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P. Stiefelhagen U. K. Lindner Heart Failure 1997 II. Internationales Herzinsuffizienz-Meeting, Köln, 24.–27. Mai 1997 KONGRESSBERICHT Z Kardiol 87:312–313 (1998) © Steinkopff Verlag 1998 Die Herzinsuffizienz ist ein Krankheitsbild, dessen Prognose der einer malignen Erkrankung entspricht. Nach den Ergeb- nissen der Framingham-Studie beträgt die 5-Jahres-Mortalität der symptomatischen Herzinsuffizienz rund 50 %. Während bis Ende der 80er Jahre durch die Einführung von Digitalis- glykosiden und Diuretika zwar eine Verbesserung bezüglich der Symptomatik, jedoch nicht der Prognose erreicht werden konnte, gelang in den letzten 10 Jahren durch den Einsatz mo- derner Vasodilatatoren, besonders der ACE-Hemmer, und durch die Möglichkeit der Herztransplantation ein entschei- dender therapeutischer Durchbruch. Im Mittelpunkt des II. Internationalen Kongresses zum Thema Herzinsuffizienz unter dem Vorsitz von E. Erdmann, Köln, standen neben Aspekten zur Pathogenese und Patho- physiologie aktuelle pharmakologisch-therapeutische Ge- sichtspunkte. Herzinsuffizienz – Eine schwierige Definition Auch wenn sich das Krankheitsbild der Herzinsuffizienz leicht als ein klinisches Syndrom mit seiner bekannten Sym- ptomatik beschreiben läßt, ist eine hinreichend präzise patho- physiologische und pathobiochemische Definition viel schwieriger. Aus klinischer Sicht versteht man unter einer Herzinsuffizienz den Zustand, bei dem eine eingeschränkte Herzfunktion die Ursache für die Unfähigkeit des Herzens ist, die metabolisierenden Gewebe entsprechend ihrer Erforder- nisse mit Blut zu versorgen, oder dies nur über ein abnorm er- höhtes enddiastolisches Ventrikelvolumen erreicht werden kann. Auch wenn die eigentliche Ursache der Herzinsuffizienz nicht immer eine eingeschränkte Kontraktion des Myokards ist, so liegt doch bei den meisten betroffenen Patienten eine primäre (z. B. bei der dilatativen Kardiomypathie) oder eine sekundäre, durch vaskuläre oder valvuläre Erkrankungen aus- gelöste myokardiale Schädigung vor (L. Tavazzi, Montes- cano). Sympathikusdämpfung – Ein sinnvolles Therapiekonzept Eine verminderte Herzleistung führt zur Aktivierung ver- schiedener neurohumoraler Mechanismen, die den Krank- heitsprozeß im Sinne eines Circulus vitiosus ungünstig beein- flussen. Dazu gehört neben der Stimulation des RAA- Systems besonders die Aktivierung des Sympathikus. Auch wenn diese Mechanismen bei einem verminderten Herzzeit- volumen zur Aufrechterhaltung der Durchblutung zunächst sinnvoll erscheinen, so bewirken sie durch die Vasokonstrik- tion und eine vermehrte Natrium- und Wasser-Retention eine Verschlechterung der hämodynamischen Belastung und eine Erhöhung des Sauerstoffverbrauchs im Myokard. Der erhöhte Sympathikotonus wird auch für die Induktion vital bedroh- licher Tachyarrhythmien verantwortlich gemacht. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, daß das Aus- maß der linksventrikulären Dysfunktion direkt mit der Pro- gnose und indirekt mit der Höhe des Katecholaminspiegels korreliert. Deshalb stellt die Senkung der Aktivität des peri- pheren Sympathikus ein sinnvolles Therapiekonzept dar, denn hierdurch werden Verlauf und Prognose der Erkrankung günstig beeinflußt (M. Esler, Melbourne). Der Sympathikotonus wird von den verschiedenen Thera- pieregimen bei der Herzinsuffizienz unterschiedlich beein- Dr. P. Stiefelhagen ( ) Chefarzt Innere Abteilung des DRK-Krankenhauses 57627 Hachenburg Dr. U. K. Lindner Chefredakteur Facharztzeitschriften Springer-Verlag Tiergartenstraße 17 69121 Heidelberg

Heart Failure 1997

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P. StiefelhagenU. K. Lindner

Heart Failure 1997

II. Internationales Herzinsuffizienz-Meeting, Köln, 24.–27. Mai 1997

KONGRESSBERICHTZ Kardiol 87:312–313 (1998)© Steinkopff Verlag 1998

Die Herzinsuffizienz ist ein Krankheitsbild, dessen Prognoseder einer malignen Erkrankung entspricht. Nach den Ergeb-nissen der Framingham-Studie beträgt die 5-Jahres-Mortalitätder symptomatischen Herzinsuffizienz rund 50 %. Währendbis Ende der 80er Jahre durch die Einführung von Digitalis-glykosiden und Diuretika zwar eine Verbesserung bezüglichder Symptomatik, jedoch nicht der Prognose erreicht werdenkonnte, gelang in den letzten 10 Jahren durch den Einsatz mo-derner Vasodilatatoren, besonders der ACE-Hemmer, unddurch die Möglichkeit der Herztransplantation ein entschei-dender therapeutischer Durchbruch.

Im Mittelpunkt des II. Internationalen Kongresses zumThema Herzinsuffizienz unter dem Vorsitz von E. Erdmann,Köln, standen neben Aspekten zur Pathogenese und Patho-physiologie aktuelle pharmakologisch-therapeutische Ge-sichtspunkte.

Herzinsuffizienz – Eine schwierige Definition

Auch wenn sich das Krankheitsbild der Herzinsuffizienzleicht als ein klinisches Syndrom mit seiner bekannten Sym-ptomatik beschreiben läßt, ist eine hinreichend präzise patho-physiologische und pathobiochemische Definition vielschwieriger. Aus klinischer Sicht versteht man unter einerHerzinsuffizienz den Zustand, bei dem eine eingeschränkteHerzfunktion die Ursache für die Unfähigkeit des Herzens ist,

die metabolisierenden Gewebe entsprechend ihrer Erforder-nisse mit Blut zu versorgen, oder dies nur über ein abnorm er-höhtes enddiastolisches Ventrikelvolumen erreicht werdenkann.

Auch wenn die eigentliche Ursache der Herzinsuffizienznicht immer eine eingeschränkte Kontraktion des Myokardsist, so liegt doch bei den meisten betroffenen Patienten eineprimäre (z. B. bei der dilatativen Kardiomypathie) oder einesekundäre, durch vaskuläre oder valvuläre Erkrankungen aus-gelöste myokardiale Schädigung vor (L. Tavazzi, Montes-cano).

Sympathikusdämpfung – Ein sinnvolles Therapiekonzept

Eine verminderte Herzleistung führt zur Aktivierung ver-schiedener neurohumoraler Mechanismen, die den Krank-heitsprozeß im Sinne eines Circulus vitiosus ungünstig beein-flussen. Dazu gehört neben der Stimulation des RAA-Systems besonders die Aktivierung des Sympathikus. Auchwenn diese Mechanismen bei einem verminderten Herzzeit-volumen zur Aufrechterhaltung der Durchblutung zunächstsinnvoll erscheinen, so bewirken sie durch die Vasokonstrik-tion und eine vermehrte Natrium- und Wasser-Retention eineVerschlechterung der hämodynamischen Belastung und eineErhöhung des Sauerstoffverbrauchs im Myokard. Der erhöhteSympathikotonus wird auch für die Induktion vital bedroh-licher Tachyarrhythmien verantwortlich gemacht.

In klinischen Studien konnte gezeigt werden, daß das Aus-maß der linksventrikulären Dysfunktion direkt mit der Pro-gnose und indirekt mit der Höhe des Katecholaminspiegelskorreliert. Deshalb stellt die Senkung der Aktivität des peri-pheren Sympathikus ein sinnvolles Therapiekonzept dar,denn hierdurch werden Verlauf und Prognose der Erkrankunggünstig beeinflußt (M. Esler, Melbourne).

Der Sympathikotonus wird von den verschiedenen Thera-pieregimen bei der Herzinsuffizienz unterschiedlich beein-

Dr. P. Stiefelhagen (✉)Chefarzt Innere Abteilungdes DRK-Krankenhauses57627 Hachenburg

Dr. U. K. LindnerChefredakteur FacharztzeitschriftenSpringer-VerlagTiergartenstraße 1769121 Heidelberg

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der Symptome auch die Progression der Herzinsuffizienz ver-hindert bzw. verzögert, wodurch die Überlebenswahrschein-lichkeit verbessert wird.

In einer ersten klinischen Studie mit dem Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten Lorsatan zeigte sich überraschend, daßdieses Therapieprinzip eventuell den ACE-Hemmern überle-gen sein könnte. In dieser großangelegten, internationalenmultizentrischen ELITE-Studie wurden über 700 Patientenmit einem Alter > 65 Jahren mit symptomatischer Herzin-suffizienz NYHA II–IV und einer Auswurffraktion von 40 %oder weniger entweder mit Lorsatan oder Captopril behan-delt. Die Mortalität in der mit Lorsatan behandelten Gruppewar um 46 % geringer als bei den Patienten, die mit Captoprilbehandelt wurden (4,8 % vs. 8,7 %). Das Gesamtrisiko für einkardiales Ereignis wurde um 32 % gesenkt (B. Pitt, Ann Ar-bor).

Forschungsschwerpunkt Angiotensin-II-Rezeptoren

Die Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten repräsentieren einevöllig neue Wirkstoffklasse. Während ACE-Hemmer die Syn-these des Angiotensin II durch Hemmung des Konversions-enzyms unterdrücken, verhindern Angiotensin-II-Rezeptor-antagonisten die Wirkung von Angiotensin II an seinen Re-zeptoren selbst. Somit wird auch der Teil des Angiotensin IIneutralisiert, der über Stoffwechselwege, die nicht von Reninbzw. dem Angiotensin Converting-Enzyme kontrolliert wer-den, d. h. über Chymasen, systemisch und auch lokal in ver-schiedenen Organen gebildet wird.

Durch die Entwicklung der Angiotensin-II-Rezeptoranta-gonisten gelang es, verschiedene Typen von Angiotensin-II-Rezeptoren zu unterscheiden. Gut charakterisiert sind zumjetzigen Zeitpunkt zwei Rezeptortypen, nämlich die AT1- unddie AT2-Rezeptoren. Die bisher bekannten Wirkungen des An-giotensin-IIk, die Vasokonstriktion, die positive Inotropie unddie Freisetzung von Aldosteron und Vasopressin werden übereine Stimulation des AT1-Rezeptors vermittelt; diesem wirdaußerdem ein proliferationsfördernder Effekt zugeschrieben.

Der AT2-Rezeptor dagegen dürfte beim Zellwachstum undbei der Zelldifferenzierung eine große Rolle spielen und ins-gesamt eine antiproliferative Wirkung entfalten. Neuere Un-tersuchungen haben gezeigt, daß dieser Rezeptor besondersunter pathophysiologischen Bedingungen laufend sowohlherauf- als auch herabreguliert wird.

Durch die Hemmung der AT1-Rezeptoren über Angioten-sin-II-Rezeptorantagonisten steigt der Angiotensin-II-Spiegelan, so daß es zu einer gesteigerten Stimulation der AT2-Re-zeptoren kommt. Inwieweit die günstige Wirkung dieser Sub-stanzgruppe bei Herzinsuffizienz auch mit der gesteigertenAktivierung der AT2-Rezeptoren verknüpft ist, läßt sich ge-genwärtig noch nicht eindeutig beurteilen (V. Regitz-Zagro-sek, Berlin).

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flußt. So führen ACE-Hemmer indirekt über eine Senkung desAngiotensin-II-Spiegels zu einer leichten Abnahme der Kate-cholamine; das gleiche gilt für Betablocker.

Eine effizientere Abnahme des Sympathikotonus wirddurch den zentral angreifenden selektiven Imidazolrezeptor-agonisten Moxonidin bewirkt. Diese Substanz führt zu einerzentralen und peripheren Dämpfung der Sympathikusakti-vität. In ersten klinischen Studien konnte bei Patienten mitHerzinsuffizienz neben einer statistisch signifikanten Ab-nahme der zirkulierenden Katecholamine auch eine hämody-namische Verbesserung dokumentiert werden. Der Nachweiseiner Lebensverlängerung bei herzinsuffizienten Patientendurch diese Substanz steht jedoch noch aus (F. Waagstein,Gothenburg).

Kalziumantagonisten bei Herzinsuffizienz – Differenzierte Betrachtungen erforderlich

Der Einsatz von Kalziumantagonisten bei Patienten mit Herz-insuffizienz muß aufgrund ihrer zum Teil negativ inotropenWirkung differenziert betrachtet werden. In der Sekundärpro-phylaxe nach Myokardinfarkt mit deutlich eingeschränkterVentrikelfunktion ist eine ungünstige Einflußnahme auf denweiteren Verlauf belegt. Dies gilt besonders für kurz wirk-same Kalziumantagonisten, die durch ihre ausgeprägte peri-phere Vasodilatation eine reflektorische Aktivierung des sym-pathoadrenergen Systems auslösen und dadurch die Prognoseverschlechtern. Langsam anflutende und länger wirksame,moderne Kalziumantagonisten scheinen diese ungünstigenpharmakodynamischen Begleitwirkungen nicht zu zeigen.Deshalb sollten bei Patienten mit bekannter linksventrikulä-rer Dysfunktion bzw. Herzinsuffizienz nur Kalziumantagoni-sten ohne kardiodepressive und ohne neurohumorale Stimu-lation eingesetzt werden.

In der PRAISE-Studie konnte bei Patienten mit einerHerzinsuffizienz nichtischämischer Genese, d. h. als Folgeeiner hypertensiven Herzerkrankung oder einer dilatativenKardiomyopathie, durch die zusätzliche Therapie mit Amlo-dipin sowohl eine Verbesserung der Symptomatik als auch derGesamtmortalität um 45 % nachgewiesen werden. Bei gleich-zeitiger signifikanter Abnahme des Noradrenalinspiegelswird dies als Erklärung für die günstige Wirkung dieser the-rapeutischen Strategie diskutiert (J. McMurray, Glasgow, undM. A. Konstam, Boston).

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten statt ACE-Hemmer?

Die Einführung der ACE-Hemmer hat die Behandlungsmög-lichkeiten der Herzinsuffizienz wesentlich bereichert. Sokonnte in zahlreichen klinischen Studien gezeigt werden, daßdiese Substanzgruppe neben einer günstigen Beeinflussung