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Aus dem Chemotherapeutischen Laboratorium der Bayer-Forschungsst/~tten, Wuppertal-Elberfeld (Leiter: Prof. Dr. reed. W. KIKVTH). Heinzk~rper- und Meth~imoglobinbildung durch Methylenblau. Vort Dr. MARIANNEROCK. Mit 1 Textabbildung. (Eing6gan~sn am 15. F~bruar 1947.) In Versuchen, mit Rickettsia mooseri infizierte M~use chemothera- peutisch zu beeinflussen, wurde von KI~UTI~ und SCHILLING d~s Methylenblau ~ls wirksam erkannt. Es zeigte sich, dab nach" giinstig gew~hlten Dosen die Tiere im Vergleich zu den unbehandelten K on- trollen wesentlich verz6gert eingingen. Bei Durchmusterung des Blut- biktes der so behandelten Tiere fanden KII~UTH und SCHILLING Ver- ~nderungen in den roten BlutkSrperchen, die sich bei Vita]farbung mit Nilblausulfat als aul~erordentlich grol3e HeinzkSrperchen (HK) erwiesen. D~ diese auch bei gesunden, nur mit Methylenblau behandelten M';iusen in derselben Weise auftraten, mu~te a]]ein die Substanz ffir ihre Ent- stehung verantwortlich gemacht werden. Der Sp~ttod der Versuchs- m~use, der nicht immer durch Rickettsienbefund erkl~rt werden konnte, ist daher sicherlieh zum Teil auf die starke Aniimie zuriickzuffihren, die der durch Methylenblau bedingten HK-Bildung folgt. ~ber die Entstehung dieser KSrperchen durch Methylenb|au, einen Thiazinfarbstoff, konnten wir in der Literatur keine Angaben finden. HK lassen sich, wie schon vielfach mitgetei]t, in erster Linie durch Meth~moglobinbildner erzeugen. DaB auch das Methylenblau Met- h~mog|obin (MetHb) zu bilden vermag, wurde schon 1891 yon CO.~BE- ~AL~ erw~hnt, der bei Hunden n~ch Gaben yon 0,5 g/kg (innerlich) eine MetHb-J~mie n~chweisen konnte. I. In vivo-Versuehe. a) S[iugetiere. Zur Durchftihrung eigener Versuche, in denen wir die Wirkung des Methylen- blaus auf das Blut studieren wollten, benutzten wir die gebr£uchlichsten Labora- toriumstiere, wle Maus, Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Katze und Hund, denen die Substanz in w~Briger LSsung subkutan und intravenSs verabreicht wurde. Die anschliel]enden Blutuntersuchungen erfolgten nach den iiblichen klinischen Methoden. Zur MetHb-Bestimmung wurde das Spektralkolorimeter angewandt, mit dem sich gute Vergleichswerte gewinnen lieBen. 38*

Heinzkörper- und Methämoglobinbildung durch Methylenblau

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Page 1: Heinzkörper- und Methämoglobinbildung durch Methylenblau

Aus dem Chemotherapeutischen Laboratorium der Bayer-Forschungsst/~tten, Wuppertal-Elberfeld (Leiter: Prof. Dr. reed. W. KIKVTH).

Heinzk~rper- und Meth~imoglobinbildung durch Methylenblau.

Vort Dr. MARIANNE ROCK. Mit 1 Textabbildung.

(Eing6gan~sn am 15. F~bruar 1947.)

In Versuchen, mit Rickettsia mooseri infizierte M~use chemothera- peutisch zu beeinflussen, wurde von KI~UTI~ und SCHILLING d~s Methylenblau ~ls wirksam erkannt. Es zeigte sich, dab nach" giinstig gew~hlten Dosen die Tiere im Vergleich zu den unbehandelten K on- trollen wesentlich verz6gert eingingen. Bei Durchmusterung des Blut- biktes der so behandelten Tiere fanden KII~UTH und SCHILLING Ver- ~nderungen in den roten BlutkSrperchen, die sich bei Vita]farbung mit Nilblausulfat als aul~erordentlich grol3e HeinzkSrperchen (HK) erwiesen. D~ diese auch bei gesunden, nur mit Methylenblau behandelten M';iusen in derselben Weise auftraten, mu~te a]]ein die Substanz ffir ihre Ent- stehung verantwortlich gemacht werden. Der Sp~ttod der Versuchs- m~use, der nicht immer durch Rickettsienbefund erkl~rt werden konnte, ist daher sicherlieh zum Teil auf die starke Aniimie zuriickzuffihren, die der durch Methylenblau bedingten HK-Bildung folgt.

~be r die Entstehung dieser KSrperchen durch Methylenb|au, einen Thiazinfarbstoff, konnten wir in der Li teratur keine Angaben finden. H K lassen sich, wie schon vielfach mitgetei]t, in erster Linie durch Meth~moglobinbildner erzeugen. DaB auch das Methylenblau Met- h~mog|obin (MetHb) zu bilden vermag, wurde schon 1891 yon CO.~BE- ~AL~ erw~hnt, der bei Hunden n~ch Gaben yon 0,5 g/kg (innerlich) eine MetHb-J~mie n~chweisen konnte.

I. In vivo-Versuehe. a) S[iugetiere.

Zur Durchftihrung eigener Versuche, in denen wir die Wirkung des Methylen- blaus auf das Blut studieren wollten, benutzten wir die gebr£uchlichsten Labora- toriumstiere, wle Maus, Ratte, Meerschweinchen, Kaninchen, Katze und Hund, denen die Substanz in w~Briger LSsung subkutan und intravenSs verabreicht wurde. Die anschliel]enden Blutuntersuchungen erfolgten nach den iiblichen klinischen Methoden. Zur MetHb-Bestimmung wurde das Spektralkolorimeter angewandt, mit dem sich gute Vergleichswerte gewinnen lieBen.

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1. Sub]cutane In]ektionen. Methylenblau, subkutan verabreicht, wird schne]l resorbiert. Kurze Zeit nach der In]ektion kann man bei den behandelten Tieren eine Blauf~irbung der Gewebe (z. B. Haut, Zahn- fleisch, Skleren) und des Harns beobachten. Ein Teil der sehr intensiv f~rbenden Substanz l~Bt sich aber auch noch lange Zeit an der Inj ektions- stelle nachweisen. Hier wirkt sie nekrotisierend und kann erhebliche Gewebszerst5rungen verursachen. So entstanden bei den Tieren offene Nekrosen bis zu HandtellergrSBe, die nach einigen Wochen unter Narben- bildung zur Abheilung gelangen konnten.

50 mg/kg Methylenblau wurden in unseren Versuchen yon alien Tierarten vertragen. Bei Katze und Hund wirkten 75 mg/kg und beim Meerschweinchen. 100 mg/kg tSdlich. Auch bei der Maus erwiesen sich 100 mg/kg als Grenzdosis, da hiernach ein Tell der Tiere einging. Rat te nnd Kaninchen dagegen zeigten nach einer Gabe yon 100 mg/kg keine ~uBeren Krankheitssymptome. Nach der Injektion kam es bei den Katzen zum Erbrechen yon blaugef~rbtem Speisebrei. Im allgemeinen bat ten die Tiere, die mit toxischen Dosen behandelt waren, starken Durst und waren sehr matt . Der Tod erfo|gte nach 2--8 Tagen. Bei den Sektionen der verendeten Tiere zeigten sich je nach dem Zeitpunkt des Todes eine mehr oder minder deutliche, durch MetHb-~mie bedingte Braunf~rbung 4er Gewebe, die zum Teil yon einer Blauf'~rbung, besonders in der Herz- und Pylorusmuskulatur und in der Niere, fiberdeckt wurde.

Bei jeder Tierart konnten wir nach der Injektion yon Methylenblau MetHb im Blur nachweisen. Die besten MetHb-Bildner waren jedoch Hund und Katze.

Eine Stunde nach toxischen Methylenblauinjektionen wurde im Blur cter Versuchstiere stets eine grSBere Menge MetHb gefunden. So wurde z. B. bei einer Katze, die 75 mg/kg Substanz erhielt, zu diesem Zeitpunkt 1,9 g-% ( - : 12,5%, bezogen auf den gesamten Blutfarbstoff) nachgewiesen. Bei der Maus entstand im allgemeinen das MetHb etwas verzSgert , so dab das Maximum des Anstieges erst nach 2--3 Stunden erreicht wurde. Im Verlauf der folgenden Stunden sank der MetHb- Wert bei allen Tierarten ab, um sp~ter erneut anzusteigen, so dal3 wir eine Kurve erhielten, die meist mehrere Gipfel aufwies. Als Beispiel wird eine Abbildung gebracht, die die MetHb-Werte bei Hund, Katze und Maus nach Gaben yon 75 bzw. 100 mg/kg wiedergeben. Bei einem Hund und 2 Katzen, die am 6. bzw. 2. Tage verendeten, kam es zu diesem Zeitpunkt zu einem starken MetHb-Anstieg (38 bzw. 33 und 55 % ).

Das weil]e Blutbild war im atlgemeinen unver~indert. Teilweise auf- tretende, nicht sehr betr~tchtliche Leukozytosen sind auf die lokalen Nekrosen an den Injektionsstellen zuriickzuffihren.

Im roten Blutbild dagegen konnten als Folgen der Sch~idigung des ti+rischen Organismus durch Methylenblau erhebliche Ver'~nderungen

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festgestellt werden. Es trat n~imlich eine Aniimie auf, die je nach der Dosierung des Methylenblaus zum Tode des betreffenden Versuchstieres fiihrte oder wieder zur Ausheilung gelangte. Die An'~mie konnte ziem- liche Ausmal3e annehmen, so war z. B. bei einem Hunde, der 50 mg/kg Methylenblau erhalten hatte, 7 Tage danach die Zahl der roten Blut- k5rperchen yon 5,7 auf 2,9 Millionen und der t tb-Wert yon 114 auf 50% (SAI4LD abgesunken. Bei einer Katze, die 75 mg/kg bekam und in der Nacht veto 6. zum 7. Tage verendete, wurden am 4. Versuchstage

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Znjei<lion ,/ .

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t- ) J \ ~ ' - - . I I I O 0 I g 3 ~ 5 8

Tage Abb. 1. Meth f i ,moglob inb i ldung . H u n d 7 5 m g / k g M ~ t h y l e n b l a ~ s u b k u t a n ;

. . . . . . . K a t z e 100 m g / k g M e t h y l e n b l a u s u b k u t a n ; . . . . M a u s 100 m g / k g M e t h y l e n b l a u s u b k u t a n .

• 2,68 Millio~'mn Erythrozyten und 22 % Hb und am 6. Tage 0,9 Millionen Erythrozyten und 10% Hb bestimmt (Ausgangswerte waren 10,5 Mil- ]ionen Erythrozyten und 90 % Hb). Bei einer Erholung der Tiere fanden sich im Blutbild alle Zeichen einer vermehrten Regeneration, bei der be- senders die starke Zunahm e der Retikulozyten (in einigen Versuchen bei Kaninchen und Rat ten sogar bis zu 30 bzw. 42,5 %) bemerkenswert war.

Von besonderem Interesse war fiir uns die Bildung yon H K in den Erythrozyten der mit Methylenblau vergifteten Tiere. Die H K - - in unseren Versuchen durch Vitalf';irbung mit Nilblausulfat dargestellt - - , die bei der Maus naeh Methylenblau gebildet wurden, t raten z. B. nach 50mg/kg in 100% der Erythrozyten auf und entwiekelten sich zu betriichtlicher GrSBe. Nach subkutaner Verabreichung yon ]0mg, 5 mg und 2,5 mg/kg wurden H K nur in einem Teil der Erythrozyten beobaehtet; sie blieben aueh an Grsl3e hinter denen nach 50 mg/kg c[eutlich zuriick. 1 mg/kg lieI3 das Blutbild praktiseh unverandert. Aueh die tibrigen Tierarten (Hund, Katze, Kaninchen, Meersehweinchen und ]~atte) wiesen nach entsprechenden Dosen yon Methylenblau t I K auf. Besonders gut war die Bildung bei Katze und Hund zu verfolgen, bei

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denen die H K auch in 100 % der E r y t h r o z y t e n au f t r e t en konnten . Be im K a n i n c h e n en t s t anden selbst bei hohen Dosen H K nur in e inem Teil t ier E r y t h r o z y t e n . Noch schlechtere t t X - B i l d n e r nach Me thy lenb lau s ind die R a t t e und das Meerschweinchen, be i dem z. B. nach 100 mg/kg e r s t a m 3. Tage das M a x i m u m der Bi ldung mi t 27,5% er re ich t wurde, wghrend be i den fibrigen Tieren die HSchs tzah l der H K bere i t s nach 6---24 S tunden zu verze ichnen war.

Bei allen Tierarten sind die KH kurz nach ihrer Entstehung zunachst klein und wachsen je nach Substanz und Dosis zu betr~chtlichen GrS~en heran. Methylenblau verursacht nach unseren Erfahrungen im Vergleich zu anderen Substanzen besonders groBe KSrperehen.

Gesunde, unbehandelte Hunde, Kaninchen, Meerschweinchen und Ratten haben keine HK. Bei der Katze kSnnen sie aber in wechselnder Menge, ira Durch- schnitt in etwa 20% der Erythrozyten nachgewiesen werden. Im normalen Mause- blut sind bei Vitalf~rbungen in einzelnen Erythrozyten Granula zu erkennen, die wahrscheinlich ebenfalls als KH gedeutet werden mtissen. Im Rattenblut sind zwar auch einzelne sich blaufgrbende KSrperchen vorhanden, die aber ver- waschener sind als die im M~useblut. Es ist anzunehmen, dab es sich hier um Reste der Retikulozytenstruktur handelt, die beim Altern der Zellen abblassen.

Die HK in den Erythrozyten der verschiedenen Tiere sind nach der Ver- giftung zungchst sehr fein, meist einfach, zum Teil auch multipel vorhanden. Sparer wachsen sie heran, erreichen bei Katze und Maus eine betrgchtliche GrSBe, erscheinen hier aus mehreren zusammengesetzt und sind dann einzeln, manchmal auch zu mehreren, in den roten BlutkSrperchen gelegen. Beim Kaninchen und auch beim Meerschweinchen erreichen sie dagegen nicht diese GrSBe. Bei Ratten und Hunden sind zu einem bestimmten Zeitpunkt die HK in groBer Zahl in den einzelnen Erythrozyten vorhanden, so dab es bei der Auszahlung schwer, wenn nicht unmSglich ist, diese Zellen yon den Retikulozyten zu unterscheiden, zumal jene bei den Ratten infolge ihres verschiedenen Alters ein unterschiedliches Aus- sehen haben kSnnen, da die grS~eren, d. h. jiingeren Formen eine intensiv gef~rbte, grobe Struktur und die Mteren Zellen dagegen eine zartere Zeichnung aufweisen. In einem sp~teren Stadium ballen sich die I-IK bei der Ratte starker zusammen und imponieren dann als groBe Gebilde, die einzeln oder multipel vorhanden sein kSnnen. Beim Hund i s t die Tendenz zur Zusammenballung nicht so grol].

N a c h e inmal iger Me thy l enb l auve rg i f t ung n i m m t nach einigen Tagen d ie Zahl 4er H K ab, so dab diese nach e twa 2 - - 3 Wochen aus dem Blur wieder ve r schwunden sind. Es is t anzunehmen, dal3 sich in dieser Zei t das B lu t vSll ig regener ie r t ha t .

I n v i t a l ge fa rb ten Auss t r ichen , die yon schwer geschgdig ten Tieren s t a m m t e n , konn ten wir verschiedent l ich , besonders gu t abe r be i e inem H u n d und be i e iner Ka t ze , d ie 75 m g / k g Me thy l enb l au e rha l t en ha t t en , b l aue feine Granu la e rkennen . Sie lagen der zum Teil abgehobenen : E r y t h r o z y t e n m e m b r a n an und l ie fer ten so Bi lder , die mi t denen eine gewisse Xhnl ichke i t aufwiesen, die JUNG mi t dem E l e k t r o n e n m i k r o s k o p nach P h e n y l e n d i a m i n v e r g i f t u n g gewonnen hat . Die nach der Pheny len - d i a m i n v e r g i f t u n g beobach~ete E r y t h r o z y t e n d e g e n e r a t i o n faBt JuNG als Ze r s tS rung der M e m b r a n auf. Es is t anzunehmen, dab es sich auch be i

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unseren Ausstrichen,. die meist kurze Zeit vor dem Exitus letalis der Tiere hergestellt waren, um ~ihnliche Veri~nderungen handelte, und dab demnach das Auftreten von Granula als Alterungs- und Degenerations- • erscheinung der roten Blutk6rperchen angesehen werden muB.

2. IntravenSse In]ektionen. Um eine Depotbildung im subkutanen Gewebe zu vermeiden,.haben wir bei einigen Katzen und Kaninchen die Substanz direkt in die Blutbahn gebracht, da wir annahmen, dab der protrahierte Verlauf der MetHb-Kurven zum Teil durch das Substanz- depot bedingt sei. Wenn man davon absieht, dab die klein~te t6dliche " Dosis nach :intraven6ser Verabreichung niedriger liegt (bei Katze und Kaninchen bei 30 mg/kg), haben diese Versuche jedoch kaum anders- artige Ergebnisse gehabt als die nach subkutaner Injektion. Es kam nach der intravenSsen Injektion ebenfalls zur An/imie mit stark redu- zierten Erythrozyten- und Hb-Werten und bei der Erholung der Tiere zur Blutregeneration. Die MetHb-Kurve zeigte gleichfalls einen mehr- gipfligen Verlauf, allerdings wurden Normalwerte entsprechend den geringeren Substanzdosen schon nach kiirzerer Zeit erreicht als nach subkutanen Injekti0nen. Wie an der deut]ichen, mehrere Tage bestehen- den Blauf~rbung der Haut festzustellen war, kommt es also auch nach intravenSser Verabreichung yon Methylenblau zu einer voriibergehenden Speieherung der Substanz in den Geweben.

b) Kanarienvogel. Im AnschluB an diese Versuche wurde das Methylenblau yon uns

auch am Kanurienvogel gepriift. Da von dieser Tierart die perorale Ver- abreichung yon Substanzen am besten vertragen wird, haben wir diese Applikationsart gew~hlt. Trotz hoher Methylenblaugaben, bis zu 100 mg/kg Tier, konnten wir in den kernhaltigen Erythrozyten keine HK erzielen. Allerdings waren bei der Vitalf/~rbung in den roten Blut- k6rperchen eine netzartige Struktur und einzelne blaue K6rnchen zu erkennen, die aber auch normalerweise vorhanden waren und sich naeh Methylenblaugaben weder vermehrten noch an GrSBe zunahmen, so dab sie mit den HK in dem Blur der yon uns untersuchten S/~ugetiere nicht identisch sein kSnnen. Von besonderem Interesse war daher die Fest- stellung, dab die KanarienvSgel auf entsprechende Methylenblaugaben regelm~Big deutlich MetHb bildeten.

II. In vitro-Versuehe. a) HK-Bildung.

Wie bekannt lassen sich auch auBerhalb des Tierk6rpers durch ver- sehiedene Substanzen t tK im Blur erzeugen. Wir haben daher Versuche angesetzt, um festzustellen, ob auch Methylenblau dazu in der Lage ist.

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600 M.mAssr BOCX:

Zu diesem Zweck wurde Mauseblut entnommen, gewaschen, die Waschfliissig- keit entfernt und die Blutk6rperchen mit einer Methylenblaulfsung yon 1:5000 in physiologischer Kochsalzl6sung auf das urspriingliche Volumen aufgefiillt. Das Blut-Substanzgemisch wurde bei 370 gehalten und zu verschiedenen Zeiten etwas davon fiir Vitalf/~rbungen entnommen.

Naeh einer Einwirkungsdauer yon 2 Stunden konnten in einem Teil der Erythrozyten sehr feine H K beobachtet werden, naeh 4 Stunden waren diese praktiseh in allen roten Blutk5rperchen zu erkennen. Sie waren etwas grSl3er als vorher, zum Teil multipe], zum Tell nur in der

' Einzahl vorhanden. Viele Erythrozyten wiesen auBerdem eine feine blaue Granulation auf, die aber wahrscheinlich als Zeichen einer Sch/idi- gung bzw. als ein beginnendes Absterben der Erythrozyten gedeutet werden muB. Sie ist im Aussehen zarter als die HI( , die im Anfangs- stadium der Bildung oft auch multipel sind.

b) Methiimoglobinbildung. Wie aus den Versuchen am Tier hervorgeht, kann die MetHb-Bil-

dung nicht nur yon tier Substanzkonzentration direkt abhangig sein, da wir wiederholt beobachten konnten, da$ nach der Abnahme des zuerst gebildetenMetHbs im weiteren Verlauf der Untersuehungen erneut gr61lere Mengen nachgewiesen werden konnten.

Um unter klareren Verh~ltnissen als im TierkSrper dieser Frage nachgehen zu kSnnen, haben wir im Reagenzglas hamolysiertes Blut mit verschiedenen Sub- stanzverdiimmngen vermischt und dann auf Anwesenheit yon MethHb gepriift. Im Spektrum lassen sich die dem Methylenblau zugeh6rigen Absorptionsstreifen gut yon denen des MetHb unterscheiden.

Bei Zusatz einer Methylenblaul6sung 1 : 500 zu M~useblut herrsehte im spektroskopisehen Bild die Absorptionslinie der Substanz vor, so dab das MetHb schwer zu erkennen und zu best immen war. Bei einer SubstanzlSsung yon 1:1000 wurden 28% MetHb gefunden. Zusatz geringerer Konzentrat ionen brachte entsprechend niedrigere Werte. Bei 1 : 500000 wurden nur noch ganz geringe Spuren yon MetHb festgestellt.

Versuehe, die mit Rattenblut in derselben Weise angesetzt wurden, lieferten entsprechende Ergebnisse.

III. Vergleiehsversuche mit Thionin. Thionin ist als Kern im Methylenblau enthalten; letzteres ist a]s

Tetramethylder ivat des Thionins aufzufassen. Es lag daher nahe, mi t dieser Substanz Vergleichsversuehe anzustellen. Hierbei erwies sich aueh das Thionin als ein guter HK-Bildner, denn es gelang uns, ent- spreehend den Methylenblauversuehen bei Hund, I(atze, Kaninehen, Meersehweinchen und Ratte, mi t 100 mg/kg und bei der Maus mi t 50 mg/kg nach kurzer Zeit H K zu erzeugen. Das Krankheitsbild bei den versehiedenen Tierarten entspraeh dem nach der Methylenb!au-

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vergiftung beschriebenen. Es entwickeIte sich ebenfal]s eine mehr oder weniger ausgesprochene Anamie, und bei der Erholung traten Re- generationserscheinungen im Blutbild auf. Auch MetHb liel3 sich im Blut der behandelten Tiere und im Reagenzglasversuch nachweisen.

IV. Besprechung der Ergebnisse. Methylenblau ist, wie wit bei unseren Versuchstieren nachweisen

konnten, ein guter HK- und MetHb-Bildner. Wie HEUBNER betonte, entstehen beide, sowohl die HK als auch das MetHb durch Oxydations- prozesse. Dabei beruht die HK-Bildung auf tiefergehenden Oxydationen als das Entstehen des MetHb.

Die naeh gfinstig gewithlten Gaben yon Methylenblau bei den S~uge- tieren beobachteten Bildungen yon HI( und MetHb treten unabh~ingig voneinander auf, d. h. wenn es sich auch bei beiden wohl um oxydative Prozesse handelt, so ist doch nieht der eine direkte Folge des anderen Vorganges. So konnten wir versehiedentlieh feststellen, da~ es nach Injektion der Substanz sehr bald zur Bildung yon MetHb kam, das in kurzer Zeit sein Maximum erreichte. Zu diesem Zeitpunkt war die HK- Bildung oft noeh nicht auf dem HShepunkt angelangt und verlief trotz Absinken des MetHb-Wertes noch weiter. DaB auBerdem die HK nicht nur an Zahl, sondern auch an GrSl3e noch zunahmen, mag dahingestellt bleiben, denn man kann sich denken, daI3 ein einmal eingeleiteter ProzeB vollst~indig abrollt, auch wenn die auslSsende Ursache nicht mehr vor- !handen ist.

Eine weitere Stfitze der aueh yon HEUB~ER und seiner Sehule ver- tretenen Anschanung, da] MetHb- und HK-Bildung nieht miteinander verkoppelt sind, bedeutete die Beobaehtung, dab es beim Kanarienvogel nach Verabreichung gr5Berer Methylenblaumengen wohl zum Auftreten yon MetHb kam, dab aber die HK dagegen in den kernhaltigen Vogel- erythrozyten nicht nachgewiesen werden konnten.

HK-Bildung an sieh wird yon den Tieren vertragen. Es ist bekannt, dal3 z. B. Katzen mit stark HK-haltigem Blut (~ 100%) fiber Wochen und Monate bei relativ gutem Allgemeinbefinden am Leben gehalten werden konnten (GRoss, BOOK und HELLRUNG). In dieseni :Falle wurde dureh starke Blutregeneration dem vermehrten Abbau des Blutes die Waage gehalten, so dal3 Hb- und Erythrozytenzahlen nicht unter die zur Erhaltung des Lebens notwendigen Werte absanken.

Der auffalligste Befund, den wir nach den Methylenblauinjektionen erheben konnten, war die Beobaehtung, dab es im Verlauf der Metttb- Kurve zu 2 oder mehr Gipfeln kam. Dabei lag der zweite maximale MetHb-Wert mitunter so hoch, dab sich die Tiere nicht wieder erholen konnten, sondern an einer MetHb-_~mie eingingen. Da bei diesen Tieren der ttb-Wert stark abgesunken war, konnte es vorkomrnen, dal3 schon

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Ttttt

bei einem verhifltnism/~Big geringen Prozentsatz des gebildeten MetHb die absolute OxyHb-Menge fiir den AtmungsprozeB nicht mehr aus- reiehte. BIieben die MetHb-Werte niedriger, so kam es, naehdem aueh die An/~mie zurfiekgegangen war, wieder zu einer vSlligen Wiederherstel- lung der Versuchstiere.

Methylenblau wirkt oxydierend und wird dabei selbst zu einer farb- losen Leukoverbindung. Wir konnten bei Sektionen verschiedentlich beobachten, dab die Gewebe bei Luftzutritt sieh intensiv blau f/irbten, der Farbstoff nahm also erneut Sauerstoff auf und wirkte dadureh tttttwiederum reduzierend. Wir haben also einerseits gesehen, dab Methylen- blau MetHb zu biiden vermag, wissen abet, dab es umgekehrt aueh in solchen Fallen gegeben wird, bei denen --wie z. B. nach Sulfonamiden - - eine MetHb-~mie besteht, um diese zuriickzubilden (ZIERZ). Auch Thio- nin (Katalysin), das sieh in unseren Versuehen ~hnlich verhielt wie Methylenblau, wurde naeh GROSCVRTE bei Zust/~nden yon Anoxie mit gutem Erfolg angewandt. Mit Thionin gelingt es ebenso wie mit Methylen- blau in vitro und aueh in vivo, MetHb in funktionstiiehtiges Hb nm- zuwandeln (HAusCHmD; SAGEL, zit. nach GROSC~rRTH). Durch diese giinstige Lagerung cIes Redoxpotentials yon Methylenblau und Thionin lassen sich vielleicht auch die yon uns als auff~llig herausgestellten Befunde, die wir bei den MetHb-Bestimmungen erzielten, bis zu einem gewissen Grade deuten. Ob aber neben der langsamen Resorption des Methylenblaus bzw. des Thionins vom subkutanen Gewebe der Inj ektions- stelle aus und neben den im tierisehen Organismus parallel verlaufenden' oxydierenden und reduzierenden Prozessen noch andere Faktoren, wie z.B. Umwandlung 4es Methylenblaus in eine andere MetHb-bildende Substanz, bei der Entstehung des MetHbs mitbestimmend sind, kann im Augenblick nicht gekl/~rt werden.

Zusammen/assung. 1. Naeh subkutaner bzw. intravenSser Injektion yon Methylenblau

traten bei Maus, Ratte, Meerschweinchen, Kaninehen, Ka~ze und Hund in den Erythrozyten HK un4 eine hierdureh bedingte starke An~mie, sowie MetHb auf. Maus, Katze und Hund erwiesen sieh als besonders gute HK-Bil4ner.

2. Infolge der schnellen Resorbierbarkei$ der Substanz waren HK und MetHb schon kurze Zeit nach 4er Verabreichung zu finden. Ein Teil des lV[ethylenblaus blieb an 4er Injektionsstelle liegen und ffihrte hier zu lokalen Nekrosen o4er wurde voriibergehend, wie bei den Sektionen festgestellt werden konnte, in den Organen gespeiehert.

3. Auff/~llig war der Verlauf der MetHb-Kurve, die nicht nur einen einzigen, kurze Zeit naeh der Substanzverabreiehung auftretenden An- stieg mit ansehliellend mehr oder weniger steil verlaufendem Abfall

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aufwies , sondern sich durch einen mehrgipfe l igen p r o t r a h i e r t e n Ver lauf ausze ichnete .

4. Be im Kana r i envoge l ge lang es nicht , H K in den E r y t h r o z y t e n nachzuweisen , obwohl M e t H b geb i lde t wurde.

5. Nich t n u t im Organismus der Tiere, sondern auch im Reagenzglas - ve r such ve rmoch te Me thy lenb lau im R a t t e n - und Miiuseblut H K und M e t H b zu bi lden.

6. Versuche mi t Thionin f i ihr ten zu den gleichen Ergebn issen wie die mi t Methy lenb lau .

L i t e r a t u r .

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