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Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008 Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien 1 Frieder SONDERMAN - 原 著 - 59 人間情報学研究,第132008年,5986Abstract: Some as yet unpublished documents about the first official contact between Russia and Japan in 1804/5 are presented, along with information about the persons involved. Klaproth was instrumental in publishing articles about Japan and translations of Japanese literature, while Horner wanted to distribute his insider knowledge to friends only. Keywords : Klaproth, Horner, European Japanese relations before 1820 Erweiterte Fassung eines Vortrages im EKO-Haus (Düsseldorf) am 29. März 2007. Tohoku Gakuin University

Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar ......Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien Journal

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Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann CasparHorner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien1

Frieder SONDERMAN*

-原 著-59人間情報学研究,第13巻

2008年,59~86頁

Abstract:Some as yet unpublished documents about the first official contact

between Russia and Japan in 1804/5 are presented, along withinformation about the persons involved. Klaproth was instrumental inpublishing articles about Japan and translations of Japanese literature,while Horner wanted to distribute his insider knowledge to friends only.

Keywords : Klaproth, Horner, European Japanese relations before 1820

1 Erweiterte Fassung eines Vortrages im EKO-Haus (Düsseldorf) am 29. März 2007.* Tohoku Gakuin University

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Frieder SONDERMAN

人間情報学研究 第13巻 2008年3月

Die Bearbeitung von bislang nicht

berücksichtigten Dokumenten zur ersten

russischen Weltumseglung 1803 - 1806, vor

allem zum halbjährigen Aufenthalt der

"Nadeshda" unter ihrem Kapitän Adam

Johann von Krusenstern im Hafen von

Nagasaki 1804/5, ist noch immer nicht

abgeschlossen. An Bord des Schiffes befanden

sich nämlich - neben den beiden deutschen

Naturforschern Wilhelm Gottlieb Tilesius und

Georg Heinrich von Langsdorff - etliche

deutschbaltische Mannschaftsmitglieder,

angefangen mit dem Capitain-Lieutenant,

über die Offiziere Friedrich von Romberg,

Hermann Ludwig von Loewenstern und

Fabian Gottlieb Baron von Bellingshausen

sowie die beiden ältesten Söhne August von

Kotzebues (Otto und Moritz) bis hin zum

Schiffsarzt Carl von Espenberg und dem

kurländischen Koch Johann Neumann. Fast

alle haben Aufzeichnungen über diese Reise

abgefasst (dienstlich und/oder privat), die nur

zum Teil publiziert wurden. So kam auch erst

vor wenigen Jahren das wirklich lesenswerte

Reisejournal Loewensterns zuerst in

russischer und englischer, dann endlich in

seiner originalen deutschen Fassung auf den

Markt.2 Die umfangreichen Aufzeichnungen

von Wilhelm Gottlieb Tilesius hingegen

schlummern noch immer im Stadtarchiv

seiner Heimatstadt Mühlhausen. Da nach

Engelbert Kämpfer am Ende des 17.

Jahrhunderts und vor Philip Franz von

Siebold ab 1830 nur der schwedische Arzt

Carl Peter Thunberg wissenschaftlich

geschult und authentisch von Japan berichten

konnte, stellen die 30 Jahre nach Thunberg

im Laufe einer halbjährigen "Isolationshaft"

gemachten Aufzeichnungen der Expedi-

tionsteilnehmer von 1804/5 eine nicht zu

unterschätzende Informationsquelle über

Japan in der Edo-Zeit dar.

Klaproth und Horner

Aber was hat das mit dem Orientalisten

Julius Klaproth3 zu tun, der nie japanischen

Boden betreten oder auch nur das Japanische

Meer von Sibirien aus gesehen hat?

Dafür lassen sich in aller Kürze folgende

Argumente auflisten:

- Er kannte die meisten der oben

genannten Weltumsegler persönlich aus

der gemeinsam in St. Petersburg

verbrachten Lebensperiode (Anfang 1807

bis 14. Sept. 1807, Ende 1808 - Anfang

1811).

- Er stand nachweislich auch später noch

mit Johann Caspar Horner, dem schweizer

Astronom der "Nadeshda", in brieflichem

Kontakt.

- Er war um 1810 mit Georg Heinrich

Langsdorff befreundet und schrieb für

dessen Bemerkungen auf einer Reise um

die Welt - in den Jahren 1803 bis 1807

60

3 Zu Leben und Werk von Klaproth hat Hartmut

Walravens mehrere Bücher verfaßt, von denen die

folgenden hier herangezogen werden:

- Julius Klaproth (1783 - 1835) : Briefe und

Dokumente. Wiesbaden 1999 (zitiert als: Walravens

BuD).

- Julius Klaproth (1783 - 1835) : Leben und Werk.

Wiesbaden 1999 (zitiert als Walravens LuW).

2 Die russische Version (2003) stammt von Tamara

Schafranovskaja, Olga Fedorova und Alexej

Krusenstern, die englische (2003) sowie deutsche

Fassung (2005) von Victoria J. Moessner.

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

(Frankfurt: Wilmans 1812, 2 Bände)

sachkundige Kommentare.

Um die zahlreichen zwischen Krusenstern

und Horner gewechselten Briefe

kennenzulernen, muss man Beider Nachlass

in Zürich (Schweiz), Tartu (Estland) und wohl

auch Kalmar (Schweden) durchsuchen. In der

Handschriftenabteilung der Züricher

Zentralbibliothek (ZBZ) gibt es jedoch nicht

nur die Briefe Krusensterns im Horner-

Nachlass, sondern auch Materialien von

Klaproth.4 Zudem finden sich dort ein Brief

von Klaproth an Horner sowie eine

Manuskriptmappe, worüber im Folgenden zu

berichten ist.

Zunächst soll dieser Brief Klaproths an

Horner zitiert werden [ZBZ M 5. 56]:

Berlin d 15 May 1811.

Lieber Freund

Sie werden sich wundern von mir einen

Brief aus meiner Vaterstadt zu erhalten,

aber ich bin hierher auf Befehl des Kaisers

geschickt, um die zu meinen Arbeiten

nöthigen Chinesischen und Mandschu-

rischen Buchstaben, schneiden zu lassen.

Ich habe nämlich auf Veranstaltung des

Grafen Rasumowsky, der jezt Minister der

Aufklärung ist, einen ausführlichen

Catalog der Chinesischen und anderen

Asiatischen Stücke in der Academischen

Bibliothek machen müssen, der ebenfalls

geordnet werden soll.5 Wie ich höre so ist

es Ihnen, Ihre schweren Krankheiten

abgerechnet, recht wohl gegangen seitdem

wir uns nicht gesehen haben. Und zu Ihrer

bevorstehenden Heirath wünsche ich

Ihnen, selbst ein Ehemann, Glück.6 Ich

kam von der Caucasischen Reise erst 1809

wieder zurück, und bin sehr mit derselben

zufrieden, weil ich eine vortreffliche

Ausbeute gehabt habe, die ich jezt zu Tage

zu fördern beschäftigt bin.7 Meinen

Aufenthalt in St. Petersburg habe ich so

gut als möglich zu benutzen gesucht, und

im vorigen Jahre ein Archiv für Asiatische

Litteratur von 30 Bogen in Quarto

herausgegeben, von dem ich Ihnen gern

ein Exemplar schickte, wenn ich es hier

hätte.8 Dafür erhalten Sie anbei einige

andere Kleinigkeiten die ich seit dem habe

drucken lassen, unter denen der

61

4 So etwa seinen Brief aus Paris an [Ludwig Friedrich

Theodor ] Hain (1781-1836) vom 10.12.1822 sowie

ein an die Brönnersche Buchhandlung in Frankfurt

adressiertes Billet vom 29.4.1829.

5 Aleksej Kirillovic Razumovskij (1748 - 1822) war

1811 Minister für Volksbildung, sein Schwiegersohn

Sergej Semenovic Uvarov (1786 - 1855) wurde 1818

Universitätskurator. Mit beiden hatte Klaproth

dienstlich zu tun. Zum damals nicht gedruckten

Petersburger Katalog vgl. Walravens LuW S. 2f. und

S. 166 Nr. 323. 6 Vgl. dazu Koitz-Arko, Gerit: Zur Geistesgeschichte

des frühen 19. Jahrhunderts: Die Briefe Karl August

Böttigers an Joseph Frhr. von Hammer-Purgstall in

Text und Kommentar” (Diss. Graz 1985), wo in

Böttigers Briefen vom 29.4. 1814 (S. 189) und 26.1.

1818 (S. 239) von Klaproths Heirat mit einer

Engländerin die Rede ist. Horner heiratete im

August 1811.7 Sein zweibändiges Hauptwerk Reise in den

Kaukasus und nach Georgien erschien 1812/14.8 Von dem Archiv für asiatische Litteratur, Geschichte

und Sprachenkunde erschien nur ein Band, im Jahr

1810 (vgl. Walravens LuW S. 74-76).

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Frieder SONDERMAN

人間情報学研究 第13巻 2008年3月

Leichenstein für Hager das neueste ist. In

gleicher Zeit lege ich noch ein Stückelchen

über die Russische Ambassade nach China

bei, das in Petersburg herausgekommen

sein soll, mir aber erst vor Kurzem zu

Gesichte gekommen ist.9 Ich kann in

dessen nicht begreifen wie es möglich

gewesen ist, bei so strenger Censur, ein so

anzügliches Werk dort zu publiziren, in

dem würklich manches unrichtig

dargestellt ist, und das Beleidigungen

gegen mehrere Mitglieder der

Gesandtschaft enthält. Den / Verfasser

kann ich noch nicht errathen, doch scheint

der Deutsche Styl viele Französische

Wendungen zu haben, und es ist also

vielleicht eine Übersetzung.10 Mein

Aufenthalt in Berlin wird wohl noch

beinahe ein Jahr dauern, weil meine

Geschäfte so viel Zeit erfordern, denn das

Stechen der Buchstaben geht langsam von

Statten. Ich wage eine Bitte, die Sie mir

vieleicht aus alter Freundschaft nicht

abschlagen werden. Sie würden mich

nämlich sehr durch einige Chinesische

Pinsel verbinden, die zum Schönschreiben

der Caractere durchaus nothwendig sind. -

Es thut mir jezt sehr leid, dass ich in St.

Petersburg keine Beschreibung Ihrer

Chinesischen Götter gemacht habe, weil

ich sie jezt gut gebrauchen könnte. 11

Vale faveque.

JHvKlaproth

Adresse Letzte Strasse Nr. 7.

Ein Antwortbrief von Horner an Klaproth ist

mir nicht bekannt. Zum besseren Verständnis

sind noch ein paar allgemeine Bemerkungen

bio- und bibliographischer Art sowohl über

den Briefschreiber wie auch den Empfänger

angebracht.

A. Zu Klaproths Leben und Werk

Hier bin ich vorwiegend den Angaben in den

von Hartmut Walravens veröffentlichten

Werken über Klaproth verpflichtet, der

zudem im Januar 2005 in Kyoto beim

Kokusai Nichi Bunken Center einen Vortrag12

über Klaproth gehalten hat.

Als Sohn des Apothekers und bedeutenden

Chemikers Martin Klaproth wurde Julius

1783 in Berlin geboren, zeigte schon als

Oberschüler reges Interesse für Chinesisch,

das er autodidaktisch erlernte. Als junger

Student in Halle vermochte er 1802 den

vorsichtig kalkulierenden Verleger Friedrich

Justin Bertuch in Weimar zur Herausgabe

eines kurzlebigen Asiatischen Magazins zu

bewegen. 1804 wurde er (als Adjunct) nach St.

62

9 Vgl. zu dieser 56 seitigen Streitschrift gegen den

Sinologen Joseph Hager bei Walravens LuW S. 78,

Nr. 23.10 Ob das beigelegte “Stückelchen” ein Manuskript

oder wohl doch die Druckschrift von 1809 ist, geht

aus dem Brief nicht klar hervor. Klaproths nur

leicht verschleierte Autorschaft war wegen seiner

dienstlichen Verhältnisse nötig. Man vgl. den

Wiederabdruck bei Walravens BuD (1999, S. 187 -

203) und eine spätere Version in der Zeitschrift Das

Ausland von 1828 (ebd., S. 204 - 235).

11 Horner dürfte aus Macao oder Canton – neben den

Schreibutensilien – auch chinesische Figuren und

Bilder mitgebracht haben.12 Vgl. den Vortrag in http://www.nichibun.ac.jp/

research/project2/lecture.html .

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

Petersburg an die Akademie der

Wissenschaften berufen und im Herbst 1805

im Gefolge des Grafen Jan Potocki auf die

russische Gesandtschaftsreise Richtung

Peking mitgenommen. die aber nur bis an die

damalige Grenze bei Urga/Kuren kam. In

Irkutsk lernte er bei einem dort als

Sprachlehrer tätigen Japaner auch diese

Sprache kennen und fertigte ein Japanisch-

Russisch/Deutsches Lexikon an.13 Nach der

Rückkehr, also im Winter 1806/7, hat er die in

Petersburg lebenden Weltumsegler

kennengelernt.14 Doch da Klaproth bereits

vom September 1807 bis zum Januar 1809

wieder auf einer Forschungsreise in den

Kaukasus abwesend ist, wird er den erst im

März 1808 nach der Weltumseglung allein

über Sibirien heimgekehrten Langsdorff nicht

vor 1809 getroffen haben. Die Beiden scheinen

sich in der gemeinsam in Petersburg

verbrachten Zeit gut verstanden zu haben,

wie aus einem Brief von Tilesius an Horner

ersichtlich ist (St. Petersburg d 21. Novembr

1810) 15:

Der Schulmeister ist mein erklärter Feind,

aber / Klapproths Sohn und Langsdorf

sind seine erklärten Günstlinge, sie führen

die Töchter an der Hand und den Vater an

der Nase.

Sie haben wohl die Töchter des auch für die

Bibliothek der Akademie der Wissenschaften

verantwortlichen Astronomen Friedrich

Theodor Schubert (1758 - 1825) umworben.

Langsdorff heiratete die älteste der 5 Töchter

und nahm sie 1813 nach Brasilien mit, wohin

er sich als russischer Geschäftsträger hatte

versetzen lassen. Beruflich hat Klaproth, wie

schon gesagt, u.a. bei Langsdorffs

Reisebeschreibung als sachkundiger

Kommentator mitgewirkt: Die Erläuterungen

japanischer und chinesischer Begriffe, wie

auch die Ainu-Glossarien, stammen von ihm.

Doch bereits Anfang 1811 - also vor

Drucklegung von Langsdorffs Werk - trennten

sich ihre Wege wieder, als Klaproth nach

Berlin ging, um dort die Druckstöcke für seine

chinesischen (Katalog-)Publikationen

anfertigen zu lassen. Es dürften verschiedene

Faktoren gewesen sein, die ihn ganz von

Petersburg wegzogen: finanzielle, berufliche,

private, vielleicht auch politische Engpässe.

Die Adresse in Berlin "Letzte Straße Nr. 7" ist

die gleiche wie vor seinem Rußlandaufenthalt,

also wohl bei seiner Familie.

Von Deutschland aus suchte er nun weiter

nach asiatischen Manuskripten und einem

neuen Arbeitgeber. Er kam 1814 bis nach

Italien, wo er in Elba bei Napoleon I.

vorsprach. Doch erst 1818 gelang es ihm -

63

13 Das Ms. davon befindet sich sowohl in St.

Petersburg als auch in London. Kanji beherrschte

Klaproth wohl besser als sein Lehrer, der in Japan

als Matrose gearbeitet hatte. Vgl. bei Norbert R.

Adami Eine schwierige Nachbarschaft - Die

Geschichte der russisch-japanischen Beziehungen

(München 1990) S. 124 - 127 und auch bei Peter F.

Kornicki: Castaways and orientalist: the Russian

route to Japan in the early nineteenth century. Paolo

Beono-Brocchieri Memorial Lectures in Japanese

Studies. Università ca' Foscari Venezia 1999.

[lecture 24-I-2000] S.13 - 17 und 23 - 27.14 Vgl. den Brief Krusensterns an Horner vom 23. u.

30.Sept. 1807: ”Grüßen Sie Tilesius, Adelung +

Klaproth.” Alle hier zitierten Briefe Krusensterns an

Horner befinden in der ZBZ (Mappe 135, 1806 -

1808 und Mappe 136, 1808 – 1833).

15 Das Original dieses Briefes befindet sich im Horner-

Nachlass (ZBZ M. 5. 118).

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Frieder SONDERMAN

人間情報学研究 第13巻 2008年3月

mittels eines Forschungsstipendiums des

preußischen Königs - in Paris, dem damaligen

Zentrum der Asienforschung, eine feste Bleibe

zu finden. Die Stelle in St. Petersburg hatte

man ihm im Vorjahr in absentia endgültig

gekündigt.

Sein umfangreiches Lebenswerk, das Zeugnis

seines immensen Fleißes ablegt, hat drei

Schwerpunkte: Sprachstudien zur

Beschreibung und Klassifikation aller, vor

allem asiatischer Sprachen, damit

verbundene Kulturforschungen, und in

Ergänzung zu diesen - last not least -

geographisch-kartographische Studien.

Herr Walravens hat in seinem Vortrag 2005

auch auf die rege antiquarische Tätigkeit

Klaproths hingewiesen. Denn neben der

sicher nicht einträglichen Edierung von

linguistischen Werken und Arbeiten über den

Fernen Osten nach 182816 hat er sich durch

Büchervermittlung ein Zubrot verdient, und

dazu zählten natürlich auch die damals raren

japanischen Werke. Das schließt nicht aus,

dass er sich schon früher intensiv mit Sprache

und Kultur Japans auseinandergesetzt hat.

Aber sein Kollege Abel Remusat war wohl der

kompetentere Japanologe. Die anfangs etwas

schwierige Zusammenarbeit mit Siebold lässt

sich aus der edierten Korrespondenz ersehen.

Sehr selbstbewusst wies Klaproth den

heimgekehrten Arzt Siebold auf die

sprachlichen Schwächen der scheinbar

kompetenten japanischen Dolmetscher hin. 17

B. Zu Horners Leben und Werk18

1774 in Zürich geboren, zum Theologen

ausgebildet, aber dann doch seiner Neigung

zu den exakten Wissenschaften folgend,

begann er 1797 ein zweites Studium in

Göttingen. Schon 1798 wurde er Assistent von

Franz Xaver von Zach auf der damals sehr

berühmten Sternwarte Seeberg bei Gotha,

promovierte und ging dann als

praktizierender Geodät nach Norddeutschland.

Zach schlug ihn für die erste russische

Weltumseglung vor. Er nahm das Angebot an

und war daher von 1803 - 1806 auf Weltreise.

Nach der Rückkehr blieb er 2 Jahre bis zum

Herbst 1808 in St. Petersburg, um dem

Kapitän Adam Johann von Krusenstern bei

der Herausgabe des offiziellen Reiseberichtes

zu helfen. Er selbst lieferte dazu verschiedene

Beiträge im 3. Band. Sein eigener Plan,

erneut in die südliche Hemisphäre zu reisen,

um dort von einer neu zu errichtenden

Sternwarte aus den Sternhimmel zu

katalogisieren, scheiterte an mangelnder

Unterstützung der russischen Regierung.

Daher kehrte er 1809 nach Zürich zurück,

64

16 Zu Arbeiten Klaproths über Japan vgl. den

Überblick bei Walravens LuW S. 62f. und die

Hinweise in seinem Vortrag 2005.

17 Klaproths Briefe an Siebold sind abgedruckt bei

Walravens BmG S. 93 – 110.18 Vgl. zu Horners Biographie die Artikel von Rudolf

Wolf in der Vierteljahresschrift 21 (1876) und 22

(1877) sowie dessen Bericht über Horner in den

Biographien zur Kulturgeschichte der Schweiz.

Zweiter Cyclus (Zürich 1859) S. 353 – 404. Die

Artikel zu Horner in der Publikation von Eva

Maeder und Peter Niederhäuser (Hg.), Von Zürich

nach Kamtschatka. Schweizer im Russischen Reich

(Chronos-Verlag, Zürich 2008) liegen mir noch nicht

vor.

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

wurde Professor der Mathematik am dortigen

Collegium und von 1812 bis 1829 am

Carolinum. Neben seinen Publikationen für

ein physikalisches Lexikon hat er Artikel zu

astronomischen Fragen veröffentlicht und

sich um die Landvermessung der Schweiz

verdient gemacht. Auch in öffentlichen

Ämtern der Stadt war er tätig. Mehr als 70

Vorträge hielt er etwa in der

naturforschenden Gesellschaft von Zürich.

Aus der 1811 geschlossenen ersten Ehe hatte

er zwei ihn überlebende Kinder. Seine Frau

starb allerdings bereits 1822, weshalb er sich

1823 wieder verheiratete.

C. Das Manuskript-Konvolut in der ZBZ (Ms.

M 6. 21)

Als Titel auf dem Umschlagblatt dieser

Mappe findet sich folgende Aufschrift:

"J.C. Horner - Reisen der russischen und

englischen Gesandschaft 1804". Sie enthält

drei verschiedene Texte, die hier der

Einfachkeit halber als [A], [B] und [C]

bezeichnet werden und im Original nicht

vollständig paginiert sind:

[A] Bemerkungen | über die neuesten

Rußischen u: Englischen Gesandschaften |

nach China. | Von J. Klaproth. 19

- (13 S., 2 gefaltete Bll. à 8 Seiten + 2 Bll. à 5

Seiten Text + 3 Leerseiten)

[B] Die Rußische Gesandschaft nach Japan im

J. 1804. | mit ihren nächsten Folgen.

(1 Seite)

Vorläufige Bemerkungen über die

Gesandschaften der Europäer nach dem

Oriente.

(11 1/3 S.)

Die Rußische Gesandschaft in Japan.

(25 S.)

- (insgesamt 39 S., 8 gefaltete Bll à 32 S.,

wobei die 2. S. leer ist, + 2 Bll. à 8 S.)

[C] Unmittelbare Folgen der Rußischen

Gesandschafts= | reise nach Japan.

[über dem Titel mit Bleistift von 3.

Hand: "Vorgelesen d. 16. März.

1818."]

(37 S., 8 Bll. à 32 Seiten + 2 Bll à 5 Seiten

Text + 3 leere Seiten)

Zur Schreiberhand und den Manuskripten:

Es ist nicht die Handschrift Klaproths (auch

nicht beim Teil [A]), sie gleicht derjenigen von

Horner. Sicher ist das Konvolut nicht

einheitlich entstanden, die vielen Einschübe

und Korrekturen sprechen für ein Konzept als

Vorlage für einen Vortrag oder einen

(überarbeiteten) Artikel. An mehreren Stellen

ist offensichtlich ein anderer Schreiber tätig

gewesen.20 Diese Passagen sind sorgfältiger

verfasst oder von einer anderen Vorlage

sauber abgeschrieben worden. Ein paar kurze

Markierungen am Rand von späterer Hand

und in anderem Schreibstil lassen sich

vielleicht als Leser-/Editornotizen erklären.

Aus den handschriftlichen Protokollen der

"Naturforschenden Gesellschaft" in Zürich

ergibt sich, dass Horner dort am 12. Januar

65

19 Der senkrechte Strich ( | ) zeigt den Zeilensprung

an. Vgl. auch den Abdruck dieses Textes im Anhang.

20 So etwa in [C] pag. 12, 13 und 14 bis 16, dann

wieder pag. 22 unten bis 24 oben.

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1818 das Ms. [B] und am 16. März des

gleichen Jahres den Text [C] vorgetragen

hat.21 Ob auch der erste Teil [A] (von

Klaproth) im Zusammenhang mit dieser

Vortragsserie verwendet wurde, ist nicht klar.

Wann und wofür wurden diese Artikel

verfasst?

Es spricht nichts dagegen, die Abfassung

aller Texte auf einen Termin nach dem

Herbst 1817 zu datieren, da die von dem

Engländer William P. Amherst geleitete und

so unglücklich verlaufende englische

Gesandschaftsreise nach China in den Jahren

1816 - Nov. 1817 erwähnt wird.

Das auf weißem Papier geschriebene 13

seitige Ms. [A] über die russische

Gesandtschaft nach China unter Leitung von

Jurij Alex. Golovkin (1805-6) ist von Klaproth

verschiedentlich für Publikationen variiert

worden.22 Zuerst erschien es 1809 in

umfangreicherer Form als Buch23, dann

wieder unter dem Pseudonym "Louis d'Or,

Wilhelm Lauterbach" im Cotta'schen

Morgenblatt Dez. 1825 (Nro. 292-294) in

gekürzter und aktualisierter Form. Es wurde

noch einmal in der Zeitschrift Das Ausland 1

(1828) verwendet. Klaproth brauchte immer

Geld und verschaffte es sich auch durch solche

Journalisten-/Kommentatorentätigkeiten. Im

Jahre 1829 gibt es dann in den Neuen

Allgemeinen Geographischen und Statistischen

Ephemeriden einen Artikel "Ueber den

Handel Russland's mit Schina. Geschrieben

im Jahre 1823 von J. Klaproth".24 Auch

daraus ist ersichtlich, dass Klaproth seine

Manuskripte über Jahre hin ablagerte und sie

bei einer sich bietenden Gelegenheit

auffrischte.

Es könnte sein, daß Klaproth um 1816

Vorträge für preußische Diplomaten

verfasste, um seine vielseitigen Kenntnisse

über Asien und Russland zu demonstrieren

und somit die finanzielle preußische

Unterstützung zu erhalten. Doch bleibt

unklar, wie Klaproths Artikel in den Besitz

von Horner hat gelangen können, da von

diesem keine weiteren Briefe vorliegen.

Darüber hinaus findet sich auch im

Briefwechsel Horners mit Krusenstern kein

Hinweis auf solche fortdauernden Kontakte.

Am 9. Juni 1828 schrieb Krusenstern aus St.

Petersburg (ZBZ M 5. 135): „Ich bin neugierig

zu wissen, wie Klaproth meine Charte von

Japan critisiren wird.” In seinem Artikel

"Ueber den Handel Russland's mit Schina" für

die Neuen Allgemeinen Geographischen und

Statistischen Ephemeriden rechnete Klaproth

mit Krusensterns Plan des direkten Handels

zwischen Sibirien und Russisch-Alaska mit

China und Japan ab: Er gebe nur einer

russischen Handelsniederlassung auf den

Bonin-Inseln oder auf Formosa eine Chance,

diesen Handel mit China durchzuführen, und

66

21 Diese Protokolle befinden sich im “Tagebuch der

Physikalischen Gesellschaft …” im Staatsarchiv

Zürich (ZH B IX 198 Bl. 82f. und 98).22 Vgl. dazu die Ausführungen bei Walravens BuD S.

187.23 Die “neue Ausgabe” von 1817 - lt. Walravens LuW S.

85 Nr. 41a - lag mir nicht vor. Sie könnte die

Vorlage für Horners Abschrift und Bearbeitung sein.

24 Ebd. im 27. Band (1829), 13. (S. 385 - 397) und 14.

St. (S. 417 - 429). Vgl. dazu Walravens LuW S. 124

Nr. 158d.

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verurteile Krusensterns "unbedachtsames

Einlaufen in den Haven von Canton".25 Doch

1834 gab Klaproth ihm ein etwas spätes Lob

für die Landkarte von Japan im Vorwort

seiner neubearbeiteten Übersetzung von Isaac

Titsinghs Nipon o dai itsi ran, ou Annales des

empereurs du Japan. 26

Auch die auf blauem Papier geschriebenen

Mss. [B] und [C] über russisch-asiatische

Kontakte (speziell: die Gesandschaft nach

Japan 1804/5 durch Nikolai Petrovich

Resanov und die Geiselnahme Vasily

Mikhailovich Golovnins 1812-1814) müssen

zwischen Ende 1817 und März 1818

entstanden sein, weil ein weiterer Hinweis

auf den englischen China-Gesandten

Amherst, und zwar im Kommentar von

"einem berühmten Mann" [wohl Napoleon auf

St. Helena] erst nach dem Sommer 1817 in

Europa zirkulieren konnte und somit als

terminus post quem anzusehen ist ([B] pag.

8f.):

"Wir müßen daher das Wort, welches ein

sehr berühmter Mann bey Gelegenheit der

mislungenen Sendung des Lords Amherst

ausgesprochen haben soll: "sein Gesandter

müßte in solchen Fällen auch das

schändlichste sich gefallen laßen, wenn es

zum Zwecke führte," / als einen Ausspruch

jener industriösen Philosophie ansehen,

die Tugend u. Ehre nur als Vehickel ihrer

Absichten schätzt, u. in der Wahl ihrer

Mittel einzig den Zweck als Richter

erkennt."

Berichte über Einzelheiten der Episode von

Golovnins japanischer Gefangenschaft

tauchten schon ab 1814 in deutschen

Zeitschriften auf und auch Krusenstern

berichtete darüber aktuell an Horner.27 Der

erste Band der deutschen Buchausgabe von

Golovnins eigenem Bericht über den Verlauf

seiner Gefangenschaft in Japan erschien 1817

und lag Horner vor.28 Der zweite Band kam

67

25 Ebd. 27. Bd. (1829), 14. St., S. 419.26 Vgl. (http://books.google.com/books?id=18o

NAAAAIAAJ&dq=nipon+o+dai+itsi+ran ) im

Internet und Walravens LuW S. 157ff. Nr. 300.

27 Krusenstern an Horner (S. Petersburg d 1/13 Novbr.

1811): “... Eben ist die traurige Nachricht

eingegangen, dass die auf der Insel Kunashir

etablirten Japaner den Golownin nebst 2 Offiziren +

4 Matrosen ans Land gelockt + sich ihrer bemächtigt

haben als Rache für die schändliche Expedition von

Resanoff wozu er leider ein pr brave Leute verführte

sie auszuführen. Gewiss stellte (?) Golownin ein

Opfer der Japanischen Rache man wird indess alles

versuchen + Menitzkoy soll abgeschickt werden um

durch Geschenke + gute Worte ihre Rückgabe zu

erlangen suchen. Ich habe vorgeschlagen dann über

Nangasaky an die Japanische Regierung zu

schreiben doch wer weiss ob sie noch leben. Dieser

Vorfall hat mir viel Kummer gemacht ...”

Krusenstern an Horner (St. Petersburg d. 21. Dezbr.

1813 A.S.): „Unsere Verhältnisse mit den Japanern

sind wieder hergestellt. Sie haben Golownin frey

gegeben + den 10 Aug. ist die Diana aus

Kamtschatka abgesegelt um ihn abzuholen.

Golownin wird uns viel über Japan sagen können.”

Vgl. auch im Brief von Krusenstern an Horner

(London 2 Oktober 1814): „Vor einigen Tagen habe

ich einen Brief von Golownin bekommen; er ist

glücklich aus der Japanischen Gefangenschaft in

Petersburg angekommen, er lässt mir die

Gerechtigkeit widerfahren, dass er mir

hauptsächlich seine Freiheit zu verdanken hat,

indem ich das unsinnige Project der Rache

vereitelte.”28 Krusenstern an Horner (Sternhoff, den 21 Januar

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

im folgenden Jahr heraus und wird im

Manuskript daher nicht genannt.

Dass man mit Geiselnahmen durchaus Druck

auf Regierungen ausüben kann, hatten die

Japaner 1808 erfahren müssen. Krusenstern

informierte Horner darüber im Dezember

1816, weil diese Episode in die geplante

französische Fassung seines Reiseberichtes

aufgenommen werden sollte29:

… Zu einer frühern Notiz über den Besuch

der Engl. Fregatte Phaeton, Capt. Pellew

in 1808, Sohn des Lord Exmouth ist noch

zuzufügen, dass er nicht unter

Holländischer sondern unter russischer

Fregatte in Nangasaky einlief, worauf

mehrere Japaner + Holländer an Bord

fuhren; die Holländer behielt Pellew

zurück bis man eine gewisse Quantität

Lebensmittel geschenkt hatte, was auch

sogleich geschah um den Geisseln die

Freiheit zu verschaffen. Die Japanische

Regierung höchst entrüstet über dieses

Betragen der Engländer, hat nach

Golowonin Besuch beschlossen sie, wenn

sie sich inskünftige zeigen sollte feindlich

zu behandeln; für den damaligen

Gouverneur von Nangasaky fiel jedoch

dieser Besuch sehr unglücklich aus, indem

er hingerichtet ward. (Ich zweifle daran,

indem Golownin die Jap. Regierung zwar

als sehr streng, aber auch als sehr

gerechtigkeitsliebend beschreibt) Was ich

von dem Versuche der Amerikaner gesagt

habe Japan zu besuchen, ist in so fern zu

bericht[ig]en, dass das Amerikanische von

den Holländern gefrachtete Schiff unter

Holländischer Flagge kam, sobald aber die

Japaner erfuhren, dass das Schiff ein

Amerikanisches, auch die Mannschaft

nicht Holländisch sey, so wurden die schon

ausgeladenen Waren wieder embarquirt +

das Schiff sogleich fortgeschickt. Bey Seite

288 ist zu bemerken dass man auf einem

Holländischen aus Batavia kommenden in

1807 in England aufgebrachten Schiffe /

einen Bericht des H. Doeff gefunden hat,

in welchem er + seine Collegen sich nicht

wenig darauf zu gute thun, dass die

Resanoffsche Gesandschaft durch ihre

diplomatische Künste gescheitert sey.

Diess ist eine unnütze Prahlerey, da

68

1817): „Kotzebue hat das Buch von Rikord übersetzt

+ das MS. schon nach Berlin geschickt. Lassen Sie es

s. gleich kommen; es ist eines der interessantesten

Bücher die je geschrieben sind. Auch Golownins

Reise ist übersetzt." Paul Ricords Erzählung des

Russischen Flott-Capitains Rikord war bereits 1816

auf Russisch erschienen, wurde dann von August

von Kotzebue übersetzt und kam 1817 in Leipzig

heraus. Horner hat bald darauf auch Golovnins

interessanten ersten Reiseteil erhalten, und schrieb

am 13. März 1817 an Krusenstern, dessen Verhalten

scheine ihm „nicht offen genug gewesen zu seyn.

Auch kömmt wohl Leidenschaftlichkeit darin zum

Vorschein. Der arme v. Moor hat wohl aus bloßer

Feigheit u: Angst den Verstand verloren. Ich bin

sehr begierig auf den 2t. Thl. - Man sieht doch aus

den Folgen von Chwastow's Raubzug, was die

sogenannte Dienstmoral, die nicht fragt; ist das, was

mir befohlen wird, an sich recht u: menschlich? - mit

sich bringt. Chwostow war kein böser Mensch, aber

die Lust nach Heldenthaten ließ ihn das

Unrechtliche seines Verfahrens übersehen” (EAA,

Tartu, Krusenstern Font 1414-3-22, Bl.147f.).29 Zitiert nach Krusensterns Originalbrief (Sternhoff, 8

Dezbr. 1816). Die Seitenangaben beziehen sich auf

die deutsche Quartausgabe von Krusensterns

Reisebericht, die im Internet zu finden ist (digitale

Bibliothek der SUB Göttingen)..

Die französische Ausgabe erschien erst 1821 in Paris

– ohne diese Korrekturen.

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Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

Resanofs unkluges Betragen zum

Mislingen der Ambassade hinlängl. Grund

gab, aber es ist doch sehr kleinlich einen

solchen Wunsch zu hegen. Der Handel der

Russen nach Japan konnte für das

Interesse Hollands viel weniger gefährlich

werden, als der zu beginnende Handel der

Russen nach Canton für die Engländer +

doch thaten diese Alles Mögliche, um uns

nützlich zu seyn.30 Welch ein Contrast!

Auch über Broughtons Expedition haben

die Holländer gesucht den Japanern das

grösste Mistrauen einzuflössen.31 Die Note

am Ende des XII Capitels, die Revolution

in Japan betreffend kann ganz

wegbleiben, + statt dessen zu erwähnen,

dass die Gefangenschaft Golownins

wiederum eine Näherung zwischen Japan

+ Russland hervorgebracht hat. (Pag. 69

2ter Band alle Notizen von mir können

auch unter meinem Namen erscheinen)

Nach Golownin nennen die Japaner

Sachalin Karaftu, weil die Ainos von

Sachalin diese Land auch so nennen, nur

den südlichsten Theil nennen sie Tschoka

(ein Name den wir nicht gehört haben).

Erst seitdem Perouse sich an diesen

Küsten zeigte, haben die Japaner eine

Colonie in Aniva angelegt + die Chinesen

bewogen das nämliche am nördlichen

Ende von Sachalin zu thun, aus Furcht,

die Europäer könnten sich daselbst

niederlassen. Pag 72 Zeile 5 von unten

statt: allein sind die Ansprüche der

Japaner ist zu setzen /

und es ist zu hoffen dass diese Rücksicht

hinreichend seyn wird die russische

Regierung von irgend einem Versuche auf

Sachalin abzuhalten; überdem ist es sehr

zu zweifeln, ob die Ainos bey einem

solchen Tausche gewinnen werden, indem

sie von den Japanern mit vieler

Menschlichkeit behandelt werden. Bey der

Note pag 73. ist durchaus anzumerken,

dass Resanoff jene räuberische Expedition

anbefohlen hat, ohne ins geringste dazu

von der Russ. Regierung authorisirt

gewesen zu seyn.

Zu den Manuskripten [B] und [C]

Hierbei handelt es sich um zwei Teile über

Japan in Zusammenhang mit der Rezanov-

Gesandtschaft und deren Folgen für Golovnin.

Weil der erste Teil [A] des Züricher Konvoluts

Klaproth zuzuschreiben ist, liegt die

Vermutung nahe - ohne jedoch bisher eine

Bestätigung durch andere Dokumente zu

finden - dass Horner seine beiden Berichte

unmittelbar daran anschliessen lassen wollte.

69

30 Die Herinneringen uit Japan von Hendrik Doeff

erschienen erst 1833 in Haarlem. Es ist nicht

erkennbar, woher Krusenstern 1816 Doeffs

Meinung kannte.

Krusensterns Kommentar zu dem unter

holländischer Flagge kreuzenden, amerikanischen

Schiff bezieht sich entweder auf einen der Versuche

von Capt. William Robert Stewart (? - 1818) zwischen

1799 und 1803, oder ein anderes späteres Schiff.

Dass kurz vor und nach der "Nadeshda" etliche

ausländische Schiffe in Nagasaki auftauchten,

beweist einmal mehr, wie wenig von einer totalen

Abkapselung Japans in dieser Zeit die Rede sein

kann.31 Kapt. Will. Rob. Broughton's Entdeckungsreise in

das Stille Meer und vorzüglich nach der

Nordostküste von Asien gethan in den Jahren 1795,

1796, 1797 und 1798 : aus dem Englischen”

(Weimar: Verlag d.Landes-Ind.-comt. 1805). Das

Werk liegt digitalisiert in der SUB Göttingen vor.

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

Der Anfang des zweiten Teils [B] scheint mir

der wichtigere zu sein, weil Horner selbst in

Japan war und durch Hinweise von

Krusenstern und anderen Freunden in St.

Petersburg auf ergänzende authentische

Augen- und Ohrenzeugenberichte

zurückgreifen konnte, was den Wert des

Dokuments als Quelle erhöht. Da die Ursache

der Gefangennahme Vasilii Golovnins in den

von Resanov instigierten russischen Attacken

auf japanische Siedlungen in Sachalin und

den südlichen Kurilen im Jahr 1806 und 1807

zu suchen ist, sind die Anfangsseiten des

zweiten Teils auch interessanter als die

Beschreibung des weiteren Verlaufs. Horner

hatte die dafür verantwortlichen Offiziere

Nikolai Alexandrovich Chwostov und Gawrila

Iwanovich Dawidov vor der fatalen

"Strafexpedition" im Kamtschatka

kennengelernt und war durch Krusenstern

über ihr weiteres Schicksal und trauriges

Ende im Spätherbst 1809 unterrichtet. 32

Besonders pikant ist die vernichtende

Bewertung von Resanov, weil allen direkt an

der Weltumseglung Beteiligten nach der

Heimkehr 1806, und dann auch über den Tod

des Gesandten Resanov im Jahr 1807 hinaus,

Redeverbot auferlegt worden war. Deshalb

finden sich sowohl in Krusensterns offiziellem

als auch in Langsdorffs halb-offiziellem

Reisebericht keine direkten Werturteile zum

Gesandten und der gescheiterten Mission. Ein

Teil der Informationen in [B] stammt von

Krusenstern, der sich die Möglichkeit der

indirekten Rechtfertigung zu verschaffen

suchte, was ihm in Russland aufgrund seiner

Position ganz unmöglich war. Immerhin hat

er Horner Materialien zu einer solchen

unzensierten Version versprochen. 33

70

32 Krusenstern an Horner (S. Petersburg d. 15 Novbr.

1809): “Chwostoff + Dawidoff haben ein

unglaubliches Schicksal gehabt. Sie sind in der

Newa ertrunken.”

Krusenstern an Horner (S. Pet. 20 Aug. 1813): “...

auch habe ich auf Adelungs Wunsche + meinem

eigenen Versprechen gemäss, einige Sammlungen

von Asiatischen und amerikanischen Sprachen

drucken lassen, und in der Vorrede manches über

Dawidoffs Verdienste gesagt.”

33 Vgl. Krusenstern an Horner (S. Petersburg 15/27

Novbr. 1810): “ Mein theuerster Freund!

Ich benutze die Gelegenheit von Klaproths Abreise

nach Berlin, Ihnen zu schreiben.

... In Ihrem Briefe vom 12 August schreiben Sie mir

bey Gelegenheit der Koscheleffs daß Sie einen

Auszug meiner Reise ausarbeiten werden. Es sollte

mich sehr freuen wenn Sie sich zu dieser Arbeit

entschließen würden. Sie können noch sehr wichtige

Supplements liefern. Ich muß gestehen, ich habe

mehrere Ursachen dies zu wünschen, weil es so viele

Dinge unsere Reise betreffend giebt, die ich nicht

habe erwähnen wollen + die doch verdienen bekannt

gemacht zu werden; nicht so sehr des jetzigen

Zeitpunkts wegen, sondern der Zukunft wegen;

manches wird nach 20 - 30 Jahren sehr falsch

ausgelegt werden, wenn nicht authentische Quellen

zur Widerlegung existiren. Ich liefere Ihnen

vielleicht mit der Zeit einige Daten dazu.”

- Kr. an H. (S. Petersburg d 13/25 Januar 1811): “...

Ich freue mich gewaltig darüber, dass Sie etwas über

unsere Reise wollen drucken lassen. Ich hatte schon

einen Bogen + mehr für Sie aufgesetzt, manches

Detail unsere Expedition betreffend, allein diese

faits, die freilich nach 50 oder 100 Jahren, (wenn bis

dahin ganz Europa nicht ein Kalmuken Land

geworden ist), Interesse haben werden, könnten dem

Kaiser unangenehm seyn, und ich habe eine zu

grosse Veneration für seine, einem Souverain +

Autocraten so sehr seltene Güte des Herzens, dass

ich es für besser halte, diese Dinge ganz der

Vergessenheit zu übergeben, um so mehr da doch

alles ein gutes Ende genommen hat.”

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Meines Wissens hat Horner als erster im

März 1813 in einem kurz darauf

veröffentlichten Gespräch mit Georg

Christoph Bernhard Depping (1784 - 1853)

eindeutig auf die alleinige Schuld Resanovs

an der verunglückten Mission nach Japan

hingewiesen.

Man kann den französischen Artikel von

Depping in den Annales des Voyages, de la

Géographie et de l'Histoire (1813) finden.34 Er

ist bislang in der Forschung nicht beachtet

worden und soll daher ausführlich zitiert

werden. Weil das Original frei im Internet

verfügbar ist, wird hier nur meine deutsche

Übersetzung wiedergegeben:

Als ich vor einiger Zeit Zürich durchreiste, hatte

ich das Vergnügen, von Herrn Hofrath Prof.

Horner Einzelheiten über die Weltreise der

Russen in den Jahren 1803, 4, 5 und 6 zu

vernehmen, die jetzt durch die interessante

Mitteilung des Kapitäns Herrn von Krusenstern

bekannt wurde. Herrn Horner, der an der

Expedition in seiner Funktion als Astronom

teilnahm, bestätigte all das, was Herrn von

Krusenstern in seinem einfachen und

bescheidenen Stil über diese Reise gesagt hat;

aber er gab mir gleichzeitig verschiedene

Aufklärungen über diverse Punkte, bei denen es

der Kapitän dabei beließ sie nur flüchtig

durchblicken zu lassen, aus Gründen, die seinem

Charakter die größte Ehre einlegen. Ich hege

keinen Zweifel an der Wahrheit dieser Aussagen,

da sie mir zudem durch einen anderen

Expeditionsteilnehmer35 bestätigt wurden. Ich

habe sie weniger verändert, um bloßzustellen oder

das Verhalten verschiedener Personen zu loben,

als um Anlaß zu brauchbaren Bemerkungen zu

geben. Durch das Aufzeigen der Gründe für den

Mißerfolg dieser russischen Expedition kann man

die edle Absicht der Hoheit, die sie befahl, nicht

verkennen.

Der erste Fehler, den die russische Regierung

beim Auftrag einer Erdumseglung beging, bestand

darin, dieses große Unterfangen mit kleinlichen

Zusätzen zu verbinden, unter anderen die Absicht,

Handelsbeziehungen mit Japan anzuknüpfen. Die

Wissenschaft und der Handel, sobald man sie im

Gleichschritt marschieren läßt, behindern sich oft,

und manchmal blockieren sich sogar. Eben dies

mußte auch bei der russischen Expedition

geschehen. Die Gesandschaft nach Japan ward

dem Herrn von Resanoff anvertraut, der vom

Handlungsgehilfen unter der Regierung von Paul

zum Rang des Kammerherrn aufgestiegen war.

Dieser Mensch, dem genau all das mangelte, was

einem königlichen Beauftragten zukommt, hatte

seine Sonderinteressen: als Besitzer einer großen

Anzahl von Aktien der Amerikanischen

Compagnie und in der Hoffnung, seine eigenen

Geschäfte während dieser Reise erledigen zu

können, setzte er seine Reisegefährten

weitestgehend unter Druck, so schnell wie möglich

in den russischen Niederlassungen anzukommen.

Anfangs sehr leutselig und voller Respekt für den

Kapitän, beleidigte er nach Reiseantritt

jedermann mit seiner Hoffarth und seinen

anmaßenden Manieren. Bei der Ankunft in

Brasilien legte er sich mit Kapitän und Offizieren

71

34 Der Artikel erschien in den Annales des voyages…

Bd 21 (1813) S. 263 – 268 mit dem Titel

"Quelques éclaircissemens sur le Voyage des Russes

autour du Monde, communiqués par M. Horner à M.

Depping." Man sehe die digitale Internet-Version bei

den “Gallica” der Bibliothèque Nationale

( h t t p : / / g a l l i c a . b n f . f r / s c r i p t s / c a t a l o g .

php?IdentPerio=NP00702).

35 Hierbei könnte er sich auf Aussagen vom 1.

Steuermann der “Nadeshda”, Makary Ivanovich

Ratmanov, über die Weltumseglung (mit vielen

Kommentaren gegen Resanov) beziehen, die sich

auch als russisches Manuskript in der Bibliotheque

Nationale, Handschriften-Abt., Slawische Mss.

103(1) befinden. Der Text wird wohl in naher

Zukunft in Russland ediert.

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an. Er sprach von der Vollmacht, mit der er

ausgestattet sei, und zog schließlich zum großen

Erstaunen aller Welt eine vom Kaiser selbst

unterzeichnete Instruktion aus seiner Tasche, eine

Instruktion, die ihm die Aufsicht über die ganze

Expedition zusprach. Herr von Krusenstern,

dessen Instruktion nur durch den Minister

unterzeichnet war, war also verpflichtet, sich den

Befehlen eines Mannes zu unterwerfen, den er

nicht wertschätzen konnte. Während der

Überfahrt wurde er mit Abscheu überschüttet,

und obgleich er einen sehr sanften und geduldigen

Charakter hatte, schien ihm seine Stellung

dennoch unerträglich.

Sobald man in Kamtschatka angekommen war,

beeilte sich Herr von Resanoff dem Gouverneur

dieser Provinz einen Brief zu schreiben, dass er

mit Aufrührern und Banditen angekommen sei,

dass er ihn bäte, mit 60 Personen zu erscheinen,

um die Ordnung auf dem Schiffe

wiederherzustellen. Nach Verlauf einer kurzen

Zeit erschien jener, wurde mit Geschenken des

Gesandten überschüttet, der sich seiner Sache so

sicher schien, dass er immer arroganter wurde.

Eines Tages erlaubte er sich, den guten Kapitän

mit Beleidigungen zu überhäufen, wohl in der

Hoffnung, dass die Reaktion des Kapitäns ihm

dessen Absetzung gestatten würde. Der Kapitän

antwortete darauf mit keinem Wort; aber als Herr

von Resanoff geendigt hatte, sprach er mit sehr

ruhiger Stimme, dass es ihm nach einer solchen

Szene seine Ehre nicht erlauben würde, seinen

Dienst fortzusetzen, dass er darauf rechne, nach

Russland zurückzukehren und man ihm das

Kommando über das Schiff abnehmen werde. Der

edle und beeindruckende Ton, mit dem er seine

Entscheidung zum Ausdruck brachte, machte auf

den Gesandten einen sehr großen Eindruck. Die

Verurteilung seines eigenen und Bestätigung des

Verhaltens vom Kapitän durch den Hof

voraussehend, änderte er nun schlagartig seine

Sprache, bat Herrn von Krusenstern um seinen

Verbleib im Dienst, klagte sich selbst an,

versprach an den Hof zu schreiben, um den

Kapitän zu rechtfertigen, versprach seine

Unterschrift unter ein Schreiben, durch das er

sich verpflichte, den Kapitän und die Mannschaft

in keiner Weise weiter zu quälen. Nach einer

derartigen, wenig ehrenhaften Kapitulation von

Seiten Herrn von Resanoffs wurde beschlossen,

die Reise gemeinsam fortzusetzen, und

unverzüglich nach Japan aufzubrechen, wo Herr

von Resanoff seine diplomatische Ader anwenden

sollte. In den Mitteilungen von H.v. Krusenstern

kann man den erniedrigenden Empfang der

russischen Gesandschaft in Japan nachlesen. Aber

der Kapitän übergeht gnädig mit Schweigen, dass

dessen knabenhaftes Verhalten viel zur schlechten

Aufnahme der Russen durch die Japaner beitrug.

Indem er den Lord Macartney nachmachen wollte,

der in China mit einem Anhang von 60 englischen

Adeligen angekommen war, ließ sich H.v. Resanoff

durch den Gouvernör von Kamtschatka 7 Männer

und einer Trommler geben, die ihm als Garde

während seiner Gesandschaft dienen sollten.

Diese acht Soldaten aus Kamtschatka, unmöglich

gekleidet, wurde das Objekt japanischen Spottes.

Als nach langen Verhandlungen der russische

Gesandte endlich die Erlaubnis zum Anlanden

erhielt, wollte er sich durch diese lachhafte Garde

eskortieren lassen. Da die Japaner bisher niemals,

wie H.v. Krusenstern bemerkt, den Holländern

erlaubt hatten, ihre Degen zu behalten, fanden sie

es sehr schlecht, dass der Gesandte einer fremden

Macht bei ihnen mit einer bewaffneten Armee

auftauchte. Die Regierungsdolmetscher hielten

ihm vor, ein derartiger Auftritt verstoße gegen die

Landessitten, und dass das Volk selbst sich

empören würde, ausländische Soldaten

auftauchen zu sehen. Sie brachten ihn schließlich

dahin, wenigstens auf die Hälfte seiner Garde zu

verzichten; aber H.v. Resanoff bestand darauf,

dass es ihm gestattet würde, mit seinen sieben

Soldaten und dem Tambour zu erscheinen. Man

machte Einwände, man erbat sich Zeit,

wahrscheinlich sandten die Japaner einen Kurier

nach Jedo, wie sie es selbst für die geringsten

Dinge zu tun pflegten. Und so verging mehr als

ein Monat, bevor überhaupt vom Empfang des

Gesandten gesprochen wurde.

Dieser schien sogar seinen eigenen Interessen

zuwider zu arbeiten: er bedrohte die Übersetzer,

72

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und tat so, als ob er sich über sie belustige. Er

legte eine unbedachte und unangebrachte Art an

den Tag, so dass man ohne seine Uniform nicht

seine Rang erkannt hätte. Man sah ihn oft in

diesem Aufzug mit seinen Offizieren ein

volkstümliches Spiel namens swejky spielen;

jedoch sobald man die Dolmetscher ankündigte,

verließ er sofort den Innenhof, flüchtete in seine

Kammer, warf sich dort auf ein Sofa und spielte

den Kranken. Als er auf seinem Empfang bestand,

und die Dolmetscher antworteten, dass die

Befehle des Hofes noch nicht angekommen seien,

prahlte er mit der russischen Regierung, sprach

von den Freiheiten, die er dort geniesse, von dem

ehrenwerten Empfang, den man dort auswärtigen

Gesandten zukommen lasse, von den

Unglücksfällen einer despotischen Regierung,

usw.

Die Dolmetscher reagierten darauf mit Spott.

Einer von ihnen sagte auf Holländisch, mit einer

witzelnden Art: Japan, kleines Land, kleine

Manieren.

Als er kurzzeitig krank war, sandte er die

Schiffsärzte zurück und verlangte einen

japanischen Arzt. Man entgegnete ihm, dass zuvor

das schriftliche Einverständnis der russischen

Ärzte vorzulegen sei. H.v. Resanoff errötete nicht,

sich auf eine solch erniedrigende Bedingung

einzulassen. Aber als der japanische Arzt als erste

Medizin die Moxa vorschlug, bekam er Angst, und

kehrte zu den russischen Ärzten zurück. Einer der

Dolmetscher sagte ihm eines Tages: In Ihrem

Russland ist alles anders als bei uns. Wenn einer

unserer Prinzen einem anderen einen Gesandten

zuschickt, wählt er gewöhnlich den geistreichsten

aus. Andere sagten ihm, dass er ein zu großer

Herr sei, als dass man ihn nach gewöhnlicher Art

empfangen könne; es sei wohl nötig, dass der Hof

alle Adeligen für die Empfangsfeierlichkeit

versammle und dass man das Volk vom Weg

fernhalte, da es nicht wert sei, ihn zu sehen.

Während der russische Gesandte diese großen

Ehrungen erwartete, mußte er monatelang in

Megasaki warten, in einer kleinen von

Bambuszäunen umgebenen Enklave, von

japanischen Offizieren und Soldaten bewacht. Es

war den Russen verboten, diesen Freiraum zu

verlassen. Dennoch spazierte eines Tages H.v.

Resanoff in Uniform über einen kleines

angrenzendes Anwesen und zeigte sich der vor

dem Verschlag versammelten Bevölkerung. Aus

Respekt vor seinem Rang sagten die Offiziere

nichts, aber sie berichteten darüber an den Hof,

der 100 Lieues (Meilen) entfernt war, und es

wurde den Russen aufgetragen, die Befehle der

Regierung doch nicht zu übertreten.

Es war dem russischen Gesandten auch ärgerlich,

dass die Aufträge der amerikanischen Compagnie

an den holländischen Faktor in Japan überhaupt

nicht angenommen wurden. Der Faktor, ein sehr

vorsichtiger Mann, antwortete, dass er es nicht

verantworten könne, so hohe Summen

auszuzahlen, wenn sie nicht zuvor von der

Muttergesellschaft in Batavia akzeptiert worden

seien.

Die Russen wurden zu Recht ungeduldig, sechs

Monate in einem wahrhaften Gefängnis an der

japanischen Küste zu verweilen und fortwährend

neue Erniedrigungen zu erleiden. Unter der

Schiffsbesatzung war ein gewisser Alexander. Die

Japaner zeigten sich überrascht, dass ein Diener

den gleichen Namen wie sein Landesherr trage,

wohingegen es die Japaner nicht einmal wagten,

sich nach dem Namen ihres Herrrschers zu

erkundigen. Einige Zeit vorher hatte der russische

Kaiser einen Brief an denjenigen von Japan

geschrieben, der von japanischen Seeleuten, die

ein Schiffbruch an die Ufer Sibiriens gespült

hatte, übersetzt worden war. Das Schriftstück,

wahrscheinlich in einem Stil geschrieben, den die

Schiffer der Rhone oder die Ruderer der Seine

sprechen, war sowohl ein Objekt der Entrüstung

als auch des Spottes der Japaner geworden. Sie

bewahrten es als eine Kuriosität auf, und ließen

H.v. Resanoff wissen, dass sie nicht begreifen

könnten, wie ein russischer Kaiser es wagen

könne, an den Kaiser von Japan zu schreiben,

wenn man bedenke, dass niemand ohne Erlaubnis

an ihren Kaiser schreibe.

Nach sechs Monaten schließlich wurde der

Gesandte in Rangosaki [!] von einem japanischen

Würdenträger empfangen und erhielt im

73

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

Gegenzug den Besuch der städtischen Offiziellen.

Als die Russen nach diesen sinnlosen Zeremonien

ihre Bemühungen als vergeblich erkannten,

beeilten sie sich, ihre Reise fortzusetzen. Die

Japaner statteten sie mit allem aus, was sie an

Proviant benötigten, ja sie gaben ihnen Vorräte

für mehrere Monate mit: sie ließen auch allen

Offizieren und Matrosen Seidenwattegeschenke

übergeben. Nur der Gesandte erhielt davon nichts.

Man ließ ihn wissen, dass er ein zu großer Herr

sei, als dass man ihm solche Kleinigkeiten

schenken könne. Der älteste Dolmetscher wollte

H.v. Krusenstern ein Kompliment machen, da

dieser die Wertschätzung aller erhalten hatte, und

ließ daher sein Wappen in Gold auf eine

japanische Lackdose malen, die er ihm zum

Abschied anbot. Der Kapitän weigerte sich, dieses

Geschenk anzunehmen, vielleicht aus

übertriebenem Feingefühl, obwohl der

Dolmetscher seinerseits von ihm ein Andenken

erhielt. Der Dolmetscher versicherte ihm, dass es

ihm verboten sei, öffentlich Geschenke zu

empfangen, so etwas sei nur unter größter

Geheimhaltung möglich. H.v. Krusenstern

antwortete, dass er sich zu solcher

Geheimniskrämerei nicht herlassen könne und

daher dem Dolmetscher für sein Geschenk nur

danke. Der Alte nahm es mit Schmerzenstränen

wieder zurück.

Der Kapitän hat Grund in seinem Bericht

festzustellen, dass Russland, weit entfernt davon,

durch diese Gesandtschaft neue Handelsvorteile

zu erlangen, die es schon durch den einfachen

Bürger Herrn Laxman 14 Jahre früher erhalten

hatte, sogar diese nun verlor und dass die

Beziehungen zwischen Russland und Japan

vielleicht dadurch für ein weiteres Jahrhundert

unterbrochen seien. H.v. Resanoff hat auf eine

Weise Rache an den Japanern genommen, an die

diese sich noch lange erinnern werden. Sei es, dass

er Befehle dazu empfangen hat, sei es, dass er

eigenmächtig handelte, nach seiner Rückkehr

nach Kamtschatka ließ er eine japanische

Siedlung auf einer der Kurileninseln zerstören.

Die Japaner ihrerseits zerstörten eine russische

Siedlung und entführten die dort vorhandenen 30

Menschen. Man hat von ihnen bisher keine

Nachricht. Vielleicht sind diese Unglücklichen

unter den schrecklichsten Foltern umgekommen.

H.v. Resanoff verließ die Flotte in Kamtschatka

und starb kurz darauf in Sibirien.

In China riefen die Russen dieselbe Abwehr wie in

Japan hervor. Als die Chinesen einerseits H.v.

Krusenstern und andererseits H. von Golofkin

eintreffen sahen, erwachten bei ihnen Zweifel über

die wahren Absichten der Russen, weshalb sie

durch ihren Dolmetscher nach Petersburg

schreiben ließen: Tu, senatus, multum stultè

fecisti, quòd sine permissione deputationem ad nos

misisti.

["Du Senat hast es sehr dumm angestellt, dass du

ohne Erlaubnis eine Delegation an uns gesandt

hast."] 36

Im Nachlass Horners in der ZBZ gibt es

verschiedene Briefe, die sich auf die nicht

authorisierte Veröffentlichung dieser

Unterhaltung mit Depping beziehen:

- ein Briefkonzept von Horner an den

Herausgeber der Annales Malte-Brun vom 10.

Sept. 1813, in dem Horner sich gegen die

Publikation - zumal unter seinem Namen –

verwahrt (ZBZ M 7.15c).

- eine beruhigende Wertung dieser Affäre

durch Horners Jugendfreund J.G. Hess aus

Genf vom 22. Sept. 1813 (ZBZ Ms M. 5.46).

74

36 Eine Variante dieses lateinischen Zitats am Ende

findet sich schon in dem 1809 publizierten Bericht

Klaproths, dort allerdings von der chinesischen

Regierung auf Krusensterns Handelsabsichten in

Canton gemünzt und deshalb mit der Variante: " ...

multum stulte fecisti quod naves illes sine

permissione nostra missisti etc." versehen, was für

die hier beschriebene über Land anreisende

Handelsdelegation von Golovkin keinen Sinn

ergäbe.

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

Journal of Human Informatics Vol.13 March,2008

- ein undatiertes unverbindliches

Entschuldigungsschreiben des Herausgebers

in Paris (ZBZ Ms M 5.70).

- eine förmliche Entschuldigung von Depping

vom 21. October 1813, der sich nicht

verantwortlich für die redaktionelle

Bearbeitung fühlte (ZBZ Ms M 5.17).

Aus der sofortigen und massiven

Einspruchnahme Horners bei Redakteur und

Journalist ist ersichtlich, wie beunruhigend

und peinlich ihm die veröffentlichte Kritik an

der russischen Regierung als Empfänger einer

russischen Staatsrente sein musste. Natürlich

kann man unterstellen, dass Horner die

Ansichten von Klaproth an Depping

weitergibt, weil Versatzstücke aus dessen

Text von 1809 enthalten sind. Doch Klaproths

Einschätzung von Resanov fußt sicherlich auf

Aussagen der Reiseteilnehmer, die sich mit

Horners Auffassung decken. Was 1813,

mitten im Krieg Napoleons gegen Russland,

in einem weitverbreiteten französischen

Journal zu lesen war, hatte natürlich ein ganz

anderes Gewicht als die späteren Vorträge

Horners von 1818 im elitären Kreis

gleichgesinnter Kollegen in Zürich.

Die Kompetenzstreitigkeiten über die

Oberaufsicht der Expedition nach Japan

zwischen Krusenstern und Resanov jedenfalls

hatte Wilhelm Gottlieb Tilesius schon 1805

(also während der Expedition!) publik werden

lassen.37 Für seine Loyalität zum Kapitain

wurde der Naturforscher dann zur Zielscheibe

vieler Repressalien durch Resanov.

Horners Urteile über Resanov (nach Ms. [B] und

[C])

Der russische Gesandte Resanov wird in der

Historiographie kontrovers beurteilt.

Manchen (nicht nur russischen) Historikern

ist er noch heute ein positiver "Visionär",

während ihn die meisten Reisegefährten fast

einhellig als macht- und geldgierigen,

konfusen wie auch psychopathischen

Intriganten einstuften. 38

Hier sollen nur einige Passagen aus dem an

anderem Ort39 vollständig abgedruckten

Vortragsmanuskript vorgestellt werden, um

Horners Stil und Tendenz zu veranschaulichen.

75

37 Vgl. den “Auszug eines Briefs des Hrn. Hofr.

Tilesius an Hrn. Professor Rosenmüller in Leipzig”

in Voigt's Magazin für den neuesten Zustand der

Naturkunde 1805, IX. Bdes. 5. St. (Mai 1805), S.

438-440, wo es S. 439 zum Streit um die Kompetenz

heisst: "Unser Gesandter hat erst in Teneriffe einen

Befehl vom Kaiser bekannt gemacht, in welchem er

für den Oberbefehlshaber beider Schiffe autorisirt

ist. Vorher glaubte man in dem Kapit. von

Krusenstern, dem Schöpfer des ganzen Reiseplans,

den alleinigen Oberbefehlshaber zu besitzen." 38 Vgl. die negativen Aussagen über Resanov in

meinem Artikel “Zeitgenössische Urteile über

Nikolai Petrovich Resanov (1764-1807)”. In: Ronbun

shu - chishi toshite no ryokô-ki: "Wakamiya-maru" to

"Nadeshda-go" no kiroku. Sendai: Sendai shimin

kokusai kôryû jigyô jikkô iinkai. Heisei 14 (2000

Juli), pp. 52-85. Vgl. auch die japanische

Übersetzung von Resanovs Tagebuch bezüglich

Japans, in denen Mikio Ôshimas Kommentar auch

japanische zeitgenössische Quellen eingearbeitet hat

Nihon taisai nikki - Rezanov (Tokyo: Iwanami 2000)

nach der russischen Edition Komandor (Krasnojarsk

1995). Allzu positiv klingt Resanovs Bewertung

etwa in: http://en.wikipedia.org/wiki/Nikolai_

Rezanov.

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Frieder SONDERMAN

人間情報学研究 第13巻 2008年3月

([B] pag. 22) Wenn in Absicht auf äussere

Anordnung nichts gespart wurde, was der

Gesandtschaft einen günstigen Erfolg

zusichern konnte, so scheint man dagegen

an einem sehr wesentlichen Theile

weniger bedenklich gewesen zu seyn: in

der Wahl des Gesandten selbst. So

wahrscheinlich es ist, daß die Japanische

Regierung bey der Frage über die

Annahme oder Abweisung der

Gesandtschaft sich durch allgemein

politische Ansichten habe leiten lassen, so

läßt sich dagegen auch von ihrer

Beständigkeit in gefaßten Beschlüßen

erwarten, daß sie, wenn sie auch keine

neuen Verhältniße eingehen wollten, doch

wenigstens die früher ertheilten

Vergünstigungen nicht zurückgenommen

haben würden, hätte nicht das Betragen

des Gesandten ihnen zu neuen Bedenken

Gelegenheit gegeben. Resanof (so hieß der

Gesandte) war ein Mann von gutem Kopf,

dem es dabey weder an Geschmeidigkeit

noch List mangelte; er hatte vielmehr

starken Hang zur Intrigue, u:. war reich

an neuen Wendungen: auch besaß er die

Gabe des Sprechens in besonderm Grade.

Aber es fehlten ihm zwey wesentliche

Eigenschaften: Geradheit und geistige

Ausbildung. Sein, (man darf es [...]

(23) laut sagen) höchst unredliches und

ungerechtes Benehmen gegen

Krusenstern, ist ein beklagenswerther

Beweis seines verkehrten Gemüthes; u.

daß er auch in Absicht auf

wißenschaftliche Cultur ganz versäumt

gewesen sey, davon zeugte seine

Gleichgültigkeit gegen die Bemühungen

der die Reise begleitenden Gelehrten,

denen er jede Unterstützung ihrer Zwecke

versagte, sein sichtbarer Mangel

allgemeinen Schicklichkeitsgefühl, seine

unpsychologischen Misgriffe in

Behandlung fremder Persohnen, am

auffallendsten aber seine eigenen

Äusserungen u Fragen. *) Daß es einem

solchen Manne dabey noch an einem

Hauptvorzug eines Gesandten, an der

Gabe sich Achtung zu erwerben,

gebrechen mußte, folgt aus dem eben

Angeführten. Sein Äußeres kam ihm

dabey wenig zu statten: Er war etwas

unter der mittleren Statur, von gelblicher

Gesichtsfarbe, pockennarbig, mit einer

vorhängenden Nase u: kleinen Augen; in

der Kleidung nachlässig, in der Wäsche

unreinlich. In seinem Benehmen

[Gestrichen: wußte er selten die

Mittelstraße des Schicklichen zu treffen.]_______

*) Er sprach u: schrieb das Französische

mit ordentlicher, das Rußische mit

vorzüglicher Fertigkeit; aber er scheute

sich nicht, als er einst den Versuch

machte, aus Cooks Reisen etwas zu

übersetzen, in allem Ernste nach der

eigentlichen Bedeutung von alltäglichen

Wörtern, wie z.B. solid, compact u: dgl. zu

fragen.

(24) gegen andere verstand er nicht,

Würde mit Freundlichkeit zu vereinigen:

seine Popularität artete in Gemeinheit,

seine Gravität in Übermuth aus. Es ist

76

39 Vgl. meine Artikel in Tohoku Gakuin Ronshu Nr.

149 (2008, S.1-26) und voraussichtlich Nr. 150

(2008).

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keinem Zweifel unterworfen, daß eine

sorgfältigere Ausbildung seiner Anlagen

einen durch Geist und Character

Achtenswerten Mann aus ihm hätte

machen können; denn es fehlte ihm weder

an Talenten u: Fleiß, noch an Gut-

müthigkeit, und wenn seine Reise-

gefährten sich zwar seiner Güte nicht eben

zu rühmen haben, so dürfen sie doch eine

oft damit verwandte Eigenschaft,

die Characterschwäche nicht unbemerkt

laßen, ohne welche ihnen seine

leidenschaftlichen Entwürfe viel

verderblicher geworden wären.

Daß ein solcher Mann zu einem Geschäfte,

bey welchem es mehr auf Geraden Sinn u:

Rechtschaffenheit, als auf List und

Intrigue ankam, nicht geeignet war, fällt

in die Augen, und gewiß hätten die

trefflichen u: wohlgesinnten Persohnen,

denen die Leitung der Krusensternschen

Expedition übertragen war, sich wohl

gehütet, ihm jenen Auftrag zu ertheilen,

wenn sie ihn genauer gekannt oder nur

einen Theil der Unziemlichkeiten

vorausgesehen hätten, durch welche er

sowohl jener Reise überhaupt, als auch

dem Zwecke seiner Sendung so hinderlich

wurde.

Und zum Misserfolg der Gesandschaft,

rhetorisch ebenso brilliant antithetisch von

Horner formuliert ([B], pag. 39):

So hatte man denn durch diese

Gesandschaft statt neue Vortheile zu

gewinnen, noch diejenigen verloren, die

eine weit unbedeut[end]ere Sendung

erworben hatte. Betrachtet man das

Benehmen der Japaner mit unbefangenem

Blicke, so wird man einsehen, daß sie nur

ihrer Politik u: den bestehenden Gesetzen

gemäß gehandelt haben, u: daß die

Unannehmlichkeiten, denen die

Gesandschaft durch die Verzögerung der

Antwort ausgesetzt war, hauptsächlich in

der schwierigen Lage des Befehlshabers

von Nangasaki ihren Grund hatten; man

wird aber in eben dieser Verzögerung der

Entscheidung die günstige Stimmung

wahrnehmen, welche einen Theil des

Japanischen Staatsrathes zu einer nähern

Verbindung mit den Rußen geneigt

machte, so wie dieses schon damals aus

einigen Äußerungen der Dollmetscher u:

später durch unzweifelhafte Berichte kund

geworden ist. Es ist daher wahrscheinlich,

daß man die Sache, indem man sie zu gut

machen wollte, verschlimmert habe, u:

daß eine kleinere Sendung u: von einem

vorsichtigeren Chef geleitet, sehr leicht

einen ungleich günstigeren Erfolg gehabt

haben würde.40

Auch taucht in Horners Vortrag Enttäuschung

über Langsdorffs opportunistisches Verhalten

auf, der sich 1805 auf Resanovs Seite

geschlagen hatte, um Alaska und die NW-

Küste von Amerika kennenzulernen ([C], pag.

6f.):

77

40 Über die auch von Golovnin geteilte Ansicht, dass

Resanov für das Scheitern der Gesandtschaft

verantwortlich zu machen sei, vergleiche man etwa

in der Studie von Norbert R. Adami Eine schwierige

Nachbarschaft - Die Geschichte der russisch-

japanischen Beziehungen (München: iudicium 1990,

S. 91) die Verweise auf die englische Übersetzung

von Krusensterns Reisebeschreibung a.d.J. 1813

und auf einen französischen Artikel von Wilhelm

Lagus aus dem Jahr 1876.

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

Die Sorge für seinen Leib bewog ihn [=

Resanov], den Dr. Langsdorf, der als

Naturforscher die Krusensternsche

Expedition begleitet hatte, als Artzt

mitzunehmen, und dieser, den unbegreiflicher

Weise, alles bisher Gesehene über den

Charakter des Gesandten noch nicht

hinreichend hatte enttäuschen können,

ließ sich durch den Reitz neuer

Forschungen in einem noch von keinem

Naturforscher untersuchten Lande, u:

durch die Vorspiegelung der thätigsten

Unterstützung seiner Endzwecke, gegen

den einstimmigen Rath

(7) seiner Freunde zu einer Zusage

verleiten, die ihm nachher bittere Reue, u:

nach seinem eigenen Geständniß den

Verlust eines kostbaren in mühseliger

Unthätigkeit verlebten Jahres brachte.

In dem am 16. März 1818 vorgetragenen

letzten Teil sagt Horner weiterhin, die schon

vorher geäußerten Anschuldigungen

zusammenfassend und punktuell vertiefend

([C], pag. 8 - 10):

Unter den Fehlern, die Gemüthern seiner

Art anzukleben pflegen, waren Stolz u:

Rachsucht bey ihm nicht die geringsten.

Beweise davon hatten seine Begleiter

schon in Japan von Zeit zu Zeit erfahren.

Nachdem er bey dem ersten Aufenthalt in

Kamtschatka gerade vor der Gesandt-

schaftsreise

(9) durch Umstände, in die seine eigene

Ungerechtigkeit ihn verstrickt hatte,

genöthigt worden war, seine

Usurpazionen der obersten

Befehlshaberschaft aufzugeben, schien er

nur auf Gelegenheit zu warten, diese

Demüthigung an der Gegenparthey zu

vergelten. Sein äußeres Benehmen war

das wahre Barometer von dem beßern

oder schlechtern Fortgang seiner

Unterhandlungen mit den Japanern: nach

einer ungünstigen Conferenz war er

geschmeidig u: höflich, so wie er aber

Hoffnung hatte, bey Japanern wieder

einen Vorschritt zu machen, bezeigte er

sich übermüthig u: auffahrend. Bey

solcher Gelegenheit suchte er besonders

an dem verdienten Naturforscher Tilesius,

dem er wegen seiner offenen

Anhänglichkeit an die gerechte Sache

Krusensterns übel wollte, sein Müthchen

zu kühlen. Wirklich gieng er einmal

soweit, diesen friedfertigen Mann,

nachdem er ihn durch beleidigende Worte

zum Widersprechen gereitzt hatte,

arretieren zu wollen. Er hatte um so

weniger Bedenken, Szenen dieser Art zu

veranlasen [!], da sie ihm dazu dienen

konnten, nöthigenfalls in dem

Respecktwidrigen Betragen seiner

Begleiter eine Schuld des schlechten

Erfolgs der Gesandtschaft zu finden. Die

Vorsicht, die hierinn gegen ihn beobachtet

wurde, seine nachher erfolgte Trennung

von seinen Schiffsgefährten, u: die

schlechte Aufnahme, die er bey den

Japanern selbst fand, ließen ihn diese

Aufwallungen wieder

(10) vergeßen. Sein Unwille wandte sich

jetzt mehr gegen die Japaner, u: er sann

auf Mittel, sich für die erlittene

Verschmähung zu rächen. Der oben

erwähnte zufällige Besuch auf den

Japanischen Niederlaßungen in der Bay

Aniwa, die dabey entstandenen

78

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Betrachtungen, die geglaubten Ansprüche

der Rußen auf die von den Japanern

besetzte Kurilische Insel Urup, gab diesen

Ideen eine bestimmtere Richtung, die aber

erst in einen vollendeten Plan übergieng,

als Resanof auf seiner Reise nach NW

Amerika mit der Geschicklichkeit u.

Thatenlust der unter seinem Befehle

stehenden genannten Offiziere Chwostòf

u: Dawydof bekannter wurde. Er beschloß

nun, den Japanern die Früchte ihres

Übermuthes u: ihrer feindseligen

Abweisung eines so mächtigen Nachbars

fühlbar zu machen, indem er ihre Colonien

auf Sachalin überfallen u: zerstören

wollte. Zu dem Ende sollten die beyden

Offiziere, Chwostof auf dem neuen

gekauften Schiffe Juno, Dawydof auf dem

einem kleinern in Kodiak damals neu

erbauten Fahrzeuge Awos (Vielleicht)

genannt, noch im J. 1806. zur Ausführung

dieses wichtigen Planes schreiten. Er

eröffnete ihnen daher seine Absichten in

folgender Zuschrift:

Cf. Dawydof, Reise p. XXI.41 //

Wichtig erscheint das Resüme Horners ganz

am Ende ([C], pag (36 - 37):

(36) Inzwischen war auch G[olownin]. die

Nachricht von R[icor].ds Bemühen zu

Ohren gekommen, u: beyde die Befreyer u:

die zu Befreyenden erwarteten mit

Sehnsucht den Frühling. Am 23tst. May

verließ man endlich die Awatschabay u:

gelangte nach 20 Tagen in die Bay des

Verraths. Hier stellte T.K. Fürsprache42

sogleich das Vertrauen unter den

entzweyten Nazionen vollkommen her.

Bald brachte er Briefe von Golownin, u:

zugleich ein Schreiben des Gouverneurs

von Matsmai, welches alle frühern

Anstöße beseitigte, u: verlangte, daß ein

Rußisches Schiff nach Chakodade komme,

um die Gefangenen abzuholen. R. segelte

nun ungesäumt nach Ochotzk zurück, u:

von da nach Chakodade; dort kam ihm

sein geliebter Freund der Japaner Tac. K.

entgegen. In wenigen Tagen wurden auch

die Gefangenen ihren Gefährten

zurückgegeben, u: am 3 Nov. 1813.

betraten diese vereint mit ihren Freunden,

versöhnt mit ihrem Schicksal in

Kamtschatka den langersehnten

heimathlichen Boden.

79

41 Horner lag die 1816 in Berlin publizierte Reise der

russisch-kaiserlichen Flott-Officiere Chwostov und

Dawydow … 1802, 103 und 1804 beim Vortrag wohl

vor, weil er den Text hier nicht extra niederschrieb.

Krusenstern hatte Horner Dawydows Werk schon

1810 versprochen und die von ihm herausgegebene

deutsche Ausgabe der “Wörtersammlungen”

Dawydoffs 1813 zugeschickt. Letztere ist in der SUB

Göttingen digitalisiert und im Internet einsehbar.

1818, also nur wenig später, erschien dann in Paris

eine vierbändige Kompilation verschiedener

Japanberichte durch Breton de la Martinière Le

Japon, ou, moeurs, usages et costumes des habitans

de cet empire : d'après les relations récentes de

Krusenstern, Langsdorf, Titzing, etc., et ce que les

voyageurs précedens offrent de plus avéré, suivi de la

relation du voyage et de la captivité du capitaine

russe Golownin, die 1821 ohne Nennung der Vorlage

in zwei Bänden als deutsche Übersetzung verkauft

wurde. 42 Tacatai – Kachi, in der deutschen Version von

Golownins Buch heisst er: Tachatai-Kachi, richtiger

ist: Takataya Kahei (高田屋嘉兵衛 1769-1827).

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

So ließ die Vorsehung, was aus bösem

Triebe entsprungen war, in Gutes, die

Entzweyung in desto aufrichtigere

Freundschaft sich verwandeln.

(37) Wenn auf der einen Seite die

allzustrengen Gesetze der Japaner, ihre

Furcht vor den Fremden, u: die strenge

Verantwortlichkeit bey den Einheimischen

mit unserm liberalern Begriff in Anstoß

gerathen, so verdient dagegen die Güte

der Einzelnen, ihr Verstand, ihre

Gelaßenheit, besonders die Kraft ihres

Gemüthes und ihre wahrhafte

Frömmigkeit die höchsten Lobsprüche.

Eine Verfassung die solche Männer

erzieht, kann bey manchen Gebrechen

doch nicht sehr fehlerhaft seyn, u: man

wird es wenn man die Reiseberichte, aus

denen dieser flüchtige Bericht entnommen

ist, zur Hand nihmt, sich bald überzeugen,

was einem Volke besser sey, ob die in

Europa bis zur Unordnung gehende

sogenannte Liberalität und

Verfaßungslosigkeit der innern Zweige

eines Staates, oder die alles bis aufs

Kleinste einer bestimmten Ordnung

unterwerfende Strenge. Immer ergiebt

sich auch aus dieser Geschichte, was wir

im Anfange unsers letzten Vortrages

aussprachen, daß Tugend u: Verstand bey

allen Völkern den Weg zur Achtung u:

Freundschaft öffnen: damit ich mit den

Worten des edlen T.K. schließe: Jedes

Land hat seine Gebräuche, aber wahrhaft

gute Handl[un]gen werden überall als

solche geachtet."

Horner hat also gegenüber den schweizer

Kollegen und Freunden keinen Hehl aus

seiner Verurteilung des russischen Gesandten

gemacht. Wohl weil er wusste, wie stark

Krusenstern selbst zu diesem Zeitpunkt noch

unter den Repressalien der Vorgesetzten und

anderer mächtigen Personen wegen seiner

freimütigen Äusserungen über die Russisch-

Amerikanische Companie (RAC) zu leiden

hatte, unterließ er eine Publikation seiner

Vorträge.

Klaproth ist wie Horner für die Bewertung

der russisch-europäischen Beziehungen zu

Japan wichtig. 1805 war er zu jung, um die

russische Ostasienpolitik aktiv beeinflussen

zu können. Aber er erlebte hautnah bei der

Delegation unter Golovkin mit, wie abhängig

die Geschicke der Länder auch von

menschlichen Schwächen sind. Damals ging

es ihm in erster Linie um seine eigene

sprachliche Ausbildung. Doch er war nicht

nur Linguist. Die wirtschafts- und

geopolitischen Argumentationen für die

expansive Handelspolitik Russlands im

Nordpazifik dürften ihm sehr wohl vertraut

gewesen sein, denn das war ja der Zweck der

Gesandtschaft, an der er teilnahm. Allerdings

war Klaproth kein Noam Chomsky, der sich

offen regierungskritische Kommentare über

seine Regierung erlauben konnte. Klaproth

hat sich daher in seinen anonymen

Kommentaren nicht knebeln lassen, weshalb

seine Wertung der russischen Kontakte zu

Asien nicht die offizielle Meinung der

zaristischen Regierung sein konnte. Darauf

aufbauend und in gleicher Weise

argumentierend hat Horner in seinem

Züricher Vortrag dazu beigetragen, das zu

einseitig negative Asienbild im allgemeinen

und das Japanbild im besonderen bei den

80

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Zuhörern zu relativieren.

Welches Japanbild ergibt sich daraus und wie

passt dieser Bericht in das Meinungsbild der

damaligen Zeit? Ausgehend von der

außergewöhnlichen Rechtfertigung der

japanischen Abschließungspolitik (鎖国) durch

Kämpfer (die, wie mir scheint, das historisch

nicht haltbare Klischee der totalen

Abriegelung Japans eher verstärkte) war es

schwierig, im christlichen Abendland

Verständnis für dies ferne christenfeindliche

Land hervorzurufen. Angefangen hat die

negative Stimmungsmache mit Graf

Benjovskys Flucht aus Kamtschatka im Jahr

1771 und seiner Warnung an die Japaner vor

künftiger russischer Aggression, die von

Hayashi Shihei aufgegriffen wurde. Die

selbstgewählte Isolation dieses Landes war

und blieb Europäern ein Faszinosum. Von

westlicher Superiorität ist aber weder bei

Horner noch bei Klaproth die Rede. Dass

Horner die Geiselnahme Golovnins nicht

billigte und daher zu Bezeichnungen wie "Bay

des Verraths" griff, ist klar. Das Urteil über

den weiteren Verlauf der Geiselaffäre lässt

dann aber dem Verhalten der Japaner mehr

Gerechtigkeit widerfahren.

Es dürfte aus den beiden Vorträgen Horners

und der Schrift von Klaproth klar erkennbar

sein, wie belastet die Beziehungen zu Japan

nach der ersten russischen Gesandschaft

waren, weil man auf russischer Seite mit

militärischer Macht eine diplomatische

Niederlage vergessen machen wollte. Diese

Ereignisse haben den Verlauf der weiteren

russisch-japanischen Kontakte nachteilig

beeinflusst. Klaproth wie Horner haben den

offenen Umgang mit den asiatischen

Nationen eingefordert und um Verständnis

für die vorsichtige Außenpolitik Japan

plädiert, obwohl viele Zeitgenossen zwischen

Abscheu und Bewunderung schwankten, was

die Beurteilung von Japan betraf.

Anhang 1 (vgl. auch Anhang 3)

Klaproths Artikel [A] aus dem Horner-

Nachlass [ZBZ M 6.21, Bl. 1 - 13]

(1) Bemerkungen über die neuesten

Rußischen u. Englischen Gesandschaften

nach China. Von J. Klaproth."Im J. 1804. wurde in St. Petersburg der Entschluß

gefaßt, eine außerordentliche Sendung nach China zu

veranstalten, u: zwar, wie es scheint, in Folge eines

vom Hof in Pekin geäußerten Wunsches, einen

Gesandten vom weißen Chan bey sich zu sehen. Die

Rußische Regierung unterließ nichts, was eine solche

Expedition glänzend, der Würde ihres Senders

angemeßen, nützlich für den Handel, u. ersprießlich

für die Wißenschaften machen konnte. Sie bestand

aus Persohnen von den vornehmsten Familien, ihr

Führer war ein Mann von Talent, u: liebenswürdigen

Eigenschaften, durch Rang u: Geburt zu den ersten

Würden des Reichs berufen; sie brachte prächtige

Geschenke für den Chinesischen Kaiser, u: war von

einer Gesellschaft von Gelehrten unter der Leitung

des verstorbenen Grafen Joh. Potozki [+1815] begleitet.

Man verließ St. Petersburg in verschiedenen

Abtheilungen, welche zu Ende des Septembers 1805.

in Irkutzk zusammentreffen sollten.

Nach seiner Ankunft in dieser Stadt schickte der

Gesandte Graf Golowkin seinen ersten Secretär Hrn.

Baikof nach

(2) Urga, dem nächsten Chinesischen Hauptplatze,

um mit den Chinesischen u: Mongolischen Behörden

das Nöthige über den Transport des Gefolges nach

Pekin, u: andere auf die Reise Bezug habende

Gegenstände zu verabreden. Schon diese ersten

Unterhandlungen zeigten verschiedene

Schwierigkeiten: die Chinesen weigerten sich, eine

81

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人間情報学研究 第13巻 2008年3月

zahlreichere Gesandtschaft anzunehmen, als die

frühern gewesen waren, indem sie nur auf ein hundert

Persohnen gerechnet, u: diesem gemäß die

Etappenplätze in der Wüste Gobi angeordnet hätten.

Nach langem Hin u. Herreden sah sich der Gesandte

genöthigt, einen Theil seines Gefolges zu entlaßen, u:

es auf 130 Persohnen zu beschränken.

Den 17t. October langte der Graf Golowkin bey dem

Fort Troitzko=savsk an, dem Grenzort u: Waarenplatz,

das zu Kiachta gehört.

Hier hielten neue Unterhandlungen ihn dritthalb

Monate auf, u: erst zu Ende des Jahres wurden die

Anstände gehoben, so daß die Gesandtschaft erst am

5. Jan. 1806. die Gränze überschritt. Es war

außerordentlich kalt; u: die Reisegesellschaft litt

davon um so mehr, da sie nur auf dem Wege von

Kiachta nach Urga, einer Entfernung von 307

Wersten (43 deutschen Meilen) 14 Tage zubrachte.

Auf diesem Zuge hatten sie kein anderes Obdach, als

Jurten oder Zelte von Filz, welche durch ein

(3) Kohlenfeuer erwärmt wurden; die Reisenden lagen

an der Erde um dasselbe herum auf der einen Seite

geröstet, auf der andern halb starrend von Frost. Das

Thermometer hielt sich in jener Gegend zwischen 15

u. 30º R. unter dem Eispunct; das Quecksilber fror in

diesem Winter zweymal.

Zu Urga erneuerten sich die Unterhandlungen über

das chinesische Ceremoniel: der Gesandte wollte sich

demselben nicht unterziehen, indem er sich auf das

Beyspiel des Lord Macartney stützte, der dem Kaiser

Kien-long keine andere Begrüßung gemacht hatte, als

das in Europa bey solchen Anläsen gebräuchliche

Compliment. Es wurden also Curiere nach Pekin

abgefertigt; man hatte Hoffnung, von dem Tribunal

der Zeremonien u. Gebräuche des Li-fan-yuan, oder

des Departements der auswärtigen Angelegenheiten

eine günstige Entscheidung zu erhalten.Mittlerweile erhielt der Wang oder Vicekönig der

nördlichen Mongoley den Befehl, dem Grafen

Golowkin im Namen des Kaisers u. vor dem

kaiserlichen Throne ein Fest zu geben. Die

Eröffnung zu demselben fand am 15 Jan. statt,

unter freyem Himmel u. bey einer Kälte von 23 bis

24 Graden. Nach dem Verlangen des Wangs sollte

der Gesandte vorläufig das Keu-ten oder die 9

Prosternationen machen vor einer Tafel u. einem

mit gelbem Damast bedruckten Tischchen machen,

welches die Persohn des Kaisers vorstellte; eine fürden Gesandten eines so

(4) großen Monarchen allzuerniedrigende Forderung.

Der Graf verweigerte den Fußfall, u: das Fest

unterblieb.

Von diesem Moment an nahmen die Unterhandlungen

eine verdrießliche Wendung, u: es trat eine

gegenseitige Erbitterung ein. Zuweilen zeigte sich

einige Hoffnung, die Sache freundschaftlich zu

beendigen; allein am 10 Febr. wurde durch von Pekin

gekommene Staffette die Gesandtschaft förmlich

verabschiedet. Sie kehrte Anfangs März nach Kiachta

zurück.

Die Hartnäckigkeit, mit welcher bey diesem Anlas

die Chinesen auf ihrem Zeremoniel bestanden, wird

Niemanden befremden, wenn man weiß, daß in China

Rußland schon lange auf der Liste der Staaten steht,

welche dem himmlischen Reiche Tribut leisten. Wie

wäre es möglich gewesen, das Ansehen des

Chinesischen Kaisers durch eine solche

Nachgiebigkeit gegen die Wünsche des Gesandten zu

compromittiren zu einer Zeit, da das Reich bereits im

Innern durch bedenkliche Aufstände zerrüttet war?

Schon im J. 1689. hatten die Mandschus die Rußen

gezwungen, die Festung Taksa oder Albazin, die diese

auf dem linken Ufer des Amur erbaut hatten, zu

verlaßen, u: hatten ihnen einen sehr nachtheiligen

Friedenstractat abgedungen. Von jener Zeit an

erblickte der

(5) Hof von Pekin in dem Zaaren nichts als Vasallen

des himmlischen Reiches. Khang-hi rühmte sich die

Kiang (Rußen) gedehmüthigt zu haben. Er lobte ihre

Unterwürfigkeit, zur Zeit als Rußland sich geweigert

hatte, seinem Feinde Galdan Hülfe zu leisten. Young-

teking behandelte sie mit Übermuth, verschloß ihren

Caravanen den Eingang ins Reich, u: verlangte eine

definitive Bestimmung der Gräntzen, die im J. 1727.

zu Stande kam. Unter der Regierung von Kian-lung

hob die Chines. Regierung unter den nichtigsten

Vorwänden den Handel von Kiachta auf. Im J. 1743.

äußerte sie ihre Unzufriedenheit, daß Rußland keine

Gesandten mehr nach Pekin schicke. Das Benehmen

der in Pekin befindlichen Rußischen Geistlichen, u:

häufige Unordnungen, die mit den Caravanen an den

Gränzen vorfielen, erregten oft den Unwillen der

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

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Chinesen, u: dieser stieg aufs Höchste, als der Senat in

St. Petersburg sich förmlich weigerte, den Fürsten der

Dsungaren, Amursana, auszuliefern, der sich im J.

1756., wie es hieß, auf Einladung von Rußischer Seite,

in das Gebiet des Czars geflüchtet hatte. Glücklicher

Weise für die Erhaltung des Friedens zwischen beyden

Mächten starb Amursana das Jahr darauf in Tobolsk,

an den Blattern. Gerade in dieser Zeit hatte der Senat

die Sendung eines chinesischen Gesandten nach St.

Petersburg, u: die freye Schiffahrt auf dem

Amurstrome verlangt. Beydes wurde

(6) abgeschlagen, u: Kian-lung forderte gebieterisch

die Auslieferung der Rebellen, Amursana u: Chereng.

Überzeugt endlich von dem Tode des Erstern

verlangten die Chinesen daß man ihnen seinen

Leichnam übergab; waren aber am Ende zufrieden,

daß man ihnen denselben an der Gränze zeigte. Im J.

1760. schickte der Li-fan-yuan grobe Zuschriften an

den Rußischen Senat. Die Streitigkeiten wegen der

Gränzberichtigung, den Ausreißern, u: der

verweigerten Auslieferung Cherengs wurden immer

bitterer u: heftiger. Man sperrte den Rußischen Clerus

zu Pekin ein, u: die Chinesen bedienten sich in ihren

diplomatischen Mittheilungen der empörendsten

Ausdrücke. Der Hof von St. Petersburg, dem allzuviel

an der Erhaltung des guten Vernehmens u: am Flor

des Handels von Kiachta gelegen war, erneuerte in J.

1762. seinen Vorschlag, einen Chinesischen

Gesandten in s. Hauptstadt aufzunehmen. Als der

Chines. Kaiser nicht für gut fand, dieses Ansuchen zu

gewähren, wollte Rußland dagegen eine Sendung nach

Pekin veranstalten; allein sie blieb unausgeführt.

Nichtsdestoweniger kamen noch im nemlichen Jahre

Bevollmächtigte von beyden Seiten in Kiachta

zusammen, um wo möglich alle Anstände

auszugleichen, u: die Eintracht zwischen beyden

Reichen herzustellen. Sie trennten sich jedoch bald,

ohne ihren Zweck erfüllt zu haben; das Ministerium

von Peking

(7) erlaubte sich dem Ruß. Senat einen derben

Verweis über seine Hartnäckigkeit u: die endlosen

Gränzstreitigkeiten zuzuschicken. Im J. 1763. wurde

H. Kropotov nach Peking gesandt, u: erhielt eine

Audienz beym Kaiser. Allein der Li-fan-yuan verwarf

seine Vorschläge, u: der Gesandte kam unverrichteter

Sachen zurück. Im folgenden Jahre hoben die

Chinesen den Handel in Kiachta ganz auf, u:

schickten auf die ihnen darüber gemachten

Vorstellungen eine beleidigende Antwort. Dennoch

äußerten die Chinesen im J. 1765. den Wunsch, die

beyden Reichen nachtheiligen Zänkereyen beendigt zu

sehen, u: schlugen einen neuen Congreß vor. Er fand

jedoch nicht statt; gleichwohl wurde über einem

Supplementarartikel, den Kropotov dem Traktat von

1727. beygefügt hatte, ein endlicher Beschluß gefaßt,

in folgedeßen im J. 1768. der Handel in Kiachta

wieder geöffnet wurde. Doch wurde er 1785 bey

Gelegenheit des Überläufers Uladzan wieder

unterbrochen, u: blieb bis 1792 geschloßen.

Es ergiebt aus dieser kurzen Übersicht der

gegenseitigen Verhältniße von Rußland u: China, daß

diese nicht immer die freundschaftlichsten waren, u:

daß die letztere Macht sich eine Art Suprématie über

die Erstern anmaaßt, deren Kräfte ihr wahrscheinlich

unbekannt sind, weil sie dieselben weniger im

(8) Orient an den Tag kommen läßt, u: mehr auf das

Abendland verwendet. Die Weigerung des Gesandten

einer tributären Macht, den Söhnen des Himmels die

gebührende Ehre zu erweisen, mußten nothwendig

eine augenblickliche Wegschickung zur Folge haben.

Wäre der Graf Golowkin an der Spitze einer Armee

gekommen, so hätte er allem Vermuthen seine Zwecke

beßer erreicht, als mit bloßen Complimenten u:

Geschenken, welche die Selbstgefälligkeit der

Chinesen für schuldigen Tribut erklärt. So aber, wenn

er von s. Regierung nicht die Erlaubniß hatte, die 9

unausweichlichen Prosternationen zu machen, konnte

er darauf rechnen, s. Endzweck zu verfehlen.

Man hat Unrecht, wenn man diese letzte Rußische

Gesandschaft mit der neuesten Englischen Sendung

durch Lord Amherst in Vergleichung bringen will. Die

letztere wurde ebenfalls zurückgeschickt, aber um

ganz andere Gründe, als jene. England befindet sich

gegen China in einer ungleich günstigeren Stellung

als das Reich der Czare. Niemals wurde es

gezwungen, den Chinesen Land abzutreten, nie

unterzeichnete es einen nachtheiligen Vertrag. Seine

Eroberungen in Indien, wenn auch der Hof von Peking

sie zu ignoriren scheinen will, müßen nichts desto

weniger bey der Regierung des Himmlischen Reiches

Bedenken erregen; u: sie werden sich hüten, einer

Nation, die die Meere beherrscht, u: in einer kurzen

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Reihe von Jahren sich an das Reich des Thai-tsing

angedrängt hat, Trotz zu bieten.

(9) Auf der andern Seite giebt der Handelsgeist u: die

gesunde Politik Englands den Chinesen genügsame

Sicherheit gegen einen Angriff von Seite dieser

Nation, indem der gänzliche Verlust des Handels in

Canton die allernächste Folge eines solchen

Ereignißes seyn würde, für welche die Eroberung

einiger Provinzen nur ein geringer Ersatz wäre. Die

Besetzung eines Theils des Chinesischen Bodens

durch die Truppen der ostind. Compagnie würde, weit

entfernt den Hof von Pekin zum Nachgeben zu

vermögen, einen allgemeinen Aufstand, u: einen

unauslöschlichen Krieg zur Folge haben, u: dadurch

den Handel dieses großen Reiches gänzlich zerstören,

das nur eine eine einzige große innere

Verbindungsstraße den Kaiserlichen Kanal besitzt,

den beyde Kriegführende Theile gegenseitig schädigen

u: unbrauchbar machen könnten.

Aber auch für die Chinesen wäre ein Friedensbruch

von großem Nachtheile; nicht nur setzt der Handel

von Canton eine große Geldmaße in Umlauf, u:

beschäftigt mehrere Provinzen, sondern er gewährt

auch dem Kaiser u: seinen Ministern ein bedeutendes

u: sicheres Einkommen, währenddem der Handel in

Kiachta, der selten 6 Millionen Franken übersteigt, 1)

für die Regierung der Mandschus von geringem

Werthe ist,

1) die Regierung nihmt nur 5 p.C. v. den Waaren.

(10) so daß sie ihn zwar ohne Noth nicht behindert,

weil er der Mongoley einträglich ist, aber doch kein

Bedenken trägt, ihn sogleich ganz aufzuheben, wenn

sie für nöthig hält, die Rußen zu züchtigen.

England ist demzufolge, selbst wenn es Gesandte u:

Geschenke dem Sohn des Himmels darbietet, doch in

den Augen der Chinesen keine tributäre Macht. Lord

Macartney hatte sich dem Chinesischen Zeremoniel

nicht unterworfen, wenn schon damals die Chinesen

dem Volke das Gegentheil versicherten. [Man] suchte

nun von Amherst zu erhalten, was der Vorgänger

verweigert hatte. Allein die Festigkeit, u: die

überwiegenden Gründe, die sein Begleiter Sir. G. Th.

Staunton anführte, verhinderten jede Nachgiebigkeit

von Seite des Gesandten. Das Chinesische

Ministerium begab sich seiner Foderungen, u:

ertheilte dem Gesandten unterm 27. Aug. 1816. die

Erlaubniß, dem Kaiser präsentirt zu werden, ohne die

9 Fußfälle gemacht zu haben. Vierzehn Tage vorher

hatte man ihn in Tiantsin das nämliche Fest bereitet,

das man in Urga dem Grafen Golovkin hatte geben

wollen, ohne von Lord Amherst andere Zeremonien als

die gewöhnlichen Europäischen Höflichkeiten zu

verlangen.

Die Chinesen hatten also dem Englischen Gesandten

Alles zugegeben, währendeßen sie dem Rußischen

(11) Alles abschlugen. Wenn der Letztere sich richtig

benahm, indem er eine erniedrigende Zeremonie von

sich wies, so handelte Jener wie ein Unsinniger, als er

durch einen kindischen Eigensinn den Erfolg seiner

Sendung mit einem male vernichtete: eine

Beharrlichkeit die um so übler angebracht war, als er

so eben einen vollständigen Sieg über die Etikette der

Chinesen errungen hatte. Die Thatsache ist folgende:

Sobald Lord Amherst die Versicherung erhalten hatte,

daß der Kaiser ihm das Kin-teu erlaße, machten ihn

die zu seinem Empfang abgeschickten Großen des

Reichs, mit dem Befehl bekannt, zufolgedeßen sie ihn

Tags darauf von Thung-tscheu, wo er sich damals

befand, über Peking, nach Yuan-ming-yan, einem

Lusthause bringen sollten, wo ihm der Kaiser die

Audienz ertheilen würde. Der Gesandte reiste mit

seinem Begleit um 4 Uhr N. M. von Tung-tscheu in

einem schönen mit 4 Maulthieren bespannten Wagen

ab, u: kam um 4 Uhr morgens darauf am Ort seiner

Bestimmung an. Sie fanden dort alle Mandarins in

Staatskleidung, u: diese sagten ihm, sie würden

augenblicklich dem Kaiser präsentirt werden. Lord

Amherst klagte über große Ermüdung, u: weigerte

sich, vor dem Chinesischen Monarchen bestaubt u: in

Reisekleidern zu erscheinen. Die Chinesischen

Commißarien glaubten

(12) nun, sie hätten sich vielleicht über das Capitel der

nöthigen Zeremonien nicht deutlich genug

ausgesprochen, u: die Zögerung des Gesandten habe

eine Furcht vor den 9 Prosternationen zum Grunde,

wiederholten ihm mehrere male die Worte: Ni men ti

ly, "Euere eigene Zeremonie" - ist alles, was man

verlangt. Allein Lord Amherst, ohne zu bedenken, daß

der Kaiser mit dem ganzen Hofe seiner wartete,

bestand darauf, die Ankunft seiner schönen Kleider,

der Geschenke, seines Gefolges, u: des Schreibens des

Königs von England abzuwarten, das er vergeßen

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Heinrich Julius Klaproth (1783-1835) und Johann Caspar Horner (1774 - 1834) über Kontakte zwischen Europa und Asien

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hatte, in den Wagen zu legen. Der Chinesische

Reichsherzog, welcher ihn dem Kaiser vorstellen

sollte, nahm ihn endlich beym Arm mit den Worten:

"Kommen Sie wenigstens in mein Gemach, wo sie

beßer dran sind, als hier unter der Menge: Sie können

da ausruhen, währenddem ich zum Kaiser gehe, ihm

Ihre Bitte zu unterlegen." Allein Lord Amherst

erklärte sich müde u: krank, u: wollte nichts von

Audienz hören, bis sein Gefolge u: seine Sachen

angekommen wären: Er wurde demzufolge in das ihm

bestimmte Haus geführt. Einige Stunden später

schickte der Kaiser seinen Arzt zum Lord, um s.

Befinden zu untersuchen; der Äsculap, der ihn

vollkommen gesund fand, erstattete dem

(13) Sohn des Himmels seinen Bericht, u: dieser befahl

dann die Augenblickliche Zurücksendung der Engl.

Gesandschaft, weil ihr Führer sich erdreistet hätte,

den Kaiser zu hintergehen, im Augenblick, wo er ihm

hätte vorgestellt werden sollen.

Die chinesische Regierung war vernünftig genug, in

diesem Benehmen des Gesandten nur eine

persöhnliche Unbeholfenheit u: Unschicklichkeit zu

erblicken: sie behandelte die Gesandtschaft selbst auf

ihrem Rückzuge nach Canton mit aller Höflichkeit u:

Schonung u. das Vorgefallene hat auf den Handel der

Compagnie in Canton nicht den mindesten

nachtheiligen Einfluß gehabt.

〔2008年2月28日受付〕

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Anhang 2 Brief Klaproths an Horner (aus: ZBZ, Horner-Nachlass M. 5. 135)

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Anhang 3 (vgl. auch Anhang 1)Abschrift von Klaproths Text („Bemerkungen über die neuestenRußischen u: Englischen Gesandschaften nach China“ (aus: ZBZ, Horner-Nachlass M. 6. 21)