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Herrschaft im Neoliberalismus Prof. Dr. Andreas Fisahn

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Page 1: Herrschaft im Neoliberalismus Prof. Dr. Andreas Fisahn

Herrschaft im Neoliberalismus

Prof. Dr. Andreas Fisahn

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Die Trennung von Staat und Gesellschaft

Von der Homepage des BMZ vom 14.09.2010:

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel: Millenniumsentwicklungsziele nur im Dreiklang Regierung, Zivilgesellschaft, Wirtschaft erreichbar

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Die Trennung von Staat und Gesellschaft

Marx/ Engels, Die deutsche Ideologie:

„Durch die Emanzipation des Privateigentums vom Gemeinwesen ist der Staat zu einer besonderen Existenz neben und außer der bürgerlichen Gesellschaft geworden…“

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Sicherung bürgerlicher Herrschaft

• Politik – Entkopplung und Kopplung– Machterhaltung– Verantwortung für Gesamtreproduktion

(Infrastruktur, Umwelt)

– Notwendigkeit der erweiterten Reproduktion– Inkorporierung ökonomischer „Zwänge“

Daneben unterschiedliche in historischen Herrschafts- oder Integrationsmechanismen

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Sicherung bürgerlicher Herrschaft

Kunst repräsentativer Demokratie = • Integration

• Herrschaft durch Organisation von Zustimmung

• Herrschaft nur durch Zwang

• Unterwerfung durch Gewalt

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Sicherung bürgerlicher Herrschaft

Asymmetrische Kooperation = Form der Willensbildung in „sozialer Marktwirtschaft“

Kennzeichen: Integration pluraler Interessen auf

unterschiedlichen Ebenen Korporatismus der „Sozialpartner“ bei asymmetrischer Machtverteilung =

ungleiche Repräsentation

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Formalisierung des informalen Rechtsstaats

Informaler Rechtsstaat (Bohne) = Einflussnahme und Entscheidungsfindung neben den rechtlich normierten Institutionen und Verfahren =>– Ungleicher Zugang nach sozialer Macht– Aushöhlung rechtlicher Bindung bei Schein des

rechtlichen Verfahrens– Aushebelung gleicher Partizipation

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Formalisierung des informalen Rechtsstaats

Formalisierung des Informalen = Privilegierte Einflussnahme wird rechtlich fixiert => Vermischung von staatlicher und privater Kompetenz

Beispiele:WasserräteBusiness Improvement DistrictsBeleihung Privater WasserbetriebeGesetze werden von Privaten (Freshfields)

entworfen Mitarbeit von Privaten in MinisterienExpertenkommissionen

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Formalisierung des informalen Rechtsstaats

Umstellung auf ökonomische Logik

Privatisierung = Ökonomisierung öffentlicher Leistungen (pol. Staat und Daseinsvorsorge),„Akkumulation durch Enteignung“Zwecke werden nicht politisch gesetzt,

sondern ökonomisch bestimmt Entpolitisierung z.B. der Kommunen

Ökonomisierung des ÖffentlichenNeue SteuerungsmodellePublic Private Partnership

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Verlagerung von Entscheidungen

Produktion reflexiver SachzwängeInternationale Entfesslung der Märkte =

• Von der Warenverkehrs- zur Kapitalverkehrsfreiheit

• Vom Gatt zur WTO• Waren- und Kapitalverkehrsfreiheit als

dominierende Prinzipien der EU

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Verlagerung von Entscheidungen

Europa: Von der Neutralität der

Wirtschaftsverfassung zur Festschreibung der offenen Marktwirtschaft und Kapitalverkehrsfreiheit

Von gleicher Repräsentation zur Dominanz der Exekutive

Entstehung einer elitären Öffentlichkeit

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Vier Deutungen zur Krise der Demokratie

Colin Crouch – Postdemokratie (2003):Wahlen (+), aber dominiert von PR-

SpektakelProbleme werden von Experten

diskutiertBürger schweigenPolitik hinter verschlossenen TürenPolitiker, vertreten die Interessen der

WirtschaftPostdemokratie = demokratisches

Spektakel ohne Substanz

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Vier Deutungen zur Krise der Demokratie

Georg Soros – Die Krise des globalen Kapitalismus (1998):Verdrängung bürgerlicher Werte und Tugenden durch

„monetäre Werte“=>Gemeinwohl tritt in den Hintergrund, Spielraum der

Politik geringerGeringere Effizienz demokratischer Prozesse

(Eigenkorrektur)=> Verstärkung des Marktmechanismus gegenüber

der PolitikEffizienz und Legitimität des demokratischen

Prozesses wird weiter unterminiert zugunsten der „monetären Werte“

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Vier Deutungen zur Krise der Demokratie

Robert Reich - Superkapitalismus (2007):Exorbitantes Wachstum der Lobbygruppen

aus der WirtschaftVerdrängung anderer pluraler InteressenGrund: neue globale Konkurrenz führt zum

intensiven Kampf um jeden (gesetzlichen) Wettbewerbsvorteil

Politik = Austarieren der unterschiedlichen wirtschaftlichen, nicht mehr gesellschaftlichen Interessen

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Vier Deutungen zur Krise der Demokratie

Pluralismus der OligarchienRepräsentativorgane bleiben formal bestehenÜbertragen Macht auf legale, oligarchische Gremien,

d.h. Überrepräsentanz der sozial Mächtigen GruppenLegitimation erfolgt legal durch staatliche-

demokratische Organe, aber faktisch Entscheidungen ausgelagert

Verschiebung gegenüber dem asymmetrischen Korporatismus der frühen Bundesrepublik

Sozial ohnmächtige Gruppen werden als Feigenblatt integriert

Mächtige Gruppen werden in ihrer Pluralität vertreten

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Vier Deutungen zur Krise der Demokratie

Pluralismus der OligarchienAn Stelle sozialer Integration tritt Abschottung der

MachtGelingt insbesondere durch

Entscheidungsverlagerungen auf die EU und internationale Institutionen

Schaffung von „Sachzwängen“ durch Deregulierung der Märkte und Standortpolitik

Ausbau der Datenerfassung und Kontrolle= Teilweise Beseitigung der Trennung von Politik

und Wirtschaft, also keine Diktatur, autoritäres Regime oder autoritärer Etatismus

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Autoritäre Wendung in der Krise?

Nationale Bankenrettung 2008 Errichtung des Soffin und der

Finanzmarktstabilisierungsanstalt (FMS)– Faktisch entscheidet das Leitungsgremien Mitglieder mehrheitlich BankvertreterIm Benehmen mit Bundesbank berufenÜber die Maßnahmen, d.h. die Verwendung

der Gelder (480 Mrd. Euro). Keine Kontrollrechte des Parlaments

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Autoritäre Wendung in der Krise?

Autoritäre Wirtschaftsregierung statt Standortkonkurrenz in der EU 2011

Rettungsschirm (EFSF/ESM) für überschuldete Euro-StaatenAusteritätsprogramm gegen KreditePakt für den Euro

Benchmarking nach unten bei Löhnen, RentenKoordinierung der Steuerpolitik

Six Pack Automatismus im Stabi-PaktSchuldenbremseRechenschaftspflicht im „Europäischen Semester“

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Autoritäre Wendung in der Krise?

Bundesregierung will EU Verträge ändern mit:- Erweiterung des ESM zum EWF

Durchgriffsrechte auf nationale Haushalte- Stabilitätskommissar- Schaffung echter automatischer Sanktionen - Justiziabilität des Stabilitäts- und

Wachstumspakt vor dem EuGH- Regelung von Staatsinsolvenzen

Re-Regulierung der Finanzmärkte bleibt Kosmetik => Staaten und Politik folgen dem Diktat der Finanzindustrie

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Autoritäre Wendung in der Krise?

Re-Regulierung der Finanzmärkte bleibt Kosmetik => Staaten und Politik folgen dem Diktat der Finanzindustrie

Symbolik: • Aufschrei als Papandreou am 31.10.2011 ein

Referendum über EU-Auflagen durchführen will• „Experten“regierungen in Athen, Rom …• Kauder: "Jetzt wird in Europa Deutsch

gesprochen"

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Autoritäre Wendung in der Krise?

Neuer Autoritarismus, weil: Neue Mechanismen laufen neben den

Verträgen => Nationale Parlamente werden entmachtet EP und andere Institutionen entmachtet

Zentrale Überwachung ökonomischer Austeritätspolitik => Vollständige Entmachtung nationaler Politik Zentral durchgesetzter Neoliberalismus jenseits

öffentlicher Kontrolle

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Cпаcибо, Gracias,

Dank u well, Danke

fürs Zuhören