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Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie und Psychiatrie aus der englischen Literatur. Von A. Pick (Prag)t. (Eingegangen am 27. Februar 1924.) I. Zur Geschichte der Aphasic mit einer Notiz i~ey Anschauungsbilder. Der berfihmte englische Chirurg Benjamin Brodie, dessen Name auch jetzt noch in der Neurologie mit Ehren genannt wirdl), hatte MuBe gefunden, sich mit mehr allgemeinen Fragen psychologisch-philosophi- scher Art zu befassen, deren Resultate er in 2 Bi~ndchen ,,Psychological Inquiries" unter der Form eines Dialoges zwischen griechischen Denkern ver6ffentlicht hat. Das erste, anonym 1854 erschienene, befaBt sich mit den natiirlichen Beziehungen der physischen Organisation und der geistigen F~higkeiten, das zweite erschien 1862 mit voller Namensnennung. Jencm ersten entnehme ich mehrere ffir die Geschichte der Aphasie bedeutsame Notizen. Zuerst einen Fall frfihzeitig erworbener Aphasie, von dcm Brodie folgendes'berichtet: Vor mehrcren Jahren sah ich einen damals 5j~hr. Jungen, dernur das Wort Papa produzierte, dabei war das GehSr voll- st~ndig intakt, intellektueU erschien der Junge fiber das Mal~ des Ge- wShnlichen entwickelt, seine Antworten gab er mit Zeichen und Gestcn und buchstabierte mit Rechenpfennigen (spelling with counters) ein- silbige Worte, die er nicht aussprechen konnte; er zeigte keinerlei Be- wegungsstSrung. 2 oder 3 Jahre vorher hatte das Kind nerv6se Anfi~lle mit Konvulsionen, die von dem Landarzte als hysterische, nicht epilep- tische, gedeutet worden waren. 8 Jahre sp~ter wurde Brodie benach- richtigt, dal~ die Sprache sich nicht bessert, der Junge aber im fibrigen bedeutende Fortschritte gemacht hatte, prachtig schrieb und besonders in der Arithmetik tfichtig war. Es handelt sich in diesem Falle offenbar um die Folge einer in frfiher Kindheit durchgemachten Cerebralaffektion, deren Kr~mpfe vielleicht wegen ihrer Einseitigkeit nicht als epileptische angesehen wurden. Wodurch es bedingt war, da~ entgegen dem Ge- l) Ich erinnere an seine Ansicht, dab bei hysterisehen Li~hmungen nieht die Muskeln unfghig sind, dem Wfllensakt zu folgen, sondern dal3 die Willens- funktion nieht ausgetibt wird.

Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie und Psychiatrie aus der englischen Literatur

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Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie und Psychiatrie aus der englischen Literatur.

Von A. Pick (Prag)t.

(Eingegangen am 27. Februar 1924.)

I. Zur Geschichte der Aphasic mit einer Notiz i~ey Anschauungsbilder.

Der berfihmte englische Chirurg Benjamin Brodie, dessen Name auch jetzt noch in der Neurologie mit Ehren genannt wirdl), hatte MuBe gefunden, sich mit mehr allgemeinen Fragen psychologisch-philosophi- scher Art zu befassen, deren Resultate er in 2 Bi~ndchen ,,Psychological Inquiries" unter der Form eines Dialoges zwischen griechischen Denkern ver6ffentlicht hat.

Das erste, anonym 1854 erschienene, befaBt sich mit den natiirlichen Beziehungen der physischen Organisation und der geistigen F~higkeiten, das zweite erschien 1862 mit voller Namensnennung.

Jencm ersten entnehme ich mehrere ffir die Geschichte der Aphasie bedeutsame Notizen.

Zuerst einen Fall frfihzeitig erworbener Aphasie, von dcm Brodie folgendes'berichtet: Vor mehrcren Jahren sah ich einen damals 5j~hr. Jungen, dernur das Wort Papa produzierte, dabei war das GehSr voll- st~ndig intakt, intellektueU erschien der Junge fiber das Mal~ des Ge- wShnlichen entwickelt, seine Antworten gab er mit Zeichen und Gestcn und buchstabierte mit Rechenpfennigen (spelling with counters) ein- silbige Worte, die er nicht aussprechen konnte; er zeigte keinerlei Be- wegungsstSrung. 2 oder 3 Jahre vorher hatte das Kind nerv6se Anfi~lle mit Konvulsionen, die von dem Landarzte als hysterische, nicht epilep- tische, gedeutet worden waren. 8 Jahre sp~ter wurde Brodie benach- richtigt, dal~ die Sprache sich nicht bessert, der Junge aber im fibrigen bedeutende Fortschritte gemacht hatte, prachtig schrieb und besonders in der Arithmetik tfichtig war. Es handelt sich in diesem Falle offenbar um die Folge einer in frfiher Kindheit durchgemachten Cerebralaffektion, deren Kr~mpfe vielleicht wegen ihrer Einseitigkeit nicht als epileptische angesehen wurden. Wodurch es bedingt war, da~ entgegen dem Ge-

l) Ich erinnere an seine Ansicht, dab bei hysterisehen Li~hmungen nieht die Muskeln unfghig sind, dem Wfllensakt zu folgen, sondern dal3 die Willens- funktion nieht ausgetibt wird.

234 A. Pick: Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie

wShnliehen die motorische Aphasie sieh nicht zurfickgebildet, ist begreif- licherweise nieht mit Sieherheit zu sagen; die gute Entwicklung des Schreibens und Rechnens spricht wohl gegen die Annahme einer doppel- seitigen Affektion.

An diesen Fall sehlieBt Brodie (S. 50) die kurze Beschreibung eines zweiten, ein M~dchen von 11 Jahren betreffend, das bei sonst intakter Intelligenz nur unartikulierte Laute produzierte, dagegen, was Brodie mit Recht als etwas Besonderes betont, Buehstaben in einem Buche richtig erkannte.

Noch interessanter ist die Beschreibung, die Brodie (1. c. S. 541 yon einem sichtlich typischen Falle von Alexie mit Hemianopsie (damals Suffusio dimidians benannt) gibt. Ein Mann verlor die Sehkraft in einem Auge; darauf kehrte diese teilweise in diesem Auge wieder, da- gegen g inge r der Sehkraft des anderen Auges verlustig, die sieh dann sparer wieder teilweise einstellte; er sah nun Objekte in bestimmten Positionen, wenn das Bild derselben auf bestimmte Teile der Retina fiel; daneben konnte er die von ihm als solche erkannten Buchstaben eines Buehes nicht lesen und muBte das Lesen neuerlieh erlernen.

DaB Brodie in demselben Bande, S. 55, anscheinend als der erste den Berieht eines offenbar Worttauben wiedergibt, dab ihm die Sprache seiner Umgebung wie gibberich (Kauderwelsch, Jargon) vorkomme, habe ich in meinem ]%eferate fiber das Sprachverst~ndnis vom Jahre 1908 schon berichtet; da diese Angabe nicht anders gedeutet werden kann, als dab der Kranke von dem GehSrten den Eindruck einer Sprache, wenn auch eines Kauderwelsch, hatte, zeigt sie die Irrtfimliehkeit einer spater aufgekommenen und zu Unrccht verallgemeinerten Ansicht, derzufolge die Worte einer unbekannten Sprache niehts anderes als ein allenfalls etwas komplizierteres, etwas artikulierteres Ger~usch als das Knarren einer Tfir oder das Knacken eines MSbelstfickes darstellen; daB freilich der yon dem Kranken gehSrte Jargon sich verschiedenartig darstellt, zeigen einige Beobaehtungen der spiiteren Zeit.

Dam gleichen Bande der Psychological Inquiries (S. 82) entnehme ich noch sine interessante Beobachtung fiber die jetzt so viel studierten An- schauungsbilder : ,,A g e n t l e m a n . . , of a very sensitive and imaginative turn of mind informed me that not infrequently when he had had his thoughts intensely fixed for a considerable time on an absent or imaginary object he had at last seen it projected on the opposite wall, though only for a brief space of time with all the brightness and distinctness of reality."

Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um darauf hinzuweisen, dab der vom Maler William Blake gegebene Bericht fiber seine A B dem im fol- genden zitierten Buche von Wigan (1. c. S. 124) entstammtl), und da~

1) Vgl. dazu die von Arreat iibernommenen Angaben bei Kroh, Subj. Anschau- ungsbilder bei Jugendlichen. 1922. S. 129.

und Psychiatrie aus der englischen Literatur. 235

Wigan von der sp~teren Geisteskrankheit Blakes und den weiteren Schicksalen desselben berichtet. Aus diesen ist interessant, dab Blake naeh seiner Krankheit, die ihn durch 30 Jahre an eine Irrenanstalt fesselte, wie Wigan aus eigener Beobachtung berichtet, fast ebenso gut und rasch malte, er brauchte aber zwei Sitzungen des zu Malenden, die zweite ,,wegen des Anzuges und der Augenbrauen, die er nicht in seinem Gedi~chtnis fixieren konnte". Nicht minder interessant ist der Berieht Wigans (S. 126) fiber einen sehr intelligenten und liebenswiirdigen Mann, ,,who had the power of thus placing before his eyes himsel/(von Wigan unterstrichen) and often laughed heartily at his double who always seemed to laugh". Der Betreffende wurde sp~ter durch die ,,Ver- folgung" seitens seines alter ego in den Tod getrieben.

Demselben Autor entnehme ich noeh eine letzte Beobachtung (S. 67), die eine besondere Form yon A B zur Darstellung bringt. ,,The late Mr. Anderson, of Cobham, a retired medical practitioner of advanced age and I believe the first man who professed to be an ,,oculist", was the subject of a controllable delusion of a curious description. When in a largeparty especially in a ballroom, unless he made a strong effort to prevent it, his imagination gradually and slowly went one articles of clothing after another from all the persons present, then the integu- ments, then layer after layer of muscles, then removed the viscera and at last left them all bare skeletons dancing before his eyes and he burst out into laud laughter at the ridiculous scene. He could at any time stop the morbid process at an early stage and it was only when his mind was engaged on some other topic that these vagaries were allowed to pass unchecked. Some times he watched them out of pure curiosity."

Kroh (1. c. S. 37) sprieht von der souver~nen Beherrschung der A B als Resultat einer meist ]angj/~hrigen spielerischen Besch~ftigung mit anschaulichen Ged~chtnis- und Phantasiebildern. Etwas ~hnliches lag offenbar bei dem erw/ihnten A. vor; die eigentfimliche Art der- selben hi~ngt wohl mit der anatomischen Beschi~ftigung des Arztes zu- sammen.

II. Zur Geschichte der Partialkreuzung im Chias.ma opt. und ihrer Ver- wertung zur Deutung der Hemianopsien.

Verfolgt man die Geschichte der Lehre vonder Kreuzung im Chiasma, so geht sie (vgl. Mauthner, Gehirn und Auge, in seinen ,,Beitr~gen" 1881, S. 412) bis auf Newton zurfick und findet im Jahre 1840 ihre prazise Formulierung bei Joh. Mi~ller (Handb. d. Physiol. 2, 381. 1840), die auch der gegenw~rtig noch geltenden im allgemeinen entspricht. Aber die Verwendung dieser Ansicht zur ])eutung der Hemianopsien erfolgt erst betr~chtlich sp~ter durch v. Grae/e 1856, der diese aus der Partialkreuzung im Chiasma erkl~rt (Mauthner, 1. c. S. 414). Nun finde

236 A. Pick: Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie

ich die gleiche und noch verbesserte Deutung in dem Buche von A. L. Wigan (The Duality of Mind 1844) ausgesprochen, eines jetzt vergesse- nen Autors, de rnur dadurch noeh in der Geschichte der Psychopathologie einen Namen hat, dab er als einer der ersten aus der Doppelheit der Grol]hirnhemisphiren aul]erordentlich weitgehende Konsequenzen ge- zogen. Er kommt (S. 175ff.) auf die als Suffusio dimidians bekannte Erscheinung der homon. Hemianopsie zu spreehen, yon der er nach H. Holland die funktionelle, siehtlich mit der Migri~ne zusammenfallende Form bespricht; er e rwihnt auch die in jene Zeit fallende Beobachtung des beriihmten Physikers Wollaston, der an einem Hirntumor mit Er- seheinungen von Hemianopsie zugrunde gingi). Im AnschluB daran schreibt nun Wigan: I t would seem that in the optic commissure the external fibres of each nerve continue without decussation while the internal cross each other to the opposite side. A paralysis temporary or c o n t i n u e d . . , of separate portions of the optic nerves in the commis- sure might perhaps explain the strange disease alluded to. Sower ieh sehe, ist das der erste Versuch einer richtigen Deutung der Hemianopsie, falls nicht WoUaston selbst, den Mauthner als einen Anh~nger der Partial- kreuzung zitiert, sein eigenes Leiden damit erkl ir t haben sollte. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, denn Holland, an den sich Wigan ansehlieflt, spricht wohl von den Beziehungen der Suffusio dimidians zur Partialkreuzung, pr~zisiert sie aber nicht in so scharfer Weise wie Wigan. Allerdings haben schon Abraham Vater und sein Mitarbeiter Heinicke im Jahre 1723 die Hemianopsie fugax als durch Partialkreuzung im Chiasma erkl/~rbar bezeiehnet, aber die pr~zise Art der Verteilung in diesem scheint mir zuerst bei Wigan ausgesprochen.

l I I . Zur Geschichte der ein/ach dementen Form der Schizophrenie. Im Jahre 1891 habe ich in der Prager med. Wochenschr. 2) zuerst

darauf hingewiesen, daB, w/~hrend die unter mehr oder weniger akuten Erscheinungen verlaufende Form des Jugendirreseins seit langem der Gegenstand fachwissenschaftlicher Betraehtung gewesen, die einfache demente Verlaufsform sehr wenig, namentlich in der deutsehen Literatur, Beachtung gefunden.

Meiner Gewohnheit gemi~B hatte ich das Historische des Gegenstandes nicht fibergangen und insbesondere darauf hingewiesen, .dab sich bei Esquirol und seither in der franzSsischen wie in der englischen Literatur Hinweise auf entspreehende Beobachtungen finden. Trotzdem hat diese

l) Nicht uninteressant ist der von Wollaston selbst bcschriebene Beginn dcr Krankheitserscheinungen. ,,He was aware from a very early period, of the nature of his disease.., he had first been made sensible of its existence on the oceu- renes, of numbuess at the end of his finger when out shooting."

3) ~)bcr prim/~re chronisehe Demenz (sog. Dementia praecox) im jugendliehen Alter.

und Psychiatrie aus der englischen Literatur. 237

Mitteilung sichtlich, weil nur aus einem Referate bekannt, zu miB- versti~ndlicher Auffassung AnlaB gegeben; so riigte ein engliseher Autor die yon anderer Seite gemachte Verkniipfung dieser Form mit meinem Namen unter Hinweis auf die Tatsache, dab sie sehon l~ngst bekannt sei.

Das hatte ich, wie erwi~hnt, schon selbst hervorgehoben, es wire auch ganz unnatiirlich gewesen, wenn eine so charakteristische Form von Psychose nicht wenigstens den fiihrenden Geistern bekannt gewesen w~,re.

Ein Zufall bringt mir nun den unzweifelhaften Beweis, dab auch schon einem der i~ltesten englisehen Irrenirzte, J. Haslam, der sich Apothecary to Bethlem Hospital nennt, derselbe, der auch die erste Er- wghnung der Paralyse macht, jene Form nicht entgangen ist. Ich stehe nicht an, die ganze Stelle wiederzugeben, denn in den yon mir an der zitierten Stelle erwihnten englischen Autoren (Langdon Down, Clouston, Spratling) fehlt jeder Hinweis auf Haslam, auch Bleuler nennt ihn nicht, so dab ich wohl annehmen daft, dab dieses historische Datum auch den englischen Psychiatern ffemd ist. In der zweiten 1809 erschienenen Auflage seiner zuerst mehr als 10 Jahre vorher herausgegebenen Observations on Madness gibt Haslam (S. 64ff.) eine Beschreibung, die ich im nachstehenden unter voller Wahrung ihres Charakters in deutscher ~bersetzung wiedergebe.

,,Zusammenh~ngend mit dem Verluste des Gedichtnisses gibt cs eine Form yon GeistesstSrung, die bei jungen Individuen vorkommt, und zwar, soweit diese Fille Gegenstand meiner Beobachtung waren, wurde sie hiufiger gefunden bei weiblichen Individuen. Diejenigen, die ich gesehen, waren ausgezeichnet durch prompte und lebhafte Anlage und waren die Lieblinge der Eltern und Pfleger wegen ihrer Leichtigkeit im Erwerb von Wissen und ihrer vorzeitigen Entwicklung. Die St6rung beginnt zur Zeit oder kurz nach Auftreten der Menstruation und war in vielen Fillen ohne Zusammenhang mit Hereditit, soweit das durch genaue Nachforschung fcstgestellt werden konnte. Der Beginn ist meist unauffi~llig, gewShnlich vergehen mehrere Monate, ehe er der Gegen- stand besonderer Beobachtung wird; die zi~rtlichen Verwandten sind hi~ufig durch die Hoffnung geti~uscht, dab es blo~ eine Herabsetzung exzessiver Lebhaftigkeit sei, die zu verstindiger Zurfickhaltung und ciner Festigung des Charakters fiihre.

Ein gewisser Grad scheinbarer Versonnenheit und Unti~tigkeit geht voran, zusammen mit einer Abnahme des gew6hnlichen Interesses fiir das, was vorgeht. Sie vernachl~ssigen deshalb die Gegensti~nde und Bestrebungen, die frfiher Quellen der Befriedigung und Belehrung bildeten. Das Geftihl erscheint betrichtlich abgestumpft; sie zeigen nicht die friihere Neigung zu Eltern und Verwandten, sie werden un- empfinglich ftir Giite und achtlos gegen Tadel. Ihren Genossen gegen.

238 A. Pick: Historische Notizen zur Geschichte der Neurologie usw.

fiber zeigen sie eine kalte HSfliehkeit, nehmen aber kein Interesse an ihnen. Wenn sie ein Bueh lesen, wissen sie niehts fiber den Inhalt zu sagen; oft bleiben sie mit stieren Augen ein Stunde lang fiber einer Seite, um dann in wenigen Minuten eine Zahl zu iiberblattern. Es ist schwer, sie zum Schreiben zu bringen, was dann ihren Geistes- zustand offenbart: viele Zeit wird verbraucht und wenig produziert, der Gegenstand wird wiederholt begonnen, sic kommen aber kaum fiber einen oder zwei Satze hinaus, die Reehtschreibung wird ver- worren, und durch den Versuch zu buchstabieren, versehwindet der Gegenstand (des Briefes). Mit der Zunahme der Apathie werden sie nachl~ssig in der Kleidung und unachtsam auf ihre persSnliche Reinlich- keit. H~ufig scheinen sie vorfibergehende Impulse und Leidenschaften zu erfahren, doch haben diese ihre Quelle nicht im Geffihl; die Tr~nen, die gelegentlich heruntertropfen, sind ebenso ohne Sinn wie das Lachen, das ihnen folgt undes kommt oft vor, dab ein momentaner Ausbruch von Arger mit begleitenden Schimpfreden aufhSrt, bevor der Zusammen- hang verstanden wird. Mit der Zunahme der StSrungen kommt es zu unwillkfirliehem Ham- und Stuhlabgang, und infolge der begleitenden Indolenz sind sie gewShnlich korpulent. So habe ich in der Zeit zwischen Pubert~t und Mannbarkeit mit Bedauern diese hoffnungslose und degradierende ~nderung beobachtet, die in kurzer Zeit den vielver- sprechenden und tfichtigen Intellekt zum Idioten verwandelt."

Es kann darfiber kein Zweifel bestehen, daB Haslam hier in klassisch einfacher, ffir seine Zeit gewiB vorbildlichen Weise diejenige Form der Dementia praecox geschildert hat, deren Kenntnis erst viel sp~ter breiteren Kreisen von Fachm~nnern zug~nglich wurde. Ob Haslam diese Beschreibung auch schon in der ersten 1798 erschienenen Auflage seines Buches gegeben, bin ich auBerstande festzustellen. In dem Aus- zuge, den J. B. Friedreich in seinem Versuche einer Literaturgeschichte der Pathologie und Therapie der psych. Krankheiten 1830, S. 508f., nach dieser gibt, ist niehts davon erw~hnt; auch Heinroth, der sich in seinem Lehrbuche der StSrungen des Seelenlebens, I. 1818, S. 133, kritisch-historisch mit Haslam befaBt und dem nur die erste Auflage von dessen Werke vorgelegen, erw~hnt nichts von dem hier wieder- gegebenen Prachtstfick klinischer Darstellung.