse sie dort angezeigt haben. Erst die Kontrolle nach Abschluss einer Direktmar-keting-Aktion liefert endgtiltige Ergebnisse iiber den damit verbundenen Erfolg und enthalt damit wichtige Hinweise fur die Durchfuhrung zukiinftiger MaBnah-men.

Responsequote (in %) =

Kosten pro Kontakt (CpC) =

Kosten pro Reaktion (CpR) =

Anzahl der Reaktionen (z. B. Anfragen, Bestellungen)

Anzahl der kontaktierten Zielpersonen

Gesamtkosten der Aktion / Kampagne

Anzahl der kontaktierten Zielpersonen

Gesamtkosten der Aktion / Kampagne

Anzahl der Reaktionen

- • Kosten pro Interessent (Cpl) =

Break-even-Menge _ (in % der Kontakte)

Rohgewinn einer Direktmarketlng-Aktion

Kosten pro Auflrag (CpO) =

Gesamtkosten der Aktion / Kampagne

Anzahl der Interessenten

Gesamtkosten der Aktion / Kampagne

Anzahl der Bestellungen

Kosten pro Kontakt (CpC)

(Netto-Verkaufspreis - Stiickkosten) x100

Umsatz (Netto-Verkaufspreis x Anzahl der Bestellungen) ./. Produktkosten (Anzahl der Bestellungen x Stiickkosten) ./. Gesamtkosten der Aktion / Zielkundenansprache

Abb. 18.12: Ausgewahlte Kennziffem zur Kontrolle von Direktmarketing- Aktivitaten

Responsequoten gehoren zu den klassischen und weit verbreiteten ErfolgsgroBen. Es handelt sich hierbei urn eine sehr einfach zu ermittelnde Kennzahl, bei der die Anzahl der Reaktionen zur Anzahl der kontaktierten Personen ins Verhaltnis ge-setzt wird (vgl. Bruns 1998, S. 126; Holland 2004, S. 361; Stone/Jacobs 2001, S.

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368

455 f.). Die Responsequote kann auch nach verschiedenen Zielgruppenkriterien differenziert werden, zum Beispiel hinsichtlich des Kundenstatus (Rucklaufquote bei bereits bestehenden Kunden und Nicht-Kunden), des Alters der Zielpersonen (Rucklaufquote bei alteren und bei jiingeren Kunden) oder nach geografischer Herkunft (Rucklaufquote bei inlandischen und auslandischen Kunden). Zudem kann der Response auch hinsichtlich bestimmter Responsearten gegliedert werden. Bei verkaufsorientierten Direktmarketing-Aktionen ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Abschluss- beziehungsweise Bestellquote interessant und rele­vant. Sie gibt das quantitative Verhaltnis von Bestellungen/Auftragen zur Anzahl der Kontakte an (vgl. Holland 2004, S. 368).

Leider geben die Rucklaufquoten keine Hinweise auf den wirtschaftlichen Erfolg einer Direktmarketingaktion. Hierfiir sind zunachst die Kosten pro Kontakt (CpC) oder die Kosten pro Response (CpR) zu ermitteln, wobei die Responseart beriick-sichtigt werden kann. So ergeben sich dann z. B. die Kosten pro Interessent (Cpl) und die Kosten pro Auftrag/Order (CpO). Die Kostenkennzahlen ermoglichen die Beurteilung verschiedener Direktmarketing-Kanale und -Zielgruppen (vgl. Ceyp 2002, S.28). Allerdings ist die Ermittlung der Gesamtkosten wegen der Schltisse-lung/Aufteilung von allgemeinen Fixkosten auf eine Direktmarketing-Aktion in der Regel willkUrlich.

Um die Wirtschaftlichkeit einer Aktion zu beurteilen, sind neben den Kosten auch die hieraus entstandenen Erlose zu beriicksichtigen. Dies kann beispielsweise in Form von Break-even-Analysen erfolgen. Hierbei wird die Responsequote ermit-telt, ab der die Kosten der MaBnahmen gedeckt werden beziehungsweise ab der sie sich selbst tragt (vgl. Holland 2004, S. 366). Ausgangspunkt sind die Aktionskos-ten pro Kontakt, die durch den Deckungsbeitrag der abgesetzten Produkte/Dienst-leistungen dividiert werden. Der Deckungsbeitrag ist dabei die Differenz zwischen den (Netto-) Verkaufspreisen und den Kosten der Produkte/Dienstleistungen. Wird das Ergebnis mit der Anzahl der kontaktierten Zielpersonen multipliziert, so erhalt man die notwendige Bestellmenge, die zur Deckung der Aktivitatskosten erforder-lich ist. Auf Basis der Break-even-Menge kann also bereits im Vorfelde einer Aktion entschieden werden, ob sie Aussicht auf Erfolg verspricht und die er-rechnete Break-even-Menge tatsachlich erreichbar ist.

Die Anwendung dieser Methode ist relativ einfach, solange pro Aktion nur ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung angeboten wird. Werden hingegen zahlreiche Offerten pro MaBnahme berucksichtigt, dann ist die Anwendung sehr problematisch. GrundsStzlich sind die Kosten einer Direktmarketing-Aktion nicht immer eindeutig zu bestimmen beziehungsweise einer MaBnahme zweifelsfrei und ursachlich zuzuordnen. AuBerdem konnen sich mit zunehmender Absatzmenge auch Kostenreduzierungen ergeben, die bei genauer Betrachtung berucksichtigt werden mussten (vgl. Kehl 2000, S. 245 f). Dies kann wiederum aufwendig sein und damit den wesentlichen Vorteil der Methode abschwachen. AuBerdem stellt sich auch die Wirkung der Direktmarketing-MaBnahmen teilweise mit erheblicher Zeitverzogerung ein, so dass eine kurzfristige Erfolgsmessung zu verzerrten Er-gebnissen fuhrt (vgl. Ceyp 2002, S. 31).

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Bei der Ermittlung des Rohgewinnes einer Aktion werden zunSchst die hierdurch ausgelosten (Netto-) Umsatze berechnet, von denen dann die Stuckkosten der verkauften Produkte/Dienstleistungen sowie die (variablen imd fixen) Aktionskos-ten subtrahiert werden. Auch bei dieser Methode ergeben sich in der Kegel Abgrenzungs- und Zurechnungsprobleme einzelner Kosten. Die Erfolgsermittlung kann zu einer Rentabilitatsrechnung ausgebaut werden, wenn man die investierten Finanzmittel der Direktmarketing- MaBnahmen berticksichtigt.

In Abbildung 18.13 ist - aufbauend auf dem Dupont-Schema zur Rentabilitatser-mittlung - der m5gliche Aufbau der Ermittlung des Return on Investment (ROI) fiir Direktmarketing-Aktionen dargestellt. Neben der schwierigen Kostenermitt-lung kommt hier jedoch auch noch als Problem hinzu, das fur die einzelnen Direkt-Marketing-AktionenZ-Kampagnen „investierte" Kapital zu bestimmen. In einer abgeschwachten Form der ROI-Berechnung konnte als investiertes Kapital das ausgenutzte Dierktmarketing-Budget fur die Aktion herangezogen werden.

1

Kapital-umschiag 1

1 1 Umsatz-1 eridse

1 \ ' m

1

Return on Investment

1 1 Investiertes

Kapital (Budget)

L

^

Umsatz- 1 rendite 1

Netto-gewinn

Q > Umsatz- 1 eridse 1

Brutto-gewinn

_ ^ \ Kosten der 1

Aktion / 1 Zielkunden-1 ansprache1

Umsatz-erlose

^

1 Response-

quote

rA 1

) 1 ,

Produkt-/ DIenst- 1

leistungs- 1 kosten 1

Bestellwert 1 (Durch- 1 schnitt) 1

Abb. 18.13: Schema zur Ermittlung des ROI von Direktmarketing-Aktivitaten Quelle: in Anlehnung an Wilde/Hickethier 1997, S. 482

Die vorstehend genannten Kennzahlen basieren auf dem direkt messbaren Respon­se von Direktmarketing-MalJnahmen. Abgesehen davon, dass sie damit nicht fur passives Direktmarketing geeignet sind, messen sie auch nur einen Ausschnitt ihrer gesamten Wirkung. Qualitative Erfolgsgrofien und Ziele, wie zum Beispiel Erho-hung des Bekanntheitsgrades, Image- und Einstellungswirkungen, werden hiermit

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370

nicht erfasst. Eine umfassende Erfolgskontrolle erfordert daher zumeist auch den Einsatz von Befragungen und/oder Beobachtungen zur Messung von kognitiven imd emotionalen Einflussen durch die Zielkundenansprache. Hierfiir ist in der Regel eine Vorher-Nachher-Messung bei den Rezipienten notwendig, um die ent-sprechenden Wirkungen einzelner Direktmarketing-AktivitatenZ-Kampagnen zu ermitteln.

Eine regelmaliige Kontrolle der Direktmarketing-Aktivitaten ist zwar sehr wichtig, sie wird aber in vielen Untemehmen nur ansatzweise oder uberhaupt nicht durch-gefiihrt. Von den 379 befragten Untemehmen in der oben genannten Studie gaben 44,5 % an, dass sie eine regelmSBige Kontrolle der Direktmarketingaktionen nicht oder nur sehr rudimentar durchfUhren. Kosten-Nutzen-Analysen einzelner Direkt-marketing-AktivitatenZ-kampagnen werden von 60, 2 % der Untemehmen eben-falls nicht oder nur sehr oberflachlich vorgenommen.

3 Zusammenfassung

Die Aufgaben des Direktmarketing-ControUings sind, wie die Ausfiihmngen ge-zeigt haben, recht vielfaltig. Damit sie professionell bewaltigt werden konnen, ist ein entsprechendes Methoden-Know-How sowie eine adaquate Infrastmktur der Informations-, Planungs- und Kontrollsysteme im Untemehmen notwendig. Insbe-sondere der Aufbau und die Pflege einer Kundendatenbank ist eine wichtige Gmndlage fur eine wirkungsvolle Erfullung der angesprochenen Aufgaben. Hier-bei geht es jedoch nicht nur um die reine Sammlung von Daten und Informationen Uber Kunden, sondem auch die inteme Weitergabe und Nutzung dieser wertvollen Informationen zur Optimiemng der Kundenorientiemng und Verbessemng der Kundennahe des gesamten Untemehmens. In diesem Sinne ist dann das Database-Marketing zu einem Customer Knowledge Management auszubauen, das zum Aufbau einer Customer Intelligence beitragt, die ein fruhzeitiges Erkennen von Verandemngen und Trends im KaufVerhalten der Kunden ermoglicht sowie ent-sprechende Strategien und MaBnahmen zur Beeinflussung und Reaktion hierauf erlaubt (vgl. Mann 2005 b, S. 267). Ftir die inhaltliche Konzeption und Entwick-lung des Customer Knowledge Management kann das Direktmarketing-Controlling wesentlich beitragen.

Allerdings sind zahlreiche Untemehmen von diesem Schritt noch weit entfemt und schon mit der systematischen Pflege von Kundendaten herausgefordert. Beispiels-weise nehmen gut die Halfte der befragten Untemehmen (53 %) in der angespro­chenen Studie keine oder nur eine sehr allgemeine Auswertung von Kundenreakti-onen nach Ablauf von Direktmarketing-MaBnahmen vor. Die Gmndlagen eines erfolgreichen Marketing-Controlling sind damit haufig in der Praxis noch nicht gegeben. Es empfiehlt sich deshalb, zun^chst im Rahmen eines Direktmarketing-Audits eine objektive Uberprufiing der organisatorischen und technischen Direkt-marketing-Infrastmktur vorzunehmen. Im Ergebnis dieser (strategischen) Direkt-marketing-Bilanz werden die Starken und Schwachen fur eine direkte Zielkunden-

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ansprache offensichtlich. Neben der organisationalen Fahigkeit sollte bei dem Audit auch die Bereitschaft eines Untemehmens zum direkten Kundenkontakt untersucht werden.

Die Verantwortlichkeit flir die Durchfiihrung eines Direktmarketing-Audits, wie auch die grundsatzliche organisatorische Verankerung des Direktmarketing-Controllings, kann unterschiedlich festgelegt werden (vgl. Link/Gerth/VoBbeck 2000, S. 18). Sie kann beispielsweise vollstandig dem Funktionsbereich Marketing Oder der Abteilung Controlling zugeordnet werden. Es ist auch moglich, dass in Form eines Dotted-Line-Prinzips das Direktmarketing-Controlling disziplinarisch dem Bereich Marketing zugeordnet wird, der Leiter der Abteilung Controlling jedoch in die Steuerung einbezogen wird und fachliche Weisungsbefiignisse erhalt.

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Kapitel 19 Efficient Consumer Response

Instrument des Marketing-Controlling zur Schaffung strategischer Wettbewerbsvorteile im Handel

Dirk Seifert

1 Einfiihrung

Der Begriff Efficient Consumer Response (nachfolgend ECR abgekurzt) hat wie kein anderer die Zusammenarbeit zwischen Handel und Konsumguterindustrie in den letzten Jahren gepragt. ECR gilt als neuer Managementansatz im Rahmen des strategischen Managements von Handels- und Industrieuntemehmen. Leitgedanke ist die Kooperation zwischen Handel und Lieferanten mit dem Ziel der Effizienz-steigerung der gemeinsamen Prozesskette und der konsequenten Ausrichtung auf die optimale Befriedigung von Konsumentenbediirfhissen. Die beiden ECR-Kom-ponenten Supply Chain Management (Kooperationsfeld Logistik) und Category Management (Kooperationsfeld Marketing) bieten dem Handelsuntemehmen Ges-taltungsansatze fiir den Aufbau von Kosten- und Differenzierungsvorteilen in ei-nem intensivierten Wettbewerb.

Nach einer Phase des kontinuierlichen Wachstums des Einzelhandels in den Tri-ade-Markten USA, Japan und Europa, mit Wachstumsraten von 5-10% pro Jahr, sind die meisten Einzelhandelsbranchen in den letzten Jahren in eine rezessive Phase getreten. Seit iiber zehn Jahren sinken beziehungsweise stagnieren die Um-satze des deutschen Einzelhandels bei einer gleichzeitigen Steigerung des Kosten-druckes.

Die Handelsuntemehmen agieren in einem Wettbewerbsumfeld, welches durch eine Vielzahl an negativen Faktoren gekennzeichnet ist. Neben einer stetig zu-nehmenden Konzentration und Globalisierungstendenzen der „Big player" (zum Beispiel der Markteintritt von Wal Mart in den deutschen und britischen Markt) bewirkt der Siegeszug der Betriebsform Discounter in Europa und vor allem in Deutschland {Aldi, Lidl, Penny etc.) einen Ruckgang von Margen und Umsatzren-diten. Der Grund ist eine deutlich ungunstigere Kostenstruktur von Anbietem eines „Vollsortiments" (bei SB-Warenhausem mehr als 15.000 Artikel) im Vergleich zu Discountem, die sich auf eine begrenzte Anzahl von umschlagsstarken Produkten konzentrieren (in der Regel zwischen 800 -1.200 Artikel).

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Der Handel ist zudem mit Verbrauchem konfrontiert, die zunehmend besser in-formiert sind (insbesondere uber die verschiedenen Preisniveaus und die Produkt-qualitat). Auf Grund von stagnierenden Nettoeinkommen in den letzten Jahren legen die Konsumenten ein zunehmend groBeres Gewicht auf Sonderangebote. Der Preis ist hierbei das wesentliche Kaufentscheidungskriterium und nicht die Marke Oder die Wahl der Einkaufsstatte. Die damit verbundene Abnahme in der Kunden-loyalitat in Bezug auf den Einkaufsort und die Marke ist in der Literatur vielfach unter dem Begriff „Sniart-shopper" beschrieben worden. Diese Entwicklung wurde verstarkt durch das Verhalten der Handelsuntemehmen. Sie haben sich in der Ver-gangenheit zumeist auf den Preis als Profilierungsinstrument gegeniiber dem Kon­sumenten konzentriert. Das Resultat sind immer aggressivere Aktionspreise und damit Wertschopflingsvemichtung. Gleichzeitig steigt die Kundenunzufriedenheit. Bei standig wechselnden Sonderangeboten und haufigen Unter-Einstandspreisen stellt sich fiir die Kunden die Frage der Preisehrlichkeit. Ein zumeist untibersicht-liches Sortiment, das hSufig nicht die wahren Konsumentenbediirfhisse widerspie-gelt, verstarkt die Unzufriedenheit der Konsumenten.

Die Zielsetzung des Handels muss demnach sein, die Kostenstrukturen zu opti-mieren und gleichzeitig ein Angebot zu schaffen, welches die gestiegenen Kon-sumentenbediirfiiisse befriedigt und nicht den Preis als alleiniges Profilierungs­instrument wahlt. Der neue Managementansatz ECR bezweckt genau dieses. Han­del und Industrie kooperieren dabei auf den Feldem Logistik und Marketing mit dem Ziel einer Verbesserung der strategischen Wettbewerbsposition.

2 ECR-Konzept

Der Begriff Efficient Consumer Response kann Ubersetzt werden mit „effiziente Reaktion auf die Kundennachfrage" (von der Heydt 1997, S. 13). Das ECR-Kon­zept wurde in den USA entwickelt und kam Anfang der neunziger Jahre erstmals bei bedeutenden Handels- und Industrieuntemehmen, wie zum Beispiel Safeway, Kroger, Procter & Gamble oder Coca Cola unter Mithilfe der Untemehmensbe-ratung Kurt Salmon Associates zum Einsatz. Die Anwendung von ECR fuhrt bei den beteiligten Untemehmen zu einer erheblichen Kostensenkung in der Prozess-kette und zu einem gesteigerten Umsatzvolumen auf Grund der besseren Be-friedigung von Konsumentenbediirfhissen.

ECR ist ein strategisches Management-Konzept fur Handel und Industrie im Sin-ne einer Wertschopfungspartnerschaft zwischen den beteiligten Parteien. Den Ausgangspunkt und gleichzeitig die Grundlage von ECR bildet die Kooperation zwischen Industrie und Handel im Gegensatz zu der bisherigen, durch Konfron-tation gepragten Beziehung (TSger/Nassua 1998, S. 43). Als ein Beispiel sei die ineffiziente Warenversorgung durch ungentigenden Informationsaustausch ge-nannt. Eine effiziente Produktion und Logistik ist ohne die Kenntnis von Ab-verkaufsdaten von dem „Point-of-sale" (POS) nicht moglich. Diese Form der feh-lenden Zusammenarbeit flihrt zu Reibungsverlusten in der spezifischen Wert-

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schopfungskette der beteiligten Untemehmen. Hier entstehen zusatzliche Kosten, die vermeidbar sind. Konkurrierende Untemehmimgen mit effizienteren Systemen erzielen hierbei Wettbewerbsvorteile.

Die Entwicklung in den USA zeigt, dass der Wettbewerb um Marktanteile nicht mehr allein zwischen den verschiedenen Handelsuntemehmen entschieden wird, sondem vielmehr Wertschopfiingsketten von der Zulieferindustrie iiber den Han­del bis zu dem Konsumenten als Endabnehmer in Wettbewerb zueinander stehen (Tienes/Kilimann/Schenk 1998, S. VII). Kooperation erleichtert durch arbeits-teilige Aufgabenerfullung die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Defizite im eigenen Untemehmen, beispielsweise fehlende Kenntnisse iiber bestimmte Kun-denzielgruppen oder Teilmarkte, konnen somit ausgeglichen werden (LerchenmUl-ler 1998, S. 514). Zulieferintegration und „Just-in-time"-Belieferung von Handels-filialen werden durch eine intensive Handler/Lieferanten Zusammenarbeit iiber-haupt erst moglich. ECR stellt den Ubergang von der intra- zur interorganisationa-len Prozessorganisation der Untemehmen dar (Barth 1996, S. 22). Die nachfol-gende Abbildung gibt einen Uberblick iiber die zwei tragenden Saulen des ECR-Konzepts und die damit verbundenen ECR-Basisstrategien:

1 Efilcient Consymer Response-Komept

Supply Chain Management

Effictent Raplenishmant (ER)

Efficient Administration (EA)

Effloient Operating Standards (EOS) 1

Category Management

Efficient Store Assortment (ESA)

Efficfent Promotion {EP)

Effident Product Introduction (EPI)

Abb. 19.1: ECR-Konzept und seine Basisstrategien Quelle: eigene Darstellung

Handelsuntemehmen, die mit den ECR-Basisstrategien arbeiten, untersuchen und hinterfragen jeden einzelnen Prozessschritt in der Wertschopfungskette. Nur Ar-beitsgange, die im Endergebnis die Konsumentenbedtirftiisse besser befriedigen, sind wertschopfende Aktivitaten. Dient ein Prozessschritt nicht der Konsumenten-zufriedenheit, so ist das Ziel die Eliminierung dieser Aktivitat. Das ECR-Konzept ist ein konsumentenorientiertes System, in dem Verbraucherbedurfiiisse maximal befriedigt werden - bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten. Vereinfacht aus-gedruckt ist die Zielsetzung von ECR (Zentes 1996, S. 4):

Kosten der Wertschopfungskette: Minimieren!

und

Konsumentenzufriedenheit: Maximieren!

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378

ECR stellt ein Reengineering der Wertschopfimgskette in der Konsumguter-branche dar. Bisher war der Prozessablauf in dieser Wertkette stark vom „Push-Prinzip" dominiert. Der Hersteller versucht durch vielfaltige Aktivitaten, wie zum Beispiel Promotions oder Sonderrabatte, eine immer hohere Verladung an Waren-volumen zu erreichen. Die hohen Warenbestande, die sich nicht an der tatsachli-chen Nachfrage orientieren, werden Uber das Lager des Handels in die Verkaufs-statten gedriickt. Dort entsteht auf Grund von limitierter Verkaufsflache ein hoher Abverkaufsdruck, der lediglich tiber reduzierte Preise und damit hoherer Nachfra­ge abgebaut werden kann. Die Folge sind standig sinkende Aktionspreise und ein Margenverfall fiir Industrie und Handel. Durch ECR wird die oben geschilderte Denkhaltung umgekehrt (Zentes 1996, S.5). Durch genaue Messung via Markt-forschung und Auswertung von Scannerdaten wird die Nachfrage analysiert. Die Produktion und Distribution in der Wertschopfimgskette arbeiten nachfrage-synchron auf der Basis der Informationen aus den Verkaufsfilialen. Die nach-folgende Abbildung soil die Umkehr dieser Denkhaltung verdeutlichen:

V\fertsch6pfiiryisketteohneECR

PradiMlondes ^ Hersyiers - •

V\feitsch6pfiinqsk(

1 h t e s . ^

DkJI .^-

- > L^gsrdes

^> ' Em^\mM

gttemitECR Informationsfluss

Herieilers Hartc^ BmihmM

Informationsfluss

->

^ W

HbnsMmert

Push

Abb. 19.2: ECR-Reengineering der Prozesskette Quelle: In Anlehnung an Zentes 1996, S. 4.

Der Nutzen von ECR liegt in der Reduzierung der Kosten in der Lieferkette („Supply side") und in der Erhohung der Umsatze und Margen („Demand side"). Studien schatzen das Nutzenpotenzial in den USA auf ca. 10 % und in Europa auf 6 % (beide bezogen auf den Umsatz zu Verkaufspreisen).Vor dem Hintergrund von relativ niedrigen Umsatzrenditen im Handelssektor (verglichen mit anderen Branchen) bieten die damit aufgezeigten Potenziale im Bereich Kostensenkung und Umsatzsteigerung dem Handelsmanagement Ansatzpunkte, um eine verbesser-te Wettbewerbsposition zu erreichen.

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379

3 Supply Chain Management (SCM)

Die Arbeit zwischen den Teilnehmem der Wertschopfiingskette fiihrte in der Ver-gangenheit immer wieder zu Konflikten. Jedes Mitglied war bestrebt, seine eige-nen Logistikkosten zu minimieren. Die Optimierung der Logistik in einer Wirt-schaftsstufe fiihrt dabei jedoch haufig zu Mehrkosten in der vorgelagerten und nachgelagerten Wirtschaftsstufe. Die isolierten Optima der einzelnen Ebenen er-geben kein Gesamtoptimium in der Wertschopfiingskette (Waldmann 1995, S. 68). SCM als die logistikbezogene Komponente des ECR-Konzepts bietet hier Ansatze fiir eine umfassende Optimierung der Prozesskette.

Supply Chain Management (in der Literatur auch als Supply Management zu fin-den) ist die „strategische und operative Gestaltung der Materialwirtschaft in einem Untemehmen mit dem Ziel, ein kundenorientiertes, effektives und effizientes Ma­nagement der gesamten Wertschopfiingskette in Zusammenarbeit mit den Zuliefe-rem zu erreichen" (Kaluza/Kemminer 1997, S. 13).

Auf dem Kooperationsfeld Logistik erstreckt sich die Zusammenarbeit von Indu­strie und Handel auf drei ECR-Basisstrategien:

1) Efficient Administration,

2) Efficient Operating Standards und

3) Efficient Replenishment.

3.1 Efficient Administration

Efficient Administration beinhaltet die Kooperation im Bereich der Geschaftsab-wicklung und Verwaltung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung aller administra-tiven Prozesse an der Schnittstelle zwischen Industrie und Handel. Die Beseiti-gung von nicht-wertschopfenden Aktivitaten, wie die Arbeit mit uniibersichtlichen Konditionssystemen oder die ineffiziente Abwicklung des Bestell-, Liefer- und Zahlungsverkehrs via Fax oder Post und des damit verbundenen Verlustes an In­formation und Zeit.

Der Schliissel zu einer effizienteren Gestaltung der administrativen Prozesse in der Wertschopfiingskette ist Electronic Data Interchange (EDI). Nur EDI erm5glicht einen schnellen und akkuraten Austausch von Informationen tiber Produktion, Distribution und Nachfrage zwischen den Kooperationspartnem. Jedes Unter-nehmen mit der Zielsetzung, die Potenziale von Efficient Consumer Response auszuschopfen, muss im Bereich EDI kompetent handeln konnen. Die zwei zentra-len Elemente einer erfolgreichen Anwendung von EDI sind (ECR Europe 1996, S. 2f.):

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1) Internationale Standards fur den Dateninhalt

Der Dateninhalt wird gefullt durch die EAN (European Article Number)-Codie-rung, die es erm5glicht, Produkte und Dienstleistungen innerhalb von EDI-Nach-richten zu identifizieren. Dieser Code dient als Adresse fiir wesentliche Artikel-daten. Das EAN-Coding System wird derzeit von uber 600.000 Untemehmen weltweit genutzt.

2) Internationale Standards fur die Datenstruktur

Eine intemationale Struktur der EDI-Nachrichten wird durch den EANCOM Stan­dard gewahrleistet. Das Modul EDIFACT (Electronic Data Interchange for Admi­nistration, Commerce and Transport) bietet im Rahmen der ECR-Anwendung eine elektronische Basis fiir untemehmens- und brancheniibergreifende Kommunikation auf intemationaler Ebene.

EDI erlaubt im Rahmen der entwickelten Standards den regelmaBigen und auto-matisierten Austausch von Informationen. Dies erfolgt beispielsweise in den Be-reichen Stammdatenaustausch, Bestellungen, Rechnungen, Zahlungsverkehr („Ef-ficient Funds Transfer"), Distribution, „Point-of-sale"-Daten (der Einsatz von Scannertechnologie liefert tagesaktuell die Datengrundlage fiir Abverkaufsanaly-sen, Warenkorbuntersuchungen etc.).

Ein Instrument, welches die Effizienz von administrativen Prozessen in der Ko-operation Handler/Lieferant verbessert, ist das Data Warehouse-Konzept. Im Sin-ne eines zentral ausgerichteten Datenpools bietet ein Data Warehouse die Mog-lichkeit, redundanzfreie und konsistente Informationssysteme zu installieren. Den Lieferanten und den Mitarbeitem des Handels konnen auf diese Weise alle rele-vanten Daten zur Verfugung gestellt werden. Gleichzeitig bietet es eine aktuelle Datengrundlage fur das Handelscontrolling und auch dem Management konnen auf diese Weise entscheidungsbezogene Daten zur Verfugung gestellt werden; dies verbessert die Steuerungsgrundlage im Hinblickt auf die von Hersteller und Hand­ler gemeinsam angestrebte Optimierung der Geschaftsprozesse (Mohlenbruch 1998, S.462).

Das US-amerikanische Handelsuntemehmen Wal-Mart, einer der Pioniere in der Anwendung des ECR-Konzeptes, setzt in Bezug auf ein modemes Data Warehou­se globale MaBstabe. In der Firmenzentrale in Bentonville betreibt man ein Netz-werk mit dem Namen „Teradata". Das Data Warehouse umfafit 51 Terabyte (Bert­ram 1999, S.22) Daten (das entspricht 51.000 Gigabyte). Bei Hochbetrieb verar-beitet das System tSglich 20.000 Abfragen. Interne wie exteme Personen haben via „Retail Link" die M5glichkeit, routinemaUig auf die taglichen Absatz-, Liefer- und Bestandsdaten von mehr als 2.800 Filialen zuriickzugreifen. Das „Retail Link"-Netz dient weltweit als informationstechnologisches Vorbild fiir eine enge Ver-zahnung von Handel und Konsumgiiterhersteller (o.V. 1998, S.17).

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3.2 Efficient Operating Standards

Die ECR-Basisstrategie Efficient Operating Standards hat als Zielsetzung die Er-h5hung der Effizienz durch die Definition von branchenweiten Standardregelun-gen in der Prozesskette. Nachfolgend sollen die wichtigsten Operating Standards kurz vorgestellt werden.

Barcoding

Bei Transportverbundsystemen ist es sinnvoU, die Versandeinheiten und Paletten mit dem EAN-Barcode zu kennzeichnen. Damit ist es moglich, Verpackungs- und Transporteinheiten an verschiedenen Stellen der Prozesskette automatisch zu le-sen, ohne das die Ware hierfur ausgepackt werden milBte. Weitere Vorteile sind der verminderte Zeitaufwand fur die Kontrolle bei Abgang und Eingang der Ware, die Vereinfachung der Kommissionierung und eine permanente Inventur der Wa-ren im Lager.

Cross Docking

Der Begriff Cross Docking bezeichnet ein Distributionssystem, das die an ein Handelslager angelieferte Ware nicht dort zwischenlagert, sondem in „Trans-shipmentpunkten" zu filialgenauen Sendungen zusammenstellt und direkt an die Handelsfilialen ausliefert. Dieses Vorgehen wird unterstutzt, indem der Hersteller die Artikel in der Kegel empfangerspezifisch vorkommissioniert. Die angelieferte Ware wird idealer Weise nach Ankunft „Across the dock" in die Transport-fahrzeuge verladen, die die jeweiligen Filialen anfahren. Dieses ECR-Modul er-fordert die synchrone Abstimmung von alien eingehenden und ausgehenden Be-wegungen in dem Handelslager. Das anwendende Untemehmen muss genau wis-sen, welche Artikel in welchem Transport-Container angeliefert werden. Eine wesentliche Hilfe bei der Identifizierung der Warensendungen stellt die oben vor-gestellte Methode Barcoding dar. Die unmittelbare logistische Verknupfung von Lieferungen an den Handel und die Zusammenstellung der Ware fiir die einzelne Filiale erfolgt unter dem Einsatz von EDV. Cross Docking eliminiert weitgehend samtliche redundante Handlungsaktivitaten in dem Handelslager. Die Hohe der Lagerbestande sowie die Arbeitsvorgange des Ein- und Auslagems wird minimiert, teilweise sogar verzichtbar. Die Durchlaufzeit der Ware wird deutlich reduziert und die Produkte sind somit schneller in den Handelfilialen. Das Bedtirfiiis der Verbraucher nach frischen Produkten wird damit besser befriedigt. Die Anzahl der Produkte mit einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum wird vermindert, und damit reduzieren sich die Aufwendungen fiir Abschreibungen. Mit Hilfe von Cross Docking erreicht man gleichfalls eine geringere Kapitalbindung in den Lagem, da die Ware vielfach nicht mehr zwischengelagert wird. Dies erhoht die Liquiditat des Handlers und setzt finanzielle Ressourcen frei ftir andere Aufgaben, wie zum Bei-spiel die Investition in modeme Informationstechnologie und Warenwirtschafts-systeme. Neben der geringeren Kapitalbindung wird auch der Umschlag pro Quad-ratmeter Lagerflache erhoht, da weniger Lagerkapazitat benStigt wird. In Projekten konnte gezeigt werden, dass durch die Anwendung von Cross Docking die Lager-kosten um mehr als 30% gesenkt werden (Wiezorek 1998, S. 393). Einer der ers-

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ten Nutzer von Cross Docking in Deutschland war der Discounter Aldi (Lerchen-muller 1998, S. 507). In den USA wird das ECR-Modul mittlerweile von uber 15% der Handelsuntemehmen genutzt.

Roll-Cage Sequencing (RCS)

Bei Roll Cage Sequencing erfolgt die Beladung der Rollcontainer in den Distribu-tionszentren filialgerecht. Die Artikel sind genau in der Reihenfolge sortiert, wie sie spater im Geschaft abgepackt und plaziert werden. Dabei wird folgendes Prob­lem gelost: Traditionelle Handelslager sind in ihrem Aufbau nicht an das Layout der Verkaufsfilialen angepafit. Dies hat zur Konsequenz, dass die Bestuckung der Roll Container nicht in der Reihenfolge der Entladung in der Filiale stattfmden. Dies fuhrt zu ineffizienten Prozessen vor allem in den Markten.

Efficient Unit Loads

Das Modul Efficient Unit Loads zielt auf eine optimierte Auslastung von Trans-porteinheiten. Ansatzpunkt ist beispielsweise eine effizientere Palettenausnutzung. Die Praxis in der Lieferkette zeigt vielfach eine zu geringe Ausnutzung der Palet-ten. Die Zusammenfassung von Auftragen, die durch Efficient Administration ermoglicht werden, bietet hierbei die Basis fur eine optimierte Nutzung von Palet-ten. Ein weiteres Gestaltungsfeld ist das Transportmanagement. Die gezielte Aus­nutzung der Rticktransporte erhoht die Auslastung und Effizienz des eigenen Fuhrparks. Studien zu Efficient Unit Loads zeigen, dass in diesem Bereich Kosten-senkungen von zwei Prozent vom Umsatz erzielt werden konnen.

3.3 Efficient Replenishment (ER)

Efficient Replenishment, in der Literatur auch Continuous Replenishment genannt, ist eine Basisstrategie des ECR-Konzeptes, die das Warenbestandsmanagement neu ordnet. Hierbei wird die Dispositionsverantwortung und die Bestandsverwal-tung von dem Handelsuntemehmen auf das Herstelleruntemehmen iibertragen („Vendor Managed Inventory"), um in einem automatisierten Prozess („Computer Assisted Ordering") die kontinuierliche Warennachlieferung auf der Grundlage der Verbrauchemachfrage sicherzustellen. Die GUter werden nachfragesynchron pro-duziert und distribuiert (Zulieferintegration) (Updike 1997, S. 35). Hohe Lieferbe-reitschaft und Produktverfligbarkeit bei einem Minimum an Bestandsfuhrung ist das wichtigste Ziel von ER.

Die Ausschopfung des Kostensenkungspotenziales durch Efficient Replenishment ist erst mit dem Erreichen einer kritische Masse moglich. Studien zeigen, dass etwa 30-40% der Warenversorgung uber ER-Techniken abgewickelt werden mus-sen, damit das System kosteneffizient arbeitet.

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4 Category Management (CM)

Steht bei dem Supply Chain Management die Kostenoptimierung in der Wert-schopfiingskette fur die Untemehmen im Vordergrund, so ist es im Category Ma­nagement vor allem die Absatzoptimierung und die Verbesserung der Brutto-margen (Coca-Cola Retailing Research Group Europe 1994, S. 57). „Category Management ist ein gemeinsamer Prozess von Handler und Hersteller, bei dem Warengruppen als strategische Geschaftseinheiten gefuhrt werden, um durch Er-hohung des Kundennutzens Ergebnisverbesserungen zu erzielen" (Roland Berger & Partner / The Partnering Group 1997, S. 8).

4.1 Die mit CM verbundenen Zielsetzungen von Handel und Industrie

Die Bereitschaft zu einer CM-Zusammenarbeit und die Bereitstellung von ada-quaten Ressourcen sind mit bestimmten Erwartungen verbunden. Die Ziele von Hersteller und Handel im Rahmen von CM lassen sich in marktpositionsbezogene Ziele (qualitative GroBen) und ergebnisbezogene Ziele (quantitative Grossen) strukturieren. Die folgende Abbildung systematisiert haufig genannte Zielgrolien (vgl. Abb. 12.3).

Im Category Management (Kooperationsfeld Marketing) erfolgt die Zusammen-arbeit von Handel und Industrie in der gemeinsamen Implementierung des neun-stufigen CM-Planungsprozesses und den drei ECR-Basisstrategien:

1) Efficient Store Assortment,

2) Efficient Product Introduction und

3) Efficient Promotion.

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Ziete der Handelsuni^mehmeii

Zmle der tmd ustrieuntennHehmen

Marktpositionsbezogene Zi«igrda&n Adaquate Sortimente in Bezug auf Zielgruppe, Kauferverhalten und Standort

Imageverbesserung in bezug auf Kundenorientierung, Leistungskompetenz, Preiswiirdigkeit etc.

Erschiielien neuer Kundensegmente

Nutzung spezifischer Bedarfsverbindungen zur Ausschopfung von Absatzpotenziaien (cross selling)

Erhohung der Kundenloyalitat

Eigenstandiges Profil im Handelswettbewerb

Preiskonzept mit hoher Wertschopfung

Gewinnung von Marketing- und Marktkenntnissen von den Industriepartnem

Frijherkennung von Trends

Gewinnung von Informationen uber Substltutions-und Komplementarbeziehungen von Produkten

Starkung von Brand equity

Preiskonzept mit hoher Wertschopfung

Verbessertes Wissen uber Kauferverhalten

Gewinnung von POS-Daten von den Handelspartnem

Sicherung / Verbesserung der Plazierungsqualitat bzw. Kontaktstrecke fur die eigenen Produkte

Aufbau eines Images als Kompetenzpartner des Handels und Wahrnehmung ais "prefered supplier"

Frijherkennung von Trends

Moglichkeit der EinfluBnahme am POS

Testmarkte fiir innovative Entwicklungen

Schaffung eines Wettbewerbsvorteiles gegenijber anderen Lieferanten

Ergebnisbezogene Zleigrdllen Steigerung der Verkaufsflachenproduktivitat

Erhohung des Lagerumschlages

Verbesserung der Deckungsbeitrage des Sortimentes

Ven-ingerung der Kapitalbindung

Umsatz- und Ertragssteigerung

Erhohung der Kauferreichweite

Reduzierung von kostenintensiven Promotions durch Efficient Promotions

Umsatzsteigerungen aufgrund Reduzierung/ Vermeidung von Bestandslucken (Out of stocks)

Erhohung der Bedarfsdeckungsquoten und Ausgabenintensitat der Kunden

Kostenoptimiemng von Produktneueinfuhrungen

Umsatz- und Ertragssteigerung

Erhohung der Kauferreichweite

Kosteneffizienter Einsatz von Werbebudgets durch Efficient Promotions

Umsatzsteigerungen aufgrund Reduzierung/ Vemneidung von Bestandslucken (Out of stocks)

Erhohung der Bedarfsdeckungsquoten und Ausgabenintensitat der Kunden

Kostenoptimierung von Produktentwicklung und Produktneueinfuhrung

Abb. 19.3: CM-Zielsystematik von Handel / Industrie Quelle: Eigene Abbildung in Anlehnung an Behrends 1995, S. 14; Feld 1996, S. 12

4.2 Bedeutungsinhalt von CM

Von verschiedener Seite wird argumentiert, dass die wirklich groBen Erfolgspo-tenziale von ECR im Category Management liegen, weil damit die Absatzchancen beim Endverbraucher optimal ausgeschopft werden. Leitfimktion von CM ist dabei eine konsequente Kundenorientierung von Sortiment und Leistungsangebot unter der Zielsetzung der Profilierung im Wettbewerb und der Kundenbindung (Alves 1996, S.27). Diese strategische Ausrichtung resultiert auch aus der Erkenntnis, dass die bisher gewahlte Profilierung iiber den Preis zu permanenten Unter-Einstands-Verkaufen bei Aktionen fuhrt und damit Wert vemichtet. Category Management als integrierter Marketingansatz von Handel und Industrie sorgt da-

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fiir, dass die aus Verbrauchersicht besten Produkte mit den optimalen Preisen am richtigen Ort plaziert werden. Damit wird eine grofiere Nachfrage erzeugt und man schafft eine hohere Wertschopfung auf der Ebene der Verkaufsstatten.

4.3 Fiihrung der Warengruppen als strategische Geschaftseinheiten

Die vorrangige Aufgabe in dem wettbewerbsintensiven Handelsumfeld ist die Entwicklung von Alleinstellungsmerkmalen und Imitationsbarrieren zur Kon-kurrenz, um im Wahmehmungsfeld der Konsumenten besser als die Konkurrenz beurteilt zu werden (Bath 1997, S.3). Der Schlussel fiir den Erfolg am „Point-of-sale" ist eine Neudefinition von Warengruppen (Categories) und deren Fiihrung als strategische Geschaftseinheiten. Dies bedeutet die vollige Abkehr von traditi-onellen Sortimentsstrukturen. Bisher fiihrt der Handel Produkte mit identischen Funktionen oder produktions- beziehungsweise werkstoffgepragter Homogenitat zu Warengruppen zusammen. Resultat: die meisten Sortimente von Handelsunter-nehmen sind annahemd identisch und nehmen lediglich eine „Me-too"-Position im Vergleich zum Handelswettbewerb ein.

Die Konzeption der Warengruppen im Sinne von Category Management beinhal-tet die Abstimmung der Kategorien nach Bedarfsanlassen beziehungsweise Ver-bundwirkungen (Cross selling) und eine Zielgruppengerichtete Ansprache der Kunden. Dies ermoglicht die Profilierung des Sortimentes im Wettbewerb (Meffert 1995, S. 3.) und schafft den Ubergang von dem „Point-of-sale" zu einem „Point-of-difference" (Behrends 1995, S. 17) aus der Sicht der Konsumenten. Strategi­sche Warengruppen fiir klar definierte Zielgruppen konnen somit konzipiert wer­den.

Ein konkretes Beispiel fiir die strategisch wichtige Zielgruppe der ,jungen Fami-lien" soil dies verdeutlichen: Die bisher einzeln betrachteten Sortimente „Hos-chenwindeln", „Spiele ftir Babies" oder „Biicher uber Babypflege" werden als „Integrated Baby Care Center" zusammengefafit und als Komplementarartikel positioniert. Unnotige Suchzeit wird den Kunden somit erspart und Impulskaufe gefbrdert. Gleichzeitig bietet diese Presentation der Artikel die Moglichkeit, Er-lebniswelten zu schaffen, welches ein klar identifiziertes Konsumentenbediirfhis befi-iedigt. Der Sortimentsaufl)au nach VerwendungsanlaB offeriert der definierten Zielgruppe ,Junge Familien" einen wirklichen Zusatznutzen und schafft damit Kundenloyalitat, die in Hinblick auf ihre zukiinftige Einkaufsstattenwahl von ent-scheidender Bedeutung ist. Dieses Beispiel der strategischen Konzeption einer Warengruppe laBt sich auf eine Vielzahl anderer Sortimentsbereiche iibertragen. Weitere Ansatzpunkte zur Bildung von Categories sind zum Beispiel „Wein" (Zielgruppe: Einkommensstarke Haushalte) oder „Ready-to-eat-meals" (Zielgrup­pe: Single-Haushalte).

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4.4 Kenntnis des Kauferverhaltens und die Analyse der POS-Daten

Die Fiihrung von Warengruppen als strategische Geschaftseinheiten und die dem-entsprechend richtige Positionierung ist ohne detaillierte Kenntnisse uber Kunden und Markte undenkbar. Die Aufgabe der Marktforschung im Rahmen von Catego­ry Management ist eine differenzierte Analyse von Kundenstruktur und Kunden-verhalten mit der Zielsetzung einer klaren Marktsegmentierung, welche die Ver-sorgung der identifizierten Kundengruppen mit den jeweils benotigten Leistungen erlaubt (Lerchenmiiller 1998, S. 511).

Im Rahmen der Arbeit mit CM und vor allem der kooperativen Erfolgskontrolle von Handel und Industrie fallt der Analyse der POS-Daten eine besondere Bedeu-tung zu. Die Speicherung aller relevanten Einzeldaten (Umsatze, Preise etc.) in einer Warengruppe ist die Voraussetzung dafur, jederzeit eine Warengruppen-analyse vomehmen zu konnen. Die Kenntnis dieser Daten bildet die Grundlage fiir die Beurteilung der ergriffenen MaBnahmen in der Warengruppe in Bezug auf zum Beispiel Sortimentsgestaltung (Efficent Store Assortment) oder Verkaufsforderung (Efficient Promotion). Die Bereitstellung der Daten erfolgt zumeist tiber Extranet beziehungsweise ein Data Warehouse.

Tesco, der gr56te britische Einzelhandler, testet seit Februar 1998 mit sieben SchlUssel-Lieferanten (z.B Coca-Cola, Nestle oder Procter & Gamble) ein Extra­net zur Verbesserung ihrer ECR-Zusammenarbeit. Die Industrie-Partner erhalten auf der Basis von Electronic Data Interchange Zugriff auf POS-Verkaufsdaten aus den Ti ^^co-Filialen. Auf dieser kooperativen Grundlage ist es den Herstellem bei Promotions moglich, die Verkaufsprognose und die tatsachlichen Abverkaufe ab dem ersten Tag zu vergleichen (Swoboda 1998, S. 365).

Der Weitergabe von relevanten POS-Daten von dem Handelsuntemehmen an den Lieferanten, mit dem Ziel der gemeinsamen Analyse, wird in den USA immer haufig praktiziert.

4.5 Implikationen von CM auf die Organisationsstruktur

Fur ein Untemehmen, das Category Management praktiziert, hat dies zur Kon-sequenz, dass eine Organisationsstruktur entwickelt werden muss, die nach Ka-tegorien ausgerichtet ist, um diese analysieren und weiterentwickeln zu konnen. Die Kenntnis der Verbraucherbediirfhisse und der Faktoren, die eine Kategorie beeinflussen, ist hierbei unbedingt erforderlich. Nach der von Chandler aufge-stellten These „Structure follows strategy" (Chandler 1962, S. 314) passen sich Organisationsstrukturen den Strategievorgaben der Untemehmensfiihrung an. Anders als bei der an Funktionen ausgerichteten Trennung von Einkauf und Ver-kauf in der klassischen Organisation von Handelsuntemehmen sieht das Category Management die Zusammenflihrung von Entscheidungskompetenz und Ergebnis-verantwortung fur die Warengruppe in Form eines Category Managers vor. Die Trennung von Einkauf und Vertrieb in einem Handelsuntemehmen fuhrte in der

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Vergangenheit oftmals nicht zu marktgerechten Sortimenten (Theis 1999, S. 584). Die neu geschaffene Position des Category Managers bildet die Grundlage flir eine Ziel- und Interessenintegration als Voraussetzung fur die Vermeidung divergieren-der Entscheidungsrichtungen innerhalb der Category (Meffert 1995, S. 3). Kenn-zeichnend ist der Umfang seiner Verantwortung. Vielfach flihrt er die strategische Geschaftseinheit als Profit-Center. In diesem Zusammenhang wird auch der Aus-druck „Untemehmer in seiner Category" diskutiert (Meffert 1995, S. 2).

Die Anforderungen an einen Category Manager sind vielfSltig. Neben dem n5ti-gen Know-how in den Bereichen BeschaffUng und Vertrieb benotigt er daruber hinaus Kenntnisse in den Bereichen Logistik, Finanzen, Informations technologie. Ein Anforderungsprofil, das von einer einzelnen Person schwer zu erfullen ist. Eine Alternative dazu ist die Bildung von multifiinktionalen Teams unter der Lei-tung eines Category Managers. Die Fachleute aus den oben genannten Bereichen Logistik, Finanzen etc. unterstUtzen den Teamleader bei der Umsetzung der indi-viduellen Warengruppen-Ziele. Wesentliche Voraussetzung flir die Umsetzung eines kompetenten CM ist die hohe Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter. Die Rekrutierung neuer Mitarbeitem sowie die Mitarbeiterschulung und -flihrung miissen dieser Anforderung gerecht werden. Das Humankapital eines Untemeh-mens wird damit zu einem wichtigen Erfolgsfaktor.

4.6 CM-Planungsprozess

Der Category Management Planungsprozess hat die Zielsetzung, eine struktu-rierte Implementierung von CM sicherzustellen. Der neunstufige Geschaftsplan beschreibt die Reihenfolge der Aktivitaten und die Methode. Darin enthalten ist auch die Bestimmung von klar definierten Prozess-Inhabem („Process owners") mit festgelegten Verantwortlichkeiten in der Ausfuhrung der einzelnen Schritte (Joint Industry Project on Efficient Consumer Response 1995, S.15f). Der CM-Planungsprozess schafft eine Balance zwischen Produkt- und Prozessinves-titionen und berUcksichtigt alle durchzufuhrenden Aktivitaten des gesamten Sys­tems vom Hersteller uber den Handler bis zum Konsumenten (Roland Berger & Partner/The Partnering Group 1997, S.35f). Nur wenn die beteiligten Partner ein umfassendes Verstandnis fur den Prozess in seiner Gesamtheit haben, konnen die einzelnen Phasen mit ihren individuellen Anforderungen adaquat bearbeitet wer­den (von der Heydt 1997, S.85). In der Arbeit mit dem Planungsprozess, das heisst in der Definition, der Dimensionierung und der Strukturierung des Marktauftritts der Warengruppe berUcksichtigt man stets die Bedarfsstrukturen und das Ein-kaufsverhalten der vorher bestimmten Zielgruppe (Behrends 1995, S. 10).

In der folgenden Abbildung werden die neun Schritte des CM-Geschaflspla-nungsprozesses dargestellt.

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E R F 0 L G S K 0 N T R 0 L L E

0 P T 1 M 1 E R U N G

Strategie-Analyse

* Warengruppen-Definition

1 Warengruppen-Rotle

f , Warengruppen-Bewertung

f Warengruppen-Leistungs-

Warengruppen-Strategien

i Warengruppen-Taktiken

i Warengruppen-Planumsetzunj

Verstehen derZiele, Strategien, Zieigruppen, Wettbewerbs-position, Verbraucher-lmage etc. des Unternehmens.

Identifikation der Produkte, die aus der Konsumentensicht die Warengmppe und ihre Segmentierung bilden.

Entwicklung und Zuweisung einer Rolle fiir die Warengmppe auf Grundlage eines warengruppeniibergreifenden Vergleiclis.

Analyse der Daten der Warengruppe (Markt, Kunden etc.), urn Starken, Schwachen und Potentzale zu identifizieren .

Festlegung der Leistungskriterien und -vorgaben fiir die Warengruppe.

Entwicklung der Marketing- und Beschaffungsstrategien, urn die WG-Rollen und Leistungsvorgaben zu reaiisieren.

Wahl der optimalen Taktik im Hinblick auf die Bereiche: Preis-und Sortimentspolitik, RegalprSsentation, Verkaufsfdrderung.

Umsetzung des Warengruppen-Geschslftsplanes durch detaillierte Festlegung von Verantwortlichkeiten und Fristen.

Abb. 19.4: CM-Planungsprozess Quelle: Eigene Darstellung; In Anlehnung an Roland Berger & Partner/The Partnering Group 1997, S.36

4.7 Basisstrategien

Die effiziente Befriedigung von Verbraucherwunschen wird durch drei ECR-Ba-sisistrategien untersttitzt: Efficient Store Assortment, Efficient Product Intro­duction und Efficient Promotion.

4.7.1 Efficient Store Assortment (ESA)

Efficient Store Assortment (in der Literatur auch als Efficient Assortment zu fm-den) ist „eine Basisstrategie von ECR, die durch eine von Handel und Hersteller getragene effiziente Sortimentsgestaltung den am POS zur Verfugung stehenden Platz optimal nutzen und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit steigem will, um so den beteiligten Untemehmen wie auch den Konsumenten einen maximalen Nutzen zu stiften (von der Heydt 1997, S. 79).

Bei der kooperativen Sortimentsgestaltung profitieren beide Partner von dem Know-how des Anderen. Bei dem Hersteller ist dies das Wissen tiber die Pro­dukte, den Markt und die Konsumenten in Form von Marktforschungsstudien. Der Handler hingegen verfiigt uber Informationen der Verbraucher am „Point-of-sale" in Form von Scannerdaten. LFber sogenannte Bon-Analysen lassen sich wichtige

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Hinweise auf zum Beispiel Wert des Einkaufskorbes oder Verbundkaufe gene-rieren.

Das Ziel von Efficient Store Assortment sind ubersichtliche Sortimente mit der konsequenten Eliminierung von aus Verbrauchersicht redundanten Artikeln. Hin-tergrund einer gemeinsamen Kooperation in diesem Bereich ist auch die stetig sinkende Umschlagshaufigkeit der Warenbestande in Folge einer in der Vergan-genheit starken Sortimentsausweitung durch eine Vielzahl neuer Produkte (siehe dazu auch den Abschnitt zu Efficient Product Introduction). Verbunden mit dieser Entwicklung sind dramatisch steigende Kapitalbindungskosten.

Neben der Sortimentsoptimierung kommen auch Module, wie das Space Manage­ment (computergestiitzte flachenbezogene Optimierung) und die Regaloptimie-rung (Plazierung der Produkte, Lange der Kontaktstrecken etc.) zum Einsatz. Die Ergebnisse von Efficient Store Assortment variieren je nach Art der Waren-gruppe. Studien belegen durchschnittliche Umsatzsteigerungen von Uber 10% und eine Erhohung der Bruttomarge von Uber 5%.

4.7.2 Efficient Product Introduction (EPI)

Die Einfuhrung von Produktinnovationen, die sich an den wirklichen Konsumen-tenbedtxrfhissen ausrichten, ist mit einer hohen Wertschopfung fiir Handel und Industrie verbunden. Beide Seiten steigem ihren Nutzen, da das neue Produkt auf Grund seines Alleinstellungsmerkmales eine relativ hohe Preisstellung im Markt und damit relativ hohe Margen zulaBt. Auch die Verbraucher profitieren in der Kegel von Innovationen, da ihre Bediirfiiisse durch das Produkt besser befriedigt werden als durch herkSmmliche Produktlosungen. Handler, die in der Lage sind, neue Produkte schneller in ihren Einkaufsstatten zu prasentieren als ihre Wettbe-werber, steigem ihren Nutzen Uberproportional, da es ihnen oftmals gelingt, Kau-ferstrome umzuleiten und eine h5here Kundenloyalitat zu erzielen.

Leider zeigt die Praxis, dass die meisten neuen Produkte keine oder nur geringe Verbesserungen enthalten oder „Me-too"-Produkte darstellen. Die Bedurfhisse der Konsumenten werden somit nicht wirklich besser befriedigt. Das Ergebnis ist eine sehr hohe „Flop-rate". In einer Studie von Ernst & Young Gobal Client Consulting und A.C Nielsen wurden in sechs europaischen Landem 25.000 neue Produkte aus der Nahrungs- und GenuBmittelindustrie auf ihren Markterfolg analysiert. Das Ergebnis ist, dass 90 % aller Produkt-Neueinfuhrungen innerhalb der ersten zwei Jahre den Markt wieder verlassen miissen. Nur 2.2 % der 25.000 untersuchten Produkte waren hierbei wirkliche Innovationen (Ernst & Young Global Client Consulting/A.C. Nielsen 1999, S. 10).

Ziel einer Kooperation im Bereich EPI muss es demnach sein:

1. Die Anzahl von Produktinnovationen mit hohem Umsatz- und Margenpotenzial systematisch zu steigem;

2. die Zeit bis zu der Produkteinfuhmng („Time-to-market") zu minimieren und

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3. die Einfuhrung der Innovation durch Industrie und Handel auf der Ebene der Werbeunterstutzung, Verkaufsforderung und der Prasentation in den Ein-kaufsstatten zu optimieren.

Die Steigerung der Anzahl von Produktinnovationen ist nur realisierbar, wenn Handel und Industrie ihr Synergiepotenzial in Bezug auf ihr Wissen iiber Markte und Kunden optimal ausnutzen. Innovation bedeutet nicht nur, ein gutes Produkt zum richtigen Zeitpunkt zu haben, sondem ist auch Ausdruck eines strategischen Willens, der auf die nachhaltige Verbesserung der Wettbewerbsposition abzielt. Nach Coureil ist die wichtigste Aufgabe der Innovationskompetenz die Steige­rung des Wertes der Kundenbeziehung (Coureil 1999, S. 84). Dies ist nur zu errei-chen, wenn in der Phase der Produktentwicklung samtliche relevanten Daten uber das Verhalten der Konsumenten und deren Bedtirfiiisstrukturen berucksichtigt werden.

Einer der wichtigsten Aspekte bei einer erfolgreichen Einfuhrung ist die Verktir-zung von „Time-to-market". Ein groBer Teil amerikanischer Hersteller haben mittlerweile kontinuierliche Verbesserungsprozesse mit formalen Mefikriterien fiir die Reduzierung der Entwicklungszeit installiert. Das Ergebnis dieser Initiativen ist eine Reduzierung von „Time-to-market" um etwa ein Drittel. Das Erreichen von dauerhaft beschleunigten Prozessen bei Produktneueinfuhrungen fuhrt zu strategi­schen Wettbewerbsvorteilen bei den Untemehmen, die EPI-Techniken anwenden. Gleichzeitig ist die Koordination von Werbeunterstutzung, Verkaufsforderung und der Prasentation in den Einkaufsstatten in Hinblick auf eine optimale Wert-schopfung bedeutend. Relevante Dimensionen sind hier beispielsweise Aufbau und Pflege von Markenwert („Brand equity") des neuen Produktes, Plazierungs- und Preisstrategie, kooperative Werbung (zum Beispiel „das neue XY jetzt zuerst bei dem Handeluntemehmen Z"), Instore-Promotions etc.

4.7.3 Efficient Promotion (EP)

Hintergrund der Kooperationsorientierung im Bereich Efficient Promotion ist die steigende Zahl von erfolglosen und nicht-wertschopfenden Verkaufsforderungs-aktionen. Die Werbekampagnen profilieren sich vielfach einzig uber das Preisar-gument bei den Kunden. Dabei zeigt die Entwicklung, dass die Produkte haufig unter dem Einstandspreis (ein Vorgehen welches seit Anfang 1999 vom Gesetzge-ber verboten ist) offeriert werden. Das Ergebnis ist ein „Smart-shopper"-Verhalten der Konsumenten. Die Verbraucher warten mit der Beschaffung bestimmter Waren solange, bis die Artikel vom Handel im Preis reduziert angeboten werden und tatigen dann Vorratskaufe. Damit wird der Kunde zu illoyalem Verhalten gegen-uber der EinkaufsstStte sowie der Marke erzogen. Gleichzeitig sinken auf Grund reduzierter Preise die Margen, eine Entwicklung, die fur Handel und Industrie gleichermaBen negativ ist.

Efficient Promotion beinhaltet die Zusammenarbeit von Industrie und Handel in der Planung und Durchfuhrung von VerkaufsforderungsmaBnahmenZ-aktionen mit dem Ziel

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1) integrierte Verkaufsforderung, um Umsatzvolumen, Rentabilitat und Kun-denloyalitat wahrend und in Folge von Aktionen zu steigem,

2) eine Vermeidung von Vorratskaufen bei Handel sowie Verbrauchem und damit eine Reduzierung von ineffizientem Aktionsvolumen in der Lieferkette sowie einer

3) systematischen Erfolgskontrolle anhand von gemeinsam definierten MeU-kriterien.

Bei der integrierten Verkaufsforderung geht es darum, das Synergiepotenzial eines koordinierten Marktauftrittes der beiden Kooperationspartner auszuschopfen. Wesentliche Inhalte sind die Identifikation von strategischen Themen und die Definition von strategischen Zielen der Verkaufsforderung. Diese sind nicht unbe-dingt nur auf die Steigerung der Abverkaufszahlen gerichtet, sondem konnen auch Einzelziele wie Frequenzaufbau, ErschlieBen von neuen Kundensegmenten oder Profilierung und Kompetenzbeweis gegeniiber den Verbrauchem beinhalten. Die Beurteilung der Marktpotenziale der einzelnen Themenfelder wird durch die Da-tenbasis beider Partner unterstutzt.

Die Vermeidung von Vorratskaufen und die dementsprechende Reduzierung von Komplexitat in der Lieferkette stellt, im Zusammenhang gesehen mit den Bemii-hungen um ein effizientes Supply Chain Management, einen wichtigen Ansatz-punkt fur Wettbewerbsvorteile in der Logistik eines Handelsuntemehmens dar. Die Vergangenheit zeigt, dass Handelsuntemehmen die Aktionsrabatte der Industrie regelm^Big nutzen, um VorratskSufe zu tatigen und nach dem Ende des Rabattzeit-raumes die giinstiger eingekaufte Ware zu regularen Preisen zu verkaufen. Man geht davon aus, dass etwa ein Drittel des Lagerbestandes auf diese Aktionskaufe zuriickzufuhren ist. Dieses Verhalten fiihrt zu einer Vielzahl von Problemen fur den Handel, wie zum Beispiel sehr hohe Abschreibungen auf Altware sowie hohe Kapitalbindungskosten der Lagerbestande. Ansatzpunkte zur Verbesserung der Situation bieten eine Dauemiedigpreisstrategie, wertschaffende Promotions, zum Beispiel kostenlose Abgabe von anderen Produkten „On-packs", um die Konsu-menten an andere Segmente oder Innovationen heranzuflihren, oder Kundenbin-dungsprogramme.

Die systematische Erfolgskontrolle ist wichtiger Bestandteil jeder Verkaufs-f5rderungsmal3nahme, die nach EP-Kriterien durchgefuhrt wird. Der Einsatz dieser ECR-Basisstrategie ermoglicht, die relativen Auswirkungen von verschiedenen absatzfbrdemden Aktionen zu vergleichen und bietet damit eine Entscheidungs-grundlage flir die Planung zukunftiger Promotions. Dabei ist es wichtig, im Vor-feld gemeinsam Ziele der VerkaufsforderungsmaBnahmen zu defmieren und im Nachgang den Zielerreichungsgrad zu messen. Studien zeigen, dass nur ein Pro-zent der untersuchten Werbekampagnen auf genau quantifizierten Verkaufszielen basieren (Coureil 1999, S. 47).

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5 Zusammenfassende Betrachtung

Die vorstehenen Ausfiihrungen haben die Strategien fiir die Realisierung von Wettbewerbsvorteilen entlang der Wertsch5pfungskette aufgezeigt. Das Supply Chain Management bietet dem Handelsuntemehmen Ansatzpunkte, seine Kosten-position in der Prozesskette zu optimieren. In Erganzung dazu legen die vorgestell-ten ECR-Basisstrategien aus dem Bereich des Category Managements die Grund-lage fur eine gegenuber dem Wettbewerb herausragende Differenzierungsstrategie.

Die Implementierung eines neuen strategischen Management-Konzeptes wie ECR bedingt gemaB der These von Chandler „Structure follows strategy" auch einen Wandel in der Organisationsstruktur des Handeluntemehmens. Die ganzheitliche Betrachtung von Wertschopfungsketten und die damit verstarkte Kooperation mit vor- und nachgelagerten Absatzstufen kennzeichnet den Weg von der Intra- zur Interorganisation. Wie in dem Beitrag gezeigt, erfolgt eine Entwicklung von fiink-tionsorientierten hin zu prozessorientierten Untemehmensstrukturen. Die neue Position des Category Managers als „Untemehmer in seiner Warengruppe" mit umfassender Verantwortung fiir Marketing, Logistik, Informations technologie und Finanzen bietet dafiir ein gutes Beispiel. Das ECR-Konzept hat damit auch Aus-wirkungen auf das Handels-ControUing. Die Informationskoordinationsfunktion verlagert sich starker von der einzelbetrieblichen auf eine mehrdimensionale, zwi-schenbetriebliche Ebene, um Rationalisierungspotentiale zu identifizieren (Moh-lenbruch 1998, S. 454).

Die nach dem Markteintritt des amerikanischen ECR-Vorreiters Wal Mart ent-brannten intensiven PreiskSmpfe im deutschen Handel verscharfen die Wettbe-werbssituation. Der deutsche Handel, der in Bezug auf Supply Chain Management und Category Management dem amerikanischen Global player weit unterlegen ist, erzielt damit eine noch geringere Umsatzrentabilitat als bisher. Diese fmanziellen Ressourcen werden dringend benotigt, um die Untemehmenskonzepte effizienter im Sinne von ECR zu gestalten. Den zukunftigen Konzentrationsprozess werden nur die Handelsuntemehmen uberleben, denen es gelingt, im Wettbewerb einen herausragenden Kosten und/oder Differenzierungsvorteil zu erzielen. ECR bietet dafur das notige strategische Management-Konzept.

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393

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Kapitel 20 Online-Marketing-ControUing

Michael Wegener

1 Einleitung

Das Internet hat in den mittlerweile fast zehn Jahren seiner kommerziellen Nut-zung in zweifacher Weise seine Wirkung auf das Marketing-Controlling entfaltet: Einerseits sind Intemet-Technologien ein Enabler fiir das Marketing, da es mit ihrer Hilfe moglich ist, neue Informationen in effizienter Weise zu gewinnen. Die-se Informationen basieren vor allem auf der Analyse „elektronischer Spuren", die ein Nutzer beim Online-Besuch hinterlSsst. Solche Daten werden von intemen Marktforschungsabteilungen, aber auch von extemen Dienstleistem zum Beispiel zur Erstellung elektronischer Kundenprofile genutzt (vgl. Abb. 20.1).

I . . . . . . . . . . . . . . . . J Enabler

3' Neue

Potenziale

-a

IT E-Business

^

I . . . . . . . . . . . . . . . . J Treiber

3" Neue

Anforderungen

u. Marketing-Controlling

Abb. 20.1: Marketing-Controlling im E-Business Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Horvdth 2003, S. 46.

Andererseits sind die Entwicklungen des Internet auch Treiber des Marketing-Controlling, da Untemehmen mit veranderten Prozessen oder vollig neuartige Untemehmen neuartige Objekte des Marketing-Controlling darstellen. Im folgen-

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396

den Beitrag sollen beide Wirkungen des Internet, die neuen Potenziale fiir das Marketing-Controlling und die neuen Anforderungen an das Marketing-Controlling, auf Basis aktueller Erkenntnisse der Wissenschaft und Praxis, naher herausgearbeitet werden. Zur Veranschaulichung dienen konkrete Ergebnisse der Marketing-Praxis auf strategischer und operativer Ebene des B-to-C E-Commerce.

2 Objekte des Online-Marketing-Controlling

Als Objekte des Online-Marketing-Controlling kommen grundsatzliche alle E-Business Untemehmen in Betracht, dass heisst alle Untemehmen, deren Ge-schaftsprozesse teilweise oder ganz auf dem Internet und seinen Technologien basieren. Die Definition von E-Business Untemehmen macht deutlich, dass sich das Marketing-Controlling einem relativ breitem Spektrum an Erscheinungsformen widmen muss. Fiir eine differenzierte Analyse spezieller Anforderungen, die sich aus der Geschaftstatigkeit von E-Business betreibenden Untemehmen fur das Marketing-Controlling ergeben, muss daher eine weitere Systematisierung und Charakterisiemng stattfinden. In Abhangigkeit von der RoUe, die das Intemet fiir Untemehmen erfiillt, werden ublicherweise drei Extremauspragungen unterschie-den (Wall 2002, S. 382):

• „ bncks&mortar''-\JntemQhmQn nutzen das Intemet ausschliesslich zur Pre­sentation ihrer Untemehmensleistungen; sie wickeln keine transaktionsorien-tierten Geschaftsprozesse hiertiber ab (Autmobilhersteller www.mercedes-benz.de)

• „ clicks&mortar *''UntQmehmQn erganzen ihr bestehendes Geschaft um Inter-net-basierte Elemente. Meist werden bestehende Absatz- oder Beschaffiings-kanale um einen intemetbasierten Kanal erganzt (Distanzhandler www.otto. de).

• „dot.com'''\JntQmQhmQn verfiigen dagegen uber ein Gesch^ftsmodell, das nur mit Hilfe des Intemet realisierbar ist (Beispiel: Intemetbuchandler www. amazon.com).

Der Fokus der Betrachtung ist damit auf clicks&mortar- und dot.com-Unter-nehmen zu richten. Zur weiterfuhrenden Differenziemng und Charakterisiemng dieser immer noch breiten Spanne an Untemehmenstypen kann das jeweils zu Gmnde liegende Geschaftsmodell herangezogen werden. Ausgehend von dem jeweiligen Wertbeitrag (Value Proposition), als zentralem Merkmal eines Ge-schaftsmodells, kSnnen clicks&mortar- und dot.com-Untemehmen den vier E-Business Geschaftsmodellen Content, Connection, Context oder Commerce zuge-ordnet werden (vgl. Abb. 20. 2).

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397

E-Business Geschaftsmodelle

1 1 1

Content

1 Infor­

mation

Connection 1

1 Educa­

tion

1 Context

Enter­tainment

Commerce

1 Attrac­

tion

1 Nego­tiation

Transac­tion

Abb. 20.2: E-Business Geschaftsmodelle nach Wertbeitragen Quelle: Resch 2004, S. 52.

Das Geschdftsmodell Connection ist historisch gesehen der „erste" kommerzielle Geschaftsansatz im Intemetzeitalter. Die Bereitstellung des Zugangs zum Internet bildet die Kemleistung und wird mittlerweile um diverse Leistungen anderen Ge­schaftsmodelle erganzt. Das Geschdftsmodell Content umfasst die Sammlung, Auswahl, Systematisierung und Bereitstellung von Inhalten. Unter Content sind alle digitalisierbaren Inhalte zu verstehen, sofem sie iiber das Internet bezogen werden konnen. Das Spektrum der Leistungen verandert sich fortlaufend mit der Erweiterung der Bandbreite des Internet. Nach der thematischen Ausrichtung las-sen sich die Subtypen Information, Education und Entertainment unterscheiden. Vom Geschaftsmodell Content grenzt sich das Geschdftsmodell Context durch den Dienstleistungscharakter ab. Untemehmen dieses Typs bereiten Informationen redaktionell auf und schneiden sie auf spezielle Bedtirfiiisse zu (Web-Katalog /Portale) oder unterstutzen Konsumenten beim Auffinden von Informationen (Suchmaschinen). In Verbindung mit Portalen, die auf spezielle Interessen und Bedurfiiisse zugeschnitten sind, bieten sie zudem oftmals Services, die den Aus-tausch der Konsumenten untereinander (Virtuelle Communities) fordem. Das Geschdftsmodell (E-) Commerce umfasst den Austausch von Waren und Dienst-leistungen. Weiter unterschieden wird zwischen den Geschaftsmodellvarianten Attraction, Negotiation und Transaction. Vertreter der Variante Attraction versu-chen, Kunden durch ein einzigartig breites und tiefes Angebot innerhalb einer Sortimentskategorie anzuziehen. amazon.com ist es als dot.com-Untemehmen ge-lungen, im Bereich Bticher Category Leader zu werden. Die Variante Negotiation setzt auf den bestehenden Marktintransparenzen zwischen Anbietem und Nachfi*a-gem auf. Die unterschiedlichen klassischen Auktionsformen wurden dabei in die virtuellen Welt Ubertragen. Als bekanntester Vertreter dieses Ansatzes gilt eBay. Bei der Variante Transaction steht die effiziente, sichere und einfache Online-Be-stellung im Vordergrund der Leistung. OTTO, Quelle und Neckermann gelten als typische Vertreter dieses Ansatzes (Resch 2004, S. 52-58).

Neben dem Wertbeitrag liefert die nShere Betrachtung der Erlosstrukturen weitere Aufschlusse Uber die Besonderheiten von E-Business Geschaftsmodellen: Wah-rend reine E-Business Untemehmen mehrere ErlOsarten mit oftmals signifikanten

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398

Volumina parallel nutzen, zeichnen sich traditionelle Untemehmen, die ihr Ge-schaftsmodell um intemetbasierte Prozesse erweitert haben, durch eindimensionale Erlosstrukturen aus. Eine Ausnahme bilden Medienuntemehmen, die allerdings bereits vor dem Aufkommen des Internet Einnahmen aus Werbeerlosen und dem Verkauf ihrer Produkte erzielten. Abbildung 20.3 zeigt die unterschiedlichen Er-loskombinationen.

£rl5sarten fiir E-Business-Unternehmen

Transaktions-abhangig (Mengen- oder zeitabhangig)

Transaktions-unabhangig

Direkt Erl5se

• Transaktionserl5se i.e.S. • Mengen- bzw. zeitabhSn-

gige Nutzungsgebuhren

• Einmalige Einrichtungsge-buhren

• Einmalige Lizenzgebtihren

Indirekte Erldse

• Provisionen

• Bannerwerbung • Data-Mining-Erlose • Sponsorship

Abb. 20.3: Erl5sarten von E-Business Untemehmen Quelle: Wirtz 2001,8.410.

Auf der Kostenseite weisen insbesondere Content, Context und Connection-Geschaftsmodelle eine Besonderheit auf: Zur Erstellung der angebotenen Leistun-gen fallen teilweise hohe Fixkosten an, wohingegen die variablen Kosten sehr gering sind. Dieses Charakteristikum lasst sich darauf zuruckfuhren, dass weite Telle der wertschopfenden Prozesse digital voUzogen werden und dadurch auto-matisiert werden konnen. Bei digitalen Produkten entfallen zudem die Distributi-onskosten.

Weitere Besonderheiten der Wertschopfungsarchitekturen von E-Business Unter-nehmen ergeben sich bei der Betrachtung der Koordinations- und Kommunikati-onsmechanismen sowohl innerhalb der Untemehmen als auch zu den Partnem und Kunden. Abbildung 20.4 zeigt eine Systematisierung anhand des Integrations- und Kontrollgrades altemativer WertschOpfiingsarchitekturen im E-Business (vgl. Abb. 20.4).

Typische Vertreter der Agora-Architektur sind eBay oder Yahoo, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie marktlich organisiert sind und eine geringe Integration der Wertsch5pfung aufweisen, wShrend Dell oder OTTO im Gegensatz dazu hierarchisch organisiert sind und sich die Wertsch5pfungsketten beider Un­temehmen dadurch auszeichnen, dass sie hoch integriert und optimiert sind. Ama­zon, als Beispiel fur den Typ „Aggregation", gelingt es, eine hierarchische Stmktur im E-Commerce stetig auszubauen und dabei eine sehr gering integrierte Wert-sch5pfungskette aufzuweisen. Die Bausteine werden, bis auf die Software-Platt-form, durch Partner geleistet. AOL, als Beispiel fur den Typ „Alliance", bildet

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399

seine Marktleistung hingegen voUstandig integriert ab. Das Zusammenspiel der Portalpartner des Internet Service Providers ergeben sich dabei als Ergebnis der Bediirfhisse und Nachfrage der Kimden.

Self--

Control

IT I"! i er a.r ch ica i

'Low iI:iK.il Value Integration

Abb. 20. 4: WertschOpfungsstrukturen von E-Business Untemehmen Quelle: Osterwalder, A. 2004, S. 30.

Bei der bisherigen Betrachtung von E-Business Untemehmen blieben Entwick-lungsveriaufe unberiicksichtigt. So ist zu beobachten, dass immer mehr Untemeh­men eines Geschaftsmodell-Typs Bereiche anderer Geschaftsmodelle ubemehmen: T-Online als origin^rer Connection-Anbieter integriert zum Beispiel umfassende Shopping-Bereiche in seine Online-Plattform. Google hat seine Context-Dienste ebenfalls um Commerce-spezifische Angebote ergSnzt und bietet mit Froogle eigenes Commerce-Angebot. Dariiber hinaus Sndem sich viele dot.com-Unter-nehmen seit dem Zeitpunkt ihrer Griindung rasant in ihren Organisationsstrukturen und -prozessen. Sie gleichen mittlerweile oftmals denen etablierter Untemehmen. Diese Angleichung ist zum einen durch Wachstum und Uberschreiten gewisser Untemehmensgr5l3en bedingt, die Hierarchien erfordem; zum anderen nutzen auch dot.coms erganzende, klassische Kommunikations- und Vertriebskanale zur Um-satzsteigemng. Fiir bricks&clicks und dot.coms ergeben sich daraus Herausforde-rungen bei der Front- und Backend-seitigen Verkniipfung der Leistungsprozesse, dem Multichannel-Management (Exner 2003, S. 91 f.).

Neben den intemen Charakteristika kennzeichnen sich E-Business Untemehmen auch durch ein besonderes Marktumfeld. Auf der einen Seite ist die Anzahl der konkurrierenden Untemehmen deutlich hoher und fortlaufend treten neue Player in den Markt ein. Auf der anderen Seite zeigen sich in alien Geschaftsmodellberei-chen Monopolisienmgs- und Harmonisierungstendenzen. Der Gmnd liegt in dem verstarkten Auftreten von Netzwerkeffekten. Diese lassen sich gut am Beispiel der Geschaftsmodellvariante „Auktion" verdeutlichen: Durch das mit jedem neuen

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400

Bieter wachsende Angebot steigt fiir jeden einzelnen Auktionsteilnehmer der Nut-zen. Komplementare Leistungen, wie zum Beispiel die Moglichkeit, eine Transak-tion bewerten zu lassen und dadurch eine Reputation aufzubauen, steigem den Wert der Kemleistung. Aus Sicht des Konsumenten ubersteigt dadurch der Wech-sel zu einem anderen Anbieter schnell den eventuellen Nutzen (zum Beispiel ge-ringere Gebuhren), denn er muss nicht nur die Kosten fur den eigentlichen Dienst, sondem auch den Wert der Investitionen in den Aufbau seiner Reputation beriick-sichtigen. Der Konsument befmdet sich in einem sogenannten Lock-In (Zerdick 2001, S. 162). Fur den Anbieter sinken ab einer bestimmten Marktschwelle (Tip­ping Point) die Grenzkosten fur den Erwerb weiterer Marktanteile. Markte dieser Art werden auch als „Winner-Takes-All"-Markte bezeichnet Exner 2003, S. 85).

Aus der Notwendigkeit heraus sich in diesem Beitrag einschranken zu mussen, soil im Folgenden die Betrachtung der Aufgaben des Online-Marketing-Controlling auf das Geschaftsmodell „E-Commerce" konzentriert werden. Dieses Geschafts-modell bietet sich deswegen, da auch andere Geschaftsmodelltypen Commerce-Elemente Ubemommen haben, umgekehrte Tendenzen allerdings bisher nicht zu erkennen sind.

Aufgaben des Online-Marketing-Controlling im E-Commerce

3.1 Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen

Das Online-Marketing im E-Commerce umfasst alle marktgerichteten Aktivitaten, die direkt oder indirekt auf die Steigerung des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen uber Online-Medien abzielen. Auf Grund der besonderen Cha-rakteristika von Untemehmen und Markten des E-Commerce kommt dem Marke­ting-Controlling eine steigende Bedeutung zu. Es stellt nicht mehr nur dem Marke­ting-Management die intemen und extemen Informationen in adaquater Form bereit (informationsorientierte Konzeption), sondem es unterstutzt auch proaktiv bei der strategischen und operativen Marketingplanung und -kontrolle (planungs-und kontrollorientierte Konzeption). Mit der Vielzahl komplexitatsreduzierender Methoden und Werkzeuge hilft das Marketing-Controlling, die Rationalitat der Marketingfiihrung sicherzustellen (rationalitatsorientierte Konzeption). Davon inhaltlich abzugrenzen sind jene Controlling-Funktionen, die sich den Kostenstruk-turen und der Ergebnisrechnung widmen. Allerdings hat das Marketing-Control­ling die Aufgabe, diese Schnittstelle, insbesondere in bezug auf die Erlosstrukturen -strome, mit zeitnahen Informationen zu versorgen. Im Folgenden werden jene Aufgaben und LGsungsansatze des Online-Marketing-Controlling naher beleuchtet und mit Beispielen veranschaulicht, bei denen komplexe Entscheidungssituationen in der strategischen und operativen Marketingplanung und -kontrolle auftreten.

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401

3.2 Strategisches Online-Marketing-Controlling

Die in ihrer Form neuartige Dynamik und Komplexitat der Umwelt gilt als das zentrale Problem des Marketing, das sich in zwei Gefahren niederschlagt: bricks&clicks-Untemehmen versuchen oftmals, die Dynamik durch eine hohe Regelungsdichte zu bewaltigen, was dazu fuhren kann, dass das Untemehmen seine Anpassungsfahigkeit verliert und die „Burokratiefalle" droht. dot.com-Unter-nehmen hingegen tendieren dazu, weitgehend auf explizite Regeln zu verzichten, so dass ab einer bestimmten Komplexitats- beziehungsweise Wachstumsschwelle die Gefahr besteht, dass die untemehmerischen Handlungen nicht mehr ausrei-chend koordinierbar sind und die „Chaosfalle" droht. Um weder durch Chaos noch durch Ubermassige Burokratie Marktpotenziale zu verschenken, bieten sich drei Gestaltungsleitsatze an (Schaffer/ Weber 2001, S. 7 f.):

• Die Akteure im Untemehmen sind auf rasche Veranderungen des Umfeldes auszurichten. Dazu bedarf es einer propagierten und gelebten Offenheit ge-gentiber neuen Losungen (adaptive Untemehmenskultur).

• Die Koordination zwischen den Akteuren erfolgt durch eine eng begrenzte, jedoch akzeptierte Menge an Regelungen. Hierzu zahlen insbesondere wohl-defmierte Prioritaten und klare Verantwortlichkeiten (Steuerungsstrukturen).

• Der schnelle und umfassende Austausch von Informationen ist zu fbrdem, da hierdurch Zusammenhange, Muster und Diskontinuitaten fruhzeitig erkannt werden konnen (Realtime-Kommunikation).

In diesem Umfeld haben Strategien somit eine geringere Kontinuitat; sie miissen permanent an die aul3ere Entwicklung angepasst werden. Traditionelle Planungs-systeme werden durch „Launch&Leam"-Ansatze abgelost. In diesen wird die Stra­tegic in einem dynamischen Prozess wahrend der Implementierung laufend erwei-tert, angepasst und verfeinert. Hierbei wird es beabsichtigt, nicht nur bestehende Marktpositionen zu nutzen beziehungsweise auf Marktveranderungen zu reagieren, sondem auch Marktpositionen zu besetzen beziehungsweise Marktveranderungen zu initiieren. Hieraus folgt, dass strategische Entscheidungen haufiger und schnel-ler getroffen werden. Von noch groBerer Bedeutung ist ihre verzogerungsfreie Umsetzung (Stoi 2002, S 156). Als klassisches Instrument der markt- und wettbe-werbsorientierten Analyse und Planung kommt dabei oftmals die Portfoliomethode auf Grund ihrer komplexitatsreduzierenden Funktion zum Einsatz (Kropf 2003, S. 215 ff). Problematisch zeigt sich jedoch der Einsatz in Form des Marktanteils-Marktwachtums-Portfolios der Boston Consulting Group, da die Basis fiir die Po-sitionierung der Wettbewerber und die Ableitung strategischer Empfehlungen, die klare Definition der Marktgrenzen und die Bestimmung der Umsatze der wichtigs-ten Konkurrenten ist (Phillips 2003, S. 103). Da sich die klassischen Marktgrenzen auflosen, kann nicht auf bestehende Marktdaten zuriickgegriffen werden. Stattdes-sen muss das Marketing-Controlling ein untemehmensindividuelles Marktmodell auf Basis verfligbarer empirischer Studien und diverser Plausibilisierungsschritte entwickeln. Abbildung 20.5 zeigt die Parameter und den Algorithmus des Markt-modelles fiir das Geschaftsmodell E-Commerce sowie die eingeflossenen Studien.

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402

ModilhAlgortthmus

Anzahl Intemetnutzer ab 14 Jahre

Anzahl Online-Kaufer ab 14 Jahre

> Anteil Einmalkaufer Anteil Wiederkaufer

> 0 Kaufhaufigkeit Wiederkaufer

Summe Bestellungen

Anzahl Online-Kaufer

0 Kaufhaufigkeit pro Periode Online-Kaufer gesamt

Saisonalitat(FS/HW)

0 Bestellwert

Umsatz E-Commerce

JL % Aufteilung auf Sortimente

Bucher | Mode

Quelleit

Atfacts/ Sevenone Media/ Forsa

ACTA

AGIREV

ARD/ZDF

BITKOM

BVH

EITO

eMarketer

(Forrester)

Gartner

HDE

Jupiter

NFO In-fratest

VA

W3B

Abb. 20.5: Modell-Algorithmus Marktmodell E-Commerce Quelle: OTTO, Skillnet 2004, S. 9.

Auf Basis der Historien verschiedener Parameter werden in der Kegel Prognosen fiir die folgenden drei bis fiinf Jahre entwickelt. Abbildung 20.6 zeigt die jahresba-sierte Marktprognose fur den E-Commerce bis 2008 und die „Compound Annual Growth Rate" (CAGR).

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403

IWiiehitiiiiismte der W^Commtrm^Um^tm Mio.€

2005 2006

3E-Commerce-Umsatze ohne Reisen und Touren nE-Commerce-Umsatze Reisen und Touren

Abb. 20.6: Marktprognose E-Commerce Quelle: OTTO, Skillnet 2004, S. 17.

In Abbildung 20.7 ist die Entwicklung des relevanten Marktes auf der Sorti-mentsebene abgebildet. Diese sortimentsbasierte Prognose von Marktpotentialen ist zentraler Ausgangspunkt der strategischen Sortimentsplanung, das heisst fur die Ausweitung oder Reduktion von Sortimenten in der Breite und Tiefe.

35%

30%

25%

20%

15%

10%

5%

0%

O2008

D2003

CO CO _ -^ - ^ " CM CM

^ > S S^ i5S5 S5 CO

MZL^JLtL •

^co

• M

1 ^

I CD

I s

c

Abb. 20.7: Marktprognose E-Commerce Sortimente Quelle: OTTO/Skillnet 2004, S. 15.

Page 414: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

404

Eine weitere Herausforderung des strategischen Marketing liegt in der kundenori-entierten Gestaltung der Services entlang des Customer Buying Cycle. Da sich die Produktangebote unter den Wettbewerbem immer mehr einander angleichen, spie-len E-Services eine immer wichtigere Rolle in der Kaufentscheidung des Kunden. Die Gestaltungsoptionen sind dabei allerdings sehr vielfaltig und komplex, so dass sich die Marketing-Controlling-Praxis immer haufiger der Erfolgsfaktorenanalyse bedient. Als komplexitatsreduzierendes Instrument liefert das nach Ursache-Wir-kungszusammenhangen suchende empirische Verfahren (Kausalanaiyse) Ansatz-punkte fur die optimale Gestaltung des eigenen Leistungsangebotes. Abbildung 20.8 zeigt die Ergebnisse einer aktuellen empirischen Untersuchung der direkten und indirekten Wirkung von Komponenten der Servicequalitat auf die dem Erfolg im E-Commerce vorgelagerte KenngroBe „Kundenloyalitat".

Lesebeispiel: Eine Steigerung der E-Servicequalitat urn eine Einheitfuhrt zu einer Erhohung der Kundenloyalitat urn 0,9 Einheiten (0,68*0,50 + 0,46).

Abb. 20. 8: Erfolgsfaktor E-Servicequalitat Quelle: Bauer, H., H.; Falk, T.; Hammerschmidt, M. 2005, S. 57

Die strategische Kundensegmentierung hat auf Grund der zusatzlichen Moglich-keiten, die das Internet dem Marketing-Controlling bietet, eine neue Qualitat er-fahren. Dabei spielt die Methode der (Internet-) Beobachtung des Nutzerverhaltens eine besondere Rolle. Das User-Tracking in sogenannten Logfiles oder mit Hilfe spezieller Tracking-Tools erlaubt die systemgestiitzte und damit effiziente Identi-fikation von typischen Verhaltensmustem, die zur Ableitung von zielgruppenspezi-fischen Angeboten genutzt werden. Die Herausforderung derartiger quantitativer

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405

Erhebungsverfahren besteht in der notwendigen Interpretation der Verhaitensmus-ter, die flir sich genommen noch keinen ausreichenden Nutzen stiften und schnell zu falschen Interpretationen fiihren konnen. Nur mit einem umfassenderen Kun-denverstandnis, das sich aus erganzenden Informationen, wie den Einstellungen Oder den Konsumgewohnheiten ergibt, lassen sich verwertbare und valide Er-kenntnisse generieren. Diese nicht-beobachtbaren Kundenmerkmale konnen via Online-Befragung effizient im Nutzungskontext erhoben werden. Abbildung 20.9 zeigt eine Typologisierung der deutschen Online-Nutzertypen und ihre Anteile an der Gesamtbevolkerung. Basis der hier vorgenommenen Typologisierung war das Online-Verhalten der deutschen Intemetnutzer, erganzt um sozio-okonomische und psychographische Merkmale, die in jahrlichen Wellen seit 1999 mittels Onli­ne-Befragung erhoben werden.

Zuruckgezogene j ^ ^

Klassisch Kulturorientierte

Hausliche

Aufgeschlossene

Unauffallige

Neue Kulturorientierte

Leistungsorientierte

Eriebnisorientierte

Junge Wilde

^^^B!5Hi55!fc;i;g^^^^ i n i H H i i i i i i i i i i H i ^ H i n i i i i n

^^^^SfP^BSS^S l^TS'MLLfJIf<^7'h'^'!^^Z^E''^^:^

0 5 10

m Onlinenutzer B Erwachsene ab 14 Jahre

Abb. 20.9: Online-Nutzertypologie Quelle: ARD/ZDF Online-Studie 2004

Eine derartige Typologisierung kann Ausgangspunkt fiir die Ableitung von opera-tiven Marketing-MaBnahmen eines E-Commerce-Anbieters sein. Derartige Kun-densegmente dtirfen allerdings nicht als starre und klar von einander abgegrenzte Teilmarkte betrachtet werden, da Kunden immer haufiger ihr Verhalten andem beziehungsweise in andere Rollen schlupfen. Klassische Segmentierungsansatze konnen daher nur als ein Instrument neben vielen weiteren der zielorientierten Marktbearbeitung verstanden werden.

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406

3.3 Operatives Online-Marketing-ControUing

Die Aufgaben des operativen Online-Marketing-Controlling unterscheiden sich grundsatzlich nicht wesentlich von denen des klassischen Marketing. Allerdings ist das Internet der einzige Kommunikationskanal der den gesamten Customer Life Cycle (siehe Abbildung 20.10) abdeckt und somit aus einem Nicht-Kunden einen Stammkunden generieren kann.

Loyalitat

Erstkunde

Bindung -k

Konversion

Potenzieilerkunde

y Absprache

Akquisition

Interessent

4 6 <-

Stammkunde

Gesatntertrag/Kunde

Abb. 20.10: Stufen zur Kundenbindung Quelle: Cutler, M.; Sterne, J. 2002, S. 20.

Auf Grund der spezifischen Moglichkeiten, die das Internet dem Kundenbezie-hungsmanagement eroffhen, wird daher oftmals auch von Electronic Customer Realtionship Management gesprochen (eCRM). Im Folgenden soil zunachst in einem kurzen Uberblick gezeigt werden, anhand welcher ubergeordneten Kennzahlen das eCRM gesteuert wird, bevor im Anschluss auf die wichtigsten Instrumente des Online-Marketing naher eingegangen wird, um zu verdeutlichen, welche konkreten Aufgaben dem Online-Controlling in der Praxis zukommen.

3.2.1 Controlling im Electronic Customer Relationship Management

Das Online-Marketing-Controlling liefert die unterstutzenden Informationen fiir eine effektive Erfolgskontrolle von Online-Marketing-Aktivitaten entlang des

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407

Customer Life Cycle. Abbildung 20.11 zeigt die wichtigsten Erfolgs- und Misser-folgskennzahlen (Web Metrics).

Cate­gory

Life Cycle Met­rics

Life Cycle Inter­rup­tion Met­rics

Metric

Reach (Z)

Acquisi­tion (A) Conver­sion (C)

Retention (R)

Loyalty (L)

Aban­donment

(O) Attrition

(G)

Chum (H)

Definition

Ratio of individualRatio of individuals (i) from the whole population (W) that are potential site users (P) Ratio of potential site users (P) that become (unique) site users (U) in a time period (t) Ratio of visitors (U) who have been converted to cus­tomers (K) in a time period (t) Ratio of customers (K) who made purchase (p) repeat­edly in a time period (t) Ratio of customers (K) who are intellectual or emotion­ally binded to a company (index of multiple variables) Ratio of visitors who commence but do not complete a specific task (T) in a time period (t): e.g. abandoned carts Ratio of customers (K) who have ceased buying from the e-shop in a time period (t)

Attrited customers per total number of old and new customers at the end of a time period (tn)

Require­ments'

Mktg.

Cookies (SID)

Cookies (SID)

TA

Cookies (SID)

Cookies (SID)

TA

TA

'Mktg: Marketing Data, TA: Transaction Data, SID: Session ID

Abb. 20.11: Kennzahlen des Customer Life Cycle Quelle: Teltzrow, M.; Gunther, O. 2004, S. 4.

Insbesondere Misserfolgskennzahlen, wie zum Beispiel die Abbruchrate (Aban­donment), erlauben erste Aufschlusse uber Zielunterschreitungen in einzelnen Stu-fen des Costumer Relationship Management, denen durch tiefergehende Analysen nachgegangen werden kann. Alle Kennzahlen beziehen sich auf einen definierten Zeitraum, der mit steigendem Umsatzniveau eines Anbieters tendenziell ktirzer definiert ist. Die Quellen (Requirements) der Kennzahlen konnen, im Gegensatz zu klassischen Verkaufskanalen, bis auf die Daten zur Ermittlung der „Reichweite" (Reach), mit Hilfe des Mediums in sogenannten Logfiles, Cookies oder Tracking-Tools automatisiert dokumentieren werden. In der Regel erfolgt auch der an-schliessende Schritt, die Kennzahlengenerierung, automatisiert.

Zur Ermittlung der OnWrxQ-Reichweite von Intemetseiten wird normalerweise eine Stichprobe des relevanten Gesamtmarktes danach befragt, welche Online-Ange-bote sie in einem definierten Zeitraum (meist eine Woche) genutzt hat. Die Ergeb-nisse werden dann auf die Grundgesamtheit hochgerechnet. Abbildung 20.12 zeigt die Online-Reichweite der flihrenden E-Commerce Sites in Deutschland.

Page 418: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

408

Quelle

OTTO

Tchlbo

Amazon

eBay

| | | [0J1

111076

|2,3

H|^Hl^96 ]3,6

| | | | | | [ 7 ^ 8 |14,2

O Relchweite in % • Reichwelte In Mio.

Abb. 20.12: Online-Reichweite fuhrender E-Commerce Sites Quelle: Eigene Darstellung auf Basis des ORM 2003, AGIREV

Auf Grund der schStzungsbedingten Unsicherheiten, aber auch wegen ihrer hohen Bedeutung flir die effiziente Steuerung von Online-Marketing-Aktivitaten, gilt sie als die meistdiskutierte und -kritisierte Kenngr56e im Online-Marketing. Zur Stei-gerung der Neukundenkontakte (Acquisitions) werden in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlicher und fortlaufend neu aufkommender Formate der Online-Werbung eingesetzt, die sich in funf Kategorien einordnen lassen: Eingebundene Flachenformate (zum Beispiel Banner oder Naosites) OAQX fliessende Fldchenfor-mate (zum Beispiel Bewegt-Banner oder Comet Cursor) k5nnen einzeln oder tiber sogenannte Affilate-Systeme effizient plaziert und vergutet werden. Von Sponso­red Links wird gesprochen, wenn die Platzierung eines Banners mit einer (Teil-) Exklusivitat auf der Partnerseite einhergeht, langerfristig erfolgt und pauschal abgerechnet wird. Eigenstdndige Flachenformate (zum Beispiel Pop-Ups, Micro-sites oder Interstitials) sind Bestandteil individuell entwickelter Kampagnen zwi-schen Partnem. Redaktionelle Formate (zum Beispiel Text-Links, Wasserzeichen oder Branded Content) werden in Ergebnislisten von Suchmaschinen platziert (Bachem 2001, S. 654 ff.). Das Online-Marketing-Controlling unterstutzt dabei, die Vielzahl dieser Werbe-Formen zu Kampagnen zusammenzufuhren und durch einen fortlaufenden Wechsel aus Mediaplanung, Erfolgskontrolle und Optimie-rung, bei gegebenem Budget, im Sinne einer Spirale, eine optimale Wirkung zu erzielen (Bachem 2002, S. 938).

Im Rahmen der Mediaplanung unterstutzt das Online-Marketing-Controlling bei der Leistungsbewertung der Online-Werbetrager und Optimierung der Budgetver-teilung. Basis fur die Bewertung der quantitative Medialeistung bilden die von der

Page 419: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

409

Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbetragem e.V. (IFW) definierten Kennzahlen Visits und Pagelmpressions (Pis):

• Ein Visit bezeichnet einen zusammenhangenden Nutzungsvorgang eines WWW-Angebotes. Er definiert den Brutto-Werbetragerkontakt. Als Nutzungs­vorgang zahlt ein technisch erfolgreicher Seitenzugriff eines Internet-Browser auf das aktuelle Angebot, wenn er von ausserhalb des Angebotes erfolgt (IVW 2004, S. 4).

• Pagelmpressions bezeichnen die Anzahl der Sichtkontakte beliebiger Benutzer mit einer potenziell werbeflihrenden HTML-Seite (IVW 2004, S. 5).

Die aussagekraftigeren Pagelmpressions dienen als Basis fiir die Berechnung des Tausender-Kontaktpreises (TKP), der fur Effizienzvergleiche der Werbetrager herangezogen wird. Der Quotient aus Pagelmpressions und Visits eines Online-Werbetragers liefert wiederum Anhaltspunkte fur dessen Nutzungsintensitat. Fur die Bewertung der qualitativen Medialeistung wird zum Beispiel die Brand Equity (Bekanntheit, Image, Sympathie) herangezogen. Um das Werbemittelbudget opti­mal verteilen zu konnen, mussen die quantitativen und qualitativen Leistungen der Online-Werbetrager mit den Preisen von Online-Werbetragem zusammengefuhrt werden. Da die Preissetzung jedoch mal auf variablen und mal auf flexiblen Ab-rechnungsmodellen basieren oder auch an den Erfolg einer Kampagne gebunden sein kann, erlangen integrierte Bewertungs- und Optimierungsmodelle schnell eine enorme Komplexitat.

Im Vergleich zum Controlling klassischer Werbung kann die Erfolgskontrolle bei Online-Werbung unmittelbar nach der Schaltung des Werbemittels einsetzen, da jeder Nutzungsvorgang en pasent und just in time erfasst wird. Auf Abweichungen von der Planung kann sofort reagiert und damit noch laufende Kampagnen opti-miert werden. Die Kontrolle und Steuerung von Online-Werbung erfolgt auf drei aufeinander aufbauenden Wirkungsebenen (Bachem 2002, S.934 f):

1. Der Werbetragerkontakt- beziehungsweise Werbemittelkontakt. Die relevante WirkungsgrOBe ist die potenzielle Betrachtung durch den Nutzer. Die verwen-deten Kennzahlen sind die Pagelmpression (Kontakt mit einer potenziell wer-befuhrenden Website) oder die Adimpression (Kontakt mit einer Werbemittel-seite), wobei letztere aussagekraftiger sind. Die Kontakteffizienz wird Uber den TKP (TKP bezogen auf die Adimpressions) gemessen.

2. Die Interaktion mit dem Werbemittel. Die relevante Wirkungsgrosse ist die erfolgreiche Ansprache des Nutzers, das heisst, dass sich der Betrachter aktiv dem Werbemittel zuwendet. Die verwendete Kennzahl ist der Mausklick auf das Werbemittel, der Adclick. Bei Bannerformen (zum Beispiel Nanosotes), die es dem Nutzer erlauben, innerhalb des Banners zu agieren, ohne direkt auf die dahinter liegende Zielseite des Werbung Treibenden zu gelangen, wird das Involvement mit dem Werbemittel uber die Kennzahlen AdClick-Rate und die Cost per AdClick gemessen.

3. Das Involvement mit der Zielseite. Die relevante Wirkungsgrosse ist die Art

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410

der Aktivitaten (Information, Kommunikation oder Kauf) des Nutzers auf der Zielseite, die er per Banner-Click (AdClick) erreicht hat. Die Kennzahlen fur den Grad des Involvement sind abhSngig von den auf der Zielseite angelegten Funktionen und reichen von der Anzahl der Pagelmpressions uber den E-Mail-Austausch bis zur Hohe der getatigten Transaktionen. Als Effizienzkriterien ei-genen sich, je nach Art des Involvement, unter anderem Cost per Visit, Cost per Lead, Cost per Order oder Cost per Customer.

Um den Einfluss von Online-Werbung auf den Abverkauf, als primares Ziel der Online-Werbung im E-Commerce, nachvoUziehen zu konnen, sollte daher ein Tracking stattfinden, das den WerbetrSger, das Werbemittel und die dahinter lie-gende Website umfasst. Der Einsatz sogenannter Session-Ids erleichtert eine derart integrierte Vorgehensweise. Dabei werden Werbe-Banner mit ID-Codes versehen, die flir den Nutzer unsichtbar sind. Bei einem Click auf den Banner wird der Code vom Nutzer auf die Webseite des Werbung Treibenden mitgefuhrt und mit den dort vom ihm vollzogenen digitalen Schritten zusammen gespeichert. Die in der klassischen Werbung oftmals schwer zu beantwortende Frage, welches Werbemit­tel auf welchem Werbetrager zu welchem Zeitpunkt zu welcher Aktion gefiihrt hat, lasst sich somit leicht anhand der „Nutzerspuren" erschliessen. Eine derart inte­grierte und umfassende Erfolgskontrolle kann bei grossen E-Commerce Sites zwar schnell zu umfangreichen Datenmengen und komplexen Datenstrukturen fflhren, die eine sehr aufwendige und systematische Aufbereitung und Analyse der Daten erfordem. Es iSsst sich jedoch leicht nachvoUziehen, dass die Fokussierung auf einzelne Kennzahlen, wie zum Beispiel der oftmals herangezogene AdClick als Indikator flir Vertriebserfolg, zu kurz greifen und schnell zu falschen Interpretatio-nen fiihren. So kann die Anzahl von AdClicks eines Werbetragers hoch sein, aber zu relativ wenigen Bestellungen oder Bestellungen mit geringen Bestellsummen flihren und vice versa (Bachem 2002, S. 935).

Werden die Moglichkeiten der Online-Erfolgskontrolle konsequent genutzt, erge-ben sich grosse Potenziale flir die Kampagnenoptimierung: Sind die Leistungswer-te (Pagelmpressions, Adimpressions) eines Werbetragers in der Kampagne deut-lich unter den Erwartungen, kann die Belegung meist kurzfi-istig gestoppt oder reduziert werden. Wenn das WerbetrSgerumfeld (zum Beispiel Sportevents) ent-tauscht, kann innerhalb des belegten Werbetragers in ein alternatives Umfeld (zum Beispiel News) gewechselt werden. Schon eine leichte Veranderung der Platzie-rung des Werbemittels kann zu sofortigen Ergebnisverbesserungen flihren. Liegt die Response eines Werbetragers deutlich iiber den Planwerten, besteht die Ge-fahr, dass das Werbemittel abnutzt. Dann sollte eine Reduzierung des Werbe-drucks in Erwagung gezogen werden. Auch auf der Ebene der Werbemittel bieten sich diverse Moglichkeiten zur Optimierung an. Mit Hilfe von Pretests konnen beispielsweise verschiedene Banner-Varianten, Gestaltungselemente oder Anspra-chen getestet werden, um eine Kampagne schon vor ihrem Start zu optimieren. Dargestellten Optimierungsansatze flir Online-Werbung sind in Teilen bereits durch sogenannte Business Rules automatisierbar. So kann durch den Einsatz „intelligenter" AdServer die Einspielung von Bannem an Regeln geknupft werden, die eine Optimierung entlang der Werbetragerbelegung und der Banner-Selektion

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411

ermoglichen. Verfehlt ein Werbemittel im Zeitverlauf das angestrebte Adlmpressi-on-Niveau, so kann es vom AdServer automatisch in ein anderes geeignetes Um-feld innerhalb des Werbetragers eingestellt werden, wo mehr Sichtkontakte er-reicht werden k5nnen. Sinken hingegen die AdClicks unter eine definierte Schwel-le, so wahlt das System einen neuen Banner aus einem vorab erstellten Pool aus, um diesen stattdessen einzublenden - bis auch der neue Banner an EffektivitSt einbusst. Derartige AdServer ermoglichen eine neue Form der Selbstoptimierung (Bachem 2002, S. 936).

Die besten OptimierungsansStze flir Online-Werbung erweisen sich als wertlos, wenn nicht auch die E-Commerce Site selbst hinsichtlich ihrer Informations-, Kommunikations- und Transaktionsbedtirfhisse optimal gestaltet ist. Abbildung 20.13 zeigt Griinde, warum Kunden den begonnen Bestellvorgang abbrechen.

Ablenkung

unubersJchtiiche Seite

unsicher bzgl. Ware

zu vieie Seiten

technische Probleme

sMdnner HFrauen

Abb. 20.13: Griinde fur den Abbruch von Online-Bestellungen Quelle: F.A.Z.-Institut und Novomind 2004, S. 25

Dabei spielt nach technisch bedingten Problemen vor allem die Uberforderung der Kunden durch zu viele und unubersichtliche Seiten eine wesentliche RoUe. Zur Steigerung der Konversion (Conversion) von werbeanimierten potenziellen Kun­den zu Erstkaufem hat sich die stetige Reduktion von Navigations- und Selekti-onsoptionen im Verlauf des Verkaufsprozesses als erfolgswirksam herauskristalli-siert. Fur EinmaMufer iSsst sich der Kaufakt als solcher mit gesonderten, massiv verkurzten KauQ)rozessen im Extremfall, wie bei Amazon, sogar auf einen Click reduzieren (One-Click-Ordering-Prinzip). Erkenntnisse zur kontinuierlichen Ober-prufung der Qualitat des Verkaufsprozesse liefem die Microkonversionsraten:

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412

look-to-click Rate: Prozentsatz der Besucher, die ein Angebot angeklickt ha-ben, nachdem sie es gesehen habe.

click-to-basket rate: Prozentsatz der Besucher, die danach ein Produkt in den Warenkorb gelegt haben.

basket-to-buy rate. Prozentsatz der Besucher, die auch einen Kauf getatigt haben. 1st diese Rate gering entspricht sie den oberen zwei Kundenlebenszyk-len(vgl. Abb. 20.14).

^ ^ ^ ^ ^ ^ / ^ ' ~ ^ LOOK CUCK BASKET

CONVERSKW

Kbntsnte realieslerte

^ Kohtdcte

nichtrehlisierte Kbrtdcfe

zumKauf anlmierte

*" KbnlBkte

nkiit QbcfzcuQlie Kontakte

Abb. 20.14: Zustandswechsel bei Online-Bestellvorgangen Quelle: Hippner, H. 2002, S. 238

Interessenten, die uber die Eingabe der URL direkt auf eine Site gelangen, urn dort ungezielt zu stObem, bedilrfen jedoch anderer Fiihrungsprinzipien. Die optimale Platzierung, Auswahl von Inhalten und werbliche Gestaltung von Promotionfla-chen und Sitestrukturen auf einer E-Commerce Site fallt unter die Aufgaben des Site-Marketing. Wahrend sich fur die optimale Platzierung von Promotionsflachen und Gestaltung von Sitestrukturen in der Praxis mittlerweile Quasi-Standards (so-genannte Taxonomien) herausgebildet haben und auch bei der werblichen Gestal­tung gewissen Grundregeln gefolgt wird, gilt die Auswahl der Inhalte als die gr5B-te und schwierigste Herausforderung im E-Commerce. Da die Abverkaufszahlen prinzipiell fortlaufend verfugbar sind, liegt der Ansatz nahe, abverkaufsstarke Produkte automatisiert mit Hilfe sogenannter Business Rules auf zentralen Flachen und in den oberen Ebenen zu platzieren. AUerdings rticken weniger gut anspre-chende Produkte in Folge einer solcher Vorgehensweise weiter nach hinten, wo-durch sich der Abverkauf im Sinne einer Self-Fulfilling Prophecy weiter ver-schlechtert. Hier sind intelligente Algorithmen gefragt, die unter Zuhilfenahme der Methode des Operation Research und relevanter Heuristiken der Konsumverhal-tensforschung durch das Online-Marketing-Controlling zu entwickeln sind.

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413

1st es einmal gelungen, einen Neukunden zugewinnen, steht das Online-Marketing vor der Herausforderung, den Kunden zum Wiederholungskauf zu bewegen und die eigene E-Commerce Site zur prSferierten Einkaufsseite fur ihn zu machen. Als erste Wahl zur Kundenbindung (Retention) im E-Commerce gelten zwei, oftmals kombinierte Formen des E-Mail-Marketing: an Gewinnspiele oder sonstige Ereig-nisse (zum Beispiel Rabatt-Aktionen) gebundene Aktions-e-Mails oder periodisch versendete, themenbezogene Newsletter. Beide E-Mail-Formen fuhren den Nutzer, ahnlich der Mechanismen von Bannem, entweder direkt zur Zielsite oder erlauben eine Interaktion innerhalb der E-Mail, von der aus die Informationen im Hinter-grund mit der Anbietersite ausgetauscht werden (Buttner 2005, S. 2 ff.). Basis des bis auf Nutzerebene individualisierbaren Kundendialoges ist das Einverstandnis (Permission) des Kunden uber die Zusendung von Werbebotschaften (Push-Marketing). Meist wird diese Einwilligung im Rahmen des ersten Bestellprozesses eingeholt. Auf Grund der trotzdem nach wie vor hohen Anzahl unverlangt zuge-sandter Werbepost per E-Mail {Unsolicited commercial E-Mail; kurz: UCE) hat sich mittlerweile sogar eine Zweifachbestatigung (Double-opt-in) durch den Nut­zer etabliert. Aus dieser Entwicklung resultieren besondere Herausforderungen fiir das Online-Marketing-Controlling.

Im Gegensatz zur Online-Werbung miissen bei der Planung von e-Mail-Aktionen der wahrscheinlichen Werbewirkung weniger die vergleichsweise geringen Erstel-lungs- und Versandkosten einer Kampagne gegenttbergestellt werden, sondem die Anzahl der wahrscheinlichen Kundenverluste. Die sensibilisierte Online-Kundschaft reagiert auf E-Mail-Werbebotschaften ohne klar erkennbaren Mehr-wert und zu haufig oder zu ungunstigen Zeitpunkten versendete Newsletter, mit der direkten Abmeldung. Je besser die Bediirfiiisse einzelner Kunden oder Kun-dengruppen erkannt und mit individuellen Aktionen bedient werden, desto gerin-ger ist das Risiko des Kundenverlustes beziehungsweise desto positiver die Kun-denbindungseffekte. Wie die Ergebnisse einer Befragung zu den Variablen, die in E-Mail-Aktionen individualisiert werden, in Abbildung 20.15 erkennen lassen, stehen die personliche Ansprache und abgestimmte Inhalte bei der Individualisie-rung starker im Vordergrund als Versandzeit oder Frequenz.

Angaben in Prozent

personliche An­sprache 69

Inhalt nach Kun-dengruppen 63

Versandzeitpunkt 44

Versandfrequenz 31

keine Individual-isierung

Quelle: ESB Reutllngen/Commundia, Stand: Januar 2005 Abb. 20.15: Variablen zur Individualisierung von Newslettem

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414

Die Erfolgskontrolle im E-Mail-Marketing ist analog zur Online-Werbung auf den drei Werbewirkungsebenen zu analysieren:

1. Auf der Ebene des WerbetrSger- beziehungsweise Werbemittelkontaktes gelten die Rate nicht zugestellter Mails {bounce rate) und die Offhungsrate {open ra­te) als die wichtigsten Kennziffem. Variationen der Bounce Rate lassen auf ei-ne unzureichende Pflege der Kundendaten und technische Probleme zuriick-schliessen. Die Offiiungsrate wird wesentlich durch den Betreff-Text beein-flusst. Abbildung 20.16 zeigt die Entwicklung der Bounces Uber die letzten drei Jahre unterteilt nach ersten Mailings und laufenden Mails. Abbildung 20.17 zeigt die Open Rate im Jahresvergleich.

Bounces: erste Mailings

Bounces: iaufend

12,54

6,88

10,65

1,42

3,84

4,74

' ' 2003 .

. . . ^ . . . . . . . ^ . . . ^ ^ » — ^ ^ 2004

= ^

' • 2003

, ,, ^ _ . . , . „ ™ . . . . . 2004

Angaben In Prozent; Quelle: emarsys

Abb. 20.16: Durchschnittliche Bounce-Raten im Jahresvergleich

Angaben in Prozent

2002

2003

2004

32,00

56,48

54,30 Quelle: emarsys

Abb. 20.17: Durchschnittliche Offiiungsraten im Jahresvergleich

2. Auf der Ebene des Werbemittels ist die Klickrate (click-through rate) der ver-breitetste Indikator zur quantitativen Bewertung des Nutzer-Involvements. Ab­bildung 20.18 zeigt die individuelle (mindestens ein Klick pro Empfenger) und Gesamt-Click-Through-Rate (alle Klicks).

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415

Indivi-duell

gesamt

8,20

11,80

12,55

10,60

26,80

29,18

^ . ^ #,.>,.,, K##, ^ ooo' ImM^^^^^m^m^^^m^^^^msmmmm^^^^^mstm^mm^mm^^^w^^mm^m Z,\J\J^

\ "' --^^^^^^^^^

^ M M H M M H M H M ^ M H M a M M I M M M j ' ^ 0 0 3

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L , ^ ^ ^ 2004 iHPilii lllllllll^ 2002

L M I H H I H H I I I M J " 003

L. . ^^ 2004

Angaben In Prozent; Quelle: emarsys Abb. 20.18: Individuelle und Gesamtklickraten im Jahresdurchschnitt

3. Auf der Ebene der Ziel- beziehungsweise Interaktionsseite finden prinzipiell die gleichen Kennzahlen Anwendung, wie bei der Online-Werbung. Beim E-Mail-Marketing sind die Response-MOglichkeiten jedoch breiter, da das Medi­um nicht nur eine individuelle Ansprache, sondem auch individuelle Antwort-moglichkeiten erlaubt. Abbildung 20.19 verdeutlicht diesen Umstand anhand der Ergebnisse einer Befragung E-Mail-Marketing treibender Untemehmen nach den MaUnahmen der Inhaltskontrolle. Ober die aufgefuhrten Indikatoren der Effektivitat einer E-Mail-Aktion hinausgehend, sollte auch die Abmeldera-te mit in die Bewertung einbezogen werden.

Antwortrate

Resultierender Umsatz

Feedback/ Verbesserungs-vorschlage

Andere Mefikriterien

Lesemeuzuwachse

Leserbefragung

Exteme Agenturanalyse

81

44

44

33

31

31

Quelle: ESB Reutlingen/Commundia, Stand Januar 2005 (Angaben in Prozent)

Abb. 20.19: Massnahmen zur Inhaltskontrolle im E-Mail-Marketing

Bei E-Mail-Kampagnen besteht nicht die Moglichkeit der fortlaufenden Optimie-rung, wahrend eine Aktion noch lauft. Es bleiben allerdings die Moglichkeiten des ex-ante und ex-post Tests altemativer, kundengruppenspezifischer Absenderadres-sen, Betreffzeilen, Headlines oder grafischer Elemente. Abbildung 20.20 lasst erkennen, dass E-Mail-Marketing ein groBes Potenzial zugerechnet wird, da aktu-

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416

ell ixber 30 Prozent der Firmen noch keine Individualisiemng nach Kundengruppen vor nehmen.

Sonstige

Interessenten

Keine Individualisierung

Stainmkunden

Neukunden

Ehemalige Kunden

38

31

31

31

19

6

r^^^^^^^^^^^^^^^

L^^

••IIIPPBilllllll^^ li^ftiiiittMttMiMiiiii

l ^ i ^ l i P l i i i i l i i i i i i i P ^ i ^ i ^

liliiiiiiiiig^M

(Angaben in Prozent)

Quelle: ESB Reutlingen/Commundia, Stand Januar 2005

Abb. 20.20: Individualisierung von Newslettem nach Kundengruppen

E-Mail-Marketing hat sich auf Grund des Problems der Vielzahl unerwunscht verschickter E-Mails primar als Kundenbindungsinstrument etabliert, dennoch findet es auch bei der Neukundengewinnung seinen Einsatz und zwar meist in Form des Sponsoring fremder Newsletter. Das Vertrauen des Kunden in einen Anbieter, bei dem er sich fur die regelmassige Zusendung von Werbebotschaften angemeldet hat, wird dabei vom diesem auf andere Anbieter iibertragen. Fur das Marketing-Controlling ergibt sich daraus eine besondere Herausforderung bei der Bewertung von Kampagnen, da in der Kegel nicht alle Informationen Uber den Kaufvorgang und das Umfeld seiner Anzeige im Newsletter von dem Partner zur Verfugung gestellt werden.

Die vorgestellten Aufgaben des Controlling im Rahmen des Online-Marketing folgte bisher der fokussierten Betrachtung des Online-Kanals als autonomem Ver-triebskanal im E-Commerce. Im Folgenden soUen die Wechselwirkungen zwischen erganzenden Vertriebs- und Kommunikationskanalen und dem Online-Kanal in die Betrachtung mit aufgenommen werden (Electronic Multi-Channel Management).

3.2.2 Electronic Multi-Channel Management

Zwar erlaubt das Medium Internet die „Ansprache und Bedienung" des Kunden innerhalb dieses neuen Kanals, wie allerdings bereits bei der Beschreibung der Charakteristika von E-Business Untemehmen festgestellt wurde, tendieren auch dot.coms dazu, den Online-Kanal um klassisphe Kommunikations- oder Vertriebs-kanale zu erganzen. Kunden, denen die Moglichkeit geboten wird, in unterschied-lichen Nutzungssituation uber alternative KanSle mit einem Anbieter zu interagie-ren (Touchpoints) und innerhalb des Customer Bying Cycle an unterschiedlichen Stellen zwischen den Kanalen zu wechseln (Switchpoints), ohne bestimmte Kun-

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417

den- Oder Produktdaten emeut angeben zu miissen, geben nachweislich deutlich mehr bei solchen Multi-Channel-Anbietem aus als bei Mono-Kanal-Anbietem (pte 2004, S. 1). Diese Tatsache lasst sich auch darauf zuriickfuhren, dass (Neu-) Kun-den in einem solchen Multi-Channel-Konzept mehr Moglichkeiten geboten wer-den, sich iiber die nachgefragten Produkte und Services zu informieren und da-durch schneller das fiir eine Kaufentscheidung notwendige Vertrauen zu einem Anbieter aufbauen (Noll 2004, S. 23 f.). Abbildung 20.21 verdeutlicht die Zusam-menhange.

Basis fur die optimale Gestaltung eines Multi-Channel-Konzeptes (Dramaturgie-Fit) ist die Analyse der Nutzer- und Nutzungsfaktoren auf Basis des Offline- und Online- Kanalnutzungsverhaltens. Die Abbildung 20.22 zeigt eine Liste von Kenn-zahlen fur eine quantitative Analyse der Wirkung des Internet auf den Abverkauf in stationaren Shops. Sie erganzen die Metrics des Customer Life Cycle insofem, als dass sie die Affmitat der Online-Nutzer fiir Ladengeschafte in den verschiede-nen Phasen des Buying Cycle abbilden.

Konsu-menten-Profil:

segmont-speziflschG' Nutzer- unci/ Nutzungs­faktoren

Customer Buying Cycle

Informatlonsphase

Uberbllcksphase> Detailwissenphasi

> •

Situation A

Situation B

Situation C

Touchpoint Switchpoint

Dramaturgie~Fit

Abb. 20.21: Systematik zur Multi-Channel-Konzeption Quelle: Bachem 2003, S. 18.

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418

Cat

o

c c

U

Metric

Offline Payers

Payment Migra­tion (Mlpy)

Deliveries to Stores (Doff)

Delivery Migra­tion (Midi)

Returns to Stores (S\off} Customer/ Store-Distance Corre-lation (p) Store Locator Visits (SV) Sore Locator Exits (SLE) Multichannel Clusters (XLmc)

Definition

Ratio of online transactions where customers prefer in-store payment (Yst) in a time period (t) Ratio of repeat customers' online transactions where customers switch from offline payment (poff) to online (pon) in (t) Number of online transactions where customers prefer personal in-store pickup of orders (d^O in (t) Ratio of repeat customers' online transactions where customers switch from picking up orders personally at a store (dst) to direct delivery (ddi) in (t) Ratio of online transactions where customers return products to local store Correlation between the number of online customers per zip code area (Kzip) and the distance to the next shop (1mm) in (t); normalized with popolation density Ratio of unique user sessions(visits) (V) that ended with a visit on the store locator in (t) Ratio of unique user sessions (visits) (V) that ended with a visit on the store locator in (t) Clusters of visits (V) exhibiting interest in pages related to offline information (Cmc) in (t)

Require­ments'

TA.

TA

TA

TA

Cookies (SID)

TA, Mktg

Cookies (SID) Cookies (SID) J Cookies (SID)

^Mktg: Marketing Data, TA: Transaction Data, SID: Session ID

Abb. 20.22: Multi-Channel Metrics Quelle: Teltzrow, M.; Gunther, O. 2004, S. 5.

Die ersten fiinf Kennzahlen fokussieren auf die Lieferungs- und Zahlungspreferen-zen von Online-Kunden und ihre Affinitat fiir stationare Shops. Die Metrics hangt von der Verfugbarkeit der Transaktionsdaten und der Fahigkeit einer Firma ab, die Online-Kaufdaten mit den Offline-Oaten bei der Abholung, Zahlung oder Retoure von Waren zu verkniipfen. In diesem Zusammenhang fand das Marktforschungs-untemehmen Jupiter in einer groB angelegten Studie heraus, dass fiir die meisten Kunden eine Online-Bestellung und Warenabholungen in stationaren Geschaften die bevorzugte Kaufprozessvariante wSre, da einerseits die Lieferkosten gespart und andererseits, der bei Distanzhandelskonzepten ubliche Zeitverzug von der Be-stellung bis zur Auslieferung ausbliebe. Weiterhin zeigte die Studie, dass drei Mai mehr Online-Kaufer eine stationare Warenabholung praferieren wUrden, als not-wendig ware, damit sich eine Freihauslieferung fur Handler rechnen wiirde. Dar-uber hinaus liefem Korrelation zwischen dem Postleitzahlenbereich eines Online-Kunden und der Distanz zum nachsten Laden Hinweise dariiber, ob die Nahe zu stationaren Einkaufsmoglichkeiten einen Einfluss auf die Kaufentschei-dung von Online-Kaufem haben. Die Ergebnisse miissen mit der Bevolkerungsdichte in einem Postleistzahlenbereich normalisiert werden. Die Nutzeranzahlen zum Ge-brauch von Shopfindem und Informationsseiten uber stationare Services, Offline-Kampagnen oder Lagerbestande in Ladengeschaften geben weitere Einblicke in die Multi-Channel-Affinitat der Nutzer.

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419

4 Zusammenfassung und Perspektiven

Die Geschaftsmodelle im E-Business zeichnen sich durch unterschiedliche, zum Teil neuartige Wertbeitrage fur die Kunden, vielfaltige Erlos- und Kostenstruktu-ren sowie komplexe Wertschopfungsarchitekturen aus. E-Business betreibende Untemehmen bewegen sich in einem hoch komplexen und dynamischen Umfeld, indem besondere Kegel gelten und Netzwerkeffekte eine bedeutende Rolle spielen. Aus den intemen und extemen Charakteristika des E-Business ergeben sich spezi-fische Anforderungen an das Controlling, insbesondere an das Marketing-Controlling: Das strategische Marketing muss lemen, die komplexe Umwelt, teils mit neuen Methoden, fortlaufend neu zu begreifen und adaquate Mafinahmen fur eine markt- und wettbewerbsfahige Leistungsgestaltung abzuleiten. Das operative Marketing kann zwar von den neuen Werbeformen und Instrumenten des Internet im Rahmen der Kundenakquise und -bindung profitieren; in welchem Mafi hangt jedoch entscheidend von der Qualitat der Erfolgskontrolle und der Optimierung ab. Dabei miissen mehr die Wechselwirkungen zwischen Online- und offline Ka-nalen aus Sicht der Kunden verstanden und berucksichtigt werden. Die Aufgabe des Online-Marketing-Controlling besteht darin, bei dieser Vielzahl hoch komple-xer Entscheidungssituationen des Marketing Management, die Rationalitat der Fuhrung sicherzustellen.

Das Online-Marketing-Controlling wird in Folge der zu erwartenden steigenden Komplexitat von E-Business Geschaftsmodellen weiter an Bedeutung gewinnen:

• Mobile Commerce und Television Commerce bedinden sich an der Grenze zum Massenmarkt und mussen in bestehende Multi-Channel-Konzepte integ-riert werden (horizontale Komplexitatsausweitung).

• Digital Commerce entwickelt sich ebenfalls im Zuge der Verbreitung von Breitbandschlussen zu einem Massenmarkt. Neben der vertrieblichen ruckt damit auch die logistische Distribution (von digitalen Produkten) in den Fokus des Online-Marketing-Controlling (vertikale Komplexitatsausweitung).

Da bereits heute die bestehenden Controlling-Methoden an ihre Grenzen stossen, wird es eine Hauptaufgabe der Marketing- und Controllingforschung sein, der Marketingpraxis hier adaquate Methoden zu liefem.

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420

Literatur

Bachem, Ch.: Wege zur Effizienz in der Online-Werbung, in: Schogel, M./Tomezak, T./Belz, Ch. (Hrsg.): Roadm@p to E-Business, St. Gallen: Thexis, 2002, S.926-939.

Bachem, Ch.: Vom E-Commerce zum Multichannel-Marketing, in: Das innovative Unter-nehmen, 2003.

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Page 432: Handbuch Marketing-Controlling, 3.Auflage

Kapitel 21 EDV-Einsatz im Marketing-Controlling

Kai R. Heuer / Torsten Bussow

1 Einfiihrung

Das vorliegende Handbuch Marketing-Controlling beschaftigt sich mit den ver-schiedensten Facetten des Marketing-Controlling. Die Notwendigkeit des Einsat-zes von EDV im Marketing-Controlling ist unbestritten. Das folgende Kapitel soil einen Beitrag leisten und einen Uberblick uber die gegenwartigen und zukUnftigen EDV-Systeme geben, die geeignet sind, das Marketing-Controlling zu untersttit-zen.

Die Informationsversorgung ist neben der Koordination eine wesentliche Aufgabe des Marketing-Controlling. Hierzu bedarf es des Einsatzes der EDV, wodurch Marketing-Informationssysteme entstehen (Hiittner/Heuer 2004). Die Gestaltung der Informationssysteme obliegt dem Marketing-Controlling in enger Verzahnung mit der Informationstechnik. Hier werden die Weichen gestellt, ob und wie erfolg-reich das Marketing-Controlling arbeiten kann.

Die Zeit, in der notwendige Analysen, Auswertungen, Identifikation von Schwach-stellen etc. mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogrammes wie MS Excel oder Lotus 1-2-3 durchgefuhrt wurden, sind zwar nicht vorbei, aber sie sind fiir ein modemes Marketing-Controlling nicht mehr ausreichend. Erganzende Informati­onssysteme sind gefragt, wenn es gilt, das Marketing zukunftsweisend auszurich-ten. Customer Relationship Management (CRM)- und Enterprise Ressource Plan­ning (ERP)-Systeme sowie umfangreiche Data Warehouse Losungen werden noch starker Einzug in die Marketingabteilungen der Untemehmen halten.

Dieser Beitrag soil helfen, die derzeit mSgliche EDV-UnterstUtzung aufzuzeigen. Dabei liegt der Schwerpunkt im zweiten Abschnitt auf der Darstellung der Unter-stutzung der Marketing- und Vertriebsprozesse durch CRM- und ERP-Systeme, welche dem Marketing-Controlling neben der Marktforschung als umfangreiche (interne) Datengrundlagen zur Verfugung stehen. Im dritten Abschnitt wird dann auf die gezielte Informationsversorgung des Managements eingegangen. Hier werden auf Basis des Performance Measurement Konzeptes Data Warehouse Lo­sungen und Auswertungswerkzeuge angesprochen. Beides geschieht „kunden-orientiert". Beim Leser werden keine speziellen EDV-Kenntnisse erwartet, son-dem vielmehr versorgt dieses Kapitel den Leser mit einem grundlegenden Uber-

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blick dartiber, welche Informationssysteme geeignet sind, das Marketing-Controlling EDV-technisch zu unterstUtzen. Bewusst wurde auf eine zu tiefe De-taillierung verzichtet, um die Lesbarkeit zu gewahrleisten. Die angegebene Litera-tur gibt weitergehende Einblicke.

2 Koordinationsfunktion: EDV-Unterstiitzung der Marketing- und Vertriebsprozesse

Im vorhergehenden Abschnitt haben wir die Informationsversorgung und die damit zusammenhangende Gestaltung von Informationssystemen als Grundbaustein des Marketing-Controlling herausgestellt. Information stellt zweckorientiertes Wissen dar, das in Form einer Nachricht, einer Mitteilung, von Daten oder von Gedanken, die als Informationstrager fungieren, vorliegen kann. Informationen sind zweck-beziehungsweise zielorientiert. Die beste Information niitzt aber nichts, wenn sie nicht empfangerorientiert weitergegeben wird (Heuer 2001). Die Versorgung mit Information kann um so effektiver erfolgen, je mehr Marketing- und Vertriebspro­zesse durch EDV unterstutzt werden. Dies liefert die notwendigen Daten, auf die das Marketing-Controlling zur Erfullung seiner Informationsaufgaben zurlickgrei-fen kann.

In den letzten Jahren hat die EDV nun auch im Marketing- und Vertriebsbereich Einzug gehalten. Gleichwohl wird aufgrund der Besonderheiten des Marketingbe-reiches das ErschlieBen der EDV fur das Marketing nur in gewissen Stufen vor sich gehen. Ftir das Durchdringen der EDV im Marketing konnen vier Phasen unterschieden werden, (vgl. Abb. 21.1) wobei vor allem groBe Markenartikelher-steller, aufgrund der dort hohen Bedeutung des Marketingbereiches, schon einige Zeit in der Phase 4 sind.

Die mit den Marketingaufgaben verbundene Kreativitat und die EDV-Unter-stUtzung der Marketingprozesse stehen dabei nicht in einem Widerspruch. Richtig eingesetzt wird die EDV unverzichtbarer Heifer bei der Abwicklung von Marke­ting- und Vertriebsprozessen und entlastet die Mitarbeiter vor allem von aufwen-digen Administrationsaufgaben.

Im folgenden werden nun die Marketing- und Vertriebsprozesse, von der Suche nach dem Kunden bis zu dessen Fakturierung, dargestellt und die derzeit mogliche EDV-Unterstiitzung, mit dem Fokus auf die dadurch bereitgestellten Daten, aufge-zeigt. Als Uberblick dazu soil Abb. 21.2 dienen.

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Phasen

1. Phase

2. Phase

3. Phase

4. Phase

Tatigkeiten Bewaltigen von administrativen Arbeiten

Erstellen von Angeboten tjberaiitteln von Angeboten Auswerten von Verkaufsstatistiken Verwalten von Interessentendateien

Unterstutzen bei Sachbearbeitertatigkeiten Erstellen von Prasentationsgraphiken Durchfuhren statistisch-mathematischer Datenanalysen Download aus extemen Markt-Datenbanken Durchfuhren von EDV-gestiitzten Befragungen

Erleichtem einfacher Managementaufgaben Durchfuhren von Planungsrechnungen Budgetierung Projektplanung Anwenden von Scoring-Modellen

ErschlieBen komplexer Aufgabengebiete Einsatz von Entscheidungsunterstutzung und Expertensystemen Vemetzte AuBendienstberichtssysteme Anwenden von Modellen der Marktzusammenhange und -re-aktionen Aufbau umfassenderer Marktdatenbanken

Abb. 21.1: Phasen der Diffusion der EDV im Marketing

Marktforschung ^ Kunden- \ Kunden- \e is tunas- \ Fakturie-ansprache / akquisition /erbringung / rung

Gesamt Mark

Ziel kunde

Interessent

Slatisllksoft-

Kunde-auftrag

Lieferung Rechnung

(CRy) Softvi ar®

(ERF) Software

Abb. 21.2: EDV-Unterstutzung der Marketing- und Vertriebsprozesse

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2.1 EDV-Systeme zur Unterstutzung der Marktforschung

„Marktforschung ist der systematische Prozess der Gewinnung und Analyse von Daten fiir Marketing-Entscheidungen" (Huttner 2002, S. 1). Die Marktforschung unterscheidet sich von der bloBen Markterkundung besonders durch ihren systema-tischen Charakter. Die Vorbereitung von Entscheidungen im Marketing sollen damit unterstiitzt werden. Um richtige Entscheidungen zu treffen, ist es notwendig, die fiir das Untemehmen attraktiven Marktsegmente zu identifizieren. Aus dem gesamten Markt sollen die attraktiven Kunden (Zielkunden) zur fokussierten Kun-denansprache selektiert werden (Data Mining).

Da Marktforschungsaktivitaten kaum standardisierbar sind, beschr^nkt sich die EDV-Unterstutzung auf allgemeine Projektmanagementaufgaben (zum Beispiel durch MS Project) und die statistische Auswertung des erhobenen Materials (zum Beispiel durch SPSS oder NCSS). Diese EDV-Anwendungen unterstutzen den Anwender individuell in wichtigen Teilaufgaben, bieten aber keine durchgehende Unterstutzung des gesamten Marktforschungsprozesses. Bei Sekundarforschung, das heisst die Auswertung bereits vorliegender nicht eigens fur den konkreten Fall erhobenen Datenmaterials fur Zwecke der Marktforschung, kommen eine Vielzahl moglicher extemer Datenquellen hinzu.

Mit der zunehmenden technischen Entwicklung werden dazu neue Medien genutzt. Das Material kann in elektronischen Speichem gelagert und bereit fur den Zugriff sein. Diese Datenbanken konnen teilweise oder vollstandig auf Speichermedien iibertragen werden. Hierfur kommen insbesondere CD-Rom, DVD und das Inter­net in Frage. Eine Ubersicht tiber Datenbanken und Internet gibt Scheibl (Scheibl 2002), tiber die Marktforschung im Internet Lampe (Lampe 2002). Dadurch ver-andert sich auch die Art der Forschung. Hier bedarf es eher der speziellen Abfrage, denn des Durchsehens des gedruckten Materials. Diese Entwicklung fuhrt dazu, dass auch die Sekundarforschung zunehmend vom Computer betrieben werden konnte.

GroBe Bedeutung fur das Marketing-Controlling haben dabei vor allem allgemeine Markt- und Wettbewerberdaten. Einschatzungen tiber Marktanteile, -wachstum, marktsegmentspezifische Besonderheiten und das Verhalten der Wettbewerber gehoren zur Informations-Grundausstattung eines jeden Marketing-Controllers und sollten jederzeit verfiigbar sein (vgl. Abb. 21.3).

Ftir die Umsetzung der in der Marktforschung gewonnenen Erkenntnisse haben kommerzielle Adressdatenbanken (zum Beispiel MARXUS oder Hoppenstedt-Fir-mendatenbank - erstere mit mehr Zusatzfunktionen und Statistikauswertungen; www.adressdatenbanken.de) eine hohe Bedeutung. Denn sie ermoglichen die di-rekte Ansprache von als attraktiv erachteten potentiellen Kunden.

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MarM Abgrenzung / Spezifika Grofie / Volumen Wachstum Segmente Potential

Wettfeewerber Marktsegment

• GroBe Strategic Wachstum / Erfolg Marktanteil

Abb. 21.3: Controllingrelevante Daten aus der Marktforschung

2.2 CRM-Systeme zur Unterstiitzung von Kundenansprache und -akquisition

Sind besonders attraktive Kunden (Zielkunden) durch die Analyse des Markt- und Wettbewerbsumfeldes identifiziert, miissen sie in passender Weise angesprochen werden. Dabei gewinnt die direkte Kundenansprache immer mehr an Bedeutung, unterstiitzt sie doch das gezielte Eingehen auf die personlichen Besonderheiten des Kunden und verringert die, bei Kontaktaufiiahme iiber Massenmedien ublichen, hohen Streuverluste.

Hier kommen die Customer Relationship Management-Systeme als effektive Pro-zessunterstUtzung zum Einsatz. Wir verstehen Customer Relationship Management (CRM) als innovatives Management zum Aufbau und Erhalt langfristig profitabler Kundenbeziehungen iiber vielfaltige Kontaktkanale durch Technologieeinsatz, Geschaftsprozessoptimierung und Wandel der Einstellungen und Handlungsweisen der Mitarbeiter im Interesse des Kunden. Dies bezieht sich auf die Bereiche Ver-trieb, Marketing und Service.

Ein wichtiger Bestandteil ist der Einsatz modemer Technologic in Form von Soft-waresystemen. Marktfiihrer im Bereich der CRM-Systeme ist Siebel Systems Inc., welcher mit den Siebel Enterprise Applications die zur Zeit umfassendste Unterstiitzung von Marketing- und Vertriebsprozessen leistet. Eine aktuelle Gartner-Studie zeigt, dass auch hier SAP mit seiner CRM-Losung (mySAP CRM als Teil der mySAP Business Suite) aufholt und neben Oracle/PeopleSoft zu den weiteren konkurrenzfahigen Anbietem zahlt. Die nachfolgende Abb. 21.4 (Maoz 2005) gibt einen aktuellen Uberblick uber den Stand der Anbieter. Weitere Konkurrenz kommt durch Newcomer wie salesforce.com (hosting) oder Sugar CRM (open sources). Einen guten Uberblick iiber die einzelnen Systemmodule gibt www.siebel.com, zum CRM-Markt siehe der aktuelle Gartner Strategic Planning Report: Reaping Business Rewards from CRM 2004-2005.

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428

Abilily to

Execute

Challengers

1 Amdocs'^9

1 PeopleSoft***

SAP*

1 Oracle •

1 Kana*

1 Onyx*

1 Remedy #

1 eGain#

Leaders

• Slebel 1

m Pegasystems* i

• Epiphany i

As of February 2005

N iche Players Vis ion aries

Completeness of Vision 1

*For specific vertical industries only ** Acquired by Oracle in 1 Q05

Abb. 21.4: Magisches Quadrant fiir CRM Kimdenservice und Unterstutzungsanwendungen

Eine Starke dieser CRM-Systeme ist das Sammeln und konsistente Bereitstellen aller kundenrelevanten Informationen. So konnen nach Sammlung von Daten tiber attraktive Kunden diese gezielt durch mafigeschneiderte Kampagnen tiber ver-schiedene Kanale (Brief, Telefon, Fax, e-mail) angesprochen werden. Neben dem Unterstutzen der Ansprache (zum Beispiel durch Serienbrieffunktionalitaten, Call Center Skripten etc.) ermoglichen CRM-Systeme eine laufende Erfolgsanalyse der Kampagnenergebnisse, einheitliches Erfassen zusatzlich gewonnener Kundenin-formationen und die systeminteme Ubergabe der Interessenten mit alien bis dahin gewonnenen Informationen an den Vertrieb zur weiteren Akquisition.

Das Verfolgen dieser Verkaufschance („opportunity'* in der Siebel Terminologie) unterstUtzt die Software weiter durch die Aufiiahme und Steuerung von Aktivitaten im Vertriebsteam, wie das Beantworten von Anfragen, Erstellen von Angeboten

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429

und Einstellen von Vertragen und Auftragen. Die daraus gewonnenen controlling-relevanten Daten werden in Abb. 21.5 dargestellt.

1 Zhh 1 kiiiide

• Markt-segment

• Umsatzpo-tential

• Region

• Branche

• sonstige Merkmale

Kumdeii^

• Form, Inhalt, Medium der Ansprache

• Erfolg der Ansprache

• Kosten der Ansprache

• Haufigkeit / Zeitpunkt

Intcrasm^t

• Marktseg-ment

• Umsatzpo-tential

• Region

• Absatzver-biinde

• sonstige Merkmale

• Durchlauf-zeit der Kundenbe-arbeitung

• Erfolg der Kundenbe-arbeitung

• Kosten der Akquisiti-on

• Kannibalisi erung

Kiinden^

• Kunden-merkmale

• (geplante) Umsatze

• Produkte

• Kosten des Auftrages

• Bonitatdes Kunden

Abb. 21.5: Controllingrelevante Daten aus Kundenansprache und -akquisition

Zum tatsachlichen Ausfuhren von Auftragen, also dem Erbringen der Leistung und nachfolgender Fakturierung bestehen in CRM-Systemen Schnittstellen zu den transaktionsverarbeitenden Systemen, die im folgenden Abschnitt unter der Be-zeichnung ERP-Systeme betrachtet werden.

2.3 ERP-Systeme zur Unterstiitzung von Kundenakquisition, Leistungserbringung und Fakturierung

Als Enterprise Ressource Planning Systeme werden Standard-Sofl:warelosungen bezeichnet, die alle betriebswirtschaftlichen Transaktionen im Untemehmen in einem integrierten System mengen- und wertmaBig erfassen. Aufbauend auf emem konsistenten Stammdatenbestand konnen in diesen Systemen alle Transaktionen der betrieblichen Wertschopfimgskette (Einkauf, Produktion, Materialwirtschaft, Vertrieb, Distribution, Rechnungswesen, Personal) abgebildet und verarbeitet werden. Dabei steht nicht nur die Steigerung der Effizienz der Geschaftsablaufe im Mittelpunkt, sondem auch die Optimierung der Integration von Geschaftsprozes-sen und Technologien.

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430

Der systemtechnische Unterschied zu den vorher angesprochenen CRM-Systemen liegt in der Fokussierung auf die Transaktionsverarbeitung (ein Ereignis, zum Beispiel ein Auftrag, iSst eine Vielzahl von weiteren Transaktionen in anderen ERP-Systemmodulen aus), wShrend CRM-Systeme eher auf die konsistente Hal-tung von Stammdaten (vor allem Kundeninformationen) abzielen. Dieser Unter­schied liegt offensichtlich im Zweck der Systeme begrundet, wie in den folgenden Ausfllhrungen weiter verdeutlicht werden soil.

Marktflihrer im ERP-Bereich ist die SAP AG, die mit ihrem System mySAP ERP die umfassendste auf dem Markt verfligbare ERP-Losung anbietet. Als Fundament dient SAP NetWeaver und auch schrittweise Erweiterung auf andere SAP-Lo-sungen wie SAP Customer Relationship Management sind moglich (www.sap. com). SAP bietet mit R/3 die in der Praxis wohl zur Zeit am weitesten verbreitete durchgangigste Abbildung aller Transaktionen der betrieblichen Wertschopfungs-kette in einem System. Weitere groBe Anbieter von ERP-Losungen sind u.a. Orac­le (mit den aufgekauften JDEdwards und Peoplesoft) und Microsoft, mit denen SAP jtingst eine Zusammenarbeit flir ihr erstes gemeinsames Produkt bekannt gab (Codename: Mendocino).

Das SAP Modul zur Abbildung der Vertriebsprozesse ist SAP SD (Sales & Distri­bution), welches den Vertriebsprozess von der Anfrage, uber das Angebot, den Auftrag, die Lieferung und Fakturierung unterstutzt. Im ersten oben als Kundenak-quisition bezeichneten Teilprozess (Anfi*age - Angebot - Auftrag) bestehen starke inhaltliche und fiinktionale Uberschneidungen mit CRM-Systemen. Hier bestimmt der Zweck der Systeme deren Starken in diesem Bereich: Wahrend ERP-Systeme auf die reibungslose Abwicklung der Vertriebstransaktionen abzielen, unterstutzen CRM-Systeme den Vertrieb gezielt bei der Kundenbearbeitung.

CRM-Systeme k5nnen den Kundenakquisitionsprozess umfassender und flexibler untersttitzen als ERP-Losungen. Um so wichtiger wird daher eine fimktionierende Schnittstelle zwischen beiden Systemen. Nach Eingabe des Kundenauftrages in das CRM-System muss dieser in das ERP-System Ubemommen und weiter bearbeitet werden.

Ab Ubemahme des Auftrages durch das ERP-System pruft dieses die Kreditwtir-digkeit des Kunden (Zugriff auf die Daten des SAP Modules FI - Finance), die Verfiigbarkeit der bestellten Produkte (SAP Modul MM - Material Management), lost Produktionsauftrage (SAP Modul PP - Production Planning), Nachbestellun-gen Oder Kommissionierauftrage aus (SAP Modul MM) und bildet diese Transak­tionen wertmaBig im Rechnungswesen ab (extern: SAP Modul FI; intern: SAP Modul CO - Controlling). Nach der Leistungserbringung erfolgt eine Riickmel-dung an das Modul SD, welches dann die Rechnung erstellt und die entstandene Forderung im Nebenbuch Debitoren (SAP Modul FI) einstellt. Nach Bezahlung wird der offene Posten des Debitors ausgeglichen und dies zurUck in das Modul SD gemeldet. Die vom Auftrag ausgelSste Kette an Transaktionen ist abgeschlos-sen.

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Die Starke von integrierten ERP-Systemen wie SAP wird hier sehr deutlich: Alle mit dem Ausgangsereignis verbundenen Transaktionen werden automatisch ange-stoBen, alle damit zusammenhangenden Daten stehen in einem System zur Verfii-gung. Das Marketing-Controlling kann somit auf alle Daten, die mit dem Ver-triebsprozess (Auftrag - Lieferung - Rechnung) zusammenhangen, zugreifen (vgl. Abb. 21.6).

Lelstnnperbriiipiiii Lieferzeit, -qualitat Termintreue verursachte Kosten

Faktttrterwttt Ist-Erlose Zahlungsfristen Kreditwiirdigkeit sonstige Daten des Mahn-

wesens

Abb. 21.6: Controllingrelevante Daten aus Leistungserbringung und Fakturierung

Werden die Marketing- und Vertriebsprozesse durch EDV unterstutzt, liefem sie eine Vielzahl gut zuganglicher controllingrelevanter Daten. Die Aufgabe des Mar­keting-Controlling ist nun, diese Daten zur zielorientierter Steuerung des Marke­ting- und Vertriebsbereiches aufzubereiten und dem Management als entschei-dungsrelevante Informationen zur Verfiigung zu stellen. Auch hier bieten modeme EDV-Systeme umfassende Unterstiitzung, wie in den folgenden Abschnitten erlau-tert werden.

3 Informationsversorgung: Management-Informationssysteme

Obwohl in den operativen Systemen in Marketing und Vertrieb viele controllingre­levante Daten vorhanden sind, haben diese ohne weitere Bearbeitung nur selten eine wirkliche Entscheidungsrelevanz fur das Management (zu den Griinden siehe weiter unten). Das Marketing-Controlling hat die Aufgabe, dies zu andem, also die innerhalb und auBerhalb des Untemehmens vorhandenen Daten gezielt zur Ent-scheidungsunterstutzung, im allgemeinen zur zielorientierten Untemehmenssteue-rung zu sammeln und aufzubereiten. Dazu sind drei Schritte notwendig:

1. Schaffen eines konzeptionellen Rahmens zur Steuerung des Marketing- und Vertriebsbereiches,

2. Sammeln und Bereitstellen der relevanten Informationen und

3. Aufbereiten und Darstellen dieser Informationen.

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Fur die Schritte 2 und 3 stehen effektive EDV-Unterstutzung in Form von Data Warehouse Losungen und Auswertungswerkzeugen zur Verfugung, die in der Lage sind, den in Schritt 1 geschaffenen Rahmen auszufuUen (vgl.Abb. 21.7).

Abb. 21.7: Komponenten eines Management-Informationssystems

3.2 Performance Measurement als konzeptioneller Rahmen

Fur das Gestalten eines modemen Marketing- und VertriebscontroUing muss zu-erst ein geeignetes Rahmenkonzept definiert werden. Das Bereitstellen von steue-rungsrelevanten Informationen verlangt, die Stellhebel (kritische Erfolgsfaktoren) zu identifizieren und zu messen, an denen das Management ansetzen muss, um das Untemehmen auf seine strategischen Ziele hin auszurichten (zu steuem).

Es wird schnell deutlich, dass dies nicht nur traditionell betonte finanzielle GroBen sein konnen: „... a surprising number of companies describe their strategies in terms of customer service, innovation, or the quality and capabilities of their peo­ple, yet do little to measure these variables" (Eccles 1995, S. 8)

Die Bestrebungen, das Controlling auch fur die Messung von nichtfinanziellen GroBen, die oft auch Fruhindikatoren fiir das finanzielle Ergebnis des Untemeh-mens sind, zu sensibilisieren, werden unter dem Stichwort „Performance Measu­rement" zusammengefasst, dessen bekanntestes Konzept wohl die Balanced Sco-

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recard ist. Eine der Hauptstarken der Balanced Scorecard ist die durch den strin-genten Entwicklungsansatz des Steuerungsinstrumentes entstehende konsequente Strategieumsetzung: Hat das Management die kritischen Erfolgsfaktoren (KEF) zum Erreichen der strategischen Ziele identifiziert, mussen nur noch MessgroBen gefiinden werden, die diese KEF reflektieren. Zum Unterstutzen dieses Vorgehens insbesondere zum Identifizieren der KEF wird das Untemehmen aus verschiede-nen Perspektiven betrachtet (zum Beispiel Finanzen, Kunden, interne Prozesse, Mitarbeiter und Innovation). So gelingt es, ein Steuerungs-instrument zu schaffen, dass sowohl exteme und interne GroIJen, Spat- und Friihindikatoren als auch quan­titative und qualitative GroBen umfasst, also insgesamt ausgewogen („balanced") ist (Kaplan/Norton 1996). Dabei konzentriert es sich auf wenige, wirklich steue-rungsrelevante GroBen. In ganz aktuellen Untersuchungen zu diesem Thema wird noch deutlich starker auf die Bedeutung von immateriellen Vermogen eines Unter-nehmens hingewiesen (Zellner/Biissow 2004, vgl. auch den entsprechenden Bei-trag in diesem Handbuch).

Ubertragt man dieses prinzipielle Vorgehen auf das Marketing-Controlling, so wird ein ausgewogener Rahmen fur ein effektives Bereichscontrolling geschaffen, welches sich konsequent an der Marktstrategie ausrichtet und detaillierte Anforde-rungen an die bereitzustellenden Daten liefert. Das Umsetzen dieses Konzeptes kann wirkungsvoll durch EDV-Systeme unterstutzt werden, welche die relevanten Daten untemehmensweit sammelt und bereitstellt, zweckorientiert aufbereitet und Ubersichtlich darstellt.

3.2 Data Warehouse Losungen zur Unterstiitzung der Informationssammlung und -bereitstellung

Wie oben bereits angesprochen, konnen die Daten aus den operativen Systemen nur selten ohne Bearbeitung direkt fur die Entscheidungsunterstiitzung verwendet werden, da

• sich die Daten am einzelnen Anwendungssystem und dessen Zweck (zum Beispiel Auftragsbearbeitung), nicht an einem ubergreifenden Thema (zum Beispiel Kaufverhalten Kundengruppe A) orientieren,

• die Daten oft nur in unterschiedlichen Einheiten und Codierungen zur Verfli-gung stehen,

• viele Daten durch neue Transaktionen geSndert oder geloscht werden und

• sich die Daten nur auf einen sehr niedrigen Aggregationsniveau befinden, also sehr detailliert sind.

Abhilfe verspricht ein Data Warehouse, das nach der grundlegenden Definition von William H. Inmon (2002) eine zentrale Datensammlung zur Unterstiitzung von Managemententscheidungen ist. In Anlehnung an die deutsche Ubersetzung des

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Begriffes sollen die Daten nach thematischen Anforderungen geordnet und jeder-zeit auf Anfrage des Benutzers verfugbar in einem separaten „Lagerhaus" gesam-melt und bereitgestellt werden. Dabei sollen die Daten themenorientiert, in einheit-licher Form, dauerhaft und in verschiedenen Aggregationsstufen zur Verfiigung stehen. Durch die Auslagerung der Daten werden die operativen Systeme nicht durch komplexe Auswertungen belastet und konnen ihren Zweck, die Unterstut-zung der Marketing- und Vertriebsprozesse optimal erfullen. Gleichzeitig kann das Marketing-Controlling alle entscheidungsrelevanten intemen und extemen Daten sammeln und fiir verschiedenste Managementanforderungen aufbereiten.

Dabei ist darauf zu achten, wie man mit historischen Daten umgeht. Ein standiger Online-Zugriff verursacht Kosten, ein verringerter Zugriff auf historische Daten verlangsamt das Berichtswesen und Analysen. SAP geht das Problem mit einer umfassend Altdaten enthaltenden Data Warehouse Losung an, dem SAP Business Information Warehouse (SAP BW), welches Teil von mySAP Business Intelligen­ce (SAP BI) ist. Andere Data Warehouse Losungen bieten zum Beispiel IBM, Oracle, Informix, SAS Institute und Sybase an. Der Hauptvorteil des SAP BW liegt in der einfachen und schnellen Integration von SAP R/3 Daten. Fur Unter-nehmen, die bereits R/3 als ERP-System einsetzen ein unschlagbarer Vorteil bei der Implementierung des Data Warehouse. Dariiber hinaus verfugt SAP iiber einen groBen Kundenstamm und macht es Konkurrenten durch eine Bundelung vom SAP BW mit anderen SAP Produkten sehr schwer, ihre Produkte mit Kostenargumen-ten zu verkaufen.

Im Herzen des SAP BW liegen so genannte InfoCubes. Das sind Container, wel-che die Daten in mehrdimensionaler Form speichem und so fur Auswertungen aus verschiedensten Perspektiven zur Verfiigung stellen (zur ausfuhrlichen Beschrei-bung des SAP BW vgl. Fischer 2005). Zur Analyse zum Beispiel der Profitabilitat von Kunden und Produkten werden die Kunden-, Produktstammdaten und die Daten der Verkaufstransaktionen aus den operativen Systemen in einem InfoCube des SAP BW zusammengefuhrt und k6nnen nach den verschiedenen Dimensionen ausgewertet werden (vgl. Abb. 21.8).

Die InfoCubes werden uber SAP BW Administrationswerkzeuge erstellt und ge-pflegt. Eine Vielzahl von gangigen InfoCubes sind, unter Nutzung des R/3 Daten-modelles, im SAP BW bereits voreingestellt Die Daten konnen iiber den mit dem SAP BW Auswertungswerkzeug (Business Explorer, siehe nachster Abschnitt) analysiert und aufbereitet werden.

Es soil noch einmal betont werden, dass ein Data Warehouse ein physisch separa-ter Datenspeicher ist; zum Gewahrleisten der Aktualitat der Daten mussen also regelmaBige (taglich, w5chentlich) Updates aus den operativen Systemen erfolgen.

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Infocube: Profitabilitat von Kunden / Produkten

^ ^ ^ ^ ^ ^

1 •ACA \\y

Produkt Kunden

Abb. 21.8: Beispiel eines SAP BW InfoCubes

3.3 Auswertungswerkzeuge zur Unterstiitzung der Informationsaufbereitung und -darstellung

Die Werkzeuge zur Auswertung von groBen Datenbestanden in einem Data Ware­house konnen grundsatzlich in

• Reportingwerkzeuge und

• OLAP-Werkzeuge

unterteilt werden. Wahrend Reportingwerkzeuge zur Erstellung einfacher Auswer-tungen (Berichte) auf Basis des Data Warehouse dienen, erlauben Werkzeuge zum Online Analytical Processing (OLAP) interaktive, spontane Auswertungen der Datenbestande. Aufgrund der freien Navigation durch die Datenbestande sind OLAP-Analysen oft komplexerer Natur. Der Ubergang zwischen beiden Katego-rien ist flieBend, da auch Reportingwerkzeuge in sogenannten Managed Query Environments eine ahnlich hohe Flexibilitat wie einfache OLAP-Werkzeuge auf-weisen konnen. Inhaltlich decken Reports eher einen Basisinformationsbedarf ab, werden daher oft periodisch erstellt, wShrend OLAP-Analysen zum Untersttitzen einer konkreten Entscheidung dienen.

Die Gartner Group fasst diese Auswertungswerkzeuge unter dem Begriff „Busi-ness Intelligence Tools" zusammen und definiert dementsprechend Business Intel­ligence als „...the enterprise's ability to access and explore inft)rmation (often con­tained in a data warehouse) and to analyze that infi)rmation to develop insights and understanding, which leads to improved and informed decision making" (Dresner / Harris 1999). In das SAP BW ist bereits ein Auswertungswerkzeug integriert, der Business Explorer. Dieses mit MS Excel realisierte Auswertungswerkzeug erlaubt einfache Auswertungen sowie auch komplexere OLAP-Abfi'agen. Es enthalt eine Vielzahl von gebrauchlichen vordefinierten Standardberichten, die sofort nach der Implementierung des SAP BW zur Verfligung stehen. Die benutzerabhangige Or­ganisation der Reports, inklusive kurzer Beschreibung von Inhalt und Aufbau erfolgt im Report Catalog Browser.

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Sollen umfangreichere Managementsysteme, wie das oben angesprochene Konzept der Balanced Scorecard, umgesetzt werden, reicht der Business Explorer in seiner Funktionalitat nicht aus. Wie in CRM- oder ERP-Systemen das Wissen uber Ge-schaftsprozesse enthalten ist, muss in einem Auswertungswerkzeug zum Umsetzen der Balanced Scorecard das Wissen uber dieses Managementkonzept integriert sein. Dies umfasst die Abbildung der einzelnen Komponenten (Ziele/kritische Erfolgsfaktoren, Ursache-Wirkungs-Zusammenhange, Kennzahlen, MaBnahmen), aber auch die notwendigen Funktionalitaten zum Beispiel zum Ableiten von Be-reichs-Scorecards.

Zahlreiche Anbieter, darunter SAS Institute, Gentia, CorVu und SAP, ermoglichen dies mittlerweile. Das SAP Produkt, SAP Strategic Enterprise Management (SEM) ist dabei wohl das umfassendste Auswertungswerkzeug. Neben der Balanced Sco­recard konnen eine Vielzahl weiterer Managementkonzepte, wie Value Based Management, Target Costing und Activity Based Management, und Management-aufgaben, wie Planung, Konsolidierung und Stakeholderbetreuung umgesetzt be-ziehungsweise unterstiitzt werden (Meier; Sinzig; Mertens 2004)). Ursprunglich bestand SAP SEM aus funf Komponenten.

Die funf Komponenten wurden reorganisiert, ohne dass etwas an den Hauptbe-standteilen des Produktes geandert wurde. Inzwischen setzt sich das Produkt SEM aus den folgenden fiinf Bestandteilen zusammen (Fischer 2005):

• Business Planning and Simulation: SEM-BPS,

• Strategy Management: SEM-CPM (Teil 1); zuvor gab es an dieser Stelle nur das SEM-CPM (Corporate Performance Mo­nitor),

• Performance Measurement: SEM-CPM (Teil 2),

• Business Consolidation: SEM-BCS und

• Stakeholder Relationship Management: SEM-SRM; In dieser Kategorie ist auch die ehemals selbststandige Funktion SEM-BIC (Business Information Collection) enthalten.

Das SAP SEM baut auf dem SAP BW auf, enthalt also auch alle Funktionen des SAP BW. Das Marketing-Controlling kann je nach Bedarf und spezifischer Unter-nehmenssituation ein breites Spektrum an Funktionalitaten nutzen, angefangen von einfachen Berichten im Business Explorer bis zur voUstandigen Umsetzung des Balanced Scorecard Konzeptes im Strategy Management SAP SEM-CPM und so seine Aufgabe der Informationsversorgung zur zielorientierten Untemehmenssteu-erung unter umfangreicher EDV-UnterstUtzung erfiillen.

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4 Zusammenfassung

Die Bedeutung der EDV fiir das Marketing-Controlling wird weiter zunehmen. Wie in diesem Beitrag dargestellt, kann das Marketing-Controlling neben oft schon in elektronischer Form vorhandenen Marktforschungsdaten auf weitere interne Datengrundlagen zurtickgreifen. Diese Datengrundlagen nehmen in Urn-fang und Qualitat mit der fortschreitenden EDV-Untersttitzung der Marketing- und Vertriebsprozesse zu. Dabei spielen vor allem CRM- und ERP-Systeme eine Roi-le. Zur Informationsversorgung des Managements konnen diese Daten in Data Warehouses gesammelt und bereitgestellt, mit speziellen Auswertungswerkzeugen aufbereitet und prasentiert werden. Dies kann in hoher Qualitat nur auf Basis eines effektiven Controlling-Rahmenkonzeptes, wie dem hier angesprochenen Perfor­mance Measurement erfolgen. Eine abgestimmte Kombination des EDV-Einsatzes im Marketing-Controlling wird die Effektivitat des Marketing-Controlling weiter erhohen und auch zukUnftige Aufgaben umfassend unterstutzen.

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Literatur

Dresner, H.; Harris, K. (1999): Business Intelligence Meets Knowledge Management, Gartner Group Research Note.

Eccles, R.G. (1995): The Performance Measurement Manifesto, in: Holloway, J.; Lewis, J.; Mallory, G. (Hrsg.): Performance Measurement and Evaluation, London.

Fischer, R. (2005): Untemehmensplanung mit SAP SEM/SAP BW, 2. Auflage, Bonn.

Gartner Strategic Planning Report (2005): Reaping Business Rewards from CRM 2004-2005.

Heuer, K. (2001): Marketing-Controlling und Abweichungsanalyse, Hamburg.

Huttner, M. (2002): Grundzuge der Marktforschung, 7. Aufl., Mtinchen.

Hiittner, M.; Heuer, K. (2004): Betriebswirtschaftslehre, MUnchen.

Inmon, W.H. (2002): Building the Data Warehouse, 3. Aufl., New York.

Kaplan, R.S.; Norton, D.P. (1996): The Balanced Scorecard: Translating Strategy into Action, Boston (MA).

Lampe, F. (2002): Untemehmenserfolg im Internet, Wiesbaden.

Maoz, M. (2005): Magic Quadrant for CRM Customer Service and Support Applications, Gartner Group Research Note.

Meier, M.; Sinzig, W.; Mertens, P. (2004): Enterprise Management with SAP SEM/ Busi­ness Analytics, 2. Aufl., Berlin.

Scheibl, H.-J. (2002): Datenbanken fur das Internet, m. CD-ROM, Munchen.

Zellner, M.; Bussow, T. (2004): Das Unsichtbare sichtbar machen, in: Harvard Business Manager, Heft 9, S. 49-57.

Internetquellen

http:\\wvvw.adressenbank.de

http:\\wv^^.sap.com

http:\\vvvs^.siebel.com

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Autorenverzeichnis

Dr. Michael Bergmann (geb. 1966), Professor fur Betriebswirtschaftslehre, Rheinische Fachhochschule Koln, Kontakt: [email protected]

Dr. Thomas Brakensiek {geh. 1959),Vorsitzenderder Geschaftsflihrung, BMW Bank, Kontakt: [email protected]

Dr. Torsten Bussow (geb. 1975), Capgemini Deutschland GmbH, Kontakt: [email protected]

Dr. Nicole Fabisch (geb. 1963), Geschaftsfuhrerin, Fabisch-Consulting, Kontakt: [email protected]

Dr. Daniel Forsmann (geb. 1975), McKinsey & Company, Kontakt: [email protected]

Dr. Reimund Franke (geb. 1938), Professor, Fachhochschule Dusseldorf, Kontakt: Tel/Fax: 0211/8114095

Dr. Sascha Gotte (geb. 1966), Professor fur Betriebswirtschaftslehre, Fachhochschule Konstanz, FB MA, Kontakt: [email protected]

Dr. Henrik Haenecke (geb. 1970), Associate Principal, McKinsey & Company, A:o«/aA:/; [email protected]

Dr. Ulrich H. Heider (geb. 1971), Senior Marketing Manager, Vodafone D2, Kontakt: [email protected]

Dr. KaiHeuer (geb. 1961), Professor flir Betriebswirtschaftslehre, Fachhochschule Trier, Kontakt: [email protected]

Thomas Miliar (geb. 1977), Consultant Analyst, Mummert Consulting AG, Kontakt: [email protected]

Florian Miller (geb. 1972), KPMG Consulting GmbH, Kontakt: [email protected]

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Philipp Kinkel {gQh,A9%\\ Milwaukee School of Engineering, Milwaukee, USA, Kontakt: [email protected]

Dr. Oliver Kutz (geb. 1973), Int. Marketing, Imperial Tabacco, London, Kontakt'. [email protected]

Dr. Guido Laukamp (geb. 1967), Senior Vice President European Marketing & Sales, Viking River Cruises S.A., Kontakt'. [email protected]

Dr. Andreas Mann (geb. 1965), Univ.-Professor fiir Betriebswirtschaftslehre und Marketing am Institut fur Wirtschaftswissenschaften der TU Clausthal, Kontakt'. [email protected]

MarkMohlen (geb. 1980), Doktorand Universitat Hamburg, Kontakt: [email protected]

Sophocles Papadopoulos BA, MSc, (geb. 1978) Egnatia Bank, Kontakt: [email protected]

Dr. Charlotte Reich (geb. 1975), Beraterin, Bain & Company, Kontakt: [email protected].

Dr. Michael Reich (geb. 1962), Senior Manager, Mummert Consulting AG, Kontakt: [email protected]

Dr. Peter Rose (geb. 1950), Professor fiir Betriebswirtschaftslehre, Hochschule Bremen (FB Wirtschaft - Internationales Marketing), Kontakt: [email protected]

Nikolaos Tsorakidis BA(Hons), MSc (geb. 1977), Lecturer, Huron University USA in London, Kontakt: [email protected]

Dr. Dirk Seifert (geb. 1970), Vorstand, Esprit Europe GmbH, Kontakt: [email protected]

Michael Wegener (geb. 1971), Doktorand, Universitat Hamburg, Kontakt: [email protected]

Dr. Enno Wolf(gQb. 1972), Senior-Projektmanager, Tchibo, Kontakt: [email protected]

Dr. Zerres, Michael (gQh. 1945), Universitats-Professor, Universitat Hamburg, Kontakt: [email protected]

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Dr. Wolfgang Zahner (geb. 1973), Berater, McKinsey & Company, Kontakt [email protected].

Dr. Klaus Zimmer (geb. 1961), Direktor, HypoVereinsbank AG, Kontakt: [email protected]

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 2.1: Strategien auf Untemehmens- und GeschSftsfeldebene 12 Abb. 2.2: Kriterien zur Marktsegmentierung 15 Abb. 2.3: Dimensionen des Geschaftsfeldes eines Verlagsuntemehmens 17 Abb. 2.4: Abgrenzung zwischen strategischem Geschaftsfeld

und strategischer Geschaftseinheit 18 Abb. 2.5: Griinde fiir eine hohe und niedrige Aggregationsstufe

strategischer Geschaftseinheiten 21 Abb. 2.6: Erfahrungskurve mit logarithmischer Skala 23 Abb. 2.7: Marktanteils-Marktwachstums-Matrix der Boston Consulting Group 25 Abb. 2.8: Ermittlung der Marktattraktivitat und des relativen

Wettbewerbsvorteils 29 Abb. 2.9: MarktattraktivitSts-Wettbewerbsvorteils-Matrix 30 Abb. 2.10: Wertkette 33 Abb. 2.11: Wettbewerbskrafte der Branchenstruktur 34 Abb. 2.12: Markteintrittsbarrieren 35 Abb. 2.13: Wettbewerbsstrategien 39 Abb. 2.14: SWOT-Analyse 42 Abb. 3.1.: Methoden zur Identifikation von Erfolgsfaktoren 46 Abb. 3.2.: Bewertung der Methoden beztiglich des Kriteriums

Aufdecken von Kausalstrukturen 49 Abb. 3.3.: Zusammenfassende Bewertung der Methoden 51 Abb. 3.4.: Wesentliche Anforderungen an die Durchfuhrung

der quantitativen Methoden 52 Abb. 3.5.: Tendenzaussagen zur Auswahl einer Untersuchungsmethode

in der Praxis 55 Abb. 4.1: Matrix der Skill Cluster Indices 64 Abb. 4.2: Skill Clustering Indices fiir zwei Skill Cluster 64 Abb. 4.3: Skill Mapping zur Uberprtifung des Entwicklungsstandes

beobachteter Skills 66 Abb. 4.4: Kemkompetenz-Portfolio 67 Abb. 4.5: Nutzwertanalyse 68 Abb. 4.6: Opportunity-Matrix 71 Abb. 5.1: Elemente strategischer Planung des Corporate Citizenship 80 Abb. 5.2: Messoptionen des gesellschaftlichen Engagements 82 Abb. 5.3: LBG-Matrix 82 Abb. 5.4: Corporate Citizenship-Prozess 84 Abb. 6.1: Interne und exteme Ursachenfelder von Risiken 93 Abb. 6.2: Prozess der strategischen Frtiherkennung 95 Abb. 6.3: Grundmodell eines Fruhwamsystems 97 Abb. 6.4: Mogliche Indikatoren fur exteme und interne Beobachtungsbereiche 98

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Abb. 6.5: Funktionsvergleich der unterschiedlichen Szenario-Typen 101 Diagram 7.1: Break-Even Point Graph 111 Diagram 7.2: Break-Even Point Graph, Municipal Bus Line Proposal 114 Diagram 7.3: Break-Even Point Graph, Advertising Ltd Proposal 115 Diagram 7.4: Cost comparison between Scenario 1 and Scenario 2. 116 Diagram 7.5: Break-Even Point Graph, Company "First" 118 Diagram 7.6: Break-Even Point Graph, Company "Second" 119 Diagram 7.7: Break-Even Point Graph, Company "Third" 120 Abb. 8.1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard 134 Abb. 8.2: Generische Wertschopfungskette 136 Abb. 8.3: Ursache-ZWirkungsbeziehungen 138 Abb. 8.4: Modell zur Implementierung der Balanced Scorecard 139 Abb. 9.1: Zusammenspiel von Marke, Zielsegmenten und Nutzenversprechen 147 Abb. 9.2: Bewertung von Nutzenversprechen 150 Abb. 9.3: Workshopkonzept fur die Ideengenerierung von Nutzenversprechen 152 Abb. 9.4: Ideengenerierung auf Basis von Zielgruppentypologien 154 Abb. 9.5: Ideengenerierung auf Basis von Wettbewerbsanalysen 155 Abb. 9.6: Workshopkonzept zur Selektion von Nutzenversprechen 158 Abb. 10.1: Darstellung der komplexitatstreibenden Faktoren

in der Geschaftsprozessorganisation 166 Abb. 10.2: Prozessoptimierung/ -controlling im Rahmen

des Marketing- Controlling 168 Abb. 10.3: Matrix zur Selektion kritischer Geschaftsprozesse 169 Abb. 10.4: Parameter der Geschaftsprozessoptimierung 170 Abb. 10.5: Phasenvy^eises Vorgehen bei der Geschaftsprozessoptimierung 173 Abb. 10.6: Beispiel eines MaBnahmenportfolios 175 Abb. 10.7: Instrumente der Geschaftsprozessoptimierung 176 Abb. 10.8: Mogliche Projektorganisation flir die Geschaftsprozessoptimierung 177 Abb. 10.9: Auswertungsaspekte fur die wirtschaftliche Bewertung

der Beschaftsprozesse 178 Abb. 10.10: Prinzip der Prozessverdichtung bei der Prozesskostenrechnung 181 Abb. 11.1: Regelkreis des Projekt-Controllings 186 Abb. 11.2: Magisches Zieldreieck 187 Abb. 11.3: Die fiinf Stufen des rollierenden Verfahrens 190 Abb. 11.4: Gerbelscher Strahlenraster 192 Abb. 11.5: Kritische Grenze bei Uberschreitung wesentlicher Plankennziffem 192 Abb. 11.6: Meilenstein-Trend-Analyse mittels Zeit-/ Kostenkurve 195 Abb. 12.1: Postulierte Wirkungskette 206 Abb. 12.2: Zusammenhang Kundenzufi'iedenheit und Kundenloyalitat 207 Abb. 12.3: Dimensionen und Indikatoren zur Messbarkeit der Kundenbindung 208 Abb. 12.4: Mehrstufigkeit des Konstruktes Kundenbindung 210 Abb. 12.5: Indexsystem Kundenbindung 212 Abb. 12.6: Gewichtungen von Kundenbindungszielsetzungen 214 Abb. 12.7: Beispiel Aufgliederung Zielgrossen fiir Topmanagement 215 Abb. 12.8: Prozesse an der Kundenschnittstelle 216 Abb. 12.9: Prozessbeitragsmatrix 218

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Abb. 12.10: Zusammenfassung 219 Abb. 12.11: Beispiel fflr Treatment Profile (nach Phase und Potenzial) 220 Abb. 12.12: Zusammenhang zwischen Massnahmen und Wirkung

auf Determinanten der Kundenbindung 221 Abb. 12.13: Prozess Kundenbindungscontrolling 222 Abb. 12.14: Beispiel Zielsystem - Konkretisierung Planwerte Bereich 1 223 Abb. 12.15: Kundenindividuelle Erfassung 224 Abb. 13.1: Mogliche Einteilung von Dienstleistungen 236 Abb. 13.2: Gap-Modell der Dienstleistungsqualitat bei Bausparkassen 240 Abb. 13.3: Service Levels 246 Abb. 13.4: Komponenten eines Dienstleistungsmarketing-ControUings 247 Abb. 13.5: Prozess Dienstleistungscontrolling 250 Abb. 13.6: Beispiel Service Level Scorecard 251 Abb. 14.1: Gewichtete Hauptkategorien 267 Abb. 14.2: Verlauf einer S-formigen Markenindexkurve 268 Abb. 14.3: Hauptgruppen und Indikatoren des Nielsen - Modelles 269 Abb. 14.4: Ablaufschema einer Markenbewertung 270 Abb. 14.5: Die fiinf markenwertbestimmenden Dimensionen nach Aaker 273 Abb. 15.1: Orientierungskriterien der Preispolitik. 281 Abb. 15.2: Herleitung des Begriffs „Target Costing". 283 Abb. 15.3: Interne und exteme Bereiche als Determination der Selbstkosten. 284 Abb. 15.4: Zielkostenkontrolldiagramm. 285 Abb. 15.5: Prozesskette. 287 Abb. 15.6: Zusammenhang Teilprozess - Prozessgrosse 288 Abb. 15.7: Ermittlung Prozesskostensatz: Bearbeitung Eingangsrechnungen 289 Abb. 15.8: Traditionelle und prozessorientierte Deckungsbeitragsstruktur. 292 Abb. 16.2: Beispiel einer Balanced Score Card 301 Abb. 16.3: Plausibilitatsprufung Balanced Score Card 302 Abb. 16.4: Integrierte Mehrjahresplanung 303 Abb. 16.5: Vertriebskanale im Banking 304 Abb. 16.6: Vertriebscockpit 306 Abb. 16.7: Rahmenbedingungen der Preispolitik 307 Abb. 16.8: Produktstrategie 308 Abb. 16.9: Kompetenz-ZPreisampel 309 Abb. 16.10: Erfolgskette der Kundenbindung 310 Abb. 16.11: Best angewandte Praxis in der Kundenbindung 312 Abb. 16.12: KundenManagementProzess (KMP) 313 Abb. 17.1: Werbekonzept 319 Abb. 17.2: Integrative Konzeption des Sales-Promotion-Controllings 332 Abb. 17.3: Best-Practice-Prozess des Sales-Promotion-Controllings 338 Abb. 18.1: Medien des Direktmarketing 347 Abb. 18. 2: Regelkreis des database-gestiitzten Direktmarketing 350 Abb. 18.3: Direktmarketingziele in der Untemehmenspraxis (n = 379) 351 Abb. 18.4: Kriterien fur die Segmentierung von Dialogpartnem/Zielgruppen

in der Praxis (n = 379) 352 Abb. 18.5: Methoden zur Interessenten- /Kundenbewertung 353

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Abb. 18.6: Kunden-Deckungsbeitrags-Rechnung 354 Abb. 18.7: Aufbau einer ABC-Analyse des Kundenstammes 358 Abb. 18.8: RFMR-Methode 360 Abb. 18.9: Kundenportfolio 361 Abb. 18.10: Einsatzintensitat von Direktmedien in deutschen Untemehmen

(n = 379) 366 Abb. 18.11: Grad der integrierten Dialogkommunikation in Untemehmen 366 Abb. 18.12: Ausgewahlte Kennziffem zur Kontrolle

von Direktmarketing- Aktivitaten 367 Abb. 18.13: Schema zur Ermittlung des ROI von Direktmarketing-Aktivitaten 369 Abb. 19.1: ECR-Konzept und seine Basisstrategien 377 Abb. 19.2: ECR-Reengineering der Prozesskette 378 Abb. 19.3: CM-Zielsystematik von Handel / Industrie 384 Abb. 19.4: CM-Planungsprozess 388 Abb. 20.1: Marketing-Controlling im E-Business 395 Abb. 20.2: E-Business Geschaftsmodelle nach Wertbeitragen 397 Abb. 20.3: ErlGsarten von E-Business Untemehmen 398 Abb. 20.4: Wertschopfungsstmkturen von E-Business Untemehmen 399 Abb. 20.5: Modell-Algorithmus Marktmodell E-Commerce 402 Abb. 20.6: Marktprognose E-Commerce 403 Abb. 20.7: Marktprognose E-Commerce Sortimente 403 Abb. 20.8: Erfolgsfaktor E-Servicequalitat 404 Abb. 20.9: Online-Nutzertypologie 405 Abb. 20.10: Stufen zur Kundenbindung 406 Abb. 20.11: Kennzahlen des Customer Life Cycle 407 Abb. 20.12: Online-Reichweite fiihrender E-Commerce Sites 408 Abb. 20.13: Grtinde fur den Abbmch von Online-Bestellungen 411 Abb. 20.14: Zustandswechsel bei Online-Bestellvorgangen 412 Abb. 20.15: Variablen zur Individualisiemng von Newslettem 413 Abb. 20.16: Durchschnittliche Bounce-Raten im Jahresvergleich 414 Abb. 20.17: Durchschnittliche Offiiungsraten im Jahresvergleich 414 Abb. 20.18: Individuelle und Gesamtklickraten im Jahresdurchschnitt 415 Abb. 20.19: Massnahmen zur Inhaltskontrolle im E-Mail-Marketing 415 Abb. 20.20: Individualisiemng von Newslettem nach Kundengruppen 416 Abb. 20.21: Systematik zur Multi-Channel-Konzeption 417 Abb. 20.22: Multi-Channel Metrics 418 Abb. 21.1: Phasen der Diffusion der EDV im Marketing 425 Abb. 21.2: EDV-Unterstutzung der Marketing- und Vertriebsprozesse 425 Abb. 21.3: Controllingrelevante Daten aus der Marktforschung 427 Abb. 21.4: Magisches Quadrant fur CRM Kundenservice

und Unterstutzungsanwendungen 428 Abb. 21.5: Controllingrelevante Daten aus Kundenansprache und -akquisition 429 Abb. 21.6: Controllingrelevante Daten aus Leistungserbringung

und Fakturiemng 431 Abb. 21.7: Komponenten eines Management-Informationssystems 432 Abb. 21.8: Beispiel eines SAP BW InfoCubes 435