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(Aus der Anatomischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser-Wilhelm-Institut] in Miinchen und aus der 1)sychiatrischen und Nerven- klinik der Universit~t Kiel.) Histopathologische Bei'unde im Zwisehenhirn bei Tmuoren mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. Von Stefan Weisz. Mit 14 Textabbildungen. (Eiugeg~lngen elm 10. Oktober 1932.) In einer vorangehenden Mitteilung ,,Zur Klinik der Tumoren mit Zwischenhirnsymptomen" 1 habe ich fiber das bevorzugte Auftreten yon einigen Symptomen berichtet, die unabh/ingig yon der Lokalisation der Tumoren in den beschriebenen F/~llen zu beobachten waren. Die Be- teiligung des Zwischenhirns am Zustandekommen der Symptome wurde durch makroskopische Befunde, welche die Rfickwirkung auf das Zwischen- hirn erkennen lieBen, veranschaulicht. Die Berechtigung, (lag es sich bei den beschriebenen Erscheinungen um Zwischenhirnsymptome handelte -- Schlafsucht, Pupillenst6rungen, vegetativ-vasomotorische StSrungen, Polyurie, Pollakisurie, Temperatursteigerungen, pl6tzlicher Tod, psychische Auffitlligkeiten --, wurde aus der Ubercinstimmung der Beobachtungen mit den einschl/igigen Angaben abgeleitet. Die Beteiligung des Zwischenhirns und des angrenzenden Abschnittes des Mittelhirns am Zustandekommen wichtiger K6rperfunktionen und Regulationen wurde durch die grundlegende klinische Untersuchung yon Mauthner. durch die Experimente von Karplus und Kreidl und dutch die Auswertung der Beobachtungen bei der Encephalitis durch Economo gezeigt und dutch eine groge Anzahl klinischer, anatomischer und ex- perimenteller Arbeiten erg/s die eine, wom6glich yon einer um- schriebenen Stelle aus erfolgende Regulierung gewisser Funktionen nachzuweisen bestrebt waren. Bei der Bedeutung, die solche Schlul~folgerungen ffir die Klinik haben, lag es nahe, die klinisch beobachteten Tumorf/~lle einer n/iheren und Arch. f. Psychiatr. 9.~.

Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren mit „Zwischenhirn“-Symptomen mit Bemerkungen über das Schlaf problem

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(Aus der Anatomischen Abteilung der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatrie [Kaiser-Wilhelm-Institut] in Miinchen und aus der 1)sychiatrischen und Nerven-

klinik der Universit~t Kiel.)

Histopathologische Bei'unde im Zwisehenhirn bei Tmuoren mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit

Bemerkungen fiber das Schlafproblem. Von

Stefan Weisz.

Mit 14 Textabbildungen.

(Eiugeg~lngen elm 10. Oktober 1932.)

In einer vorangehenden Mitteilung ,,Zur Klinik der Tumoren mit Zwischenhirnsymptomen" 1 habe ich fiber das bevorzugte Auftreten yon einigen Symptomen berichtet, die unabh/ingig yon der Lokalisation der Tumoren in den beschriebenen F/~llen zu beobachten waren. Die Be- teiligung des Zwischenhirns am Zustandekommen der Symptome wurde durch makroskopische Befunde, welche die Rfickwirkung auf das Zwischen- hirn erkennen lieBen, veranschaulicht. Die Berechtigung, (lag es sich bei den beschriebenen Erscheinungen um Zwischenhirnsymptome handelte - - Schlafsucht, Pupillenst6rungen, vegetativ-vasomotorische StSrungen, Polyurie, Pollakisurie, Temperatursteigerungen, pl6tzlicher Tod, psychische Auffitlligkeiten - - , wurde aus der Ubercinstimmung der Beobachtungen mit den einschl/igigen Angaben abgeleitet.

Die Beteiligung des Zwischenhirns und des angrenzenden Abschnittes des Mittelhirns am Zustandekommen wichtiger K6rperfunktionen und Regulationen wurde durch die grundlegende klinische Untersuchung yon Mauthner. durch die Experimente von Karplus und Kreidl und dutch die Auswertung der Beobachtungen bei der Encephalitis durch Economo gezeigt und dutch eine groge Anzahl klinischer, anatomischer und ex- perimenteller Arbeiten erg/s die eine, wom6glich yon einer um- schriebenen Stelle aus erfolgende Regulierung gewisser Funktionen nachzuweisen bestrebt waren.

Bei der Bedeutung, die solche Schlul~folgerungen ffir die Klinik haben, lag es nahe, die klinisch beobachteten Tumorf/~lle einer n/iheren und

Arch. f. Psychiatr. 9.~.

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eingehenderen anatomischen Untersuehung zu unterwerfen. Obzwar schon die makroskopische Betrachtung bestimmte Beziehungen bereits erkennen lieB, erschien eine feinere Analyse doch notwendig, um die makro- skopisch erhobenen Befunde durch die histologische Untersuchung zu pr~tzisieren und zu gleicher Zeit zu versuchen, genauere topische Be- ziehungen zwischen klinischen Erscheimmgen und anatomischer Lokali- sation herzustellen.

Es sei schon hier vorausgeschickt, (lab Marburg gegen die Beweis- kraf t yon Tumoren Einw~inde erhoben hat, die meines Erachtens durchaus zu Recht bestehen, soweit zur Entscheidung - - wie zumeist - - nur makro- skopische Befunde herangezogen werden. Es ist einleuchtend, dab klinische Symptom-Verkoppelungen und makroskopische Befunde fiber etwaige Ausdehnung des Prozesses nur bedingt in Parallele gesetzt werden kSnnen. Nur die vollst~indige histologische Untersuchung der Zwischen- hirnregion kann hier mit einiger Aussicht auf Erfolg verwertet werden.

Aber selbst bei einer glficklichen Konstellation werden solche Befunde (lie experimentellen Ergebnisse selbstverstiindlich nicht ersetzen kSnnen. Was hier aber zu erreichen ist, scheint trotzdem der Bearbeitung wert: der Vergleich der experimentell gewonnenen Daten n~mlich mit den - - sit venia verbo - - unter den natfirlichen Bedingungen des kranken Organismus entstandenen Zwischenhirnsymptomen. Es handelt sich also um Fragen der kliuischen Pathologie, der funktionellen Zusammenh~inge neben der Lokalisation, die bier uns interessieren, um zu erfahren, welche Veriinderungen dem klinischen ProzeB zugrunde gelegen haben.

Das Hirnmaterial der vorliegenden Untersuchung, das den in der Greifswalder Nervenklinik beobachteten Fitllen ents tammt, wurde mir von Prof. Forster fiberlassen, woffir ihm auch hier mein Dank gesagt sei. Von den 7 verSffentlichten Tumoren wurden 6 eingehend anatomisch untersucht. I m 7. Fall (Fall 1 der klinischen Mitteilung) war das mir iiberlassene Material ffir die geplante Untersuchung nicht ausreichend. In den anderen 6 F~llen wurde die Zwischenhirnregion vollst~ndig mit den oralen und caudalen anschlieBenden Hirnabschnitten herausge- schnitten und nach der Nisslschen Methode in Serienschnitten ver- arbeitet. Hierdurch war eine ausreichend vollst~ndige l~bersicht nicht nut fiber das eigentliche Zwischenhirn, sondern auch fiber (lie anschlieBen- den Teile des Endhirns und des Mittelhirns mSglich.

Der Arbeit wurde in topographischer Hinsicht die Darstellung der menschliehen Zwischenhirnregion im Nissl-Bilde durch Gagel zugrunde gelegt 1. Bei der Auswertung der histopathologischen Ver~inderungen

1 Die Nomeuklatur richter sich gleichfalls naeh (;agel. in allen F/illen wurde auf folgende Gebiete besonders geachtet: Nucleus supraoptieus, Nucleus para- ventricularis, Tubenkerne, Nucleus mamillo-infundibularis, Corpora mamillaria, Nucleus paramedianus, Nucleus reuniens, Corpus Louysi, Meynertsches Ganglion und zentrales H6hlengrau.

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s tanden mir als Vergle ichsmater ia l (tie in der Fo r schungsans t a l t vorhan- denen Pr / ipara te yon Bodechtel und Gagel fiber die tuberkul6se Meningit is und Pol ioencephal i t i s superior zur Verffigung. Aus Grfinden, die zum Tell rein p rak t i sche r Na tm ' waren, ist bei den vor l iegenden F/i l len nur die Nissl-F~rbung angewendet women, da cs en t sprechend der gestel l ten Aufgabe in ers ter LiMe darauf ankam, eine lfickenlose Serie herzustel len. Daher wurde auf die Anwen(hmg der in der His topa tho log ie sonst gef ibteu Methoden verzichte t . Neben diesen Erw/igungen mehr technischer N a t u r sprach noch ein U m s t a n d dafiir , die Unte rsuchungen in der genann ten F o r m zu beschr/ inken. Die Aufdeckung der Bahnverbin<hmgen und ihre pathophysiologische Bewer tung ist fiber die ers ten Versuche kaum hinaus- gekommen. Also selbst dann, wenn etwaige Ver/in(terungen bei den sonstigen Methoden gefunden worden w/~ren, w/~re deren E ino rdnung zur Zeit wohl k a u m m6glieh. Andererse i t s war selbst bei der al leinigen Anwendung der Nisslschen Methode die E r w a r t u n g berecht ig t , mi t ihrer Hilfe fiber das Wesent l iche der Veri inderungen und ihre 6rtl iche Ver te ihmg K l a r h e i t schaffen zu k6nnen.

Die m m folgenden 6 F~lle sind in (tcr l%eihenfolgv der kl inisehen Mit te i lung beschrieben.

Fall Heu: In klinischer Beziehung sei wiederhoflt, dal~ bei dem Patienten bei der Aufnahme eine rechtsseitige Hemiparese, ungleiche Pupillen, unausgiebige Lichtreaktion und im rechten Arm ein zeitweilig auftretender Tremor von stri/irem Charakter gefunden wurde. 3 Tage nach der Aufnahme trat Schlafsucht auf, dann Temperaturerh6hung ohne krankhaften Befund an den inneren Organen, Seit Auftreten der Schlafsucht h/~ufiges Einn~ssen. Der Patient starb pl6tzlich.

Makroskopisch handelte es sich um einen Tumor des linken Schl~fenlappens. (ler die Basis des Temporallappens und die Gegend des Ammonshorns durch- wachsen und die Basalganglien nach oben gedrgngt hat.

Bei der histologischen Untersuchung fand sicb folgendes: Der Tumor, der s,~rkmnat6sen Charakter tr~gt und in die Umgebung infil-

trierend einw~chst, dr~ngt von lateral nach medial in zwei Zapfen, die voneinander (lurch eine dfinne Schicht von Hirnsubstanz getrennt sind. Er erreicht zun~tchst das Meynertsche Ganglion und das dariiberliegende Gewebe. Beide werden vonder den Tumor umgebenden Gliose eingebettet. Etwa in der gleichen H6he ist eine ziemlich umschriebene, wie eine Metastase imponierende, vom Haupttumor getrennt liegende Tumormasse an der Ventrikelwand siehtbar, die auf der H6he des voll entwickelten Supraopticus verschwindet. Der Supraopticus selbst wird yon den vordr~ngenden Tumormassen sukzessive durehwachsen, am st~rksten in der H6he. in weleher der Paraventrieularis auftritt (Abb. 1). Dabei sind die tumornahen Bezirke besonders dicht durchsetzt, w~hrend der fibrige Tell weniger befallen ist. [n diesem Schnitt ist das Meynertsche Ganglion bereits vollst~ndig eingebettet und die Zahl seiner Zellen stark vermindert. Zu Beginn des Tuber cinereum findet man eine starke Gliose, die meist aus Sti~bchenzellen besteht (Abb. 2). Auf dem Schnitt, der den voll entwickelten Paraventricularis erkennen 1M~t, trit t ventral yon diesem wiederum eine runde, umschriebene Tumormasse auf, die zun~chst keinerlei Verbindung mit dem Haupttumor erkennen l~Bt (Abb. 3). Auf den folgenden Sehnitten nimmt diese in der Ventrikeln~he befindliehe Tumormasse zu, bis sie schliel~lieh durch ein breites gli6ses Band mit dem Hauptteil des Tumors verbunden wird. Das zwischenliegende Gewebe wird yon den Tumorzellen

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24 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwisehenhirn bei Tumoren

durchwachsen, zum Tell jedoch yon der starkert gliSsen Brticke durchsetzt. In der N~he der wie Metastasen erscheinenden Tumormassen sind die kleinen H6hlengrau- zellen in den ventrikelnahen Abschnitten stark gelichtet. Besonders trifft dies auf den lateral, ventral und medial yon dem fast kreisrunden Tumorgewebe liegenden Abschnitt zu, in welchem HShlengrauzellen nut ganz vereinzelt zu finden sind. Dieses Bild ist in der ganzen Ausdehnung der ventrikelnahen Tumormasse zu linden, zwischen Schnitten, die etwa 200 ~t welt voneinander tiegen. An Stelle der ausgefallenen H6hlengrauzellen findet sich reiehlich Hortega-Glia. In den hinteren Abschnitten, aber noch vor Auftreten der Corpora mamillaria finden sich an

Abb. 1. Fall Heu. Einwt~chsen des Tumors in den Sul)raopticus.

verschiedenen Stellen fleckf6rmige Ausf~lle von kleinen H6hlengrauzellen, meist in der Umgebung yon kleineren Gef~Ben, dieht unterhalb des Ependyms. Die (~faBo selbst zeigen leichte Proliferation ihrer Wandzellen. Oberhalb des Ven- trikelbodens finder man schlieBlich etwa im l~bergangsgebiet zum Mittelhirn vereinzelte Zellen in chronischer Ver~nderung. Sie weichen yon den iibrigen Zellen deutlieh ab durch ihren dunkel tingierten Leib, welcher Kern und Protoplasma nicht deutlieh unterseheiden laBt. Die Zellfortsatze erscheinen gewunden.

Zu erw~hnen sind noch die Zellen im Supraopticus selbst, die ein eigenartiges Bild aufweisen. Die Zellen selbst erseheinen gro$, ihr Protoplasma unscharf be- grenzt, die sonst so typisch gelagerte Nissl-Substanz undeutlich, nur an den Randern in randst/~ndiger Anordnung sichtbar. Der Zellkern selbst ist blaschenf6rmig, hell, mit deutliehem Kernk6rperchen. Er liegt meist exzentrisch. Diese Bilder sind sehr sehwierig zu deuten, da sie sich nicht in die typischen Zellerkrankungs- formen einordnen. Da diese Ver/~nderungen beiderseits zu beobachten waren, ist es nicht ausgesehlossen, dab es sich dabei um unspezifische Ver~nderungen handelt. Hervorzuheben ist noeh, daB, abgesehen yon diesen )~nderungen, die iibrigen Kerngebiete keinerlei Auff~lligkeiten erkennen lieBen.

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. '25

Abb. 2. F~dl Heu . (}lioue im &ufangs te i l des Tuber .

~.l)b. 3. Fall Hell. T u m o r m a s s e n ill tter Ventrikelnikhe.

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O~ 6 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

Fal3t man also die histologischen Ver/tnderungen zusammen, so sind folgende Abweichungen zu erw/thnen: Durchwachsen des Meynertschen Ganglions und des Supraopticus durch Tumormassen, Zellausfall im Meynert, Gliose im Anfangstei l des Tuber, Tumormassen in der N/the des Ventrikels, die als Metastasen imponieren, Unte rgang yon kleinen H5hlengrauzel len in deren Umgebung, fleckfSrmige Ausf/tlle, meist gefiiBbedingt, an der Ventr ikelwand, einzelne chronisch ver/tnderte Zellen im l~bergangsgebiet zum Mittelhirn.

Fall St4: Beginn der Erkrankung mit Kopfschmerzen. Dann Schw~che und Unsicherheit in den Beinen, verschwommenes Sehen und erschwertes Wasser- lassen. Die klinische Untersuchung ergab Pupillendifferenz und unausgiebige Lichtreaktion. Im Verlauf trat zwei Tage sp~ter Temperatursteigerung und h/~ufiges Wasserlassen ein, einige Tage sparer Schlafsucht bei rapide zunehmenden klini- schen Erscheinungen. Makroskopisch handelte es sich um einen Tumor des Hypo- physenganges, der yon der Hirnbasis nach oben gewachsen ist und dabei das zwisehenliegende Gewebe zum grol3en Tell vernichtet hat.

Der histologische Be/und ergab: Der Tumor dr~ngt yon unten und seitlich nach oben. Er ist umgeben von einem Gliamantel, der den Supraopticus durch- w/ichst. Der Tumor engt dann den III. Ventrikel, dessen Boden vor sich schiebend, ein, wie einen Handschuhfinger. Der Paraventricularis wird zur Seite verlagert und dann zum groflen Tell vernichtet. Das umgebende HShlengrau wird durch die einwachsenden Tumormassen ebenfalls vernichtet. Auf der der Ausstiilpung gegeniiberliegenden Seite des Ventrikels sieht man nahe dem Paraventricularis progressive Gtiazellen, an Zahl immer zunehmend und von einer symptomatischen Entzfindung der Gefitl3e begleitet, wclche bis in den Paraventricularis hinein- reicht. Unter den Infiltratzellen sieht man neben Lymphocyten nicht selten typische Plasmazellen. Die Zellen des Paraventricularis selbst zeigen AuflSsung (ler perinukle~ren Nissl-Substanz, die Kerne selbst erscheinen unver~ndert, hSch- stens verlagert, so da~ man h~ufig ein Bild zu Gesicht bckommt, das Zellen in prim~rer Reizung ~hnelt. In sp~teren Schnitten ver~ndert sich das Bild. Es tritt massives Tumorgewebe auf. welches zunachst am unteren Ende des Paraven- tricularis liegt und eine schwere Nekrose des umgebenden Gewebes mit massen- haften Gitterzellen bedingt (Abb. 4). Die Tumormassen sind durch Glia vonder Umgebung einigermaBen isoliert. Im weiteren Verlauf dringen die Tumormassen in den Paraventricularis selbst hinein. Der Prozei3 greift immer mehr um sich. so dal3 schliel31ich der ganze Paraventricularis izl den Tumormassen aufgegangen ist und seine Zellen v611ig verschwunden sind. Der Tumor zeigt in seiner Um- gebung vielfach gem/~stete Glia. Die Tubergegend zeigt starke Lichtung der H6hlen- grauzellen und eine Sehi~digung der Tuberkerne selbst. Diese sind verlagert und untermischt mit gem/isteten Gliazellen und Sti~bchenzellen. Sehliel31ich erscheint der Boden des III. Ventrikels selbst quergestellt. In der beigegebenen Abb. 5 wird dieses Verhalten veranschaulicht. Man sieht den quergestellten kompri- mierten Ventrikel, zugleich sieht man die Vernichtung der im Boden liegenden Bezirke. Auch der eigenartig vordringende Tumor ist gut sichtbar. Im weiteren Verlauf wird das H6hlengrau fast v611ig durch den immer mehr vordringenden und um sich greifenden Tumor vernichtet. Auch im Nucleus reuniens ist ein Aus- fall sichtbar, welcher zum Tell durch Sti~bchengliose gedeckt ist. Im hinteren Abschnitt des Zwischenhirns treten die H6hlengrauzellen am Boden wieder mehr in Erscheinung. Dagegen findet man hier im Mamillo-infundibularis zahlreichc gem~stete Gliazellen, die zwischen den an sich nicht veri~nderten Zellen diffus verstreut liegen. Weitere Verimderungen findet man im w)rderen Absehnitt des Corpus subthalamicum. Hier sieht man zahlrciche ischi~mische Zellen, deren Keru

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m i t , , Z w i s c h e n h i r n " - S y m p t o m e n m i t B e m e r k u n g e n i iber das Schl~fproblem. 27

Abb. 4. Fall Stfi. Nckrosc um den Tumor.

Abb. 5. Fall Stti. Querstellung 4es I I I . Ventrikels dutch den vordringenden Tumor.

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2~bb. 6. Fall Stti. Verlagerung (ler Corpora mamillaria.

Abb. 7. Fall Trie. Nekroserandbezh'k.

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eckig und dunkel, deren Zelleib homogen blab gefi~rbt erscheint. Die Nissl-Substanz ist aufgelSst. Diese Zellen gruppieren sich um eine herdfSrmige Blutung. In den hinteren Teilen des Kernes zeigen die Zellen keinerlei :4nderung, sie scheinen durchaus normal mit hellen Kernen, Fettfleek und deutlieher Nissl-Substanz. Die Ver~nderungen betreffen auch die Gegend der Corpora mamillaria. Diesc werden durch die vordringenden Tumormassen vSllig verlagert, sie liegen schr/ig. dutch ein Band miteinander verbunden, etwa vergleichbar einer schri~ggestellten Brille (Abb. 6). Die Zellen selbst sind anscheinend nicht wesentlich verringert, typische Ver~nderungen zeigen sich nicht. Zwischen beiden Corpora mamiltaria in der Commissura supramamillaris findet man vielfach progressive Glia.

Abb. 8. Fail Trio. Blutun~ und Nekrose im Pa raven t r i cu | a r i s .

Der histologische Befund ergab also in diesem Fa l l erhebl iche Ver- s die sich sowohl auf die ven t r ike lnahen Abschn i t t e des Zwischenhirns als auch auf die yon diesem la te ra l gelegenen Teile er- s t reckten. Bemerkenswer t is t dabe i der Un te rgang einzelner Kerngeb ie te und die Vern ich tung grol~er Teile des HShlengraus . Die Ver~nderungen reichen bis in die rfickw&rtigen Abschn i t t e des Zwischenhirns.

Fall Trie: Dieser Patient ist mit Mfidigkeit, hiiufigem G/ihnen, taubem Ge- fiihl in den Gliedern, Abnahme der Sehkraft, Unsicherheit beim Gehen und bei Hantierungen erkrankt. Bereits am Tage der Aufnahme fiel eine zunehmende Schlafsucht auf. Anatomisch handelte es sich um ein Endotheliom, das yore Ten- torium cerebelli ausgegangen ist.

Der histologische Be/und bot folgendes: In der HShe des Auftretens des Para- ventrieularis ist auf der dem Tumor gegeniiberliegenden Seite eine Nekrose sicht- bar, die vom oberen Tell des erw/ihnten Kernes schr/ig unten lateral nach dem

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30 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

Supraopticus zieht. Im medialen Abschni t t des le tztgenannten Kernes f indet man vielfach ischamisch ver~nderte Zellen. In den folgenden Schni t ten n i m m t die Nekrose an Ausdehnung zu, der Paraventr icular is wird zum Teil mi t hineinbezogen. Am ausgedehntesten ist sie vorm Auftre ten der Massa intermedia. Auf diesen Schni t ten sieht man auch auf der Tumorseite kleine Blutungen mit lokaler Glia- reaktion im Paraventricularis . Die erw/~hnte groBe Nekrose zieht schlie~lich bis

.~.bb. 9. Fall Fre. Nokrose zwischen Supraopticus un4 Paraventricularis.

in das Gebiet des 1)araventricularis hinein, in welchem man neben isch~misch ver~nderten Zellen Reste yon Blutungen findet. Die Nekrose ist gegen die Um- gebung durch deutliche Glia- und GefaBwucherungen begrenzt (Abb. 7). Sic wird schliel31ich so ausgedehnt, dal~ nur noch ein Saum am Ventrikel erhal ten ist. Auf diesem Schnit te sieht man, wie Abb. 8 zeigt, daI~ der Paraventr icular is zum grOBten Teil vernichtet ist und da~ die Nekrose sich lateral bis in den Thalamus hinein erstreckt. Nach un ten dehnt sic sich bis in den Nucleus lateralis tubcris aus. An weiteren Schni t ten sieht man dann, dab die Nekrosc beginnt, sich zu teilen. Der obere Abschni t t wird durch eine medial yore Fornix gelegene Brficke mit der unterha lb vom Fornix gelegenen Nekrose verbunden. Der Mamillo-infundibularis ist zum Teil in der Nekrose aufgegangen. SchlieBlich erscheinen an folgendeu

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Sehnitten zwei voneinander getrennte Herde : Der obere liegt medial und oberhalb vom Fornix, reieht bis in den Thalamus bzw. nahe an den Ventrikel heran. In ihrer Umgebung starke progressive Gliareaktion. Die Gliazellen sehen zum Tell schlauehfSrmig ausgezogen aus. Die untere Nekrose, welche die hinteren Abschnitte des Tubers einnimmt, zeigt deutliche Organisationstendenzen, Gef~l~wucherungen und eine progressive Umwandlung der umgebenden Glia. Die Gefal~wucherungen sind besonders deutlich am Boden des Ventrikels zu sehen. Der Boden selbst ist in die Nekrose meist einbezogen. Die Zellen in der Umgebung der Nekrose zeigen isch~mische Ver~nderungen.

A b b . 10. F a l l F re . Ncka'ose u n t e r h a l b des P a r a v e n t r i c u l a r i s .

Die histologisehe Unte r suehung dieses Fal les zeigt somit ausgedehnte Nekrosen der ven t r ike lnahen Gegend des Zwischenhirns. Dabe i sind Paravent r icu la r i s , Mamil lo- infundibular is , Supraopt icus , die Tuberkerne und die kle inen HShlengrauzel len besonders affiziert . La t e r a l greif t die Ver/s auf den Tha l amus fiber. Die Ver/s selbst e rs t reck t sich vom Auf t r e t en des Pa raven t r i eu la r i s bis in das h intere Dr i t t e l des Zwisehenhirns hinein.

Fall Fre: Klinisch zeigte dieser Fall ausgesprochene Schlafsucht, haufiges G~hnen, differente, auf Licht tr~ge reagierende Pupillen, Rigor im reehten Arm, Temperatursteigerungen bei negativem internem Befund und Polyurie. Der Tumor selbst ging vom Caudatum aus, hat den linken Seitenventrikel verschlossen und grill nach hinten bis in den Thalamus hincin und verdr~ngte die Wandung des III. Ventrikels.

Histologisch war folgendes zu linden: In Sebnitten, die etwa der HShe des Auftretens des Paraventrieularis entsprechen, sieht man auf der dem Tumor ent- sprechenden Seite eine Nekrose zwischen Supraopticus und Paraventricularis

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liegen, mit Gef/~ilwucherungen der Umgebung und mit Zellver/tnderungen im nekrotisehen Gebiet selbst (Abb. 9). Diese Zellen erinnern an die schweren Zell- ver/inderungen Nissls. Im selben Schnitt sieht man auf der dem Tumor entgegen- gesetzten Seite eine Blutung im Thalamus mit starker Reaktion in der Umgebung von seiten des Gef/~13systems und der Glia. Diese Blutung nimmt in sp/iteren Schnitten an Ausdehnung zu und erstreckt sich nach hinten auf etwa 30 Schnitte. Der Tumor selbst w/iehst yore Caudatum her nach unten, naeh innen und naeh

Abb. ]l . Fall Fre. Gliaproliferation im Tube)'.

hinten. Er wuchert in den Fornix hinein, erreicht die gegeniiberliegende Seite und ruft in seiner Umgebung eine sehr starke gliSse Reaktion hervor, die haupt- s~chlich aus gem/~steten Gliazellen besteht. Die zwischen den Tumorzellen liegenden Parenchymteile, sowohl des Caudatums wie spiiter auch des Thalamus, sind zum Teil vernichtet. Die Gliawucherung reicht bis in den Hypothalamus hinein. Im vorderen Tuberabschnitt tr i t t auf der Tumorseite unterhalb vom Paraventricularis, lateral bis zum Mamillo-infundibularis reichend, eine Nekrose auf, die medial an die Ventrikelwand grenzt (Abb. 10). In ihr zahlreiche isch/~misch ver/~ndertc Zellen, massenhaft Gitterzellen und in der Umgebung Wucherung der Gef/iB- wandung. Die HShlengrauzellen sind im Bereich der Nekrose ausgefallen. Die Nekrose hat oral die grS•te Ausdehnung, nach hinten zu engt sie sich ein. Vorn reicht sie bis in das Tuber hinein und wird von einer starken herdf5rmigen gliSsen Proliferationszone abgeschlossen (Abb. l l ) . An weiter nach hinten liegenden Sehnitten sieht man dann im Fornix starke Glia und Gef/~llreaktion, erstere in

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Form yon syncytialen Gliasternen. Im hinteren Abschnitt des Zwischenhirns, am Ubergang zum Mittelhirn, sieht man ebenfalls auf der Tumorseite eine Blutung ventrikelw/~rts yon der eben auftretenden Substantia nigra (Abb. 12). Die Um- gebung der Blutung zeigt Gefi~f~wucherung, zahlreiche K6rnchenzellen und ischa- mische Ver/~nderung der in diesem Bezirk liegend.en H6hlengrauzellen. An der Ventrikelwandung selbst sieht man in diesen Schnitten kleine, abet deutlich er- kennbare Lichtungen in den Zellmassen.

Abb. 12. Fall Fre. B lu tung und Nekrose fin l?bergangsgebie t zum 3Ii t telhirn.

Die histologischen Ver~nderungen in diesem Fa l l bo ten also mannig- fache Bilder. I n verschiedenen HShen, yon der Pa raven t r i cu la r i sgegend bis zur Mit te lh i rnregion reichend, sah man die oben beschr iebenen herd- f6rmigen Nekrosen. Besonders erw/~hnenswert is t die Nekrose zwischen Supraopt icus und Paravent r icu la r i s , dann die Nekrose un te rha lb des Paraven t r icu la r i s , welche bis in den Tuber re icht und do r t durch eine herdf6rmige Gliose begrenzt wird, und schlieBlich die B lu tung mi t Er- weichung am t3bergang zum Mit telhirn.

Fall Schra: Neurologisch handelt es sich in diesem Fall um einen ProzeB, der auf die rechte Stirn-Schli~fenregion hinwies. Psychisch hot er ausgesprochenen Rededrang und Euphorie, verbunden mit erschwerter Auffassung. Am Tage nach der Aufnahme trat Schlafsucht ein und noch am selben Tage verschied der Patient pl6tzlich. Makrosko- pisch fand sich ein Tumor, der aus dem rechten Schli~fenlappen in die Stammganglien hineingewachsen ist und die Konfiguration der Ventrikelgegend vergndert hat.

Der histologische Be/und war folgender: Histologisch zeigt der Tumor das Bild eines Glioblastoma multiforme. Im

Caudatum und Pallidum sieht man eine sehr ausgedehnte Nekrose, die bis an die

Z. f. d. g. Neur . u. Psych. 144. 3

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Ventrikelwand reicht. Diese Nekrose liegt noch vor dem eigentlichen Zwischen- hirngebiet. Der Tumor erreicht dann in sp~teren Scknitten, yon lateral nach medial vordringend, das Meynertsche Ganglion und den Supraopticus, welche er durchw~chst. Einzelne Supraopticuszellen zeigen chronische Zellveri~nderung mit Inkrustationen. In dieser Gegend sieht man ein ausgesprochenes 0dem des Gewebes. Unterhalb des Paraventricularis finder man dann nahe der Ventrikelwand mehrere geschrumpfte H6hlengrauzellen mit dunkel gef~rbtem Leib und gewundenen Fort- s~tzen. Im Paraventricularis selbst auffMlig viel St~bchenglia. Dar vordringende Tumor verursacht in seiner Umgebung dann eine ausgedehnte Blutung. Diese liegt in der N~he und oberhalb des Meynertschen Ganglions. Das umliegende Gewebe zeigt eine deutliche Nekrose, so auch Teile des Meynert selbst. Andere Zellen des Meynertschen Ganglions zeigen eine sehr schwache und homogene Tin- gierung bei erheblicher Verfettung. Die ganze Zelle ist yon tropfenf6rmiger Fett- substanz ausgeftillt. Schliel31ich ist eine leichte progressive Gliavermehrung zu erw~hnen, welche medial vom Mamillo-infundibularis unterhalb des Fornix auf Schnitten der Tumorseite zu sehen is$, die den Beginn des Corpus mamillare er- kennen lassen. Die fibrigen Kerngebiete zeigen keinerlei Ver~nderung.

Der histologische Befund in diesem Fal le zeigte demnach aul3er de r Gliose im Meynert und Supraop t icus und den s t a rk ve r fe t t e ten und homogen gefs Zellen im Meynert keine grSberen Vers im ven t r ike lnahen Abschn i t t des Zwischenhirns. Zu erw~hnen s ind noch die chronischen Ver~,nderungen einzelner Zellen, die le ichte St~bchen- gliose im Paraven t r i cu la r i s und die leichte progressive Gl i ave rmehrung media l vom Mamil lo- infundibular is . Die ausgedehnte Erweichung im S t r i a t u m und Pa l l i dum liegt noch vor dem Gebie t des Zwischenhirns.

Fall Ast: Bei der Aufnahme bot dieser Patient das Bild der Pseudodemenz. Neurologisch fand sich u. a. ein grober Tremor der rechten Hand. In der der Auf- nahme folgenden Naeht traten zwei epileptiforme Anf~lle auf. Im weiteren Verlauf trat Schlafsucht und Temperatursteigerung ein. Anatomisch handelte es sich um ein Meningiom des linken Stirnhirns. Unterhalb des Tumors war eine frische massive Blutung zu sehen, welehe in den Kopf des Caudatums erfolgt ist.

Der histologische Be/und ergab: mehrere gesehrumpfte Zellen im auf der Tumor- seite gelegenen Infundibulo-mamillaris, in dem Teil, welcher das Corpus mamillare umgibt. In derselben H6he am ausgedehntesten, aber schon weit vorher beginnend, ist eine auf der gleichen Seite liegende sehr ausgedehnte Nekrose mit Gewebs- zeffall und hochgradiger gli6ser Umwallung zu sehen, die lateral vom Corpus mamillare liegt und schr~g nach oben in das Pallidum zieht (Abb. 13). Den Aus- gangspunkt dieser Nekrose bildet eine Blutung, deren Reste lateral vom Corpus mamillare liegen. Auf der gegeniiberliegenden Seite sieht man eine Blutung ober- halb des medialen Thalamuskernes, die gli6s abgesetzt ist. An vielen Schnitten sieht man ferner im Paraventricularis lange und schmale Zellen mit schlecht ge- f~rbtem Protoplasma, sichtbaren Forts~tzen und grol3en, hellen Kernen. Solehe Zellen sind nur im hinteren Abschnitt des Paraventrieularis zu linden, wi~hrend der vordere Teil des Kernes ohne Besonderheiten ist. Daher erscheinen die geschil- derten Zellen auf den ersten Blick auff~llig, obwohl aueh sie nicht in die typischen Zellver~nderungen einzureihen sind. Das Gebiet des Tuber ist nicht ver/~ndert.

Die histologische Unte r suehung ha t also in diesem Fa l l e neben vereinzel t l iegenden chronischen Zellen im Mamil lo- infundibular is eine ausgedehnte Nekrose im la tera l vom Corpus mami l la re l iegenden Gebie t ergeben, welche naeh oben bis ins Pa l l idum hiueinzog. Schliel31ieh fiel

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. 35

eine eigenartige Zellvergnderung im hinteren Abschnitt des Paraventri- cularis auf, die keinem der bekannten Typen entsprach, die aber im Ver- gleich zu den Zellen im vorderen Abschnitt desselben Kernes als auff/illig anzusehen war. Es ist nicht sicher zu sagen, ob es sich dabei um echte pathologische Veriinderungen tmndelt.

Nachdem wir die Befunde, die die histologische Untersuchung in den einzelnen F&llen ergeben hat, angefiihrt haben, erscheint es jetzt zweckmgl~ig, diese unter allgemeinen Gesichtspunkten zu gruppieren.

2~bb. 13. Ft~.ll & s t . Gl i i i ser W~dl u m [[ic N c k r o s o n e b c n dora ( ' o v p . s m~l,mil]n,re.

In qualitativer Hinsicht handelt es sich in der Hauptsache um Nekrosen, Zellveri~nderungen, herdfSrmige Zellichtungen und um Glia- und Gef/~[L reaktionen, schliel~lich um das Hineinwachsen des Tumors oder seines Gliamantels in bestimmte Bezirke. Interessant ist (lie lokale Verschieden- heit der Gliareaktion. Wie schon Bodechtel und Gagel gefunden haben, reagieren die ventrikelnahen Gebiete zumeist mit einer progressiven St/~bchengliose, w/~hrend die sonstigen Abschnitte vorzugsweise andere Formen progressiver Glia, darunter vielfach gem~tstete Zellen gezeigt haben. Die entsprechenden Abbildungen zeigen dieses Verhalten deut- lich an. Bemerkenswert ist die grof~e Resistenz der eigentlichen Kern- gebiete. Unter den Zellver/~nderungen iiberwiegen die isch/~mischen. Diese waren in den nekrotischen Gebieten zu finden. Abet auch andere Formen kamen hier und da vor, und zwar solche, die an die sehwere Zell- erkrankung Nissls erinnerben, solehe, die das Bi]d der Zellschrumpfung

3*

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36 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

zeigten und ferner solche, die eigenartige, nicht n/~her zu rubrizierende Ver~nderungen aufgewiesen haben. Bei den Lichtungen der HShlengrau- zellen handelte es sich um gef/iBbedingte Herde, im Fall Heu aul]erdem noch um Ausfi~lle um den in der Ventrikeln~he liegenden Tumor.

Einer n/iheren Besprechung bediirfen die Nekrosen. Sie stellen zweifels- ohne nicht nur die grSl~ten, sondern auch die schwersten Ver/mderungen dar. Einige von ihnen wurden allem Anschein nach durch den vor- dringenden Tumor bedingt, und zwar wahrscheinlich dort, wo die Zer- stSrung des Gewebes in unmittelbarer Nachbarschaft des Tumors statt- gefunden hat. Ob es sich dabei um einen direkten EinfluB des Tumors gehandelt hat, war nicht immer sicherzustellen. Vielfach schien es, insbesondere im Fall Schra konnte dies nachgewiesen werden, da[~ die GewebszerstSrung sekund/~r, n/imlich als Folge einer Blutung in der Tumorn/ihe erfolgt ist.

Bei der fiberwiegenden Mehrzahl der Nekrosen war jedoch eine un- mittelbare Beziehung zu den Tumormassen nicht nachweisbar. Die Nekrosen trugen in diesen F~,llen stets die Merkmale einer gef/~ftbedingten Sch/~digung, yon der einfachen Erbleichung bis zum Auftreten deutlicher Zeichen einer Erweichung (KSrnchenzellen, Gef/iBwucherung, Gliaum- wallung usw.). So erscheint es nicht unwahrscheinlich, dalt diese Nekrosen ihre Entstehung unspezifischen, allgemein wirksamen Faktoren ver- danken, und dab sie mit dem Tumor selbst nur mittelbar zusammen- h/s In erster Linie ist dabei an die Folgewirkungen eines gesteigerten Binnendruckes in und um den I I I . Ventrikel oder an pl5tzliche Druck- schwankungen zu denken, die vornehmlich dutch die vorhandene Him- schwellung hervorgerufen worden sind. Fiir (tie letztere Annahme spricht die Tatsache, dab in den beschriebenen Fiillen keine Anzeichen eines direkten oder eines sekund/tren Hydrocephalus gefunden worden sind, andererseits abet eine Hirnschwellung bei der Obduktion festgestellt werden konnte. Wieweit diese allein die Form des Gehirnes zu beein- flussen imstande ist, zeigt die aus der klinischen Mitteilung entlehnte Abb. 14 des Falles Schra, bei welchem die rechte HemisphEre eine voluminSse Zunahme nicht nur etwa im blutig inbibierten Tumorbezirk, sondern in ihrer ganzen Ausdehnung aufwies. Die linke Hemisphere erschien wie ein Anh/~ngsel der rechten.

Somit kSnnte man also die erw~hnten Nekrosen als eine vom Sitz des Tumors weitgehend unabh/tngige Sch/~digung auffassen, die uns in den Stand setzt, das Auftreten von Zwischenhirnsymptomen auch bei yore Zwischenhirn r/~umlich entfernt liegenden Tumoren zu erkl~ren.

LKBt man diese Deutung zu, so erhebt sich die Frage, ob nicht auch in anderen F/~llen mit manifestem Hirndruck solche anatomischen Ver- ~nderungen im Zwischenhirngebiet zu finden sein mfiSten. Also z .B. in F/~llen von Kleinhirntumoren, die ja bekanntlich besonders zum gesteigerten Hirndruck neigen. In der Literatur ist mir nut ein Fall yon

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mit ,,Zwisehenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Sehlafproblem. 37

Marinesco, Sager und Kreindler bekannt geworden, der einen Cerebellar- tumor ohne klinisehe Erseheinungen von seiten des Zwisehenhirns betraf, bei welchem abet anatomisch eine diffuse Proliferation der Glia in den W/inden des I I I . Ventrikels und am Tuber cinereum zusammen mit un- charakteristischen Zellver/inderungen festzustellen war. Nekrosen wurden in diesem Falle nicht beobaehtet. Es seheint also so zu sein, dal] sich F~lle mit ehronisch zunehmendem Hirndruek und solche, in denen erhebliche

Abb. 1~. Fal l Schr~. Schwelh lng dcr Tumorhemisph~trc .

Druckschwankungen w/thrend der Krankheit aufgetreten sind, bezfiglich ihrer Folgeerscheimmgen verschieden verhalten. Dies scheint ein nicht unwichtiger Hinweis zu sein, falls es gelingen sollte, diese Beobachtung durch weitere FMIe zu erh/irten. Auf die Bedeutung der proliferativen Veri~nderungen kommen wir noch in anderem Zusammenhang zuriiek.

Die Auswertung der klinischen Befunde in topischer und quantitativer Beziehung ergibt eine bemerkenswerte Mannigfaltigkeit, (tie die Beurtei- lung erheblich ersehwert.

Was zun/~chst die Lokalisation der Befunde anbelangt, so waren (lie Ver/~nderungen auf die versehiedensten Gebiete des Zwisehenhirns verteilt. Sie griffen aber auch auf die benachbarten Teile des Mittel- hirns und Endhirns fiber. Im eigentlichen Zwischenhirnbereich reichten sie vom Supraopticus bzw. yore Meynertschen Ganglion, falls man dieses noch zum Zwischenhirn rechnen will, his zur Umgebung der Corpora mamillaria. Eine Bevorzugung der oralen, meist tubernahen Abschnitte des Zwischenhirns war dabei unverkennbar, in besonderem MaBe betrafen die Nekrosen zumeist dieses Gebiet. Eine Feststellung fibrigens, die bereits yon Bodechtel und Gagel gemacht wurde. Zu erw/~hnen ist noch, dab (lie Ver/~nderungen sich nicht nur etwa auf die ventrikelnahen Ge- biete des Hypothalamus beschri~nkten, sondern dal3 sie mitunter auch auf die ventrikelbenaehbarten Teile des ThMamus iibergegriffen haben.

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38 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

Am deutlichsten war dies vielleicht im Falle Trie zu sehen, in welchem die Nekrosen sich auf groBe Gebiete erstreckten. Bemerkenswert dabei war, dab bei den ins Zwischenhirn hineinragenden Tumoren (Fall Heu und Schra) Veranderungen gelegentlich auch auf der dem Tumor ent- gegengesetzten Seite zu finden waren. Vielleicht daft dieser Umstand, wie schon oben angedeutet, so erklart werden, dab (tie Vergnderungen sekundgr, gefgBbedingt und nicht als einfache Folgeerscheinung der Tumornghe aufzufassen sind. Beachtung verdient die Verteilung der Veranderungen auch deshalb, weft sie zeigt, dab einseitige VerKnderungen bereits zu manifesten klinischen Symptomen ffihren kSnnen. Doppel- seitige Vergnderungen sind also durchaus keine Vorbedingung. Diese Feststellung entspricht auch den Ergebnissen der experimentellen Untersuehungen yon Karplus und Kreidl.

Vom quantitativen Standpunkt aus gesehen sind die Befunde in den einzelnen Fallen nicht gleichwertig. Selbstverstgndlich kSnnen die ver- einzelt gefundenen chronisch vergnderten Zellen beziiglich ihrer klinischen Auswirkung nicht den groben Nekrosen gleichgestellt werden.

Fagt man somit die histologischen Befunde zusammen, so ergibt sich, dab in jedem der beschriebenen Fglle das Zwischenhirn in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Die Natur der histologischen Vergnderungen zeigt allerdings sowohl in topischer Beziehung als auch hinsichtlich der Art der Schgdigung deutliche Unterschiede. Trotzdem erscheint die Schlug- folgerung berechtigt, dab die im klinischen Verlauf der Erkrankung unabhgngig vom Sitz der Neubildung aufgetretenen Zwischenhirn- symptome eine anatomische Unterlage erfahren haben.

Es erhebt sich dabei nunmehr die Frage, ob es gelingt, zwischen den festgestellten anatomischen Veranderungen und den einzelnen klinischen Symptomen Beziehungen aufzudecken, die eine genauere Festlegung der Art und der 0rtlichkeit, wie und wo sie zustande gekommen sind, erlauben. Man wird auBerdem auch das Alter des Prozesses beriick- sichtigen miissen.

Will man zwischen anatomischen Befunden und klinischen Erschei- nungen irgendwelche brauchbaren Beziehungen herstellen, so ist die Klgrung einiger Vorfragen unerl~tglich. Aus der Tatsache, da$ man an bestimmten Stellen des Zwischenhirns pathologische Befunde erheben konnte, lgBt sich, strenggenommen, nur ableiten, dab eine anatomische Vergnderung vorliegt, die mit bestimmten klinischen Erscheinungen zusammenfgllt. Es ware aber yon vornherein zu weitgehend, aus diesem Zusammentreffen bereits kausale Beziehungen in dem Sinne ableiten zu wollen, dab man der affizierten Region die in Frage kommende Funktion letzten Endes zuordnet. Denn funktionelle Verbindungen und wirk- liche Schi~digungen eventueller umschriebener ,,Zentren" sind vorerst in ihrer klinischen Manifestierung nicht mit Sicherheit voneinander zu trennen. Erst, wenn es gelgnge, eine isolierte Schgdigung eines

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. 39

bestimmten Kerngebietes zu setzen, w/ire es m6glich, die anschlieBend aufgetretenen klinischen Erscheinungen dazu in urs/~chliche Beziehung zu bringen.

Eine weitere Sehwierigkeit ist die, dab offenbar nicht etwa alle als pathologisch zu bezeichnenden Abweichungen im Zwischenhirnbereich unbedingt zu klinischen Erscheinungen fiihren miissen. In diesem Sinne spricht neben anderem auch der Fall von Marinesco, der bei dem zitierten Zerebellartumor mit allgemeiner DruckerhShung eine diffuse Proli- feration der Glia gefunden hat. In diesem Falle waren weder Sehlaf- sucht noch andere Zwisehenhirnsymptome zu linden. Solche Befunde zu deuten ist kaum mSglich. MSglicherweise entgehen sie deshalb der klinischen Aufmerksamkeit, weil es bei ihnen sich um rasch voriiber- gehende, bald ausgegliehene Alterationen handelt. Man sieht daraus, dab man nur mit grSBter Vorsicht mikroskopische Befunde und klinische Symptome in Verbindung bringen daft, und dab yon vornherein nur erhebliche und ausgedehnte Parenchymsch~digungen in Betracht ge- zogen werden diirfen. Andererseits darf nicht iibersehen werden, dab ws des Lebens funktionelle Einwirkungen Gebiete lahmlegen kSnnen, ohne dab sp~ter ein anatomischer Befund zu erheben ware, oder dab gelegentlich der Tod eintritt, bevor der mikroskopische Umbau vollendet ist. DaB eine hochgradige Glia- oder Gefit[~proliferation Sym- ptome vom Charakter der bier in Frage stehenden Zwischenhirnzeichen sehr wohl machen kann, zeigen Gampers und Neubiirgers Be/unde bei der Werniclceschen Erkrankung. Es scheint somit, als ob beim Zustande- kommen der klinischen Symptome noch andere Momente eine Rolle spielen und nicht lediglich die Tatsache, dab eine anatomisch als patho- logisch zu bezeichnende Abweichung vorliegt. Auf diesen Punkt wird noch zuriickzukommen sein.

Wenn es also schon nicht einfach ist, Schs bestimmter Parenchymteile mit bestimmten klinischen Symptomen in eine urs~chliche Beziehung zu bringen, so ist es noch schwieriger, die pathologische Wertigkeit sonstiger lokaler Parenchymausfiille festzustellen. Ganz allgemein ist (ties entweder bei strengem experimentellem Vorgehen mSglich oder aber - - ann~herungsweise - - dutch den genauen Vergleich einer grS~eren Zahl klinisch und histologisch ausreichend untersuchter F~lle. Fiir diese ,,statistische" Methode fehlt jedoch vorl~ufig das Ver- gleichsmaterial, da (lie Mehrzahl der Autoren nut den makroskopischen Befund referiert.

Es wiirde zu weit fiihren, wollte man alle vegetativen Leistungen, die auf das Zwischenhirn bezogen werden kSnnen, einzeln eingliedern, und auch unfruchtbar, weil die anatomische Fundierung vielfaeh noch aus- steht. Es scheint deshalb geboten, die Untersuchung auf ein Symptom zu beschrs das geniigend sinnf~tllig ist und geniigend h~ufig auf- trit t , um als Prototyp gelten zu kSnnen.

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40 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

Ein solches Symptom ist die Schlafsueht, die bei keinem der beschrie- benen F~tlle vermiBt wurde. Sie empfiehlt sich auch deshalb als Ver- gleichsgrundlage, well Schlafst5rungen unter allen Zwischenhirnsym- ptomen das Interesse der Kliniker in besonderem Ma6e gefesselt habe. Nur bei der Wiedergabe der experimentellen Ergebnisse mSgen aueh einige andere Beobachtungen erw~hnt werden, soweit sic histologiseh fundiert sind.

Von den lokalisatorisch bedeutsamen Erscheinungen sei kurz folgender Phanomene gedacht: der PupillenstSrungen, der Temperatur- und Stoff- wechselstSrungen und schlieBlich der BlasenstSrungen.

Versucht man zun~chst, zwischen dem klinischen Symptom der Pu- pillenstSrung und den in den betreffenden Fallen erhobenen histologischen Befunden Beziehungen zu eruieren, so muB man auf die grundlegenden Versuche von Karplus und Kreidl zurfiekgreifeu. Diese Autoren haben gezeigt, und von Schrottenbach wurden ihre Befunde best~tigt, dab die zentrale Regulierung der Irisbewegungen yon einer Partie des Hypo- thalamus aus zustande kommt, welche medial und frontal vom Corpus subthalamicum liegt. Wichtig erscheint dabei die Beobachtung, daB die gleiche Wirkung auf die Pupillenfasern auch von der Zwischen- hirnbasis hinter dem Tractus opticus zustande kommt, wenn die Strom- st~trke erh6ht wird. Von den 3 FMlen mit Pupillenst6rungen zeigt nun der Fall Stii eine ausgesprochene Alteration im vorderen Abschnitt des Corpus subthalamicum. Vielleicht darf man hier vermerken, dab hemi- ballistische Symptome fehlten, was womSglich mit der engeren Lokali- sation der Sch~digung zusammenh~ngt. Im Fall Fre war eine unmittel- bare Ver~nderung im gleiehen Gebiet nieht zu linden, wohl aber eine Nekrose unterhalb des hinteren Absehnittes des Corpus Louysi, die bis an dieses heranreicht. Im Fall Heu war der Befund wieder anders. Hier war ein positiver Befund, der auf eine unmittelbare Schs dieser Region hi~tte verweisen kSnnen, nicht zu erheben. Vielleicht darf man hier vermuten, dab die Wirkung auf die Pupillenfasern, ~hnlich wie in den Experimenten vonder Zwischenhirnbasis aus erfolgt ist, die im Falle Heu erheblich geschitdigt war. Erw~hnenswert ist, dal~ im Fall Sti~ und Heu auch eine StSrung der Blaseninnervation vorlag, deren Zwischen- hirnanteil in der unmittelbaren Ns des erw~hnten Gebietes vermutet wird (Lichtenstern, Karplus und Kreidl).

In den 3 erw~hnten Fiillen und im Falle Ast wurden ferner Temperatur- steigerungen bei negativem internem Befund beobachtet. Die Versuche von Jsenschmid und Krehl und von Jsenschmid und Schnitzlcr haben die Zentralstelle der W~rmeregulation im vorderen Tell des Tuber cinereum sichergestellt. Lesch]~e hat dann gezeigt, dab die naeh Tetrahydro- naphthylamin eintretende starke Temperaturerh5hung ausbleibt, wenn das Zwischenhirn ausgeschaltet wird. Bis auf den Fall Ast, der einige Tage nach Auftreten der Temperaturerh6hung verstorben ist, haben die

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. 41

anderen 3 F/s in diesem Gebiet Veriinderungen aufgewiesen. Im Fall Heu und Fre zeigen die Abb. 2 und 11 die erhebliche gli6se bzw. gliSs- mesenchymale Proliferation im Tuber. Im Fall Stii wurde das gleiche Gebiet dutch die vordringenden Massan des Hypophysengangtumors erheblieh zerst6rt. DaB in zahlreichen anderen F/~llen, die in der Literatur niedergelegt sind, auch yon anderen Stellen eine St6rung der W/~rme- regulation hervorgerufen werdan konnte, ls sieh (lurch I,~iickwirkung auf das W~rmezentrum erkl~ren.

Eine Wirkung auf den Stoffwechsel haben Gra/e und Griinthal - - ge- messen am Verhalten des Grundumsatzes - - yon verschiedenan Stellen des Zwisehenhirns arzielen kSnnen, wobei (lie hinteren Absehnitte des Hypothalamus iiberwiegten. Von meinen F~,llen hat nut der Fall Rei

auffi~llige Stoffweehselwirkungen gezeigt, in Form einer sti~ndigen, bis zum Marasmus fortschraitenden Gewiahtsabnahma. Da as sich dabei um ein Gumma im III . Ventrikel gehandelt hat, ist diese Wirkung ohne weiteres zu verstehen. Eine genaue histologische Untersuehung des Falles konnte leider night durchgefiihrt werden.

SehtieBlich ist noeh die im Falle Fre bestandene Polyurie zu erw/ihnen, deren Zwischenhirnrepr/~sentation wohl ebenfalls im Tuber cinereum vermutet wird. In diesem FMle wurde auf die erhebliehe Affektion des genannten Gebietes bereits hingewiesen.

Wit sehen also, dab in den beschriebenen Fi~llen nur teilweise eine Ver~nderung in den umgrenzten Gebieten nachgewiesen werden konnte, die naeh den experimentellen Untersuehungen als die zentrale Vertretung der genannten Funktionen anzusehen sind. Auf der anderen Seite wurde jedoch darauf aufmerksam gemacht, daB die gleiehen klinisehen Ersehei- nungen aueh ohne aine merkliche Affektion der in Betracht kommenden Regionen beobachtet women k6nnen. In diesen F/~llen seheint eine, aus den Experimenten her bekannte Wirkung eines entfernt liegenden Bezirkes vorzuliegen, die kliniseh zum Auftreten des betreffenden Sym- ptoms Veranlassung gibt. Ob es sich dabei in der Tat um eina funktionelle Verbindung oder nur um eine anders geartete Fernwirkung handelt, l~Bt sieh im einzelnen nicht sagen.

Aus diesen Befunden ist erneut zu ersehen, daB die dem exparimen- tellen Vorgehen entgegenstehenden Schwierigkeiten bei den k]inischen F/i, llen in arhShtem MaBa vorhanden sind, wail bei ihnen die Entstehung bestimmter Zwischenhirnsymptome aus dan versahiedensten Grtinden arfolgen kann. Die Sehwierigkeit der Ausdeutung wird noch vermehrt, wenn man beriiaksiehtigt, dab z .B. im Fall Trie trotz der sahweren Nekrose im hinteren Tell dar Tuber auger der Sehlafsucht kliniseh kain weiteres Symptom beobachtet women ist.

Es ist klar, dab diese Sehwierigkeiten sich noeh in steigendem Mage auswirken miissen, wenn man dic anatomische Grundlage tier Schlaf- stSrung zu ermitteln sucht. Bereits in der klinischen Mitteilung wurde auf

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42 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

die besondere Vulnerabilit~t des Zwischenhirns hinsichtlich des Auf- tretens von SchlafstSrungen hingewiesen. Dort wurde auch darauf Bezug genommen, da~ SchlafstSrungen, insbesondere in Form yon Schlafsucht, zu den konstantesten, klinisch sozusagen bevorzugt in Erscheinung trctenden Zwischenhirnsymptomen gehSren, und daraus der SchluB ge- zogen, dab aus Druckrichtung und Lage des Tumors diese Tatsache nicht restlos erkl~rt werden kann.

Wenn wir uns nunmehr der Besprechung der SchlafstSrung zuwenden, so wollen wir uns bewuBt bleiben, dab es sich beim Schlaf um eine Leistung handelt, die nicht ohne weiteres mit den mehr umschriebenen Vorg~ngen auf die gleiche Stufe gestellt werden daft. Die Schlafleistung ist eine komplizierte vitale Erscheinung, eines der imposantesten Beispiele ffir die Selbststeuerung des Organismus. Entsprechend seinem komplexen Cha- rakter kann der Schlaf-Wach-Mechanismus von vielen Stellen beeinfluBt werden. Er kann quantitativ und qualitativ ver~ndert sein. Uns inter- essieren in erster Linie die quantitativen Abweichungen und auch hiervon vornehmlich das vermehrte Schlafen, die Schlafsucht.

Die ersten VerSffentlichungen fiber SchlafstSrungen im Rahmen bestimmter Symptomkombinationen liegen l~ngere Zeit zurfick. Unter den eine genaue Lokalisation vertretenden Ansichten sind an erster Stelle die Untersuchungen von Mauthner zu erw~hnen, welcher Autor aus ge- wissen Symptomverkoppelungen bereits 1890 den Schlul3 gezogen hat, dab vom dorsooralen Nachbargebiet des Aqu~ductes StSrungen des Schlaf-Wach-Mechanismus hervorgerufen werden k6nnen.

Das Schlafproblem wurde durch die Encephalitisepidemie erneut in den Vordergrund des klinischen Interesses gerfickt. Economo kam auf Grund seiner Studien zu der Annahme, dab die Schlaf-Wach-Regulation yon einer Stelle aus erfolgt, die in unmittelbarer N/~he des Aqu/tdukts, in der l~bergangsstelle yore Mittel- zum Zwischenhirn, um den Bezirk liegt, um den der Aquiidukt sich in den III . Ventrikel 5ffnet; dabei bezog er einen yon dieser Stelle aus in der Seitenwand des III . Ventrikels sich erstreckenden Abschnitt des HShlengraus in seine Betrachtung mit ein und versuchte, neben dem eigentlichen Schlafzentrum auch ein Wach- zentrum zu lokalisieren. Bestimmend ffir diese Auffassung war ffir Economo, wie vordem schon ffir Mauthner, das h/~ufige Zusammentreffen yon Oculomotoriussymptomen mit StSrungen des Schlafes. Die klinischen Ver6ffentlichungen, die sich in der Folgezeit mit dem Schlafproblem besch/~ftigt haben, best/~tigten nur teilweise diese Lokalisation, zum Teil kamen sie zu einem abweichenden Ergebnis. So z. B. Lhermitte, der sich in seinem Referat ffir eine meso-diencephale l%egulierung aus- gesprochen hat.

Unter den der Economoschen Auffassung beipfichtenden Mitteilungen ist zuni~chst der interessante Versuch yon Poetzl zu nennen, nach Be- wertung der vorliegenden Literaturangaben eine obere und untere

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Grenze der Schlafreguiierungsstelic anzugeben. Er verlegte sie auf das Gebiet der Arteria collicularis anterior. Ats untere Begrenzung nahm er (tie Gegend vor dem Oculomotoriuskern an, als obere Grenze dagegen den erhaltenen Bezirk des noeh zu erw/ihnenden Falles yon Gamper. Kleist kommt auf Grund seiner 3 F/ille, die gleich den hier referierten im wesentliehen Nekrosen gezeigt hatten, zu der Schlul~folgerung, dab die soeben erw/ihnte Region nicht die aussehlaggebende l~olle spielt, sondern da]~ man eher die Gegend des Paraventrieularis bzw. der mittleren Commissur als die StSrungs- und l~egulierungsstelle des Schlafes anzu- sehen habe. Auch Marinesco spricht sich besonders fiir den Paraventri- cularisabsehnitt als die HauptstSrungsstelle aus. Hirsch. Pette, Salkan und Popowa, schliel~lieh Bychowski kommen auf Grund makroskopischer Befunde zu einer ungef/ihren Umgrenzung des Gebietes im Mauthner- Economoschen Sinne. Zu erw/ihnen ist, dab in manchen dieser F/ille keines- wegs etwa umschriebene L/isionen des hinteren Absehnittes des Zwischen- hirns und der angrenzenden Teite des Aqu/~duktes vorgelegen haben, sondern dab bei ihnen der Thalamus mit einbezogen war.

Lucksch hat demgegeniiber in seinem Fall nicht die Schlul~folgerung gezogen, dab ein Schlafzentrum anzunehmen w/ire, obwohl die L/ision in seinem Fall ungef/ihr an der gleichen Stelle sal~. Ito hat durch ZerstSrung der unteren H/ilfte des Paramedianus bei Katzen SehlafstSrungen hervor- rufen kSnnen. Schliefllich sind die Befunde von Spiegel und J~aba hervor- zuheben, die bei Verletzung des HShlengraus auger einer anf/inglichen Be- wul]tseinsstSrung keine StSrung des Schlafes gefunden haben. Dagegen konnten sit eine solche hervorrufen, wenn der Thalamus besch/~digt wurde.

Soweit also die wesentlichen anatomischen Befunde der Literatur herangezogen werden, scheint eine topistische Einheitlichkeit nicht feststellbar zu sein. Auch (lie pharmakologischen Untersuchungen, die namentlich nach der Methode von Demole vorgenommen worden sind, haben nur gezeigt, da[l von oralen Stellen des Zwischenhirns Schlafzust/inde hervorzurufen sind, ohne dab es dabei gehmgen w/ire, eine umschriebene Stelle als die allein ausschlaggebende festzustellen. Aueh Berggren und Moberg haben bei der Katze durch pharmakologische Beeinflussung der Kerne im Infundibulum und Hypothalamus Schlaf erzeugen k6nnen.

l~bersieht man nun unsere eingehend untersuchten F/ille, so mfissen wir auch bei ihnen feststellen, dab sie durchaus verschiedene 5rtliche Sch/idigungen erkennen lassen, obwohl bei ihnen allen Schlafsucht vorhanden war.

Sie fiigen sich so den uneinheitlichen Ergebnissen der bisherigen Unter- suchungen an und beweisen, dab innerhalb des Zwischenhirnbereichs eine umschriebene Lokalisation der Schlafsteuerungsstelle, soweit klinische MaBst/ibe angelegt werden, nicht mSglich ist.

Dies h/ingt - - wenigstens zum Tell - - wohl damit zusammen, (la~ das Verhalten der den Schlaf normaliter begleitenden Vorg/inge beim

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44 8tefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

pathologischen Schlaf noch nicht eingehend untersucht worden ist. Es ist noch unklar, ob sie yon vornherein abge/~ndert sind oder ob die Ver~nde- rungen, wie gew6hnlich, erst w/ihrend des Schlafes eintreten oder ob sie, dem natfirlichen Schlaf entsprechend, iiberhaupt zustande kommen. Solche Untersuchungen sind aber unerl/~Blich, wenn man eine wirkliche Lokali- sation anstrebt. Begnfigt man sich abet vorl/~ufig damit, die Schlafsucht als klinisches Symptom unabh/ingig yon den Begleitvorg/~ngen zu be- trachten, so ist es klar, dal3 man nut aussagen kann, von welehen Stellen aus eine Stfrung im al]gemeinen, d .h . in seinem augenf/~lligen Ablauf erzielt werden kann, eine Stfrung, die strukturell durehaus nieht gleich- artig zu sein braucht. Wit wissen aus der Klinik, dab (tie versehiedensten Vorg/inge mit Schlafstfrungen beantwortet werden k6nnen. Der Schlaf ist eben, wie oben schon angeffihrt, eine Leistung, bei weleher Schlaf- bereitschaft, Schlaff/ihigkeit und Schlaftiefe uns als die ph/momenologi- sche Resultante der schlafbecinflussenden Faktoren anzusehen sind.

Das pathologisehe Sehlafen wird demnach klinisch gekennzeichnet durch Stfrungen der normalen Periodik, dutch Verschiebungen im Phasenwechsel zugunsten der einen Phase. Solehe Verschiebungen lassen sich auch experimentell erzeugen. M~hes hat durch Elektro- kauterisation der medialen Thalamusabschnitte, der Infundibularregion und des zentralen Hfhlengraus Schlaf hervorrufen k6nnen. Abgesehen von diesen Arbeiten sind die von Heft durchgefiihrten Versuche yon grundsii, tzlicher Wichtigkeit, well er mit einer exakten Methodik Eingriffe in den Phasenwechsel bei Katzen vorgenommen hat. Heft hat zeigen kfnnen, dab bei der elektrischen Reizung ventrikelnaher Abschnitte bei Tieren ein schlaf/ihnlicher Zustand hervorgerufen werden kann, der auch nach der Reizung anhglt und der, wenn der Reiz abgeklungen ist, durch eine erneute Einwirkung wieder hervorzurufen ist. Die Vorbereitungen, die die Katzen, mit denen Heft experimentierte, nach Einleitung der elektrischen Reizung trafen, waren in der Tat Wiederholungen ihrer Schlafgewohnheiten. Hierauf besonders hinzuweisen ist deshalb wichtig, weil durch diese Versuche der einwandfreie Beweis erbracht worden ist, dab yore Zwischenhirn aus ein dem Normalen ghnelnder Schlaf hervorgerufen werden kann. DaB freilich der yon Heft erzielte ,,natfir- liche" Schlaf - - soweit diese Analogisierung vom Tier auf den Menschen erlaubt ist - - gewisse Unterschiede gegenfiber dem pathologischen Schlafen unserer Tumorkranken aufweist, soll nicht unerws bleiben.

Vergleicht man die vort/~ufigen Angaben von Heft fiber die Ortlich- keit der durch den Reizstrom gesetzten L~sion, so ist es unsehwer erkenn- bar, dab sie mit der aus unseren F~llen gezogenen SehluBfolgenmg v611ig iibereinstimmen. Heft weist n/tmlieh ausdriieklieh darauf hin, dab es nieht nur von einer einzelnen Stelle des Zwisehenhirns gelungen ist, Sehlaf hervorzurufen, sondern, dab es vielmehr mfglieh war, yon vielen ventrikelnahen Stellen aus die Sehlafwirkung zu erzielen.

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. 45

Diese Befunde, die den anatomischen Befunden unserer F/~lle zur Seite zu stellcn sind, erscheinen weiterhin deshalb von Be~teutung, well man sie gewisserma6en als Richtschnur bei der Bewertung der histologischen Befunde tiberhaupt benutzen kann. Oben wurde schon darauf hingewiesen, dab nicht je(le anatomische Lgsion im Zwischen- hirnbereich zwangsm/*l~ig zu einer (tauernden StSrung, etwa des Schlafes, fiihren mul~. Aus den Versuchen von Heft geht hervor, dal3 die auf Grund der anatomischen Befunde ausgesprochene Vernmtung, (lab die Vergnderungen ausgleichbar sein kSnnen, durchaus berechtigt war. Denn soweit <tie Versuche yon Heft mir bekannt sind, ist nach tier elek- trischen Reizung keineswegs cine DauerstSrung eingetreten.

So kommen wit also auf zwei verschiedenen Wegen, aber jedesmal unter anatomischer Kontrolle der Ver~nderungen, zu der Feststellung, <lal~ ein umschriebenes ,,Zentrum" der Schlaf-Wach-Regulation nicht angenommen werden kann. Vielmehr scheint es so zu liegen, da[~ es sich bei dem Zwischenhirnapparat um einen Komplex handelt, dessen Funk- tion es ist, den/*ul~eren Anspriichen gem/~6 neben verschiedenen anderen R, egulierungen auch den Schlafmechanisnms zu sichern (Stertz). Die einmal eingetretene StSmng ist, selbst naeh anatomischer Schgdigung, als im Prinzip ausgleichbar anzusehen. In diesem Sinne sprechen auch die klinischen Erfahrungen. NaturgemgB h/~ngt dies von vielen Faktoren ab, von denen Ausdehnung und Ort tier Verletzung, Tempo des Prozesses, sowie qualitative Merkmale von Bedeutung sind.

Allem Anschein nach geniigt zu einer StSrung des Schlafmechanismus bereits die Ausbildung eines auf dieses Gebiet gerichteten Hirndruekes bei akut eintretender Hirnschwellung, wie es der Fall Schra so eindrucks- roll zeigt. Sonst w/~re es in diesem Fall nicht verst/~ndlich, warum erst im Laufe der kurzen klinischen Beobachtung die Sehlafsucht eingetreten ist, wo man doch nach dem histologischen Befund annehmen muB, dal~ das Hineinwachsen des Tumors in das Meynertsche Ganglion und seine teil- weise ZerstSrung, und das Hineinwachsen des Tumors in den Supraopticus bereits vor dem Auftreten der Schlafsucht stattgefunden haben mfissen.

Warm die klinische StSrung auftritt, ist aus dem histologischen Bild nicht immer ersichtlich. Es scheint, dal~ vornchmlich dann mit einer klinisch nachwcisbaren StSrung gerechnet werden kann, wenn die Affizierung des Zwischenhirns mit einer gewissen Akuit/~t und Intensit/~t eingetreten ist. Also etwa wie bei der epidemisehen Encephalitis, bei den Reizversuchen, dann auch bei Tumoren, die durch Druckschwankungen zu funktionellen StSrungen und zu Gewebsliisionen fiihren, und schliel~- lich bei der im allgemeinen rasch verlaufenden Polioencephalitis. Daf~ auch plStzlich einsetzende funktionelle Einwirkungen zu Schlafsucht fiihren kSnnen, zeigt die Tatsache, dab bei der Encephalographie eine solehe Wirkung beobachtet werden kann, was beil/~ufig erw/~hnt werden mSge. Tri t t dagegen die Sch/iAigung mehr allm/~hlich ein, so scheint es,

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46 Stefan Weisz: HistopaShologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

da6 ein Ausgleich eher geschaffen werden kann und dab dann nicht ii~ jedem Fall klinische Symptome aufzutreten brauchen.

Nun erhebt sich die Frage, wieweit man berechtigt ist, die bisherigen Ergebnisse umzukehren. Unsere Schlullfolgerung war die, da6 Schlaf- stSrungen als eine allgemeine, yon vielen Stellen aus erzielbare und als eine bevorzugte, nach Einwirkungen verschiedener Art auftretende Reak- tionsweise anzusehen sind. Sie stellen die Resultate strukturell verschie- dener Einwirkungen dar, als ein empfindlicher Ausdruck einer StSrung im Gefiige der ZwischenhirnMstung. Die umgekehrte Frage mug dahin lauten: ob denn zur Aufrechterhaltung der Schlafregulation stets das Funktionieren des gesamten Zwischenhirns erforderlich ist, oder ob der nach einem Eingriff fibrigbleibende Teil imstande ist, die Schlafleistung einigermaBen aufrechtzuerhalten.

Zur Beantwortung der gestellten Fragen stehen gewisse Anhalts- punkte zur Verfiigung. In dieser Beziehung ist es nicht uninteressant, dag der Fall yon Gamper, bei dem der Sehlaf-Wach-Weehsel prinzipiell erhalten war, ein Erhaltensein des hinteren Anteils des I I I . Ventrikels und des dort liegenden HShlengraus gezeigt hat. Hierdurch war ein Teil des Zwisehenhirns wahrseheinlieh neben der an sich sehon erhaltenen Mauthnersehen Stelle noeh funktionstiichtig. Bemerkenswert ist, dab der Fall abet keineswegs einen geregelten und etwa als gewohnheitsm/tgig zu bezeichnenden Weehsel zwisehen Wachsein und Sehlaf gezeigt hat. Aus der Sehilderung yon Gamper mug im Gegenteil gefolgert werden, dag der Phasenwechsel zwar im Prinzip vorhanden war, dab aber die Aufeinanderfolge beider Zust/s nieht mit einer genau pr/~zisierbaren Regelm~i3igkeit erfolgte und aueh nieht eine Beeinflussung dutch gu6ere Momente in gewohntem Grade erkennen lie6. Man kann nicht umhin, in diesem Falle, der ein bis zwei Tage in einem sehlafartigen Zustand beharrte und in dieser Zeit miihsam zur Nahrungsaufnahme angeregt werden mul~te, dann wieder 12 Stunden waeh war, dann wieder sich wie ein etwa gleiehalteriger S/~ugling verhielt, yon einer Tendenz zur Sehlaf- sucht zu sprechen, die sieh nut quantitativ, nieht abet qualitativ yon /thnliehen pathologischen Sehlafzust/inden unterscheidet. Wieweit frei- lieh dabei die fehlenden Erregungen vom Grol3hirn und Thalamus eine Rolle gespielt haben, 1/s sieh nieht mit Bestimmtheit sagen. In diesem Zusammenhang ist der anatomisch leider nieht n/~her untersuchte, im tibrigen aber/ihnlich gelagerte Fall von Heubner zu erw~hnen, bei welehem Teile des Thalamus noeh erhalten waren. Die klinisehe Beobachtung hat in diesem Falle gezeigt, da$ ein spontaner, dureh Nahrungsperioden bedingter Weehsel zwischen Sehlaf und Waehsein vorhanden war.

Der Gampersehe Fall lehrt also, dab der Phasenwechsel wohl vom hinteren Zwischenbirn und angrenzenden Aqu~duktabschnitt noch auf- reehterhalten werden kann, wenn auch allerdings in einer Weise, die die gewohnte Periodizit/~t vermissen l/~6t.

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mit ,,Zwischenhirn"-Symptomen mit Bemerkungen fiber das Schlafproblem. 47

Die F/~lle von Encephalitis und Polioencephalitis, auf die sich die Mauthner-Economosche Lokalisation stfitzt, ffihren bei strenger Durch- ffihrung zu einem gewissen Gegensatz hierzu, denn bei den letztgenannten Krankheiten handelt es sich um eine pathologische Sch/idigung gerade jener Teile, die im Gamperschen Fall erha|ten waren. Das I~esultat war jedoch in beiden F/~llen eine StSrung der geregelten Schlaffolge bei erhaltener, quantitativ natfirlich verschieden ausgepr~gter Phasen- dauer. Dabei ist es hierbei belanglos, ob man yon einem ,, Schlafzentrum" oder mit Trgmmer, Gamper und Lothmar yon einem ,,Wachzentrum'" oder mit Economo vom ,,Schlaf- und Wachzentrum" reden will. Denn selbst in diesem Fall diirfte (ter Gampersche Fall kein l~berwiegen yon Schlafperioden gezeigt habcn, falls wirklich von nur dieser umschriebenen Stelle aus die Regulation des Schlaf-Wach-Mechanismus erfolgen sollte.

Mir scheint, daI3 dieser Widersprueh nur dann zu 16sen ist, wenn man die funktionelle Bedeutung der Mauthnerschen Stelle anders interpretiert, und zwar unter Berficksichtigung aller in Betracht kommenden Momente.

Zunitchst ist darauf hinzuweisen, (tab bei der Encephaltis neben der Mauthnerschen Stelle in der fiberwiegenden Mehrzahl auch Zwischen- hirnanteile ergriffen werden. Das gleiche gilt fiir die Polioencephalitis, bei welcher die Befunde yon Gamper, Neubiirger, Bodechtel und Gagel das nicht systematische l~bergreifen des Prozesses auf das Zwischenhirn eindeutig nachgewiesen haben. Auch bei diesen Erkrankungen bleibt also die Sch/~digung keineswegs auf die Mauthnersche Stelle beschr/~nkt. Strenggenommen lassen sich also schon die anatomischen Unterlagen nicht zweifelsfrei aufrechterha|ten.

G|iedert man jedoch die F/ille, bei denen eine, wenn auch nicht iso- lierte Affektion der Mauthnerschen Stelle vorhanden war, in (tie hier gegebene Darstellung fiber (tie SchlafstSrung ein, so scheint es mir, dab es mSglich ist, den genannten Widersprueh zu beheben. Unsere Kennt- nisse berechtigen uns vorl/iufig nur zur Diagnostizierung eines Schlaf-Wach regulierenden Apparates gr61~erer Ausdehnung, an dem sowohl das Zwischenhirn als auch der angrenzende Abschnitt des Mittelhirns beteiligt ist. Dieser, in seiner Funktion zusammengehSrige Apparat, den wir in der Folge meinen, selbst wenn wit nur den Ausdruck ,,Zwischen- hirnapparat" benutzen, kann demnach an vielen Stellen lgdiert werden. Der restierende Teil vermag vielfach noch den Phasenwechsel einiger- ma6en aufrechtzuerhalten, wenn auch dabei die gewohnte Periodizit/~t meist verloren geht. Eine solche allerdings wichtige St6rungsstelle ist die Mauthnersche Region, weitere, ihr gleichwertige, liegen oral yon ihr im eigentlichen Zwischenhirnbereich.

Je nachdem wie grol3 die Sch/~digung ist und wie akut sie eingest-tzt hat, wird sich die St6rung verschieden kundgeben. Wieweit jedoch die yon den verschiedenen Stellen aus erzeugten StSrungen als auch strukturell gleich- artig anzusehen sind, dariiber fehlen freilich noch die nStigen Unterlagen.

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48 Stefan Weisz: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren

So welt lassen also Anatomie und Pathophysiologie das Zustande- kommen verschiedener Schlafst6rungen verfolgen. Obrig bleibt nun die ErSrterung der Frage, wie die Rolle des Zwischenhirns bei der Sehlafregulie- rung im allgemeinen zu denken ist. Diese Frage wollen wir jetzt kurz streifen.

Prinzipiell sind bei der Schlaf-Wach-Regulierung zwei Vorg~nge zu unterscheiden: 1. die Periodizititt, d. h. das unmittelbare Wechseln von Wachsein und des eigentlichen Schlafes und 2. all diejenigen Faktoren, welche imstande sind, die Dauer und Intensit~t der einzelnen Phasen zu modifizieren. Unter diesen Einwirkungen spielen Ermfidung, Reiz- wirkungen, Gewohnheiten und Hemmungsvorgitnge die wichtigste Rolle. Ihre Wirkung geht wohl fiber die Hirnrinde. Sie bilden insgesamt die wesentlichen Komponenten des Hirnschtafes im Sinne yon Economo, dessen Hauptcharakteristikum die Weckbarkeit ist.

Die Erforschung der Hemmungsvorgi~nge verdanken wit im wesent- lichen den Pawlowschen Versuchen fiber die bedingten Reflexe. Nach Pawlow ffihrt die ErschSpfung umschriebener Hirnbezirke durch bedingte Reflexe zur Hemmung, die ihrem Wesen nach einen partiellen Schlaf darstellt. Durch Ausbreitung der Hemmung auf groBe Hirnbezirke entsteht der Schlaf im eigentliehen Sinne. Demnach kann der Ausgangs- ort des Schlafes jede t~tige Hirngegend sein, die infolge bzw. im Ver- laufe ihrer Ts in den Zustand der inneren Hemmung geraten ist. Innere Hemmung ist somit lokalisierter Schlaf, Schlaf im allgemeinen Sinne ausgebreitete innere Hemmung. Diese stellt somit eine Art SchutzmaBnahme dar, die dem tittigen Bezirk eine Erholungspause ver- schafft. In dieser Auffassung begegnet die Pawlowsche Darstellung den frfiheren Theorien fiber den Schlaf, als deren Hauptreprs die Clapar~desche Hypothese genannt sei. Auch sie weist darauf hin, dab wir schlafen, damit wir nicht v611ig erschSpfen. Ebbecke hat dann die Sherringtonschen Untersuchungen fiber die antagonistische ttemmung zur Veranschaulichung der inneren Hemmung herangezogen, da Pawlow selbst sich bezfiglich ihres Mechanismus nicht welter festgelegt hat. Ebbecke postuliert, dab jede Erregung eine Hemmung der benachbarten Gruppen herbeiffihrt. Sie wird dominierend, wenn sic infolge ihrer Verknfipfungen st/~rker ist als die gleichzeitig noch vorhandenen. Durch lokale Adap- tation sinkt sie dann wieder ab, die allgemeine Schwelle wird hoch, Beruhigung und Schlaf treten ein. Hieraus folgt, dab jeder neue ,,unbe- dingte" Reiz die Schlafwirkung st6ren kann.

Fiir die Erklitrung des Zustandekommens des Hirnschlafes sind die genannten Hemmungsvorg~nge immer mehr in den Vordergrund der Deutung geriick~ worden. Ein Teil der Autoren hat sie verallgemeiner~ und zur Erkl/irung des Schlafens fiberhaupt verwendet. Einer solchen Tendenz stehen jedoch gewisse Bedenken gegenfiber. Sicher bildet die Herabsetzung der nervSsen Erregbarkeit einen wesentlichen Vorgang beim Schlaf. Amerikanische Autoren haben zeigen kSnnen, dab dabei

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selbst die Ansprechbarkeit der Sehnenreflexe sinkt. Doeh l~l~t sich die unterstfitzende Wirkung der sonstigen Faktoren, wie Ermiidung, Reiz- ausschaltung usw. nicht yon der Hand weisen. Normaliter wird es sich um ein Zusammenspiel der einzelnen Komponenten handeln, wobei vielleicht der inneren Hemmung die Ffihrung zuzuerkennen ist. Der alleinigen Wirksamkeit der inneren Hemmung widerspricht aueh, da6 PawIow aus- driicklieh darauf hingewiesen hat, da6 eine Sehlafwirkung dureh sie nur eintritt, wenn das Gro6hirn intakt ist. Bei Hunden, bei denen das Grol~hirn entfernt wurde, konnte dutch innere Hemmung Schlaf nicht erzeugt werden. Es ist schwer vorstellbar, dab diese SchluBfolgerung beim Mensehen keine Giiltigkeit haben und dab der Schlaf beim Menschen durch eine innere Hemmung, die vom Zwisehenhirn ausgeht, erfolgen sollte. Zum mindesten mfiftte man dann dureh neue Versuehe die Pawlow- sche Darstellung berichtigen. Besehr~nkt man jedoch die innere Hem- mung und ihre sehlaferzeugende Wirkung vorl/~ufig lediglich auf die Gro6hirnrinde, weil nur diese Wirkung einstweilen sichergestellt ist, so seheint es, dab man, wie ten Care es gezeigt hat, das gewohnheitsm/~i~ige Einschlafen des Menschen in vieler Beziehung in Analogie zu ihr setzen darf. Auch Ebbecke kommt zu /~hnlicher Schlul~folgerung.

Noch schwieriger steht es mit dem ,,K6rperschlaf" im Sinne yon Economo! Abgesehen davon, dab man schon diesem Ausdruck gegen- fiber verschiedene Einwendungen machen kSnnte, well es sich bei den1 echten K6rperschlaf keineswegs um einen absoluten ,,Schlaf" des KSrpers handelt. Wie viele Versuche gezeigt haben, tr i t t w/~hrend des Schlafes eine abge/inderte, zum Tell sogar gesteigerte Funktion bestimmter KSrperorgane ein. Gegenfiber demWachsein tr i t t also eine Verschiebung ein, die eine durchaus zweckm/~6ige Umstellung darstellt, welche nicht wie das Negativ zu einem etwaigen Positiv wertbar ist. Gerade dies(' Tatsache, daI~ n~mlich w/~hrend des Schlafes durchaus positive Vor- g/inge eintreten, zwingt dazu, bei der Regulierung des Schlaf-Wach- Mechanismus yon einer Leistung des Zwischenhirnapparates zu sprechen.

DasWesen der periodischen Ver/~nderungen ist gleichfalls schwer deut- bar. Der Fall yon Gamper lehrt nur, dab die Periodizit/it, d. h. der Wechsel zwischen Schlaf und Wachsein wohl subcortical zustande kommt und in der Hauptsache subcortical gesichert wird. Die im K6rper dauernd vor sich gehende Versehiebung zwischen den beiden Phasen des Wachseins und des Sehlafzustandes wird h6chstwahrscheinlich reflektorisch, neben nerv6sen wohl auch durch humorale und vegetative Einfliisse gesteuert. Im fibrigen 1/s sich darfiber zur Zeit keine in die Einzelheiten gehende Schilderung geben. Wichtig ist nur, einzelne Beobachtungen anzufiihren, die die Richtigkeit dieser Auffassung zu stiitzen geeignet sind. Man kann den Winterschlaf der Tiere durch Schilddriisensubstanz unter- breehen (Adler). Man kann, wie jiingst von Rominger und Kriiger mitgeteilt worden ist, beim Kleinkinde Schlaf durch vegetative Gifte

Z. f. 4. g. Neur . u. Psych. 14=t. 4

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erzeugen. Auch andere Momente kSnnten im gleichen Sinne verwertet werden. Darunter pharmakologische Anhaltspunkte etwa im Sinne yon Pick oder von Keeser, von denen der letztere gezeigt hat, dab gewisse Schlafmittel in den Stammganglien in grSl~eren Mengen nachgewiesen werden kSnnen als in der Rinde selbst.

Es wfirde hier zu weit ffihren, wenn wir auf die von Ebbecke heraus- gearbeiteten Analogien zu den hypnotischen Zust/~nden grol~hirnloser Tiere n/~her eingehen wollten. Diese interessanten Erw/~gungen laufen darauf hinaus, zu zeigen, dab auch nach Ausschaltung der l~inde vom Sub- cortex ausgehende, yon der inneren Hemmung unterscheidbare Vorg/~nge vorhanden sind, die den gleichen Effekt haben. Durch das Festhalten an gegebenen Erregungen, die eine ffir diese Hirnabschnitte charakte- ristische Wirkungsweise bildet, kSnnte die Voraussetzung einer Hemmung erfiillt werden. Die Interpretation von Ebbecke vermag wohl zu erkl/iren, warum die einmal zustande gekommene Phase die Tendenz zur Beharrung zeigt, l~ber die Phasent/itigkeit und der ihr zugrunde liegenden Mecha- nismen vermag jedoch auch sic vorl/iufig nicht fiber die oben gegebenen Andeutungen hinauszufiihren.

Gesichert ist nur, dab in Krankheitsf/~llen, die den Zwischenhirn- apparat bctreffen, eine Verschiebung im allt/~glichen, gewohnheitsm/~Bigen und arteigenen Wechsel der beiden Phasen zugunsten der einen Phase, etwa in Form der Schlafsucht, eintritt. Solche Fitlle zeigen zugleich die Wichtigkeit der GroBhirneinflfisse. Es gelingt n/~mlich durch fort- gesetzte Reizzuffihrung, ctwa durch Unterhaltung mit der Kranken oder durch sensible Reize bis zu einem gewissen Grade der Schlafsucht entgegenzuwirken. Diese Erfahrung ist wiederum nur cine klinische Wiederholung der allt/~glichen, daft es gelingt, durch psychische Ein- wirkungen den Schlaf weitgehend zu modifiziercn.

Wie ist nun diese Zusammenarbeit beider Hirnabschnitte vorzustellen ? Gamper hat die Vermutung ge/~uBert, dab das Wachsein die Folge eines tonisierendcn Einflusses des Wachapparates auf das GroBhirn sei, und (lab das Nachlassen dieser Wirkung, welcher eine sukzessive Erregung des Schlafzentrums vorausgeht, dann den Schlaf hervorrufe. Nach dieser Auffassung mfiBte man also 2 antagonistisch arbeitende Funktions- kreise unterscheiden, wie Economo bereits vorher angenommen hatte. Unbeschadet der Tatsache, dab die extracorticalen Apparate in ihrer Gesamtheit beim Aufbau der psyeho-physischen PersSnlichkeit eine fundamentale Rolle spielen, vermag diese Hypothese einige allgemein giiltige Beobachtungen nur sehwer zu erkls So z. B. den beim Ge- sunden gel/~ufigen Vorgang, dab Sehlaf willkfirlich und absichtlich hervorgerufen werden kann, unabh/s davon, wic der momentane Zustand der reziproken Zentralstellen ist.

Erfolgversprechender ist es, wenn wir zur Erkliirung des Zusammcn- wirkens von Rinde und Zwischenhirn auf die generell gfiltige Hypothese

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(ler nerv6sen Wirkung zuriickgreifen, naeh welcher die Rinde eine modi- fizierende Wirkung auf die tieferen Hirnabschnitte ausiibt. Ob man diesen EinfluI3 als Hemmung bezeichnet, |st in diesem Zusammenhang nicht yon prinzipieller Be(leutung. Wescntlich |st nur, daft ('ine in den sub- corticalen Mechanismus eingreifendc Funktion der Rinde vorhanden |st, die umst immend wirkt. Diese Deutung erlaubt aui~er dem oben ge- nannten Be|spiel des willktirlich hcrvorgerufenen Schlafes auch zu er- kl~i, ren, warum z .B. be| Obermiidung, bei psychischen Erregungen, be| l~ekonvaleszenten, be| S/~uglingen und be| anderen Vorg~ngen mehr eine :'~nderung im Schlaf-Wach-Mechanismus eintritt.

Diese Hypothese vermag/iberdies auch die infolge eines pathologischen Prozesses im Zwischenhirnapparat im weitesten Sinne entstandene Schlafst6rung verst~ndlich zu machen. Tri t t n~mlich eine L~sion im genannten Gebiet ein, so wird nach dieserAuffassung diel~bertragung dcr Groi~hirnwirkung beeintr/ichtigt, verhindert oder gar aufgehoben. Zu- gleich kommt es abcr auch zum Selbsti~ndigwerden des subcorticalen Mechanismus, der nunmehr eine :~nderung in seinen Erregungsgleich- gewicht erleidet. Der klinische Ausdruck hierfiir |st der regellose Wechsel beider Phasen. Wie allerdings diese (~bertragung im einzelnen vorzustellen |st, kann auch hier heute noch nicht gesagt werden, und es w~re auch iibereilt, jetzt schon Vermutungen zu ~ul3ern.

Erforderlich erseheint es noch, einige Worte iiber die Auffassung yon TrSmmer zu sagen, der ja angenommen hat, da[3 (tent Thalamus be| der Schlaffunktion eine wesentliche l~olle zuf~llt. Diese Annahme hat durch die Experimente yon Spiegel und Inaba eine gewisse Stfitze erhalten. Es scheint trotzdem heute noch nicht m6glich, abschliel3end zu tier Rolle des Thalamus Steilung zu nehmen, denn wir kennen eine Re|he yon sichcren Thalamusaffektionen, dic ohne jegliche St6rung des Schlafens einhergegangen sind. Auf der anderen Seite darf jedoch nicht ver- schwiegen werden, (lab in vielen F~llen yon Zwischenhirnl~sionen eine Beteiligung des Thalamus nachweisbar war. Wenn man eine Vermutung ~ul~ern soll, so darf man vielleicht darauf hinweisen, dall dem Thalamus m6glicherweise eine ]~olle beim Zustandekommen (let inneren Hemmung und tier Reizwirkungen zuf~tllt. M6glicherweise kann der Thalamus auch reflektorische Einfliisse auf ([as Zwischenhirn haben. Dadureh w~re es erkl~rlich, (ta[3 eine Sch~digung ties Thalamus Schlafst6rungen mitbedingen kann.

Zusammenfassung. In 6 Fs von Tumoren verschiedenen Sitzes, in denen im klinischen

Verlaufe Zwischenhirnsymptome zu beobachten waren, wurde das Zwischenhirn mit den angrenzenden Teilen des End- und Mittelhirns nach der Nisslschen Methode an Serienschnitten verarbeitet. Die histo- pathologische Untersuehung hat in allen F/~llen eine Sch~digung im

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Zwischcnhirnbereich nachweisen lassen. Die 0r t l ichkei t der L/isionen war jedoch nicht einheit l ich; auch in qual i ta t iver und quan t i t a t ive r Hins icht warcn Unterschiede Ieststcllbar. Die grSbsten Ver/ inderungen stel l ten Nekrosen dar, die alle Merkmale gef/~13bedingter Sch/~digungen gezeigt haben. Sie verdanken ihre En t s t ehung der Wi rkung unspezifi- scher Faktoren , in erster Linie wohl Schwankungen des in t rakranie l len Druckes. Aus den erhobenen Bcfunden geht mi t einiger Sicherheit her- vor, dab von einer umschr iebenen Schlafregulierungsstelle, soweit klinische F/tlle in Frage kommen, n icht gesprochen werden kann . Auch ist es nicht mSglich, eine befriedigende (?bere ins t immung zwischen anatomischen Befunden und dem klinischen Symptom des Schlafes und der Schlafsucht herzustellen. Vielmehr ergibt die vorsichtige Auswer tung der histologischen Bcfunde, der expcrimentel len Ergebnisse und der kl inischen Erhebungen, dab eine Beeinflussung des Schlaf-Wach-Mecha- n ismus durch verschiedene Stellen des Zwischenhirnapparatcs erreicht werden kann , wobei um so eher eine klinisch manifeste St6rung auf t r i t t , je intcnsiver u n d akutcr der Proze6 abl~uft. Versucht man, die Befunde

zu deuten, die als Grundlage fiir das Schlafproblem herangezogen worden sind, so ergibt sich auf der einen Seitc das Vorhandensein des phasenhaf ten Wcchsels yon Schlaf und Wachsein als Zwischenhirnfunkt ion und auf (let anderen Seite die Regul ierung und H e m m u n g diescs Appara tes (lurch das Grol~hirn. Beim Zus tandekommen des Schlafes spiclen Er- miidung, ]~cizwirkungen und die innere H e m m u n g im Sinne von Pawlow eine Rolle. Schliel31ich wird versucht, das Zusammenwirken yon Hirn- rin(te und des Zwischenhirnapt)arates bei dcr Schlaffunktion dcm Ver- st/s n~herzubringen, und zwar sowohl beim normalen Schlaf als auch in F/~llen zwischenhirnbedingter Schlafst6rung.

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Page 33: Histopathologische Befunde im Zwischenhirn bei Tumoren mit „Zwischenhirn“-Symptomen mit Bemerkungen über das Schlaf problem

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