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HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT Et. Jahrgang 1971 Nr. I 4P 3828 F Herausgegeben oom Hohenzollerifchen Gefchichteoerein in Verbinöung mit öen Staatlichen Schulämtern Hechingen unö Sigmaringen l.l-UÄTRWS ' MO I*KINl?II ' l AC DoHKO.D'IJlL'Jö PHUlPPoVoHITI IN HOHIXZOLLEKN . DdMINofS , if^INO . VtRINU. El iCIIWABf B, D Hill » « « « HANl ' 1ABELL. Ol UOKM-I. >1 VTTH . ' imM «ig AjpbmJodiTn. W C - ^ l V i i m F f- \ " % . ^ vi t F [11- » mß®*\ V Abi L A f . t . . i Nir* \ V' vvvs* -»alwtftm ' Vi ^ Ü f p A A/J-T > - L | - ry- N r v * * / fiiHiwnnii < A / = Hechingen mit dem Killertal. Kupferstich aus Merlans Topographia Sucviae, 1643 Leg Trauer an, Es kreiste seit viel hundert Jahren Der Zolleraar ums Zollerschloß, Ob's Grafen oder Fürsten waren, Sie wehrten ah der Feinde Troß. Und später, als die Preußen kamen, Da schirmten sie mit starker Hand, Daß Ländergier und Macht nicht nahmen, Was uns gehört: das Zollerland. mein Zollerland! Was Krieg und Stürmen nicht gelungen, Zu lähmen uns're eigne Kraft, Mit schlauer List ist's nun errungen, Jetzt hat es Württemberg geschafft. Der dieses schöne Land zerrissen, Der hat die „Eintracht" nie gekannt, Die Einheit mußten wir vermissen, Leg' Trauer an, mein Zollerland! Dr. Hans Speidel, Landrat i. R. 65

HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT · HÖH ENZOLLERISCHE HEIMAT Et. Jahrgang 1971 Nr. I 4P 3828 F Herausgegeben oom Hohenzollerifchen Gefchichteoerein in Verbinöung mit öen Staatlichen Schulämtern

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H Ö H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT Et. Jahrgang 1971 Nr. I

4P 3828 F

Herausgegeben oom Hohenzollerifchen Gefchichteoerein in Verbinöung mit öen Staatlichen Schulämtern Hechingen unö Sigmaringen

ll.l-UÄTRWS'MO I*KINl?II'l AC DoHKO.D'IJlL'Jö PHUlPPoVoHITI IN HOHIXZOLLEKN. DdMINofS , if INO . VtRINU. El iCIIWABf B, D Hill » « « « HANl'1ABELL. Ol UOKM-II. >1 VTTH.'imM

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Hechingen mit dem Kil ler ta l . Kupferst ich aus Merlans Topographia Sucviae, 1643

Leg Trauer an,

Es kreiste seit viel hundert Jahren Der Zolleraar ums Zollerschloß, Ob's Grafen oder Fürsten waren, Sie wehrten ah der Feinde Troß.

Und später, als die Preußen kamen, Da schirmten sie mit starker Hand, Daß Ländergier und Macht nicht nahmen, Was uns gehört: das Zollerland.

mein Zollerland!

Was Krieg und Stürmen nicht gelungen, Zu lähmen uns're eigne Kraft, Mit schlauer List ist's nun errungen, Jetzt hat es Württemberg geschafft.

Der dieses schöne Land zerrissen, Der hat die „Eintracht" nie gekannt, Die Einheit mußten wir vermissen, Leg' Trauer an, mein Zollerland!

Dr. Hans Speidel, Landrat i. R.

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Leg Trauer an, mein Zollerland"

Wir haben mit Bedacht dieses Gedicht des früheren He-chinger Landrats Dr. Hans Speidel auf die erste Seite gesetzt, unter ein altes Bild von Hechingen mit dem Zoller, (es ist zu sehen in Thorbeckes Bildband „Hohen-zollern"), weil wir es in Aufbau und Versmaß gut fan-den, und weil es die Stimmung wahrscheinlich Vieler aus-drückt. Diese Stimmung ist hervorgerufen durch die nun ein Jahr lang anhaltende Diskussion um die Kreisreform, die bekanntlich eine Auflösung Hohenzollerns mit sich bringen soll. Es ist nicht die Aufgabe der „Hohenzolle-rischen Heimat", das mitzuteilen, was fast täglich die Spalten der Tageszeitungen in Hohenzollern füllt. Außer-dem dürften unsere Leser über die Zusammenhänge umso besser unterrichtet sein, als gegenwärtig und seit langem wohl kein politisches Thema mit solcher Anteilnahme, ja Leidenschaft verfolgt und besprochen wird. Unmittelbarer Anlaß zu dem Gedicht, das in der „Hohenzollerischen Zeitung" und im „Schwarzwälder Boten" abgedruckt zu lesen stand ist aber die unvermutete Wendung durch den dritten Regierungsentwurf zur Neuordnung. Nach ihm sollten die Stadt Hechingen und der Zoller voneinander getrennt werden, die Stadt zum Anschluß an Tübingen, die Burg und ihr Berg nach Balingen. Wir räumen ein,

daß es rational keinen Grund gibt, diese Trennung nicht durchzuführen, aber politisches Geschehen - wenn es vorüber ist, heißt es Geschichte - ist eben nicht nur ein Kalkül rationaler Kräfte, sondern ein Spiel mit noch ganz anderen, tieferen und wichtigeren Faktoren, wobei selbst die Bezeichnung „Faktoren" wiederum viel zu rational klingt. Mit anderen Worten: es erscheint jedem bewußt Lebenden, mithin jedem Freund seiner Heimat und ihrer Geschichte als schlechterdings unmöglich, den Zoller und Hechingen zu trennen. Sie haben vielleicht ein Jahr-tausend, und gewiß nicht sehr viel weniger, zusammen-gehört. Wir halten d a s für einen so geschichtsträchtigen Umstand, daß ihm gegenüber alle anderen Gründe schweigen müssen. Diese Ansicht vertreten wir umso ent-schiedener, als keinerlei Interessen, Rechte, Lebensbereiche oder was immer der Hechinger und ihrer Umwohner ge-schädigt werden, wenn der Zoller und die Stadt auch in Zukunft zu einem einzigen Landkreis gehören. Mag die Verwaltungsreform mit vielen vernünftigen Gründen eine bessere Ordnung bringen, kürzere Wege, bessere Förde-rung, erfolgreichere Infra-Strukturen, den Zoller muß sie auf jeden Fall bei Hechingen lassen.

Die Redaktion

Register 1970 ORTS-, SACH- U N D ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Achberg, Abschied von Achberg (1 Abb.) . . 33 Augsberg (b. Steinhilben) Name 38 Beerstein, Burg bei Hausen i. K 41 Bergmarken aus Hohenzollern (3 Abb.) . . 8-10 Bingen, St. Euiogiuskapelle 43 Buck, Pater Fidelis Buck, Ehrenbürger

von Hornstein (1 Abb.) . 43 Denkmalpflege in Hohenzollern (3 Abb.) . . 1 -4 Eisenbahn, Hohenzollern erhält Anschluß

an das Eisenbahnnetz 35-38 Gammertinger Schachfiguren und Spielsteine . . 58 Gereitherter Veesen 38 Geschichtsverein, Hohenz.

Jahresversammlung 1970 . . 58 Hanner Konstantin, Decken^ild in der

St.-Michaels-Kirche Gammertingen (Titelbild) 49 Hechingen mit Hohenzollern (Titeil ild) . . . 17 Hechingen, Straßennamen 11-14

18-24 Heimat im Dorf - im Kreislauf

des Jahres (1. Teil) 50-56 Heimatliteratur, ehemalige Klöster . . . 56 Heuneburg, Buchbesprechung . . . . . 16 Hohenzollern, Leopold v. H . (1 Abb.) . . . . 42 Hohenzollern, wie steht es um Hohenzollern? . . 17 Horb bei Salmendingen? . . . 15 Jungingen, Konrad und Uirich v. J., Zwei Hoch-

meister des Deutschen R i r terordens (l Abb.) . 26-29

Kommunalverband, Bücherei . . . . 29 Krieg von 1870 41 Krieg von 1870/71, Der erste Tote des K. . . . 41 Kulturgeschichtliche Lesefruchte . . . 44-47 Lägstein, Leckstein, Burg bei Gauselfingen . . . 43 Lindich, das Jagdschloß 6 -8 Mariaberg, Besuz des ehem. Frauenklosters

in hohenz. Orten 62-64 Mundart, Bezeichnung der

Verwandtschaftsgrade in Rangendingen . . 14-15 Rangencr igen, Vergessener Adel

von Rangendingen 30-32 Römische Funde (Ostrach, Inzigkofen) . . . . 29 Römischer Gutshof mit Bad in Ostrach (1 Abb.) 39-40 Sauter Walter, Nachruf 5 Schwedengreuel 1633 58 Stetten b. Hech., Kloster.

Widerstand gegen Reform 25 v. Steuben, Friedrich Wilh., General . . . . 4-5 St. Nikolaus im Schwabenland

Archivar Eugen Schnell (1 Abb ) 61 Unterschmeien, die Sage vom Eulengrubenweiblein 56 Veringendorf, Brennpunkt

frühmittelalterlicher Geschichte . . . . 57 Veringendorf, St. Michaelspflege 1444 57 Weiler unter Lichtenstein (2 Abb.) . . . . 59-60

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M A X I M I L I A N S C H A I T E L

Von Scharfrichtern und Kleemeistern in Haigerloch

Zu einem Stand e ;ener Ar t zählte in unserem Rechts- und Gesellschaftsleben bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Scharfrichter, der mit der Schärfe des Schwerts richtet, auch Nachrichter oder Freimann genannt. Das Wor t Nach-richter erklärt sich leicht aus der Tatsache, daß der Scharf-richter nach dem ergangenen Ur t 1 der ordentlichen Rich-ter die verhängten Strafen, Todes- und Leibesstrafen zu vollstrecken hatte. Die Bezeichnung Freimann deutet wohl auf den Ausschluß des Scharfrichters aus der mensch-lichen Gesellschaft hin, der aber für sein Wirken doch den Schutz des Gesetzes genoß und nicht zur Rechenschaft ge-zogen wurde. Alle drei Bezeichnungen bedeuten dieselbe Tätigkeit und denselben Beruf, sie stehen verhüllend und beschönigend für das Wor t Henker . Der ganze Berufs-stand war nach dem allgemeinen Volksempfinden ge-ächtet, hatte keinen guten Ruf , war eben ehrlos! Wer eines Scharfrichters Tochter heiratete, mußte häufig einen nicht immer erfolgreichen Kampf fü r seine berufliche An-erkennung, für die Aufnahme in die Zunf t führen. Den Söhnen eines Scharfrichters blieb meist nichts anderes übrig, als bei dem Vater in die Lehre zu gehen, sein Ge-hilfe zu werden und im Amte nachzufolgen oder sich an-derswo um eine freie Schärft i t e r s f e l l e zu bewerben. So kam es, daß sich das „blut ' ,e A m t " of t in langer Ge-schlechterreihe forterbte und die Scharfrichterfamilien durch Heiraten über weite Gebiete versippt waren. Selbst der Umgang mit dem Scharfrichter machte „unehrlich". Deshalb hatte er , ;ch fernzuhalten von den ehrsamen Leu-ten. Er trug eine eigene rote Berufskleidung oder wenig-stens ein besonderes Abzeichen am Rocke. In der Kirche hatte er seinen eigenen Pla tz und ^n Wirtshause einen besonderen Stuhl, der of t dreibeinig war , wie der Galgen. Durch die Kunstgerechte Enthauptung eines Verurteilten wurde er Meister. Der Scharfrichter half auch bei der peinlichen Befragung mit, das heißt, er suchte durch Fol-tern des Delinquenten diesen zum Aussagen und zur Ab-gabe eines Geständnisses zu erpressen. Weiter vollzog er auch die Leibesstrafen, wie Abhauen von Gliedern, Aus-peitschen, Brandmarken usw. Er mußte auch kleinen Missetater an den Pranger stellen, die Schandzeichen um-hängen, in die Geige spannen oder mit dem Wippgalgen in das Wasser tauchen und was der Strafen noch mehr wa-ren. ö f t e r s , so auch im Bezirk Haigerloch, war der Scharf-richter nebenberuflich noch Abdecker, Schinder, Wasen-oder Kleemeister. Als solcher hatte er das gefallene Vieh wegzuschaffen, die H a u t abzuziehen und die .^cht ver-wendbaren Teile der verendeten T ere zu beseitigen. Der Bezirk, den der Scharfrichter als Kleemeister zu besorgen hatte, wurde auch Bailei genannt, entsprechend der Ab-decker auch Balleimeister. D a ß sich mancher Kleemeister im Umgang mit krankem und beim Zerlegen eingegange-nen Viehes auch anatomische und chirurgische Kenntnisse aneignete, ist verständlich. So i ; es auch nicht verwunder-lich, wenn der oder jener Kleemeister sich als Tierarzt be-tätigte und aus oen Scharfrichter- und Abdecksippen gar of t hauptberufliche Tierärzte hervorgingen.

Scharfrichter und Kleemeister in Haigerloch war um 1670 Hans Martin Deigendesch, auch Geigendesch und im Hai -geriocher Pfarrbuch einmal Steigentäsch g e s c h r i e n . Die Deigendesch waren in Süddeutschiand ein weitverzweigtes Scharfrichtergeschlecht. Wir finden sie in Bayern; 1684 ist ein Deigendesch Scharfrichter in Altdorf bei Weingarten,

1719 ist ein Johann De^endesch Scharfrichter in Balingen und in Veringenstadt üben sie in mehreren Generationen das ehrenrührige Amt aus. Im Jahre 1716 gibt der Scharf-richter Johannes Deigendesch bei Justus Fleischhauer in Reutlingen des „Nachrichters nützliches und aufrichtiges Pfe rd- oder Roßarzneibuch usw. nebst einem Anhang von Rindvieh-Arzneien" heraus, das 1752 in neuer und ver-besserter Auflage erscheint. Unser Haigerlocher Deigen-desch war übrigens verheiratet mit Anna Maria Voll-mari i aus der Scharfrichtersippe der Vollmar, die in P fu l -lendorf und Löffingen bei Donaueschingen amteten. O f -fenbar war unser Scharfrichter mit seiner Ent lohnung nicht zufrieden und wandte sich an die fürstl . Regierung in Sigmaringen. Es kam zu < ier Neufestsetzung der Ge-bührnisse, die im Wort laut , aber der heutigen Rechtschrei-bung angepaßt, wiedergegeben werden soll:

„Auf Ihrer Hochfürst l . Durchlaucht, Unseres Gnädigen Herren , gnädigste Rat i f ika t ion ist da to im Beisein des ge-samten Oberamts mit Meister Hans M a r n n Geigentesch, Nachrichter zu Haigerloch, seiner künftigen Verdienste halber, bei Exekution und Abst rafung der Malef: anten, solange er solchen Dienst versieht, nachfolgender Vergleich getroffen worden:

T. Wenn er in malei Tsacnen von dem Oberamt erforder t und durch anderes nicht gebraucht wird, als daß man iiin allein der Malefizperson vorstellet oder die Ju-stierten der Tor tur gewiesen werden, so soll ihm jeden Tag, es seien hernach viel oder wenig Personen, für 1 Gang bezahlt werden 45 x

2. Wenn man aber hn allein zu dem Ende anforder t , damit er im Bedürfnisfal l eine oder andere Personen zum Schrecken vorgestellt werden und solches dem-nach nicht beschieht, sollen ihm des Tags gegeben werden 24 x

3. So of t er, Nachrichter, zum Torquieren erforder t wird, es geschihe ein-, zwei- oder mehrmals, auch an einer oder mehr Personen, so ist sein Verdienst des Tags 1 fl 30 x

4. Wenn eine Person vom Leben zum Tode zu richten ist, es sei mit dem Schwert oder Strick, ist sein Lohn für jede Person . 2 fl

5. Wenn aber solches mit dem Radbrechen, Lebendigver-brennen, Spießen, Vierteilen oder dergleichen ge-schieht, so solle ihm von jeder Person gebühren . 3 fl

6. Von einer oder mehreren Personen, welche auf einmal tot verbrennt weraen, ist sein Lohn . . . 1 fl 30 x

7. Solle er von dem Haufen - oder Rostmachen haben 1 fl. Jedoch solle das Stroh und H o l z auf den Platz ver-ordnet, auch wenn er zur Er tötung Schwefel und Pul-ver von Nöten, ihm solches beigeschafft oder wenn er es selbst beischafft, nach billigen Dingen bezahlt werden.

8 Wenn eine oder mehrere Personen auf einmal zu ver-graben sind, ist sein Lohn, da er sonst an der Exe-kution oder Tor tur wenig empfängt . . . 1 fl 30 x

Wann aber sein Verdienst ohne 'e Mahlzeit sich über 3 fl erstreckt, so stehet zu des Oberamts E r k e n n t r . s ob man 1 hm dafü r viel oder wenig oder gar nichts pas-sieren lassen wolle.

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9. Wann eine oder mehr Personen auf einen Tag zum Tode hingerichtet werden, so solle ihm, Nachrichter, vor die Mahlzeit mehr nicht passiert werden als 4 fl

10. Wann sich ein Übeltäter selbst erhängt und es die herrschaftliche Rentei bezahlen muß, solle ihm Nach-richter vom Stricke zu lösen, gegeben werden 1 fl 30 x. Und wenn von derselben zu vergraben er gehalten werde, wie hiervon bei Punkt 8 angezeigt worden.

11. Wann die Gefängnisse aufzuräumen und zu säubern sind, soll er solches, wie recht ist, verrichten oder ver-richter vom Stricke zu lösen, gegeben werden 1 fl 30 x. und Trank bezahlt werden 20 x

12. Wann wegen der Sodomiten ein oder anderes Stück abzutun oder zu verbrennen wäre, solle er vom Ab-holen nach Beschaffenheit billigen Lohn und von dem Verbrennen und Abtun überhaupt zu empfangen haben 2 fl

13. Sollten aber letztlich andere hier nicht spezifizierte Fälle sich ergeben, bleibet die Sach jederzeit zur ober-amtlichen Erkenntnis gestellet, was ihm nach Propor-tion des Vorigen da fü r zu schöpfen und zu bezahlen sei. Zur Urkund dieses Vergleichs sind zwei gleichlau-tende Exemplaria und vorgedrückte fürstliche Kanzlei-Sekret gefertiget, eines bei der Kanzlei behalten und das andere ihm- Nachrichter, zugestellt worden.

Actum Haigerloch, den 6. July 1689

Hans Mart in Deigendesch starb, erst 45 Jahre alt, ver-sehen mit den Sterbesakramenten, am hitzigen Fieber (calida febri) und wurde am 18. Juni 1695 auf dem Un-terstadtfriedhof beerdigt. An Kindern hinterließ er zwei Töchter. Seine Witwe, im Volksmunde nur die „Henker-Marey" genannt, erreichte das 70. Lebensjahr und starb am 1. Dez. 1717.

Nachfolger im Scharfrichter arnt wurde der jüngere Bru-der des Verstorbenen, Hans Jörg Dsigendesck, verheiratet mit Sabine Bolthlerin. Ihm wurden die Gebühren 1/01 und 1728 jeweils erhöht. Im Jahre 1741 legte Hans Jörg altershalber sein Amt nieder und bat, seinen Gehilfen und Tocntermann Hans Jörg Steinmayer als „Freimann" an-zunehmen. Dem Ersuchen wurde stattgegeben, die Be-stallungsurkunde ist erhalten und datiert vom 13. Nov . 1741. Am 22. Juli 1742 wird dem Scharfrichter paar ein Sohn geboren, der JakoDus getauf t wurde und als Jakob Steinmayer dem Vater im Amte nachfolgte. Jakob war in I. Ehe mit The resa Reirhiin von Grafenhausen und nach deren Tode im Jahre 1769 mit Cacilia Seitin von Obern-dorf, Österreich, verheiratet. Letzter Scharfrichter und Kleemeister in fürstlicher Zeit war Jakobs Sohn, Johann Georg Steinmayer, geb. 11. 7. 1779 in Haiger loch und gestorben daselbst am 31. 10. 1852 Er hatte sich im Jahre 1818 mit Helene Burkart , der Tochter des Hechinger Scharf r ' Jners Veit Burkar t vermählt . Schon im Jahre 1808 war die Herrschaft Glat t , die vorher von der Klee-meisterci H o r b a. N . betreut wurde, dem Wasenmeisterei-Distrikt Ha.gerloch zugete'lt worden. D a sei der Jah r -hundertwende der Scharfi hter wohl nur noch selten In '. ätigke.1 c zu treten hatte, war nunmehr mit der Ver-größerung des Bezirks, die Abdeckerei zur Hauptbeschäf-tigung Ste.nmayers geworden. Unter dem 30. 6. 1813 er-ließ d e fürstl . Regierung folgende Verordnung: „Nach Maßgabe der schon bestehenden Vorschriften über ( ie Hinwegräumung des umgestandenen Viehes aller Ga t -tung wird h ' . rmi t verordnet, daß alles gefallene V ;h, welches nach geschehener Schlachtung zu dem Verspcl ;en nicht tauglich erfunden wird, dei n dem Lande aufgestell-

ten Kleemeistern solle angezeigt, und von diesen allein die Hinwegräumung des Viehes auf den in jeder Ortsbahn befindlichen Wasen vorgenommen werden. Diejenigen, welche gegenwärtiger entgegen, gefallenes Vieh oder zum Vergraben gewidmetes Fleisch selbst hinwegschaffen und darüber die Anzeige an den aufgestellten Kleerr. ister un-terlassen, sollen fü r jeden Frevel um 3 fl bestraf t werden." Unter dem 13. 10. 1855 - St inmayer war am 31. 10. 1852 gestorben - wurde die erledigte Stelle eines „Klee-meisters für den Balley-Bezirk Haigerloch" zur Wieder-besetzung ausgeschrieben mit der Bemerkung, daß ein fixer Gehalt mit der Stelle nicht verbunden sei. Mit Er-laß vom 14 12. 1852 übertrug die kgl. Regierung in Sig-maringen der Witwe des verstorbenen Wasenmeisters, der Frau Helene Steinmayer, die Kleemeisterei Haigerloch, weil der bisherige Gehilfe ihres verstorbenen Mannes als geeignete, tüchtige K r a f t bei ihr blieb, Georg Ade mit N a -men. Drei Jahre später, am 24. 3. 1855, erließ die kgl. preuß. Regierung zu Sigmaringen eine „Instruktion fü r die Kleemeister" der 6 hohenz. Balleien, die 13 Para-graphen umfaßte, wovon hier nur § 5 erwähnt sein solle. Danach hat der Eigentümer kleine Tiere, wie Hunde , Katzen, junge Schweine und Geflügel aller Art , gleichv 1 ob solche eingingen oder von der Polizei getötet wurden, selbst an einem dafü r bestimmten, entlegenen Orte 3 - 4 Fuß tief zu verscharren. Sollte der Eigentümer den Klee-meister damit beauftragen, so hat er diesen auch selbst zu bezahlen. Als die Haigerlocher Wasenmeisterstelle 1855 zur Neubesetzung ausgeschrieben wurde, meldet sich Ade, wies auf seine bisherige Tätigkeit als Gehilfe hin und dar-auf, daß der „Schindacker und die Wasenhütte" ohnehin sein Eigentum sei. Ade erhielt das Wasenmeisteramt, das bis zum I. Weltkrieg bei der Sippe Ade blieb, aber durch das Viehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 neue Bestim-mungen erhalten hat.

Üb *ens sei noch erwähnt , daß die letzte Person, die in Haigerloch hingerichtet wurde - es war im Jahre 1779 -eine Theresia Riederer von Gengenbach war und daß das Haigerlocher Richtschwert nach H O D L E R sich im Besitz des Frhr. von O w in Wachendorf befindet. Das Wohnhaus und die Wasenhütte standen um 1800 im „Klingler Win-k e l ^ am Fußweg nach Bad-Imnau, während die Ade's ihre Hüt t e im „Schindergraben" I nks des Faßweges Ober-stadt Haigerloch-Gruol hatten. Interessant ist auch d j i Tatsache, daß 1845 für Llr.igerloch ein Tierarzt Stein-riiayer nachgewiesen ist, o f fenbar ein Mitglied der ehe-maligen Scharfrichter- und Kleemeistersippe Steinmayer.

Die Durchsicht der Haigerlocher Pfarrbücher besorgte freundlicher-weise Pritz Staudacher, Hechingen.

I lohe Preise für Münzen Einige Münzen aus Hohenzoilern erz'eien derzeit auf Auktionen offenbar hohe Preise Ein 2-Gulden-Stück Carl Antons, von dem nur 1213 Exempiare geprägt worden sind, steht in einem Münzkata log mit 1 300 D M zu Buche. Ein für den Geldverkehr in Hohenzoilern geprägter Gul-den von 1852 ist mit 90 D M ausgezeichnet, und ein Gold-stück von 20 rumänischen Lei mit dem E id Carols I. von Rumänien-Hohenzol lern kostet 100 D M . Außerdem geht die Rede von einem nur in vier (!) Exemplaren gep-agteri Goldstück entweder Carls oder Carl Antons, dessen Wert heute um 6 000 D M liegen soll. Fnck

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J O H A N N ADAM KRAUS

Haigerlocher Adelige und Bürger

A) Grafen: Als ersten Grafen, der sich nach Haigerloch und zugleich nach der Burg Wiesneck im Dreisamtal nannte, findet man von ca. 1180 bis 1196 einen Adalbert, der früher irrig mit dem Alpirsbacher Klosterstifter Adalbert von Zollern gleichgesetzt wurde. Des Haiger-locher Grafen Bruder war Bruno, der Stifter von St. Mär-gen unweit der ehemaii ;en Wiesneck \ Adalberts ver-mutlicher Sohn war Graf Wetzel (Werner) von Haiger-loch 1118-1125, sein Enkel wohl Graf Wetzel II., der von 1133 bis 1162 auftrit t , und bereits 1141 einen Sohn Adalbert hatte 2. Es scheint kaum glaublich, daß letzterer mit dem „über homo" der Reichenbacher Schenkung von ca. 1166-1180 identisch ist (siehe unten). Man möchte vermuten, ein Graf von Zollern (bzw. Zollern-Hohen-berg?) habe eine Gräfin von Haigerloch als Erbin der Herrschaft und des quergeteilten weißroten Wappenschil-des geheiratet, ohne daß man freilich eine genauere Zeit angeben kann. Lediglich ist sicher: die Söhne des Grafen Burkart II. von Zollern (1125-1150) namens Burkart I I I . (1170-1195) und Friedrich (1158-119?) nannten sich „von Hohenberg". Ersterer hatte als Gattin eine Lugardis von Tübingen heimgeführt, die laut Grabstein (mit den Wappen Tübingen-Hohenberg!) am 23. November 1201 starb3 . Wieso Hodler den 1160 bis 1194 nachweisbaren Grafen Berthold von Zollern (Sohn des Friedrich IL) als Herrn zu Haigerloch angibt ist unklar. Erst 1225 tritt Graf Albert von Hohenberg, Sohn Burkarts III. , als „Graf von Rottenburg" zusammen mit F 'ttern aus dem Haigerlocher Gebiet auf, die wohl zu seinem Hofstaat gehörten 4.

Graf Albert I I . , der Minnesänger in seinem letzten Kampf

» a p p w i Graf BurUrt i III, 1225

B) Niederadelige: Wie bei vielen bedeutenden Grafen-burgen findet man auch bei Haigerloch Angehörige des niederen Adels als Vasallen des Hochadels, welche die Burghut innehatten. Als erste erscheinen in den Wiblinger Annalen (falls die Nachricht überhaupt stimmt) 1172 bis 1182 die Brüder Berno und Arnold von Sigburg 4a und Haigerloch, ersterer als Stüter des Klosters Reichenbach im Murgtal 5 . Bald darauf findet sich (1096, nicht 1006) ein Henricus de Heigerlo als Zeuge bei der Schenkung des Grafen Adalbert von Froburg ans Kloster St. Alban in Basel6. Möglicherweise gehörte hierher auch der über homo (freie Mann) Adalbertus de Heigerlo, der um 1166 bis 1182 ans Kloster Reichenbach sein Gut zu Hirrlingen und Marpach (dabei abgeg.) geschenkt hat 7. Unter den Zeugen f ndet man einen Grafen Berthold von Achalm (-Neifen), den Erben der um 1166 ausgestorbenen Grafen von Gammertingen-Achalm e. Aus diesem Grunde kann diese Schenkung nicht schon um 1150 stattgefunden haben, wie man früher meist annahm und jenen Adalbert mit dem 1141 erwähnten gleichnamigen Sohn des Grafen Wetzel II. von Haigerloch gleichsetzte 9. Man vergleiche dazu die vielen liberi homines im Rotulus Sanpetrinus aus dem 12. Jahrhundert1 0 , die keineswegs alle hoch-adelige Freiherren gewesen sind, sondern eben jeweils als freie Männer (nicht Vasallen oder Leheninhaber) über ihr Schenkungsgut verfügen konnten! Im Jahre 1236 tritt ein Heinrich von Haiginloch (!) als Zeuge auf1 1 . In Ur-kunden von 1125 bis 1253 finden wir sodann einen Hugo von Haigerloch, der als Vater des seligen Gottesmannes Adalbert von Niederaltaicb (1261-1311) in Frage kommt, der sicher kein Grafensohn war 12. Von 1284 bis 1315 läßt sich ein Predigerbruder Walther von Haigerloch feststel-len 13 und 1288 ein Johannes von Haigerloch 14, 1297 ein Kunzo v. H. , Eberlins (d. h. Eberhards) Sohn. Wohl der gleiche Kunz v. H . besaß vor 1342 einen Zehntteil im nahen Renfrizhausen 15, und noch 1345 bis 1351 war ein Ruf (Rudolf) von Haigerloch Schulthaiß zu Horb 16.

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c. Die Steinhofer. Nach einer Urkunde des Klosters K rch-berg bei Haigerloch 17 vom 2. Januar 1318 haben unter diesem Datum die Brüder Albrecht und Heinrich die Steinhover (nicht „Steinhauer"!), Söhne des verstorbenen Albrechts des Steinhovers, mit Zustimmung ihrer Mutter Zyrina und ihren Geschwistern ans genannte Kloster ihr zu Gruol („Gruorn") gelegenes Eigengut um 10 Pfund Tübinger Heller verkauft . Das Gut bebaute Berthold der Weber und lieferte davon jährl'ch dre Vlalter Vesen und 2 Malter Haber Haigerlocher Meß. Der Verkauf geschah mit Zustimmung des Grafen Rudolf von Hohenberg, ihres Herrn. Als Bürgen stellten sie ihren Stiefvater Kunrad Bützelin und als Zeugen Burkart Amann, Hei irich Schult-heiß, seinen Tochtermann, und den jungen Friedrich Bü-ringer. Die Stadt Haigerloch siegelte die Urkunde.

Ein adeliger „Berchtold von Steinhofen" \var schon am 2. Februar 1241 zusammen mit Werner und Gero von Bu-benhofen Zeuge für den Grafen von Württemberg und wohl der gleiche B(ertold) von Steinhofen hatte 1268 An-teil am Zehnten im benachbarten Engstlatt1 8 . In Stein-hofen kann man sich eigentlich eine Burg nur auf dem heu..Jen Kirchhügel vorstellen. Freilich mußten die spä-teren Kirchenbauten und der jahrhundertelang belegte alte Friedhof daselbst jede Spur verwischen! Die Haigerlocher Bürger Steinhover dürften wohl Nachkommen des ehema-ligen Ortsadels von Steinhofen gewesen sein.

Ein Benz (Berthold) der Stainhover war am 25. Februar 1326 Zeuge für Bäldeli Kerus (v. Bisingen) beim Verkauf der Oberaufsicht eines Gutes zu Owingen ans Kl. Kirch-berg 19. Pfaff Kunrad der Steinhover und Benz der Stein-hofer waren am 31. Mai 1352 mit noch andern Zeugen, als die Gebrüder Berchtold und Walgger Kerus eine Leib-eigene zu Engstiatt an den Zollergrafen Friedrich den äl-teren veräußerten 20. Ein ßurkar t von Steinhofen hatte noch um 1380-1400 als hohenbergisches Lehen zu Oeschin-gen einen Acker auf dem Stein und eine ^ _ese auf dem Espan2 1 . Ein „Stainhoffer" wohnte 1393 zu Ratshausen und wurde um 26 Pfund Heller gebrandschatzt22. Dann hört man nichts mehr von der Familie.

d. Die von Stetten, genannt Ganasser bzw. Esel

Ein Berthold der Esel zu Haigerloch wird 1293 23-1296 und 1297 erwähnt, 1299 daselbst neben Ritter Wernher Gymmerli ein Benzo dictus Ganusser mit zwei bibi.chen Brüdern Ulrich und H(einrichP), 1300 ein Ganussarius 2J. Eine Mie, „des von Stetten Tochter", war 1311 mit Mech-tild von Gruorn (Gruol) Konventschwester im Kloster der Dominikanerinnen zu Kirchberg b. Haigerloch 24a. Der ehrbare Herr Burkart der Esel zu Hai gerloch hatte einen gleichnamigen Sohn und war um 1328 begütert ¡n Har t , Tailf ingen und Gruol. Im Jahre 1325 erwarb der Haiger-locher Bürger Albrecht der Ganasser von seinem Bruder „Burkart von Stetten" Güter zu Owingen 25, und am 25. Februar 1326 besaß Albrecht von Stetten ein Lehen-gut von Bälderli Kerus (v. Lisingen), der unter diesem Datum sein Eigentumsrecht um 2 Pfund Heller ans Kl. Kirchberg abtrat2 6 . Am 28. März 1326 verkaufte „Albrecht von Stetten, genannt der Ganusser", als Haiger-locher Bürger mit seiner Frau Mechtiid ihr Gut zu Owin-gen, das Heinrich der Huser bebaute, um 31 Pfund Heller ans Kl. Kirchberg. Das Gut hatten schon Albrechts Vater und „Ehni" besessen. Zeugen waren dabei Konrad der alte Vogt. Burkart der Ammann, Bvrkart von Stetten. Die Stadt Haigerloch siegelte 27. Der gleiche Albrecht v. St., genannt Ganusser, veräußerte am 7. März 1330 dem glei-chen Kloster sein Gut zu Grosselfingen, das Konrad der Maier, Wagpens Sohn, bebaute, und zwar zu eines Seel-gerät, das jährlich drei Tage nach Unser Frauen Endte

(25. März) zu halten war, näm' ch für des S fters Mutter Sophie, seinen Aehni Albrecht von Ymnowe und dessen Gattin Diemut. Auf hres Bürgers Bitte siegelte wieder die Stadt Haigerloch 28. Ein Ulrich von Ymmenowe (Im-nau) war übrigens ca. 1380 hohenbergischer Lehens-mann 29. Im-Jahre 1330 gab es auch in Hechingen den Na-men Esel. Nämlich Heinrich der Esel, Bürger daselbst, verkaufte ans Kloster Stetten 1 Pfund jährLJier Gilt aus seinem Haus und dahinter liegendem Garten um 10 Pfund Heller. Seine Frau Adelhe. [ und sein Vetter, Pfaff Kon-rad der Esel von Killer, willigten ein. Letzterer siegelte mit seinem Pfarrsiegel von K der, einer stehenden Ma-donna; Heinrich hatte kein Siegel30. Beide scheinen nach Haigerloch verwandt zu sein. Im J. 1333 verkaufte Alb-recht der Esel, Bürger zu Haigerloch, mit Einwilligung seiner Frau Mechtiid ans Kl. Kirchberg seine Wiese zu Amlahusen (abgeg. zwischen Binsdorf und Gruol 30a). Im selben Jahr erscheint Albrecht der Ganasserais Tochter-mann Konrads des Vogts von Rottenburg. Er und Alb-recht der Esel führten einen Esel im Wappenschild 31, wie Kunz von Schmiehen 1348 (Schmeien?). Am 7. September 1337 verkaufte Albrecht, des von Stet-ten Sohn, Bürger zu Haigerloch, ans Kl. Kirchberg eine Gilt aus einem Gut zu Weildorf 32. Heinrich der Esel war 1338 Richter zu Haigerioch. Die Witwe Mechtiid des ver-storbenen Albrecht, des Ganussers von Haigerloch, und ihre Kinder erwarben am 18. März 1339 von den Gebrü-dern Berchtold, Walger und Bäldeli Kerus das Eigentums-recht am Gut zu Ow.^gen, das der genannte Albrecht und seine Vorfahren von der Familie Kerus als Lehen besaßen, um 9 Pfund 3 Schilling Heller, wobei die drei Kerus sie-gelten 33. Doch schon am 30. April dieses Jahres haben die Witwe Mechtiid und ihre dre Kinder, nämlich „Bruder Konrad", Berchtold und Mige, ihr Gut zu Owingen ans Kl. Kirchberg verkauft . Das Gut bebauten Albrecht der Herrscher, Lugart die Swigerin und Mechtiid die Krönerin und lieferten jahrlich 9 Malter Kernen (Haigerlocher Meß), 9 Schilling weniger 4 Heller, 2 Gänse, 4 Herbst-hühner, 3 Fastnachtshennen und 3 Schultern oder Schin-ken. Der Kaufpr.:,s betrug 100 Pfund Heller. Dabei wa-ren Bürgen: Albrecht der Ganusser von Haigerloch und Burkart von Stetten, offenbar die nächsten Verwandten. Zeuge spielten Konrad der Vogt von Haigerloch, seine Brüder B(urkart?) und Heinrich, B. der junge Schultheiß und Albrecht der Esel. Die Stadt Haigerloch siegelte 34. Am 14. August 1340 war Albrecht von Stetten zu Gruol seßhaft. Unter diesem Datum einigte er sich mit dem Kloster Kirchberg durch Vermittlung des Haigerlocher Vogts Machinger von Mittelburg, Wernhers des Tieringers, Kunrads des alten Vogts, Burkarts und Heinrichs der Schultheißen betr. ein P fund Keller, das Albert (Albrecht) der Ganasser selig zum Ewigen Licht für seinen verstor-benen Bruder Konrad gestiftet hatte. Die Klosterfrauen sollen jährlich 6 Sei II ^ng Tübinger erhalten aus der Wiese, genannt der Vaiss Brühl und aus Canos Wiesen, sowie 4V2 Schilling aus 3 Wiesen vor Rötenberg und im Winkel, die derzeit Benz Stähelin bebaut. Ferner 4 Schilling aus drei Wiesen, einer unter des genannten Stähelins Wiese vor Roetenberg, einer vor Kestelberg und e ie r dritten vor den Swoigen gelegen, d:-r alle die Kelrerin baut. Fer-ner gehen 20 Tüi_inger aus der Haul Hofsta t t zu Gruol („Gruorn"), 18 Tübinger aus der dabeigelegenen Hofstat t des Benz von Salant und 30 Tübinger aus der Hofstat t , die der Schutter um 4 Schilling empfing. Albrecht von Stetten bekennt weiterhin, er und seine Erben wollten dem Kloster jährlich um Georgi 5 Schilling Tübinger aus v e r Mannsmahd Wiesen zu Amlahusen (siehe oben) lie-fern, andernfalls soll die Wiese ans Kloster fallen. Er ver-spricht das Pfund und die 10 Schilling, die zu einer Jahr-

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Haigerloch. Kupferst ich von Dominikus Stadler, um 1825

zeit vermacht sind, nicht anzufechten. Zeugen waren: Konrad der Dürre, Albrecht der Esel, Albrecht der Ga-nasser. Neben der Stadt Haigerloch siegelte auch der Vogt Mechinger von Mittelburg 35.

Der Bürger Burkart Boyehart zu Haigerloch versetzte im Jahre 1346 seine Roggengilt zu Trillfingen dem Albrecht Ganusser von Haigerloch um 3 Pfund Heller und 1347 am 23. April verkaufte er sie dem „Bruder Konrad von Stetten" ins Kloster Alpirspach 36. Dieser ist offenbar der 1339 erwähnte Sohn des damals toten Albrechts des Ga-nussers! Ein Walther von Stetten war 1349 tot. Am 6. De-zember dieses Jahres verkauften dessen Kinder Walther und Gertrud an die Priorin und den Konvent zu Kirch-berg ihre halbe Mannsmahd Wiese im Zimmerner Tal (bei Heiligenzimmern) neben Hermanns des Suters Wies ge-legen. Den Tübinger Schilling, den die Wiese als Zehnten zu geben hatte, wollten sie jährlich aus "irem vom Vater ererbten Haus zu Haigerloch bezahlen. Der Kaufpreis be-trug vier Pfund weniger 5 Schilling, also 3 Pfund 15 Schil-ling. Es bürgten Hans der Amman und ihr Oheim Her-mann Haggenbrose 37. Der Haigerlocher Bürger Albrecht, des von Stetten Sohn, veräußerte am 7. September 1356 mit Zustimmung seiner ehelichen Wirtin Adelheid von Hohdorf dem Kloster Kirchberg seinen Teil des Holzes Kunkgruob, das bisher schon halb den Frauen gehörte 38. Burkart von Stetten, seßhaft zu Gruorn, und seine Frau Agnes verkauften am 15. Okt. 1356 an Berchtold den Ga-nusser Haigerloch ihren Teil des Gütleins zu Hoch-spach (Hospach bei Haigerloch), genannt der Auberlinen Gut um 38 Pfund Heller unter dem Siegel der Oberstadt Haigerloch 39. Graf Rudolf von Sulz, Hofrichter zu Rott-weil, beurkundete am 19. Oktober 1378, daß er den Brun-hof, den Auberlinshof und eine Wiese an der Stünz, alle zu Hospach gelegen, auf Bitten Benzen des Ganussers, Bg. zu Haigerloch, welche Benz bisher von ihm zu Lehen ge-habt und jetzt aufgab, dessen Söhnen: Pfaff Kunrad und Pfaff Peter, sowie der Frau Margreth, einer Kirchberger Klosterfrau, Tochter des Benz, geeignet habe 40.

Um 1380/90 hatten Benz Ganesser von Haigerloch und seine Wirtin ein Gut zu Ringingen als hohenbergisches Lehen gehabt, genannt „der (Herren) von Ringingen Gut", das Kunz Stähelin, Kunz Villinger und Fritz Elsen-sohn bebauten 41. Das Gut war offensichtlich ehemals im

Besitz des edlen Eberhard von Ringingen 1292 gewesen. Pfaff Konrad der Ganusser von Haigerloch und seine Stiefmutter, Schwester Guta die Ganusserin, und ihre Tochter Greth (diese erwähnt 1378 und 1399) verschrie-ben am 1. Mai 1401 für die Zeit nach ihrem Tod ihr Eigengut zu Hochspach, nämlich Bruns Gut und Auberlins Gut, als Jahrtag für sich als Kloster Kirchberg 42.

Das Gut, das um 1380 Benz Ganesser von Hai gerloch zu Ringingen als hohenberger Lehen innehatte, kam dann an Heinrich von Killer, genannt Affenschmalz und seine Frau Elsa die Unraine. Diese veräußerten das „Ganasgut" und ein weiteres, das Fritz Hohenbergs Sohn und dessen Frau Katharina zu Ringingen als gleiches Lehen gehabt und das der Schottel um 1380 baute, am Luzientag (13. Dezb.) 1404 um 312 Gulden an die Martinspflege von Ebingen 43. Herzog Friedrich von Oesterreich belehnte dann am 14. Dezember 1404 den Ebinger Kirchenpfleger Kunz Plumping mit dem Ganasgut zu Ringingen. Oester-reich hatte nämlich 1381 die Grafschaft Hohenberg erwor-ben. Bei der Stiftung des Affenschmalzer Jahrtags 1406 zu Ringingen sind noch „der Ganasserin Wiesen" zu Rin-gingen am Leh und unter Aigenbrots Haus angeführt4 4 . Doch ist damit nicht gesagt, daß diese damals noch lebte. Ein Endres von Stetten zu Gruol hat seine Güter, die der Herrschaft Hohenberg dienstbar waren, im J. 1394 für 200 Pfund Heller zur Steuer geschätzt45. Derselbe besaß die Burg zu Gruorn mit dem Wassergraben und mit der Schütte darum als hohenberger Lehen und des Stolken Braite zu Rosenfeld als Träger für seine Frau Katharina und deren Schwester Ursula 46. Weitere Nachrichten über die Familie scheinen nicht vorzuliegen. Somit muß das Wappen (Fisch auf Schrägbalken) in der Fensterleibung der Haigerlocher Unterstadtkirche von 1516(?) einem anderen Geschlecht „von Stetten" angehören

Was die Namen angeht, so darf man bezüglich „Esel" an das Wappentier erinnern 48. Ob eine Verwandtschaft mit denen von Riedheim-feelsburg bestand oder Gleichheit mit den „Eseln von Dürrheim" (1092-1299) vorliegt49 , müßte erst noch untersucht werden. Letzteres scheint mir nicht ausgeschlossen, da der dort oft vorkommende Vor-name Walther sich vor 1349 auch bei uns findet mit „Walther von Stetten". Der Name Ganasser (Ganusser, Ganesser) dagegen geht wohl auf das althochdeutsche ga-

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nazzo = Gänserich zurück. Beinamen waren ehedem sehr beliebt. Es sei nur an die Ofenrauch bei den Freibergern, Affenschmalz bei denen von Killer, an die Vesenschmalz, Fladenmaul, Entenfuß , Eierschmalz usw. erinnert. Aus dem Namen „von Stetten" darf man doch wohl schließen, daß die Familie zeitweise zu Stetten (bei Haigerloch) saß.

Joh. A. Kraus Anmerkungen:

1 H o h z . Jahreshef t 1961, 10 -22 ; Schauinsland (Freiburg) 1964, 116— 121; Zeitschr. Freibg. Diözesanarchiv 1969, 15, wo ein 1125 ge-nannter Vogt Konrad der beiden Kirchen St. Märgen und St. Gallen als Sohn des Gr . Adalber t v . Ha ig . vermute t wird . Jedoch ist zu beachten, daß in diesem Jahr noch Graf Wetzel I. von Haigerloch lebte. So möchte man eher an den Grafen Konrad von Gammer-tingen (1122—32) denken, dessen Verwandter , Graf Ulrich von Gammert ingen, bis 1166 Vogt von St. Gallen w a r : Zeitschr. f. Wür t t . Landesgesch. 1966, 94 und Hohenz . He imat 1966, 57.

2 Wür t t . Viertel jahrsh. f. Landesgesch. 1933, 202. 3 Lud . Schmid, Aelteste Gesch der Hohenzol lern I I , 240. 4 F. X . Hodle r , Gesch. d. O A Haigerloch 1928, 53. 4a abgegangen links des Neckar auf Gemarkung Sulzau (Horb) . 5 W . Viertelj . H . 1930, 64 -68 . 6 Hodle r 571 mit Anmerk . Seite 929. 7 Wir tb . UB I I , 411. 8 Zeitschr. f . wür t t . Landesgesch. 1966, 126. 9 Hodle r 42 und 45.

10 Zeitschr. Freibg. Diöz. Archiv Band 15. 1 1 Fürstenbg. UB 5, Seite 96. 12 Hodle r 60 f und dagegen Zollerheimat 1938, 14. 1 3 Hodle r 571. 14 Wirtbg. UB 9, 191. 1 5 Hodle r 579. 16 Urkunden N r . 164 u. 165 des Kl . Kirchberg i. Staatsarch. Stut tg. 17 ebenda Urk . N r . 313.

1 8 Wir tb . UB 4, 12; Kreisbeschr. Balingen I I , 313. 19 Kirchberger U r k . N r . 549. 2 0 Mon. Zollerana I, Seite 187. 2 1 K. O . Müller, Quellen z. Grafsch. Hohenberg I, 1953, 146. 2 2 ebenda S. 13. 2 3 Weitinger Kopialbuch S. 90 (Fürstl . Arch. Sigmaringen);

Hodle r S. 400. 2 4 Wir tb . UB 11, 333 und 395. 24a Findbuch d. Klost . Kirchberg i. Stut tg. 25 Hodle r 580 und 781. 2« Kirchberger Urk . N r . 549, Stut tg. 2 7 ebenda N r . 550. 2 8 ebenso N r . 296. 2 9 Hodle r 772. 30 Stettener Urk . N r . 78 u. Ergänzung Seite 347: H o h z . J H e f t e 1955 f. 3 0a Kreisbeschr. Balingen I I . 116; H o h z . Zei tung vom 7. Aug. 1970,

N r . 179. 3 1 v. Alberti , Wür t tb . Adels- u. Wappenbuch I, S. 214. 32 Hodler 781. 3 3 Kirchberger Urk . N r . 551. 34 ebenso N r . 552. 35 ebenso N r . 321. 36 Hodle r 792; Mit t . H o h z . 11, 113. 37 Kirchberger Urk . N r . 813, Stut tg. 38 Hodle r 781. 39 Findbuch d. Kirchb. Urkunden i. Staatsarch. Stuttg. 4 0 ebenda, zu Kopialbuch I I , 165. 4 1 K. O . Müller, a. a. O. I, 135. 42 Findbuch (wi6 oben) zu Kop. I I , 166. 4 3 Hohenzol l . Jahreshef te 1954, 111. 4 4 ebenda 1954, 124 und näheres 1964, 355. « K. O. Müller, a. a. O. I, 99. « ebenda I, 143. 4 7 Kuns tdenkmälerwerk Hechingen 1939, S. 112. 4 8 v. Alberti , a. a. O. I, 214 und I I , 770 („Stet ten") . 49 K. v. Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch I, 259.

Buchbesprechung H A U S E N A M A N D E L S B A C H , aus der Geschichte des Dorfes, von Josef Mühlebach, erschienen bei M. Liehners Hofbuchdruckerei KG., Sigmaringen.

Der Besprechung dieses neuen Heimatbuches muß ich eine kurze Unterhal tung vorausgehen lassen, die der Autor vor Jahren einmal im Landeshaus, sozusagen zwischen Tür und Angel, mit mir führte. Es ging darum, warum so wenige von den Leuten, die eigentlich dazu berufen sind, heute in Hohenzol lern Heimatgeschi ~iite schreiben. (Um das wiederum vorwegzunehmen: es ist seirher doch wieder besser geworden.) Da meinte Josef Mühlebach sehr anschaulich: Ein Lehrer etwa auf dem Land hatte wenig Abwechslung. So setzte er sich am Sonntag hin und grub die Geschichte des Ortes aus oder setzte sich in die Sigmaringer Bibliotheken um zu forschen. Heute ha t er einen Wagen, und wenn das Wetter schön ist, f äh r t er an den Bodensee oder sonst irgendwo ins G - i n e .

N u n , meines Wissens hat der Autor dieses neuen Heimat -buches kein Auto, da fü r aber ist ihm eine Arbeit gelun-gen, von der sich sagen läßt, daß man auf rund 170 Seiten eigen "ich kaum mehr an Informat ion, aber auch an Zu-neigung zu einem O r t menschlichen Geschehens und zu den Menschen, die da lebten und leben, hineinpacken kann. Der Rezensent gehört zu j< nen Lesern, d ;e es nicht le 'den können, wenn ein wissenschaftliches oder Sach-buch keine, zu wenige oder schlampige Register aufweist, und fängt folglich immer hinten an zu lesen. Er kommt aber hier ganz auf seine Kosten: eine klare Gliederung des umfangreichen Stoffs, eine ebenso saubere Inhalts-angabe, dazu ein Häuser- und Fannlienverzeichnis, eme Zeittafel, eine Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen, Angaben sogar über d k verschiedenen Meereshöhen und gen r5end Anmerkungen und Literaturhinweise

Und zwischen Inhaltsangabe und Registern nun von Landschaft und Lage angefangen einfach alles, was zur Geschichte des Dorfes gehört. Der Autor hat nichts ausge-lassen - jedenfalls wüßte der Rezensent nichts zu nennen -was nur irgend von Belang wäre. Man findet alle erdenk-liche Auskunft über die Lebensgrundlagen, über das Kir-chenwesen bis hin zu Kurzbiografien von Priestern und Glockeninschriften; über die Gemeindeverwaltung, Vor-und Frühgeschichte, Sagen und Wasserversorgung. Sehr umfangreich und bis auf das Jahr 1970, in dem das Buch erschien, ist auch nie Wirtschaftsgeschichte aufgeführ t und selbst die Auswanderungen sind nicht zu kurz gekommen.

N u r in einem wichtigen Punk t muß cm Einwand erhoben werden. Es handel t sich um die Burg von Hausen, zu der Mühlebach einen Beri i t an Kaiser Friedrich den Z w e i e n aus der Zeit um 1220 heranzieht. Dar in ist die Rede von Veräußerungen von Königsbesitzungen. Graf Rudolf von Pfullendorf hat te diese Besitzungen an Kaiser Barbarossa, Friedrich den Ersten, übertragen vor ;mem Zug ns Hei-lige Land, von dem er, Rudolf , nicht zurückkam. Darin sind auch genannt Castrum Husin cum Villa sub Castro. Diese Burg Hausen mit darunter gelegenem Dorf nimmt Mühlebach als Hausen am Andelsbach an. Nach anderen Autoren ist es aber Hausen .m Donautal , über dem die Burg heute noch iix Trümmern zu sehen ist. In diesem Zu-sammenhang hat der Autor, soweit ersichtlich, auch c1 : Flur „Burgacker 'nicht identifiziert . Der Rezensent hat sich an den Leiter des Sigmar Inger Staatsarchivs gewandt in der Frage und sich von Archivc irektor Dr . Eugen Stemmler sagen lassen, daß seines Wissens in der Ta t die Zuordnung dieses Castrum Husin cum viila ungelöst sei. Johann Adam Kraus zieht folgenden Gedanken heran: Burg und Dorf seien nach 1212 von Friedrich II . an die Herren von Ramsberg verkauf t worden, wonach ein erst

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1818 ausgestorbener Zweig der Ramsberger sich „von Husen" nannte. Ihr Wappen zeige einen „Ram" oder Widder. Da aber die Herren von Hausen im Donautal von 1212 an eben diesen Widder im Wappen führten, müsse dieses gemeint sein und nicht Hausen am Andels-bach. Der Schreiber dieser Zeilen stellt diese Ansichten zur Diskussion.

Doch darf wohl diese Frage keine allzu große Rolle spie-len angesicht des Umstandes, daß hier ein Buch vorliegt, das man vorbildlich nennen darf. So stellt man sich eine lebendige Heimatforschung dar, und der Rezensent schließt mit dem Wunsch, daß recht viele dieses Buch lesen — sie müssen dazu gar keine nähere Beziehung zu Hausen haben - und daß sich mancher angetan finden möge, es Josef Mühlebach nachzutun. Frick

JOSEF M Ü H L E B A C H

Flurnamen aus Hausen (Leseprobe aus dem Buch „Hausen am Andelsbach")

Andelsbach. Der Andelsbach ist nach M. Buck und Otto Springer der Bach des Andolf, Letzterer mag in der alemannischen oder spätalemannischen Zeit Besitzer des Baches gewesen sein oder an diesem umfangreiche oder be-sondere Rechte gehabt haben. Der Personennamen Andolf erscheint auch im Ortsnamen Andelfingen (bei Ried-lingen).

Annenhofer. Das sind die Äcker, die zum Annenhof oder Annagut gehört haben. Der Lehensinhaber, später der Eigentümer des Gutes, war der Annenhofer. Der Annahof gehörte ebenso wie das St.-Klara-Gut einem benachbarten Frauenkloster. Nach dem Gemeindeurbar von 1730 hatte der Hirschwirt das Annagut (den Annahof) zu Lehen.

Band. Das Band, aufgeteilt in ein inneres, mittleres und äußeres Band, ist aus Bann, Bannet entstanden. Mit Bann oder Band sind Flur- und Waldteile, auch Wege bezeich-net worden, die für die allgemeine Nutzung, für die Weide und dergleichen verboten, „gebannt" waren.

Bescheußäcker, Ein Flurname, der wegen seiner Selten-heit schwer zu erklären ist. Man kommt der Deutung viel-leicht am nächsten, wenn man dem Schwäbischen Wörter-buch von Fischer folgt und den Flurnamen Beschißäcker zu Hilfe nimmt. Beschiß ist nach dem Schwäbischen Wörterbuch Meltau beim Getreide. Unsere Bescheußäcker wären also ein Flurteil, in dem früher das Getreide häu-fig mit Meltau beschissen (vom Meltau befallen) war.

Bizaine heißen Gartengrundstücke im „Winkel" links der Dorfstraße nach Ettisweiler. Das als Bi2aine bezeichnete Gelände ist aucn anderwärts meistens nahe dem Dorfe gelegen, war in der Regel eingezäuntes Gartenland und vielfach mit Hackfrüchten, Han f - und Flachs angebaut. Unmittelbar neben der B'^aine auf unserer Gemarkung liegen die Hanfgärten.

Boblgrube. Die bisherige Forschung hat vielfach - auch nach M. Buck - Bohl = Buhl gesetzt, eine Deutung, der fu.' unsere Bohlgrube eine gewisse Berechtigung ni;ht abge-sprochen werden könnte, weil mit ßchlgrube auf der süd-lichen Feldgemarkung ein hochgelegenes Gewann mit einer grubenartigen Bodensenke bezeichnet ist. Hans Jäm'chen bezweifelt in semer Arbeit „Die Bohl im Schwäbisch-Alemannischen" (Zeitschrift für Wurttembergische Lan-

desgeschichte, Jahrgang 1963,1. Hef t ) diese Deutung, viel-mehr geht er davon aus, daß neben den Brühlen und Brei-ten im späten Mittelalter die Bohlen zum Herrn- oder Maierhofland gehörten. Auf unserer Gemarkung liegt die Bohlgrube unmittelbar neben der Breite. Wenn nach Jänichen außerhalb Etter die Brühle, Breiten und Bohlen als Wiesen, Acker- und Weideland einen Ring um die Siedlung bildeten und sich daraus der Schluß ergibt, daß dieser Ring das Wirtschaftsland der Umsiedlung bildete, so möchte man diese Deutung auch für unsere Gemarkung als zutreffend bezeichnen, weil die Bohlgrube zusammen m.i der Breite wenigstens den Te" eines Ringes um die Siedlung darstellt.

Breite, früher häufig auch Breitie, ist die Bezeichnung für ein ebenes, ausgedehntes Ackerland zu beiden Seiten der äußeren Triebgasse. Die Breiten, eine blockförmige Acker-flur, waren ursprünglich, wie die Hofäcker und Brühle, Eigenbesitz des Ortsherren und wurden von diesem im Spätmittelalter in Teüstücken an die Bauern ausgeliehen.

Der Brühl, rechts des Andelsbaches, oberhalb der Mühle, zeigt die gleichen Merkmale, wie sie anderwärts die Brühl-wiesen auch haben: feuchte, äußerst fette und ergiebige Wiesen nahe dem Bach und in unmittelbarer Nähe des Dorfes. Die Brühlwiesen waren früher vielfach Viehweide. Der Brühl war im allgemeinen Wiesenland, das die Grundherrschaft zu ihrem eigenen Bedarf aus der Acht ausgeschieden hatte. Unser Brühl wird schon in einer Ur-kunde vom 4. April 1295 genannt. Nach dieser Urkunde verkauft Burcard von Kunibach den Brühl zu Hausen dem Spital Pfullendorf um 24 Konstanzer Pfund.

Die Brunnadern werden schon im Urbar des Klosters Habsthal von 1420 genannt. Der westlich der Krauchen-wieser Straße liegende Flurteil war früher von Quell-brünnlein durchzogen. Am Fuße des Hanges am Ostrand des Andelsbachtales entspringen heute noch mehrere kleine Quellen.

Der Dreispitz östlich der Rul nger Straße entlang dem Weithart deutet auf eine Dreiecksform hin, i ie das Acker-land früher, wohl durch einen vorspringenden Waldteil, gehabt hat. Vielfach hat der Dreispitz, die im Mittel-alter gebräuchliche Kopfbedeckung, den Namen für diese Flurbezeichnung hergegeben.

Der Egelsee, eine breit hingelagerte, muldenartige Sen-kung auf der südlichen Feldgemarkung, etwa 28 Morgen groß, war bi> ins 19. Jahrhundert h lein ein stehendes, 1 bis 8 Fuß tiefes Gewässer, ein Dorado für Blutegel, Frösche und sonst ge Weichtiere. Noch in der letzten Zeit seines Bestehens wurden daraus Blutegel in die Apotheken der benachbarten Städte Mengen und Pfullendorf gelie-fert. Mit seiner Trockenlegung hat sich das Ortsgericht schon um 1835 befaßt, aber erst nach jahrzehntelangem Planen und umfangreichen Verhandlungen kam es 1874 bis 1876 zur Trockenlegung. Die Kultivierung des ver-sumpften und verschilften Bodens war mühsam; selbst heute noch ist der Graswuchs struppig, aber langsam und stetig wandelt sich der Grund in ertragreiches Ackerland und brauchbare Wiesen. Im Gemeindeurbar von 1730 wird ein Egelsee häufig auf der nördlichen Feldgemarkung gegen Krauchem, .es genannt.

Die Embdwiese (Ohmdwiese) im Dorf tal zwischen Ober-und Unterdorf ist die Wiese, auf der zur Zeit des Flur-zwanges geöhmdet, also "in zweiter Schnitt gemacht wer-den durfte. Im allgemeinen waren dif Wiesen damals ein-mähdig, d. h. es durfte auf ihnen nur ein Schnitt gemacht werden, um den Weidebetrieb nicht zu beeinträchtigen

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JOSEF M U H L E B A C H

Die Hünaburg bei Weihwang und Glashütte

Seit 1950 werden vom Württembergischen Amt für Denk-malpflege an der Heuneburg bei Hundeio ngen Ausgra-bungen durchgeführt, die wertvollste Ergebnisse und Er-kenntnisse über diesen späthallstattzeitlichen, frühkelti-schen Fürstensitz erbracht haben. Mehrere bedeutsame Veröffentlichungen geben ein eindrucksvolles Bild über die „Residenz" keltischer Fürsten an der Donau bei Hunder-singen, so u. a. die Schriften von Kurt Bittel und Adolf Rieth, 1951, und von Wolfgang Kimmig, 1968, „Die Heuneburg an der oberen Donau".

Wenn Wolfgang Kimmig die Auffassung vertritt, daß sich solche Burgen im Abstand von oft nur 10-15 Kilometern im Bereich des Bussens und „gewiß auch an anderen Plätzen, die es nur zu erforschen gilt", finden, so wird unsere Aufmerksamkeit unwillkürlich auf eine Heuneburg im südlichen Hohenzollern bei Weihwang hingelenkt. Ge-wiß mag die Anlage bei W'ihwang-Glashüt te der Heune-burg bei Hundersingen an Bedeutung weit nachstehen, aber gerade im Blick auf Hundersingen dürfen wir uns der Heuneburganlage bei Weihwang mit Interesse erinnern.

Wenn der Autofahrer heute in der üblichen Eile von Pful-lendorf oder von Wald nach Krauchenwies fährt , ahnt er wohl nicht, daß der Höhenrücken zwischen Weihwang und Glashütte ein Bodendenkmal birgt, das abzuschreiten eine Stunde Aufenthalt lohnen würde. Es ist die bewal-dete Höhe, die von Glashütte her : i das Kehlbachtal hin-einragt und Weihwang westlich gegenüber liegt.. Eine glücklicherweise bereits stillgelegte Kiesgrube hat diesen Berg, der dieses Bodendenkmal birgt, angeschnitten. Es ist der Schloßbühl, den unsere Vorfahren mit dem viel tref-fenderen Namen Hünaburg, also Hünenburg, bezeichnet haben. Gerade im Blick auf die Ausgrabungen an der Heuneburg bei Hundersingen verc :nt die Hünaburg zwi-schen Weihwang und Glashütte, weil sie auf hohenzolle-rischem Gebiet gelegen ist, unser besonderes Interesse. Sie liegt auf der Gemarkung Weihwang und wurde im Jahr 1881 von Oberst von Cohausen entdeckt und skizziert. Sie hat eine Länge von 194 Metern und eine Breite von 82 Metern. Die oben erwähnte Kiesgrube hat c'ie Befesti-gung der Nordostecke etwas angeschnitten. Gegen den Kehlbach fällt der Hang ganz steil ab, so daß an der Ost-seite keine ehemaligen Erdbefestigungen mehr zu erkennen sind. Die gefährdete Westseite dagegen ist von exnem dop-pelten Graben mit Wall halbkreisförmig umschlossen. Diese Befestigung ist in ihrer ganzen Länge noch auff .1-lend gut erhalten und zeigt deutlich den alten Zugang, der im Norden des Ringwalles lag. Ein Zufahrtsweg aus dem Kehlbachtal führt den Steilhang entlang zum gleichen Nordeingang, nur ist dieser Weg durch die Kiesgrube auf etwa 40 Meter unterbrochen. Welches Volk mag diese Fliehburg erstellt haben? Gegen welches Volk sollte sie Schutz bieten? Waren die Erbauer Kelten, waren es Hall-stattleute? Wurde die Burg stürmender Hand genommen? Welches war das Schicksal dieses Volkes? Wo hatten sie ihre Siedlungen? Wie mögen diese Menschen ausgesehen haben? Woher kamen sie und woh.n zogen sie? Das sind Gedanken, die sich jedem Heimatfreund beim Abschreiten dieser in dunklen Tannenwald gehüllten Stätte auf drängen. Unser Heimatboden hat in Treue durch die Jahr-tausende hindurch dieses Geheimnis gehütet. Nur der Spa-ten kann ihm die Geheimnisse zum 1 _il entreißen. Das eine kann wohl mit einiger Sicherheit gesagt werden, daß

die Volksburg auch als Fliehburg diente, auf die sich die nicht wehrfähige Bevölkerung der nächsten Siedlungen mit Hab und Gut in Sicherheit brachte, wenn der Feind in das Land einbrach. Der heutige Flurname lautet Schloßbühl. Da hier die Grenzmarke zwischen dem Amt Wald und der Herrschaft Gremiich lag, läßt sich der Flurname in den früheren Jahr-hunderten leicht feststellen. Das Walder Urbar vom Jahre 1501 nennt diese Stätte wiederholt Hünaburg. In der Grenzbeschreibung des Walder Amtes von 1602 lautet der Name Hennenburg und Hünenburg, während er 1680 einigemale Hünnenburg heißt. Bei der Errichtung der Glashütte im Jahre 1701 he .t es, daß „das Vieh um die Glashütte und gegen die Hennenburg getrieben werden könne." Das Walder Urbar von 1790 kennt den Flur-namen anscheinend nicht mehr. Pfarrer Dr. Schupp, früher in Zell a. A., jetzt in Neudingen, Kreis Donaueschingen, hat schon vor Jahren festgestellt, daß 1624 der Flurname „Hennenburg oder Hünaburg" lautete. Die Zeit, aus der die Hünaburg stammt, läßt sich, solange keine Ausgrabungen daran durchgeführt sind, nicht genau bestimmen; doch lassen e bedeutenden Grabhügelfunde von Kappel, die Pfarrer J. Bauer von Dietershofen bei wiederholter Anwesenheit des Fürsten Carl-Anton im Jahre 1882 im nahen Walddistrikt Grabenhagen, Mar-kung Otterswang, machte und die sich in den Fürstlichen Sammlungen zu Sigmaringen befinden und die möglicher-weise wegen ihrer Nähe mit der Hünaburg zusammen-hängen, vermuten, daß unsere Hünaburg etwa aus der gleichen Zeit v e die üb .gen Heuneburgen stammt. Dies dürfte die späte Hallstattzeit bzw. die frühe Keltenzeit, also die Zeit zwischen 500 und 300 v. Chr., sein, (siehe auch Schwäbische Zeitung vom 22. Sept. 1951).

*

Oberpostrat a. D. Dr. h. c. Peters, von 1934 bis 1948 Ver-trauensmann für vor- und frühgeschichtliche Bodenaiter-tümer in Hohenzollern, eine in der wissenschaftlichen Welt hochgeachtete Persönlichkeit • er hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in Spanien, Frankreich und Italien Ausgrabungen gemacht - , hat einmal gesagt: „Es ist nicht notwendig, nicht, einmal erwünscht, daß wir mög-lichst alle Bodendenkmale dem Erdboden entreißen. Kom-mende Generationen sollen auch noch etwas zu tun ha-ben." So mag dia Klärung der Hünaburg zwischen Glas-hütte undWeihwang eine Aufgabe späterer Forschung sein (siehe auch Schwäbische Zeitung vom 22. September 1952).

Der „Runde Turm" in Sigmaringen der letzte von einst vjeren der Stadtbefest.igung aus Wer-denbergischer Zeit (2. Hä l f t e des 15. Jahrhunderts) wird gegenwärtig zu einem Heimatmuseum für Sigmaringen ausgebaut. Der Turm ist von dem Sigmaringer Ehrenbür-ger, dem Juwe er und H o f r a t Georg Zimmerer im ver-gangenen Jahr gekauft und der Stadt für diesen Zweck zur Verfügung gestellt worden. Material für ein Museum hat die Stadt seit Jahrzehnten genügend angesammelt. H o f r a t Zimmere: ,st dieser Tage 80 Jahre alt geworden. -Auch das Sigmaringer Tierheim samt seinen laufenden Unterhaltskosten ist eine Stiftung des Mäzens seiner Vaterstadt. Frick

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L E O P O L D B A U S I N G E R

Heimat im Dorf - im Kreislauf des Jahres

(Fortsetzung)

Und ob wir sangen! Da stand dann der Odermat t mitten unter uns und schwang mit dem vollen Pokal den Takt . Immer wieder und immer noch lauter mußten wir singen, zum guten Schluß durf ten wir dann den Stiefel reihum austrinken, wobei es nicht ohne Keilerei abging, denn jeder wollte möglichst ein großes Maul voll Bier haben. Der Odermat t ließ dann nochmals füllen, und die Schreierei ging wieder von vorne los.

Damit war für uns Kinder die „Fasnet" zu Ende, während die Ledigen und auch die Alten abends auf den Dorfbal l gingen, wo ein Kunterbunt von Masken und Vermum-mungen anzutreffen war . — Manchmal ging es an Fast-nachtdienstag in die nahe Stadt, wenn dort die „Nar r -halla" einen städtischen Fastnachtszug veranstaltete.

An Aschermittwoch ließen wir uns in der Kirche ein Aschenkreuz auf unser sündiges H a u p t machen, während dann und wann die Ledigen am Nachmit tag dieses Tages noch ein besonderes Vergnügen hatten. Wenn nämlich während der „offenen Zeit", das ist die Zeit von Drei-könig bis Fastnachtsdienstag, keine Hochzeit : m Dorf s ta t t fand — in den stillen Ze en durf ten keine öffent-lichen Hochzeiten sein —, streuten di ledigen Burschen Spreu auf die Straßen, holten ihre ledigen Mädle und ließen diese hinter der Spreu eine hölzerne Egge ziehen, womit symbolisiert werden sollte, daß die Zeit der öffentlichen Hochzeiten unfruchtbar gewesen war . Ural t soll dieser Brauch se , wahrscheinlich ist er heute größ-tenteils ausgestorben, schade!

Am Abend des Aschermittwoch bettelten die ledigen Burschen Eier und Speck in den Häusern und ließen sich davon ¿m „Adler" oder im „Grünen Baum" große Plat-ten mit Speckpfannenkuchen machen, wozu große Quan-titäten Bi r getrunken wurden. Das war dann der Ab-schluß der ausgelassenen Fastnachtsze , sie wa r harmios und bot t rotzdem manche Freuden fü r jung und alt.

Bald begann wieder die harte Feldarbeit fü r die Dörf ler , Lichtmeß war gewesen, die N a t u r verlangte wieder ihr Recht, denn eine neue Wachstumsperiode setzte ein, ein neuer Anfang und ein neues Werden.

Aus dem dörflichen Alltag Von Hausierern, Musikanten und fahrendem Volk

Sie gehören zum Dorf so gut wie seine Bewohner, diese Menschen, die jahraus, jahrein in regelmäßigen Abstän-den ins Dorf kamen, um ihre Waren feilzubieten, ihr H a n d w e r k anzupreisen oder ihre Künste zu Zeigifl. So tauchte immer wieder der „JV ia" auf, ein Pfannen-flicker von Beruf und aus Italien stammend. Er flickte Pfannen und Kessel und Schapfen und E'.ner, und so hieß er nur „der Pfannenf l i ter" , doch die Leute waren f roh an ihm, denn um wenig Geld iötete er die Löchl .n und Schadstellen zu. Seine Werkstat t schlug er bei schönem Wetter im Freien auf. Dor t saß er auf einem Schemel bei seiner Feldschmiede, pfiff oder sang ein Liedchen und flickte und flickte. Wir Buben standen manchmal bei ihm und bewunderten seine Kunst . In späteren Jahren ist der Mina nach Deutschland gezogen und erwarb die deutsche

Staatsangehörigkeit. Heute und schon längst gibt es ihn nicht mehr, den wandernden Pfannenflicker.

Die „Bürstenhanne" kam aus Lützenhardt im Schwarz-wald, seinerzeit ein armes Schwarzwalddorf , heute weit-bekannter Luf tkuror t . Die Männer verfertigten in Heim-arbeit Bürsten, und die Frauen verkauf ten sie auf dem Hausierhandel . Die „Bürstenhanne" wohnte im Dorf bei den Großeltern mütterlicherseits, dor t hatte sie He imat -recht, obwohl nicht verwandt . Tagsüber ging sie mit ihrer Ware über Land, abends kam sie zum Schlafen zurück ins Dorf , setzte sich an den Tisch wie zur Familie gehörend. — An einem starken Draht r ing hingen d Le Bürsten alle, den die H a n n e auf der Achsel t rug: Kleider- und Schuhbür-sten, V '.hbürsten und Roßkartätschen, H a a r - und Bart-bürsten, Bürsten fü r die Wäsche und Bürsten fü r alles mögliche. — An den Jahrmärk ten im Städtle hatte die „Bürstenhanne" ihren Stand. Auf einem langen Ti.ch aus Brettern war die Bürstenware ausgelegt, die v lseitigen Zuspruch fand, denn die Bürstenhanne war als reell weit und breit bekannt. — Auch sie sind ausgestorben, die Bür-stenhändier in Lützenhardt , ozonr che Luf t ve rkauf t ich leichter an die Kurgäste.

Das „Kochlöffelmannle" sei nicht vergessen. Er wai im Nachbaror t Schlatt zu Hause, ein gar lustiger und dur-stiger Kumpan. M i ; selbstverfertigten Kochlöffeln und Wäscheklammern ging er hausieren, doch war sein Waren-bestand nie groß, es kam .im weniger auf den Verkauf seiner Ware an, als daß er vielmehr bettelte, einen Kreu-zer oder auch ein Stück Brot. Der Kochlöffelhandel bil-dete mehr oder weniger das Scheingeschäft f ü r seine Bet-telei. Manchmal mußte er einige Tage brummen, wenn ihn der Gendarm beim Betteln erwischte. Mit einem Zwerch-sack wander te er durch das Land, den er mit der einen H ä l f t e nach vorn, mit der arideren auf dem Rücken über die Achsel trug. Eines Tages, als ihm die Lehrerstante die üblichen Kreuzer (zwei Pfennige) gab, begehrte er auf und meinte: „A Fünferle, a Fünferle, s'hott alles auf-gschlage, s'Bettla hoc au auf ufgschlage!" Das Bettelgeld setzte er allzusehr in Schnaps um, anstatt es seinem Weib und seinen Kindern zukommen zu lassen. Er war ein fröhlicher Geselle, und wenn er beschwipst war , sang er das Lied vom heben Augustin, denn auch er hieß August:

O du lieber Augustin, alles ist hin, s'Geld ist versoffa und s ' ^ c i b ist verloffe, O du lieber August_n, älles ist hin!

Heute ist er schon lange tot, nur die Alten können sich seiner erinnern, ein Original ging mit dem „Kochlöffel-mannle" hin.

Regelmäßig kamen Musikanten s Dorf . Aus der Rhein-pfa lz kamen sie zu vieren und fünfen, ließen auf den Straßen und Gassen ihre Weisen ertönen und sammelten Gaben mit dem H u t in der H a n d von Haus zu Haus. „Tief drinn im Böhmerwald, wo meine Wiege stand", „Wie die Blümlein draußen zittern . . .", „Im Grunewald, im Grunewald ist Holzauk t ion" und w ^ die Lieder alle hießen, bliesen sie immer wieder aufs neue. Die Musikan-ten wurden nicht als Bettler angesehen, sie boten ja ihre Musikkunst fü r die erbetene Gabe. — Auch im Dorf gab es Musikanten, die aber hauptsächlich auf Hochzeiten zum Tanz aufspielten, hausieren gingen i.e nicht. Musikanten

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begegneten mir selbst an meinem Hochzeitstag zwar nicht in der Heimat. Sie spielten beim Haus meiner Braut ein Ständchen und erhielten gern einen Extraobolus. Auch jene Musikanten waren auf Wanderfahrt .

Dann und wann kamen Bärentreiber ins Dorf , schwarze, verlumpte Gesellen, wohl Zigeuner. Braune Bären führ-ten sie am Nasenring mit, die immer wieder ihre Tanz-künste zeigen mußten, nicht ohne dabei manchen Hieb oder Stoß mit einem Prügel zu bekommen. Ab und zu führten solche Trupps auch mal ein Kamel oder ein Dro-medar mit, wobei wir Buben uns stritten, welches dieser Tiere ein und welches zwei Höcker hat. War dann noch ein Affe mit bei der Truppe, so war die Neugier von uns Kindern besonders groß, und wir begle' eten diese Trupps durch's ganze Dorf.

Auch die Drehorgelmänner von einst sind heute ver-schwunden. Invaliden aus dem 70er Krieg mit einem Holzbein oder nur einem Arm, im Bergwerk zu Schaden gekommene Bergleute, verkrüppelt an Händen oder Füßen, manchmal auch erblindet waren sie, denen ihre Rente nicht zum Lebensunterhalt ausreichte und deshalb durch Drehorgelmusik zu einer zusätzlichen Einnahme zu gelangen versuchten. Auch sie erhielten ihren Kreuzer für ihre Drehorgelmusik, die mir heute noch in den Ohren klingt. Längst hat die soziale Gesetzgebung den Kriegs-beschädigten und Invaliden eine Rente zugesichert, daß sie nicht mehr auf den Bettel angewiesen sind. Und das von Rechts wegen!

Von Wandkalendern und einem Kirchengesangbuch, von alten Zeitungen und allerlei Geschriebenem

Die Innensei te des Wandschrankes in der Wohnstube war der unverrückbare Platz des Kalenders „Lahrer hinkender Bote". Immer einige Jahrgänge wurden dort verwahrt, denn der Bauer wollte auch manchmal zurückblicken. So ein Bauernkalender war in meiner Jugend eine Art Buch-haltung. Dort wurde alles festgehalten, was sich n Hof und Stall ereignete: wann die Bless rinderte, das Nägele kaibte, die Muttersau zum Eber geführt wurde, was aus den Ferkeln erlöst wurde, wieviel Garben die einzelnen Äcker brachten, wie das Druschergebnis war, und wieviel Simmere der und jener Acker brachte, was an Kartoffeln geerntet wurde und derlei mehr. Es wurden Vergleiche zu den Vorjahren angestellt und also Bilanz gezogen. Daß die netten Kalendergescnichten außerdem interessierten, jung und alt, ja, daß sie das Jahr über mehrfach gelesen wurden, und daß sie sogar, wenn sie in der Wohnstube neuen Kalendern Platz machen mußten, noch jahrelang auf der Bühne verwahrt wurden, um in den Winter-monaten nmer mal wieder den einen und anderen her-unterzuholen, soll gesagt sein. Da stand dann zu lesen von Blitz und Ungewitter, von Hagelschlag und Unglück im Stall, von miserablen Viehpreisen und Mißernten ebenso wie von guten und zufriedenen Jahren.

In der alten Kommode, die der äußerst talentierte Ur-großvater anfertigte — er war Zimmermann von Beruf und hatte beim Wiederaufbau der Zollerburg in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts di^ umfangreichen Zimmerarbeiten übertragen erhalten —, lagen ailerhand Gebetbücher, darunter noch solche aus dem 18. Jahr-hundert mit großen Buchstaben fü r Leute mit schlechten Augen. Ein Buch st mir wegen seiner Größe immer wie-der aufgefallen: das Konstanzer Gesangbuch. Es stammte aus der Zeit des B'stums Konstanz, hatte eigene Lieder mit eigener Melodie dieser Diözese. Das Gesangbuch atmete wohl noch den Geist Wessenbergs, der als General-vikar und ßi„tumsverweser der letzte Bistumsverwalter

von Konstanz war und schon damals nachhaltig für die deutsche Liturj : eintrat. 100 Jahre mußten vergehen, bis diese Vorstellung durch das zweite Vatikanische Kon-zil in unseren Tagen verwirklicht wurde. Wessenberg aber wurde zu seiner Ze't verworfen! — Auch nach der Gründung der Erzdiözese Freiburg, zu der damals Ho-henzollern kam, wurden in den meisten Häusern die Lieder und Gesänge im Konstanzer Gesangbuch weiter-hin gepflegt und beim Gottesdienst gesungen. Die Alten konnten sich mit dem Neuen so leicht nicht anfreunden und wollten vom „Magnificat", dem Gesangbuch der neuen Erzdiözese, wenig wissen. Wenn dann trotzdem nach diesem Gesangbuch gesungen wurde, kritisierten die Alten: „Heut hot me wieder dös neumodisch Zeug g'sunge, 's goht halt nichts übers Konstanzer Gsangbuch!" Beson-ders in der Adventszeit kam solche Kritik auf, wenn das Lied „Tauet, Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn herab" nach dem „Magn-'icat" gesungen wurde, die Me-lod; im Konstanzer Gesangbuch schien den Alten weit-aus schöner und rührvoller. — Aber das Konstanzer Ge-sangbuch hatte noch ein anderes, das ihm gewissermaßen Ehrfurcht verschaffte. Hinten im Buch befanden sich einige vergilbte Blätter, auf denen ein Stück Familien-chronik eingetragen war. Da stand zu lesen, noch in den ungelenken Schr'ftzügen des Urgroßvaters: am . . . ist die Theres geboren, am . . , ist der Friedrich geboren, am . . . ist die Theres gestorben. So folgte Eintrag auf Eintrag, von jeder Generation fortgeführt, Geburten, Todesfälle, Heiraten. Den letzten Eintrag im Gesangbuch machte ich selber nach dem Tode des Vaters: am 22. Juni 1939 ist unser guter Vater Kaspar gestorben.

Auf der Bühne steht ein großer, alter Trog, wie sie in Bauernhäusern vielfach anzutreffen sind. Darin zu kra-men, war von jeher eine Lust. Nicht nur wegen des In-halts in dem einen der Gefache, in dem die Mutter H u t -zeln und Schnitz verwahrte, sondern auch des übrigen Inhalts wegen, der aus „geistiger* Nahrung bestand, aus alten Zeitungsjahrgängen, alten Kalendern und Unter-haltungsbeilagen des „Schwarzwälder Bote". Zum Teil waren nur die Romane aus den Zeitungen ausgeschnitten und wurden gebündelt verwahrt. So hatte sich im Laufe der Jahrzehnte eine ansehnliche „Bibliothek" eigener Art angesammelt. Immer wieder wurden im Winter einzelne Bände von der Bühne geholt und oft zum soundso vielten Male gelesen. Schade, daß die meisten Zeitungsbände im Laufe der Jahre den Mäusen und im zweiten Weltkrieg der Entrümpelung zum Opfer fielen.

An einem Winterabend brachte der Vater vom Rathaus — er war Gemeinderechner — in In Schweinsleder einge-bundenes dickes Buch mit nach Hause. Da standen auf den dicken, steifen Blättern gar merkwürdige Dinge m für uns Kinder kaum leserlicher Schrift. Es war die so-genannte Kanzlei Schrift, die mich dann später der Groß-vater noch lehrte, jene Schrift mit den vielen Schnörkeln. Auf der Titelseite J.ese Folianten stand mit großen Buch-staben: „Luckenbuch der Gemeind Stetten, angelegt und erneuert anno 1684 durch Vogt und Gericht." Es folgten d . 1 Namen: der Vogt Weinundbrod, dessen Sippe heute noch im Dorf lebt, die P chter Flach, Klotz, Baum usw., alles Namen, die auch heute noch im Dorf vorkommen. Aber auch Namen standen da, die heute im Dorf nicht mehr zu Hause sind. — Das Lucken'buch hielt die Fahr-und Trettrechte solcher Grundstücke fest, die nicht un-mittelbar an einen Weg grenzten. Und dies waren zur damaligen Zeit 'ie meisten, denn es gab ja noch keine Flurbereinigungen. Da marschi. rten die Grundstücke alle auf, und es stand zu lesen: Anton Bulachcr des Steffen hat ein Mannsmad Wiesen im Weinschlatt, stoßt auf Syivester

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Klotzen Wies, fährt über diesen zum Weinschlattweg. So war es rechtens und ist es bis auf die heutige Zeit, da im Dorf immer noch keine Flurbereinigung stattfand. Wel-cher Rückschritt! So war Grundstück für Grundstück mit seinen Rechten und Belastungen im Luckenbuch einge-tragen, vielfach mit Nachträgen, wenn ein Grundstück in andere Hände überging. Dann hieß es z. B.: „Jetzt dem Adolf Flach gehörig". Das Luckenbuch war der Vorgän-ger vom späteren Grundbuch. Schade, daß das Buch ab-handen kam!

Im Schreibpult, das der handwerklich geschickte Urgroß-vater ebenfalls anfertigte, lag in einem Gefach ein Haus-haltungsbuch. Die Urahne hatte das Buch in ihrer jungen Ehe begonnen und in dem aus gewöhnlichen Blättern gehefteten „Journal", würde man heute sagen, alle Ein-nahmen und Ausgaben eingetragen, wie sie sich im Haus-halt ergaben. Die Großmutter und später meine Mutter führten diese Eintragungen fort, weitere solcher Bücher entstanden, doch die alten wurden weiter aufbewahrt. Diese alten Bücher bildeten ein Stück Wirtschaftsge-schichte der Heimat und zeugten vom einfachen Leben im Dorf. Alle Verkäufe aus Hof und Stall, Vieh und Getreide, die Einnahmen aus Lohnarbeit wurden ebenso eingetragen wie alle Ausgaben für Kleidung und Alltag. In den ersten Jahrzehnten bis 1870 waren es Gulden und Kreuzer, dann kamen Mark und Pfennig, und nach dem ersten Weltkrieg tauchten Wahnsinnszahlen auf, Millio-nen, Milliarden, ja sogar Billionen! Bis dann wieder ganz klein und bescheiden mit Mark und Pfennig nach der Inflation im Herbst 1923 begonnen wurde.

Feierabend im Dorf

Am Tannenhaag vor dem Haus neben der Toreinfahrt unter einem mächtigen Kastanienbaum stand die Sitz-bank. Die Tagesarbeit war getan, das Vieh versorgt, der Abend legte sich über Dorf und Stadt, es war Feierabend. Die Eltern sitzen auf der Bank und lesen die Zeitung, die Mutter ist manchmal noch mit dem Stopfen und F' ;cken von Strümpfen und Hosen von uns Buben beschäftigt. Dann und wann gesellten sich die Nachbarn dazu, um noch einen Abendschwatz zu halten. Es ging aber wort-karg zu, vom Wetter wurde gesprochen, vom Vieh und von der täglichen Arb "t. Ab und zu aber erhitzten sich die Gemüter, wenn es um Gemeindepolitik ging, um den oder jenen Wegebau, den Farrenstall und derlei Dinge. Dann und wann kamen die Alten auch ins Gespräch über frühere Zeiten, d Männer allzugern über ihre Soldaten-zeit und der Nachbar Andres über seine Wanderzeit als Schuhmachergeselle, die ihn weithin führte bis in die Schweiz und nach Österreich. Da saßen wir Kinder dann mäuschenstill dabe, und lauschten neugierig den Erzäh-lungen der Alten. Die Großmutter wußte gar manches aus der Geschichte des ehemaligen Klosters, von einem wundertäi 'gen Altarbild, einem Flügelakar, dessen Flügel sich jeweils vor dem bevorstehenden Tod eines Angehö-rigen der Zollerngrafen öffnete und die Leute in Angst und Bange versetzte. Von jenem unglücklichen gräflichen Diener wußte sie, der in seiner Vermessenheit auf ein Kruzifix m' Pfeil und Bogen schoß in der Hoffnung, daß ihm sodann kein Schuß mehr fehlgehen wurde Und wie dann aber beim dritten Schuß der Pfeil im Kruzifix stecken blieb und nicht mehr herauszubringen gewesen war und der unglückliche Diener ob seiner Freveltat draußen bei Heiligkreuz, dem heutigen Friedhof, mit sei-nem Leben habe büßen müssen.

I ie Großmutter wußte auch, daß ihre Mutter, also un-sere Urgroßmutter, auf ihrem Heimweg nachts von Gros-

selfingen das „Muotesheer" begegnet sei und ihr Angst und Schrecken eingejagt habe. Was Wunder, wenn wir Kinder dabei das leise Gruseln bekamen.

Auch der Schwedenkrieg spukte noch in den Köpfen der Alten, denn das Kloster wurde in jenen Schreckenstagen bös heimgesucht und geplündert. Und da tauchte auch jener spöttische und unbeugsame Zollergraf, der öt t inger , auf, der viele Wochen und Monate seinen Belagerern auf der Burg die Stirn bot, wie eine Maid aus dem Stein-lachtal die Burgbesatzung heimlich mit Nahrung ver-sorgte, und wie dieser ö t t inger zu guter Letzt, als die Besatzung nichts mehr zu nagen und zu beißen hatte, den Belagerern dann doch noch entkam. Auch ein Dörfler gehörte zu der Burgbesatzung, Fuchs mit Namen.

Von manchem Streit zwischen Kloster und Gemeinde wurde erzählt, denn das Kloster hatte gewichtige uralte Rechte und Lehen, die zu einem beachtlichen Teil zu Lasten der Zivilgemeinde gingen. Auch der jahrhunderte-alte Streit um die freie Pirsch tauchte auf, der Wildschaden war oft unerträglich, denn die ganze Jagdhoheit gehörte dem Grafen. — Von Fronen und dem Zehnten wußten die Alten noch, alles Dinge, die hart auf der Bevölkerung lasteten. — Und dann kam auch die 48er Bewegung zur Sprache, wie die Bauern dem Fürsten in der Stadt vor's Schloß rückten und freiheitliche Rechte forderten, wie diese der Fürst dem Volk versprach und dann, als das Blatt sich wendete, doch nicht hielt. — Die mildtätige und sehr leutselige letzte Fürstin Eugenie wurde nicht verges-sen, sie ging ein als große Wohltäterin des Volkes, dem sie einen großen Teil ihres Vermögens in Stiftungen frü Arme und Kranke, Kinder und Schulen vermachte. Heute noch lebt sie im Gedächtnis des Volkes fort.

Feierabend auf dem Dorf! Heute gibt's ihn längst nicht mehr, Radio und Fernsehen haben ihn verdrängt, schade!

Die Schriftleitung freut sich, ihren Lesern einen Beitrag unseres hohenzollerischen Landsmannes Leopold Bausin-ger bringen zu können. Her r Landrat i. R. Bausinger ist am 20. Januar 1899 in Stetten bei Hechingen geboren. Nach Besuch des Gymnasiums in Hechingen trat er in die Verwaltungslaufbahn ein. Nach einer Tätigkeit in Aachen und Sigmaringen wurde er 1927 Bürgermeister von Haigerloch, 1932 Bürgermeister von Burladingen. Von 1936 an war er Bürgermeister in Rüdesheim. Herr Bausinger wurde 1950 Landrat des Rheingaues in Rüdes-heim. Seit 1965 lebt er im Ruhestand In Johannesberg im Rheingau. Seine Jugenderinnerungen zeigen, wie eng er seiner Heimat verbunden blieb.

(Unser Beitrag ist ein Nachdruck aus H e f t i/1970 der Zeitschrift „Schwäi >ische Heimat".)

Fotos aus Alt-Gammertingen zu Hunderten, tSlls auf Leinen bis zu Quadratmeter-Größe, teils als Dias, teils auf Spanplatten geklebt, hat der 25jähiige Computer-Fachmann Bodo Walldorf her-gestellt. Es sind lauter Reproduktionen von Fotos etwa von den 80er Jahren an. Walldorfs Eltern stammen aus Danzig, er selbst wurde auf der ber ühmten Flucht über die Ostsee zu Kriegsende auf Rügen geboren und wuchs in Gammertingen auf. Die Erzeugnisse seines Steckenpferdes sind in dem zum Abbruch bestimmten evangelischen Ge-meindehaus von Gammer' ' . igen ausgestellt gewesen; so gut wie alle erwachsenen Gammertinger sollen sie ge-sehen haben Frick

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O S C A R H E C K

Zum Beginn der Bauarbeiten an der St. Luzenkirche zu Hechingen

Mancher, der das Geschehen um die Erhal tung der St. Luzenkirche in Hechingen in den letzten Jahren beobach-tete, wird erfreut darüber sein, daß jetzt, endlich, mit der Instandsetzung des Bauwerks begonnen wird. Möge in-dessen niemand glauben, es sei bis heute nichts fü r das beschädigte Bauwerk getan worden. Wer sich mit einem so wertvollen Baudenkmal befaßt , das nichts Gleiches oder Ähnliches in der deutschen Baukunst hat , ist ver-pflichtet, mit aller Behutsamkeit und Sorgfalt vorzu-gehen und nichts zu übereilen.

So hat sich also folgendes in aller Stille abgespielt: In mehreren Besprechungen, zu denen Sachverständige aus verschiedenen Sparten herangezogen wurden das Regierungspräsidium Südwürt temberg-Hohenzollern, das Staatliche Amt fü r Denkmalpflege Tübingen, das Land-ratsamt, das Bürgermeiseramt, das Stadtbauamt, das Erz-bischöfliche Ordinar ia t FreiL>urg sowie der Fürst von H o -henzollern waren hierbei beteiligt - wurden die Schäden an den Gewölben, der Dachkonstruktion und an den stukkierten Wänden genau untersucht und festgestellt. Vor allem galt die Beobachtung denjenigen Stellen, oie nach Aussehen der Details oder schon erfolgten Beschä-digungen in besonderer Gefahr waren. Zugleich wurde beraten, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen und welche Ar t der Restaurierung in den einzelnen Fäl-len vorzunehmen sei. Entscheidend war die Frage, welche Kosten sich daraus ergeben würden. Im Laufe der Zeit wurden dann weitere Fachleute zugezogen, die sich über die bedrohlichen Schäden an der Dachkonstruktion äußer-ten. Oben an der Mauerkrone, wo die Dachlast aufsetzt, ist die Gefahr ohne Zv» 'fei am größten. Daher galten die Untersuchungen hauptsächlich dieser Zone. Die Stim-men erfahrener Fachleute wurden gegeneinander abge-wogen.

Danach konnten die Restauratoren in l i e Kirche gebeten werden, damit sie sich zur notwendig werdenden Restau-rierung des Innenraumes äußerten. Eines scheint sicher zu sein: die bisherige Farbigkeit des innenraumes will dem ursprünglichen Bild nicht entsprechen. So wurden im Chorgewölbe versc edene Farben festgestellt, die künf t ig wieder erscheinen sollen. Derartige AufgaDen sind z. B. mit dem Restaurator besprochen worden, damit er sich bei der Aufstellung des Kostenanschlags nach den For-derungen des Bauherrn rchten kann, der ja nur das zu machen gewillt ist, was in der Renaissance vorgeübt wor-den ist.

H a n d in H a n d mit diesen ßesicl-igungen ging ein ein-gehendes Studium vorhandener Akten, Aufsätze und son-stiger Schriftwerke. Alles, was in früheren Zeiten über die St. Luzenkirche geschrieben worden ist, soll genau geprüf t und beurteilt werden. Uns ist jede Auffassung wertvoll . Daher zählt heute alles, was frühere Zwten über das Bau-werk berichteten, als ein wichtiges Dokument . Schließlich besteht der Plan, über die St. Luzenkirche zum Ende der Instandsetzung eine umfassende Veröffentlichung heraus-zubringen, die auf den Wert des Bauwerks und auf seine Stukkaturen gebührend eingeht. Dar in sollen alle früheren Veröffentlichungen genannt und ausgewertet werden.

Auch da fü r sind inzwischen wichtige Vorarbeiten ge-macht worden. Die erste bezieht sich auf die Herstellung einer zeichnerischen Bauaufnahme, die das Bauwerk in

14 maßstäblichen Zeichnungen im Maßstab 1:50 darstellt . Solche Zeichnungen gehen auf die genaue Vermessung des gesamten Gebäudes und all seiner Einzelheiten aus. Dieses Aufmaß hat ein einziger Fachmann, der seit einigen Jah-ren in Stetten bei Hechingen ansässige Oberbaura t i. R. Dr.-Ing, Hans G e m ü n d , mit ungeheurem Fleiß, leben-digem Verstand und peinlichster Genauigkeit ausgeführt. Die Zeichnungen befinden sich im Besitz des Landeskon-servators und werden bei der Ausführung der Bauarbeiten gebraucht. Der fleißige Zeichner hat in alle Ecken des Bauwerks geleuchtet und stellte außer der Schönheit der Stukkaturen und Plastiken auch alle Nachlässigkeiten und alle aufgetretenen Mängel fest, damit sie auch vom Bau-herrn gesehen und behoben werden.

Nicht weniger wichtig war es, fü r die fotografischen Auf -nahmen eine erstklassige K r a f t zu erlangen: der in der fotografischen Dokumenta t ion seit Jahrzehnten hocher-fahrene Kunsthistoriker Dr . Hel lmut Hel l in Reutlingen war einige Zeit an und in der Kirche tätig. Schon als Studierender sah er die St. Luzenkirche als ein Ziel seines Studiums; seine Dissertation galt insbesondere der Plastik, die aus der Entstehungszeit der Kirche s tammt: den Fi-guren der Seitenaltäre. Dr . Hell hat ebenfalls auf Wei-sung des Landeskonservators, die gesamte Kirche foto-grafisch in großformatigen Aufnahmen so weit dargestellt, daß das Bauwerk, sollte ihm im Laufe der Zeit etwas zustoßen, aufgrund der vorhandenen Abbildungen wieder-hergestellt werden könnte. Das heißt, das Bauwerk wurde außen und vor allem innen mit so vielen und so guten Aufnahmen festgehalten, daß man sagen kann : der ge-samte, ungeheuer reiche Stuck, die gesamten Gewölbe, die Empore mit ihrer Orgel, die Altäre und ihre Bildwerke, die Glocken, das Chorgestühl, die Bänke, die Sakristei und ihr Mobiliar, die Nebenräume samt der Treppe zur Mesnerwohnung - kurz : alles ist bildlich dargestellt und steht fü r eine künft ige Veröffentlichung zur Verfügung. Bevor man ein Bauwerk umzubauen beginnt, muß die Frage des t igen tums klargestellt sein. Daher wurde Ki t der Stuttgarter H o f b r ä u - A G . in Stut tgar t wegen der Übernahme der seu Jahrzehnten in ihrem Eigentum be-findlichen Mesnerwohnung verhandelt . Er f reu ' cher-weise konnte sich der bisherige Eigentümer von den bau-

ch sehr stark lädierten Wohnräumen trennen. Die flrauereigesellschaft t rat die Räume samt dem ehemaligen südlichen Kreuzgangsarm, der zur Zeit als Zugang zur Kirche dient, geschenkweise an die katholische Kirchen-gemeinde ab Die notarielle Anerkennung ist in der näch-sten Zeit zu erwarten.

We." entscheidender waren die Verhandlungen, die mit dem bisherigen Eigentümer der Kirche St. Luzen, also dem Fürstlichen Hause in Sigmaringen, geführt wurden. Was hät te näher gelegen, als dem Fürsten die Bitte vor-zutragen, daß er das seit vielen Jahren von der katholi-schen K'rche zu Gotteso'ensten verwendete Gotteshaus an die Kirchengemeinde abtrat . Diesem vielfach vorge-brachten Wunsche begegnete der Fürst m L größtem Wohl-wollen: im vergangenen Jahr , 1970, konnte er die Schen-kungsurkunde dem katholischen P fa r r amt Hechingen überreichen lassen. So weiß die Kirchengemeinde jetzt genau, daß sie auf eigenem Grund und Boden baut und daß sie mit der Verantwor tung fü r das Gebäude auch die nicht zu übersehenden Lasten übernommen hat .

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St. Luzen

Im Januar 1970 berief Landrat Dr. Mauser eine Ver-sammlung aller bisher beteiligt gewesenen Ämter ein. Das Besprechungsthema lautete schlicht: Finanzierung der Ge-samtkosten der Wiederherstellung. Zuvor hatte das Erz-bischöfliche Bauamt in Konstanz nach genauer Überprü-fung des Bauwerks einen Kostenanschlag für sämtliche Arbeiten aufgestellt, die als notwendig bezeichnet wor-den sind. Die sich hieraus ergebende Bausumme von 1 370 000 DM war also aufzubringen.

In der oben erwähnten Finanzierungsbesprechung begann nun ein hartes Ringen, dem Landrat Dr. Mauser erst ein Ende setzte, als die gesamte Summe von den einzelnen Stellen genehmigt war. Danach erklärten sich die einzel-nen Ämter bereit, in folgender Weise an der Restaurierung der Kirche zu helfen:

1. Erzdiözese Freiburg 415 000 DM 2. Staatliches Amt für Denkmalpflege 415 000 DM 3. Fürst von Hohenzollern 250 000 DM 4. Landkreis Hechingen

und Stadt Hechingen 150 00Ö DM 5. Katholische Kirchengemeinde Hechingen 100 000 DM

zusammen 1 350 000 DM

Nachdem diese Summe von den verantwortlichen Stellen finanziert war, hätte mit den Bauarbeiten begonnen wer-den können. Indessen wurden jetzt noch Unternehmer gesucht und gefunden, die sich bereit erklärten, die von ihnen verlangten Aufgaben zu übernehmen. So fanden Besprechungen mit Orgelbauern statt, die das Instrument bis in sein Innerstes untersuchten und daraufhin Vor-

schläge für den Umbau vorlegten. Das Erzb' :höfliche Bauamt stellte sich mehrfach zur Verfügung, um Einzel-heiten der geplanten Arbeiten am Dachwerk festzulegen. Diese Besprechungen fanden in Gegenwart der am Ort ansässigen Unternehmer statt. Vergessen wir aber nicht den ersten Schritt in die neue Kirche: seit langer Zeit konnten findige Augen sehen, daß die reiche Stuckdekoration sich auf beiden Chor-bogenwänden, also hinter den beiden Seitcnaltären, fort-setzte. Wer also die Kirche in ihrem vollen Stuck-Schmuck zeigen will, der muß auf die allzu schmalen, hohen Seiten-altäre mit ihrer eigenwilligen Plastik verzichten. Diesen ersten Schritt, der in der sorgfältigen Abnahme der Sei-tenaltäre bestand, haben wir getan, und seitdem sieht die Kirche weitaus voller und einheitlicher aus. Eine arge Enttäuschung bereitete es, als sichtbar wurde, daß bei einem tags zuvor erfolgten Einbruch in die Kirche

.ne wertvolle Holzfigur des hl. Lucius, des Patrons der Kirche, gestohlen worden war. Trotz Einschaltung der Kriminalpolizei konnte die Figur bis heute leider noch nicht ermittelt werden. Die Fahndung läuft jedoch weiter. Darf ich zum Schluß noch einmal auf den oben genannten Finanzierungsplan zurückkommen? Darin ist zu sehen, daß das Landratsamt sich bemühen soll, zusammen mit der Stadt Hechingen einen Betrag von 150 000 DM auf-zubringen. h : dem Bauherrn ist das Landratsamt der Meinung, daß es bei einem Werk von so hervorragender Ausstattung nicht angeht, die gesamten Kosten dem Eigentümer, also der katholischen Kirchengemeinde, zu überlassen. Hierbei müsse, so wurde gesagt, auch die Ein-wohnerschaft des Kreises und der Stadt mithelfen. Land-

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rat Dr. Mauser hat bereits 45 000 DM aus Spenden ver-schiedener Stellen angesammelt. Um aber die restlichen 105 000 DM zusammenzubringen, begründete er am 8. Januar d. J. im Beisein von über 100 Interessenten einen Verein „Rettet St. Luzen". Die Zahl der inzwischen eingegangenen schriftlichen Anmeldungen zu diesem Ver-ein, der natürlich auf freigebige Hilfeleistung aus ist, gibt all denen, die sich schon irgendwie als Helfer ein-

gesetzt haben, neuen Mut. Alle wollen dabei sein und zu ihrem Teil an dieser großen Aufgabe mithelfen. Jede Gabe und jede Hilfe ist willkommen. Hel f t alle mit, da-mit St. Luzen zu der Perle wird, die ihr in der Kunst-geschichte zugedacht worden ist. Heck

Der Eintritt in den Verein kann durch ein kurzes Schrei-ben an Herrn Landrat Dr. Mauser in Hechingen erfolgen.

Nachträge und Berichtigungen zu Heft 4/1970 Leider sind in der letzten Nummer einige Fehler unter-laufen.

Auf Seite 51 zweitletzte Zeile unten muß es statt „Eichen-bäume" richtig heißen „Ei jenbäume".

Seite 56 unten. Die Hinweise zur Heimatliteratur sind von J. A. Kraus.

Auf Seite 59 fehlt die Bildunterschrift: Blick vom Vorder-lichtenstein. Im Vordergrund in den Schleifen der Fehla lag ein Fischweiher. Auf der anderen Fehlaseite in dem Tälchen der Weiler unter Lichtenstein (siehe auch S. 63 „Neufra") .

Auf Seite 60: Die alte Mühle bei Neufra .

Auf Seite 62. Der erwähnte Weiher zu Gammertingen lag nicht beim Hotel „Kreuz", sondern beim Schwimmbad. Der Weiher beim „Kreuz" wird noch im 18. Jahrhundert erwähnt, während der obere Weiher schon bald wieder aufgegeben wurde.

Auf Seite 63 „Trochtelfingen". Inzwischen konnte fest-gestellt werden, daß der Mariaberger Erblehenshof in Trochtelfingen 1287 von Swigger von Trochtelfingen ge-schenkt wurde (Fürstenberg Urk.Buch V 237). Nachzu-tragen ist Stetten u. H . 1372 gab Bernhard von Holnstein Besitz an das Kloster, der auch im Lagerbuch von 1454 noch erwähnt wird (die Urkunde befindet sich nicht im Klosterarchiv, sondern im Fürstl. Archiv Sigmaringen).

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat-lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstraße3. Druck: M. Lieh-ners Hofbuihdruckcrei KG, 748 Sigmaiingen, Kailstraße 10.

Die Zeitschrift „Hohenzolierische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung in Hohenzollein mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben rachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen.

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich

Konten der „Hohenzollerisdien Heimat": 802 507 Hohenz. Landesbank äigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart

Die Mitarbeiter dieser Numm"r: Leopold Bausinger Landrat a. D. Johannisberg im Rheingau

josef Mühlebach Landesverwaltungsrat 1. R. Sigmaringen, Leopoldstraße

Maximilian Scbaitel Dipl.-Landwirt Sigmaringen, Landeshausstraße

Oscar Heck Hauptkonservator I. F Landeskonservator der Hohenz. Lande Hechingen, Hölderlinstraße

Jobann Adam Kraus Pfarrei und Erzbisch. Archivar i. R. 78 Freiburg-Littenweiier, Badstraße 2

Walther Trick, Journalist 748 iiigmaringen, Hohe Tannen

Schriftleiter: Dr med. Herbert Burkarth 7487 Gammernnpen, Eichertstraße Telefon 07574/32/

Redaktionsausscbuß.

Huber' Deck, Konrektor 745 Hechingen, Tübinger Straße 28 Telefon 07471/2937 Walther Frick, Journalist 748 Sigmaringen, Hohe Tannen Telefon 07571/8341

Die Abbildungen auf Seite 65 und 71 wurden dem Band „Hohcnzollern in alten Ansichten", erschienen im Jan Thorbecke Verlag, ent-nommen.

Die mit Namer versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge ver-antwortlich. Mitteilungen der Schrirtleitung sind als solche gekennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare wei den an die Adresse des Schriftleiters oder Re-daktionsausschusses erbeten.

Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzolierische Heimat" weiter zu empfehlen.

Ferienkurse 1971 im Volkshochschulheim Inzigkofen Aufgang des Abendlandes — eine Einführung in die Vorgeschichte unseres Erdteils

Pilze unserer Heimat

Woche für Schmalfilm- und Fotoamateure

Zeichnen und Malen

Die Stadt, in der wir morgen leben

Bitte fordern Sie ausführliche Programme an.

Volkshochschulheim Inzigkofen 7481 Inzigkofen über Sigmaringen, Telefon (07571) 658

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H Ö H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMÄT 2t. Jahrgang 1971 Nr. 2

4P 3828 F

Herausgegeben c o m Hohenzollerilchen Gefchlchteoerein in Verbinöung mit öen Staatlichen Schulämtern Hechingen unö Sigmaringen

J O H A N N ADAM KRAUS

Der Name Kornbühl

Der auf dem Salmendinger Heufeld östlich des Hohen-zoller wie künstlich aufgesetzt erscheinende Kegelberg Kornbühl (887 m) ist mit seiner St. Annakapelle seit dem Jahre 1507 urkundlich nachweisbar. Schon von weitem zieht er die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich wegen seiner auffallig runden Form, die vielleicht auf vulkani-schen Ursprung schließen läßt. Aber auch der ISiame ist merkwürdig. Er hat einen Vetter im württembergischen Kornberg. Die Einheimischen sagen übrigens Kornenbühl (Koannabil), während man im Unterland um Tübingen

„Salmendinger Kapelle" stellvertretend für den Berg hö-ren kann. Der Dichter Ludwig Egler-Hechingen sprach in seinem romantischen Gedicht „Der Klausner vom Korn-bühl" von einem „kornumblühten Bühl". Doch ist bei diesem Erklärungsversuch nicht recht verständlich, warum nur der Kornbühl und nicht auch die südlich in Nähe liegenden beiden anderen Bühle (auf der Karte „Bühl-berge") so benannt seien, oder ferner, warum gerade die Brotfrucht Korn (Vesen oder Dinkel) der rings herum liegenden Äcker den Namen hergegeben haben soll, da

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dieses Getreide doch nur alle drei Jahre 1 ¿er gepflanzt wurde, bzw. wird, während m zweiten Jahr dann H a -ber unc m dritten die Brache üblich war. So wäre genau-sogut der Name Haberbühl berechtigt gewesen, und dies fü r alle drei Bühle.

Nun hat der Wandkalender der Deutschen Lufthansa 1970 ein sehr hübsches farbiges Luftl ld (55 zu 45 cm) des Kornbühls und des südlichen Bühls gebracht. Im zuge-hörigen Text wird gesagt, der Name Kornbühl sc i kel-tisch und bedeute Keltenberg. Das ist in großes Wort! Ist doch die Sprache der Kelten, die vor den Germanen, also vor 400 nach Christus, in unserer Gegend saßen und zum Beispiel auf der Heuneburg bei Binzwangen-Riedlin-gen eine mächage Burgstelle mit naheliegenden R ;sen-grabhügeln hinterließen, schon längst ausgestorben. Nur d ^ Namen einiger bedeutender Flüsse und besonders hervorragender Berge gehen wohl auf die Kelten zurück. Die Befragung von Fachleuten betreffs des Keltischen ver-lief zunächst negat'v. Sowohl Dr. Fritz Langenbeck, der inzwischen n Bühl/Baden verstorben ist, als auch Dr. Wolfgang Kieiber am historisch-germanischen Institut der Univer: .ät Frtiourg lehnten ohne näheres Studium einen Zusammenhang ab. Dagegen wollten sie mit Rücksicht auf die Lage und Form des Berges eher an das late?"ische Wort cornu = Horn denken, oder, weil eni diesbezüg-licher urkundlicher Nachwels fehlt, ifirekt an das deutsche Wort H o r n . Man müßte nur eine alte Form „Gehörn-" oder „gehornin Bühl" annehmen, die dann zusammenge-zogen wäre. Das ergäbe als Erklärung einen hornähn-lichen Bühl oder Berg. Aber auch dieser Versuch hat einen Haken. Die Bezeichnung Horn hängt nämlich, soweit man sieht, mehr an horizontal vorspringenden Bergnasen, während vertikal aufsteigende Berge anders heißen, etwa

Stauf, Stoffel, Zoller, Kapf, Köbele, Buck, Burren, Bussen, Rucken. Dabei hat schon Mi :hel Buck in se.nem Ober-deutschen Flurnamenbuch festgestellt, daß die meisten Bergnamen auf -horn und -köpf ganz jung sind! Den Kornbühl aber kennen wir immerhin über 400 Jahre. In den Jahren-1525 und 153C ^st die Flur rings um den Berg in Güterbeschreibungen Komingen genannt. Im Jahr 1562 finden wir die Bezeichnungen Cornung, hinter Khornung, hinter Khorningen am Hechinger Weg, 1698 Khornen-bJl , 1730 Korniingen und (am Südfuß des Bergs) Korn-linger Wasen (Hohenz. Heimat 1963, 28). Interessanter-weise nennt man in Burladingen einen Felsen hoch über dem Dorf, der durch ein Kreuz ausgezeichnet isf, kurzer-hand „Kreuziinger Stein", was doch wohl „Kreuz-St- in" hej 3en soll. Korningen klingt nun wie ein Orts- oder Siedlungsname. Doch weiß die Überlieferung von nichts dergleichen in dortiger Gegend. Vielmehr schont die Form Korningen einfach aus dem schon vorhandenen Kornbühl geb; iet zu sein. Nun kennt der genannte Buck (a. a. O. Seite 136 unterm Kennwort „Kern") auch e'n romanisch-keltisches Wort com — Stein, Fels. Professor Dr. Basler, Freiburg, wies mich auf den Namen der englischen Grafschaft C o r n -w a l l hin, die nach der steil ins Meer abfallenden Stein-oder Felsenwand (wall = Mauer, Wand!) benannt ist. Unser Kornbühl ist nun im Gegensatz zu den beiden anderen Bühlen südlich davon, deren Fuß sanft iri d i j Ebene verläuft, ein ausgesprochener S t e i n k e g e l , der nur eine schwache Humusdecke trägt. Sollte dieser Stein-Charakter, der sicher bei diesem höchst merkwürdigen Rundberg auch schon den Urbewohnern aufgefallen sein muß, namengebend gewesen sein, so bedeutet der Korn-bühi, obwohl er erst seit 1507 nachweisbar ist, nichts anderes als S t e i n b u h 1. Joh. Ad. Kraus

Aus der Heimatliteratur

Über die Herren von Bubenhofen hat vor Jahrzehnten schon Max Dunker Forschungen angestellt und ;n der Zeitschrift für württembergische Geschi :hte 1937 Seite 335-369 seine Ergebnisse dargelegt. Der älteste Vertreter, Volkart v, B., erscheint im Jahre 1190, der letzte des Ge-schlechts namens Johann Nep. Wilhelm starb 1814 in Bamberg.

Nun hat Oberstuo.enrat Albert Gaier die Familie und deren Besitz neu vorgenommen, viel Unbekanntes auf-gespürt und in der Zeitschrift „Hohenstaufen" 7 (1969), einet Veröffentlichung des Geschichtsvereins Göppingen, auf 134 S _ten dargelegt und mit vielen Bildern erläutert. So verfolgte er die Familie zu Justingen, Leinstetten, Steinbach bei Esslingen, Donzdorf, Ramsberg und Win-zingen, ohne die übrigen Besitzungen aus dem Auge zu verl' ren. Sehr wertvoll sind seine ausführlichen Anmer-kungen und Exkurse über verwandte Familien, deren Wappen sich vielfach an den Grabsteinen finden.

Nicht folgen kann man Gaier, wenn er Seite 4 sagt, die

Bubenhofen hätten die beiden Burgen Lichtenstein bei Neufra erbaut, oder wenn er von dem „gewaltigen Bau-werk der Hagenburg in Grosselfingen" redet, die Schalks-burg ais Stammsitz der Zollern ansieht, unser Dießen als Bubenhofer Besitz dartut und das Kloster Kirchberg als Stiftung der Grafen von Hohenberg vorführt . Die bür-gerlichen Bubenhofer gehen wob1 meist auf Michael Lud-wig von Bubenhofen zu Leinstetten zurück, der um 1630 eine Bürgerliche he: atete, worauf seine Kinder den Adel verloren. Die Herkunf t Oswalds von Lichtenstein, der aus der Lichtensteiner Linie in Neckarhausen bei Betra stammte, sucht Gaier Seite 101 vergebens zu klären, was schon in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte in Hohenzollern 31 (1897) Seite 132 f. geschah. Ebenso ist ihm die Hei>nat der Reutlinger Familie des Konrad Uelin, der aus Trochtelfingen stammte, unbekannt geblieben (Seite 132), die in Mitteilungen Jahrgang 32 (1898) Seite 83-91 von Theodor Schön iingehend geschildert ist.

J. A. Kraus

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H E C H I N G E N : ST. L U Z E N , Kirche und Kloster

OSCAR H E C K

Die Denkmalpflege in Hohenzollern

Jahresbericht 1970

Der Jahresbericht über die Denkmalpflege in Hohenzol-lern während des Jahres 1970 kommt um einige Monate zu spat - jeaoch nicht zu spät. Geht es in erster Linie darum zu vermerken, was an den Bau- und Kunstdenk-malen der beiden nohenzollerischen Kreise im Verlauf des vergangenen Jahres getan worden ist.

Begi/.nen wir mit den Bauten, deren Instandsetzung schon im Jahr 1969 behandelt worden ist und die etzt beendet wurden. Es ist zunächst die Pfarrkirche zu Glatt , die das zustän-dige Pfar rami jetzt auch am Äußeren instandsetzen ließ. Bei der Untersuchung des alten Außenputzes wurden am Chorbau kräftige Spuren einer Quadermalerei festge-stellt, die einstens dem Bauwerk einen guten Maßstab und eine Gliederung gegeben hat. Soli man sie freilegen und restaurieren, oder soll man die Außenhaut des Chor-baues oh:ie Fugen glatt verputzen? Diese Frage wurde nach rein historischen Gesichtspunkten beantwortet. Die nachfolgende Kritik derer, die nicht verstehen, warum man den Cnor mit einem „unwahren Netzwerk schwarzer Fugen" überdeckt hat, wurde nicht gescheut, sondern in Kauf genommen. Hier ging es mehr um die Wiederher-stellung eines Zustandes der Renaissance al sum die ge-schmackliche Vorstellung heutiger Menschen. Die Restau-rierung der E rche hatte keineswegs zum Ziel, eine künst-

lerische Einheit aller sich widerstrebenden Baute le herzu-stellen. Hierzu hätte außen zum mindesten der neu-gotische Turm stiller werden müssen, denn Chorbau und Turm wollen nicht zusammen sti imen. Und im Inneren: wie stark differenziert steht hier der Chor, der seine alte Form weitgehend wiedergefunden hat, neben dem Lang-haus, dem die Zeichen des 19. Jahrhunderte .n der Decken-malerei und in den Seitenaltären geblieben sind und das zudem noch eine neue Empore mit - gestehen wir es ruhig - moderner Orgel sowie eine ebenfalls moderne Taufkapelle bekommen hat. Der Maßstab des Ganzen blieb jedoch unverändert. Und damit, so ist zu hoffen, kann die von Arcl"tekt Anton Beuter in Dettingen ge-leitete Instandsetzung auch in den Augen des heutigen Menschen als geglückt angesehen werden. Was mit dem e'istigen Wasserschloß geschehen wird, ge-hört in den nächsten Jahresbericht. Es wechselte in andere Hände über und wird als Mitte der Gemeinde künftig eine größere Rolle spielen, als l her

So viel kann aber schon heute gesagt werden, daß sich die Gemeinde Glatt sehr ernsthaft um eine gründliche Sanierung des Ortskeins bemüht. Wo der Fremdenver-kehr so deutlich angefangen hat, Fuß zu fassen, muß sich aucn das äußere Bild der Gemeinde danach richten. Glatt ist auf einem guten Weg!

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Auf ähnlichen Pfaden bewegt sich die Gemeinde Diessen. Auch sie hat erkannt, welche Werte in der schönen Natur des Diessener Tales liegen und wie beherrschend die alte Burgruine über dem Orte thront. Hier ist in den ver-gangenen Jahren viel getan worden. Die Burgruine wurde nahezu ganz instandgesetzt. Es fehlt nur noch das, was ihr dazu verhelfen soll, die Verbindung zwischen Burg und Gemeinde zu schaffen, oder besser gesagt, es fehlt noch die Anziehungsstelle auf der Burg, also das Freilicht-Theater und das Restaurant! Hoffen wir auf das ange-laufene Jahr!

Mit dem Pfarramt Diessen wurde erneut über die ge-plante Instandsetzung des Inneren der Kirche gesprochen. Der Chor ist schon vor Jahren instandgesetzt worden; doch vernimmt man davon jii :ht mehr viel, da der an sich schon kleine Raum durch allzu viel Mobiliar verstellt worder ist — ganz im Gegensatz zu den Empfehlungen, die das Zweite Vatikanische Konzil ausgesprochen hat. In Haigerlodi, der Stadt der einstürzenden Mauern, hatte das Pfar ramt alle Hände voll zu tun, um die ebenso unge-zügelten wie gefährlichen Kräfte, die im Erdreich stecken, zur Ruhe zu bringen. Das Übel begann, vielleicht als Folge eines Erdbebens, dicht am Haupteingang zur Schloß-kirche. Dort brach eine ca. 6 bis 7 m hohe Naturstein-mauer in sich zusammen. Wäre das Unglück zu einer Zeit geschehen, da Gottesdienste stattfinden, dann hätten Ver-luste an Menschenleben kaum vermieden werden können. So blieb nichts anderes, als das Mauerwerk mit sichernder Untermauerung wiederherzustellen.

Nicht lange danach wich die große, seit langem als ge-fährdet angesehene Umfassungsmauer an der St. Anna-kirche aus ihren Fugen und hinter sß eine Mauerlücke von mindestens 20 m Länge. Hier war die Gefahr weit-aus größer: was abrutschte, überdeckte eine vielbefahrene Straße und legte zugleich die Fundamente der Annakirche frei. P: :er waren schnelle Hilfe und ein baufreuc ^er Pfarrherr dringend vonnöten. Er brachte cae Geldrr :tel in kurzer Zeil auf den Tisch, wie es ihm auch gelang, tat-kräftige Handwerker heranzuschaffen, so daß die Mauer sehr schnell wiedererstand. Zwar wurde die Lücke nicht, wie dia bestehen gebliebenen Teile, aus Natursteinen ge-mauert; aus statischen Gründen mußte sie vielmehr in Eisenbeton hergestellt werden. Das ist nun zu sehen und muß geduldet werden.

Schon im letzten Berichtsjahr i :t mit der Instandsetzung der Kaplanei von St. Anna begonnen worden. Das Äußere ist jetzt fast vollendet. Dabei ergaben sich umfangreiche und penible Arbeiten an den steinernen Gewänden des Portals und der Fensterumrahmungen.

Das Äußere der Schloßkirche erhielt ein neues, helles Kleid. In leuchtendem Rot steht das neugedeckte Dach über der Kirche. Der neue Verputz von Langhaus, Chor und Turm strahlt in gebrochenem Weiß und deutet darauf hin, daß hier die wahre I itte der Stadt sich be-findet. Das Innere des Langhauses erhielt ein neues Ge-stühl, das (die aiten, barocken Decken mit übernahm.

Einen kurzen Blick tat der Landeskonservator in die Wohnung des Sdiriftstellers Wilhelm Kiefer in Trillfin-gen, als es galt, den 80. Geburtstag des stillen Gelehrten zu feiern, der so viel und so gut über die suddeutschen Bau- und Kunstdenkmale geschrieben hat Solche Männer fehlen uns heute sehr. Wir möchten dem Aditziger audi von dieser Stelle aus das Beste wünschen.

In Dettingen wurde erneut und ngehend über die Er-haltung des schon vor Jahren ausgebrannten Schafstalles, in dem sich eine mittelalterliche Burg verbirgt, gespro-

chen. An seinen Fundamenten nagt ein Steinbruch, und er würde - falls kein Einspruch erfolgte - in wenigen Jahren die Ruine zum Einsturz bringen. Es ist zu hoffen, daß die Ruine bald instandgesetzt wird und daß es ge-lingt, sie in spätere Zeiten zu retten.

In Neckarhausen ist die von W. Fr. Laur 1889 erbaute Kapelle St. Ulri h vom Abbruch bedroht. Wenn man die geplante Straße um ein Geringes hinter der Kapelle her-um führt , ist das Bauwerk als sichtbares Ze ;nen der Zeit um die Jahrhundertwende zu erhalten. In diesem S. ne äußerte sich der Konservator.

In Rangern1 ¿.igen wurde durch eine örtliche Vereinigung, die sich die Erneuerung eines Feldkreuzes zur Aufgabe gemacht hatte, ein neues Kreuz errichtet. Demnächst will die Gemeinde einen neuen Dorfbrunnen schaffen.

Sickingens Kirche - 1830/31 nach Plänen des Architekten A. von Clavel erbaut - erfuhr einen vor allem die West-seite und den Turm betreffenden Umbau.

Der Gemeinde Boll bereitet die Instandsetzung der erd-bebengeschädigten Wallfahrtskirche Maria Zell erhebliche Sorgen. Nun scheint ein Vorschlag des Erzbischöflichen Bauamts in Konstanz zur Ausführung zu kommen, der mit einem Aufwand von 160 000 DM rechnet. Die Aus-führung der Arbeiten steht bevor.

Auch auf der Burg Hohenzollern gab es Erdbeben-Schä-den. An der Michaelskapelle waren sie von größerem Ausmaß. Aber auch im Inneren rissen zahlreiche Wände und Decken. Alle diese Schäden mußten behoben werden. In Hechingen fand eine erste Baubesichtigung im Dach der Stiftskirche statt. Dort haben sich einige Verschie-bungen im Dachwerk gezeigt, die behoben werden soll-ten. Das Erzbischöfliche Bauamt hat die Schäden jedoch nicht für so gravierend betrachtet, daß unmittelbare Ab-wendung notwendig erschiene.

Bewegender ist der geplante Neubau eines Pfarrhauses. Der Altbau, der aus Siei-en der 1779 abgebrochenen al-ten Stiftskirche erbaut worden ist, hat so viele Schäden, Unbequemlichkeiten und Nachteile, daß er zum weiteren Bewohnen nicht mehr taugt. Der Kirchenvorstand hat daher beschlossen, einen Neubau an derselben Stelle in Veroiiidung mit einem Gemeindezentrum zu errichten Der für die Planung in Auss ht genommene Architekt wurde in einem Wettbewerb ermittelt. Die Veröffent-lichung seines Entwurfes brachte indessen manchen He-chinger auf di>- Beine. Man hörte in der Stadt \ el Gutes über das alte Pfarrhaus (was man nur als Folge der Un-kenntnis des Gebäudes werten kann) und viel Schlechtes über den Entwurf für das neue Pfarrhaus (was nur als emotionaler Be t rag zur Sache gewertec werden kann). Tatsache ist jedenfalls, daß die Stadtverwaltung bisher noch keine endgültige Stellung zum Projekt genommen hat.

Mangelt es in der Bevölkerung tatsächlich an dem Ver-mögen, das Neubauprojekt zu „sehen", wie es wirken würde? Und ist das alte Pfarrhaus wirklich „schöner" als der geplante Neubau? Kann man feine Augen so vor dem versdiiießen und kann man sich von dem Alten, das - auch in der Fassade - nur schlecht und recht ist, nicht trennen? Ich bin, um dies deutlich zu sagen, für einen entschiedenen Neubau und mache keinen Versuch, am Kirchplatz zu Hechingen einen „Alt-Bau" zu schaf-fen. Ein derartiger Alt-Bau würde nämlich zum Ki. :h-platz und zum Marktplatz nur schlecht: passen. Der ein-deutige Neubau, wenn er gezügelt und in seinem Maßstab angeglichen wird, wirkt auf mich ehrlicher.

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Das „Weiße Häusle" in Hechingen nahm außer der Sammlung der Bürgergarde eine kleine Ausstellung zum Werk des Generals Steuben auf. Aus diesem Anlaß wurde die Eingangsfront neu gestrichen.

An der Vorhalle der nach F. A. Stüler'schen Plänen 1856 errichteten evangelischen Kirche zeigten sich erhebliche Schäden. Sämtliche Stufen und die Sandsteinsäulen muß-ten erneuert werden.

Erheblichen „Staub" wirbelte der Plan der Hohenzol-lerischen Landesbank auf, das in ihrem Eigentum befind-liche „Neue Schloß" abzureißen und einen Neubau an seiner Stelle zu setzen. Der Landeskonservator, dem das Neue Schloß noch nie als ein „Stein der Weisen" erschien, stellte sich auf die Seite des Bauherren. Ein rühriger Aus-schuß sammelte Unterschriften und brachte die Sache vor den Denkmalrat Südwürttemberg-Hohenzollern, der im Grunde genommen für Hohenzollern gar n'cht zuständig war und ließ ihn entscheiden. Der Denkmalrat verneinte gegen die Stimme des Berichterstatters, daß an dem Neuen Schloß gerührt werde.

Die Vorarbeiten zur Instandsetzung der St. Luzenkirche in Hechingen wurden fortgesetzt und so weit gefördert, daß am 1. Februar 1971 mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Kurz zuvor wurde auf Betreiben von Herrn Landrat Dr. Mauser ein „Vere' rettet St. Luzen" gegründet. Möge es dem Verein gelingen, c e letzte noch offene Finanzierungslücke zu schließen und das Verständ-nis fü r die Wichtigkeit des Bauwerks in der Bevölkerung zu fördern.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen konnte sich der Stel-lungnahme des Landeskonservators, wonach eine Werbe-schrift - „Chinesenschrift" - am Hause der Hofapotheke in Hechingen verboten werden sollte, leider nicht an-schließen. Seitdem „verschönert" die ungute Leuchtschrift das Geschäftshaus.

Kleinere Bauarbeiten an und in der Ruhe-Christi-Kapelle zu Hechingen sind noch im Gange.

Der Untere Turm, erbaut 1579, hat seit seiner letzten Instandsetzung eine sehr unansehnliche Außenhaut be-kommen. Er soll im Jahre 1971 neu gestrichen und wie-derhergestellt werden.

Die „Hohenzollernsche Landessammiung", die 1922 von W. F. Laur gegründet und mit einem kräftigen Fundus von Kunstwerken versehen worden ist, befand sich b ;s 1967 auf der Burg Hohenzollern. Dort geriet die Samm-lung mehrfach ins Gedränge, weil der von ihr belegte Raum anderweitig gebraucht wurde. Sch'-'eßlich wurden die Sammiungsgegenstände vorläufig in ein Depot nach Hechingen gebracht, wo sie bis zum Herbst 1970 lagerten. Nun, endlich, ist ein neuer Ausstellungsraum für die Sammlung im Alten Schloß gefunden und von der Stadt Hechingen bereitgestellt worden, H_er wird di.j Samm-lung in nächster Zek aufgebaut und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden.

Zwei Chorfenster der Kirche in Beuren sind schadhaft ge-worden. Sie wurden erneuert und bilden den Anfang für eine hoffentlich nicht mehr lange ausstehende Gesamt-erneueruiig des Raumes.

In Stetten unter Holst" n, wo nach dem Ende des letzten Krieges eine neue Pfarrkirche gebaut worden ist, ohne daß man die Vorgänge . in, die .a 17. Jahrhundert erbaute Pfarrkirche St. Sylvester, abgerissen hätte. Nun brachte die Gemeinde Stetten den Vorschlag, die alte Kirche ab-reißen zu dürfen. Das Erzbischöfliche Bauamt in Kon-

stanz stellte in einer gemeinsamen Besprechung die Ge-genfrage, ob Stetten eine Leichenhalle besitze. Da dies nicht der Fall ist, eine Leichenhalle aber dringend be-nötigt wird, erging der Vorschlag, die alte Kirche nur teilweise abzutragen, im übrigen aber zu einer Leichen-halle umzugestalten. Die Planung hierfür wird vorbe-reitet.

Auf der Ruine Stetten unter Holstein wurde ein einge-stürzter Torbogen wieder aufgebaut.

Wir verlassen nunmehr das Kreisgebiet Hechingen und wenden uns zu den Orten des Kreises Sigmaringen.

Da ist zunächst die rühr: ge Stadt Gammertingen, die seit Jahren damit beschäftigt ist, acht dem Bildhauer J. G. Weckenmann zugeschriebene Plastiken im Garten beim Schloß wegen allzu starker Beschädigung kopieren zu lassen. Eben jetzt ist wieder eine der Figurengruppen fertig gestellt worden. Es bleibt nur mehr eine Plastik zu erneuern.

Ein städtebai ches Vorhaben von großer Bedeutung läuft seit einiger Zeit in Gammertingen. Bekanntlich kann die Altstadt den Straßenverkehr der heutigen Tage kaum mehr meis ern, da die Straßenzüge te 'weise zu eng sind. Im Zuge der Altstadtsanierung wurde daher der Vor-schlag gemacht, den Straßenzug, der sich am Hotel zur Post vorbei b' zur katho sehen Pfarrkirche erstreckt, nach der Bergseite hin auszuweiten. Demgemäß sollen die ge-samten Häuser dieser Straßenfront abgerissen und etwa io m weiter nach Osten zu in neuer Weise wiederauf-gebaut werden. Da keines der erwähnten Gebäude unter Denkmalschutz steht, ist gegen diesen Plan nichts ein-zuwenden.

Etwas schwieriger wird sich der geplante Neubau der Hohenzollerischen Landesbank ausführen lassen. Statt eines vorhandenen Bankgebäudes hinter dem Neuen Schloß (Rathaus) wird daran gedacht, einen etwas um-fangt icheren Neubau direkt neben das Neue Schloß so zu stellen, daß der Neubau sich um einige Meter vom Schloß absetzt. Damit wird der bisher zugebaute Teil des Schlosses freigelegt und der Alt-Bau kommt in seiner Gesamthe : besser zur Geltung. Das nicht unter Denk-malschutz stehende Nachbargebäude - es enthält jetzt die Feuerlöscngeräte und Schulräume - soll abgerissen wer-den und den 3aupiatz für die neue Landesbank ergeben. Es ist an verschiedene Verbesserungen beim Neubau der Landesbank gedacht, weshalb man nicht grundsätzlich gegen eine solche Planung sein kann. Indessen ist der Würfel noch n ht gefaiien; der Wettbewerb zur Erlan-gung architekonischer Entwürfe ist noch im Gange. Aber eines kann sicher erwartet werden: eine bessere Gesamt-wirkung des freigelegten Neuen Schlosses, eine Auswei-tung des Marktplatzes und die Schaffung eines Durch-ganges zwischen Marktplatz und dem hinter dem Bankge-bäude entstehenden Baugebiet.

Im benachbarten Ort Bronnen, das kirchenrechthch zu Gammerl ' igen gehört, plant man den Neubau einer Sakristei an der Kiiche.

Im nahegelegenen Feldhausen ist auf Wunsch des Pfarr -amts die Erweiterung der 1737-39 errichteten Pfarr -kirche im Gange. Die Ursache für diesen Umbau lag in der statisch unbefriedigenden Abstutzung des westlichen Dach-reiters. Es wird ein lehrreiches Exempel ergeben, wenn man die entstehenden Baukosten mit der Quadratmeter-zahl des gewonnenen Raumes vergleicht. Vielleicht hätte °ich der Umbau durch rechtzeitige Einführung der Vor-abendmesse vermeiden oder verringern lassen.

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Das Äußere der kleinen Marienkirche in Hettingen (1582 bis 1583 erbaut und um 1730 umgebaut) ist instandge-setzt und neu gefärbelt worden. Reste der alten Anstrich-farben gaben Anhaltspunkte fü r die Färbelung.

In Veringenstadt wurde das Dach und das Türmchen des Rathauses wiederhergestellt. Da das Bauwerk bereits um 1500 errichtet worden ist, wurden beim Umbau die alten Formen wiederholt.

Veringendorf ist um ein schönes Fachwerkhaus reicher ge-worden. Bei der Instandsetzung des alten Pfarrhauses (1746) mit seinem markanten Mansarddach wurde an drei Seiten gut erhaltenes Fachwerk gefunden, das früher offen gestanden hatte. Es ist jetzt freigelegt worden und bildet seitdem eine wahre Bereicherung des Ortsbildes. In der Pfarrkirche zu Veringendorf wurden die letzten Reste der bisher verputzt gewesenen Wandmalereien frei-gelegt und restauriert. Dabei ergaben sich an einigen Stel-len andere, wohl richtigere Deutungen der Malereien, die wohl aus dem 14. Jahrhundert stammen dürften.

In Hochberg soll die 1913 erbaute Kirche durch einen Umbau den heutigen Forderungen der Liturgie angepaßt werden.

Benzingen bemühte sich um die Wiederherstellung des Äußeren des von Franz Anton Bagnato 1758 erbauten Pfarrhauses.

Die Instandsetzung des Äußeren der Pfarrkirche in Sig-maringendorf ist beendet worden.

Inzigkofen hat jetzt sein instandgesetztes Kircheninneres wieder im Gebrauch. Mit seinen stark farbigen Altären zeigt der Raum jetzt ein Bild heiterer Rokokokunst.

Die Hohenzolleri rche Landesbank beriet mit der Denk-malpflege einige Entwürfe für einen geplanten Anbau. Zusammen mit der Stadtverwaltung wurde der Rund-turm, eines der letzten Zeugen der mittelalterlichen Stadt-befestigung, für Zwecke eines Heimatmuseums umgebaut. In der Nähe des Hauptbahnhofs S gmaringen, wo vor einigen Jahren bereits ein ¿Mo-Hochhaus erstanden ist, sollen etzt zwr ' bis d r ' i weitere Hochhäuser gebaut wer-den. Die Verhandlungen sind noch im Gange.

Eines der ersten Baudenkmale von Sigmarmgen, das Fi-delishaus, soll dem Vernehmen nach verkauft werden. Nodi iit nicht geklärt, welche Folgen sich aus dem Ver-kauf des Anwesens ergeben werden.

Im Schloß zu Sigmaringen sind e^ne Reihe kleinerer Bau-arbeiten durchgefünrt worden. Das Fürstliche Museum klagte über Wandfeuchtigkeit. Dem soll nachgegangen werden.

Hausen am Andelsbach hat eine Kirche, die 1853 von I. Laur instandgesetzt und umgebaut wurde. Nach einem weiteren. Umbau 1945/46 wird der Innenraum jetzt den neuen Anforderungen der Liturgie angepaßt.

In Wald wollen die baulichen Veränderungen kein Ende nehmen. Sie erfolgen in verschiedenen Wohntrakten und jetzt im Küchenflügel. Das ehemalige Gasthaus zur Post, 1797 erbaut, erfuhr eine grundliche Instandsetzung.

Die Friedhofkirche in Vilsingen, die aus dem 15. Jahr-hundert stammt, wird zur Zeit wiederhergestellt und

in eine Leichenhalle umgestaltet. Im Inneren werden Wandmalereien (16. und 17. Jahrhundert) instandgesetzt. Im Schloß Hohenfels (bei Kalkofen) wurde vor kurzer Zeit der aus dem Jahr 1751 stammende Altar in der Ka-pelle wiederhergestellt. Nun sind Planungen zur Instand-setzung des Schloßhofes besprochen worden. Diese Arbei-ten sollen 1971 ausgeführt werden.

In Ostrach ging es um die Erhaltung des zum Teil in Fachwerk ausgeführten Mesnerhauses (Mitte 18. Jahr-hundert). Städtebauliche Forderungen machen einen Ab-bruch nach Meinung des Bürgermeisteramtes erforderlich. Man wird prüfen müssen, wieviel das Gebäude bei mehr-fachen Veränderungen schon an Gewicht verloren hat. Die Kirche in Einhart (aus dem Anfang des 16. Jahrhun-derts), deren Inneres vor wenigen Jahren instandgesetzt worden ist, erhielt einen neuen Außenputz.

Im Kloster Habsthal wurde die Instandsetzung der Außenfronten beendet. Im Kircheninneren ist das Dach-gebälk über der westlichen Empore in Ordnung gebracht worden und nun steht die Instandsetzung des durch Wassereinbruch beschädigten Deckenbildes von G. B. Göz (pinxit 1748) bevor. Es ist zu erwarten, daß der östliche Teil der Kirche bald danach an die Reihe kommt.

In Ablach, Levertsweiler und Thalheim bestehen Pläne zur Instandsetzung des Inneren der Kirchen. Ähnliches gilt für das alte Pfarrhaus in Thalheim (um 1740 als ehemaliges Jagdschlößchen des Fürsten Josef Friedrich von Hohenzollern erbaut).

In Magenbuch wurden Pläne für die Instandsetzung des Kircheninneren besprochen. Die Restaurierung der Ka-pelle in Lausheim steht immer noch aus. Verkehrstech-nische Gründe wurden hauptsächlich herangezogen für den Abbruch der Kapelle St. Johannes in Steinhilben (um 1725). Diese Sache ist noch nicht geklärt.

Diese denkmalpflege'ischen Arbeiten wären nicht möglich gewesen ohne tatkräftige Unterstützung durch das Staat-liche Amt für Denkmalpflege in Tüt igen, den Hohen-zollerischen Landeskommunalverband in Sigmaringen so-wie die Landkreise .n Hechingen und Sigmaringen. Ihnen, den Architekten, Restauratoren und Handwerkern sei für ihre Hilfe herzlichst gedankt.

Der Berichterstatter hatte Gelegenheit, an einigen Tagun-gen teilzunehmen und dort mit Kollegen und Kunsthand-werkern ins Gespräch zu kommen. Insbesondere traf dies zu bei der Jahrestagung der Denkmalpfleger in Lud-Wigs-burg, in Südtirol, in Mainz, bei ler Stadtsanierungstagung in Kempten und bei den S tzungen des Vereins für Hohen-zoIlericche Geschichte. O. Heck

Diesem Bericht des Landeskonservators werden vermut-lich nur noch zwei folgen, fü r 1971 und 1972, da dann im Zug der Kreisreform auch d' eigene hohenzollerische Denkmalspflege aufgehört haben wird, zu bestehen. Ob der Wandel in C":sem Bereich, i dem es mw. am deut-lichsten erscheint, was wir späteren Generationen 1 lter-lassen, zum Guten oder zum Bösen geht, bleibt abzu-warten. Es ist aber doch wohl zweirelhaft, ob ein Amt für Denkmalspflege für einen größeren Bereich, das hun-derte von Gemeinden zu betreuen hat, mit derselben Sach-kenntnis und Liebe einen kleinen Bezirk v ie Hohen-zollern behandeln wird, die , h m unter den Herren Fried-rich Wilhelm Laur, Walther Genzmer und Oscar Heck bisher in diesem Jahrhundert zuteil wurde.

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HERBERT B U R K A R T H

Alte Volkstrachten auf der Alb

Votivtafeln zeigen die Kleidung im Wandel der Zeit

Im 18. Jahrhundert wurden zwei Wallfahrtskapellen im Laucherttal zu Mittelpunkten der Volksfrömmigkeit. Die bäuerliche Bevölkerung des Zwiefalter Klostergebietes und der katholischen Reichritterschaften (Trochtelfingen-Gammertingen-Veringen) pilgerten mit ihren Nöten und Sorgen zu den Gnadenbildern.

War ein Gebet sichtlich erhört worden, so ließ man eine Votivtafel malen, um in aller Öffentlichkeit seine Dank-barkeit zu zeigen. Die Stifter legten of t Wert darauf, daß sie mit ihrer ganzen Familie auf der „Tafel" abge-bildet wurden.

Es ist keine große Kunst, die hier gezeigt wird. Die mei-sten Bilder sind von Laien gemalt. Eine Ausnahme bil-den die Bilder aus dem Gammertinger Raum, welche teil-weise auf die Malerfamilie Reiser zurückgehen. Diese Votivbilder sind die einzige Quelle, aus der etwas über die alten Volkstrachten in unserem Raum zu erfahren ist. Die Abbildungen umfassen den Zeitraum von ca. 1750 bis 1850. Ältere Bilder sind nicht erhalten und um 1850 hörte diese Art der Votivbilder auf.

Filz. Die Hosen bestanden aus kräftigem schwarzem Tuch und reichten bis unters Knie, wo sie mit einer Schleife gebunden wurden. Dazu trug man weiße Strümpfe und schwarze Halbschuhe. Der Dreispitz wurde um 1840 durch einen breiten H u t mit hochgeschlagener Krempe ersetzt. Nach dieser Zeit hörten die Männertrachten lang-sam auf.

Dieser Aufwand an Kleidung bei einer sehr armen Volks-schicht, mag zunächst Erstaunen hervorrufen. Man muß aber bedenken, daß es sich dabei nur um den Sonntags-staat (Sonntigshäs) handelt, den man nur einmal im Leben anschaffte, wenn man ihn nicht überhaupt geerbt hatte. Dadurch ist auch die Kontinuität gegeben, welche aus der Kleidung eine „Tracht" werden läßt.

Die Frauen trugen im 18. Jahrhundert schwere, gefaltete Überröcke, 'die vorne offen waren. Der Unterrock, der an der Vorderseite sichtbar war, war bei verheirateten Frauen einfarbig, meistens weiß. Junge Mädchen trugen einen farbig gemusterten Unterrock. Uber dem Rock hatten die Frauen eine kurze Jacke, die vorn geschnürt

Die Kleidung der Männer hat sich in dem erwähnten Zeitraum kaum verändert. Sie trugen einen langen Rock mit Silberknöpfen, gestickten Knopflöchern und Borten-besatz an den Ärmelaufschlägen und laschen. Die Farbe war anfangs braun und grün, später fast einheitlich blau. Unter dem Rock trug man farbige Westen, meistens rot oder grün. Die Hemden hatten oft Spitzenmanschetten; um den Hals hatte man eine Binde aus schwarzem Samt. Die Kopfbedeckung war ein Dreispitz aus schwarzem

wurde. Um den Hals wurde ein breites Halstuch (dunkel oder farbig) getragen. Im Sommer gab es auch ärmellose Jadken, unter welche man weiße Blusen mit langen Ärmeln anzog.

Die Farben der Kleider waren fast durchweg dunkel, blau oder grün, nur die Mädchen trugen hellere Farben, gelegentlich auch rosa, Kopfbedeckung der Frauen war eine enganliegende, runde Haube, die nur das Gesicht

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frei ließ. Die Haube wurde mit breiten Bändern unter dem Kinn oder im Nacken zusammengebunden.

Nach 1820 veränderte sich die Frauentracht. Die Kleider hatten große Ähnlichkeit mit den heutigen Dirndelklei-dern. Über dem Kleia wurde eine weiße Schürze getragen. Die Hauben, „Schappeln" genannt, wurden höher und waren reich verziert. Jetzt durfte man auch das Haa r sehen. Um 1830 wurden Radhauben üblich, die manch-mal mit Goldstickerei verziert waren. Die neue Kleider-form war übrigens nicht ganz neu. Sie hatte sich aus den

Arbeitskleidern entwickelt, wie sie in dieser Form schon im 18. Jahrhundert getragen wurden.

Während die alte Tracht in ihrer Strenge an Nonnen erinnert, bildet die neuere Tracht auch für den heutigen Geschmack einen sehr erfreulichen Anblick. Die Frauen, vor allem die alten Frauen, dürften in unserem Gebiet noch etwa bis 1870 eine Kleidung getragen haben, die man als Tracht bezeichnen kann. Dann begannen auch sie, sich nach der jeweiligen Mode zu kleiden.

Neue Grabungen bei Inzigkofen

Auf dem Grabungsfeld der „Krummäcker" nahe der Laizer Markungsgrenze soll in diesem Jahr wieder ge-graben werden. Dr. Har tmann Reim, der auf der letzten Hauptversammlung des Hohenzollerischen Geschichtsver-"ns in Sigmaringen im Herbst vergangenen Jahres i >er

die bisherigen Grabungen referierte, sagte Anfang Februar bei einem Vortrag, den der Albverein Inzigkofen veran-staltete, er habe das gesuchte Kastell nicht gefunden. In-dessen sei ein ganz unbeschädigter Gutshof aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. herausgekommen, und dies allein sei schon bedeutungsvoll. rund 800 solcher viallae rusticae in Baden-Württemberg, die man bisher kennt, seien alle angeschnitten oder sonstwie (durch Sied-lungen, Straßen usw.) verstümmelt. Außerdem aber ind zwei Gewandfi. ein gefunden worden, die aus der Zeit des vermuteten Kastells stammen, das etwa nach 50

n. Chr. im Zug des damaligen Donau-Limes gebaut wor-den ist, und diese Fibeln deuteten darauf hin, daß das Kastell ganz in der Nähe sein müsse. Zudem tauchten innerhalb des Gutshofs die Pfostenreste eines winzigen römischen Holzhauses auf, das bisher in seiner Bedeu-tung nicht sicher erkannt ist. Es ist jedoch älter als der Gutshof und müßte auch aus der Zeit des Limes stammen. Das Kastell wird seit Jahrzehnten immer wieder gesucht und man glaubte, es gefunden zu haben, als die berühmt gewordene „mansio" auf dem Gewann Dreißig Jauchert bei Sigmaringen gefunden wurde. Der Übergang von Laiz-Sigmaringen zu dem es gehört - und gewiß auch ein Kastell - gilt der Römerforschung i i Baden-Württemberg heute als der wichtigste im Land. Kastelle zu diesem Donau-Limes sind bisher in Hüfingen und Emerkingen gefunden worden.

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WALTHER FRICK

Wer war Hans Kayser?

Leben und Werk eines Mannes aus Sigmaringen

Die Leser erinnern sich vielleicht daran, daß im April vergangenen Jahres an der Sigmaringer Hofapotheke eine Bildnisbüste enthüllt wurde mit dem Kopf von Dr. Hans Kayser, der aus diesem Haus stammt und 1894 als Sohn des damaligen Hofapothekers geboren wurde. Ganz korrekt muß man sagen: Kayser ist nicht in der Hof -apotheke geboren, aber seine Eltern zogen aus Buchau zu, als er noch in den Windeln lag. In Sigmaringen ist er aufgewachsen - und natürlich liegt der Vergleich mit der Herkunf t eines etwa Gleichaltrigen sehr nahe: Albert Ein-stein stammt auch aus Buchau, und auch er ist in einer anderen Stadt, nämlich in Ulm aufgewachsen, sogar ge-boren. nachdem seine Eltern kurz zuvor dorthin gezogen waren.

Diesen Vergleich ziehe ich aus einem anderen Grund und wage mich dabei auf den schwankenden Boden der Pro-phetie vor: Einstein gelangte zu Weltruhm; Kayser ist vermutlich posthum auf dem Weg dorthin. Diese Be-hauptung bedarf des Beweises, den diese Zeilen antreten sollen. Dazu ist zunächst zu sagen, daß Einsteins Er-kenntnisse sozusagen mehr in der Luft lagen als die Kaysers. Einstein war Naturwissenschaftler, und als er geboren wurde, stand die naturwissenschaftliche Forschung auf ihrer Höhe; ich meine die theoretische, während die Wucht der praktischen Erfolge erst unser Jahrhundert richtig zu spüren bekommt. Kayser hingegen ist — wenn man der Bezeichnung Naturwissenschaft noch einen an-deren Sinn unterlegen will, auch ein Naturwissenschaft-ler, aber eben in anderer Weise. Er ist Harmoniker, wo-mit die gelehrte Welt von heute noch fast nichts anfangen kann.

Hans Kayser hat die uralte, in Griechenland von Pytha-goras entwickelte, vielleicht in Ansätzen schon vorge-fundene, später of t durch allerlei mystische Zusätze ver-dunkelte, aber nie ganz erstorbene Kenntnis der Ha r -monik wieder aufgeweckt. Was ist das? Wenn man eine Saite über ein Einsaiteninstrument spannt, ein sogenann-tes Monochord, was dasselbe heißt, und dann anzupft , gibt es einen Ton. Der Klang, den wir hören, ist (von der Spannung abgesehen) abhängig von der S; kenlänge. Drücken wir mit dem Finger genau in die Häl f te der Saite, entsteht oben und unten der gleiche Ton, aber eme Oktave höher. Drückt man an anderen Stellen, entstehen Terzen, Quinten, Quarten usw. Das wird täglich vieltausendmal auf allen Saiteninstrumenten getan; jedermann weiß das, der sich mit Musik befaßt, aber: die Saitenteilungen ste-hen in genauen mathematischen Verhältnissen zueinander. Mathematik ist eine Naturwissenschaft, das Hören, ob Saitenintervalle (also Quinten usw.) „stimmen", ist eine Sache des Inneren, ein seelischer Vorgang. Also: Hier ist ein Punkt, an dem Seelisches mathematisch kontrolliert werden kann, und umgekehrt, an dem mathematische Verhältnisse (die Längen der Saiten) mit dem Gemüt nachgeprüft werden können.

Man überlege einmal, was das in unseren Zeiten mathema-tisch-mechanischer Denkweisen bedeutet! Wir sind doch seit der Ren. ssance sozusagen von der Muttermilch an gewohnt, säuberlich zu trennen die Bereiche der haptischen

Erfahrung, des Greifbaren also, des Meß- und Nachprüf-baren, vor allem, was Philosophie, Religion, Poesie, Mu-sik, Schönheit bedeutet - und dieser Doktor Kayser fin-det einen Verbindungspunkt. Das ist das Eine. Das Andere, was Kayser in mühevoller Arbeit durch Jahr-zehnte herausfand, st dies: jene mathematischen Reihen der Töne gelten exakt für zahllose andere Verhältnisse, für Werke der Na tu r wie Blätter, Bäume, Kristalle, Schneckenhäuser - und fü r Werke des Menschen, wie etwa griechische Tempel und gotische Dome. Es ist also so, daß ein vom Schöpfer gegebenes Grundschema wirklich die Schöpfung durchzieht. Selbst die Sterne machen Mu-sik, und bei jener Denkmalsenthüllung hat es die Besucher des Festaktes in der Sigmaringer Bilharzschule doch selt-sam berührt, als Professor Dr. Haase, von dem gleich zu sprechen sein wird, mit einem Tonbandgerät Töne erklin-gen ließ, die sich auf den Umlaufbahnen und -geschwin-digkeiten der Planeten ergeben. Da fällt einem gleich die „Sphärenmusik" ein, von der Johannes Kepler so über-zeugt war, und gleichsam als Vorgriff auf die Bedeutung der harmonikalen Forschung n a c h Kayser, der 1964 verstarb, sei angemerkt, daß in der Tat dieses gegen-wärtige Kepler-Gedenkjahr auch Anlaß sein wird zu zwei Symposien, bei denen die Wissenschaft vertraut gemacht werden soll mit den Erkenntnissen Kaysers.

Die Biographie Kaysers * n einem kleinen Einschub ab-zuhandeln; er hatte keine großen Daten. Nach dem ersten Weltkrieg studierte er Musik und Philosophie, arbeitete eine Zeitlang an der Buchreihe „Der Dom", stieß in den

Bildnisplakette an der Hofapotheke in Sigmaringen

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zwanziger Jahren auf Versuche eines rheinischen Gelehr-ten und Zentrumspolitikers namens Albert von Thimus zur Harmon ik und war ihr verfallen. Großzügige Gön-ner in der Schweiz sorgten dafür, daß er als Privatgelehr-ter in der Nähe von Bern arbeiten konnte, und dort blieb er auch bis zu seinem Tod. Gelegentlich hat er Sigma-ringen besucht, wo er in dem ebenfalls verstorbenen Kon-zertmeister Theo Reiser einen getreuen Freund und Inter-preten seiner Erkenntnisse fand.

Und wiederum geschah es, daß ein Musikstudent nach dem Krieg, dem zweiten, b : seinen Arbeiten auf Hans Kayser stieß, in seine Nachfolge trat und bei ihm längere Zeit arbeitete, Dr. Rudolf Haase, inzwischen außerordent-licher Professor an dem vor wenigen Jahren geschaffenen Hans-Kayser-Institut an der Wiener Hochschule für Mu-sik und Bildende Künste, derselbe, der den Festvortrag in Sigmaringen, und im vergangenen Winter noch einmal einen Vortrag hielt. - Nach dem Sprichwort, daß die Welt ein Dorf sei, wo s :h die unmöglichsten Bekannt-schaften vollziehen und man an unmöglichen Plätzen wiederum Bekannte tr i ff t , si 1 hier eine kleine persönliche Marginalie eingeflochten. In einem der englischen Kriegs-gefangenenlager am Suezkanal, in dem außer einigen we-nigen anderen Hohenzollern auch der Hechinger Heimat-schriftsteller Willy Baur und der Verfasser dieser Zeilen saßen, war auch Rudolf Haase Gefangener. Damals noch kein Musikstudent; und er, wie der Verfasser, wußten nichts von Kayser, wurden aber Freunde. Und ausgerech-

net dieser ehemalige Fliegeroffizier mußte sich nachmals mit Kayser und damit mit Sigmaringen befassen!

Der geneigte Leser muß vorlieb nehmen mit diesem kür-zesten Anriß der Harmonik; das Material von Thimus, Kayser und inzwischen von Haase füllt natürlich Bände. Es sei mir aber erlaubt, einige neuere Aufsatz- und Bü-chertitel Haases zu nennen, afi denen schon abzulesen ist, was alles in den riesigen Rahmen der Forschung hinein-gezogen wird: „Der Goldene Schnitt als harmonikales Problem", „Gehörte Normen", „Keplers Weltharmonik und das harmonikale Denken" und die „Geschichte des harmonikalen Pythagoreismus". Es geht darin, etwas grob vereinfacht, um nichts anderes als um die Verbreitung der Tatsache, daß unsere Welt gar nicht in verschiedene Bereiche und Fächer zerfallen muß, ja, daß sie es nicht darf, sondern das es Normen gibt, die überall die glei-chen sind, die die ganze sichtbare, hörbare und geistige Welt durchziehen, die aber durch Jahrtausende meist nur wenigen Gelehrten, Baumeistern, Musikern bekannt wa-ren (obwohl man in der Übersicht über die Literatur auch in Deutschland in den letzten Jahrhunderten staunen muß, wieviel Harmonikales geschrieben wurde), und deren Kenntnis es jetzt gilt, wieder bewußt zu machen. Das bedeutet ohne Zweifel eine geistige Revolution aller-ersten Ranges, und vielleicht erscheint so die Behauptung, daß Hans Kayser als Wiedererwecker von dem allem wahrscheinlich einmal Weltgeltung erringen wird, nicht mehr so abwägig.

M A N F R E D H E R M A N N

Bildhauer Egid Hochstein (1720-69), ein vergessener Barockmeister aus Veringenstadt

Trotz der eingehenden Bearbe ung der Kunstdenkmäler Hohen/ol lerns 1 ist die Kenntnis dei barocken Bildschnit-zern hierzulande noch recht unbefriedigend. Zwar sind uns Leben und Werk der bedeutendsten Meister wie Joh. Joseph Christian (1706-77) 2 aus Riedlingen, Franz Magnus Hobs (f 1756) 3 aus Sigmaringen und Joh. Georg Weckenmann von Haigerloch (1727-95) 4 durchaus ge-läufig; andererseits vermögen wir eine große Zahl unserer Barockf ,ruren keinem Kunstler zuzuordnen. Hier gilt es durch Stadium der Standes'uucher unser Wissen zu er-weitern, vor allem jene Werkstätten kennenzulernen, welche für die Kunstwerke unserer Kirchen in Frage kom-men können.

Während meiner ViKarszeit in Burladingen bin ich beim Durchblättern der H( "igenrechnung Gauselfingen5 für das Jahr 1758 dem Namen „Egidi hochstein, Maller und Bildhauer von Vehringerstatt" begegnet. Da von diesem Künstler der Gauselfinger Kirche eine Figur erhalten blieb, hat es m.ch gereizt, dem Leoen des bisher unbekann-ten Mannes nachzugehen. Leider lassen die noch vor-handenen Quellen6 nur ein unzureichendes Bild des Sch' itzers gewinnen.

Egid Hochstein ist nach Auskunft des Veringenstädter Taufbuches am 22. Juni 1720 als fünftes K n d des Johann Adam Höchsten: und der Maria Stemmerin getauft wor-den. Leider machen d_. Standesbücher nirgendwo Angaben

zum Beruf des Vaters, den der Junge bereits mit 12 Jah-ren verloren hat („am 21. August 1732 beschloß Adam Hochstein in der Stadt Ravensburg seinen letzten Tag, dort ist er auch begraben 7"). Wir kennen nicht m"hr den Grund, welcher die Mutter bewogen hat, Egid bei einem Bildhauer und Faßmaler in die Lehre zu geben. Das mag in den Jahren 1735-39 gewesen sein Längere Zeit ver-lieren wir den jungen Künstler aus den Augen, erst 1755 i.nden wir zum 25. Juni einen Taufeintrag für die Toch-ter Anna Maria, wobei die Mutter als von Hausen im Tann stammend bezeichnet wird. Diese Spur führte mich in den kleinen, hinter Schömberg bei Balingen liegenden Or t Hausen am Tann, wo tatsächlich im Ehebuch der dor-tigen Pfarrgemeinde unterm 25. Nov. 1843 die Heirat des 25jährigen jungen Mannes „Aegidius hohstein" mit einer Martha Neherin aus Hausen vermerkt wird mit dem Zusatz: Sponsus ex Ver, - gana parochia = der Bräu-tigam stammt aus der Veringer Pfarrei. Wie mag der I ' d-hauer dortl ri gekommen sein? Jedenfalls ist des Rätsels Lösung in einer Schnitzerwerkstätte im nahen Schömberg zu suchen, dem kathe lischen Hauptor t im Baiinger Raum, wo Hochstein als Geselle bei Valentin Karrer oder bei Urban Faulhaber (1711-80) 8 gearbeitet haben dürfte. Vom letztgenannten wissen wir, daß er bei der Anfer -gung des Hochaltars für die Pfarrkirche Harthausen auf der Scher 1745/46 neben einem Lehrlingen auch einen Gesellen als Mitarbeiter beschäftigt hatte1 . Es ist nicht aus-

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geschlossen, daß Hochstein auch nach seiner Hei ra t bei seinem Lehrmeister in Schömberg tätig war .

In der Folgezeit werden dem Künstler in Hausen am Tann vier Kinder geboren (1748 eine Sibilia, 1750 eine Helena und am 23. Apri l 1753 die Zwillinge Georg und Johannes). Im Frühjahr 1754 machte sich die Familie Hochstein offensichtlich auf den Weg in die Heimat des Vaters, nach Veringenstadt, um sich dort fü r immer nie-derzulassen. Das mag fü r Egid Hochstein der Anlaß fü r die Gründung einer eigenen Werkstat t gewesen sein, die zu führen ihm im kleinen Hausen am Tann neben den Schömberger Bildhauern kaum möglich war . Leider mußte Egid die herbe Enttäuschung erleben, daß ihn seine Hei-mat nicht aufnehmen wollte. Das Ordinari-Verhörs-Prothocollum der Herrschaft Sigmaringen1 0 vermeldet nämlich zum 7. Mai 1754 unter Vöhringenstat t : „Aegidi Hochsteins wegschaffung von Vöhringen. - Aeg;di Hoch-stein einem Mahler von Vöhringenstatt gebührtig ist dato aus ein- so anderen Ursachen, besonders aber, da er vor jähren das Burger Recht alldaselbst verheürathet , aufge-tragen worden, seinen noch zu Vöhringen habenden haus-anthaill zuverkauffen, vnnd so dann sein glickh weiters zu suchen." Sollte der fürstliche Hofb i ldhauer Franz Magnus Hobs in Sigmaringen, der ja über die nötigen Be-ziehungen verfügte, einen Konkurrenten gefürchtet und sich bei den Behörden gegen Hochsteins Zulassung aus-gesprochen haben? Immerhin klingt diese Erklärung plau-sibel. Der H nweis, Hochstein habe durch eine auswärtige He i ra t sem Bürgerrecht zu Veringenstadt verwirkt , er-scheint hier fast als ein reiner Vorwand. Immerhin war das Stadtregiment und die Herrschaft in diesem Punk t empfindlich.

Obgleich man sich des Egid Hochstein entledigen wollte, ist er trotz aller Schwierigkeiten, die man ihm bereitet haben mag, in seiner Vaterstadt geblieben. Das Veringen-städter Taufbuch vermeldet in der Folgezeit drei weitere Taufen fü r das Bildhauerehepaar (1755 eine Anna Maria, die nach der Geburt wohl gestorben ist, 1756 ein Kar l und 1762 ein Mathias). Wenn es damals Sitte una Brauch war , Freunde und gutbekannte Nachbarn als Taufpa ten auszuwählen, dann :st dieses Amt so etwas wie ein Grad-messer f ü r Beliebtheit und Ansehen einer Person. D a r u m ist es auf fa lig, wenn weder der Bildhauer noch seine Frau je zu diesem Ehrenamt gebeten wurden, l ieber das Lebens-ende Hochsteins haben wir t rotz des Fehlens des Veringen-städter Totenbuches fü r jene Jahre glücklicherweise eine Nachricht aus dem Ehebuch. Unter dem 29. Juni 1769 wurden die Sponsalien zwischen den ersamen Witwer Egidius Hochstein und der Franziska Eggsteinin mit fol-gender Anmerkung des Pfarrers eingetragen: „Zwischen diesen wurden am 29. J u r am Fest Peter und Paul, die Sponsalien abgeschlossen und die Hochzeit auf den 3. Juli bestimmt. Da fiel der Bräutigam, dessen Ehefrau Mar tha Neherin von einem bösartigen und heftigen Fieber dahin-geraff t wurde und am 1. Mai dieses Jahres 1769 verstarb, am 1. Juli in dieselbe Krankhei t und verschied sogleich am 13. Juli vor der Hochzeit ." Somit nahm der Tod unserem Bildhauer mit 49 Jahren schon das Schnitzmesser aus der H a n d und raubte den unversorgten Kindern beide Elternteile. Leider scheinen alle Quellen verloren, welche etwas über d Erbteilung nach dem Tod der ersten Frau und auch die Eheabsprache mit der zukünft igen zweiten Gat t in aussagen könnten, ferner darüber, wer als Waisen-vogt über tfi 2 Kinder gesetzt wurde 6. U m so gesprächiger zeigen sich die Unterlagen über die Franziska Eggsteinin, die mehrere Jahre die Behörden beschäftigte und sich kei-nes guten Rufes erfreut haben dürf te . Zweifellos wa r sie

in ihren jungen Jahren ein echtes Skandalmädchen. Hierzu das Verhörs-Prothocollum der Herrschaft Sigmaringen vom 26. Apri l 1760 u :

„Vöhringenstatt - Der Schulth: ze ig t . . . an, das Jo-seph H a u g und Francisca Eggsteinin pcto 6ti sich mit-einander verfehlet und diese würcklichen seiter aller Seelen schwanger seyn, und welche zeit derselbe zwar mit ihro zu thun gehabt habe, doch aber nit Vat ter seye, indem sie mit einem Studenten Antoni Bazer und einem Maurer gesellen Friderich Hochstein (des Egid Bruder), der ein loch in die wand gemacht, durch welches er eben auch zu ihr hinein geschloffen, nicht minder mit Michael Häberle, und vielleicht mit dessen Vat ter auch, den Er bey Ihro gesehen, und endlich auch mit des Engel-würths Knecht N : schänzle, der ihr letzterer Faßnacht die wand wieder eingeschlagen, und t zu ihr gegangen, verdächtige bekanntschaft ge-habt, wie dann der Student und der Maurer bey ihro ganze Nächt gewesen, auch habe Er den Michel H ä -berle einsmahls bey der Nacht in dem stall angetrof-fen, und nachgehends bay dem Kopf genommen, nicht minder habe Er einsmahlen den Mathäus Häberle bey ihro Nachts-zeit im haus angetroffen."

Egid Hochstein muß sich nach dem Tod seiner ersten Frau zweifellos in N o t befunden haben, wenn der Künstler fü r seine unmündigen Kinder keine andere Mutter als die obengeschilderte F r a n z L i a Eggsteinin gefunden hat. Viel-leicht ist ihm durch den Tod selbst manches an Eheschwie-rigkeiten erspart geblieben.

An dieser Stelle muß noch einiges zum Künstler Egid Hochstein gesagt werden. Die Doppelbegabung von Ma-lerei und Bildhauerei f inden wir bei Barockmeistern sehr häu r.g, wobei der Malerberuf weniger als Flachmaler-, vielmehr als Faßmalertät igkeit aufgefaßt werden muß. Dies zeigt sich später am Beispiel Gauselfingen. Leider sind wir über die künstlerische H e r k u n f t Hochsteins des-wegen schlecht informiert , weil wir das Werk Valentin Karrers und Urban Faulhaubers aus Schömberg noch zu wenig kennen. Für Karrer ist bisher die hübsche Barock-kanzel von Margrethausen aus dem Jahr 1740 belegt1 2 , möglicherweise hat er auch eine Anzahl von Figuren fü r die Pfarrkirche von N e u f r a geliefert. Urban Faulhaber ist der Schöpfer der Har thauser (Scher) Kanzel und des dortigen Hochaltares, ferner dürf ten 1 e gesamten Straß-berger B. dhauerarbeiten um 1740/42 in der dortigen Pfarrkirche von der H a n d Faulhabers stammen 13. Von diesen Männern her dür f te Hochstein entscheidend geprägt worden sein.

Wir müssen dann dar iit rechnen, daß die drei Figuren, darunter ein prächtiger Johannes der Täufer , welche in der Pfarrkirche von Hausen am Tann aus der Zeit um 1750 erhalten geblieben s id, von Egid Höchs t en her-rühren. Weiter dürfen wir annehmen, daß unser Kunst-ler schon vor 1754 A r b ten in den Veringer Raum ge-liefert ha t ; erst recht müssen sich Schnitzereien nach diesem Termin im genannten Gebiet f inden lassen. So könnte manches Werk in der Deutstettener E irche bei Veringen-stadt von Hochstein stammen. Außerdem könnte er auch f ü r die Barockfiguren der 1751 erbauten Hochberg-Kapelle bei Neu t ra in Frage kommen. Eine genaue Unter -suchung soll einer späteren Arbei. vorbehalten bleiben. N u n aber zu den urkundlich verbürgten Tätigkeit Hoch-steins: In der Heiligenpflege-Rechnung Gauselfingen 5 f ü r die Zeit von Mart ini 1756 bis Mart ini 1757 wird fol. 26 unter „Außgaab Geldt umb Erkauf ten H a u ß und Vor ra th" folgende Por t ionen aufgeführ t :

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„Dem Bildhawer und Mahler vor zwey bilder zu schneyden und zu fassen bezahlt 24 fl. Obgemeltem Mahler vor 6 Ne".e Bilder zu schneyden und fassen wie auch den Altar zu renovieren und zu vergulden accordirter maßßen bezahlt 53 fl. Vor einen neüen Heil. Wendelin zu schneyden und zu fassen lauth quittung bezahlt 22 fl. Dem Schreiner von Stetten (u. Höllstein, Baltas Mayer) vor 5 neue Postament bezahlt 4 fl. 28xr."

In den Beilagen finden wir d:3 O ginal-Quittung - mit der Jahreszahl 1758 - welche von „Egidi hochstein, Mal-ler und Bildhauer von Vehringerstatt" unterschrieben ist. Glücklicherweise ist aus der alten Gauselfinger Kirche ein heiliger Wendelin, zweifellos das von Hochstein gelieferte und in der Rechnung aufgeführte Bildwerk, erhalten ge-blieben. Die letzte Unsicherheit wird durch die Signatur EH, welche in die Standplatte eingeritzt ist, vollends be-seitigt. Die Figur ist heute in der Bibliothek des Unter-geschosses der neuen Gauselfinger Filialkirche unterge-bracht.

Der hl. Wendelin ist in der üblichen Weise in der Hirten-tracht, den Stab in der linken Hand, ein Rind zu seinen Füßen, begleitet von einem hübschen, rundlichen Engel-putto (H. o,48 m Br. 0,32 m), dargestellt. Die 0,96 m hohe und 0,62 m breite aus Lindenholz geschnittene, hin-ten ausgehöhlte Plastik mit Standplatte besitzt durch ihre Bewegtheit und ihr der Rokokozeit eigenes Pathos nicht geringen Reiz. Der Oberkörper ist stark nach hinten ge-nommen, der Blick geht nach oben, der Anschauung Gottes entgegen, die rechte Hand ist vor die Brust ge-legt und weist auf das Liebesverlangen des Heiligen. Auch durch das Gewand der Figur geht Bewegung, die sich in der Beinhaltung fortsetzt. Die Gastaltung der ganzen Figur verrät die Handschrift eines guten, versierten Künstlers, der sich mit seinen Werken sehen lassen konnte und zweifellos für einen Mann wie Franz Magnus Hobs in Sigmaringen ein ernstzunehmender Konkurrent war. Leider lassen sich die übrigen in Gauselfingen erhaltenen Barockfiguren des 18. Jahrhunderts nicht in die Werk-liste Hochsteins einordnen, da sie allesamt eine andere Stilart aufweisen.

Auch wenn wir bis heute Egid Hochstein nur diese eine Skulptur zuweisen können, so reicht diese aus, in ihrem Schöpfer einen interessanten und guten Vertreter der B dschnitzerei ilf der Rokokozeit Hohenzollerns kennen-zulernen.

Anmerkungen : 1 H g b n . von W. Genzmer a) Bd. I Kreis Hechingen, Hechingen

1939: b) Bd. I I Kreis Sigmaringen, Stut tgar t 1948. 2 G. Woeckel, Joh . J Christ ian von Riedlingen — Ein oberschwabi-

Heinrich von Killer, genannt Affenschmalz, über den im Hohz. JHef t 1954, 109 f. gehandelt wurde, nannte sich 1406 bei Stittung seines Affenschmalzer Jahrtages nach Ringingen stolz: „Ich Heinrich v. K. gen. Affenschmalz, des hingingen ist". Er betont also, Eigentümer des Dorfes Ringingen zu sein. Ja, schon am 25. jul i 1383 siegelte Heinrich eine Verkaufsurkunde Burkarts von Holnstein für Anselm von Genkingen (Staatsarch. Stuttg. A 514, Nr . 92: Kl. Pfullingen) und betonte ebenfalls darin: „Heinrich v. K., des da K'ngingen ist, den man och nempt Affenschmalz". Hierbei ist festzuhalten, daß Heinrich, der sich 1392 „von R lgingen" nennt, nur das Dorf , nicht aber die Burg Ringingen (auf dem Nehberg) besaß, denn hier wohnten 1390 noch Jerg Truchsess von Ringingen und 1402 Hans Schwelher. Heinrich hat offenbar großen Wert auf die (sonst selten festzustellende) Betonung gelegt: er sei Herr von Ringingen! Im J. 1409 wurde er dann vom

ST. W E N D E L I N , von Egid Hochstein

scher Bildhauer (Thorbecke-Kunstbücherei Bd. 6), L i n d a u ' K o n -stanz 1958. Adolf Huber , Joseph Christ ian, der Bildhauer des schwäbischen Rokoko , Tübingen 1960.

3 Mar t a Schimmelpfennig von der Oye, Skulp tur und S tukka tur des Rokokos in Hohenzol le rn , I . Teil. Franz Magnus Hobs, Ber-lin 1936.

4 s. Anm. 3. I I . Teil . Johann Georg Weckenmann. Dieselbe, Weckenmann, Johann Georg, in: T_. ;me-Beckers Künst -lerlexikon Bd. 35 (1942) S. 236 f.

5 PfArchiv Burladingen. 6 Ratsprotokol le 1750-70, Zunf t ak t en , Kont rak ten-Pro tokol le ,

Nachlaßakten u. a. Quellen im Stadtarchiv Veringenstadt erbrach-ten nicht einen einzigen Hinweis .

7 Totenbuch im PfArchiv Veringenstadt . 8 D e r Landkreis Balingen — amtliche Kreisbeschreibung, hgbn vom

Statist . Landesamt Baden-Würt t - , Bo. I 1960, S. 380 f f . 9 Staatsarchiv Sigmaringen, Abt . Sigmaringen-Grafschaft Veringen.

C . Har thausen Hciligcnrechmingen 1745/46 „Ausgaab Kirchen-o rna t " .

1 0 Staatsarchiv Sigmaringen, Bd. 69/1754, S. 137 f . 1 1 Staatsarchiv Sigmaringen, Bd. 75/1760, S. 120 f. 12 s. Anm. 8. " vgl. Anm. lb , S. 343 f f .

Zollergrafen mit (dem Burgstall) Ringelstein (an der Grenze gegen Burladingen gelegen) belehnt und nannte sich hinfort „von Ringelstein". Im J. 1375 war er päpst-licher Reiterführer in Italien gewesen und hat offensicht-lich die dort verdienten Gelder im Kauf des Dorfes Rin-gingen von den Truchsessen v R. angelegt. Die Burg zu erwerben gelang ihm jedoch nicht. Sein Verhältnis zum Dorf Ringingen und den Burgherren Schwelher scheint nicht ungetrübt gewesen zu sein, wenigstens wurde Hein-rich nach seinem am 14. Januar 1413 erfolgten Tode in der Martinskirche zu Ebingen beigesetzt, wo sein Grab-stein noch (in einem 'Nebengelaß) erhalten ist. Eine am 18. Mai 1413 ausgestellte Urkunde der Hechinger Heilig-kreuzpfründe beginnt (nach Kernler): „Ich Wilhelm von Killer, Heinrichs von Killer seligen, den man nennt Affen-schmalz, ehelicher Sohn, bekenne . . .". Krs.

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HERBERT B U R K A R T H

Die mittelalterlichen Fischweiher in der ehemaligen Herrschaft Gammertingen-Hettingen

Dem Wanderer durch das einsame Fehlatal fallen am Unterlauf des Baches auf Markung Hettingen zwei große Dämme auf, die sich quer durch das Tal ziehen. Auch im Laucherttal zwischen Gammertingen und Hettingen sieht man einen mächtigen Damm, den aber der eilige Auto-fahrer auf der B 32 kaum erkennen wird. Die Flurnamen Weiher, Weiherwiesen usw. deuten darauf hin, daß es sich

es sich bei diesem Weiher ursprünglich um Privateigentum der Herren von Lichtenstein gehandelt haben. Die spä-teren Inhaber ließen ihn eingehen, weil sie, wie wir noch sehen werden, die Weiherwirtschaft ganz auf Hettingen konzentrierten. Der Flurname Weiherwiesen ist fü r die Wiesen unter Lichtenstein heute noch üblich. Durch Mariaberger Urkunden läßt sich ein Weiher bei

um Stauuämme handelt. In Hettingen wird erzählt, daß man früher im Fehlatal das Wild in einen See getrieben habe, um es leichter erlegen zu können. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß die Weiher für diesen Zweck benützt wurden, denn diese Art von Jagd war vor E führung der Feuerwaffen allgemein üblich. Aber das kann nicht der Hauptzweck der, doch recht aufwendigen Bauten, gewesen sein. Einen Hinweis gibt ein Verkaufsbrief von 1468. Hier heißt es von einem Weiher im Fehlatal, daß er nicht besetzt sei. Wenn er aber besetzt sei, so bringe er guten Nutzen. B diesem Nutzen kann es sich nur um Fische handeln.

In der Herrschaft Gammertingen-Hettingen lassen sich urkundlich fünf Weiher nachweisen: Drei im Fehlatal und zwei im Laucherttal. Der erste Weiher im Fehlatal lag unterhalb der Burgen Lichtenstein bei Neuf ra (siehe Bild Hohenz. Heimat 4/1970 S. 59). 1473 wird bei der Verleihung des Lichtensteiner Lehens an Hans von Buben-hofen ein „Seelein unter Lichtenstein" genannt. 1550 heißt es dann in einer Güterbeschreibung: „an der Vehlen, wo vor Jahren ein Weiher gewesen". Der Lage nach, muß

Gammertingen nachweisen. Er befand sich in der Gegend des Schwimmbades bei der Stadtmühle. Obwohl dieser Weiher offensichtlich schon f rüh wieder aufgegeben wurde, verdient er besondere Aufmerksamkeit, weil er ein Hin-weis auf die Entstehungszeit dieser Anlagen gibt. In einem Vergleich vom 12. Juli 1299 verzichtete Graf Hein-rich von Neu-Veringen auf gewisse Abgaben zu Gunsten des Klosters Mariaberg. Das Kloster verzichtete dafür auf seine Rechte an den Wiesen und Äckern, die „begriffen sind mit dem Weiher des Grafen zu Gammertingen". Graf Heinrich hatte demnach vor 1299 einen Weiher an-gelegt und Grundstücke des Klosters mit einbezogen. Der Weiher existierte 1450 nicht mehr. Wahrscheinlich war er von Anfang an eine Fehlplanung. Durch seine Lage ober-halb der Stadtanlage von Gammertingen, konnte er bei Hochwasser jederzeit eine Katastrophe auslösen. Spuren dieses Weihers sind nicht mehr erhalten. Auch der Flur-name Weiher geriet schon im 15. Jahrhundert in Ver-gessenheit.

Wie schon erwähnt, sind die Staudämme auf Markung Hettingen noch gut erhalten. Urkundlich läßt sich über ihr

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Alter nichts nachweisen. Als die Herren von Bubenhofen 1468 d>e Herrschaft Gammertingen von Württemberg kauften, wurde im Kaufbrief nur ein Weiher im Fehlatal erwähnt. Den Bubenhofern mit ihrem Sinn für wirtschaft-liche D: ge, wäre der Ausbau der Hettinger Weiherwirt-schaft durchaus zuzutrauen. Genauere Auskunft gibt nur das Spethsche Lagerbuch von 1530. Hier ist die Rede von dem großen und dem kleinen Weiher im Fehlatal und dem Haus dabei. Auch der Weiher im Laucherttal wird genannt, mit einem Weiherhaus darin. In dem Wi I-l herhaus bei Hettingen wurde sogar gelegentlich auf einem Tragaltar die Messe gelesen, vielleicht dann, wenn er neu besetzt war, um für ein gutes Gedeihen der Fische zu beten.

Weiherwärter voll ausgelastet waren. Die T erkörper mußten herb gefahren, zerlegt und gemahlen werden. Urkundlich ist über diese Dinge bisher nichts bekannt. Auch über die Art der Fische wissen wir nichts. Immerhin darf man annehmen, daß Hettingen damals schon ein Mittelpunkt der Forellenzucht war. Auch m Oberschwä-bischen Raum gab es um diese Zeit Fischteiche. Von dort kamen wohl Fischarten, denen das Moorwasser mehr zu-sagte.

Eine weitere Frage ist, was mit den produzierten F chen geschah. Für die ansässige Herrschaft war der natürliche Fischbestand von Lauchert und Fehla mehr als ausrei-chend. Es muß sich demnach um ein echtes Wirtschafts-

Der kleine (obere) Staudamm im Fehlatal

Eigenartig ist, daß sich die Weiher im Fehlatal und im Laucherttal deutlich im Profil unterscheiden. Die Dämme im Fehlatal sind einfache, ziemlich steile Wälle, während der Damm im Laucherttal offensichtlich von einem Fach-mann gebaut wurde. Die Wasserseif.: ist ste.l, während die Talseite flach ausläuft. So wurde dem Wasserdruck ein großer Widerstand geboten. Am Durchlaß des Fluß-bettes war vermutlich eine Konstruktion aus Holzbalken angebracht, welche ein Fischgatter enthielt und die dazu eingerichtet war, den Wasserstand zu regeln. Die Existenz von Weiherhausern spricht dafür, daß d i : Weiher von hauptberuflichen Wärtern betreut wurden. Zur Beset-zung der WeiHPr war naturlich eine große Menge von Jungl ;chen notwenoig. Es ist daner anzunenmen, daß die Weiherwärter auch c S Anzucht von Fischbrut betrie-ben. Kritisch 'st die Frage der Fütterung, denn der Be-trieb konnte nur rentabel sein, wenn genügend pre' s-wertes Futter zur Verfügung stand. Vermutlich wurden Kadaver von Pferden und anderen Tieren, die fü r den menschlichen Genuß nicht brauchbar waren, zu Fischfutter verarbeitet. Auch das war eine Tätigkeit, mit der die

unternehmen gehandelt haben, Hauptabnehmer dürften die Klöster gewesen se.n. Bis um die Mitte des 16. Jahr-hunderts durften in den Klöstern nur Kranke und Schwa-che Fleisch essen. Der Bedarf an Fischen war daher das ganze Jahr über sehr groß. Die großen Klöster wie Zwie-falten hatten ihre eigenen Fischzuchten. Es gab aber noch eine große Anzahl kleinerer Klöster, vor allem in den Städten, die Fische kaufen mußten. Den Transport müssen wir uns so vorstellen, wie im 19. Jahrhundert Hettinger Forellen nach Baden-Baden transportiert wurden. Auf den Fiscnwagen standen große Bottiche, die mi den Fi-schen und einer entsprechenden Menge Wasser gefüllt waren. An jedem Bottich stand ein Fischerknecht, der mit einem Ruder s t ä n c ; rünrte, damit die Fische genügend Sauerstoff bekamen. Mußte unterwegs übernachtet wer-den, dann wurde die ganze Ladung in einen Dorfbrunnen gefüllt. So konnten auch weiter entfernte Kunden mit frischem Fisch beliefert werden.

Diese blühende Teichwirtschaft hörte um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf. Zeifi'ch fällt dies so mit der Auf-

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hebung des Fleischverbotes in den Klöstern zusammen, daß man ohne weiteres einen Zusammenhang annehmen darf. Obwohl die alten Fischweiher in Vergessenheit ge-rieten, lebte die uralte Fischereitradition in Hettingen fort. Heute gibt es um Hettingen wieder drei neuzeitliche

Fischzuchtanstalten. Eine von ihnen wurde erst vor zwei Jahren in Anlehnung an den mittelalterlichen Weiher im Laucherttal gebaut. Wer weiß heute noch davon, daß vor mehr als 700 Jahren die Grafen von Veringen die ersten Forellenzüchter im Laucherttal waren?

Großer Staudamm im Fehlatal. Nach Xu ks reichte er bis in den Wald.

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Pfeffer hieß nicht nur das bekannte Gewürz „piper" aus Übersee (Indien) oder der Spanische Pfeffer (capsicum oder Paprika), sondern auch die Pfefferwurf (pimpinella, Bibernelle), das Pfefferkraut (lepidium latifolium), ehe-mals häufig der scharf schmeckenden Blätter wegen in den Gärten gezogen und Ormeleute-Pfeffer genannt. Auch das Bohnenkraut (satureja hortensis) und der Scharfe Mauer-pfeffer (secum acre) sind hier zu nennen. Davon ist jedoch in alten Berichten oder Urkunden kaum zu trennen das mit solchen starken Gewürzen eingemachte Wildpret von Gans, Hase, Reh, Hirsch, das einfach als „Pfeffer" erscheint. Bei der Kapitelsmahlzeit des Dekanats Hechin-gen vom Jahre 1294 ist bestimmt: Der Wüstenmüller zu Hechingen muß u. a. herrichten: „einen wohlgemachten kernengroßen Fisch in einem Pfeffer, das ist Sulzfisch". Beim zweiten Mahl um Pelagiustag (28. August) dann „Brühe mit gepfeffertem Fleisch" usw. (Mitt. Hohz. 20, 125 f).

Im Kloster Heiligkreuztal hatte man 1540 eine verzinnte Pfefferpfanne, d. h. einen Seiher für Pfefferbrühe. Die Zimmerische Chronik von 1566 schreibt an einer Stelle (4, 224): „Der Pfeffer war versalzen", also das Wildpret. Das Kl. Salem gab 1310 dem Kloster Buchau aus 8 J. Acker in Altheim V2 Pfund Pfeffer. Konrad von Mem-bertshofen zu Andelfingen versprach 1405 dem Kl. Heilig-Kreuztal neben der üblichen Lehengilt für ein Gut auch

noch der Äbtissin für Schutz und Schirm jährlich auf Mi-chaelis ein Pfund guten Pfeffers (Wildpret?). Die Taferne oder Schildwirtschaf!: zu Ertingen giltete 1366 jährlich 4 Pfd. Heller und ein Pfund Pfeffer (Hasenbraten?) an den Herrn. Laut Bickelspergs zollerischem Lagerbuch von 1435 bezog die Herrschaft Zollern aus einem Weingarten zu Eßlingen 1 Pfund Pfeffer (Hasenragout?), zu Fellbach 2OV2 Imi Weingilt und aus 3A Morgen Weinberg ein Vier-dung eines Pfundes Pfeffer (also V4 Pfund). Vielleicht handelte es sich ebenfalls um Ragout, denn gerade in Weinbergen halten sich Hasen mit Vorliebe auf! Zu Star-zein gab damals der Schlecht ebensoviel Pfeffer aus einem Acker, falls er nicht brach liegt, und zu Killer gab der Cuontzer 12 Schilling, ein Pfund Pfeffer und 2 Hühner. (In beiden Orten bestand, wenigstens östlich der Starzel, Freibirschgebiet, also die Möglichkeit Hasenbraten zu be-kommen.) Hans Eschinger von Frommern lieferte damals an Zollern jährlich 1 Pfund Pfeffer. Aus Ludwig Pfeffer-lins Holz (Wald) an der Hechinger Grenze gegen den Tanbach (Freibirschgebiet gegen Mössingen!) ging eben-falls ein Pfund Pfeffer (Hasenbraten? Oder war Ludwig etwa Kaufmann, der nach seiner Ware den Namen Pfef-ferli bekommen hatte?) War dem Inhaber eines Äckerles oder eines Waldstücks zuzumuten, den sehr teuren auslän-dischen Pfeffer (piper) aus Ubersee zu besorgen und abzu-liefern? Man denkt doch eher an Erträgnisse dieser Grund-stücke! Krs.

Grangärten gibt es in Heiligenzimmern und Gruol. An ersterem Or t sind es Hausgärten von 2-5 Ar, die früher als Krautgärten gehackt, nicht gepflügt wurden, heute aber Grünfutter liefern. Sie liegen etwa 600 m vom alten Dorfkern entfernt. In Gruol findet man schon im J. 1580 und 1600 in der Gemeindeordnung Gran-, Grann-, Kran-gärten, die zu den Häusern gehörten und sich mit ihnen vererbten, aber bei Aufgabe eines Hauses an die Gemeinde zurückfielen, die sie dann neu verlieh. Um 1600 heißt es, die Gemeinde könne die alten Granngärten um 1 V ? Gul-den zurückfordern und dann für 2 Gulden an Einwoh-ner verleihen. Somit scheinen die Grangärten eine Art Almende darzustellen. Aber woher kommt der merkwür-

dige Name? Fischers Schwäbisches Wörterbuch bringt nichts dazu. Michel Buck erwähnt das alte Wort grange, das Scheuer oder Wirtschaftshof bedeutete. Ob die Gran-gärten darauf zurückgingen? Das mittelhochdeutsche Wort grand = groß scheint wegen der Kleinheit der Gärten auszuscheiden. Man redet von einem „Gran-Simpel". Das alte Wort Krage = Hacke will wegen des nasalierten a in Gran n—nt passen. In Würzburg gibt es laut Mitteilung des Stadtarchivs einen Granbühl oder Grombühl, der früher Kranbühl hieß und als „Krähenbühl l t erklärt wird. B' ihm stand ehemals der Galgen. Auch Buck erwähnt Kran in der Bedeutung Krähen, Saatkrähen, d ; wir heute Krappen nennen. Kraus

H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerisdien Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat-lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein 748 Sigmaringen, Karlstraße 3. Drude: M. Lieh-ners Hofbuchdruckerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Die Zeitschrift , H o h e r zollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung in Hohenzollern mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht Devorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen.

Bezugspreis: 2,00 UM halbjährlich

Konten der „Hohenzollerisdien Heimat": 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart

Die Mitarbeiter dieser Nummer:

Oscar Heck, Hauptkonservator i. R. Landeskonservator der Hohenz. Lande, Hechingen

Manfred Hermann, Pfarrverweser Neufra, Pfarrhaus

Johann Adam Kraus Pfarrer und Erzbisch. Archivar i. R. 78 Freiburg- Littenweiler, Badstraße 2

Walther Frick, journaiist 748 Sigmaringen, Hohe Tannen

Schriftleiter: Dr. med. Herbert Burkarth 7487 Gammertingen, Eichertstraße Telefon 07574/329

Redaktiunsausschuß:

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Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Innalt der Beiträge ver-antwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.

Manuskripte und Besprechungsexemplare \ er-den an die Adresse des Schriftleiters oder Re-daktionsausschusses erbeten.

Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerisdie Heimat" weiter zu empfehlen.

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H Ö H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT 4P 3828 F

21. Jahrgang 1971 Nr. 3

Herauogcgeben oom

Hohenzollerifchen Gefchichteoerein

in Verbinöung mit Den

Staatlichen Schulämtern Hechingen

unö Sigmaringen

SIEGFRIED K R E Z D O R N

Das Eigentum des Hauses Hohenzollern am

Schloß Hohenentringen

Wer schon von Tübingen durchs liebliche Ammertal nach Herrenberg gefahren ist, der hat sicherlich hoch über der reizvollen Ortschaft Entringen auf einem bewaldeten Aus-läufer des Schönbuchs die ehemalige Ganerbenburg Ho-henentringen erschaut. Dieses gut erhaltene Schloß, in welchem eine Schankwirtschaft betrieben wird, ist ein be-liebtes Ausflugsziel. Zur geschieht1 chen Orientierung ist kürzlich eine Broschüre erschienen, die über die Bauge-schichte und über das Leben seiner einstigen Bewohner Auskunft gibt. Dabei wurde aus Kostengründen ein Ka-pitel ausgespart, das jedoch für die Geschichte Hohen-zollerns nicht uninteressant ist. Die Zollergrafen waren nämlich - wohl durch Frauen-versippung mit den ehemaligen Ortsherren von Entrin-gen - schon um 1100 Miteigentümer des Ortes Entringen

geworden. Als Miteigentümer der Feste Hohenentringen belehnten sie ihre Vasallen mit Teilen der Burg, so u. a. die R ter von Stadion zu Stadion (Kr. Ehingen a. D.). Hohenentringen, bis um die Mitte des 15. Jahrhunderts als Feste bezeichnet, war eine sogenannte Ganerbenburg, d. h. sie gehörte lehensweise einer Gemeinschaft von erb-berechtigten Familienangehörigen, zuerst den Rittern von Hailfingen. Mit der Zeit erwarben durch Kauf oder im Erbgang über Ehefrauen auch andere Geschlechter Teile derselben. Als Eigentümer der Burg belehnten Grafen zu Eberstein, Markgrafen von Baden, Pfalzgrafen von Tu-bingen, Grafen und Herzöge zu Württemberg sowie Gra-fen und Fürsten zu Zollern ihre Vasallen mit Teilen der-selben und verpflichteten sie somit zu Lehenstreue und vasallischen Diensten.

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Die Ritter von Stadion als zollerische Vasallen

Die Ritter von Stadion wohnten im Gegensatz zu den anderen Anteilseignern der Ganerbenburg nie auf Hohen-entringen, obwohl sie 2 Anteile der ursprünglichen Feste besaßen. Markgraf Jakob von Baden hatte seinen Hof -meister Hans von Stadion im Jahre 1444 mit einem Anteil der Burg belehnt und ebenso 1455 Markgraf Karl von Baden 4 Jahre später aber den Wilhelm von Stadion 1

wozu der Bruder Burkard von Stadion sein Einver-ständnis erklärte. Kurz vor 1472 war jedoch dieser Burg-teil in zollerisches Eigentum gekommen. Mit einem anderen Teil der Burg hatte Zollern im Jahre 1444 vorgenannten Hans von Sta _"on 2 und 1459 dessen Vetter Wilhelm von Stadion belehnt. Am 10. Januar 1472 bat Ritter Wilhelm von Stadion den Grafen Jos Niklas zu Zoilern, ihn rr vorgenannten Burganteiien zu be-lehnen 3. Als dessen Erbe reservierte sich am 20. Juli 1507 der Sohn Hans von Stadion bei Graf Eitelfriedrich zu Zollern Außer dem vorgenannten Anteil am Schloß besaßen die Ri ter von Stadion auch die sogenannten Stadionischen Gefälle zu Entringen als zollerisches Mann-lehen. Zu diesen Gefällen gehörten die Einkommen aus der Kelter a u f m Berg", die um 1700 unter Verwendung älterer Bauteile ihr heutiges Aussehen bekam, und aus 2 Erbiehenhöfen. Ferner bezogen die Ritter von Stadion verschiedene Gülten von einzelnen Grundstücken und sie besaßen auch ein Drittel der Ortsherrschaft von Entringen, die ein Vogt in ihrem Namen ausübte. Nach Ableben des Hans von Sta< Ion empfingen am 22. Februar 1513 die Vormünder der Witwe Magdalena geb. Marschallin von Pappenheim und der Kinder Hans Simon und Hans Wal-ter als Lebensträger (nämiich Konrad von Stadion, Jörg von Rechberg, Uluch von Graffenegk, Lienhart Marschall von Honenrichen) von Graf Franz zu Zollern einen T;il am Schloß und Dorf Entringen als Mannlehen3 . Am 5. Mai 1527 schwor Hans Simon von Stadion als der Ältere für sich und seinen Bruder den Vormündern des Grafen Christoph Friedrich zu Hohenzollern (nämlich Georg Trucnseß von Waldburg und Markgraf Phiiipp von Baden) den Lehenseid für den F,mpfang eines Teiles am Schloß und Dorf Entringen8 . Aber die bf 'den Brüder hatten kein Interesse am Mitbesitz der Ganerbenburg. Deshalb verkauften sie am 29. Oktober 1528 mit Ge-nehmigung des Markgrafen Phiupp von Baden und des Georg Truchseß von Waidburg (genannt der Bauernjörg, der damals das Herzogtum Württemberg regierte, weil Herzog Ulrich von Württemberg vertrieben war) als Vor-münder des Grafen Christoph Friedrich zu Zollern dem Sebast'an von Gült) ngen dem Älteren zu Pfäffingen für 200 fl ihren Teil am Burgstall und Schloß zu Entringen mit allen Rechten, Freiheiten und Gerechtigkeiten, Trieb und Tratt , Wunn und Wa. 1 und mit den Rechten im Schönbuch, auch 43/4 Mannsmahd W, sen, einen Baum-garten unter des Wagners Scheuer, 12 Morgen Holz in der „Buchhalden" und 20 leibeigene Leute in verschr -denen Orten als zoiieri. :hes Manniehen 7. Sodann bat Hans Simon von Stadion am 24. Ma> 1539 den Grafen Joatf m zu Zollern, ihn mit etlichen Gefällen und Einkommen zu Entringen, die ihm schon dessen Vater Christoph Friedrich Graf zu Zollern auch als Lehens-träger für seinen verstorbenen Bruder Hans Walter von Stadion lehensweise überlassen habe, wieder als Mann-lehen zu belehnen. Dabei handelte es sich off er chtlich um d"~ vorerwähnten sogenannten Stadi mischen Gefälle. Am 8 Januar 1541 reversierte sich aber Hans Simon von Stadion bei Graf Jos Niklas zu Zollern für den Empfang eines Teiles am Schloß und Dorf Entringen, was nicht zu verstehen ist, denn der Stadionische Ante.I am Schloß

war am 29. Oktober 1528 an Sebastian von Gültlingen verkauft worden. Dagegen stellte Graf Jos Niklas zu Zollern am 26. Juli 1557 für Christoph von Honburg zu Honburg nach Ableben des Hans Simon von Stadion als Lehensträger der hinterlassenen Söhne Konrad, Hans Christoph und Wolf Dietrich von Stadion einen Lehens-brief nur über das zollerische Lehen am Dorf Entringen aus8 . Am 3. Juni 1576 wünschte Eitel Friedr""'(i Graf zu Zollern den Wolf Dietrich von Stad'on, auch als Lehens-träger für die Brüder Konrad und Chr toph von Stadion, damit zu belehnen. Aoer Wolf Dief ch von Stad' )n rever-sierte sich am 26. Januar 1579 beim Zollergrafen für den Empfang des zollerischen Lehens am Schloß und Dorf Entringen9 . Am 6. Februar schrieb Wolf Dietrich von Stadion dem Zollergrafen, daß im neuen Lehensbrief ver-schiedene Lehensstücke nicht inseriert seien, so auch der Teil am Schloß Entringen, den er zusammen mit dem von Gültlingen lehensweise besitze. Danach versprach Graf Eitelfriedrich zu Zollern, n Protokoll nachsehen zu lassen und wenn dort die Lehensstücke spei f lziert seien, es t eim Text des Lehensbriefes zu belassen. Am 7. Februar 1584 erging seitens Zollern an Hans Simon von und zu Staaion und ebenso an Peter von Gült. :ngen zu Berneck die Auf-forderung, sich nach Hechingen zu „verfügen", um dort ihre „Aufwartung" zu machen. Nach sehr heftigen Aus-einandersetzungen mußte der von Stadion dabei auf die Belehnung mit einem Teil des Schlosses Entringen ver-zichten. Am 1. Juli 1605 erbat Wolf Dietrich von Stadion vom Grafen Johann Georg zu Hohenzollern auf Ableben des Grafen Eiteifriedrich zu Hohenzollern einen Lehens-brief für .e von Zollern herrührenden und von ihm und seinem Bruder Konrad von Stadion ererbten Lehens-güter zu Entringen als Mannlehen. Einer Einladung zum Lehensempfang am 28. Dezember 1608 nach Hechingen wollte Wolf L' etr'Ch von Stadion aber wegen hohen Alters und „Unvermüglichkeit" seines „Leibs" nicht nach-kommen und bat deshalb den Zollerngrafen devot um Entschuldigung. Aber der Zollerngraf verlangte - sicher mit Grund - sein persönliches Erscheinen und benannte den Sonntag Exaud. 1609 als neuen Termin. Wolf Dietrich von Stadion weigerte sich aber wiederum aus vorgenann-ten Gründen, in die Zollernresidenz zu reisen, um das Lehen „underthenig" in Empfang zu nehmen. Damit je-doch dem „gned..gen Herrn dessen ungeacht alle schul.iige Gehorsame gelaist werde", erteilte er seinem Sohn Hans Jakob von Stadion d' „Gewalt und Macht", der „gebüh-renden Lehenpflicht" nachzukommen. Am 2. Juni 1609 unterschrieb Hans Jakob von Stadion einen Lehensrevers, in welchem er wieder den Empfang von zollerischen Lehen am Schloß und Dorf Entringen bestätigte10. Der Sta-dionische Vogt Johann Christoph Buocher bat hierauf in einem Schreiben vom 11. August 1609 die zollerischen Amtleute, für Johann Jakob von Stadion einen neuen Lehensbrief auszustellen. Darin möge das Schloß Entrin-gen „nit mehr" angeführt werden, weil die Voreltern des Leheninhabers „gemeits Schloß vil Jahr hero nit" mehr besitzen, „sonder solches die von Gültlingen". Am 25. Ja-nuar 1612 teilte Hans Jakob von Stadion dem Grafen Georg zu Hohenzollern mit, daß sein Vater am 21. Juli 1611 gestorben sei und er bei der brüdenichen Erbtcilung das hohenzollerische Lehen zu Entringen bekommen habe. Ei bitte deshalb um einen Termin zum Lehensempfang. Aber erst am 15. September 1618 stellte er dem Grafen Johann Georg zu Hohenzollern ;men Lehensrevers für sich und als Lehensträger für seinen Bruder Hans Simon aus und zwar wieder für den Empfang des hohenzolle-rischen Teiles am Schioß und Dorf Entringen . interessant ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben des Eitel Ludwig von Stadion vom 27. Mai 1639 an d'-; zol-

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krischen Amtleute in Hechingen. Weil sein Vetter Wolf Wilhelm von Stadion „dermalen der Ältere von Stadion und Lehensträger" die teils von Zollern und teils von Haus Württemberg „an dem Schloß und Dorf Entringen herrierende Mannßlehen und Zuegehörden vermög Lehensbrüefs in Anno 1637 gepierendermaßen requirirt" und aber „darauf volgend negstabgeloffnen 1638 Jahrs den 3. December auch auß disem zergengglichen Leben abgeschaiden", seien ihm und seinem noch minderjährigen

ten Soldaten alle Dokumente. Nach dem Kriege sei er vor einem jämmerlichen Ruin gestanden. Alle seine Beamten hätten sich „verlaufen" und es seien Jahre nötig gewesen, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Die Requisition des Lehens Entringen habe er wahrlich „nit aus bösem Vorsatz unterlassen" und deshalb „lebe er der tröstlichen Zueversicht", daß er wieder damit belehnt werde. In einem Schreiben vom 6. Mai 1662 bat er den Fürsten Philipp Christoph Friedrich zu Hohenzollern nochmals

Herrschaftsstuhl in der Kirche von Entr ingen

Vetter Hans Wolf von Stadion „angeregte Lehen, Stuck und Güoter" zu Entringen „erblichen erwachsen" und er bitte deshalb „bis zur könftiger würklicher Belehnung diser" seiner „beschehenen Requisition gläublichen Schein erthaylen und volgen zu laßen". Damals mußte die Bevölkerung unserer schwäbischen Hei-mat die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges erdulden. Württembergische und schwedische Soldateska hatten die Herrschaft Zollern besetzt, was zwangsläufig zur Läh-mung der dortigen Verwaltung führte. Am 27. Oktober 1659 teilte Ludwig von Stadion dem Fürsten zu Hohenzollern mit, daß er als Erbe seines Va-ters Hans Jakob von Stadion einen Teil am Schloß und Dorf Entringen lehensweise besitze. Weil am zollerischen „Lehenhof allerhand Veränderungen" eingetreten seien, habe er bis heute ein Ersuchen um Belehnung „verab-säumt". Schon vor einem Jahr habe er sich nach der „Lehensbeschaffenheit" erkundigt und dabei feststellen müssen, „daß bei dem vorgewesenen leidigen Krieg die Kelter übel zergangen" und Soldaten alles Geschirr zer-trümmerten. Zollern erklärte aber nun das Lehen zu Entringen als verwirkt. Darob war Eitel Ludwig von Stadion bestürzt. Von seinem Vater sei das Lehensrecht zu Entringen stets angemeldet worden, aber leider könne er die entsprechenden Dokumente nicht mehr finden. Im „vorgewesenen Krieg" habe nämlich der Feind seinen Vater im Schloß Stadion „unversehens überfallen und ge-fangen gehalten" und erst gegen eine Ranzion wieder freigelassen. Sein Vater habe sodann an einem andern Or t Sicherheit gesucht und auch er habe sich „außer Haus" aufgehalten und in aller Armut geiebt. In jener Zeit raub-

um Belehnung mit einem Teil des Schlosses und Dorfes Entringen als Mannlehen und am 20. Mai 1662 besiegelte er den entsprechenden Lehensrevers12. Am 9. Mai 1671 kondolierte Eitel Ludwig von Stadion zum Tode des Fürsten und requirierte gleichzeitig das Entringer Lehen. Die Ladung zum üblichen Lehens-empfang nach Hechingen ließ nicht lange auf sich warten. Aber Eitel Ludwig von Stadion wollte mit Rücksicht auf seine Gesundheit die beschwerliche Reise nach Hechingen nicht ausführen und bat deshalb den Fürsten, es „nit zu Ungnad aufzuenehmen", wenn er seinen Sohn Hans Jakob dazu delegiere. Alsdann fertigte die zollerische Kanzlei einen Lehensbrief in solenner Form aus und be-kräftigte darin wiederum die Belehnung mit einem Teil am Schloß und Dorf Entringen. Am 6. Oktober 1688 richtete Hans Jakob von Stadion an die Fürstin Maria Sidonia zu Hohenzollern ein schriftliches Gesuch um Er-neuerung des vorerwähnten Lehens. Aber erst am 24. April 1691 entsprach Friedrich Wilhelm Fürst zu H o -henzollern dieser Bitte und überließ bei einem feierlichen Investiturakt im Schloß zu Hechingen dem Josef Konrad von Stadion, Sohn des inzwischen verstorbenen Hans Jakob von Stadion einen Teil am Schloß und Dorf Entrin-gen wie immer als Mannlehen. Als Josef Konrad von Stadion bald danach starb, fiel das Leben an Hohen-zollern heim 13. Am 11. Juli 1695 verkaufte aber Fürst Friedrich Wilhelm zu Hohenzollern den sogenannten Stadionischen Teil am Schloß und Dorf Entringen für 1450 fl an Georg Achatius Mohr, Forstmeister und Oberwasservogt zu Freudenstadt. Somit war der Käufer wunschgemäß Vasall des Hauses

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Hohenzollern geworden. Als aber Mohr den käuflich er-worbenen Anteil des Schlosses in Besitz nehmen wollte, erhob der Eigentümer desselben - Johann Steeb, Gast-geber „zum goldenen Lamm" in Tübingen - Widerspruch und beschwerte sich schriftlich bei Herzog Eberhard zu Württemberg. Die Entscheidung des Herzogs ließ indessen auf sich warten. Deshalb erklärte Steeb sich schließlich bereit, sofern Dokumente erweisen, welcher Teil des Schlosses zum Stadionischen Lehen gehöre, Möhrs An-spruch anzuerkennen. Danach ließen die zollerischen Beamten die stadionischen Akten im Archiv ausheben und übersandten dieselben zur Begutachtung und Urteilsfin-dung dem Obervogt in Tübingen 14. Um die Angelegenheit aber endgültig zu bereinigen, „restituierte" Zollern bald danach den von Mohr be-zahlten Kaufpreis für den Anteil am Schloß. Gleichzeitig bewilligte Zollern die Aliödifikation des sogenannten Sta-dionischen Gefälle in Entringen, worauf Mohr dieselben dem württembergischen Hauptmann Philipp Christian von Pistorius von Reichenweiher in Poltingen ver-äußerte 15.

Neuneckwappen in Ellwangen

Wer die neu hergerichtete Bisilika zu Ellwangen besucht, wird in der Vorhalle zweimal das Wappen der Herren von Neuneck finden. Da sieht man den Grabstein einer im Jahre 1473 verstorbenen Margaretha von Schwabs-berg, geborener von Neueck. Der Stein zeigt die kniende Frau, oben von zwei Engeln begleitet, unten rechts das Wappen der Neuneck (Stern über Querbalken), links das der Schwabsberger (rechts im Schild aufrechter Löwe, links aufrechte Hirschstange, ähnlich wie die Stadt Gammer-tingen!). Schwabsberg ist ein Dorf in der Nähe von Ell-wangen am alten Römerlimes. Die dortigen Herren waren Ministerialen des Klosters Ellwangen, das schon 764 ge-gründet wurde und 1470 zum weltlichen Chorherrenstift wurde. Laut Lodiers Neuneck-Regesten (Mit. Hohz. 13, 77 zum Jahr 1445) war obige Margaretha die Tochter des Albrecht von Neuncck und seiner Frau Truchsessin Adel-heid von Höfingen. Ferner findet sich das Wappen Neun-eck am Grabstein eines Albrecht von Schwabsberg daselbst, offenbar eines Sohnes der Margaretha. Die Grabsteine scheint Locher nicht gekannt zu haben. J. Ad. Kraus

Pfyffers Gütlein zu Vilsingen 1436

Im fürstlich hohenzollerischen Archiv zu Sigmaringen liegt eine Beschreibung des Pfyffers Guts zu Vilsingen (wie der Ort damals hieß) vom 26. Juni 1436. Das Gut gehörte an den St. Nikolausaltar zu Laiz. Wir entneh-men daraus einige auffallende Stellen: Ein Garten unter St. Urbans Haus stoßt an der von Salmansweyl (Salem!) Güter. Eine Wiese am ßrüel heißt das Tafelwysli. Das Schindelholz gen Menningen. 1 juchart unten an Butzach. Unser Frowen Bo i t in am Weg gen Dietfurt . 1 J uf den Marstecken am Wasser, anwandend uf den von Salmans-wyler Acker. Zwai Hürstli liegen unter dem Bildlin. 1 J vorm Regelsöw (-See!); Feld ob aem Ried, 1 Acker am Welzbach, stoßt an Weg gen Dietfurt . V2 J unter Wylun (heute „Weiler"!). P / 2 ' J stoßen an Benzenberg unter Wylun, anwandent uf Salmanswyler Acker. 1 J unter Wylun liegt an St. Gallen Acker, gat an den Weg zum Wyger (Weiher). IV2 und 2 J uf Wylun (heute Weiler!). IV2 J stoßen an die Aichgassen an St. Gallen Acker. V2 J, ist ein Anwander uf Sunderhart an St. Gallen Acker und anwandet daruf. J. A. Kraus

Anmerkungen:

1 FAS D H 102, 5. 2 FAS H H 102, 24. 3 FAS H H 102, 26. 4 FAS H H 102, 30. 5 FAS H H 102, 31.

6 FAS H H 102, 32. 7 FAS H H 102, 33. 8 FAS H H 102, 34. 9 FAS D H 45, 34.

10 FAS D H 45, 36; die vidimierte Abschrift eines Lehensbriefes be-stätigt , daß am 2. Jun i 1609 Hans Jakob von Stadion als Gewal t -haber seines Vaters Wolf Dietrich von Stadion von Graf Johann Georg zu Hohenzol lern mit einem Teil am Schloß und Dorf Entr ingen belehnt wurde FAS D H 45, 35.

11 FAS D H 45, 37. 12 FAS D H 45, 38 und 45, 345. 13 FAS D H 45, 32. 14 FAS D H 102, 13. 15 FAS D H 102, 12; Siegfried Krezdorn ; Hohenent r ingen im Schön-

buch und seine Vergangenheit . Biberach 1971.

Aus der Heimatliteratur

Albführer von Julius Wais, 2. Band, 13. Auflage 1971; 836 Seiten in Taschenformat, bearbeitet von (der Tochter) Dr. rer. nat. Ruth Wais. Mit Ubersichtkarte und 15 fünf-farbigen Kartenausschnitten 1:50 000 (Verlag des Schwä-bischen Albvereins, Stuttgart, Hospitalstraße 21 B; 19.80 DM). Der mit ungemeinem Fleiß und bewundernswerter Belesenheit geschaffene Band behandelt den mittleren Teil der Schwäbischen Alb von der Achalm bis zum Bussen nach Geologie, Landschaft, Kunst und Geschichte in Form von Wandervorschlägen. Er enthält einfach alles, was inter-essiert von Urach an bis Münsingen, Munderkingen, Ober-marchtal, Sigmaringen, Reutlingen bis Gammertingen. Allerdings wird der größere Te" Hohenzollerns erst im kommenden dritten Band enthalten sein. Hier aber fin-den wir die Gegend vom Schatzberg, Bingen (379), Horn-stein (382), Bittelschießer Täle (387), Sigmaringen (vor-erst nur kurz), ule Herren von Lichtenstein (669 f), Bären-höhle (701), die Hintere Burg an der Haid (713), Haid-kapelle (714), Holnstein mit Stetten (733), Hörschwag (735), Gammertingen (746 nur kurz; so ist di in Hohenz. Heimat 1960, 51 behandelte Burgstelle Husteneck nicht berücksichtigt), die Haid (748;, Steinhilben (755) der Augstberg mit seiner Aussicht besonders ebevoll (759 bis 769), Feldhausen (770), Trochtelfingen mit Geschichte der Stadt und Herrschaft (772-804), Pfarrkirche daselbst (805), Burg- und Erhartskapelle (810 f). Die erwähnte Hintere Burg ist die einz • nachwei bare Burgstelle an der Haid. Nur sie kommt als die alte „ Haideck" (713, 753) in Frage (Hohenz. Heimat 1967, 20). Die Doppelburg Lichtenstein bei Neufra zeigt bestimmt, wenn man den Waldbestand wegdenkt, ebenso einen „lichten Stein", wie der Felsen ob Hönau (669). Ein Irr tum dürfte sich S. 731 bei dem Namen Laudiert eingeschlichen haben. Er wird m. W. von den Eingesessenen nicht gesprochen wie das Wort „rauh", sondern wie blau, Rauch, Lauch und Frau, worauf auch die alte Form Loucha (n J i t Lucha!) hinführt. Man darf ruhig sagen: d; Landschaft und deren Ent-stehung, die Kunstwerke, Bauten und geschichtlichen Ab-läufe sind meisterhaft dargetan und mit vielen Quellen-angaben unterbaut. Ein herrliches Werk, dem hoffentlich bald der dr' te Band folgen kann! J. A. Kraus

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ALBERT SCHÄFER

Unser Heimatflüßchen Stunzach

Das Wort Stunzach gehört deutlich zu den prähistorischen Namen. Es wird abgeleitet aus Stunt gleich Sumpf, Mo-der, was sehr wahrscheinlich aus dem indogermanischen Tunt (Kot) entstanden ist. Das Wort Stunzach besagt weiter, daß es sich um einen Wasserlauf, einen Bach han-delt, der ständig Wasser führt . Die Stunzach wurde früher im Volksmund die Stünz oder auch der Stünzbach genannt. Ihre Entstehung verdankt sie mehreren Quellästen. Die beiden Hauptquelläste sind etwa 2,5 km südwestlich von Rosenfeld, und etwa 3 km nördlich von Leidringen auf Leidringer Gemarkung. Alle anderen Quelläste befinden sich im Raum Rosenfeld-Leidringen-Isingen. Der genannte Raum gehört zum Landkreis Balingen und liegt rund 650 m hoch über dem Meeresspiegel. In östlicher Richtung verläßt die Stunzach ihre sprudeln-den Quellen bis zur ehemaligen Bubenhofer Burg, 2,5 km nordöstlich von Rosenfeld. Ab dieser Burg durchfließt sie in faßt nördlicher Richtung das Bubenhofer Tal, das Zimmener Tal bis zur Einmündung des Nebenbächleins Gossenbach. Von da an nimmt s e ihren Lauf in östlicher Richtung bis zur Einmündung des Talbachs, dann wei-ter in nordöstlicher Richtung bis zu ihrer Einmündung in die Eyach. Mehrere Sumpfgebiete und Morderbereiche im Raum Heiligenziinnern und Gruol mußten durch-strömt werden. Langsam und schwierig zugleich mag sich in grauei Vorzeit das Durchstoßen durch Keuper und bunten Mergel vollzogen haben. Teile solcher Gesteins-arten sind stellenweise an den bewaldeten Höhen des Stunzachtales zu sehen. Durch felsiges Massiv mußte sich die Stunzach n ihrem Unterlauf inren Weg bahnen. Die zu beiden Seiten ein-mündenden Nebenbächle'n haben dazu beigetragen, daß die Stunzach zum größten Nebenfluß der Eyach wurde. Die wasserreichsten Zuflüsse, sowie die Einmündungs-stelle, an der sie sich mit der Stunzach vereinigen, sind hier genannt' Sulzbach bei der Schmelzlesmühle, Sießen-bach bei der ehemaligen Bubenhofer Burg, Weihertalbach zwischen Fischermühle und Pelzmühle, Grünbach beim Gasthaus zur Stunzach (Trick), Kirnbach süd'ich, und Rohrbach nördi.ch vom Fabrikle, Weiherbach bei Heili-genzimmern (er ist seit dem Jahr 1970 in seinem Unter-lauf emgedohlt), Gossenbach, der aus dem Raum des ehe-maligen Klosters Bernstein kommt und im Tal an der Gemarkungsgrenze Hei ' genzimmern-Gruol einmündet, Mistelwiesengrabenbach, welcher aus dem Gelände des ehemaligen Dominikanerinnen-Klosters Kirchberg zu-fließt und westlich des I r edhofski/chleins bei Gruol ein-mündet. Als letzter sei der Talbach genannt, er ist das nördlichste Nebenbächlein und vereinigt sich mit der Stunzach bei der unteren Mühle von Gruol. Die gesamte Länge der Stunzach von ihren Quellen Ks zur Einmündung i die Eyach bei Stetten-Haigerloch, be-läuft sich auf rund 16 km. Der Höhenunterschied beträgt rund 200 m.

Durch kluge ^usnützung der Wasserkraft sind verhältnis-mäßig viele Getreide- und Sägmühlen durch oie Stunzach betrieben worden. Die bekanntesten sind: Rieamühle, Walkmühle, Schmelzlesmühle, Heiiigenmühle, Fischer-mühle, Pelzmühle, Binsdorfermühle auch Schneckenmühle genannt (1904 wurde der Mahlbetrieb eingestellt und ein Pumpwerk zur besseren Wasserversorgung für die Stadt B' .sdorf eingerichtet), Vogel- oder Heldenmühie (wurde

1962 stillgelegt), Klostermühle Heiligenzimmern, obere und untere Mühle in Gruol. Doch nur einige der erwähnten Mühlen sind heute noch im Betrieb. Sie sind auf neuzeitliches Mahlen umgestellt. Einzelnen Mühlen sind moderne Sägewerke angegliedert worden. Fischermühle und Sägewerk Rosenfeld, Kloster-mühle und Sägewerk Heiligenzimmern, obere und untere Mühle in Gruol sind die bedeutendsten entlang der Stunzach. Hier darf ich bemerken, daß die Klostermühle Heiligen-zimmern urkundlich erstmals im Jahr 1340 erwähnt wurde. Sehr vieles hat sich allerdings im Lauf der Zeit an der Mühle verändert. Eine heute noch sehr gut erhaltene, prächtig getäfelte Stube mit gebogener Holzdecke zeugt von der Würde der Klostermühle Heiligenzimmern. Als einzige Mühle im Stunzachtal steht s . seit 1939 unter Denkmalschutz. Doch nicht mehr die Wasserkraft allein, sondern der elektrische Strom ist heute Triebkraft der Mühlen und Sägewerke. Nicht unerwähnt sei, daß die Stunzach zur Energieversorgung der früheren Saline, dem jetzigen Salzwerk Stetten bei Haigerloch beiträgt. Nördlich vom Hospacher Hof , etwa 1400 m vor ihrer Einmündung in die Eyach, wird das Wasser durch ein Wehr abgeleitet. In einem 950 m langen, durch Muschelkalk gebrochenen Stollen von 1,40 m Breite und 2,20 m Höhe fließt das Stunzachwasser zur Saline. Das Gefälle beträgt 13,5 m. Der Stunzachstollen wurde in mühevoller Arbeit in den Jahren 1861 bis 1864 gebaut.

In einem unterirdischen Kanal wird das Wasser der Stunzach wieder zugeleitet. Zwischen der Eisenbahnbrücke der Hohenzollerischen Landesbahn, welche über die Stunzach führt, und der Straßenbrücke Haigerioch-Gruol-Stetten, ergießt sich das Wasser w eder in die Stunzach. So war neben den geologischen Verhältnissen auch die Stunzach mit entscheidend, für den Bau der Saline auf der Gemarkung Stetten bei Haigerloch in den Jahren 1852 bis 1856. Auch heute noch "ließt das Stunzachwasser durch den Stunzachstollen, um zur Energieversorgung des Salzwerks beizutragen. Land- und Forstwirtschaft sowie größere und kleinere Handwerksbeti ;be waren schon ..nmer Haupterwerbs-zweige im Stunzachtal. Auch Industriebetriebe haben sich anges delt. Dem fröhlichen Wanderer ist das anmutige, ruhige Stunzachtal m ft seinen bewaldeten Höhen, auf denen einstmals Burgeu und Klausen standen, schon immer ein gern besuchtes Wanderziel gewesen. In warmen Jahres-zeiten wird an bestimmteil Stellen der Stunzach gern ein kühlendes Bad genommen. Nicht nur Markungsgrenze zwischen dem Städtchen Bies-dorf und Rosenfeld war die Stunzach, sondern sie bildete auch Jahrhunderte lang Territoi ialesgrenze zwischen Würt-temberg und Österreich. Diese Grenze wurde durch den Preßburger Frieden von 1805 aufgehoben. Im allgemeinen läuft das Stunzachwasser rub'g und ge-mächlich in dem von ihr gebildeten Flußbett. Doch bei längerer Regendauer, wolkenbruchartigen Regengüssen, oder bei plötzlicher Schneeschmelze wird die Stunzach, unterstützt von den vielen Nebenbächlein. zu einem hoch-wasserführenden, reißenden Fluß. Schnell tritt sie dann über ihre zum Teil niedrigen Ufer und verwandelt große

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Gebiete in Seen. Im Wald, an Äckern und Wiesen und teilweise auch an Gebäuden entstehen dann große Schäden. Ein eingemeißeltes Zeichen über die Höhe des Hoch-wassers ist am Spitzbogen-Tor zum Mahlgang der Klo-stermühle Heiligenzimmern heute noch zu sehen. An der Sankt Wendelinskapelle zeichneten sich die Spuren des Hochwassers deutlich an den durchnäßten Wänden ab. Durch eine Markierungstafel am Holzschuppen der ehe-maligen Schreinerei Daniel Kotz, war die Höhe des Hoch-wassers nebst Datum ersieht :h. Somit ist es verständlich, daß von allen Bewohnern des Stunzachtales ein ebenso dringender als auch alter Wunsch besteht, die Hochwasserschäden durch eine Flußkorrektur zu beseitigen. Leider ist die Erfüllung dieses Wunsches immer wieder verzögert worden.

Die ersehnte Erfüllung brachten erst die Jahre 1965/66. Nach lang-w erigen Verhandlungen ist es gelungen, : dazu erforderlichen Mittel von den zustäncigen Bundes-und Landesbehörden für die Stunzach-Flußkorrektur be-willigt zu bekommen. Umgehend wurde dann im Jahr 1966 auf Gemarkung Groul und seit Herbst 1968 auf Ge-markung Heiligenzimmern begonnen, der Stunzach ein neues, tieferes, den Verhältnissen angepaßtes Flußbett zu geben. Nach Durchführung der gesamten Stunzach-Flußkorrek-tur einschließlich ihrer Nebenbächle werden die Über-schwemmungen im Stunzachtal der Vergangenheit ange-hören. Munter, klar und friedlich plätschernd wird dann das Wasser der Stunzach in ihrem neuen Flußbett dahin-fließen können.

JOSEF M Ü H L E B A C H

Ettisweiler - Eine Schau auf die Geschichte des Dorfes

Einer wenn auch nur kurzen Darstellung der Geschichte des Dorfes Ettisweiler im Kreis Sigmaringen stellt sich zunächst die Frage, in welchen Z träum siedlungsge-schichtlich die Entstehung des Weilers zu datieren ist. Die Antwort auf diese Frage gibt die Siedlungsforschung mit der Feststellung, daß die Weiler-Orte im süddeutschen Räume im Zuge einer fränkischen Siedlungswelle in der Karolingerzeit etwa um < s Mitte des 8. Jahrhunderts entstanden sind. Das romanische Wort wilare, das sich später zu weiler entwickelte, bedeutet Platz um ein Land-haus, Platz zum Bau eines Landhauses, Gebäulichkeit in der Umgebung einer V ila und schließlich die Hofanlage selbst. Der Wortteil Ettis geht auf den Personennamen Otilin zurück Es sei erinnert an die früheren Schreib-weisen Othelinesuuilare, Othe..neswilair, Or nsweiler, Oetinsweiler, Otenschweiler, Oitisw' air und Enten-schweiler. Im frühen M .telalter, als sich in der Karo-lingerzeit die. Baare, Huntare und Gaugrafschaften bil-deten, hat Ettiswe er zu der in unserem Raum südlich der Donau gelegenen Goldineshuntare gehört Später hieß die Grafschaft Ratoldesbuch.

Der siedlungsgeschichtlichen Entwicklung voraus geht für Ettisweiler eint in die romische Ze.t verweisende Straßen-anlage. Die Straße von Hausen an Ettisweiler vorb i zur Bittelschießer Mühie soll nach Zingier auf römischen Ur-sprung zurückgehen. Die Breill dieser Römerstraße be-trug 3,50 Meter. Die römische Straße führte jedoch auf der Westseite des Andelsbachtales vor Ettisweiler nicht wie der heutige Weg den Hang hinauf, sondern 1 ' blt s .1 unterhalb desselben, um dann hinter Ettisweiler in den Weg zur Bittelschießer Mühle sinzumünden. Damit be-stand von der Römerstraße Pfullendorf-Sigmaringen eine Verbindung zur römischen Straße Wald-3ittelschieß-Ablach-Laiz.

Die erste geschichtliche Erwähnung von Ettisweiler fällt - nach Heinrich Löffler in seiner Arbeit „Die Weiler-Orte in Oberschwaben", 1968 - ins Jahr 1094. H. Löffler be-zieht seine Aufzeichnung zur Gründungsgeschichte des Klosters St. Georgen im Schwarzwald, nach der die Freien Albert und sein Bruder Eberhard von Nend. .igen am 17. Juni 1094 ihren ganzen Besitz in Othelinsuuilare dem hl Georg übergeben, auf das Dorf E nsweiler bei Sig-

maringen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1231, nach der Graf Gottfried von Sigmaringen die Übergabe eines Gutes zu Boos mit der Pfarrkirche durch den Edlen Albert von Bittelschieß und seine zwei Söhne an die Schwestern zu Mengen beurkundet, nennt u. a. H . de Oitiswilair als Zeuge 1243 wird in Salemer Akten ein Waltherus de Oetenschweiler genannt. Nach einer Urkunde des Klosters Salem vom 14. Mai 1263 genehmigt Graf Ulrich von Hel-fenstein die Schenkung eines Gutes zu Hausen a. A. durch die Hailwig von Ettisweiler, seine Hö ' ge, an das Kloster Salem. Am 1. Juli 1264 schenkt der Edle Hugo von Bittel-schieß die H ilwig, Tochter des Walter von Ettisweiler, dem Kloster Salem2 . Am 29. November 1297 verkaufte Haertnid dictus Fuhse de Oetinsweiler die ihm eigentüm-liche Wiese bei Hausen, der akker genannt, um 7 Pfund Konstanzer Pfen- ige an das Kloster Salem 3. Graf Hugo von Montfort, Herr zu Tettnang, eignet am 24. September 1306 finen Hof zu Oitisweiler und am 10. Februar 1314 einen Mayerhof zu Oitisweiler dem Heiliggeistspital zu Pfullendorf Seiu dieser Zeit bestehen vielfältige Bezie-hungen von Ettisweiler zum Spital und zur Reichsstadt Pfullendorf bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts. Hier-über geben die von Dr. theol. Johannes Schupp in den Hohenz. Jahresheften, 9. Band, Jahrgang 1941 bis 1949, veröffentlichten Regesten aus Pfullendorfer Archiven Auf-schluß.

Nach dem Habsburger Urbar von 1290 besaß die- Herr-schaft ;>igmaringen die Gerichtsbarkeit über die Freien Leute ennet des Ablach zu Hausen und 11 anderen Orten, darunter auch in Ettisweiler. Bis 1460 waren die Ettis-weiler durchweg Pfullendorfer Untertanen und als solche ins Gericht nach Zell a. A. gegangen Durch Vertrag vom 23. Juni 1460 zwischen der Grafschaft Sigmaringen und der Re"hsstadt Pfullendorf wurde das Niedergericnt in Ettisweiler zugunsten von Sigmaringen geregelt m ' t der Bestimmung, daß e Pfullendorfer Untertanen in Ettis-weiler nicht mehr belastet werden sollen als bisher 5. Die Herrschaft-(Grafen-)Rechte über Ettisw*" ler wechselten mit den Inhabern der Herrschaft, seit 1460, dem Jahr der Grafschaftserhebung, der Grafschaft Sigmaringen: um die Mitte des 12. Jahrhunderts bis etwa 1240 treten die Gra-fen von Helfenstein in Erscheinung: 1241 erscheint ein

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Graf Gebhard von Sigmaringen aus dem bayrischen Gra-fengeschlecht von Hirschberg. 1258 fiel die Herrschaft Sigmaringen an die Helfensteinen zurück: 1272 bis 1290 wurden die Grafen von Montfort Herren von Sigmarin-gen. Ihnen folgten 1290 das Haus Österreich, 1325 Würt-temberg und 1399 Werdenberg. Im Jahre 1535 gingen die Grafschaftsrechte als österreichisches Lehen an die Grafen von Zollern-Sigmaringen über. Grundherr von Ettiswei-ler war jedoch die Stadt Pfullendorf, zu deren Amt Zell das Dorf gehörte. Am 16. April 1445 bestätigt Herzog Albrecht II von Österreich dem Konvent zu Hedingen den Kirchensatz zu Krauchenwies mit dem Zehnten daselbst und zu Ettis-weiler, nachdem dem Kloster Hedingen durch eme Feuers-brunst wich ge Dokumente, darunter ein Dokument des Herzogs Friedrich von Österreich über die Gerechtsame des Klosters Hedingen zu Ettisweiler verloren hatte 6. Auch das Kloster Wald hatte Berechtigungen in Ettiswi -ler. Vom 15. Juli 1432 datiert ein Lehensbrief der Frau Margaretha von R-';chach, Äbtissin des Gotteshauses Wald, für Konrad (Kunz) Siglin von Otterswang über ein Gütlein zu Ettisweiler 7.

Am 20. Februar 1694 verkauften die Pröpstin Maria Dorothea und der Konvent des Klosters Inzigkofen unter Vorbehalt des Patronatsrechts und gegen eine jährliche Gilt den Zehnten in der Pfarrei Zell, in Et 'sweiler, Mott-schieß und Schwäl :shausen an die Reichsstadt Pfullen-dorf als Oberpfleger des Gotteshauses und des Heiliggeist-spitals zu Pful lendorf 8 . Diese Aufzeichnungen lassen erkennen, daß die Herr-schaftsberechtigungen und auch <i>e Zehntverhältnisse der Grund- und Leibherren in Eti i weiler teilweise undurch-sichtig sind. Für den Zehntbezug allein ergibt sich die Feststellung, daß der Zehnte - wenigstens vorüber-gehend - unter mehreren Zehntherren geteilt war, daß also die eine Art des Zehnten dahin, die andere dorthin geliefert werden mußte. Auf eine Untersuchung und Er-arbeitung ( 5ser und der sonstigen Gerechtsame für aas Dorf Ettisweiler und seinen Einwohnern muß hier ver-zolltet werden; diese knappe Darstellung muß rieh auf die Herausstellung nur einiger wichtigen geschichtlichen Angaben beschränken. Besonders bedeutsam für die Geschichte des Dorfes Ettis-weiler war der Dreißigjäf. ge Krieg. In den Drangsalen und Schrecknissen des großen Krieges hatte Ettisw.nler seine Einwohner verloren. Nach 1631 wurden die vier dem Heiliggeistspital Pfullendorf gehörenden Lehenhöfe nach dessen Akten von Max Braunwarth, Christoph Bern-hart, Hans Irmler und Jörg Groß bebaut. Kurz darauf begann auch hier die No t des Krieges. Die alten Namen verschwanden. Die Spitalrechnungen weisen für mehrere Jahre keine Leistungen mehr auf. Erst nach dem Dreißig-jährigen Krieg kamen - aus der Schweiz - wieder neue Ansiedler. Einer der ersten war der Stammvater der Fa-milie Wetz. Bevor er < i -h niederließ, hatten ihm die Klo-sterfrauen von Wald ihren Hof zu Steckein angeboten. Er zeigte aber keine Lust, sich durch Frauenhand regieren zu lassen, und begab siJi unter die Herrschaft des Heuig-geistspitals Pfullendorf, das ihm und seinen drei Söhnen

drei Höfe zu Ettisweiler gegen drei Laibe Brot über-ließ. So erzählten alte Dorfbewohner das Geschehen in jenen schweren Zeiten, und es wird berichtet, daß Etf'sweiler früher in der Nachbarschaft ,.<.:e kleine Schweiz" genannt wurde und die Ettisweiler r .it dem Obernamen „Schwei-zer" geheißen wurden. Dieser Übername ist dem Dorf geblieben 9. Hans Wetz, der erste Inhaber eines Lehens des Heilig-geistspitals Pfullendorf, scheint ein sehr temperament-

voller Mann gewesen zu sein, wird er doch im Jahre 1658 vom Spital wegen „ausgegossenen feurigen Reden" mit 3 fl gestraft1 0 . Schon am 18. Juni 1652 wurde in Ettisweiler die Zehnt-scheuer aufgerichtet. Allerdings muß schon vorher eine Spitalscheuer vorhanden gewesen se da in dieser nach der Spitalrechnung um 1624 2250 Garben gedroschen wurden lc. Im Jahr 1628 hat im Raum um Pfullendorf die Pest zahl-reiche Opfer gefordert. Das Pfullendorfer Totenbuch ver-zeichnet am 3. November 1628 als 302. Opfer der Pest Theüß Bruckher von Oetenschweyler, vulgo genannt die Schmuzbürstin lc. In den großen Auswanderungszug nach Südosteuropa im 17. und 18. Jahrhundert war auch das kleine Dorf Ettis-weiler einbezogen. Für Ettisweiler sind folgende Aus-wanderer nach Südosteuropa verzeichnet11: Chr.stian Seeger aus Ettisweiler/Hausen a. A am 7. Dezember 1689, Philipp Zipfel aus Ettisweiler/Mottscl 'sß am 7. Dezem-ber 1689, Melchior Schneegans 1689/90 nach Ungarn, Christina Rösch aus Ettisweiler/Hausen a. A, am 14. Juni 1690, Peter Stadler am 24. März 1744, Ida Wetz am 1. März 1768, Wendelin Wez, „wegen Teuerung und Not" , am 23. Februar 1771.

E :-t wirtschaftliche Entwicklung hat den Bauern in Ettis-w^.ler im 19. Jahrhundert wie andernorts die Ablösung des Zehnten, die Umwandlung der Lehen in Eigentümer und die Aufhebung der Sigmaringer Leibeigenschaft, letztere für 10 Leibeigene, gebracht. Ettisweiler kann für sich in Anspruch nehmen, daß es eine gesunde wirtschaft-liche Struktur aufweisen kann, eine Struktur, die auch der gemeindlichen Verwaltung zugute kommt. Kirchlich hat Ettiswi ^er bis 1822 zur Pfarrei Zell a. A. gehört. Die Zugehörigkeit zu Zell geht wohl schon auf die Zeit der ersten Besiedlung zurück, erfahren wir doch aus der Siediungsforschung, daß Weiler-Orte gelegentlich in der Nähe von Zell-Orten entstanden sind. Durch Dekret des Bischöflichen Generalvicariats Konstanz vom 11. April 1822 ist Ettisweiler als Filialort der Pfarrei Hausen a. A. zugeteilt worden. Gleichzeitig ist der auf 38 bis 40 fl berechnete Kleinzehnte in Etlsweller auf d e Pfarrei Hausen übergegangen. Das Dorf hatte damals 9 Familien. B;i den Verhandlungen über die Zuteilung von Ettiswei-ler nach Hausen hat Pfarrer Dannegger in Hausen gel-tend gemacht, „daß die Enzwei ler und Weihwanger ohne-dies beständig in die Kirche von Hausen gegangen seien" 12. - Das Bruderschaftsbuch der Wallfahrtskirche Maria Schray bei Pfullendorf nennt als Mitglieder der Bruderschaft aus Ettisweiler die Familien Brucker, Knoll und Wetz, zusammen 6 Personen (um 1748-1794) 13. Im Jahre 1879 ist in Etuswsiler - zum größten Teil aus Stiftungsgeldern der Brüder Didakus, Johann Georg (Hans-Jörg) und Josef Wetz mit 6000, 1000 und 1000 Mark - zusammen 8000 Mark, zum kleinen Teil aus Fronleistungen der Ettisweiler Bürger - eine Kapelle er-richtet worden, i^e wurde zu Ehren der Schmerzhaften Muttergottes und des hl. Georg geweiht. Auf dem Altar stehen neben der Statue der Schmerzhaften Muttergottes rechts und links Figuren des hl Georg und des hl. Josef. Man kann hier, wenn die Überlegung vielleicht auch etwas gewagt ist, an eine sinnvolle Beziehung der Schen-kung von Gütern in EiL.sweiier an den hl. Georg (das Kloster St. Georgen im Schwarzwald) im 11. Jahrhundert denken. Schulisch gehört Ettisweiler zur Nachbargemeinde Bittel-schieß, mit der es auch die Wasserversorgung gemeinsam hat. Pfarrer Dr. Johannes Schupp seht sltrtj in seinem Werk „Denkwürdigkeiten der Stadt Pfullendorf" (1967), daß

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vor Beginn des badischen Schulzwanges nach Rechnungen des Heiliggeistspitals Pfullendorf für eine Schule in Ettis-weiler um 1723/25 vom Spital Leistungen in Naturalien oder Geld erbracht wurden. Ettisweiler liegt - in 620 Meter Höhe - links des Andels-baches in seinem unteren Lauf unweit der Einmündung des in Rothenlachen entspringenden Kehlbaches in den Andelsbach. Das Dorf mit 70 Einwohnern und einer Ge-markungsfläche von 191 ha ist die zweitkleinste Ge-meinde des Landkreises Sigmaringen. (Die kleinste Ge-meinde des Kreises war bisher Rothenlachen. Sie wurde zum 1. Juli 1971 nach Wald eingemeindet). Das Dorf, dessen wirtschaftliche und gemeindliche Verhältnisse, wie oben bemerkt wurde, geordnet und gesichert sind, wird -im Zeichen der derzeitigen Verwaltungsreform - zum 1. Januar 1972 der Gemeinde Krauchenwies eingemeindet werden, nachdem sich die Bürgerschaft in einer Abstim-mung am 11. Juli 1971 mit starker Mehrheit für den Zu-sammenschluß der Gemeinde Ettisweiler mit Krauchen-wies ausgesprochen hat.

Anmerkungen:

1 Württembergisches Urkundenbuch Bd. 4 S. 410. 2 Sal. Urkundenbuch Bd. 1, N r . 383 u. 394. 3 Sal. Urkundenbuch Bd. 2, N r . 978. 4 D r . Johannes Schupp, Hohenzollerische Regesten aus den Pful len-

dorfer Archiven, Hohenzollerisdies Jahreshef t 9 Bd., Seite 39, N r . 107 und 108.

5 F. Fürstenb. Urkundenbuch 6. Bd., N r . 266. 6 F. Hohenz . Haus - und Domänenarchiv Sigmaringen. Grafschaf t

Sigmaringen Bd. I I I , Rubr ik 78, N r . 400. 7 Desgl. Bd. I , Rubr ik 45, N r . 46 und 47. 8 Desgl. Bd. I I , Rubr ik 149, N r . 20. 9 „Hohenzollerische H e i m a t " 1961, N r . 3, S. 33.

1 0 D r . Johannes Schupp. Hohenzollerische Regesten (wie N r . 4), N r . 141, 142 und 136.

1 1 Werner Hacker. Auswanderung aus dem Raum der späteren Hohenz . Lande nach Südosteuropa im 17. und 18. J ah rhunde r t . Zeitschrift f ü r Hohenzollerische Geschichte. 1969.

12 Staatsarchiv Sigmaringen. Akten I I 6909, I I 6910 u. I I 6926. 1 3 Dr . Johannes Schupp. Kulturchronik der Wallfahrtskirche Mar ia

Schray. 1952, S. 135.

KARL WALDENSPUL

Steinkohle in unserer Heimat ?

Vorbemerkung:

In der „Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte", Jahrgang 1968, 4. Band, heißt es Seite 157:

„Eine in der zweiten Häl f te des vorigen Jahrhunderts nahe Dettingen am Neckar (Kr. Hechingen) niederge-brachte Tiefbohrung erschloß zwar Steinkohle, jcdoch nicht in bauwürdiger Menge. Die Bohrarbeiten wurden deshalb nach längeren Unterbrechungen Ende 1889 in einer „Teufe" von 704 m eingestellt."

In diesen Sätzen ist eine Reihe nicht zutreffender An-gaben und Feststellungen enthalten.

*

Am 26. August 1844 wurde in Stuttgart der „Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg" gegründet. Er wandet sich vor allem an „solche Mäaner, welche durch Beruf, Neigung und Liebhaberei" oder durch ihren Auf-enthalt an besonders interessanten Orten „vorzugsweise zur Mitwirkung berufen" waren. Hauptzweck war neben der Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Erkennt-n.- >e die „Erforschung der natürlichen Verhältnisse des Vaterlands" Cd. h. Württembergs). Von der naturwissen-schafr chen Erforschung erhoffte man zugleich Flinweise für die wirtschaftlichen Förderungsmöglichkeiten des Lan-des. Schon bei der ersten Jahresversammlung des Vereins 1845 in Stuttgart reier irte der Tübinger Professor F. A. Quenstedt über „die Hoffnung auf Kohien in Württem-berg". Natürlich konnte der damals erst sechsundreißig-jährige Gelehrte, der noch nicht einmal ein ganzes Jahr-zehnt in Württemberg wirkte, keine absolute Voraus-sage machen. Dennoch wagte er die Behauptung, man könne 10 gegen 1 darauf setzen, in der Tiefe des Neckar-beckens Steinkohle zu finden. Schon in einer Tiefe von etwa 250 m sei em erster Aufschluß über die Kohlenvor-kommen zu erhalten. Bedenken wegen der Tiefe des Bohr-

lochs zerstreute er mit dem Hinweis, daß in England viele Schächte über 450 m hinunterreichten und ein Schacht bei St. Andreas im Harz bereits rund 750 m tief sei.

Die Argumentation Quenstedts gründete sich auf die Er-kenntnis, daß Kohle nur dort entstehen konnte-, wo ge-waltige Pflanzenmassen in sinkenden Becken abgelagert und dann rasch von Wasser bedeckt werden; bei weit-gehendem Sauerstoflabschluß vertorft und verkohlt das angesammelte Pflanzenmaterial. Diese Bedingungen seien in dem großen Becken zwischen Schwä ischer und Fränki-scher Alb einerseits und Schwarzwald, Odenwald und Spessart andererseits gegeben. Da am westlichen und nördlichen Rande dieses Sektors überall Anzeichen von Kohlevorkommen seien, so „wäre es wider alle Analo-gien, wenn die Steinkohlenformation weiter einwärts im Becken des Neckars fehlen sollte. Sie wird nicht nur vor-handen ,sondern wahrsche il'ch stärker sein."

Fast leidenschaftlich forderte er dann Bohrungen; nicht zuletzt auch aus wissenschaftlichen Gründen: „Wir ken-nen n unserem Stufenlande die Formation nicht eher, als bis durch eine Reihe zusammenhängender, irr.;, wissen-schaftlicher Umsicht in der Tiefe des Bodens angestellter Versuche tatsächlich dargetan ist, was wir haben und was uns f e h l t . . . Es ist dies der Fundamentalversuch, von dem alles weitere Suchen abhängt, und jedes Zögern ist ein Versäumnis, das sich straft!"

Die Versammlung nahm aiese Ausführungen mit außer-ordentl hem Interesse auf; der energische Widerspruch von Professor Dr. Kurr drang nicht durch. Nach der Ein-führung der Dapfmaschinen und dem Bau verschiedener Eisenbahnlinien war Kohle unerläßlich geworden, wenn Handel und Industrie im Lande weiter gefördert wer-den sollten. Dazu herrschte allenthalben Besorgnis, durch den steigenden Verbrauch an Brennmaterialien die Wälder vorze' rig abholzen zu müssen.

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Quenstedts Vorschlag: Bohrungen hei Dettingen

Für die Bestimmung der Bohrpunkte nannte Quenstedt zwei Gesichtspunkte: Einmal sollte der Bohrpunkt ge-nügend vom Schwarzwald entfernt sein, da mit zuneh-mender Beckentiefe auch mächtigere Kohlenschichten ver-mutet wurden. Zum andern sollte aus wirtschaftlichen und technischen Gründen dort angesetzt werden, wo tie-fergelegene geologische Schichten zum Vorschein kamen. Besonders geeignet dafür hielt er den Taleinschnitt bei Dettingen, wo „der Neckar auf einer einzigen kleinen Stelle mitten in der mächtigen Muschelkalkformatin den roten Sandstein bespült". Tatsächlich liegt etwa an der Stelle, an der der Neckar sich nach Ostnordost wendet und von Westen her der Dießener Bach einmündet, der geologisch tiefste Punkt des ganzen württembergischen Neckartales. Hier konnte der Bohrer unmittelbar im Buntsandstein angesetzt werden, ohne zusätzlich den Mu-schelkalk durchbrechen zu müssen.

Leider aber lag die von Quenstedt als besonders aussichts-reich bezeichnete Stelle außerhalb des württembergischen Territoriums und schied deshalb für Württemberg aus. Es wurde daher eine Sachverständigenkommission berufen, die drei andere Vorschläge unterbreitete. Die Voraussagen Quenstedts waren jedoch trot zder politischen Zerstücke-lung Deutschlands bis zu den maßgeblichen Persönlich-keiten in Berlin vorgedrungen. Während sich die Vor-bereitungen der württembergischen Nachbarn immer wei-ter verzögerten, veranlaßte die preußische Regierung nach der Übernahme der hohenzollerischen Fürstentümer im Wissen um die politische und volkswirtschaftliche Bedeu-tung etwaiger Kohlenvorkommen eine nochmalige Über-prüfung durch das zuständige Oberbergamt in Bonn. Wie sehr dem preußischen Staat an der Erschließung der Bo-denschätze in diesem südlichsten Landesteil gelegen war, geht auch daraus hervor, daß fast gleichzeitig mit den Steinsalzbohrungen in Stetten bti Haigerloch begonnen worden war (7. 10. 1952), die sich ein halbes Jahr später als fündig erwiesen. Die Berichte des damaligen Ober-bergamts Achenbach, der 1857 die erste eingehende „Geognostische Beschreibung der Hohenzollerischen Lande" veröffentlichte, f ' t len positiv aus. In einem er-gänzenden Gutachten sprach .ich der Berggeschworene Raiffeisen, < n Bruder des Begründers der Raiffeisen-Ge-nossenschaften und damals Leiter der Saline in Stetten, ebenfalls für den vorgesehenen Bohrpunkt aus. Allerdings gab er im Gegensatz zu Quenstedt die vermutliche Ober-grenze des Steinkohlengebirges mit etwa 470 m an.

Aufgrund dieser Gutachten erging am 22. 11. 1853 eine königliche Kabnetsorder zum Beginn der Bohrungen in Dettingen. Die hohenzollerischen Stände weigerten sich ) doch hartnäckig, Gelder zur Verfügung zu stellen Auch der preußische Finanzmirister wünschte eine Verschiebung auf 1855. Ein Dringlichkeitsantrag des Oberbergamts half jedoch weiter: 1854 wurde Raiffeisen beauftragt, die Vor-bereitungen für dir Bohrversuche zu treffen und dann die Bohrung selbst zu überwachen.

1854: Beginn der Bohrarbeiten

Jetzt wurde das Vorhaben energisch vorangetrieben. Die erforderlichen Grundstucke wurden angekauft; um die Bevölkerung über die Planungen im unklaren zu lassen, geschah dies durch einen Mittelsmann. In aller ELe wurde das Bohrturmgebäude errichtet, und schon am 15. Okto-ber 1854, dem Geburtstag Friedrich Wilhelms IV., er-

folgte, begleitet von den üblichen Feierlichkeiten und un-ter regster Anteilnahme der Bevölkerung der ganzen Gegend, der erste Spatenstich für den Bohrschacht. Am 20. November konnte mit den Bohrungen selbst begon-nen werden. Trotzdem nur mit Menschenkraft gebohrt wurde, hatte der Meißel bis zum Jahresende eine Tiefe von 110 m erreicht.

Das anstehende Gestein scheint in diesem ersten Jahr noch keine Schwierigkeiten bereitet zu haben. Angesetzt wurde das Bohrloch im Plattensandstein des oberen Buntsand-steins. Die hell- bis weinroten Plattensandsteine wurden früher häufig als Werksteine abgebaut (Steinbruch in Die-ßen) und teilweise zu feinen Bildhauerarbeiten (Karls-brücke in Stuttgart), dann aber vor allem für Bodenbe-läge (Kirchentreppe in Dettlingen), Fenster- und Tür-rahmen, Garteneinfassungen, Marksteine und auch für Dachplatten verwendet. Die Plattensandsteine bilden Bo-dengrund und Talwände des Dießener Baches und rei-chen ein kurzes Stück neckarauf- und -abwärts über seine Mündung hinaus. In der 8 m hohen Steilwand des Neckars unweit der Mündung der Dießener Straße ist diese Formation noch zu sehen; sonst ist sie meist durch Gehängeschutt, Anschwemmungen und Tuffbildungen verdeckt.

Auch anfängliche technische Unzulänglichkeiten konnten bald behoben werden. Noch fehlte es den Bohrschmieden an ausreichender Erfahrung in der Här tung der Bohr-meißel, Erst, als die Maschinenfabrik Reinau (Dufner-Gfrörer) < e Herstellung dieses wicht gen Teiles über-nahm, ging die Arbeit zügiger voran. Ende März 1855 stand mit halbjäf "ger Verspätung endlich Wasserkraft zum Bohren zur Verfügung. Zwar war die Wasserkraft des Dießener Baches schon vor Beginn der Arbeiten auf-gekauft worden; doch erst jetzt wurde der 5,7 km lange besonders angelegte Flutgraben zwischen der unteren Dießener Sägemühle und der „Radstube", die das Was-serrad und die Transmissionsvorrichtungen auf Bohr-schwengel und Seilrolle enthielt, fertig.

Als das Jahr 1854 zu Ende ging, stand der Bohrer etwa in der Mitte Hauptbuntstandsteins. Der Plattensandstein (Mächtigkeit 29 m) und das Hauptkonglomerat (50 m) waren durchstoßen. Man war dazu 31 m weit in den Bausandstein vorgedrungen.

Es würde den Kähmen dieses Berichtes sprengen, nun im einzelnen die geologischen Verhältnisse dazustellen und den Fortgang der Bohrungen chronologisch zu schildern. Die beigefügte tabellenartige Ubersicht mag diese Lücke ausgle'Jien (Seite ???).

Zunehmende Schwierigkeiten

Vei efen die Bohrungen anfangs im ganzen noch reibungs-los, so stellen sich doch baid die ersten „Unfälle" ein. Am harmlosesten noch war das gelegentliche Ausbleiben der Wasserkraft. So fror in den kalten Dezembernächten des Jahres 1855 das Aufschlagwasser ein. In der Trockenheit des Sommers 1857 zapften die Dießener Bauern nachts wiederholt den Wasserlauf zur Wiesenwässerung an, so daß die Kraf t nicht mehr ausrechte. Ernster zu nehmen waren jedoch die mit zunehmender Tiefe des Bohrlochs sich rasch steigernden Schwierigkeiten:

Im Sommer 1855 traten m Eckschen Konglomerat die ersten starken Nachfälle ein, die zu zeitraubendem Nach-bohren und Auslöffeln zwangen. Im tieferen Rotliegen-den 1 "uften sich die Nachstürze und waren nur noch mit

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Mühe zu beseitigen. So hatte sich am 4. 4. 1856 beim Auf-holen der Bohrer festgeklemmt. Es dauerte über einen Monat, bis er wieder frei war. Im Herbst desselben Jahres blieben durch einen Bruch über 300 m Seile im Bohrloch; erst vier Wochen später konnten sie herausgeholt wer-den. Die technischen Vorrichtungen entsprachen nicht der für die damaligen Verhältnisse beträchtlichen Tiefe. Wie-derholt traten Gestängebrüche auf, zuletzt am 24. Ok-tober 1857 548 m unter der Erdoberfläche. Die Beseiti-gung des Schadens dauerte nahezu zehn Monate. Aber kaum hatte man wieder mit den Bohrungen begonnen, so ordnete das Oberbergamt deren vorläu' je Einstellung an. Das Risiko war zu groß geworden. Bei weiteren Ge-stängebrüchen oder bei erneutem Festklemmen des Boh-rers bestand die Gefahr, daß der Schaden n.cht mehr be-hoben werden konnte. Dies aber hätte die Aufgabe des Bohrloches bedeutet. Inzwischen betrug die Tiefe 549,5 m. In dieser prekären Situation halfen nur gründliche Aus-besserungen und Erneuerungen. Schon früher hatte Raiff-eisen eine Verrohrung oder Auszementierung des Bohr-lochs gefordert. Diese war damals im Prinzip bereits ge-nehmigt, und nach einem Bericht des Hohenzollernschen Wochen-Blattes sollen in Wasseralfingen die Rohre zur Ausbüchsung des Schachtes schon hergestellt worden sein. Wegen der Abnützung und der Brüchigkeit des Holzge-stänges beantragte Raiffeisen zusätzlich Ersatz durch eiserne Bohrstangen. In Anbetracht der neu entstehen-den Kosten wollte das Oberbergamt vor einer Entschei-dung h ^rüber erneut überprüfen, welche Erfolgsaussich-ten bei einer Fortsetzung der Bohrung bestanden.

Meinungsverschiedenheiten

Zuerst sollte sich Raiffeisen zu den Chancen weiterer Bohrungen äußern. Er hatte einst in seinem Voranschlag die Hoffnung ausgesprochen, in 470 m Tiefe auf Kohle zu stoßen. Obwohl die Bohrung nahezu 80 m tiefer stand, zeigte der Aushub noch keinerlei Veränderungen. Die süddeutschen Geologen Quenstedt und namentlich Fraas bezweifelten die E rhtigkeu seines Berichtes, er habe bei 155 m das Rotliegende erreicht. Nirgendwo inSüddeutsch-land hatte man bisher eine solche Mächtigkeit des Rot-liegenden festgestellt. Auch die Schramberger Bohrungen (1834-1849) schienen seinen Ergebnissen zu widerspre-chen. Das Oberbergamt in Bonn wurde an den Berichten Raiffeisens irre. Erst durch Beilage von Bohrproben aus dem unteren Buntsandstein konnte er die Richtigkeit sei-ner Feststellungen beweisen. Spätere Bohrungen bei Sulz (1888-1890) bestätigten die Richtigkeit seiner Darlegun-gen; dort war das Rotliegende beinahe 600 m mächtig. Damit war der Bewe s erbracht, daß hier tatsächlich ein gewaltiges, nach Norden tiefer werdendes Becken bestan-den hatte, das noch im Erdaltertum mit dem Verwitte-rungsschutt des Variskischen Geb :"jes aufgefüllt worden war. Theoretisch war damit die Möglichkeit der Stein-kohienvorkommen bestätigt. Rai'feisen empfahl die Fort-setzung der Bohrungen.

Das Oberbergamt machte sich diesen Vorschlag zu eigen. Der Minister in Berlin ordnete jedoch unter dem 18. 11.

1859 an - wahrscheinlich auch unter dem Eindruck der Einwendungen von Fraas-, von weiteren Bohrungen und der Verrohrung des Schachtes vorläufig abzusehen, Bohr-loch, Baulichkeiten und Maschinen aber so instandzu-halten, daß die Arbeiten nach einer vorzunehmenden ein-gehenden geognostischen Untersuchung durch den Berg-hauptmann von Dechen jederzeit wieder aufgenommen werden könnten.

Dabei blieb es. Von Dechen fand in den folgenden Jahren keine Zeit. Inzwischen hatte Württemberg bei Dunningen zu bohren begonnen. In 273 m Tiefe wurde dort das Grundgebirge erreicht. In Berlin erwog man, die Dettin-ger Bohrung auf etwa 950 m voranzutreiben. Der Kosten-voranschlag belief sich hierfür auf 25 000 Taler. Als auch eine Bohrung bei Oberndorf (1865-1875) wegen nicht zu überwindender technischer Schwierigkeiten in 488 m Tiefe aufgegeben werden mußte, wurden Gelände und Wasser-kraf t 1881 an die Gebrüder Otto und Hermann Steinhart in Dettingen verkauft. Diese errichteten auf den neu er-worbenen Grundstücken eine Schiefertafelfabrik, um der einheimischen Bevölkerung eine weitere Verdienstmög-lichkeit zu verschaffen. Die Stelle des Bohrlochs wird vom heutigen Besitzer noch gerne gezeigt.

1888-1890 wurde noch einmal in Sulz zu Bohrungen an-gesetzt. In 901 m Tiefe stieß man auf das Grundgebirge. Damit war erwiesen, daß Steinkohle in Württemberg nicht vorhanden ist.

Bilanz

bei der 1845 angeregten und 1854 begonnenen Tiefboh-rung in Dettingen wurde eine Tiefe von 549,5 m erreicht. Sie wurde im Rotliegenden ohne Resultat abgebrochen, weil von schwäbischen Geologen die Richtigkeit der Deu-tungen der Bonrproben angezweifelt wurde. Erst die Er-gebnisse benachbarter Bohrungen führten zu dem Schluß, daß Steinkohlenlager nicht zu erwarten waren.

Insgesamt dauerten die Bohrarbeiten in Dettingen rund 47 Monate, die häufigen Unterbrechungen wegen tech-nischer Störungen und Abfangen des Nachfalls m t einge-rechnet. Die tägliche Bohrleistung (Tiefe: tatsächliche Bohrtage) betrug durchschnittlich 0,55 m. Die Gesamt-kosten des Bohrversuchs einschließlich der nachfolgenden Unterhaltung beliefen sich auf 97 758 Mark; dies dürfte, gemessen an den damaligen Preisen, einem jetzigen Betrag von 300 000-400 000 DM entsprechen.

Quellen:

Jahreshef te des Vereins fü r vaterländische N a t u r k u n d e in Wür t tem-berg 1845, 1846, 1860, 1887.

Wür t t . Jahrbuch fü r Statist ik und Landeskunde 1912.

Erläuterungen zur Geologischen Spezialkarte des Königreichs Wür t -temberg, Blatt Dorns te t ten/Det t ingen 1912.

Zeitschrift für honenz. Geschichte 1968.

Hohenzollernsches Wochenblatt 1858, 1859

Hohenz . Heimat . Jan . 1952, S. 1 - 2 .

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LAMBERT H E C K

Rangendingen und der Bahnbau

Die heimatgeschichtlich wertvolle und interessante „Kleine Chronik der Hohenzoller^chen Landesbahn" von KR. Hubert Deck, Grosselfingen (H. H. 1970 Nr . 3) ist, insbe-sondere was den Streit der beiden Gemeinden Grossel-fingen und Rangendingen um die Linienführung der Ver-bindungsstrecke Stetten bei Haigerloch-Hechingen an-betrifft, einer Ergänzung wert.

Als es um den Ausbau weiterer Kleinbahnstrecken ging, ist nach einem Pressebericht im „Zoller" vom Jahre 1903, von einem Eisenbahnfieber, das besonders die Bevölke-rung der Gemeinden erfaßte, die in den Genuß einer Bahnverbindung auf der Strecke Stetten bei Haigerloch-HeclJngen kommen wollten und sich dafür leidenschaft-lich einsetzten, die Rede. Die Veröffentlichung eines Re-chenschaftsberichtes vom Jahre 1901 über den Umfang und die Rentabilität des Bahnverkehrs auf den bereits eröffneten Teilstrecken, sollte das Eisenbahnfieber etwas abkühlen. Darin heißt es: „Die Jahresfrequenz für Per-sonenbeförderung betrug 247 000 Personen. An Verfrach-tung wurden 31 875 Tonnen und zwar: Kohle 3 932 t, Steine 952 t, Holz 4 737 t, Holzstoff 2 759 t, Getreide 60 t, Alteisen 4 812 t, Walzeisen 1 520 t, Salz 1 130 t und 8 717 t sonstige Massengüter befördert. Aus dem Personenverkehr wurden 41 609 M (auf eine Person kamen 0,248 Pf) vereinnahmt. Im Güterverkehr gingen 47 072 M und für Viehbeförderung 7 277 M ein, Ge-samteinnahme: 90 761 M, Ausgaben 86 573 M, was einen Reingewinn von 4 097 M ergibt." Daß man bei so ge-ringen Einnahmen die Betriebs- und Bahnunterhaltungs-kosten einschränken mußte, ist verständlich. Auch der Verkehr von 1902 blieb weit hinter den Erwartungen zu-rück. Den Einnahmen von 104 332 M standen 84 336 M Ausgaben gegenüber und so brachte dieses Jahr einen Überschuß von 19 996 M, welcher eine Dividendenaus-schüttung nicht zuließ. Die in Aussicht gestellte Planung des Streckenbaus Stetten bei Haigerloch-Hechingen, rief nun einzelne Gemeinden auf den Plan, die mit allen Mu-tein versuchten, ihren Dörfern einen Anschluß zu er-kämpfen.

Von Grosselfingen wurden zunächst von Einzelbürgern folgende Planungsvorschläge m der Presse veröffenti cht: Linienführung Stetten bei Haigerloch, Owingen, durch das Gießbachtal nach Grosselfingen um den alten Berg herum über Weilheim nach Hechingen. Darauf folgte ein neuer Vorschlag: „Das Bähnlein soll über Owingen wei-tergeführt werden bis zur Grosseltinger-Ostdorfergrenze, soll ein Stück durch das Tal des Krebsbaches an der Zuglei vorbei über die Oberen Weiherwiesen, Längs-wiesen ins Weilheimer-Sigenthäle hinein verlaufen. Auf der Südseite gegen Weilheim soll der Bahnhof erstellt werden und dann soll die Linienführung dem Säuweiherle der Friedrichstraße nach Hechingen zu verlaufen. Diese Streckenführung sei um 3 km kürzer als die erstere.

Im August 1903 wurde in der Krone in Grosselfingen eine Bürgerversammlung, an der auch Interessenten aus der Umgebung teilnahmen, abgehalten, in der über d'e Möglichkeit und Rentabilität einer Bahn über Grosselfin-gen Stellung genommen wurde. Diese Zusammenkunft stand unter Leitung des dama'igen Lehrers Senner in Frankfurt a. M. In Vortragen wurden folgende Feststel-

lungen getroffen: Grosselfingen ist ein vom Verkehr ab-gelegenes Dorf. Ein großer Teil seiner Arbeiter sucht den Verdienst auswärts. Wenn es beim Bahnbau keine Be-rücksichtigung findet, ist es für alle Zukunft ausgeschlos-sen, dem Verkehr näher angegliedert zu werden. Es gilt daher jetzt eine Agitation ins Leben zu rufen, die mit allen Mitteln arbeitet, um unsere große Gemeinde wirt-schaftlich zu heben, die Industrie selbst ins Dorf zu be-kommen, was durch eine Bahnlinie am ehesten gefördert werden kann. Ein Weiterbau der Bahn über Engstlatt hält die Versammlung für aussichtslos, weil die Hohenzolleri-sche Kleinbahngesellschaft die Bahn durch Hohenzollern führen will. Wird die Bahn über Rangendingen gebaut, wird Owingen nicht berührt werden. Ein Weiterbau über den Ort Rangendingen wäre mit denselben Kosten ver-bunden, da diese Gemeinde teure Felder zur Verfügung stellen müßte. Über Grosselfingen geleitet, würde die Bahn größtenteils auf Gemeindeeigentum, das zu dem noch ziemlich wertlos ist, erstellt werden können. Für Indu-strieansiedlungen könnte Grosselfingen kostenloses Bau-land zur Verfügung stellen. Außerdem besäße das Dorf in Bausteinen und Sandbrüchen einen bedeutenden Reich-tum, in ölhaltigem Schiefer und Kalksteinen Material zur Fabrikation von Baumaterial, wenn eine Bahn die Mög-lichkeit zur Weiterbeförderung gäbe. Der rege Verkehr mit Holz aus den umliegenden Gemeinde-, Privat- und fürstlichen Waldungen sichere die Rentabilität der Bahn mindestens im selben Maße wie Rangendingen. Die Mög-lichkeit der Gründung von Getreide-Verkaufsgenossen-schaften fuße ebenfalls auf der Möglichkeit einer Bahn-beförderung. Außer Grosselfingen sei auch die Gemeinde Weilheim, der Hauser Hof , die Gemeinde Stein und der Ort Friedrichstraße an dem erwähnten Eisenbahnprojekt interessiert. Rangendingen mit seiner stets sauberen und ebenen Landstraße würde mit dem Bahnhof Stein leicht in Verkehr kommen können E' e Bahn über Stetten, Owin-gen, Grosselfingen (durch das Tälchen bei der Ostdorfer Mühle), Weilheim, Stein, Friedrichstraße würde sich be-stimmt besser rentieren als über Rangendingen. Es wurde ein Komitee zur Agitation für dieses Projekt gebildet.

In einer weiteren Versammlung in Grosselfingen, die cl.e Weiterführung der Kleinbahn über Stetten bei Haiger-loch-Hechingen zum Thema hatte, nahmen auch die Ab-geordneten des Kommunallandtages Kraus, Bechtolds-weiler, und Maier, Wessingen, teil. Diese beiden gaben Aufschluß über die Möglichkeit einer Linienführung wie sie von Grosselfingen in Vorschlag gebracht wurde. Wenn Owingen, Grosselfingen und Weilheim freies Gelände stellen können und ein Bahnhof für Rangendingen in der Nähe des Stauffenburger Hofes erstellt würde, wären alle Gemeinden der Umgebung an das Bahnnetz ange-schlossen und Rangendingen käme auf diese Weise am besten weg. Der Bau über Rangendingen nähme der Ge-meinde mehr Grund und Boden weg als jeder anderen.

Der Verkehr von Har t und Höfendorf gehe Haigerloch zu. Höfendorf hätte nicht einmal eine eigene fahrbare Straße nach Rangendingen und was Hirrlingen ang ige, wenn es überhaupt berücksichtigt werden sollte, hätte am Bahnhof Rangendingen Anschluß. Es wurde eine Petition an den Kommunallandtag eingereicht, in der die Ge-meinde Grosselfingen sich für einen Bau über ihren Ort

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darlegt, zu dem die beiden Abgeordneten ihre Unter-stützung zusagten.

Darauf meldete sich Rangendingen zum Ausbau der Klein-bahn zu Wort. Der Bau über Rangendingen se. auch für den großen Marktflecken Hirrlingen und für Har t und Höfendorf von Bedeutung. Das gewerbereiche und streb-same Dorf Hirrlingen verfüge über eine Dampfsägerei und über drei größere Getreidemühlen, ferner seien dort Ziegelwarenfabriken und zwei Bierbrauereien in Betrieb und 50-60 Arbeiter(innen) fänder in der hiesigen Fabrik Beschäftigung. Auch zahlreiche andere Geweibebetriebe und Kaufläden habe Hirrlingen aufzuweisen, von dem dlg Bahn gute Einkünfte zu erwarten habe. Rangendingen selbst verfüge über eine Getreidemühle, zwei Sägemühlen, zwei Gipsmühlen verbunden mit Obstmostereien und Öl-mühlen. Ziegelwaren und Kalk werden in zwei Betrieben hergestellt und nach überall abgeführt. Sandgruben, Stein-und Gipsbrüche seien in Rangendingen ebenfalls vorhan-den Mehr als 200 Arbeiter sowie Schüler wandern täg-lich nach Hechingen und würden sicherlich mit der Eisen-bahn fahren, wenn sie dazu Gelegenheit hätten. Die Ho-henzollerischen Kleinbahnen aber sollen die einzelnen Teile unseres langgestreckten Ländchens einander näher bringen, wobei auf Rentabilität in erster Linie Rücksicht zu nehmen sei. Die Fortsetzung der Linie Eyach-Stetten über Rangendingen nach Hechingen wäre zweifellos viel rentabler als über Grosselfingen, auch in der Anlage kürzer und billiger. Ob die Bahn über Grosselhngen oder über Rangendingen gebaut wird, mögen die Fachleute mit Rücksicht auf die Terrainverhältnisse entscheiden. Der kürzere Weg über Rangendingen scheint aber trotzdem der vorteilhaftere zu sein. Wenn nun doch die zu erwar-tende Frequenz der Bahn durch die Anwohner den Aus-schlag geben soll, so reicht Grosselfingen nicht an Rangen-dingen mit s nem Gewerbefleiß und mit seinen verfüg-baren Arbeitskräften heran. Der Eifer der Grosse.1 nger an die Bahn angeschlossen zu werden, schien den Rangen-dingern zwar begreiflich, würden es aber bedauern, wenn sich eine Gemeinde gegen die andere in der Bahnfrage aus zuspielen versuchte. Auch Rangendingen bekundet seine Bereitschaft für die Bahn die Opfer zu bringen, dies es kann, wenn sie zu dem zu erwarteten Nutzen im rechten Verhältnis steht und mehr tut Grosselfingen auch nicht. „Wenn man aber Rangendingen mit einem Bahnhof beim Stauffenberger Hof beglücken will, so danken wir bestens.

Wir begrüßen nicht alles was zur Entscheidung führen kann, sondern nur, was e '.e glückliche, vernünftige und darum allseitig befr ' digende Losung bringt." Auch von neutraler Seite wurde zu dem Projekt Grosseliingen Stel-lung genommen. Nach ihrer Meinung hat Grosselfingen unter Anpreisung so vieler geeigneter Gegenstände, die nur t i ier Bahn harren, um den Geldstrom über Grossel-fingen zu ieiten, aufs wärmste empfohlen, daß man sich erstaunt fragen muß, weshalb denn nicht die nahegelegene Station Bisingen schon jetzt benutzt wird. Der Gedanke, die Bahnlinie noch über Weilheim laufen zu lassen, hieße doch mit der Kirche ums Dorf zu gehen. Soll die Bahn mög-lichst Hohenzollern zugute kommen und ein rascher An-schluß an die Killertalbahn genommen werden, so wäre die Richtung über Rangendingen auf jeden Fall vorzu-ziehen, Die Befürchtung, daß daselbst der Erwerb der nötigen Grundstücke zu teaer würde, .st grundlos, da die Linie bis Stein am Waldrand entlang geführt werden könnte.

Im November 1903 wurde hier ein Komitee für die Ein-leitung der zum Bau einer Kleinbahn Stetten-Rangendin-gen-Hechingen nötigen Schritte, bestehend aus Bürgermei-ster Georg Strobel, den Bürgern Johann Elickle, Müller,

Barth, Strobel, Kaufmann, Georg Wild, Maurer, Felix Heck, Bauunternehmer, und Martin Strobel, Landwirt, gebildet. Dieses Komitee veranstaltete im Gasthof zum „Kaiser" eine Eisenbahnversammlung. Die große Zahl der Teilnehmer war ein Beweis für das beachtenswerte Inter-esse, das Rangendingen an einer Bahn hatte. Auch Bürger von Har t , Höfendorf und Bietenhausen, ferner die Bür-germeister von Stein, Grosselfi- gen, Bechtoldsweiler und der Schultheiß von Hirrlingen mit einigen Begleitern wa-ren erschienen. Der Kommunallandtagsabgeordnete Bür-germeister Kraus, Bechtoldsweiler, referierte über die Ge-schichte der hohenzollerischen Kleinbahnen und zeigte die Hindernisse auf, die zu überwinden wären, um zu einer vernünftigen Lösung der Eisenbahnfrage Stetten-Hechin-gen unter Zurückstellung unerfüllbarer Sonderwünsche zu kommen. Pfarrer Witz erläuterte, die vom Komitee fest-gelegten und zu verfolgenden Ziele und wies auf die Not-wendigkeit hin, für den schönen Gedanken der Herstel-lung einer einheitlichen hohenzollerischen Kleinbahn die nötigen Oofer nicht zu scheuen, auch wenn Sonderinter-essen einzelner Gemeinden nicht berücksichtigt werden könnten.

Nachdem in Hohenzollern die Strecken Eyach-Stetten und die Killertalbahn Hecbingen-Burladmgen fertigge-stellt waren, stellte sich c : Aufgabe, c ':sen Bahnen einen Anschluß zu verschaffen. Dieses Bauvorhaben stieß aber auf allerlei Hindernisse, wie das Gelände oder der Wider-stand oder das Nichtentgegenkommen der Bewohner ein-zelner Ortschaften, weil sie fürchteten einen Streifen Land zu verlieren, ja am Ende gar noch einen Zuschuß zahlen zu müssen. Die verschiedensten Meinungen und Interessen spielten bei der Planung und Verwirklichung der Bahn-strecke Stetten bei Haigerloch-Hechingen eine Rolle. Viele sahen im Personenverkehr, n Anschluß des Dorfes an die Stadt, die Hauptbedeutung einer Bahnverbindung und meinten, wer in die Stadt will, kann ja wie bisher zu Fuß gehen, wobei übersehen wurde, daß durch die Erleich-terung eines billigen Personenverkehrs die Beweglichkeit der arbeitenden Bevölkerung erhöht und daß die Tren-nung der Wohnsitze von den Arbeitsstätten durch den Bahnverkehr ermöglicht Vird. Daß aber oie Eisenbahn im Güter- und Warenverkehr eine verkehrssteigerr.de und preisregelnde Wirkung ausübt, die Entwicklung der Indu-strie fördert, neue Wirtschaftsräume, Absatzmärkte und Rohstoffquellen erschließt und deshalb von hoher volks-wirtschaftlicher, politischer und sozialer Bedeutung ist, kam im Streit kleinlicher Sonderinteressen einzelner Ge-meinden und Bevölkerungsgruppen im Raum Haigerloch-Hechingen kaum zum Ausdruck. Wenn Grosselfingen für den billigsten Bau und kürzesten Weg plädierte, aber mit ihrem Plan von Stetten bei Haigerloch-Owingen-Alte Mühie bei Ostdorf durch das Gießbachtal nach Grossel-iingen, hinter dem alten Berg nach Weilheim-Friedrich-straße-Hechingcn leidenschaftlich kämpfte, dann ging es an den Realitäten vorbei, und gab seiner Absicht, um jeden Preis an die Bahn zu kommen, kund.

Für die maßgebenden Stellen, die mit der Planung, Finan-zierung und Ausführung der Anscnlußstrecken beauftragt v/aren, galt das Ziel, die Hohenzollerische Landesbahn unter Berücksichtigung der Terrai.iverhältnisse und der Rentab 'J tä t fertigzustellen.

Bei der Planung der Anschlußstrecke Stetten-Hec ingen konnte Rangendingen als wirtschaftlich bedeutsamer Ort, in dem die Industrie bereits Fuß gefaßt hatte, über über-schüssige Arbeitskräfte verfügte und sich gewerblich gut entwickelt hatte, als Bahnstation nicht übergangen werden und zudem konnte die Bahn über Rangendingen auf der genannten Strecke auf dem kürzesten Weg, ohne nennens-

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werte Geländeschwierigkeiten überwinden zu müssen, ge-baut werden und für Hirrlingen blieb in seinem Nach-barort zu jeder Zeit die Möglichkeit offen, Bahnanschluß zu bekommen. Die von Har t , Höfendorf und Bietenhausen erstrebte Heranführung der Bahniinie an ihre Orte, die von Re-gierungspräsident Dr. Beizer gegen den Geheimen Baurat Leibbrand hartnäckig vertreten wurde, konnte der Mehr-kosten wegen nicht erfüllt werden und hätten den Bahn-bau verzögert.

Für Rangendingen als Bahnstation waren z w c Projekte ausgearb tet worden, nach dem einen sollte die Bahn-linie südlich um den Or t geführt werden, nach dem anderen sollte diese in nördlicher Richtung um den Or t verlaufen. Im Jahre 1911 machte si '1 unter den hiesigen Landwirten und den Anwohnern der Starzel gegen das Nordprojekt eine große Unzufriedenheit bemerkbar. Ihren Protest begründeten sie rr. t folgenden Feststellun-gen: „Eine nach ciiesem Projekt ausgeführte Bahnlinie wird im Falle einer Überschwemmung die Gefahr für das Dorf erhöhen, da sie (u.'e Bahn) den freien Abzug des Wassers verhindert. Sie würde der Landwirtschaft gerade die schönsten Grundstücke entz ehen und außerdem in Arbeitszeiten den landwirtschaftlichen Betrieb bedeutend stören, da sie über sämtliche drei Hauptwege, wcche die Verbindung zu den Feldern herstellen, führt . Wer schon die langen Reihen von Wagen gesehen hat, der kann siui vorstellen, welche Ungelegenheiten und Störungen c :ese Bahnlinie verursachen wird! Die Stimmung, welche hier herrscht, kam in den letzten Tagen m zwei Eingaben mit vielen Bittschriften zum Ausdruck, worin uie Königliche Regierung ersucht wird, die zuerst projektierte südliche Richtung zur Ausfuhrung zu bringen, wobei alle die ge-nannten Nachteile wegfallen. Ein Laie kann sIcK schwer vorstellen, welches Interesse ^leßahnbaugesellschaft daran hat, die Bahr -n ie mitten durch ein Überschwemmungsge-biet zu führen, wobei noch zwei wr ; :ere Brücken not-wendig werden."

Da das Landesbauamt die Wünsche der Rangendinger Be-völkerung, die Bahn in südlicher R'chtung zu bauen, unbe-rücks . gt ließ, wandten sie S'ch mit der Bitte an den Minister ; ßer ' in, die Bahnbaufrage noch einmal zu über-prüfen. Vierfünftei der Bürgerschaft des Dorfes wehrten sich mir allen nur verfügbaren Mitteln gegen die nördliche Linienführung mit folgender Begründung: Der Bahndamm erhöht die Hochwassergefahr zum Schaden des Dorfes, weil er den freien Abzug der Wasserfluten in das Wiesen-gelände der Au hemmt, ferner beeinträchtigt er den land-wirtschaftlichen Verkehr und durchschneidet die besten Äcker und W esen. Die folgenschwere Hochwasserkata-strophe im Mai 1924 hat gezeigt, daß die Rangendinger mit ihrem Einspruch in punkto Hochwassergefahr die Si-tuation durchaus richtig erkannt hatten.

Das Südprojekt war durch m i.iderertragreiches Gelände geplant, welche zum Teil Gemeindeeigentum war. welches im Ankauf viel billiger war und die Landwirtschaft nicht spürbar beeinträchtigte, weshalb unsere Bürgerschaft sich für die südliche Linienführung einsetzte. Geheimer Baurat Leibbrand wurde der Vorwurf gemacht, er habe die ört-lichen Verhältnisse zu wenig beiücksichtigt und versucht, der Gemeindevertretung die Bewilligung des Areals für die Norubahn in diplomatischer Weise abzuringen. Hier-auf entgegnete die Hohenzollerische Landesbahn AG, daß von einem diplomatischen Abringen der Bewilligung des Areals für die nördliche Linienführung der Bahn keine Rede sei. Es sei zu beachten, daß für die Nordlinie ebenso wie für die Südlinie genaue Erhebungen über den Wert der Grundstücke gemacht wurden und dabei sei festgestellt

worden, daß die Grunderwerbskosten auf beiden Linien deshalb gleich seien, weil für das Südprojekt unverhältnis-mäßig größere Flächen erforderlich wären als für das Nordprojekt . Letzteres führe auf ganz niederen Dämmen mit wenig . efen Einsch „tten durch das teuere Geiände, was zur Folge habe, daß nur e- e geringe Breite für die Bahn erfordert h sei, dte' Südlinie aber müsse fast durch-weg auf 1 5 zu 9 Meter hohen Dämmen und bis zu 9 Meter tiefe Einschnitte geführt werden, so daß die vier- bis fünffache Breite des Areals auf lange Strecken erforder-lich sei. Außerdem müßte bei der Südlinie die Ziegelhutte erworben oder eine erhebliciie Minderentschädigung an den Be-itzer bezahlt werden. Diese Verhältnisse seien den Bürgerkollegien an Hand der Pläne und Berechnungen unter Angabe der zu bezahlenden Grunderwerbspreise eingehend erörtert worden. Für die Nordlinie seien die Bau und Grunderwerbskosten niederer und zudem bliebe bei der Nord1 nie ein Anschluß nach Rottenburg möglich.

Außerdem sei der Bahnhof bei der Nordi;nie viel besser zugängig. Der Anschluß von Fabriken auf der Südlinie wäre ausgeschlossen, weil diESS über hohe Dämme und iefe Einschnitte geführt werden müßte. Ebenso würden

die Zugänge zu den landwirtschaf .liehen Grundstücken jenseits der Südii".e wesentlich erschwert. Der Ankauf der Grundstücke für die Südlinie sei zwar rund 2000 Mark b'lliger. dagegen aber wären 6000 t 8000 M Entschädi-gungen an Gebäudebesitzer zu zahlen, so daß sich die Mehrkosten für den Grunderwerb auf 4000 bis 6000 M beliefen. Trotzdem vertraten di-: kangenc Inger leiden-schaftlich und mit allem Nachdruck I iren Standpunkt, die Süd)¡nie zu bevorzugen. Hierbei führten sie ins Feld, daß der Präsident der Kleinbahn AG. in Frankfurt ganz außer sich war, als Leibbrand für die Nordlinie plädierte und ausgerufen haben soll: „Die Nordl- i ie st undurchführ-bar, sonst müßte infolge des Bahndammes das Dorf bei Hochwasser ersaufen."

Große Enttäuschung löste d.e Nachricht aus, daß der Mi-nister als letzte Instanz, die südliche Führung der Eisen-bahn abwies. Dagegen entsprach derselbe dem Wunsche der Bevölkerung, anstelle von zwei Rohrdurcnlässen, die die Gemeinde nicht für genügend erachtete, um das zwi-schen Bahndamm und Starzel gelegene Gelände schnell zu entwässern, zwei Flutbrücken mit 6 Meter Lichtwe : in den Eisenbahndamm einzubauen.

Nach langwierigen und zähen Verhandlungen zwischen den amtlichen Stellen und den Bürgern der einzelnen Ge-meinden waren nun endlich aile Hindernisse aus dem Weg geräumt und so konnte im Jahre 1911 mit dem Ausbau der Strecke Stetten bei Haigerloch-Hechii.gen n der Jetzigen L inienführung begonnen werden. Trotz aller Ein-wände gegen die nördliche Route bestand in Rangendin-gen, insbesondere in den Familien, die auf auswärtige Ver-dienstmöglichkeiten angewiesen waren, großes Interesse. Ein damaliger Gemeinderat befürwortete den Bahnoau mit den Worten: ,,D' Eisebah muaß hear ond wenn se dur(ch) mei Stub' dur(ch) fährt ."

M t dem Bahnbau kam Leben ins Dorf. Zahlreiche ita-lienische Gastarbeiter, d'e in Privatquartieren unterge-bracht waren, lenkten besonders die Aufmerksamken der Kinder auf sich. Wie sehr wir auch zunächst die Fremd-lander bestaunten, mußten wir doch bald erkennen, daß sie Menschen waren wie wir. Wenn sie an Feierabenden oder sonntags gruppenweise durch das Dorf zogen und in ihrer Sprache Lieder ihrer Heimat sangen, freuten wir uns an den temperamentvollen Weisen, welche teilweise Jugendliche unseres Dorfes übernommen hatten und solche noch lange nach dem Bahnbau in geselliger Unterhaltung in hiesigen Wirtschaften zu Gehör brachten. Während des

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Bahnbaus herrschte in einer Kantine im Haigerlocher Weg, die von der früheren Zoller- und späteren Bahnhofwirtin betreut wurde, aber auch in allen Gaststätten des Dorfes, reges Leben. Auf den Baustellen gab es für die Dorf-kinder viel Neues zu sehen und zu erleben. Am Sonntag, wenn der Bahnbaubetrieb ruhte, lockte uns das Baugelände auf den Plan. Es machte den Dorfbuben großes Ver-gnügen, sich an den abgestellten Loren zu schaffen zu machen und auf diesen verbotener Weise auf den ausge-legten Geleisen zu fahren, wobei es nicht zu vermeiden war, daß die eine oder andere aus den Schienen sprang, aber an abschüssigen Stellen auf der Au verstanden wir es schon ganz gut mit dem Bremsprügel die Rollwagen zum Stehen zu bringen oder sie mit „Hauruck" wieder in die Geleise zu wuchten. Glücklicherweise kam keiner von uns waghalsigen Jungen bei unseren Fahrten zu Schaden.

tingent der täglichen Fahrgäste stellte, war der tägliche Fahrbetrieb, obwohl zur Gewohnheit geworden, doch nicht ohne besondere Reize. Da wir uns von zu Hause weg freier und unbeschwerter fühlten und zu mancher Ausgelassenheit neigten, konnten wir uns doch dem stren-gen Auge des Schaffners nicht entziehen und wenn es im Schülerabteil manchmal zu laut herging, brachte uns der-selbe durch seine saure Amtsmine mit einem nicht gerade schmeichelnden Ohrzupfen oder mit seinem harten Billet-kasten, besonders aber mit der Drohung, die Sünder dem Stationsvorsteher in Hechingen zur Rüge vorzuführen oder gar Anzeige bei der betreffenden Lehranstalt zu er-statten, zu einem geordneten Verhalten. Mit dem Mann mit der roten Mütze und dem steifen Kinnbart, der ihn noch strenger zeichnete, wollten wir es als Repräsen-tationsperson am Hechinger Bahnhof keineswegs ver-

A n k u n f t des ersten Zuges in Haigerloch

Außer einem Unglücksfall, der sich beim Bau der Bruck-bachbrücke, als eine Lore in den Pfeilerschacht abstürzte, wobei ein hiesiger Bürger verletzt wurde, verlief der Bau ohne folgenschwere Unglücksfälle. Mit der Inbetriebnahme der Bahn schlug dem täglich von Haigerloch nach Hechingen und zurückverkehrenden Post-wagen sein letztes Stündlein. Die Postillonsromantik, die so treffend in Lenaus Gedicht „Der Postillon" zum Aus-druck kommt, wirkt tief und nachhaltig als Erinnerung in uns weiter. Der Klang des Posthorns und der H u f -schlag der Pferde verrieten schon vom Langen Zug her die Ankunf t des Postgefährts. In das friedliche und ein-fache Leben unseres Dorfes hatte sich nun das Ki ;inbähnle eingeschlichen, gleichsam als wollte es seine Bewohner zu einem neuen Lebensrhythmus, zum Beginn eines neuen Zeitalters erwecken. Der Bahnbau 1911/12 war für unser Dorf von unschätz-barer verkehrstechnischer und wirtschaftlicher Bedeutung. Außer Hechingen wurden durch sie weitere auswärtige Industrieorte für immer mehr Auspendler erschlossen. Die regelmäßig verkehrenden Arbeiterzüge brachten Jahr-zehnte den Großteil der Arbeiterschaft unseres Dorfes einschließlich Lehrlingen und Schülern zu und von ihren Arbeitsplätzen und Ausbildungsstätten. Für uns Schüler von hier und auswärts, die ein nicht unbedeutendes Kon-

derben, denn während der Wartezeiten waren wir froh, wenn wir .<n Wartesaal Unterschlupf finden konnten. Auch im Güter- und Warenverkehr erfüllte unser Bähnle bis heute seine Aufgabe. Zur Zeit überwiegt der Trans-port der langen Güterzüge mit Salzwagen von Stetten bei Haigerloch und der vielen Spezialwagen mit Roh-eisen ins Hüttenwerk Laucherthal den übrigen Bahnver-kehr. Der Eröffnungstag, der 24. Dezember 1912, ist den älte-ren Dorfbewohnern, die damals noch die Schulbank drück-ten und mit der Lehrerschaft das erste Zügle auf der Strecke Hechingen-Stetten bei Haigerloch mit Vertretern der Staats-, Kommunal- und Eisenbahnverwaltung auf dem hiesigen Bahnhof begrüßen durften und nachher von der Gemeinde mit Wurst und Brot beschenkt wurden, noch lebhaft in Erinnerung. Durch die weitgehende Zurückverlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße muß unsere Landesbahn unterschiedlich starke Einbußen im Gesamtverkehr hin-nehmen, wird sich aber, so hoffen wir zuversichtlich, trotz-dem als wichtiges Verkehrsunternehmen weiter behaup-ten können. Unser Bähnle ist aus unserem Lebens- und Wirtschaftsbereich nicht mehr wegzudenken. Was mühsam erkämpft und geschaffen wurde, möge sich auch in der Zukunft erhalten.

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LEOPOLD BAUSINGER

Von alten Haigerlocher Meistern

Die nachfolgenden Zeilen schrieb der Verfasser - als er Bürgermeister von Haigerloch war - im Jahre 1931

Alljährlich am Kirchweihmontag findet in der schönen, wildromantischen Eyachstadt Haigerloch in Hohenzollern alter Sitte gemäß der sogenannte „Handwerkerjahrtag" statt. Die Entstehung dieses Tages geht in die Zeit zu-rück, in der das Zunftwesen in Deutschland aufgehoben und die Gewerbefreiheit eingeführt wurde. Wenn wir nachher sehen werden, wie sehr die Haigerlocher Hand-werker von echtem, strengem Zunftgeist beseelt waren, wie jede Zunft ihre genau beobachteten, geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze hatte, wie die einzelnen Zünfte das Jahr hindurch ihre Zusammenkünfte hatten, die mehr oder weniger in einem ehrbaren Trünke endeten, so kön-nen wir verstehen, daß es die damaligen Meister schwer ankam, alte und festeingewurzelte Überlieferungen und Gewohnheiten sang- und klanglos preiszugeben. Und als damals das Zunftwesen endgültig begraben werden sollte, ja mußte, da vereinigten sich die Ha.gerlocher Hand-werker, und sie beschlossen, einmal im Jahre alter Sitte und bisherigem Brauche gemäß zusammen zu kommen, um die Erinnerung an das begrabene Zunftwesen in etwa wachzuhalten. So entstand der „Handwerkerjahrtag" in Haigerloch, der für jeden rechten Meister und Gesellen als ein Lokalfeiertag gilt.

Wie schon die alten Zünfte stark religiös eingestellt waren, und wie auch die alten Meister :hr Tagwerk „in Gott's Namen" begannen, so geben die Haigerlocher am Hand-werkerjahrtag zunächst Gott die Ehre durch gemeinsamen Besuch des Gottesdienstes, der den verstorbenen Meistern geopfert ist. Anschließend hieran erfolgt unter Mus1 k und unter Vorantritt der noch vorhandenen alten Zunftfahne geschlossener Abmarsch in einen Gasthof. Dort werden die im Laufe des Jahres angefallenen geschäftlichen Ange-legenheiten erledigt, es wird in ernstem Gedenken der verstorbenen Meister gedacht, in frohem und fröhlichem Beisammensein wird beraten und getagt, gesungen und ge-scherzt, so wie es alter Handwerkerbrauch ist. Und wie schon Hans Sachs so treffend gesungen hat: „Ehrt Eure deutschen Meister, dann bannt Ihr gute Ge rer", so wer-den auch am Handwerkerjahrtag " sveils die alten und verdienten Meister durch Geschenk und Ansprache be-sonders geehrt. Stolz und leuchtenden Auges sitzen sie da, die alten und weißbärtigen Männer von 70, 80 und mehr Jahren, und man sieht es ihnen an, wie wohl es hnen tut, nochmals in ihren alten Tagen im Kreise Gleichgesinn-ter zu se'n und dort zu erzählen von einstigen Zei en, von einstigem Schaffen und Wirken, von Leid und Freud im Berufe. Und es ist gut, daß solche Bräuche auch in der „modernen" Zeit beibehalten werden, denn sie bilden den Boden der Freundschaft und des Frohr ins, und es darf mit Sicherheit angenommen werden, daß auf diesem Bo-den nur gute Saat aufgeht, .de in dieser oder jener Form Frucht b* igen wird.

Haigerloch als ehemalige Res ienz- und Oberamtsstadt bildete von ,eher den wirtschaftlichen Mittelpunkt des ganzen Bezirkes. Und wie in anderen Fürstenstädten so hatten Handwerk und Gewerbe auch in Haigerloch von jeher >hren Hauptsitz. Wir finden daher schon frühzeitig einen guten und in den einzelnen Zünften zusammen-

geschlossenen Handwerkerstand in Haigerloch. Nicht ganz einfach und nicht jedem Handwerker war es gestattet, in Haigerloch ein Handwerk zu betreiben. Hierzu war vor allem erforderlich, daß er „Bürger" war. Der fremde oder gar ausländische Handwerker - und das war bei den damaligen süddeutschen Staatenverhältnissen keine Sel-tenheit - wurde n der Regel zur Ausübung se'nes Berufes nicht zugelassen. Das war streng befolgtes Zunftrecht, von dem nur selten Ausnahmen zugelassen wurden. N u r die „Liebe" konnte manchmal die Herren Stadtväter sanfter und nachgiebiger stimmen, wobei allerdings der Hinter-gedanke eine recht beachtliche Rolle spielte, eine Haiger-locher Bürgerstochter an den Mann zu bringen. Hieraus folgt aber, daß die Meister in hohem Ansehen gestanden sein mußten, was auch daraus hervorgeht, daß im Jahre 1721 die Tochter des Stadtschultheißen einen Barbier-gesellen heiratete, der, trotzdem er „Ausländer" war, aus besonderer Reflektion gegen den Herrn Stadtschultheißen und seine Tochter in Haigerloch aufgenommen wurde. Und ein Tiroler Flor- und Seidenwarenhändler heiratete gar die Tochter des Ratsschreibers und Oberamtmanns. So hatte also damals, wie schon so of t im Leben, die „Liebe" gesiegt, sicherlich nicht zum Nachteil der Haiger-locher Schönen. Wenn man heute die Haigerlocher Hei-ratsregister durchblättert, so möchte man wünschen, daß auch heute wieder manche „Ausländer" oder „Fremde" nach Haigerloch kommen möchten, um sich dort eine Le-bensgefährtin auszuwählen. Sie dürften überzeugt sein, daß auch die heutigen Stadtväter ebenso nachsichtig sein und jeden rechtschaffenen Fremden gerne als „Haiger-locher Bürger" aufnehmen werden.

Kein Zweifel, daß das Handwerk in Haigerloch durch den gewesenen Grafen- und Fürstenhof manche Anregung und Belebung erfuhr; das beweist schon ein Rundgang durch die Stadt mit ihren vielen, aiten Bau- und Kunstdenk-mälern. Und mir will scheinen, daß die Regierungszeit des kunstsinnigen und frommen Fürsten Josef zugleich auch die Blütezeit Haigerlochs gewesen sei. Damals, um die Mitte des 18. Jahrhunderts, war das Dre gestirn: Großbayer, der Baumeister, Weckenmann, der \ ldhauer , und Meinrad von Ow, der Maler, schaffend und sinnend am Werke, wovon noch heute die herrliche, kühn auf einen Felsen hingebaute Schloßkirche, die prächtige und liebliche St. Annakirche, der Nepomuksbrunnen auf dem Markt-platz, der Gasthof zum „Schwanen" mit seinem mäch-tigen reliefgeschmückten Giebel und dem schönen Barock-eingang, das Großbayernaus, der Aufsatz auf dem Rö-merturm u. a. zeugen. Es war damals eine Glanzperiode künstlerischen and handwerklichen Schaffens und Wii-kens, und zweifellos hat das hei rnsche Handwerk aus jener „Meisterzeit" manche Anregung erhalten, die lange befruchtend wirkte.

Kehren wir nochmals kurz zum Zunftwesen zurück. Wie in den me ; ten Städten bildete auch Ii Haigerloch die Metzgerzunft eine der vornehmsten und reichsten. Die Metzger in Haigerloch gehörten meist ein und derselben Familie Lenz an, von der P. Ansgar PÖilmann schreibt: „Wer mit aufmerksamen Augen die Stammbäume über-sieht, der wird gestehen müssen, daß es sich hier um ein

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klassisches Beispiel von Zuchtwahl handelt. Diese zwei-hundertjährige Metzgerdynastie Lenz weist ein Rasse-gefühl auf, wie kaum ein ältestes Adelsgeschlecht. Sie beginnt in den Tagen des fürstlichen Glanzes einer ihrer ganzen Anlage nach auf Inzucht gestellten Kleinstadt und verschafft sich durch einen prachtvollen, zielbewußten Fa-milienklüngei eine allumfassende Hausmacht. Diese Metz-ger und Metzgersöhne sind im Laufe von ein paar Jahr-zehnten im Besitze fast aller "VC rtshäuser Haigerlochs oder beherrschen doch deren geschäftliches Leben durch ihre Gevatterschaft. Und ^ i e diese Lenz wußten, daß si: mit der Hausmacht auch ein Schicksal, ein Fatum auf-stellen, das hinauf, aber auch eines Tages wieder hinab führen mußte! Heute noch läuft das Sprichwort: „D'Zeit zwingt d'Leut, sagt der Metzgerjergle." Der Metzger-.rgle war der Großvater des P. Desiderius Lenz und

stand an der Glückswende seiner Familie: zu seiner Zeit starb Andreas III . im Armenhaus und andere folgten, aber keiner hatte das Bewußtsein verloren, einer einst mächtigen Familie angehört zu haben. Der „Metzger-stolz" ist sprichwörtlich. Eines blieb den Mitglie lern der Familie Lenz bis ins letzte Glied treu, sicher als Lohn für die Beobachtung des 4. Gebotes: eine unverwüstliche Le-benskraft, die das 80. und 90. Lebensjahr als eine ge-wöhn che Erscheinung r it sich bringt.

Aus dieser Metzgerdynastie ging, wie schon vorher angedeutet, der große Malermönch und Begründer der weltbekannten Beuroner Kunstschule, Pater Desi-derius Lenz, der im Alter von 96 Jahren vor drei Jahren als Ehrenbürger der Stadt Haigerloch verstorben ist, her-vor. Seltsam aber: dieser Große steht am Ende seines Geschlechts, gleichsam als weithin leuchtender Stern und alle seine Ahnen himmelhoch überragend. Und mit ihm, dem greisen Malermönch, gingen die Lenz „leuchtend nieder". Die ganze Geschichte der Metzgerdynastie erweist sich, wie P. Pöllmann schreibt, nur als eine Vorbereitung auf diesen Einzigen, die Basis der Grundpfeiler der

Desiderianischen Kunst aber ist vor mehr als 250 Jahren am Anfang der Geschichte der Metzgerdynastie deutlich erkennbar.

Altes und Ehrwürdiges aber, das wollen wir uns einge-stehen, auch manch Unerfreuliches ist längst verschwun-den. Eine neue Ze.. ist auch für den Handwerkerstand herangebrochen, die Maschine verdrängte nicht nur den Menschen, sondern vielfach auch den Geist, und für jene von uns an den alten Meistern so bewunderte Handarbeit mit ihrer starken Prägung des Persönlichen bietet sich heute kaum noch Raum, wo alles und jedes bald abgestellt ist auf einen „Typ", auf „moderne Sachlichkeit", wo es darauf ankommt, möglichst in drei Schichten des Tages in je 8 mal 60 Minuten am fließenden Band rasch und (viel zu erzeugen. Kein Wunder, daß viele und manche von den Alten, die sich nicht umzustellen vermögen, -sicherlich nicht die schlechtesten - zurückbleiben und unter-gehen, daß ganze Berufe verschwinden. So sind auch in Haigerloch ehemalige in hoher Blüte gestandene Hand-werkerberufe ausgestorben, und heute gibt es weder Tuch-weber, noch Seifensieder, noch Goldschmiede, noch „Pitschierstecher" (Stempel- bzw. Siegelverfertiger), noch Färber, Walker, Nagelschmiede, Siebmacher u. a. Für sie alle hat die heutige Zeit keinen Raum mehr, die Maschine verfertigt deren Erzeugnisse viel rascher und billiger. -Gleichwohl aber ist in Haigerloch auch heute noch em gesunder und leistungsfähiger Handwerkerstand vorhan-den, der in neuer Z ;it mit neuem Werkzeug und mit neuen Formen, jedoch im guten, alten Geiste wirkt und schafft, und zwar in einer schönen, romantischen Stadt, aus deren Mauern noch die gute, alte Zeit auf Schritt und Trit t den Beschauer grüßt. Und wer im Schloßhofe oder im idylli-schen Kirchgarten zu St. Anna zu lauschen versteht, der wird die Sprache einer großen und kunstreichen Vergan-genheit, an der das Handwerk nicht geringen Anteil hat, ebenso wahrnehmen, wie in den engen Straßen und Gas-sen und verträumten Winkeln der Stadt.

H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T

herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat -lichen Sdiulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Ver lag: Hohenzollerischer Geschichtsvercin 748 Sigmaringen, Kar ls t raße 3. Drude: M. Lieh-ners Hofbuchdruckerei KG, 748 Sigmaringen, Kar ls t raße 10.

Die Zeltschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will be-sonders die Bevölkerung in Hohenzol ler r n i t der Geschichte ihrer He imat ver t rau t machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beitrage aus der Geschichte unseres Landes Sie veröffentl icht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen.

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich Konten der „Hohenzollerischen H e i m a t " : 802 507 Hohenz . Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stut tgar t

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Wir bitten unsere Leser, die „Hohenzollerische H e i m a t " weiter zu empfehlen.

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H Ö H E N Z O L L E R I S C H E

HEIMAT W 3828 F

21. Jahrgang 1971 Nr. 4

Herausgegeben oom

Hohenzollerifchen Gelchichtooerein

in Verbinöung mit öen

Staatlichen Schulänitern Hechingen

unö Signiaringcn

E I N G U O T SELIG IOR, |

wie dieser Einblattdruck aus der Frühe der Druckerkunst im 15. Jahrhundert, wünscht die Hohenzollerische Heimat allen ihren Lesern. Das Chr.istuskind aus der mystischen Rose, ein damals oft gebrauchtes Motiv, soll unsere guten Wünsche zu Weihnachten und zum guten neuen Jahr zusammenfassen. Wir meinen, daß wir der Aufmunterung, Besinnung und guten Wünsche um diese Jahreszeit so sehr bedürfen wie die Generationen zuvor ihrer bedurft haben.

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JOSEF MÜHLEB A C H

Vom winterlichen Brauchtum auf dem Lande

Das ehemalige Brauchtum ist zum großen Teil ein Opfer des heutigen Industr .-Zeitalters geworden, das will sa-gen, daß in der sogenannten Wohlstandsgesellschaft von heute das einstige Brauchtum auf dem Lande keinen Platz mehr hat oder höchstens nur noch recht bescheiden ge-pflegt wird. Jahrhundertealte Gebräuche hatten in der einfachen, bescheidenen und geruhsamen Lebensweise der Altvordern ihren Grund. Mit der Technisierung und dem Wohlstand sind Wesen und Gehalt des Brauchtums ver-gessen worden und verloren gegangen. Es ist deshalb ge-wiß reizvoll, am Bf spiel des Dorfes Hausen am Andels-bach eine kleine Schau auf das einstige Brauchtum, wie es im W iter in Erscheinung trat, zu versuchen. Am Anfang des Winters stand früher für die Jugend der Klosentag als der höchste Freudentag des Jahres. Es war für die Kinder das Hochfest des Jahres; im Rang und in der Bewertung überragte der Nikolaustag Weihnachten, zumal man früher das große Schenken zu Weihnachten nicht kannte. Der Klosentag hat die ganze Jugend in sei-nen Bann gezogen. Schon beim ersten Flockenfall Ende November oder Anfang Dezember sangen die Kinder be-geistert: „Es schneit, es schneit, daß Fetze geit, dr Santiklos ist nimme weit." Dem Klosentag aber gingen die Kinder erregenden, geheimnisumwitterten Vorbereitungen für das Schenken voraus. Da war - nach Beendigung der herbstlichen Feldarbeiten - der lockende Martin Markt im benachbarten Städtchen. Dort gab es - das wußten die Kinder - in Fülle und reicher Auswahl schon all die be-gehrten Dinge, die zum Klosentag gehörten. Der Martini-Markt war eben schon ein verheißungsvoller Künder und Vorbote des Nikolaustages.Und wenn es dann so weit war, stellten die Kinder am Abend vor dem Klosentag, bevor sie ins Bett gingen, einen leeren Teller auf dem Eß-platz am Famii'°ntisch bereit. Am folgenden Morgen war der Teller vom Nikolaus gefüllt mit Lebzelta (Lebku-chen), die mit dem Nikolauslied verziert waren, mit Walnüssen, Äpfeln und nützlichen Beigaben. Dieses nächt-liche Geschenk gab es in jedem Haus, während der Be-such des gestrengen und trotz seiner Nachsicht wegen der Ruten etwas gefürchteten St. Nikolaus nicht jede Familie mit Kindern erreichte. Zur Freude der Kinder erfuhr der Festtag noch eine Steigerung, als der Götte und die Gotta ihren Patenkindern Geschenke ins Haus brachten oder bringen ließen. Da gab es vielerlei nützliche Dinge, die jedes Kinderherz erfreuten: farbige Taschentücher, viel-leicht eine Gnffellade, eine Schieferschreibtafel, Strümpfe, ein Taschenmesser oder eine Mundharmonika für die Bu-ben, Schürzen und ein Halsband für die Mädchen, wohl auch ein Spielzeug für gemeinsame Spiele an den langen Winterabenden, einfach alles, was Kinderglückseiigkeit ausmachte. Konnte man es den Kindern verdenken, daß sie den Ni olaustag höher schätzten als Weihnachten? An Weihnachten stand früher und steht heute noch der Christbaum im Blickpunkt des Interesses jeder Familie, vor allem aber der Kinder. Er wurde geschmückt mit far-bigen Glaskugeln, Engelsfiguren aus Wachs, „vergoldeten" oder „silbernen" Nüssen und Tannenzapfen, mit kleinen Lebkuchen, Marzipanstücken in spielerischen Figuren, glä-sernen Eiszapfen und Springerle. All dies bunte Schmuck-werk ist in neuerer Zeit den Glaskugeln gewichen. Die Weinnachtskrippe unter dem Ch stbaum war einstens nur mit einigen Krippenfiguren angedeutet. Heute ist die vielfach selbst gebastelte Krippe in den Vordergrund der

wtihnachthchen Schau ;n der Bauernstube getreten. Als wohl die schönste und wichtigste Schau in der Weihnachts-zeit bot aber in der Kirche die Krippe mit der heiligen Familie im Stall inmitten der gebirgigen bethlehemitischen Landschaft mit Ochs und Eselein, Hirten, Schafen, Ge-birgspfaden und Grotten. Immer wieder zog es die Kin-der vor d Krippe zu bewunderndem Anschauen, beson-ders wenn dann noch die heiligen Dreikönige das Weih-nachtsbild vervollständigten. Als „Gutsjahr" erhielten an Neujahr die Paten der Kin-der als Gegengabe für die Geschenke zum Klosentag von den Eltern der Patenkinder einen großen Brotring aus blühweißem Weizenmehl. Das würzige Birnenbrot, auch Hutzelbrot genannt, war in der Weihnachtszeit eine bei der ganzen Familie beliebte Beigabe zum Morgenkaffee und zum Abendessen. In der Silvesternacht, wenn ein dröhnender Böllerschuß den Beginn des neuen Jahres angezeigt hatte, zog eine Gruppe sangsfreudiger junger Männer durch das Dorf, um den Bewohnern, vorab dem Pfarrer, Bürgermeister und Lehrer das Neujahr anzusingen. Das in langer Tra-dition von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gesungene Lied hatte folgenden Wortlaut:

Ob das alte manche Sorgen, manchen Kummer euch gebar, grüßt euch froh der erste Morgen in das neue Lebensjahr. Schaffet Mut im Geiste milder, froher, schöner Zukunftsbilder. Eine bessere Zeit wird lachen unter des Allmächtigen Wachen. Wir wünschen euch fröhliche Zeit und einst das himmlische Reich. Wir wünschen guten Morgen das Neujahr euch an. Ein Jahr ist vorüber, kaum denkt man daran. So kommen die Jahre heran, bis der Tod klopft bei uns an. So kommen die Jahre und ziehen dahin. Und wie sie verwelken und wie sie verblühn, und wie alljährlich fallet das Laub, so zerfallen wir alle zu Staub. Dem Lied fügen die Sänger denNeujahrswunsch an: A guets neus Jahr!

Am Tag vor dem Dreikönigfest zog eine j igendliche Gruppe in morgenländischem H a t ' mit dem Dreikönigs-stern auf der Spitze eines Stabes durch das Dorf von Haus zu Haus, um gegen eine bescheidene Gabe der be-suchten Familien das Dreikönigfest mit folgenden Versen anzusagen:

T'ie heiligen Dreikönig mit ihrem Stern, sie suchen das Kindlem und hätten es gern. Sie kamen vor Herodes' Haus, Herodes schaut zum Fenster heraus. Ach Gott, ach Gott, der H " tere ist schwarz. Ja, er ist schwarz, er ist wohlbekannt, es ist Kaspar, König aus dem Mohrenland. So gib mir doch die rechte Hand. Die rechte Hand , die geb' ich dir r :cht, du bist Herodes, wir trauen dir nicht, Dann kamen sie vors Hüttelein und fanden das Kind im Krippelein. Sie fanden es ganz nackt und bloß und legten es Maria auf den Schoß.

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Und wenn ihr was gebt, so gebt es bald, wir müssen noch durch den finstern Wald, durch den finstern Wald, durch den tiefen Schnee, das tut den heiligen Dreikönig so weh.

Am Dreikönigsfest selbst - 6. Januar - läßt nahezu jede Familie in der Kirche in einer Schale Salz mit Kreide weihen. Das geweihte Salz wird im Laufe des Jahres immer wieder in kleinen Dosen dem Gebrauchssalz im Haushalt zugesetzt. Mit der geweihten Kreide wird auf dem oberen Querbalken am Hauseingang oder an der Stubentür ein K + M + B gezeichnet. Dieses Zeichen (Kaspar, Melchior, Balthasar) soll den bösen Geistern den Zutri t t zum Haus wehren. Der ursprüngliche Sinn des Zeichens C + M + B ist längst dem Volk verloren ge-gangen; gehen doch die drei Buchstaben auf den alten Segensspruch zurück: Christus monsionem benedicat -Christus möge dieses Haus segnen. An Winternachmittagen trafen sich Frauen in kleinem Kreis zu erholsamen Plauderstunden in der Hostube, bei der die Bäuerin ihre Gäste mit goldgelbem Gugelhopf und köstlich duftendem Bohnenkaffee bewirtete. Sonst gab es im Bauernhaus ja nur Malzkaffee. In der Hostube war man aber nicht müßig; die Frauen nutzten die Stunden zu fleißigem und emsigen Stricken von Socken für den Mann oder von Strümpfen für die Kinder. Das Wort Hostube kommt von Hofstube, das ist die große Stube des Bauern-hauses für die gemeinsamen Mahlzeiten der Familie. Die Bauern hielten ehemals treu zu ihrer Sippe. An einem Sonntag in der ruhigen Jahreszeit trafen sich die Fa-milien einer Sippe einmal im Jahr wechselnd in den Dör-fern, in dem zur Sippe gehörenden Bauernhof zu einem Familientag. Die auswärtigen Familien kamen mit dem gelbfarbenen „Bernerwägele" oder mit der schmuck her-gerichteten „Chaise", im Winter, in dem mit Woll- und Pelzdecken ausgestatteten Chaise-Schlitten angefahren. Der winterlichen Fahrt gab das lustige Schellengeklingel vom Rücken der trabenden Pferde fröhlichen Rhythmus. Von Mitte bis Ende Januar ging die Wachsfrau mit dem mit einem flachen Wollbauschchen auf dem Kopf getra-genen ovalen Korb von Haus zu Haus, um Kerzen und weiße oder goldbraune Wachsrodel zur Weihe am Lich:-meßtag anzubieten.

Wenn man von Lichtmeß etwas sagen will, so muß man sich der Zeit vor dem ersten Weltkrieg erinnern. I " :htmeß war damals der wichtige Tag des Dienstbotenwechsels. Teilweise war Dienstbotenwechsel freilich schon an Mar-tini, weil mancher Bauer sich im Winter, in dem es kaum Feldarbeiten zu verrichten gibt, den oder wenigstens einen D' :nstboten ersparen wollte. Solche Wechsel der Dienst-boten, auch Ehehalten, genannt, konnte ja nur geschehen,

als es noch Dienstboten gab. Tatsächlich hatte damals, als man landwirtschaftliche Maschinen noch nicht kannte, jeder größere Bauernhof einen Knecht und eine Magd oder wenigstens einen Knecht oder eine Magd. Wenn wohl auch nicht jeder Knecht oder jede Magd die Stelle wech-selten, so war der Lichtmeßtag doch ein wichtiges Ereignis, sowohl für den Bauernhof wie für die Dienstboten. Heute hat der Lichtmeßtag nur noch die Bedeutung, daß man in der Kirche Kerzen und Wachs für den Gebrauch eines Jahres weihen läßt. Lichtmeß deutet schon auf das kommende Ende des Win-ters hin. Zwar noch zaghaft, aber doch zuversichtlich läßt Lichtmeß eine Ahnung des Lichtes des nahenden Frühlings verspüren Der Bauer sagt: „L'chtmeß - bei Tag eß". Das he: 3t, die Morgen- und Abendmahlzeiten sollen wieder bei Tageslicht eingenommen werden. Zum Ausklang des Winters gehört im Brauchtum unseres Dorfes noch die Fastnacht. Wir zeichnen hier, wie ein-gangs bemerkt, ja ein Bild des winterlichen Brauchtums des Dorfes Hausen am Andelsbach. Die Fasnet vollzieht sich in ähnlicher Weise wie im ganzen dörflichen Bereich des schwäbischen Raumes. Am „Auseligen Donschtig" ist nach Abholung der Schuljugend durch die Narrengesell-schaft das Dorf belebt von den bunten Masken der Schul-jugend und der Ledigen, die in einem Umzug den Beginn der Fastnacht kund tun. Dabei werden oder vielmehr wurden die auf einem Plakat in Form eines Transparentes als Moritat aufgezeichneten „Übeltaten" von Mitbürgern glossiert und gebührend apostrophiert. Am Nachmittag des Fastnachtssonntags wurde bei gutem Wetter auf einer im Hof eines Bauernhauses an der Dorfstraße aufgeschla-genen Bühne, bei schlechtem Wetter im „Adler" oder im „Hirsch" ein Fastnachtsspiel aufgeführt, das spektakuläre Schauertaten mit lustigem Untergrund und Ende zum Gegenstand haben mußte. Vor dem Spiel und während der Pausen bot der Hanswurst in bunter, farbenprächtiger Kostümierung seine witzigen, humorvollen I llagen. Nach dem Fastnachtsspiel, bei dem Frauenrollen immer von Männern gestielt wurden, erhielt die Spielgesell-schaft vom Gastwirt die verdiente Bei rtung mit Frei-bier, Heringsalat, Käse und ßrot. Am Fastnachtssonntag war dann noch „Bürgerball" und am Fastnachtsmontag „Ledigenball" mit Maskentreib"n. Den Ausklang der Fasnet brachte der Aschermittwoch mit der „Geldbeutel-wäsche" im Dorfbrunnen. „D'Fasnet wird vergrabe". Damit ist die Zeit des v, •iterlichen Brauchtumr .m allge-meinen zu Ende. Es geht jetzt machtvoll dem Frühling und der beginnenden Feldarbeit entgegen. Palmsonntag und Ostern sind schon in Sicht, und die gehören dem Frühjs hr. Josef Mühlebach

Stiftung des „Tenebrae" zu Hettingen Eine Urkunde im Pfarrarch'v Hettingen vom Freitag vor Quasimodo (8. Apr.) 1491 berichtet: Otilia von Buben-hofen, gb. von Bach, stiftet zum Gedächtnis Jesu unseres „Behälters" und seiner Mutter, der Himmelskönigin und Magd Maria für die Seelen ihrer Vorfahren und Nach-kommen, ihrer selbst und ihres verstorbenen Gatten Hans von Bubenhofen, des Landhofmeisters des Grafen Eber-hard von Wirtemberg, in die Pfarrkirche Hettingen auf alle Freitage des Jahres folgendes: Nach dem Amt (!) soll der Mesner ein Z liehen mit der großen Glocke geben zum Gedächtnis des Sterbens Christi und erhält als Lohn je 1 Heller. Drauf soll der Kirchherr und die Kapläne das Responsorium singen „Tenebrae factae sunt" („Es sind Finsternisse entstanden") samt Vers und Gloria Patri und Versikel „Proprio filio suo" (seines eigenen Sohnes hat

Gott nicht geschont), samt der Collekt „Respice quesumus domine" (schau bitte her o Herr). Darum sollen die Hei-ligenpfleger der St. Martinspfarrkirche zu Hettingen als Präsenz dem Kirchherrn 4 Heller und den dreien Kaplänen je 3 Heller geben, sobald der Gesang zu Ehren des Leidens Christi vollbracht ist. Während des Ganzen sollen zwei Kerzen brennen. Otilie stiftet hierzu 50 rheinische Gulden. Das Siegel der Stadt hängt an: l'm Schild eine Hirschstange quer über aufgerichtetem Löwen. Ferner das Siegel des Kirchherrn Heinrich Bittel: Im Schild undeutlich drei Kreuze (?) auf Dreiberg. Die Um-schrift scheint auf ,,-huser" zu enden. (Die Ürk. wurde frdl . durch Herrn Pfr . Gust. Scharm zum Lesen gegeben.) Wie aus dem Rodel der Fauler-Frühmeß von 1491/98 hervorgeht, hat Kirchherr Heinri h Harthuser ( = Bittel!) im Jahre 1496 einen Jahrtag zur Kapianei ges irt l t .

J. A. Kraus

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H A R T M A N N R E I M

Ein römischer Gutshof bei Inzigkofen

Mit der Niederlage des augusteischen Legaten Publius Quinctilius Varro gegen den germanischen Feldherrn Arminius und der vollständigen Vernichtung seiner Le-gionen im Teutoburger Wald im Herbst des Jahres 9 n. Chr . scheitert der Plan des Augustus, Germanien bis

Abb. 1 Rekons t rukt ion des Hauptgebäudes (Zeichnung J. Spindler, Tübingen).

zur Elbe dem römischen Imperium einzugliedern, ein Kapitel römischer Offensivpolit ik geht zu Ende. Die in Vindelicien gelegene Garnisonsstadt Augsburg-Oberhau-sen, die Ausgangsbasis für den Angriff nach Norden ins freie Germanien, wird aufgegeDen, eine der beiden dort stationierten Legionen an den Niederrhein verlegt, die andere in das neugegrünaete Legionskastell Vindoni^sa, das heutige Windisch bei Brugg a. d.Aare in der Schweiz. Die Anlage von BL:nenlandgarnisonen i n Süden Vinde-liciens zum Schutze des Alpenvorlandes, Bregenz, Kemp-ten, der Auerberg, der Lorenzberg bei Epfach und Gau-ting in augusteisch-tiberischer Zeit gehört mit in den Rah-men der neuen, mehr auf Sicherheit bedachten Politik '. Zu einem erneuten Vorrücken kommt es dann in der Regierungszeit des Claudius (41-54 n. Chr.), als eine Ka-stellreihe der Donau entlang, der sogenannte Donau-limes, errichtet wird. Diese Kastellreihe reicht von Osten über Oberstimm, Kr . Ingolstadt, Burghöfe, Kr . Donau-wör th . £ Clingen, K r Dillingen, welches schon in spät-tibc ischer Zeit gegründet wurde, Unterkirchberg, Kr . Ulm, R. ' i rissen, Kr . Ehingen, Mengen-Ennetach, Kr. Saul-gau und Tuttl ingen, bis nach Hüfingen, Kr . Donaueschin-gen 2. Ein weiteres Donaukastell wird im Raum Laiz-Inzigkoren, Kr . Sigmaringen vermute t 3 .

Unter Kaiser Domit ian (82-86 n. Chr.) wird diese Ka-stellinie von der Donau auf die Schwä' ische Alb vorge-schoben. Es entsteht der sogenannte Alblimes mit den Kastellen Burladingen, Kr . Hechingen, Gomadingen, Kr . Münsingen, Donnstetten, Kr . Münsingen, Urspring, Kr . Ulm und Heidenheim 4. Dies als kurze Skizzierung der Vorgänge, " : e ue historische Entwicklung a:n der oberen Donau im 1. nachchristlichen Jahrhunder t bestimmten, öst l ich von Inzigkofen auf einem flachen Höhenrücken, der nach Norden und Osten sanft abfäl l t und im Süden von der heutigen Straße Laiz-Inzigkofen begrenzt wird, wurden schon 1848 in der Flur „Krummäcker" römische

Mauern angegraben 5. Da dieses Gelände in den nächsten Jahren bebaut werden soll, war eine vorherige archäolo-gische Untersuchung unbedingt erforderlich. Die Grabung wurde vom Staatlichen Amt für Denkmalpflege Tübingen durchgeführt und dauerte von April bis Ende Oktober 1970°. Ziel der Grabung war di Fr ..legung der Ge-bäude, die sich durch hochgepilügte Kalksteine -• in einem Moränengebiet fremdes Gestein - und sogenannte Leisten-ziegel bereits an der Bodenoberfläche abzeichneten; wei-terhin wurde von der Grabung ein Beitrag zur Klärung der Lage des im Raum Laiz-Inzigkofen vermuteten Do-naukastells erhofft.

Die frühesten Funde des untersuchten Geländes stammen aus der mittleren Bronzezeit, etwa aus dem 15./14. vor-christlichen Jahrhunder t , einer Zeit, die nach dem damals vorherrschenden Bestattungsbrauch der Beisetzung der Toten unter einem Grabhügel, Hügelgräberbronzezeit ge-nannt wird. Einige Dutzend dieser mittelbronzezeitlichen Gefäßscherben zeigen uns, daß sich im Bereich des Gra-bungsarreals °ine Siedlung befunden hat. Hausgrundrisse oder andere Bebauungsspuren konnten nicht festgestellt werden. W itere Funde stammen aus der spätkeltischen Zeit und gehören ins 1. vorchristliche Jahrhunder t .

Die Steinbauten erwiesen sich als Teile eines römischen Gutshofes, einer sogenannten villa rustica7 (Abbildung 1). Das Hauptgebäude, 37 auf 27 m, zeigte an der nach Osten gerichteten Frontseite zwei seitlich aus der Fassade hervortretende Türme Eckrisaiite genannt, sieben weitere Wohnräume gruppieren sich um den Innenhof herum. Die Frontseite zwischen den be".en Risaliten war

Abb. 2 Keramik aus der Mit te des 2. nachchristlichen Jahrhunder t s . Sogenannter rätischer Becher.

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auf ihrer ganzen Länge unterkellert. Der Keller war durch zwei seitliche Zugänge vom Innenhof her er-reichbar. Im rückwärtigen Teil des Hofes fanden sich drei Pfeilerfundamente. Ein Nebengebäude, wahrschein-lich eine Stallung, war 20 Meter lang und 17 Meter breit. An keinem der beiden Gebäude waren Teile des aufgehenden Mauerwerks, sondern nur noch die Fun-damente erhalten. Diese bestanden im untersten Bereich aus kleinteiligen Kalksteinbrocken, die teilweise in Mör-tel gebunden waren. Im oberen Teil des Fundaments, einem Zwischenmauerwerk, waren die Außenseiten aus grob zugerichteten Kalksteinquadern aufgeführt, der Zwischenraum war mit in Mörtel gebundenen Kalksteinen ausgefüllt. Versuchen wir uns, vom Grundriß ausgehend, eine Vorstellung vom vermutlichen Aussehen des Haupt -gebäudes zu machen8. Die seitlichen Eckrisalite waren wohl zweigeschossig und mit einem flachen Pyramiden-dach überdeckt. Eine der wenigen überlieferten bild-lichen Darstellungen zeigt diese Zweigeschossigkeit9. Über dem Keller befand sich eine offene Säulenhalle, der Eingang des Gebäudes, über eine Treppe erreichbar. Wir kennen römische Gutshöfe, wo die Säulen dieser Ein-gangshalle gefunden wurden l ü . Diese eindrucksvolle Schauseite, die sogenannte Porticus könnte mit einem Satteldach überdeckt gewesen sein. Die seitlich gelegenen Wohn- und Schlafräume wird man sich eingeschossig vor-stellen. Aus Wandverputzresten können wir schließen, daß diese Räume verputzt und teilweise mit einfachen geometrischen Motiven bemalt waren. Bruchstücke von

den, dem Hauptgebäude, der Wohnung des Gutsherrn oder Gutsverwalters, dann aus Nebengebäuden, oftmals einer kleinen Badeanlage, Stallungen und Scheunen sowie den Unterkünften des Dienstpersonals. Oft wird der Guts-hof von einer Mauer umfaßt 1 2 . Im Innenhof des Haup t -gebäudes fand sich noch ein Holzbau, dessen heute ver-gangenen Pfosten als dunkle Verfärbungen im gelben Moränenlehm deutlich sichtbar waren. Er mißt 9 auf 6 m. An der Stirnseite befinden sich zwei Räume, 3 auf 3 m, in der Mitte des Hauptraumes war eine Feuerstelle. Dieser Bau hat eine andere Orientierung als der Steinbau und wird zudem noch von einer Kellermauer überschnit-ten, ist also älter als das Steingebäude. Die aus den Pfostengruben geborgenen Funde weiser, ihn jedoch eben-falls als römisch aus. Ob wir diesen Holzbau als Vor-gängerbau des im Stein errichteten Gutshofs ansehen kön-nen, muß zum jetztigen Zeitpunkt noch offen bleiben.

Nach den Funden, der Feinkeramik, vor allem der mit einem roten Überzug versehenen sogenannten terra sigillata, kann der Gutshof in die Zeit zwischen der Mitte des 2. und der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts datiert werden 13 (Abbildung 2). Sehr häufig sind Gefäß-bruchstücke, die in römischen Töpferfabriken im pfäl-zischen Rheinzabern hergestellt worden sind 14. Oftmals sind diese Sigillaten vom Hersteller mit seinem Namens-zug versehen worden. In Inzigkofen wurde das gestem-pelte Bodenbruchstück einer Schale gefunden, die vom Töpfer SEVERIANUS am Ende des 2. oder zu Beginn

Abb. 3 Südlicher Eckrisalit mit Resten eines Estrichbodens. A u f n a h m e n : Dr . H a r t m a n n Reim

Hohlziegel (tubuli) zeigen uns, daß einige Räume eine Wandheizung hatten, Reste eines Estrichbodens weisen auf eine Fußbodenheizung hin 11 (Abbildung 3). Den rück-wärtigen Abschluß des Gebäudes bildet eine offene Säu-lenhalle. Bei diesen drei Gebäudeseiten glauben wir, daß die Dächer - den italienischen Atriumhäusern vergleich-bar - ihre Schräge zum Innenhof hin hatten. Eine rö-mische Hofanlage besteht zumeist aus mehreren Gebäu-

des 3. nachchristlichen Jahrhunderts in Rheinzabern ge-fertigt wurde 15. Einige Sigillaten, die aufgrund der Tonbeschaffenheit und ihrer Verzierungsmotive in südgallischen Töpferwerk-stätten hergestellt wurden und ins späte 1. nachchristliche Jahrhundert datiert werden müssen, können wahrschein-lich mit dem Holzbau in Verbindung gebracht werden 10. An weiteren Funden sind ein Löffel aus Bronze, eine

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Bronzenadel, eiserne Hausschlüssel, Messer, Meisel und eine Lanzenspitze zu erwähnen. Zwei Münzen wurden gefunden, ein As des Kaisers Tiberius (14-37 n. Chr.), welches nach 22 n. Chr. in Rom geprägt wurde, weiter eine Bronzemünze des Marcus Aurelius (161-180), eventuell eine hybride barbarische Prägung Diese bei-den Münzen können zur näheren Datierung wenig aus-sagen. Die Tiberiusmünze ist sehr stark abgegriffen und folglich lange im Umlauf gewesen und wurde zweifellos noch von den Gutsbewohnern als Zahlungsmittel benützt. Im Nebengebäude fand sich ein eisernes Hundehalsband. Es besteht aus sechs beweglichen rechteckigen Einzeltei-len, die zusammengenietet und auf den Außenseiten und den Verbindungsstegen mit spitzen Stacheln versehen worden sind. Die nach außen gerichteten Stacheln sollten den Hund vor den Bissen wilder Tiere schützen. Wir konnten bei unserer Untersuchung nachweisen, daß der Gutshof nach einer Brandkatastrophe verlassen und nicht wieder aufgebaut wurde. Sein Ende kann im Zu-sammenhang n r einem der ersten Vorstöße der Alaman-nen in das Gebiet der römischen Provinz Raetien ge-sehen werden, wohl dem, der um 233 n. Chr. erfolgte18.

Um diese Zeit scheint auch die römische Straßenstation in Flur „Dreissig Jauchert" bei Sigmaringen verlassen worden zu sein. Einen chronologischen Anhaltspunkt ha-ben wir dort durch einen Versteckfund von 44 Denaren, die in den Estrichboden eines Raumes eingegraben wur-den. Fünf dieser Münzen gehören in die Zeit des Kaisers

Severus Alexander (222-235 n. Chr.), d späteste wurde 228 n. Chr. in Rom geprägt1 9 . Dieser Versteckfund ist für uns ein Zeugnis einer kriegerischen Unruhezeit, er spricht von der Hoffnung der Bewohner auf Rückkehr nach der Flucht vor den einfallenden alamannischen Scharen, einer Rückkehr, die es nicht mehr geben sollte.

Vom vermuteten Auxiliarkastell wurden bislang keine baulichen Spuren gefunden. Auch ein 280 m langer, Ost-West bi zum Friedhof verlaufender Suchschnitt, brachte keine Klärung. Mehrere Gewandspangen, sogenannte Fibeln, die aus der Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhun-derts stammen, zeitlich also nicht zum Gutshof gehören, können jedoch auf die unmittelbare Nähe eines solchen Kastells hinweisen, wenn man nicht annehmen will, daß diese Fibeln als Erbstücke von den Bewohnern des Guts-hofs getragen wurden.

Es wird versucht werden, die Lage dieses Kastells durch Luftaufnahmen zu erfassen, auch werden zur letztlichen Klärung noch einige Suchschnitte angelegt werden müssen. Die Aufdeckung eines solchen Kastells wäre für die pro-vinzialrömische Forschung insofern von ganz besonderer Wichtigkeit, da es noch nicht durch Überbauung in Mit-leidenschaft gezogen wäre und so eine archäologische Untersuchung über die Erforschung der Frühgeschichte des Inz, kofer Raumes hinaus bedeutsame Neuerkenntnisse zum Aufbau und zur inneren Gliederung eines römischen Kastells erbringen könnte.

Anmerkungen :

1 G. Ulbert , Die römischen Donau-Kaste l le Aislingen und Burghöfe. Limesforsdiungen Band 1 (1959), 78 ff. (mit ausführlichen Litera-turangaben) . — Ph. Fil tzinger, Bemerkungen zur römischen O k k u -pation Südwescdeutschiands, Bonner Jahrbücher 157, 1957, 181 It. — H . Schönberger, The roman f ront ier in Germany : an archaeological survey, Journa l of Roman Studies 69, 1969, 144 ff.

2 G. Ulber t , a. a. O . 83 ff. — ders., Das römische Donau-Kaste l l Rißtissen, Teii 1, Die Funde aus Metall , Horn und Knochen. U r -kunden zur Vor- und Frühgeschichte aus Südwür t t emberg-Honen-zollern, Hef t 4 (1970). — Ph . Fil tzinger, Kastell Emerkingen, Fundber . aus Schwaben N . F . 16, 1962, 85 ff. (besonders Anmer-kung 6—10). — Ders., Wehranlagen am Donaul imes in Baden-Wür t temberg im Luftbild, Fundber . aus Schwaben N . F . 18 I, 106 ff. - H . Schönberger, a. a. O. 151 ff.

3 Fundber . aus Schwaben N . F . 16. 1962, 86 Anm. 10. 4 Die Römer in Würt temberg . Teil 1: F. Her t le in , Die Geschichte

der Besetzung des römischen Würt temberg (1928), 38 ff. — H.Schön-berger, a. a. O . 156 ff.

5 Die Römer in Württemberg, Teil 3: O. Pare t , Die Siedlungen des römischen Würt temberg , (1932), 325.

1 Die Grabung wurde bis Ende Mai von Fräulein cand. phil . Sabine Rieckhoff, Freiburg, die restliche Zeit vom Verfasser geleitet. Der Gemeindeverwal tung Inz igkofen , an ihrer Spitze H e r r n Bürger-meister Sailer, wird fü r die freundliche Unte rs tü tzung gedankt, weiterhin den Grundstückseigentümern und Pächtern des betref-fenden Geländes fü r die Grabungserlaubnis. H e r r n A. Bede danke Ich f ü r vielfäl t ige Unters tü tzung. Ganz besonderer Dank gi 'r den Grabungsarbei tern, den Herren Haas , Ort l ieb, Wal ter und den Bauarbeitern der Fi rma Henselmann, Inz igkofen , sowie den be-teiligten Studenten.

7 H Hinz , Zur Bauweise der Villa rustica. in: Gymnasium (Bei-hefte) Heft 7 (197Ü) Germania Romana I I I : Römisches Leben auf germanischem Boden, 15.

8 Rekonstruktionsvorschläge einer Villa rustica mit überdachtem Innenhof : F. Oeimann, Die Villa rustica bei Stahl und Ver-wandtes, Germania 5, 1921. 64 tf. — O. Pare t Ein Her renhaus römischer Zeit bei Mundelsheim. Fundber . aus Schwaben N . F 9, 1935 38, 105 ff. Abb. 59. - ders., Die Römer in Wür t temberg Teil 3: Die Siedlungen des römischen Würt temberg (1932), 26 f t .

(m:. vielen Grundr ißabbi idungen) . H . Hinz , Zur Bauweise der Villa rustica, a. a. O. , 15 ff. — Der Grundr iß des Hauptgebäudes von Inzigkofen läßt die ÜDerdachung des Innenhofes aus kon-struktiven Gründen unwahrscheinlich erscheinen. Hinweise zu f r a g e n der Baukonst rukt ion verdanke ich meinem Vater , Dipi . -Ing. Architekt Eugen Reim, Esslingen.

8 Im Rheinischen Landesmuseum m Trier befindet sich eine Wanci-malere : aus einem vorkonstantinischen Palas t in Trier, die einen römischen Gutshof zeigt.

10 D Römer in Würt temberg , Teil 3: O. Pare t , Die Siedlungen des römischen Wür t temberg (1932), 44 ff. (mit zahlreichen Abbildungen).

1 1 Zu Fußbodenheizung, sogenannter Hypokaus tcnhc izung: Saai-burg - Jahrbuch 12, 1953, 7 ff 15, 1956, 38 ff, Eine gut rekon-struierte Hypokaus tenan lage befindet sich im Museum der Stadt Rot twei l .

1 3 Die Römer in Würt temberg , Teil 3: O Pare t , Die Siedlungen des römischen Wür t temberg (1932), 115 ff. (mit zahlreichen Abbil-dungen).

1 3 Einen hervorragenden Oberblick bei: F. Oswald — T . D. Price, An introQuction to the Study of Terra Sigillata (1920).

14 Einen umfassenden Überblick über die Verzierungsmotive der Sigillaten von Rhe inzabern : H . Ricken. Die Bilderschüsseln der römischen Töpfe r von Rheinzabern . (1948). — H . Ricken — Ch. l i -scher, Die Biiderschüssein der römischen Töpfe r von Rheinzabern. Materialien zur römisch-germanischen Keramik, Hef t 7 (1963). O. Roller. Die römischen Terra-Sigi l ia ta-Töpfereien von Rhein-zabern Kieine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungs-geschichte Südwestdeutschlands, Hef t I (1965).

1 5 F Oswald, Index of pot ters stamps on Terra Sigillata „Sam'an W a r e " (1931), 295.

10 Zu südgallischen Töpfe rwerks t ä t t en : R . Knor r , Töpfe r und Fa-briken verzierter Terra-Sigi l la ta des ersten Jahrhunder t s (1919).

17 Die Bestimmung der Münzen verdanke ich Herrn Dr . D . Manns-perger, Archäologisches Ins t i tu t der Univers i tä t Tübingen.

1 8 R. Roeren, Zur Archäologie und Geschichte Südwestdeutschlands im 3. bis 5, J ah rhunde r t n. Chr . , Jahrbuch des Rom.-Germanischen Zentralmuseums Mainz 7, 1960, 214 ff.

19 Ph . Filtzinger Die römische Straßenstat ion bei Sigmaringen, Zeit-schrift fü r Hohenzollcrische Geschichte 90, 1967, 19 ff.

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J O H A N N ADAM KRAUS

Das Bisinger Herrengeschlecht 1188-1385

Heinrich Faßbender hat (ohne Namensangabe) in dem von Buhl und Knaus im Jahre 1953 herausgebrachten „Heimatbuch von Bisingen-Steinhofen" Seite 44 f. zwei Linien der Herren von Bisingen unterschieden, die seit 1229 nachweisbaren Walger und die Kerus, die man seit 1284 kennt. Letztere nannten sich seit etwa 1337 eben-falls „von Bisingen". Faßbender vermutete, der Name Kerus könne aus Walkerus entstanden sein. Möglich wäre aber auch ein Übername „Kehr-aus". Seit Erscheinen des Heimatbuches haben sich noch mehr urkundliche Nach-richten gefunden, so daß die Familie neu untersucht wer-den kann.

Als ersten Vertreter der Familie „von Bisingen" nennt (von F. unbeachtet) eine Urkunde ums Jahr 1188 einen Wernher. Damals gestattete der Graf Egino von Urach seinen Dienstleuten Schenkungen ans Kloster Bebenhausen zu machen. Unter den Ministerialen erscheinen dabei Ber-thold von Egesheim, Leutfried von Metzingen, Hugo von Geislingen, Gottfried von Nürtingen, Rudolf von Urach, Wernher von Bisingen, Heinrich von Empfingen und Eberhard von Metzingen Vermutlich um 1200 nennt der Rotulus Sanpetrinus einen Kra f t von Bissingen, der wohl in der Nähe der Teck beheimatet war, sowie einen zu uns gehörigen Ritter Rudolf von Bisingen, der dem Kloster St. Peter auf dem Schwarzwald sein Gut (predium) bei Aldingen (b. Spaichingen) schenkte 2. Am 2. April 1228 verkaufte ein Truchseß (nicht Schenk, wie Faßbender irrig meint) Baldabertus als Ministeriale des Grafen von Zollern mit dessen Zustimmung ein Gut im nahen Than-heim an die Brüder des Hospitals der Deutschen zu Jerusalem. Dabei wird BaldabertsBruder Burkart Flizzing (der Fleißige?) genannt3 . Fin Truchseß von Zolr schenkte schon vor 1189 ein Gut zu Wernshausen (abgeg. bei Stein-hilben) ans Kloster Marchtal4 .

Faßbender hält mit guten Gründen diesen Truchseß Bal-dabert für identisch mit jenem Baldebertus, der 1229 mit seiner Gattin Willebirg laut Inschrift ii der Bisinger Kir-che dem Gotteshaus einen Hof zu MÖssingen und einen zu Rangendingen schenkte 5. Hier fehlt freilich der Titel Truchseß. Dagegen kommt Baldebert der Truchseß noch 1251 neben dem zollerischen Schenken Wernher vor was eine Gleichsetzung mit dem Bisinger Wohltäter wohl n:cht fraglich macht. Ein Baldebert ist 1262 als Bruder des Hugo von Stauffenberg nachzuweisen, der 1266 Truchseß des Zollergrafen heißt7 . Der Name Baldebert ist somit sowohl bei den Bisingern als bei den Stauffenbergern jener Zeit gebräuchlich gewesen.

Ein 1251 vorkommender „Sifrid genannt Bisinger" ist schwer '.inzureihen, gehört aber wohl doch hierher 8. Am 16. Juli 1255 urkundete Ritter Walger von Bisingen in Rosenfeld, daß sein verstorbener Vater Baldebertus (offenbar der Wohltäter von 1229) und sein verstorbener Bmder und er selbst zu Rosswangen (b. Balingen) vor längerer Zeit eine Burg gebaut gehabt, wozu sie eine große Anzahl Äcker bei der Burg n it Gewalt an sich gerissen, die vor allem dem Kloster St. Blasien gehörten. Nach Zer-störung der Burg und dem Tod des Vaters habe er mit seinem Bruder die \ : derrechtlich erworbenen Grund-stücke je halb geteilt. Auf Protest des Klosters gegen ihn und semes Bruders Sohn Baldebertus schlug ihm das Ge-wissen, worauf er seine Hälf te dem Kloster und den andern Eigenti'i-iern zurückgab. Unter den Zeugen finden

wir den Dekan Wernher von Haigerloch und Walther Scho-lasticus von Hechingen 9. Nach dem St. Blasianer Mönch Neugart hieß der verstorbene Bruder Walgers ebenfalls Baldebertus. Man darf annehmen, daß dieser Ritter Wal-ger (I.) um diese Zeit schon bejahrt war und nicht mehr lange lebte. Am 2. Januar 1263 beurkundete Graf Fried-rich von Zollern, daß sein Dienstmann Walger von Bisin-gen (nicht Ritter, also Walger II.) dessen Mühle zu Ahausen (abgeg. an der Eyach oberhalb Owingens bei Ostdorf) dem Kloster Kirchberg übergeben habe. Unter den Zeugen sind zwei weitere Angehörige der Familie erwähnt: Herbrecht von Bisingen und Heinrich von Bi-singen 10. Allein am 26. Dezember 1277 verkaufte Ritter Walger von Bisingen erneut seine Mühle apud villam Ahusen (beim Dorf A.), diesmal mit Einwilligung Balde-brechts von Zainingen, der Walgers Besitz angefochten hatte, ans Kl. Kirchberg. Der Verkauf geschah in Bisin-gen in der Behausung Walgers. Baldebrecht war wohl der Brudersohn des Verkäufers und der ebenfalls als Zeuge genannte Heinrich von Zainingen (b. Urach) sein nächster Verwandter, Sohn oder Bruder Am 8. November 1276 ist in einer Bebenhauser Urkunde die Rede von Grund-stücken zu Ichenhausen, die dem Ritter H(einrich) von Zainingen gehören und unter den Zeugen finden sich A. der Vogt (preco) von Gruren und Brendlin von Zai-ningen n a . Statt Brendlin dürfte Bäldlin (Baldebert) zu lesen sein! Die Zaininger Linie der Herren von Bisingen hält Faßbender für identisch mit den Kerus, die jedoch zwei Widderhörner im Schild und als Zier führten, wäh-rend Walger von Bisingen im Schild einen Topfhelm mit zwei langen Mützenzipfeln darauf führt , die später sich deutlicn als Mitra (Bischofsmütze) finden 12.

Walger II. (ohne den Rittertitel) hat am 27. Januar 1269 seinen Hof mit Mühle bei H o l z h a m (abgeg. bei Schöm-berg) seinem Herrn, dem Grafen Albert von Hohenberg aufgelassen und n t dessen Hand zu seinem und st ier Eltern Seelenheil dem Kloster Kirchberg übergeben13. Am 25. Oktober desselben Jahres übergaben dann di Gra-fen Albert, Burkart und Ulrich von Hohenberg den Degenhartshof mit Mühle ans genannte Kloster als Erb-lehen. Hof und Mühle lagen beim Schömberg und der edle Walger (II.) von Bisingen hatte sie von ihnen und ihren Voreltern als Lehen gehabt und ans Kloster ver-kauft . Als Zeuge fungierte der St< nhofer Leutpriester (Pfarrer), Wernher genannt Zimerii, aiso ein Angehöriger des Adels von Heiligenzimmern 14. Eine weitere Urkunde aus demselben Jahr meldet unter gleichen Umständen und Bestimmungen einen Hof bei Schömberg, vielleicht den gleichen. Auch erfahren wir aus einer Urkunde vom 12. Januar 1271, daß Waltger (!) von Bisingen (i cht Ritter) einen Hof zu Endingen b Balingen besaß Iä.

Dagegen erscheint ein Ritter Walherus (Walgerus) von Bisingen zw chen 1273 und 1291 in einer Rottweiler Urkunde 16. Es wird der gleiche sein, den wir mit seinem Domizil (Wohnung) zu Bisingen oben schon zum Jahre 1277 erwähnten. D :ser W o n n i t z war zweifellos das noch 1435 genannte „Bürglin am Hofbrunnen" zu Bisingen in unmittelbarer Nähe des heutigen katholischen Pfarr -hauses. Derselbe Ritter Walker (irrig „Walther") v. B. verkaufte am 15. Jur . 1282 an den Rottweiler Bürger Heinrich Scnapel mit Zustimmung seines Herrn, des Zol-lergrafen, seine Mühle zu Schömberg um 42 Pfund Rott-

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weiler 17. Ritter Walger ist im gleichen Jahr (ohne Tages-angabe) Zeuge für die Zollergrafen, welche Güter zu Heselwangen verkaufen le.

Am 14. Juni 1284 finden wir einen „Baldebert genannt Kerus" als Zeugen für den Grafen Albert von Hohen-berg 19. Der am 2. Januar 1292 . l einer Urkunde des Jo-hanniterhauses zu Villingen genannte Wernher von Bi-singen kann nicht von Biesingen bei Donaueschingen stam-men, wie Faßbender meinte, denn dieser Ort hieß noch bis ums Jahr 1500 Boasinhain bzw. Büsenhain 20. Wernher gehörte vermutlich zu unserer Familie.

Ein Konrad von Blumenberg auf Burg Tannegg an der Wutach (später auf Blumenegg) schloß am 28. Dezember 1293 einen Ehevertrag mit seiner Gattin Elisabethun von Bisingen. Her r (also Ritter!) Walger von Bisingen unter-schrieb als einer der Zeugen 11. Faßbender hält die Braut mit gewissen Gründen für eine Schwester Walgers I I I . Ihr Gemahl war bereits im Jahre 1315 tot, vermutlich ohne Kinder zu hinterlassen. Denn Johann von Blumenegg übereignete am 15. November dieses Jahres der Frau Elisabeth v. B., Witwe seines verstorbenen Vetters Kon-rad von Blumenegg, seine Güter2 2 . Am 14. Februar und 10. Mai 1316 erhält sie nochmal Güter aus der Familie ihres Mannes2 3 . Sie stiftete am 28. Februar 1316 als „Elisabeth von Blumenberg" mit vielen Gütern das Jo-hanniterhaus zu Lenzkirch zum Heil ihrer Vorfahren. Demnach waren Vater und Mutter nicht mehr am Leben. Noch am 1. Februar 1331 übergab Elisabeth v. B. den Jo-hannitern Güter und Leute 24. Dabei ist angegeben, ihr stark beschädigtes Siegel zeige im Schild einen Helm mit zwei Büffelhörnern als Kleinod. (Diese Büffelhörner be-zweifelt Faßbender mit Recht). Am 29. Oktober 1334 wohnte sie in einem von ihr erbauten Hause zu Lenzkirch. Heinrich von Blumenegg nennt sie seine Muhme. Das Johanniterhaus Lenzkirch führte fortan ihr Wappen: In Rot eine goldene Bischofsmitra mit zwei hängenden Bän-deln. Noch am 27. April 1336 stntete Frau Elisabeth von Bisingen an die Johanniter zu Villingen einige Einkünfte für einen Tahrtag für sich und ihren verstorbenen Mann •". Dann hört man nichts mehr von .hr.

Doch kehren wir nun zu ihrem vermutlichen Bruder, dem Ritter Walger von Bisingen (III.) zurück. Er erscheint am 13. August 1298 als Zeuge des Grafen Friedrich von Zollern betr. Güter zu Entringen und Breitenholz, die ans Kloster Bebenhausen kommen 28. Ritter Walger v. B. fin-det sich als Bürge am 20. Januar 1300, als Konrad von Wartenberg Gülten aus dem Fronhof zu Nendingen (bei Tuttlingen) an Konrad von Balingen verkauf t 2 7

Am 1. März 1303 schenkte Ritter Walker von Bisingen (wohl III.) mit Einwilligung sc nes Herrn, des Grafen von Zoilern, dem Kloster Kirchberg 1 Pfund 4 Schili.ng jährlichen Zins aus 2 Hofen zu Rosswangen als Jahrtag für seine verstorbene Gatt n Ha.lwig von Blumberg, fer-ner 30 Schilling aus des Seilers Hof und aus Walthers selig des Seilers Hof zu 'Weilheim als Jahrtag für seine Mutter. Zeugen waren die Ritter Kunrad von Blumberg und Wernher Schenk von Nüwenzell, ferner die Ordensbrüder Jakob und Wilhelm vom Predigerhaus Rottweil, auch Wernher und Hug, Gebrüder vor. Babenhofen. Die Ur-kunde wurde zu Roere auf der Burg ausgestellt28, der heutigen Burgstelle ,,Raur" an der südwestlichen Mar-kungsgrenze von Bisingen im sog. Schlößlewald.

Am 9. Februar 1306 ist Ritter Walker von Bisingen (ob II.?) Zeuge, als die von Bottingen ihre Güter zu Buch-heim ans Kloster Beuron verkauften 20. Nach einer ver-lorenen Urkunde des Klosters Rottenmünster (bei Rott-weil) hat Ritter Waither (Walker) von Bisingen ans Klo-

ster zu seinem und seiner Vorfahren Seelenheil im Jahre 1308 einen Acker im Rottweiler Bann geschenkt30. Herr ¡Walgger v. B., Ritter, erscheint am 22. Juli 1309 als Schiedsrichter zwischen dem Kloster St. Gallen und dem Grafen Friedrich von Zollern betr. die Klosterhöfe zu Frommern und Truchtelfingen 31.

Um 1311 sind im Reichskrieg gegen den G r afen Eberhard von Wirtemberg die Burgen Jungingen, Haideck (H ntere Burg b Trochtel igen) und Greifenstein (bei Hönau) durch die Reutlinger Bürger zerstört worden und um Ror wurde hart gekämpft. Wenigstens berichtet ein lateinisches Gedicht: „Die tapferen Reutlinger führten ihre Scharen nach Ror. Dort kamen viele um 32", Dreißig Jahre später erscheint Burg Ror als Burgstall, das heißt unbewohnbare Ruine.

Eine Urkunde ir» Staatsarchiv Sigmaringen, die aus dem zollerischen Gebiet stammt, blieb bisher fast unbeachtet. Sie besagt: Am Tag nach Mariä Verkündigung (26. März) 1312 stellte der Priester Johannes, Kirchherr zu Stein-hofen, an den Bischof Gerhard von Konstanz eine Per-gamenturkunde aus mit dem Inhalt : Der ehrenfeste Ritter und Her r Walgerus von Bisingen und der Herr Hermann, genannt von Stainhoven, als Priester haben an den Altar der heiligen Stephanus und N'kolaus in der Kapelle zu B.. "gen einige Guter ges ftet, damit von den Erträg-nissen der genannte Priester Hermann, der im besten Rufe stehe, sein Leben lang ohne Nachteil der Pfarrkirche Stein-hofen leben könne. Johannes bittet anmit um bischöfliche Bestätigung. Ritter Walger hat den Amanshof gestiftet, der jährlich 6 Malter Spelz oder Vesen, 4 Malter Haber (Burgmeß), 10 Schilling Heller, 1 Viertel Eier ( = 120 Stück), 2 Gänse, 2 Schultern (Schinken) und 4 Junghühner liefert. Ferner gab er eine Wiese, genannt die Hindaichs, die jähr!" h 1 Pfund Heller abwirft . Herr Hermann schenkte den Z, lingerhof zu Bisingen mit allen Abgaben, ferner ehie Mühle, genannt die Ahusers Muhli. die jähr-lich 1 Pfund und 9 Schilling liefert. (Ein weiterer Posten ist unleserlich gemacht). Ferner stiftete er Äcker und Wie-sen, genannt Mundenchsgut, ferner in Thanheim des ScbiMlins Gut und die Saillinhofstatt. Johannes siegelt (Bild des stehenden hl. Johannes mit Palme) und mit ihm der Dekan von öschingen (Siegel unkenntlich)33. Dabei ist interessant: Hermann von Steinhofen war ein Vertreter des dortigen Ortsadels, der uie Bisinger Kapelle besorgte. Sein ZäinitigSF Hof geht sicher auf die Zaininger Linie der Bisinger Herren zurück, Angemerkt sei hier noch eine weitere Nachricht, die auch die Bisinger Kapelle betrifft : Am 30. September 1424 verkauften die Brüder Benz und Dietz die Widmer zu Weilen unter der Lochen an die N'Mlauskapeile Bisingen 7V2 Schilling und 1 Pfund hellerzinsen aus Haus und Gütern zu Wessingen um 27 Pfund 5 Schilling Heller. Die Güter hat Heinrich Hans inne; sie stoßen an Aberii Engeischalks und der Osch-walda Gesäß 33.

Im Jahre 1318 wird ein Zins erwähnt, der aus dem Hof des Bäidm Kerus zu Balingen zu geben war 3 4 . Die von Bisingen waren am 20. März 1325 neben den Grafen von Wirtemberg Lehensherren über Grundstücke zu Rottweil3S. Bäldeli Kerus urkundete am 25. Februar 1326, er habe das Lehen, das Albrecht von Stetten (bei Haigerloch) von ihm innehatte und das der Huser in Owingen bebaut, dem Kloster Kirchberg als freies Gut übergeben. Letzteres liefert jährlich 4 Mit Kernen (Haigerlocher Meß) und 5 Schilling abzüglich 4 Heller, 2 Gänse, 4 Herbsthühner, 1 Fastnachtshuhn, Va Viertel Eier ( = 60 Stück) und zwei Schulterstücke ab. Das Kloster habe ihm dafür 2 Pfund Heller bezahlt. Unter den Zeugen findet sich Benz (Ber-told) der Stainhover 30 Dieser gehörte zu einem Haiger-

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locher Bürgergeschlecht, das auf den Steinhofer Adel zu-rückgeht 36a. im Jahre 1331 schenkte Walger von Bisingen (ohne Ritter-titel) ans Kloster Rottenmünster sein Eigentum an 3 Jau-chert Acker bei Lizelstetten auf dem Hochgesträß (bei Rottenmünster)3 7 .

Am 6. Oktober desselben Jahres gelobten die Brüder Wernher und Burkart die Schenken von Stauffenberg, den Klosterfrauen zu Kirchberg wegen des Seelgerats von 30 Schilling, die das Kloster aus ihrem Hof zu Weilheim (bei Hechingen) bezog, den man „des von Bisingen H o f " nannte, keine Schwierigkeiten zu machen38. Vermutlich war Walger v. Bisingen Vorbesitzer gewesen.

Am 26. Mai 1337 (am Gutemtag, d. i. Montag!) verkaufte Ritter Walger von Bisingen seinen Anteil eines Hofes zu Grosselfingen an den Edelknecht Sifrid den Sachs um 38 Pfund Pfennige. Dabei nennt er den Grafen Friedrich von Zollern-Schalksburg seinen Herrn, den Ritter Hein-rich von Tierberg seinen guten Freund. Walgers Wappen-siegel zeigt die Mitra 3Sa. Als Konrad Megunssa von Ba-lingen am 14. September 1337 ans Kloster Stetten bei Hechingen sein Gut zu Ostdorf, genannt Bollers Gut, ver-äußerte, wirkte als Bürge auch der Kirchherr Walger von Roßwangen m^, der Sohn des Bäldeli Kerus von Bissi-gen 39. Pi t ter Walker von Bisingen verkaufte am 16. Mai 1338 dem gleichen Kloster 10 Schilling jährl"-her Gilt aus seinem Mayerlin-Gut zu Onstmetten, wobe. Berthold Kerus Zeuge war 40.

Am 18. März des folgenden Jahres 1339 verzichten die drei Brüder Berthold, Walger und ßeldeli Kerus nach Er-halt von neun Pfund und 3 Schilling Heller auf die Lehen-schaft der Güter zu Owingen, welche die ehrbare Frau Mech' ld, Albrechts des Ganussers sei. Witwe von H a er-loch und ihre Kinder, sowie ihre Vorfahren als Lehen der Gebrüder Kerus und ihrer Voreltern innehatten. Die Gü-ter bauten damals Albrecht der Harscher, q ; Sängerin und die Broumerin. Sie gaben daraus jährlich 9 Mit Ker-nen, 9 Schilling weniger 4 Heller, 4 Herbsthühner, 3 Fast-nachtshühner, 2 Gänse und 3 Schulterstücke. L s drei Aus-steller siegelten nach frdl. Auskunft von Herrn Staats-arc livdirektor Dr. Eberhard Gönner, Stuttgart, wie folgt: Siegel 1 und 3 zeigen in einer kreisförmigen Perlstab-Umrandung (ohne Schild) einen Kübelhelm mir 2 gegen-einander gestellten Widderhörnern als Helmzier. Umschrif-ten: „S(igiilum) BER(htolai) KERVS" und „S(igilium) Bal(deli) KERVS". Das zweite Siegel ist soitzoval mit der Umschrift: „S(igillum) WALGERI P E C T O R I S ECC(lesie) I N ROSSWA(ng)" (d.h. Kirchrektor oder Pfarrer in R.; Eszeigt e- ien Kelch und darunter einen kleinen Wappen-schild mit den zwei Widderhörnern darin 41. Walger ge-hörte somit dem geistlichen Stande an.

Benz (Berchtold) Kerus von Bisingen verkaufte am 23. August 1340 mit Zustimmung seiner beiden Brüder, des Kirchherrn Walger zu Roßwangen und Bäldiis, dem Kloster Stetten 4 Schilling ew ;er Gilt aus einer Wiese zu Thanheim. Bürge war ihr Ohe'm Heinrich von Schalks-burg der alte, und Zeuge ein AuDrecht von Truchtelfingen (ob Trochtelfingen? )4la. Das Siegel des Ausstellers zeigt wiederum einen Kübelhelm mit zwei zueinander geneig-ten Widderhörnern (ohne Schild), wie es Alberti Nr . 1401 abbildet42 .

Ritter Walger von Bisingen (wohl III.) war im Jahre 1342 tot und seine Burg Ror ein „Burgstall", d. h. zerstört. Am 24. Juli nämlich verkaufte Truchseß Cuon von Urach, zu Ringingen gesessen, für 500 Pfund Heller an die drei gräfl' hen Brüder Friedrich, Friedrich und Ostertag von Zollern als „Herren zu Zollern", das Burgstall Roer, das

Dorf Bisingen mit Zubehör zu Steinhofen und Grossel-fingen (mit Ausnahme von Heselwangen), wie alles Ritter Waiger v. Bisingen selig, seiner Schwester Mann, besaß und er für Betun (Elisabeth) seiner Schwester Tochter, vom Grafen Friedrich von Zollern-Schalksburg zu Lehen trug, der nun darauf verzichtet. Auch Betun von Bisingen stimmt zu und verzichtet auf die Güter 43.

Wenn Faßbender weiterhin die Truchsessin Guta, die Gattin des Schenken Rudolf von Andeck, als Tochter des Ringinger Truchsessen Cuon ansah, so war dies ein Fehl-schluß. Sie stammte vom Salmendinger Truchsess Cuon u . Das in ihrem Besitz befindliche Burgstall lag bei Semdach (abgeg. bei Stetten und Boll), hieß aber nicht so, sondern vielleicht ursprünglich Neuen oder Niederzell 4Ja.

Benz und Bäldeli Kerus von Bisingen verkauften am 17. April 1343 den Lichtmeistern und Pflegern U. Lb. Frau und st. Nikolaus zu Balingen ihren 1 beigenen Heinz K chmaier zu Thanheim um 30 Schilling Heller 45. Auch am 31. Mai 1352 veräußerten d.e Brüder Berhtold und Walger Kerus die zu Engstlatt sitzende lemeigene Mächtild, Eberhards Tochter von Hechingen, an den Gr. Friedrich den älteren von Zollern. Zeugen waren Pfaff Konrad der Stainhofer, Pfaff Berhtold Snelle, Heinz Albrechts und Benz der Steinhofer (Nachkommen des Steinhofer Adeis). Das noch anhängende S^gel des Walger Kerus ist nach Wappen und Umschrift das von Bisingen'sche 40. Demnach muß es die M ~ra zeigen, die vordem e 'e Walger v. B. "n Wappen führten! Walgger Kerus von Bisingen" war am 7. September 1365 Zeuge für den Edelknecht Burkart von Schalksburg47. Am 29. Januar 1377 sind Walger Kerus v. B. und Heinrich von Werenwag Diener der Zollergrafen Friedrich von Schalksburg des älteren und des jüngeren, der Müll heißt48 . Diese beiden, Vater und Sohn, gewährten am 20. Dezember 1378 den Bürgern von Balingen Erbfreiheit. Unter den Zeugen findet sich „der Kirchherr von Roß-wangen, unser Rat" , doch wohl der schon 1339 genannte Kirchherr Walger 49. Walger von Bisingen (doch wohl ein Kerus) siegelte am 24. Mai 1381 für Wernher von Rosen-feld, einen Nachkommen der I>:tter von Schalksburg50. Die Brüder Bäldelin und Walger von Bissingen (wohl legrimierte) Söhne des verstorbenen Firchherrn von Roß-wangen, verkauften im Jahr 1385 am 25, Februar Leib-eigene zu Engstlatt an aas Kloster Bebennausen 51.

Dies ist a.e letzte Nachricht über c1'e Herren von Bisin-gen. Lediglich am 16. Februar 1390 veräußerte Wernher Schenk (wohl von Stauffenberg) und mit mm p • ie Halb-schwester Ursel dem Kloster Stetten bei Hechingen einige Güter. Dafür mußten uie Klosterfrauen einen Jahrtag halten lassen für die verstorbenen Bruder Walger und Bäldlin von Bisingen 52. Das Seelbuch des Klosters meldet denn auch um 1650 unterm Januar : „Requiemsmesse mit Vig,:l für die Brüder Balthasar (irrig statt Bäldeli) und Walger von Bisingen" 53. Kaum begründet scheint mir die Vermutung Faßbenders, die 1428 erwähnte Stettener Nonne Ursula Krt in habe etwas mit den Kerus zu tun. E i Verschrieb statt Kerussin ist unwahrscheinlich, da der Name zudem zum Schluß nur noch „von Bisingen" lautete.

Anmerkungen: 1 Fürstenb. UB ! . S. 71, Das Wir tenbg. UB 3, 208 setzt diese

Urkunde irrig mit Mar t in Gerber t um 1227 an. 2 Freibg. Diöz . Archiv, Jg. 15, 171 K r a f t ; Ri t ter Rudolf v. Bisingen

S. 174. 3 WUB 226. 4 FDA 4, 164 und 170. » H o h z . He imat 1952, 55. 6 Monum. Zoll . I, S. 67.

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7 H o h z . J H e f t 1954, 142. 8 Knoblodi , Oberbad . Geschl. Buch 1, 91. 9 WUB 11, S. 490.

'» Mon. Zoil . I , S. 81; WUB 6, S. 92. 1 1 WUB 8, 71; Zeitsch. f . wür t t . LGesch. 1937, 338. ] 1 - W U 3 7, 46S; Es ist eine nur als Kopie erhaltene U r k u n d e ! 12 v Alberti , W ü r t t . Adels- u. Wappenbuch; Bisingen und Kerus. 13 W U B 7, 8. 14 WUB 7, 52. 1 5 Mon. Zoll . I , Seite 89. 1 6 Rot twei ler UB 1896, S. 9. 17 Mon. Zoll . I , S. 91; WUB 8, 353. 18 Mon. Zoll . I . S. 94. 19 W U B 8, 482. O b er tatsächlich aus der Zaininger Linie s tammt,

wie Faßbender annahm, sdieint ziemi.ch unsicher! 20 Fürstbg- UB 5, S. 223. 2 1 Fürstbf: UB I . N r . 631; Zeitschr. Oberrhein 10. 248. 22 Neugar t , Cod. dipl. Alem. T. S. 388. 2 3 Fürstenbg. UB 5, S. 327 f . 24 Fürstbg. UB 5, S. 331. 2 5 Neugar t , Cod. dipl. Alem. I I , S. 432. 2r> Moi Zoll. I , S. 107; WUB 11, S. 156. 2 7 R o t t w . UB S. 23. 2 8 Regest im Findbuch tür Kl. Kirchberg i. S taa t sa rm Stuttg, , nach

dem im 2. Weltkr ieg zerstörten Kirchberger Kopaloudi . 2 9 Mon. Zoll . I , S 121. 3 0 Stuttg. Staatsarch. ß 495, Seite 360.

Mon. Zoll . T, S. 123 32 Wür t t . VJahrshe f t e f. Landesgesch. 1883, S. 3. 3 3 Staatsarch. Sigmaringen: Grafsdi . Zollern. 34 Kreisbeschr. Balingen I I , S. 31. 3 5 R o t t w . UB S. 660 Anmerkung.

36 Staatsarch. Stut tg. B 462, U r k . N r . 549. 4 l a H o h z . He imat 1958, 28 -29 . 37 Si^he No te 30; Seite 375. 3 8 Staatsarch. Stut tg. B 462, Urk . N r . 714. 38a Mon. Zoll. I, S. 149. 39 Urkunden d. Kl . Stetten (Hohz . J H e t t 1955 f.) N r . 108. Hier

heißt -in Kerus erstmal „von Bisingen". Er wohnte wohl hier. O b er Erbe der Waiger war?

4 0 Urkunden Stetten N r . 111. Der Rit ter Walger v. ß . wird hier letztmals lebend genannt .

4 1 Staatsarch. Stut tg. B 462, Urk . N r . 551. 4 1a Hohz . Heimat 1953, 28 -29 . 4 2 Urk Stetten N r . 120 m n Nacht rag S. 349; Alberti , Wür t t bg .

Adels- u. Wappenbuch. 4 3 Mon. Zoll. I. Seite 153. 44 Hohz . J H e f t 1952, 79. 44a H o h z . Heimat 1969 N r . 4, Anhang S. 3: Boll. 4 5 Würt tbg . Regesten N r . 6730, Seite 252. 4 6 Mon. Zoll. I S. 1S6 nach dem Orig. im f. hohz. Haus -Auch. Sig-

mar inge r : R. 103, 4. Doch ist Kerus zu lesen, nicht Kern. Im J 1350 siegelte Johann von Estetten mit dem bisherigen Kerus-schild: Alberti I , S. 153.

4 7 Urk . Stetten N r . 255. 4 8 Mon. Zoll. I . S. 232; Ro t tw . UB Seite 168. 49 Mon. Zoll. 8. S. 43. Falsbender hält diesen „Ra t" fü r einen Sohn

des 1339 genannten Kirchherrn. 5° Staatsarch. Stut tg. B 476, U r k . N r . 35. 5 1 v . Alberti , Wür t tb . Adels- u. Wappenbuch I, S. 64; Staatsarch.

Stut tg. A 474, U r k . N r . 2400, vom 25. Febr. 1385. 5 2 U r k . Stetten N r . 329. 5 3 U r k . Stetten Seite 326.

immer seltener werden die Ausdrücke und "Wendungen in unserer heimischen Mundart. Am Rande erlauscht

Rangendingen. In gegenwärtiger 2'¿Tt wird unsere hoch-deutsche Sprache mit zahllsoen Fremdwörtern durchsetzt. Die Ausweitung des gesamten Lebens heraus aus dem ehe-mals so geschlossenen Rahmen von Dorf und Stadt in weltweite Rereiche bringt auch sprachliche Änderungen aller Art mit sich. Sogar die Muudart wird hiervon be-troffen. Manches uralte, treffliche Wort wird von der Fülle des Neuen, aber nicht immer besseren - an den Rand, die Außenseite der so vertrauten heimischen Mundart ge-drängt, um dann über kurz oder lang der Vergessenheit anheimzufallen.

Nachstehend einige Wörter und Wendungen aus unserer Mundart, die heute teilweise nur noch ganz selten im Sprachgebrauch vorkommen Da hieß es früher allgemein Kehner statt Dachrinne und Kear für Keller. Eine Tüte gab es auch nicht, dafür aber den spitz zulaufenden Gucker aus meist braunem Papier, Die Kehriiiitschaufel hieß Ätfi imchaufel , und die Stube wurde nicht ausge-kehrt, sondern ausgfurbet . Die Leistengegend nannte man 's-Gmäch. Ein einfältiger und ungeschickter Kerl war ein Lalle oder ein Dralaram. Im Kleiderschrank hing das Haß. Knechte und Mägde erhielten in früheren Zc-iten als Lohn '- Has und 's Essa. Wenn die Glocke einen Riß hat, dann sekätteret sie. Ein etwas loses Brett garret, und der hartgefrorene Schnee gauret unter den Füßen, E :n Wasser, hahn, der nicht mehr ganz c ' :ht ist, drädeiet. Wenn man dem Kinde Angst machte, so hieß man dieses Tun naita. Beim Essen soll man n'cnt ti 'la, d. h. Speiseteile ständig aus dem Mund laufen lassen und damit die Kleider be-schmutzen. Den Kleinen hat man deswegen einen Trialer oder einen Trialsdiurz umgebunden. An deren Stelle ist heute das Latzchen getreten. Wem das Essen wenig schmeckt und er dann nur mit geringer Eßlust daran her-umstochert, der ist schleckig oder ein Schnaiker. Einer

aber, der ziemlich trinkfest ist und sich ständig wacker daran hält, der dudlet oder duderet aubacha. Wer mit Arbeit so überhäuft ist, daß er bald keine Minute mehr zur Ausspannung und Ruhe findet, ist überlenkt. H a t je-mand Jnglück ,eder Art, so ergreift einen das Mitgefühl und der oder die Betreffende dauret einen. Ahnen Erwach-sene irgend etwas Gutes oder Schiechtes im voraus und wii'd dies vielleicht -.'khchkeit, dann heißt es freudig oder bekümmert: „'s hot mr au aodderet." Wer nach ge-taner Arbeir ganz ausgepumpt oder erschöpft ist, der ist ganz grea (fertig). Ein Ei, das keinen Dotter hat, bezeich-net die Mundart als lauterig. Dieser Ausdruck wird auch im übertragenen Sinne vi lsagend verwendet. Kommt emand ans Haus, den man nicht kennt, so sagt man: „'S kommt Ebber". Und mit Äbbes bezeichnet die Mundart alles wie: Tiere, Pflanzen. Geschehnisse und Vor-kommnisse, die man entweder r.cht genau kennt, sieht, hört, oder die man besonders bewundert. Was in der Zeit soeben vorbei ist, geschah bearig - und was schon ein Jahr zurückliegt, das war fend. Wenn ein Kind nicht einmal ein Weilchen still sitzen kann, dann ist es giefitzig. Eine Schraube, welche nicht mehr fest sitzt, ist lodderig und muß angezogen werden Wer durch Krankheit oder Alter sich arg geschwächt zeigt, der ist auch lodderig geworden und sitzt oft mauteng umeinander.

Die Sprachscnöpfungen der Mundart entstammen dem Urgrund unseres eigentlichen Wesens. Fast jedes Wort hat eine lange Gescb'chte und schließt Verstand, Geist und Gemüt in einmaliger We e in sich. Wenn heutzutage mit Recht soviel von dem Wert und dem Sdiucz der Umwelt geschrieben und gesprochen wird, so darf auch die Erhal-tung und Pflege der Mundart als eines der ältesten Kultur-güter in diesen Schutz miteinbezogen werden.

Joh. Wannenmacher

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W A L T H E R FRICK

Aus der Geschichte von Schloß Hohenfels

Nach Achberg scheidet auch dieses Schloß aus dem Kreis Sigmaringen. In Heft 70/3 hat die „Hohenzollerische Hei-mat" „Abschied von Achberg" genommen, nachdem die Exklave mit dem alten Schloß in der ersten, kleineren Kreisreform Hohenzollern verlassen mußte. Im Sommer dieses Jahres nun ist endgültig durch den Stuttgarter Landtag beschlossen worden, daß auch das Hohenfelser Ländchen vom Kreis Sigmaringen abgetrennt wird. Es wird dem Konstanzer zukünftigen großen Landkreis ein-gegliedert, obwohl die Hohenfelser alles Erdenkliche taten, um in letzter Minute doch noch beim Kreis Sig-

Hohenfels ist, wie Achberg, ein Bereich, dem ein Schloß, das heißt ein Herrschaftssitz, Namen und Geschichte gab. Und auch dies scheint gleich zu sein: beide sind vielen Bewohnern Hohenzollerns fast unbekannt und das, ob-wohl Hohenfels immerhin innerhalb Hohenzollerns liegt und nicht weitab im Südosten wie Achberg. Während aber das Schloß von Achberg heute eigentlich ein Mehr-familienhaus ist, beherbergt Hohenfels eine Schule, eine Dépendance der berühmten Schloßschule von Salem. Wenn man dazu eine Parallele in Hohenzollern anziehen will, so vielleicht das einstige Kloster Inzigkofen, das

Hohenfels , Aquarel l um 1840 (mit freundlicher Genehmigung des Thorbecke Verlags, Sigmaringen)

maringen bleiben zu können. Es ist also auch hier ein Abschiedslied zu singen, allerdings unter dem ausdrück-lichen Vorbehalt, den Oberarchivdirektor Dr. Eugen Stemmler 1970 auf der Jahresversammlung des Geschichts-vereins machte: gerade weil Hohenzollern jetzt zerteilt wird, sind der Verein, die Hohenzollerischen Jahreshefte und die Hohenzollerische Heimat auch weiterhin die Trä-ger der geschichtlichen Überlieferung. Es ist also nicht nur möglich und wahrscheinlich, sondern erwünscht, daß auch in Zukunft Heimatforscher sich mit dem Hohenfelser Land befassen. Denn, um noch einmal Dr. Stemmler zu zitieren, die Ortenau oder der Hegau sind auch keine politischen Einheiten mehr, dennoch gibt es dort Ge-schichtsvereine und Veröffentlichungen; und das sind nicht die einzigen Beispiele.

auch eine Stätte des Lehrens und Lernens geworden ist, allerdings für Erwachsene, die nur wenige Tage, höchstens Wochen bleiben. Hohenfels hat mehr als hundert Jahre, von 1806 an gerechnet, leergestanden. Im ersten Weltkrieg wurde hier eine Kindererholung eingerichtet, später ein Teil von Salem, da diese Schule aus ganz Europa unge-mein starken Zuzug erhielt und noch immer erhält. Un-weit davon liegt übrigens noch ein historisches Haus, das gleichfalls als Salemer Schule, das Kloster Hermannsberg, im Kreis Überlingen. Hohenfels muß eigentlich heißen Neu-Hohenfels und taucht unter diesem Namen 1292 oder 1295 in der Ge-schichte auf. Alt-Hohenfels ist heute eine Ruine, vielen Wanderern am Bodensee bekannt, oberhalb von Sipplin-gen gelegen, unfern den modernen Wasserbereitungs-

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anlagen der Bodensee-Versorgung für Stuttgart. Der Hal-denhof dicht neben Alt-Hohenfels bewahrt in einer Stube das Gedächtnis an Burkart von Hohenfels, den Minne-sänger, der aus diesem Geschlecht stammte. Im 13. Jahr-hundert gab es also zwei Burgen mit Namen Hohenfels, und beide lagen innerhalb eines Herrschaftsgebietes. Zu Neu-Hohenfels gehörten u. a. Deutwang und Oberndorf, Sigmaringer Kreisgemeinden also, und Seeinngen und Mahlspüren, zum Kreis Stockach gehörig. Zwischen den beiden Namengruppen verläuft der teilweise sehr steile Abbruch der schwäbisch-bayerischen Hochfläche zum See-becken. Alt-Hohenfels hörte etwa um die Mitte des 14. Jahrhunderts zu bestehen auf, während Neu-Hohenfels ein für Hohenzollern recht interessantes Schicksal fand; die Tochter eines Konrad von Hohenfels, der keine Söhne hatte, heiratete 1354 den Ritter Wolf von Jungingen, und so kamen die Herren aus dem Killertal zu diesem Besitz. 1506 kaufte die Deutschordenskommende Altshausen die Herrschaft Hohenfels, die genau 300 Jahre in ihrem Besitz bleiben sollte, bis 1806 das Haus Hohenzollern den Be-sitz zugeteilt erhielt. - Was für eine Burg in früherer Zeit Neu-Hohenfels darstellte, wissen wir nicht. Das älteste,

in Stein gehauene Datum befindet s h am Treppenturm des Südwestflügels und lautet auf 1553. Nach den „Kunst-denkmälern Hohenzollerns", denen wir hier folgen, soll die Kapelle möglicherweise älter sein. Sie wurde 1589 (neu?) geweiht. Was heute als Schloß dasteht, ist ein Bau aus den 173Öer Jahren, samt Zubauten und Renovierun-gen im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts. Einen Teil dieser Arbeiten leitete der große Johann Caspar Bagnato, der Baumeister des Ordens. Ein Teil allerdings, so der Südostflügel, geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Der Grundriß sieht merkwürdig verzogen aus. Nur der Öst-flügel bildet mit dem Südwestflügel einen rechten Winkel. Der nördliche Flügel sitzt in spitzem W! ikel daran, und der kleinere Nordostflügel hängt ganz schräg versetzt zwischen Ost- und West-Teil. Das hängt mit dem Stand-ort zusammen, denn das Schloß sitzt auf einem Sporn des erwähnten Abbruchs zum Seebecken. - Große Ereignisse scheinen s;ch auf Hohenfels nicht abgespielt zu haben, jedenfalls ist uns nichts davon bekannt. Hier ging das Leben offenbar immer seinen ruhigen Gang, kein Schade, wenn man weiß, was „große" Zeiten so alles mit sich zu bringen pflegen.

Ein altes Veringer Gedicht

Seine holpr^en Reime finden sich in einer Renovation des Einkommens des hl. M'chael, des Kirchenpatrons zu Vermgendorf, vom 1. Dezember 1523 (Fürstl. Arch. Sigm.: VerLigen R 78, 34 Seite 4). Vermutlich ein Kleriker der Kirche, der ich mit den Zensiten des Heiligenfonds offen-bar ungern öfter herumschlagen mußte, hat sie verfaßt. Er sähe lieber, die Abrechnung würde nur 1 mal jähr-lich unter der weltlichen Geriditslinde vorgenommen. Dann hätte der Heilige auch pirht so große Unkosten.

„Sant Michel, der Erzengel gut, Der macht gar oft ain guten Mut Im Jar herum gar vil und dick 2, Und wie es sich auch dann nun schickt, Wenn man (oft) tut zusammen kummen Und mit der Kriden 3 macht die Summen Uf dem Tische hin und har, Das ain Dings und das ander bar. Das dritt schribt man ins Rechenbuch: Anno dni. 1000 vierhundert such4! Da findest Du es alls geschrieben, Was vormals ist noch über blieben, Rubis und stubis, Batzen und Stil, Als es mich dan bedünken wil, So kosts Sant Micheln wol 10 Pfund, bis ain jetlicher netz 5 den Mund: Durch 6 sant Michels Nutz und Ehr. Ach Du mein vil lieber Her 7! Welte man Dich nit seninden, So erriet mans dick 2 under der Linden 8. Da würd es necher 9 gerichtet us, Und tätest des jars nur ain Muß,

Glich denen andern Vögeln 10 allen, Und ließt nit Dine Federn fallen, Im Jare so gar oft und dick 2. Das wär Diner Kirchen groß Gelick n , Und dazu haben allen Rat, Und was der Kirchen wol anstaht1 2 . Das würd man alles by Dir sechen 13

Uf nochzytlich Tag 14 mag ich jechen 15. Darumb Du haiiger Erzengel: Schliegst ainmal drin mit aim Bengel, Oder ließest Du din Wage schnellen, Daß ainsmals dann dieselben Gsellen Fielent rus us Diner Wag, Und über sy kern aine Plag, Als1 6 do geschach den Azottern 97, Die da nammet die Arch Gotts des Herrn, Und stöllten sy zu Dagons Saalen 1S. Darum würdent sy zur Erde falen."

Daß vor über 400 Jahren auch im Laucherttal ein Verse-schmied saß, war vielen bisher unbekannt!

Anmerkungen: 1 gute Stimmung bei den Zahlenden 2 häufig, oft. 3 Kreide. 4 die Jahrzah l 1400 läßt vermuten, daß die Verse schon ins 15. Jh . zu-rückreichen. 3 benetzen mit dem vom Heil igen zu stellenden Wein! 6 zu 7 H e r r entstanden aus „hehr" . 8 wohl Gerichtslinde, nicht im Pfa r rhaus . -im Wein. 9 näher . 1 0 Zinseinnehmer; gewagte Anspie-lung auf die Flügel des hl. Michael. 1 1 Glück. 12 ansteht, nü tz t . 1 3 sehen. 14 Hochfeste. 1 5 sagen, verkünden . 1 6 so wie. 1 7 Im 1. Buch der Könige Kap . 5 wird e rzäh l t : Die Bewohner von Azot stellten die den Israeliten abgenommene Bundeslade in ihren Tempel vor die Statue d :s Götzen Dagon, die dann immer wieder herabstürzte . 18 Tempelraum (Vgl, Mit t l . Hohz . 1916 (Jg. 50) 101).

Joh . Adam Kraus

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J O H A N N ADAM KRAUS

Hechinger Bürgersöane im Kloster Allerheiligen, davon zwei bedeutende Äbte

N u r mit Wehmut kann der Wanderer, der die Schön-heiten des Schwarzwaldes bei Oppenau genießend die dortigen Wasserfälle hinaufgestiegen ist, die Ruinen des ehemaligen Prämonstratenserklosters Allerheiligen (Ge-markung Lierbach bei Oberkirch) betrachten, in dem 600 Jahre lang die regulierten Chorherren des hl. Norbert von Pr< montre das Lob Gottes verkündeten. Im Jahre 1803 wurde das auf eine Stiftung einer Gräfin von Schauen-burg zurückgehende Kloster aufgehoben, und die Ge-bäude fielen kurz darauf einem Blitzschlag zum Opfer. Die Ruinen der 1260 erbauten und 1470 erneuerten Kir-che sind Zeugen bedeutenden Kunstschaffens. Oft ist Al-lerti „iigen auch das Ziel von Ausflügiern aus Hohenzol-lern und Hechingen. Daß auch t lige Bürgersöhne aus Hechingen im 17. und 18. Jahrhundert hier dem Orden beitraten und zwei von - inen zur Würde des Abtes erhoben wurden, scheint bei uns weiterhin unbekannt zu sein. Das Erzbischöf. ""he Archiv in Fre '<urg verwahrt einen schmalen Band (Signa-tur H a 561), in dem a e Chorherren des 18. Jahrhunderts die Namen von Insassen und Vorstehern des Stiftes mit ihrem Profeßjahr aufgeze hnet haben. Es finden sich: Nr . 272 Rev. Pater Edmundus Kipp, Hechinganus, prof.

1696. Nr . 273 R. P. Franciscus Moser, Hechinganus, prof. 1698. Nr . 278 R. P. Joachimus Baehr, Hechinganus, prof. 1706,

abbas 38. Nr . 284 R. P. IfTridus Baehr, Hechinganus, prof. 1710. Nr . 292 R. P. Carolus Pulser, Hechinganus, prof. 1718,

abbas 40. Nr . 298 R. P. Joannes Baehr, Flechinganus, prof. 1726. Nr . 303 Frater Josephuc Baehr, Hechinganus, diaconus,

prof. 1738. Auf Seite 8 steht nun näheres über den 38. Vorsteher des Klosters: „Er hat auf diesen Blättern di? Geschichte sei-ner Vorgänger beschrieben und seinen, der ewigen Selig-keit würdigen, Namen noch hinzugefügt: Joachimus Baehr, zum Abt gewählt am 20. Jun 1718. Er stammte aus Hechingen, war vor der Wahl Subprior, Novizen-meister und mehrere Jahre Professor der Philosophie und Theologie. Er regierte 28 Jahre, war ein Mann von ge-

fälligem heiteren Wesen, bei den Seinen wie auch bei den Fremden (besonders den Fürsten) wegen seiner guten Sitten und frommem Leben sehr geliebt, ein Vorbild im Studium und Beten, sowie in den geistlichen Übungen für unsere Gemeinschaft. Unter ihm stieg nicht nur die Zahl der Mitbrüder, sondern auch die klösterliche Zucht, die Studien und das familiäre Zusammenleben ungemein. Die zum Weinbau nötigen Gebäude und Ställe, die durch vorausgehende K ege zerstört waren, hat er teils repa-riert, teils neu errichtet. Er baute auch das Pfarrhaus in Appenweier und hier in Allerheiligen das Gästehaus neu wie auch andere Gebäude in und außer dem Kloster und renovierte dii Kirche. Er stattete auch die armselige Sakristei reichlich mit Paramenten aus, tat sich hervor durch Freigebigkeit und Hilfsbereitschaft gegen die Ar-men. Er leuchtete hervor durch Sittenreinheit und von jung an durch Reinheit und übte bewundernswerte Zu-ri khal tung und Vorsicht gegenüber den Frauen. Seine hervorragenden Werke der Oekonomie sind im Protokoll des hochw. Abtes Carl weiter unten beschrieben. Er starb hier im Kloster an einer kleinen Wunde am Fuß, die durch einen Nagelriß verursacht war, wozu nachher eine iL 'liehe Blutvergiftung (?) kam, am 18. Mai des Jahres 1776. Beerdigt wurde er im Heiligtum, wo sich die Cnor-stühle befinden."

Der 40. Vorsteher und 8. Abt: „Der hochwürdigste Her r Carolus Pulser aus Hechingen wurde am 19. August 1756 (nach dem Tode des Abtes Laurenz Schlecht) gewählt und erst am 10. Juli 1757 geweiht vom hochw. Prälaten Benedikt (Rischer) von Gengenbach unter Assi :enz der Benediktineräbte Bernhard (Beck) von Schwarzach und Carolus (Vogel) von Schuttern, und zwar in der Pfarr-kirche von Oberkirch Die Weihe hatte sich wegen Schw.'1-rigkeiten mit dem zuständigen bischof von Straßburg verzögert. Abt Carolus Pulser le::ete das Stift in hervor ragender Weise zu höchstem Nutzen der \ "ssenschaft und Oekonomie. Er starb selig im Herrn am 16. September 1766 im Alter von 66 Jahren, im 42. Jahre seines Prie-stertums. Sein Le i j ruht am Eingang des neuen He g-tums (sanetuarium) unter der Ampel. Es möge ihm leuch-ten das Ewige Licht. Amen."

Wappenbuch der HAG AG, Bremen

In den letzten Jahren wurde von der H A G AG das be-kannte, von Prof. O. Hupp verfaßte Sammelwerk „Deut-sche Ortswappen" neu aufgelegt. Als Band 8 erschien 1971 das Bundesland Baden-Württemberg. Die Neubearbeitung besorgte Klemens Stadler. Nach einem kurzen Überblick über d ;e Geschichte der einzelnen Landesteile foigt eine sehr lesenswerte Ausführung über das gemeindliche Wap-pen- und Siegelwesen ' i Baden-Württemberg, Der spe-zielle Teil bringt auf 100 Seiten ca. 400 Ortswappen von Baden-Württemberg, ,eweils mit einer kurzen Beschrei-bung der Ortsgeschichte, des Wappens und seiner Her-kunft. Von Hohenzollern finden wir c :e sieben Städte Gammertingen, Haigerioch, Hechingen, Hett.ingen, Sig-maringen, lYochtelfingen und Veringenstadt, außerdem die Orte Bingen und Burladingen. Für den Heimatfreund

bildet das Werk nicht nur eine interessante Lektüre, son-dern auch ein wichtiges Nachschlagewerk. B.

Die Flur Beltmur, über die Michael Walter (Hohz. JHeft 1955, S. 31) ausfuhrlich schrieb, lag nicht auf Gemarkung Veringenstadt, w er meinte, sondern 1444 in der Flur Stetten, die zu Veringendorf gehört (Freibg. Diöz. Arch. 1968, 436). Der Stettener Berg "egt mitten im Laucherttal und zeigt oben eine künstliche Zui.chtung, vielleicht von einer Befestigung oder Kirche. Wie neulich wieder bei der Archivartagung 1970 in Leutkirch betont wurde, be-deutet Betmur (anderwärts Betbur) soviel wie Kapelle, eigentlich „Gebets-Mauer" Aus dieser Bezeichnung möchte man schließen, die Betmur habe ursprünglich eine offene Gebetsnische oder nn halboffenes Hei_igtum be-deutet. Ob diese Stätten in aie älteste Zeit des Christen-tums zurückreichen, wie Walter vermutete, ist schwerlich glaubhaft, da jeder Beweis fehlt. Kraus

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J O H A N N ADAM KRAUS

Die Zimmerer und das Bruderhaus Bernstein

Der von 1269 an nachweisbare Ortsadel von Heiligen-zimmern ist von Max Schaitel in Zollerheimat 1936, 18-19 behandelt worden. Ihre Burg lebt zwar nicht ein-mal mehr in der Erinnerung der Einwohner, aber t 'ne ..Burghaide" über dem ehemaligen Herren- und späteren Kirchberger Hof ist im Jahre 1560 noch nachzuweisen. Herrenhof und Burg :nd deutliche Zeugnisse der ehe-maligen niederadeligen Herren. Ursprünglich hießen sie Herren „von Zimmern", aber bald Zimmerer oder Zlm-merli, um nicht mit den ebenfalls am Ort begüterten hoch-adeligen Herren (späteren Grafen) von Zimmern (d. i. Herrenzimmern bei Rottweil) verwechselt zu werden.

Nach dem Schwesternbuch des Frauenklosters Kirchberg unweit Heiligenzimmerns hätten c. e ade gen Damen Elisabeth von Büren (a'bgeg. i Beurener Tal nebenan: Gemeinde Vöhringen) und die beiden leiblichen Schwe-stern Willburgis und Kunigundis von Zimmern das Klo-ster kurz vor 1237 gegründet (Honz. JHef t 1964, 341). Man darf bei diesen beiden an Heiligenz.mmern denken, das alt „Zimmern in Horgun", Horgenzi nmern, Holgen-zimmern hieß. Als erster männlicher Sproß wird „Wernher genannt Zymerli" 1269 mit Walger von Bisingen er-wähnt. Im Janre 1296 war ein gieichnan ger Ritter Wernher Zimmerer hohenberj eher Vogt zu Haigerloch und 1318 ersehe .'t Wernher der Zimmerer mit seinem Sohne Heinrich als Bürger zu Horb (Urk. 138 des Kl. Kirchberg im Stuttg. Staatsarchiv). Schon 1308 hatte ein Priester Konrad der Zimmerer einen Hof zu Schietingen (Kop. Kirchb. II, 23). Konrad wird auch am 20. Juni 1317 mit diesem Hof und zwe1 leiblichen Brüdern Albrecht und Wernher aufgeführt (Mon. Hohbg. 211). Am 1. Mai 1364 war Conrad Zimerb Bürge für Heinrich den Buwenburger zu Haigerloch (Urk. 367 Kirchbg.) und 1369 für Renhard von Berstigen (ebenda U 732). Viel-leicht der gle..he Konrad Zymerli hatte 1389 als hohen-bergisches Lehen das Dorf Imnau Hno der Vogtei und einem Haus in der Unterstadt Haigerloch (Müller, Quel-len Hohenbg. I, 134: Kodier Haigerloch 774). 1418 und 1419 nennt Alberti einen Georg und Anshaim Zimerer

zu Hammetwt 1. Schaitel bringt noch weitere Daten, wozu noch zu ergänzen ist: Am Sonntag Vocem jueunditatis (26. April) des Jahres 1478 erhielt He r - ch Zimmerer, dessen Familienzweig wohl seit Beginn des 15 Jahrhun-derts in Hammetweil bei Neckartenzlingen wohnhaft war, als österreichisches Lehen das Schloß und die Güter zu Hammetweil mit 44 Jauchert Acker, 30 Mm Wiesen, 20 J Egerten, 400 Mg Wald, 6 Mg Weingärten. Dies alles hatte jedoch schon fünf Jahre später e n Hans von Kalten-tal inne. Um diese Ze> verschwinden die Zimmerer aus den Urkunden. Ihr Wappen zeigte ein oder drei Zim-merbeile im Schild (einmal einen Flügel mit 1 Beil; vgl. Albertis Wappenbuch). Schaitel nimmt mit Recht an, daß die Familie bereits um 1300 den Ort Heiligenzimmern verl.' 'ß, dortigen und be-nachbarten Besitz stieß sie jedoch erst später ab, was zu beachten bleibt: Am 19. Februar 1351 verkauften die Brüder Konrad, Hermann und Heinrich die Zimmerer ans Kloster Kirchberg alle Lire Äcker und Wiesen, die sie und hr Vater im Banne von (Heiligen-)Z.mmern hatten, um 10 Pfund Heller. Bürge ist Ritter Marquard von Ow. Dabei wird angemerkt, daß die 3 Brüder knapp zu ihren Tagen gekommen (großjährig) seien (Kirchb. U 814). Wichtig ist die Nachricht Hodlers (nach Theod. Schön): Am 2. Januar 1361 habe Hermann von Ow von den-selben Zimmerern Kunz, Hermann und Heinz, genannt „von Höfarts- (d. i. Hamniet-)weiler", um 45 Pfund Hel-ler den bei Heiligenzimmern gelegenen Wald Bernstein samt etwa 90 Jauchert Feld gekauft, habe es als bisheriges Lehen des Klosters Reichenau freigemacht und am 21. Juli 1361 den Waldbrüdern geschenkt, was wohl den Anfang des Bruaerhauses Bernstein (zwischen Heihgenzimmern und Kirchberg) bedeutete. Denn laut Glatter Chronik übergab Abt Eberhard von Reichenau am 12. November 1361 dein Bruder Ulrich (Ulin) die Hofstat t Bernstein mit der Bedingung, daß die Waldbrüder dafür jährlich auf Lichtmeß Va Pfund Wachs reichen müßten. Im Jahre 1370 weil te dann Bischof Heinrich von Konstanz die erste Kirche zu Bernstein (Hodier, 274 und Anmer-kungen).

Vertrag über die Heiligkreuzkapeile bei Hechingen 1406

Die gräflichen Brüder von Zollern Friedrich der Schwarz-graf und Ostertag einigen sich mit dem Hecninger Dekan Heinrich Boll und ihrem Vetter Fritz von Zollern (dem Oettinger) wegen der Kapelle des hl. Kreuzes auf dem Uchtat, die neulich erbaut und geweiht wurde, laut Ur-kunde vom 3. April 1406. Sie mv'nten, die Kapelle ge-höre in die Pfarrkirche gen Hech' .gen und die Kasten-vogtei daselbst. Der Vetter aber bringt vor, .e Kapelle stehe auf dem Seinen und des Klosters zu Stetten Eigen-tum und er hab die Kapelle gebaut und soll sie auch ver-leihen und besetzen. Es wurde dann vereinbart: Aus den Einkünften der Kapelle ist ,ährin h im Herbst an den Kirchherrn zu Hechingen 1 Pfund Heller zu geben. Graf Fritz (der Oettinger) soll der Kapelle und des Opfer-stockes zuständig sein, sie besetzen und entsetzen n t Pfleger, Priester und allen Sachen. Der oder die Priester

der Kapelle sind dem Kirchherrn zu Hechingen zu nichts verpflichtet, weder zu Dienst, noch Zehnt, noch Opfer, noch sonst etwas, außer es würde etwas zur Kapelle ge-stiftet, was vorher der Pfarrkirche Hechingen oder den genannten Brüdern von Zollern zehntbar war. Dieser Zehnt soll wie bisher ble' ien, außer Zinsen, Korngilt und Hellergilten. Die Brüder verzichten auf alle Ansprüche an die Kapelle. Pfaff Heinrich Boll, Dekan des Kapitels Hechingen und Kirchherr daselbst, stimmt dem förmlich zu. Alle drei Grafen und der Dekan siegeln und dazu noch Konrad Eminger, Dekan und Kirchherr zu Ebingen, Wernher Gnaister als Meister der freien Künste und Kirchherr zu Balingen, sowie Hans Hürning (Hüring) als KLchherr zu Weilheim. (Kopie im f. hohz. Haus-archiv R. 78 N . 66.) J. A. Kraus

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Der Begriff Burgstall

Das Wort Burgstall bedeutet nicht einen Viehstall bei einer Burg, sondern wörtlich „die Stelle, an der eine Burg steht oder stand". Es wird meist gebraucht von einer ver-gangenen Burg oder Burgruine, an die das Recht des Wiederaufbaus geknüpft war. Interessanterweise ist der Begriff Burgstall wesentlich erweitert in einer lateinischen Urkunde des Bischofs Rudolf von Konstanz vom 15. No-vember 1278 mit Bezug auf Jungingen. Es heißt da: „Eberhard von Jungingen habe ans Johanniterhaus Jungental (bei Starzein i. Killertal) eine Schenkung ge-macht, nämlich die Hälfte des Dorfes Jungingen und den ganzen Landbereich der Burg Jungingen (municipium castri J.), der gewöhnlich Burgstall genannt werde, und zwar mit allem seinem Zubehör, wie er auch heißen möge, nämlich Vogtei, Wiesen, Weiden, Wälder, Haine, Ge-wässer, Wasserläufe, Mühlen, Wege, Unwegsames, Bann-rechte, Jurisdiittion genannt Zwing und Bann." Demnach bedeutete Burgstall nicht nur Stelle einer Burg oder Burgruine mit dem Recht des Wiederaufbaus, son-dern umfaßte den ganzen rechtlichen Bereich, der zu einer Burg gehörte. Deshalb ist bei Veräußerung oder Besitz-wechsel einer Burg manchmal unterschieden zwischen Burg und Burgstall, wie z. B. 1405, wo Ritter Jörg Truchseß von Ringingen und seine Frau Ursel von Hörningen die Feste Habsberg bei Langenenslingen samt dem Burgstall an Stephan von Gundelfingen verkauften. (HJHef t 1952, 18; Die Urkunde betr. Jungingen liegt im Staatsarchiv

Stuttgart B 352, U 406. Vgl. auch Berner, Dorf und Stift Oehningen 1966, S. 227.) J. A. Kraus

Neuer Strüb-Kalender

Die Hohenzollerische Landesbank hat auf 1972 wieder-um in Zusammenarbeit piit der Erzabtei Beuron einen Kalender herausgegeben. Er ist dem Maler Peter Strüb aus Veringenstadt (gest. 1540) gewidmet, hier identifiziert als „Mi !ster von Meßkirch". Die Bank, die solche wert-vollen Kalender mit Kunstwerken verklungener Epochen in Südwestdeutschland herausgibt, erwirbt sich damit ebenso ein kulturelles Verdienst wie d'e Kunstanstalt in Beuron mit der hervorragenden Ausstattung. Sie schreibt auch die Texte in drei Sprachen - französisch, englisch und deutsch - wodurch der Kalender einen interna analen Anstrich erhält. Es soll aber nicht verhehlt werden, daß die im Text geäußerte Meinung, Peter Strüb sei der „Meister von Meßkirch", nach wie vor heftig umstritten ist. Was den Verlag dazu veranlaßte, diese Identität als so selbstverständlich vorauszusetzen, wie es hier geschieht, wissen wir nicht. Neuere Erkenntnisse in der Strüb-Forschung dürften es nicht sein, sonst wäre die Rede davon. In dieser Frage ist schon viel Tinte verspritzt wor-den, und wir wollen ihn nicht von neuem entfachen. Wir weisen ledigl :h auf das Problematische hin, den letzten der Strüb in Veringenstadt ohne weiteres mit dem namenlosen Meßkircher Meister gleichzusetzen. Frick

Eremitenleben

Bekanntlich lebten auch in Hohenzollern im 16. und 17. Jahrhundert bei einsam gelegenen Kapellen Eremiten oder Einsiedler als Wächter und Mesner, aie teils von milden Gaben, teils von ihrer Hände Arbeit lebten. Was kirch-lich von ihnen gefordert wurde, geht aus einem Schreiben im Erzbischöflichen Arch'v Freiburg hervor, daß sich in der aus Konstanz vom Bischofshof stammenden Hand-schrift Nr . 330, Seite 2u8 findet:

„Vor mir (dem Generalvikar des Bischofs von Konstanz) erschien der geliebte Frater Nikolaus aus der Stadt Horb und brachte vor, er wolle ein Eremitenleben führen und zwar auf dem Berg der hl. Uttha bei dem Kloster Utten-weiler (b. Riedlingen) mit den Statuten, wie sie fü r Ein-siedler gelten und dem vorgeschriebenen Habi t oder Ordendskleid. Erbrachte gute Empfehlungen von gesetz-ten und glaubwürdigen Personen betreffend seinen Le-benswandel. Somit gestatten wir ihm hiermit kraft bi-schöflicher Autorität, an dem besagten Or t Eremit zu werden und daselbst Gott treu zu dienen. Zu seinem Lebensunterhalt soll er (in der Armut des hl. Franziskus) milde Gaben frommer Leute erbitten. Damit jedoch für seine Aufführung eine gewisse Sicherheit gegeben ist, muß er sich verpflichten:

1. Das Gelübde der freiwilligen Armut, steter Keuschheit und des Gehorsams gegen den Oberhirten abzulegen.

2. Täglich das kl^ tie Offizium (Stundengebet) zur aller-seligsten Jungfrau Maria zu beten, und soweit er am Or t und seiner Gesundheit nach möglich ist, täglich die hl. Messe besuchen.

3. Auf jeden ersten Sonntag im Monat zu beichten und kommunizieren, falls nicht sein Beichtvater anderes be-stimmt.

4. Jeden Freitag des Jahres und an andern von der Kir-che bestimmten Tagen zu fasten, außer wenn er krank ist oder durch sonst einen vernünftigen Grund verhin-dert wird.

5. Muß er geloben, seinen Habi t nicht abzulegen oder zu andern ohne Zustimmung der Obern.

Zur treuen Erfüllung dieser Vorschriften hat er sich in einem feierlichen E. Ischwur vor uns und unserem Nota r verpflichtet. Hierauf haben wir ihn in unseren bischöf-lichen Schutz und unter die „klerikale Kriegerschar" auf-genommen. Seinen Beichtvater, der gelehrt und fromm sei, darf er aus dem Klerus der Umgegend selbst aus-wählen, wie er jetzt den Dekan des Kapitels wählte. Da-mit er bis an sein Lebensende in seinem hl Beruf ver-harre, ermahnen wir alle, deren L lfe er angeht, ihm freigebig Gaben der cf stlichen Liebe zukommen zu las-sen, damit alle von Gott dem Vergelter alles Guten da-für einen reichen Lohn erlangen. Zu Urkund dessen haben wir dieses Schriftstück ingehöndig unterzeichnet und mit dem gewöhnlichen Siegel unseres Vikariats bekräftigt. Konstanz im b^chöfl. hen Palais am 7. September 1615." In Hohenzollern fanden sich ehemals Eremiten auf der Trocntelfinger Haid, im Bittelschießer Täle, auf dem Kornbühl, auf den Hennenstein, bei Deutstetten-Verin-genstadt, bei der Allerheiligenkapeiie in Glatt und (nach J. Wetzel) auch bei Weilheim. (J. Wetzei, Gesch. i . k. Kirche i. Hohz. 1928, 313.) J. Adam Kraus

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Urgeschichte im Schmeiental Constantin Feck er zum Gedächtnis

Die sogenannte Zigeunerhöhle zwischen Unterschmeien und dem Viadukt bei Inzigkofen war im vergangenen Sommer das Ziel von Arbeiten des Tübinger Institutes für Urgeschichte. Dr. Wolfgang Taute, der die Arbeiten leitete und nächstes Jahr fortsetzen will, bezeichnete die Periode um 12 000 bis 8 000 vor Christus als „weiße Flecken" auch im gut durchforschten Baden-Württemberg. Hier liege die Nahtstelle zwischen Alt- und Mittelstein-zeit, die noch wenig erkundet sei. die Arbeiten erbrachten mehrere Brandhorizonte tief unter dem jetz-gen Höhlen-boden, auf dem in Sommernächten oft feuchtfröhliche Ge-lage stattfinden, was Dr. Taute veranlaßte, alles wieder bis zum nächsten Jahr zuzuschütten. In den verschiedenen Horizonten wurden winzige Steinwerkzeuge gefunden, außerdem viele Knochen, die Aufschluß geben über die Ernährung der Siedler. Die Forscher wissen jedoch noch nicht, ob die Horizonte nur wenige Jahre oder Jahrhun-derte auseinanderliegen. Sie vermuten, daß die Höhle periodisch zugeschwemmt wurde sowohl von der (damals höher liegenden) Schmeie, als auch von einem jetzt ver-schwundenen Bach, der aus dem Kirchtal herunter-schäumte. Den Platz selber nannte Dr. Taute ideal für Fischer und Jäger, so nahe an der Schmeie, die damals noch nicht von der Ebinger Industrie abgetötet war! Mit-genommen wurden auch Holzkoh'lenreste, um aus ihnen die Holzarten zu analysieren, di/2 damals hier wuchsen. Die genannte Periode war zugleich die des letzten zu-rückweichenden Eises. fr .

Adel von Imnau ist bisher n -it bekannt. Jedoch führt Hodler (OA Haigerloch S. 774) als Hohenbergische Le-hensleute um 1380 auf: Ulrich von Ymmenowe und den Maiger von Ymmenowe, d. i. den Meier (villicus) eines hohenbergischen Hofes. Schon am 7. März 1330 nennt Albrecht von Stetten, benannt der Ganusser, als Bürger zu Haigerloch seine Mutter selig Sophy, seinen Groß-vater Albrecht von Ymnowe und dessen W)rtin sei Diemut (Urk. Kirch'berg Nr . 296), was immerhin zu be-acnten sein dürfte. Kraus

In seinem 76. Jahr ist Oberlehrer in Ruhe Constantin Fecker in seiner Heimat Steinhofen verstorben. Aus der Präparandie in Hechingen führte ihn sein Lebensweg durch den ersten Weltkrieg zum weiteren Studium in St. Wendel und zu mehren Stationen im Schuldienst in Ho-henzollern. Er war Schulleiter in Unterschmeien, später in Bisingen und endlich in seiner Heimat Steinhofen. Neben seiner beruflichen Tätigkeit widmete sich der Ver-storbene, in bester hohenzollerischer Lehrertradit.on, der Heimatforschung und schrieb unzählige heimatgeschicht-liche Arbi ;en, sowohl für Zeitungen als auch für die Ho-henzollerische Heimat. Auch über berühmt gewordene Steinhofer be ichtete Constantin Fecker und trug so in fleißiger Arb t dazu bei, die Heimat und ihre Geschichte bewußt zu machen und ihre Kenntnis zu vertiefen. Sit ei terra levis. Fr.

Maximilian Müller aus Hechingen, Bildhauergeselle bei Jörg Zürn in Überlingen

In einer Urkunde vom 24. Mai 1625 bezeugt Maximilian Müller, Bildhauergeselle bei Jörg Zürn in Uberlingen, daß er in seiner Vaterstadt zu Hechingen die freie Kunst der Bildhauerei fünf Jahre lang gelernt habe. Am 20. Juli 1628 wurde Mixirn'Han Müller lt. Überlinger Ratsproto-koll wegen eines Raufhandels um 20 Pfd. und wegen „grewlichen Gottslästern" um 42 Pfd. gestraft. (Nach Claus Zoege von Manteuffel, Die Bildhauerfamilie Zürn). Müller hat vermutlich bei Taubenschild in Hechingen ge-lernt. Er dürfte ein wichtiger Mitarbeiter am Überlinger Hochaltar gewesen sein. B.

Die Flurnamen Rauns (Runs, Runz) werden von man-chen ohne Begründung als keltische Uberreste angesehen. So wurde z. B. auch auf der Archivartagung 1970 in Leutinreh geäußert. In Freiburg heißt die Wasserzulei-tung zu den bekannten Stadtbächie „Runz". Das Wort Wasserrauns (Ringingen) läßt sich jedoch einfach auf das Zeitwort „rinnen" zurückführen und bezeichnet einfach einen (bzw. einen ehemaligen) Wasserlauf. Die Ringinger Flur dieses Namens hat nur nach starken Regenfallen noch etwas Wasser. J. A. Kraus

H O H E N Z O L L E R I S C H E HEIMAT

herausgegeben vom Hohenzollerischen Ge-schichtsverein in Verbindung mit den Staat-lichen Schulämtern Hechingen und Sigmarin-gen. Verlag: Hohenzollerischer Gesehichtsverein 748 Sigmaringen. Karlstraße 3. Druck: M. Lieh-ners Hofbuchdrudcerei KG, 748 Sigmaringen, Karlstraße 10.

Die Zeitschrift „Hohenzollerische Heimat" ist eine heimatkundliche Zeitsehl : ' t . Sie be-sonders die Bevölkerung in Hohenzollen mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge aus der Geschichte unseres Landes. Sie veröffentlicht bevorzugt Beiträge, die im Schulunterricht verwendet werden kön-nen.

Bezugspreis: 2,00 DM halbjährlich Konten der „Hohenzollerische.i Heimat": 802 507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen 123 63 Postscheckamt Stuttgart

Die Mitarbeiter dieser Nummer:

Josef Mühlebach Landesverwaltungsrat i. R. Sigmaringen, Leopoldstraßc

Dr. Hartmann Reim Landesamt für Denkmalpflege Tübingen

Johann Adam Kraus Pfarrer und Erzbischöflicher Archivar i. R. 78 Freiburg-Littenweiler, Bachstraße 2

Johann Wannenmacher Hauptlchrer i. R. Rangendingen

Schriftleiter:

Dr. med. Herbert Burkarth 7487 Gammertingen, Eichertstraße Telefon 07574/329

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