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Historische und ideengeschichtliche Entwicklungslinien des Krieges Der Wandel des Kriegsbildes vom klassischen Krieg zwischen Staaten (Staatenkrieg) zu den Neuen Kriegen # eine Schnellübersicht #

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Page 1: Historische und ideengeschichtliche Entwicklungslinien des Krieges Der Wandel des Kriegsbildes vom klassischen Krieg zwischen Staaten (Staatenkrieg) zu

Historische und ideengeschichtliche

Entwicklungslinien des Krieges

Der Wandel des Kriegsbildes vom klassischen Krieg zwischen Staaten (Staatenkrieg) zu den Neuen Kriegen

# eine Schnellübersicht #

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KriegKrieg

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Krimkrieg… Darstellungen des Jahres 1854

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Hiroshima & Nagasaki

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Vietnam…

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Vietnam (2)… My Lai, 16.3.68 …und ff.

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Konfliktforschung

Prämisse: Krieg als Teilmenge der Gesamtmenge sozialer Konflikte

Ziel:

Vergleichend-kontrastierende Untersuchungen der

Entstehungsmomente und –ursachen

Verlaufsformen

Verhaltensweisen der Konfliktparteien

Ergebnisse

Wirkungen

von gesellschaftlich-kollektiven Konflikten

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Konzept- Eskalationsleiter• 1 Latenter Konflikt Eine Positionsdifferenz um definierbare Werte von

nationaler Bedeutung ist dann ein latenter Konflikt, wenn darauf• bezogene Forderungen von einer Partei artikuliert und von der

anderen Seite wahrgenommen werden.• 2 Manifester Konflikt Ein manifester Konflikt beinhaltet den Einsatz

von Mitteln, welche im Vorfeld gewaltsamer Handlungen liegen.• Dies umfasst beispielsweise verbalen Druck, die öffentliche

Androhung von Gewalt oder das Verhängen von ökonomischen Zwangsmaßnahmen.

• 3 Krise Eine Krise ist ein Spannungszustand, in dem mindestens eine der Parteien vereinzelt Gewalt anwendet.

• 4 Ernste Krise Als ernste Krise wird ein Konflikt dann bezeichnet, wenn wiederholt und organisiert Gewalt eingesetzt wird.

• 5 Krieg Kriege sind Formen gewaltsamen Konfliktaustrags, in denen mit einer gewissen Kontinuität organisiert und systematisch Gewalt eingesetzt wird. Die Konfliktparteien setzen, gemessen an der Situation, Mittel in großem Umfang ein. Das Ausmaß der Zerstörung ist nachhaltig.

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FRIEDENS- UND KONFLIKTZYKLUS

ZUSTAND EINGESETZTE MITTEL

KRISE

INSTABILE ORDNUNG

STABILE ORDNUNG

KRIEG

Zivile Mittel

Militärische Mittel

Intervention (intervention)

Krisenmanagement (crisis management)

Präventivdiplomatie (preventive diplomacy)

Reguläre Beziehungen

Friedenserzwingung (peace enforcement)

Friedenserhaltung (peace keeping)

Friedensaufbau (peace building)

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Konfliktbearbeitung : Ansatzpunkte Intensität

i

Zeitablauft

Gewaltschwelle

MANAGEMENT

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Nachhaltiger Friede• Gewaltfreiheit

• Selbsterhaltung

• Innere/Äussere Legitimation

• Konstruktive Konflikttransformation

• politische Demokratisierung

• Wirtschaftl. Wiederaufbau• Wiederherstellung des Rechtsstaats

• Erziehung und Ausbildung, Gesundheitswesen/-vorsorge Ökologisches Gleichgewicht

Änderung des moralisch-politischen Klimas

Verheilung der Wunden der Vergangenheit

Engagement für die Zukunft

Versöhnung der Werte

Entwicklung eines Wir-Gefühls und multipler Loyalitäten

Mediation,

Verhandlung,

Schlichtung,

Streitbegleitung

Versöhnung

Sicherheit

Rüstungskontrolle

Abrüstung

PRÄVENTION

Wiederaufbau Versöhnung

(Reconstruction) (Reconciliation)

Friedensschaffung (Peace Building)

Friedenswahrung (robustes) Peace Keeping

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KRIEGa) Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen

b) Erweiterter Zweikampf mit dem Zweck [durch Gewalt], den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem ferneren Widerstand unfähig zu machen.

Carl von Clausewitz : Hinterlassenes Werk vom Kriege, S. 191ff

Versuch von Staaten oder gesellschaftlichen Großgruppen, machtpolitische, wirtschaftliche oder weltanschauliche Ziele mittels organisierter bewaffneter Gewalt durchzusetzen

Seit der Ausbildung des souveränen (Territorial-) Staats und des internationalen Systems (17. Jh.) gilt eine gewaltsame Auseinandersetzung nur dann als Krieg,

• wenn daran geschlossene Gruppen regulärer Streitkräfte beteiligt sind

• wenn die Tätigkeit dieser Gruppen sich in organisierter, zentral gelenkter Form entfaltet

• wenn diese Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg unter regelmäßiger, strategischer Leitung anhält

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Definitionen: Krieg

In Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende) definiert AKUF Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale aufweist:

(a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizeieinheiten) der Regierung handelt;

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Definitionen: Krieg (2)

(b) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer Gesell-schaften stattfinden und wie lange sie dauern;

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Definitionen: Krieg (3)

(c) auf beiden Seiten muß ein Mindestmaß an zentral gelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerilla-operationen, Partisanenkrieg usw.)

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Definitionen: Krieg (4)

Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für den Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUF-Kriegsdefinition fortgesetzt werden.

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Grundzüge des klassischen Kriegsbildes

KriegKrieg

• Wendung des staatlichen Gewaltmonopols nach aussen

• Fortsetzung des politischen (Staaten-) Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel

• Wendung des staatlichen Gewaltmonopols nach aussen

• Fortsetzung des politischen (Staaten-) Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel

Auseinandersetzung zwischen

militärischen Grossverbänden Auseinandersetzung zwischen

militärischen Grossverbänden

Zentrale Gesamtleitung nach rationalen strategischen

Prinzipien

Zentrale Gesamtleitung nach rationalen strategischen

Prinzipien

Zentrale politische Kontrolle durch legitimierte

Entscheidungsträger

Zentrale politische Kontrolle durch legitimierte

Entscheidungsträger

Prinzip von Befehl

und Gehorsam Prinzip von Befehl

und Gehorsam

Primat der Politik Primat der Politik

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Definitionen: bewaffnete Konflikte

• Als bewaffnete Konflikte werden gewaltsame Auseinandersetzungen bezeichnet, bei denen die Kriterien der Kriegsdefinition nicht in vollem Umfang erfüllt sind. In der Regel handelt es sich dabei um Fälle, in denen eine hin-reichende Kontinuität der Kampfhand-lungen nicht mehr oder auch noch nicht gegeben ist.

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Auflösung des klassischen Kriegsbildes Auflösung des klassischen Kriegsbildes

• Wendung militärischer Gewaltanwendung in die Innensphäre zerfallender einzelstaatlicher Subjekte (Failing States als Katalysatoren militärischer Auseinandersetzungen)

• Zweck: innergesellschaftlicher Machterhalt von Interessengruppen, Clans, Warlords, Sicherung von Beute , schnellem Profit und persönlichen Abhängigkeiten

• Wendung militärischer Gewaltanwendung in die Innensphäre zerfallender einzelstaatlicher Subjekte (Failing States als Katalysatoren militärischer Auseinandersetzungen)

• Zweck: innergesellschaftlicher Machterhalt von Interessengruppen, Clans, Warlords, Sicherung von Beute , schnellem Profit und persönlichen Abhängigkeiten

Auseinandersetzung zwischen bewaffneten

Volksgruppen, Milizen, Privatarmeen,

Partisanenverbänden, marodierenden Gangs

und Banden unabhängig operierender

Heckenschützen usw.

Auseinandersetzung zwischen bewaffneten

Volksgruppen, Milizen, Privatarmeen,

Partisanenverbänden, marodierenden Gangs

und Banden unabhängig operierender

Heckenschützen usw.

Aufhebung der zentralen politischen

Kontrolle und rationalen

strategischen

Gesamtleitung

Aufhebung der zentralen politischen

Kontrolle und rationalen

strategischen

Gesamtleitung

Primat der (ethnonationalen)

Gruppeninteressen

Primat der (ethnonationalen)

Gruppeninteressen

Aufhebung des Prinzips

von Befehl und Gehorsam Aufhebung des Prinzips

von Befehl und Gehorsam

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Weitere Informationen

• HEIDELBERGER INSTITUT FÜR• INTERNATIONALE KONFLIKTFORSCHUNG e.V.• am Institut für Politische Wissenschaft der

Universität Heidelberg• KONFLIKTBAROMETER 1992ff jährlich• Krisen . Kriege . Putsche• Verhandlungen . Vermittlungen . Friedensschlüsse

• http://hiik.de/de/konfliktbarometer/index.html

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Literaturtip

Edgar Wolfrum: Krieg und Frieden in der Neuzeit. Vom Westfälischen Frie-den bis zum Zweiten Weltkrieg. Darmstadt: Wissenschaftliche Buch-gesellschaft 2003.

Jeremy Black (Hrsg.): Die Kriege des 20. Jahrhunderts. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 2010

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KRIEGE ZWISCHEN STAATEN

WARUM KRIEG ?

KRIEGE INNERHALB VON STAATEN

Interner Kolonialismus Ökonomische Ausbeutung

und politische Unterdrückung von

Bevölkerungsgruppen und Regionen

Machtkonkurrenz Kampf um

Vormachtstellungen in der Region

Territorialansprüche Konkurrenz um

Grenzen und Gebiete

Herrschaftssicherung Furcht vor einer

Bedrohung von aussen

Herrschaftsinteressen Durchsetzung politischer und

ökonomischer Interessen durch Eliten

Ethnisch-kulturelle Heterogenität

Kein Interessensausgleich angesichts unterschiedlicher

Bevölkerungsgruppen, die keine „ einheitliche Nation“ bilden

Rohstoffbedarf Konkurrenz um knappe

Ressourcen

Ablenkung Ablenkung von Konflikten

innerhalb des Staates

Fehlwahrnehmung Falsche Beurteilung der

Stärke und Absichten anderer Staaten

Sozio-ökonomische Heterogenität Auf krasser sozialer

Ungerechtigkeit beruhende Gesellschaftssysteme

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Vom gerechten Krieg zum Gewaltverbot:

Mittelalter – frühe Neuzeit: Lehre vom bellum justum (gerechten Krieg)

• gerechter Grund (iusta causa)

• rechte Absicht (intentio recta)

• Machtbefugnis des Herrschers (auctoritas principis)

Zeitalter des klassischen Völkerrechts (1648 – 1919): ius ad bellum

• Souveräne Staaten besitzen das Recht zum Krieg

• „Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz)

Nach 1919: ius contra bellum (Gewaltverbot)

• Völkerbund: partielles Kriegsverbot, Bedingung der Ausschöpfung der vorgesehenen Mechanismen der Streitbeilegung

• Briand-Kellog-Pakt (1928): generelles Kriegsverbot, Sanktionsmechanismen fehlen, Beschränkung auf „erklärten“ Krieg

• Vereinte Nationen (1945): Art. 2 Ziff. 4 SVN normiert Gewaltverbot

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

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Literaturtip

• Dieter Ruloff: Wie Kriege beginnen. Ursachen und Folgen. München ³2004.

• Bernd Wegner (Hrsg.): Wie Kriege entstehen. Zum historischen Hintergrund von Staatenkonflikten. Paderborn ²2003.

• Thorsten Bonacker, Christoph Weller (Hrsg.): Konflikte der Weltgesellschaft. Akteure – Strukturen – Dynamiken. Frankfurt/Main 2006.

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Noch‘n Literaturtip

• Geoffrey Parker (Hrsg.): The Cambridge Illustrated History of Warfare. Cambridge 1995

• Noble Frankland (Hrsg.): The Encyclopedia of 20th Century Warfare. London 1989.

• Rüdiger Voigt (Hrsg.): Krieg – Instrument der Politik ? Bewaffnete Konflikte im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert. Baden-Baden 2002.

• Viel mehr Literatur in meinem Artikel: Krieg und Frieden, in: W. Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch Internationale Politik. 12. Auflage Opladen 2011, S. 302 - 323

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Die Struktur des Sicherheitsdilemma-Theorems

Anarchisches internationales Selbsthilfesystem

Unsicherheit des einzelnen Akteurs Unsicherheit des einzelnen Akteurs

Sicherheit begriffen als militärische Überlegenheit

Militärischer Schutz durch Rüstung

A rüstetB fühlt sich bedroht

B rüstet marginal stärker als AA fühlt sich bedroht

A rüstet marginal stärker als B B fühlt sich bedroht

usw.

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Was ist das Sicherheitsdilemma ?Definition nach Herz 1961

Das Sicherheits- oder Machtdilemma ist „…diejenigeSozialkonstellation, die sich ergibt, wenn (a) Machteinheiten (wie z.B. Staaten und Nationen in

ihren außenpolitischen Beziehungen) nebeneinander bestehen,

(b) ohne Normen unterworfen zu sein, (c) die von einer höheren Stelle gesetzt wären und sie

hindern würden, sich gegenseitig anzugreifen. In einem derartigen Zustand treibt ein aus gegenseitiger

Furcht und gegenseitigem Misstrauen geborenes Unsicherheitsgefühl die Einheiten in einem Wettstreit um Macht dazu, ihrer Sicherheit halber immer mehr Macht anzuhäufen, ein Streben, das unerfüllbar bleibt, weil sich vollkommene Sicherheit nie erreichen läßt.“ (Herz 1961: 130f.)

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Literaturtip

John H.Herz: Weltpolitik im Atomzeitalter. Stuttgart 1961.

John H.Herz: Staatenwelt und Weltpolitik. Aufsätze zur inter-nationalen Politik im Nuklearzeit-alter. Hamburg 1974.

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Veränderungen der Randbedingungen der Kriegführung

Annahme I:Der klassische Krieg ist der Krieg zwischen Staaten – im Sinne des Generals v.Clausewitz die Fortsetzung des diplomatischen Verkehrs unter Einmischung anderer Mittel, geführt um der Durchsetzung staatlicher Territorial- und/oder Machtansprüche willen, gipfelnd in der Entscheidungsschlacht, gestützt durch eine Produzenten und Produktivkräfte mobilisierende, allumfassende Kriegswirtschaft.

Der klassische Friede ist ein völkerrechtlich garantierter Zustand des Nicht-Kriegs; das Gewaltverbot des Art.2(4) Uno-Charta ist eine Fundamentalnorm des Völker- [oder präziser: des zwischenstaatlichen] Rechts.

Krieg und Frieden sind Ergebnisse des politischen Handelns staatlicher Akteure in der Staatenwelt

Annahme II:Die überkommenen staatenweltlichen Randbedingungen des Handelns nationaler Akteure in Sachen Krieg und Frieden werden verändert durch die Phänomene der• funktionalen Interdependenz staatlicher und nichtstaatlicher internationaler Akteure• transnationalen Vernetzung gesellschaftlicher Akteure in einer Vielzahl von Gesellschaften• Globalisierung der Ökonomie, Politik, Kommunikation, Kultur, materiellen Erwartungen ...

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Beeinträchtigung der Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit

nationaler Akteure in der Staatenwelt

Allmählicher Wandel der Staatenwelt zur Gesellschaftswelt

Infragestellung des durch den nationalen Akteur (typischerweise des

modernen Wohlfahrts-/Daseinsvorsorg

estaats) seinen Bürgern gegebenen

Schutzversprechens

Reduzierung der Bedeutung des nationalen Akteur

gegenüber einer kontinuierlich wachsenden Zahl von global-

governance-Akteuren

Legitimationsproblem des nationalen Akteurs

Als alleiniger, auf das Gewaltanwendungsmonopol gestützter Führer von Krieg wie alleiniger Garant von Frieden dankt der nationale Akteur klassischer Prägung ab. Aber es entsteht ein gravierendes Problem: werden seine Schutz- und Ordnungsaufgaben teilweise durch andere

Akteure übernommen, oder bildet sich in seiner alten Kompetenzsphäre ein Macht- und Handlungsvakuum, das andere gesellschaftliche Kräfte besetzen ?

Als alleiniger, auf das Gewaltanwendungsmonopol gestützter Führer von Krieg wie alleiniger Garant von Frieden dankt der nationale Akteur klassischer Prägung ab. Aber es entsteht ein gravierendes Problem: werden seine Schutz- und Ordnungsaufgaben teilweise durch andere

Akteure übernommen, oder bildet sich in seiner alten Kompetenzsphäre ein Macht- und Handlungsvakuum, das andere gesellschaftliche Kräfte besetzen ?

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1. Friedensdividende: Abbau von

Militärhaushalten (zeitweise)

2. Abrüstung: SALT, MBFR usw.

(jetzt teilweise gestoppt)

3. Staatszerfall im Ostblock:

1. Freisetzung von Waffen

2. Ethno-nationalistische Konflikte

4. Failing/Failed States in anderen

Teilen der Welt

1. Privatisierung des Gewaltmonopols

2. Ethno-nationalistische Konflikte

Erweiterung des Sicherheitsbegriffs

durch:

1. intensivierte/beschleunigte

Austauschbeziehungen (Sieg der

Zeit über den Raum)

2. Technologische Fähigkeits-

revolution (weltumspannende

Handlungsoptionen in Echtzeit)

3. Kommunikations(netz)revolution:

Information overload im Global

Village

Sicherheitspolitische Trends in den 1990er Jahren

Zerfall von Sowjetunion und WP Globalisierung

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Konsequenz I: Aufhebung der klassischen Trennung von Innen

und Außen (-Politik)

Subsystemische gesellschaftliche Akteure werden auf der systemaren Ebene unmittelbar handlungsrelevant, externe Konflikte/Konfliktgründe werden internalisiert, nationale gesellschaftliche Akteure externalisieren sich und/oder treten in Interessenkoalitionen mit vergleichbaren Akteuren in anderen Gesellschaften. Das überkommene state-as-gatekeeper-Prinzip wird ausgehebelt; der einzelstaatliche Rückfall in den Naturzustand unterfüttert und durchdringt die internationale Anarchie.

Konsequenz II: Aufhebung des klassischen

Interventionsverbots

Der Schutz der Souveränität der Akteure durch das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten war eine existenznotwendige Bedingung des naturzuständlichen Staatensystems; seine Ausserkraftsetzung durch das Prinzip der humanitären Intervention ebenso wie durch ethnopolitische Unterstützung von Volks- oder Glaubensgenossen bedeutet einen erheblichen Schritt vorwärts in Richtung auf weltgesellschaftliche Organisationsformen

Konsequenz III: Auflösung des klassischen Kriegsbildes

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Neue Kriege I

• Entstaatlichte oder privatisierte Gewalt

Die "Neuigkeit" der neuen Kriege besteht in ihrem entstaatlichten Charakter. Nicht mehr der Krieg zwischen Staaten, sondern die Proliferation von nicht-staatlichen Akteuren prägt das Gesicht der kriegerischen Gewalt in der Gegenwart.

Aber:

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Neue Kriege II

• Hybrider Charakter zeitgen. Gewaltkonflikte

Das Paradoxon der „neuen“ Kriege besteht darin, dass wesentliche Merkmale ihrer „Neuheit“ aus einer Kombination von modernen und vor- modernen traditionalen Gewaltursachen, Motiven und Konflikt-austragungsformen resultieren.

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Neue Kriege III

• Ökonomie des Neuen Krieges:• Nicht mehr politische Lehren oder Programme der

gesellschaftlichen Umgestaltung bestimmen die Motive der Kriegsakteure, sondern diese sind vor allem vom Motiv der (Selbst-)Bereicherung und materiellen Besserstellung ihrer Klientel geleitet.

• Ökonomisch beruhen neue Kriege nicht mehr, wie noch die alten Staatenkriege, auf der Mobilisierung der Produktion für den Krieg,

• sondern auf der Plünderung produktiver Ressourcen und Bodenschätze (Deinvestitionsspirale)

• und auf der Monopolisierung und Ausbeutung von Reichtumsquellen, wie etwa Exporteinkünften und Import- oder Exportabgaben (Rentenaneignung).

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Neue Kriege IV

• Barbarisierung der Gewalt:

In den Kriegen der Gegenwart lässt sich eine Entgrenzung der Gewalt beobachten. Nicht mehr die Unterstützung der Kriegsparteien durch die Zivilbevölkerung ist das Ziel der Gewaltstrategien, sondern der rücksichts-lose Einsatz massiver Gewalt gegenüber Zivilisten ist das Kennzeichen der neuen Kriege.

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Neue Kriege V

• Neue Kriege zersetzen und verändern die Regeln und Normen des Völkerrechts

• Neue Kriege stellen das Souveränitätsprinzip als Fundament des internationalen Systems in Frage

• Neue Kriege unterminieren die auf formaler Gleichheit der Staaten basierende Stabilität des internationalen Systems

• Neue Kriege führen zu einer schwindenden politischen Legitimität des staatlichen Akteurs

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Fazit:Der Neue Krieg ist mit den herkömmlichen Kategorien einer dem zwischenstaatlichen Konflikt und seiner Bearbeitung verhafteten Sicherheitspolitik- und strategischen Analyse nicht zu fassen.

Er zeigt sich aber auch resistent gegenüber all jenen Versuchen, die ihn unter dem Zeichen der Prävention, der Verregelung oder gar Verrechtlichung zu domestizieren suchen.

Wir brauchen ein neues begriffliches Instrumentarium, das uns weiterhelfen kann, seine Phänomene zu klassifizieren, historisch-genetisch zu verorten und wenigstens einer Erklärung zugänglich zu machen.

Damit wird eine Anforderung an Wissenschaft formuliert, der sie bislang gern ausgewichen ist: die Entwicklung einer qualitativen Kriegsursachenforschung, die über die blosse Bildung von Zeitreihen und Formulierung statistikgestützter wenn-dann-Vermutungen weit hinausgeht.

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LiteraturtipMary Kaldor: Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im

Zeitalter der Globalisierung. Frankfurt/M. 2000.Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Reinbek b. Hamburg

2002.Siegfried Frech/Peter I. Trummer (Hrsg.): Neue Kriege.

Akteure, Gewaltmärkte, Ökonomie. Schwalbach/Ts. 2005.

Sabine Kurtenbach/Peter Lock (Hrsg.): Kriege als (Über) Lebenswelten. Schattenglobalisierung, Kriegs-ökonomien und Inseln der Zivilität. Bonn 2004.

Christopher Daase: Kleine Kriege – Große Wirkung. Wie unkonventionelle Kriegführung die internationale Politik verändert. Baden-Baden 1999

Die neuen Kriege. Der Bürger im Staat. Hg. Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. 54.Jg., Heft 4 2004 http://www.buergerimstaat.de/4_04/neu_krieg.htm

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Gute Nacht