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hören, was dahinter steckt! Seite 1 © Saarländischer Rundfunk Köln 2015// Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des SR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden. Wer teilt, verliert Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy" Von Caroline Michel Besetzung: Sonja Marx und Frank Hofmann Technische Realisation: Barbara Eidner und Manfred Jungmann Regie: Denise Dreyer Redaktion: Barbara Krätz Alle Sendetermine im Überblick: SWR 24.06./22:03/SWR 2 BR 27.06./13:05/BR 2 W: 28.06./21:05/BR 2 27.06./13:05/Bayern 2 Plus W: 28.06./21:05/ Bayern 2 Plus SR 27.06./17:04/ SR 2 KulturRadio 27.06./17:04/ Antenne Saar W: 29.06./19:00/ Antenne Saar NDR 28.06./11:05/NDR Info 28.06./11:05/NDR Info spezial WDR 28.06./11:05/WDR 5 W: 29.06./20:05/WDR 5 RB 28.06./16:05/Nordwestradio W: 02.07.21:05/Nordwestradio HR 28.06./18:05/HR2-Kultur

hören, was dahinter steckt! Wer teilt, verliert Ein ... · auch noch Brötchen vom Vortag gestiftet. Das Angebot wurde übers Internet verbreitet – und schon sind Leute da, die

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Page 1: hören, was dahinter steckt! Wer teilt, verliert Ein ... · auch noch Brötchen vom Vortag gestiftet. Das Angebot wurde übers Internet verbreitet – und schon sind Leute da, die

hören, was dahinter steckt!

Seite 1

© Saarländischer Rundfunk Köln 2015// Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des SR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.

Wer teilt, verliert

Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy"

Von Caroline Michel

Besetzung:

Sonja Marx und Frank Hofmann

Technische Realisation: Barbara Eidner und Manfred Jungmann

Regie: Denise Dreyer

Redaktion: Barbara Krätz

Alle Sendetermine im Überblick:

SWR 24.06./22:03/SWR 2 BR 27.06./13:05/BR 2 W: 28.06./21:05/BR 2 27.06./13:05/Bayern 2 Plus W: 28.06./21:05/ Bayern 2 Plus SR 27.06./17:04/ SR 2 KulturRadio 27.06./17:04/ Antenne Saar W: 29.06./19:00/ Antenne Saar NDR 28.06./11:05/NDR Info 28.06./11:05/NDR Info spezial WDR 28.06./11:05/WDR 5 W: 29.06./20:05/WDR 5 RB 28.06./16:05/Nordwestradio W: 02.07.21:05/Nordwestradio HR 28.06./18:05/HR2-Kultur

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hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Wer teilt, verliert Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy"

Seite 2

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Atmo: Kinder singen ziemlich schräg das St. Martins-Lied

Sprecherin (darüber): Fackel-und-Laternen-Umzug in der Kindertagesstätte bei mir um die

Ecke. Die Kinder besingen einen Mann namens Martin, der seinen Mantel mit einem Bettler

teilte. Das war damals so einzigartig, dass Martin dadurch zum Heiligen wurde. So jedenfalls

erklären mir das die Kinder.

Heute ist das zum Glück anders, wir sind bereit unser gesamtes Hab und Gut zu teilen.

Aufzählung (geflüstert) wimdu, Airb’n’b, Huffingtonpost, share a dog, rent-a-rentner,

checkrobin, Car2go, ebay, Kleiderkreisel, facebook, 9flats, spottify, Leihdirwas,

parkatmyhouse....

Sprecherin: Auf der Cebit ruft die Technologie-Branche im März 2013 die „Shareconomy“ aus:

„Wir wechseln von einer Welt des Besitzens in eine Welt des Teilens.“

Zitator: Der Begriff der Sharing Economy - auch: Share Economy - meint das systematische

Ausleihen von Gegenständen und das gegenseitige Bereitstellen von Räumen und Flächen,

insbesondere durch Privatpersonen und Interessengruppen. Im Mittelpunkt steht die

Collaborative Consumption, der Gemeinschaftskonsum. Der Begriff der Share Economy wird

synonym (...) in Bezug auf das Teilen von Informationen und Wissen verwendet.

aus: Gablers Wirtschaftslexikon. Das Wissen der Experten.

Ansage:

Wer teilt, verliert

Über die Chancen und Risiken der Sharing Economy

Von Caroline Michel

Musik Pippi Langstrumpf: 2x 3 macht 4, Widdewiddewitt und Drei macht Neune Ich mach' mir

die Welt Widdewidde wie sie mir gefällt ....

Ansage:

Ein Feature über idealistische Uber-Taxifahrer, schicksalsergebene Helpling-Putzkräfte,

umtriebige Plattform-Betreiber und ratlose Wissenschaftler.

Sprecherin: Foodsharing-Hotspot beim gemeinnützigen Verein „Neuland“ in Köln. Mein erster

Versuch mit der Sharing Economy, die es möglich machen soll, gleichzeitig die Ressourcen zu

schonen, die persönliche Freiheit zu erhöhen, den Zusammenhalt zu stärken und dazu noch

einen Mehrwert für jeden der Beteiligten zu bringen. Um nicht mit leeren Händen zu kommen,

habe ich ein Glas Orangenmarmelade mitgebracht, die ich nicht mag und die deswegen schon

ziemlich lange nutzlos in meiner Vorratskammer steht. Irgendein anderer Wohltäter hat dazu

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auch noch Brötchen vom Vortag gestiftet. Das Angebot wurde übers Internet verbreitet – und

schon sind Leute da, die sich darüber freuen.

O-Ton Michel: Sie sind nicht mehr gerade so knusprig und frisch, aber die sind auch noch gut

zum Essen. Dann gibt es ja noch die Möglichkeit, wenn man zuhause ist, die nochmal kurz

aufzuwärmen, dass die noch ein bisschen knusprig werden. (Lacht). Es geht auch schon.

Sprecherin: Das Ganze funktioniert bestechend einfach: Fast wie früher, als man sich noch in

der Nachbarschaft aushalf:

O-Ton Veit: Der Unterschied ist, dass es im Prinzip auf breiter Front passiert. Dynamisch, ad

hoc und (in einer Art und Weise) in einer Breite der Gesellschaft, die wir so noch nie vorher

hatten.

Sprecherin: Professor Daniel Veit, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Augsburg.

O-Ton Rifkin: „We share...“

Voice-over: Wir teilen unsere Autos, unser Zuhause, unsere Kleidung, unsere Werkzeuge. Mit

allen Menschen und immer wieder. Das bedeutet: Nichts wird mehr weggeschmissen. Mehr

Menschen brauchen weniger Ressourcen. Wir schaffen einen Kreislauf.

... „This is a remarkable historical event“

Sprecherin: Der US-Ökonom Jeremy Rifkin in der NDR-Sendung ‚Panorama’. Der Visionär steht

im Moment hoch im Kurs, fast täglich spricht er auf irgendeiner Konferenz, ist sogar Berater

unserer Kanzlerin. Die Menschen lieben ihn und seine Ideen!

O-Ton Anna: Also zum Beispiel “leihdirwas.de“. Das ist echt super, finde ich! Hier in dem Portal

kann man Sachen einfach suchen, Zum Beispiel ne Bohrmaschine und nen Beamer. Und dann

kannste auch noch Deinen Ort eingeben und dann padadadat kommen die Ergebnisse... (...) Ich

find das einfach toll, weil wir ganz viele Sachen haben, die liegen bei uns rum, die brauchen wir

vielleicht zwei, drei viermal im Jahr und dann können wir die anderen doch leihen.

Andersherum: Wenn ich Sachen nur 1-2 mal im Jahr brauche: Warum soll ich mir das dann

kaufen?

O-Ton Veit: Und das ist letztendlich ein Resultat der Kraft und des Potentials der digitalen

Medien. (...) Dadurch entwickelt sich hier eine neue ökonomische Dimension. Würde ich es

nennen. Und diese Dimension wird im Augenblick noch etwas unscharf unter dem Begriff

„Sharing Economy“ gefasst.

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Sprecherin: …sagt Professor Veit. Wer jetzt aber denkt, das, was die Sharing Economy macht,

sei nichts anderes als das, was der Heilige Martin schon vor vielen Jahren gemacht hat, der irrt.

Die Sharing Economy verändert ALLES!

Ansage Kapitel 1: Die Zeit ist reif für ein Umdenken

Musik: Titelmusik Raumschiff Enterprise (alte Episoden)

Sprecherin (im Duktus Enterprise): Deutschland im Jahr 2015. Die Wirtschaft blüht und gedeiht.

Die Kreditzinsen sind niedrig wie nie, wir können uns mehr leisten als jemals zuvor. Glücklich

sind wir nicht.

O-Ton Paech: Nie zuvor hat es ausgerechnet in den reichsten Konsumgesellschaften des

Planeten Erde so ein extremes Lavieren zwischen Burnout, Depression und

Hyperaktivitätssyndrom gegeben wie jetzt. Also wir merken doch, dass moderne

Gesellschaften unter Konsumverstopfung leiden.

Sprecherin: Ursache ist eine große Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand, mit dem von

Industrie und Handel diktierten Wirtschaftswachstum – erklärt (mir) der Umweltökonom Niko

Paech. Problem eins: Die Ressourcen.

O-Ton Paech: Wir werden dieses Konsummodell auch ökonomisch gar nicht durchhalten

können. Nicht nur weil Verschuldungs- und andere Finanzkrisen uns heimsuchen werden,

sondern weil auch die Ressourcen, aus denen sich das zeitgenössische Konsummodell speist,

zur Neige gehen. Und da rede ich nicht etwa nur von Rohöl oder anderen fossilen Rohstoffen,

sondern auch von seltenen Erden – vor allem aber auch von Flächen und von Wasser.

Sprecherin: Aber: Meine Macht, mich gegen das schneller-höher-weiter aufzulehnen, war

bislang auf Konsumverweigerung, auf VERZICHT begrenzt.

Ansage Kapitel 2: Wie ich mit Hilfe der Sharing Economy die Umwelt rette und eine Revolution

anzettele

Sprecherin: Privatleute teilen via Internet ihre Autos, Werkzeug und Waschmaschine,

ausgemusterte aber junggebliebene Experten teilen ihre Freizeit bei „Rent-a-rentner“,

Studenten ihre WG-Zimmer bei „couchsurfing“, Journalisten teilen ihr Wissen in der

„Huffington Post“ - und bei „parkatmyhouse“ findet man sogar Leute, die ihre Parkplätze teilen.

Die Menschen scheinen tatsächlich bereit zu sein, näher zusammenzurücken,

umweltbewusster zu leben. Zu nutzen statt zu besitzen.

Zitator: Gemeinschaftlicher Konsum hilft auch der Umwelt. Die Frage

dabei ist, wie viele Rasenmäher braucht eine Wohnsiedlung?

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www.leihdirwas.de - Deine Verleihbörse im Internet

Sprecherin: Das klingt super. Ich registriere mich und entscheide mich spontan für „Palme

Aracea“, Mietgebühr 2 Euro pro Tag, und ein Fahrradschloss für 8 Euro pro Woche. Abzuholen

leider in Düsseldorf. Das macht aber in diesem Fall nichts, denn dort habe ich die Möglichkeit,

den Fahrdienst UberPop auszuprobieren. Auch ein Unternehmen der Sharing Economy. Ich

schlage zwei Fliegen mit einer Klappe: Ich schone Ressourcen, mit Leihdirwas zeige ich dabei

Handel und Industrie die kalte Schulter, mit Uber auch dem ewig regulierenden Staat. Toll!

O-Ton Caro (darüber): Geräusch Tastatur... Ich habe die allgemeinen Nutzungsbedingungen

und die Datenschutzerklärung gelesen und akzeptiere beide... hm... Häkchen dahin... Ich erteile

die in der Datenschutzerklärung aufgeführte Einwilligung in die Verarbeitung und Nutzung

meiner Daten. Muss ich das machen?

Sprecherin: Ja, denn das Internet ist meine Freiheit, ist meine Möglichkeit, mich aktiv

einzubringen.

O-Ton Caro: „Abholort einstellen, Düsseldorf, Volmerswerther Straße 55, da sind wir. Guck mal,

hier sind dann die kleinen Autos.“

O-Ton Monika: 4 Autos auf dieser Rheinseite – das ist toll.

Sprecherin: Kein Anruf bei einer Telefonzentrale, keine Warteschleifen. Die App des

Taxidienstes „Uber Pop“ weiß direkt beim Aktivieren, wo wir gerade sind und wo sich die

dienstwilligen Fahrer befinden.

O-Ton Caro: „Wenn ich jetzt auf das blaue Auto drücke... da: Ankunft in ca. 5 Minuten,

maximale Anzahl 4 Personen

O-Ton Monika: Super.

O-Ton Caro: Ein Euro Grundpreis, 25 Cent pro Minute, 1 Euro pro Kilometer

Sprecherin: Auch meine Freundin Monika, die mich netterweise begleitet, ist begeistert: Keine

Unsicherheit darüber, was die Reise kosten wird. Wir erfahren den Fahrpreis bevor wir die

Fahrt verbindlich buchen. Nimmt der Fahrer Umwege, ist das nämlich nicht unser, sondern

sein Problem. Und: Wir bekommen schon vor Fahrtantritt ein Bild von unserem zukünftigen

Fahrer. Toll!

O-Ton Caro: Und wie kann man das jetzt bestellen? Abholung an diese Adresse eingeben.

Ziel eingeben. Wir wollen zur Kööö.... Königsallee, Düsseldorf.

Geräusch Handyklingeln

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Sprecherin: Wie immer im unpassendsten Moment: Das Handy klingelt. Aber: Es ist Jost, unser

Fahrer, der schon auf der anderen Straßenseite wartet. Ich hatte vergessen, dass a) Uberwagen

nicht an Taxischildern zu erkennen sind und b) ich bei der Registrierung meine Handynummer

angegeben hatte.

O-Ton Caro: Huhu! Wir kommen!

O-Ton Jost: Diese Apps sind sicherlich die Zukunft, die die Taxifunktionäre mal wieder

verschlafen haben, denn die mytaxi-App haben die ja auch bitter bekämpft und gesagt: Wir

haben doch erst 1972 vom Wahlscheibentelefon auf Tastentelefon umgestellt, das war ja

schon teuer genug.

Sprecherin: Aber: Hinter Uber stecke viel mehr als eine komfortabel App, sagt unser netter

Uber-Fahrer Jost. Und damit meint er weder das Wasser – mit und ohne Kohlensäure – noch

die Schokoriegel, mit denen die Türen seines leicht beuligen Opel Corsa gefüllt sind. Und auch

nicht die Investoren, die das ganze „ubern“ finanzieren. Er meint die Idee, dass Privatleute ihre

Zeit und ihre Autos mit anderen Privatleuten teilen:

O-Ton Jost: Also sicherlich hat Goldman-Sachs und die dahinterstehenden Aktionäre pekuniäre

Interessen. Und das ist so. Und das ist Teil des kapitalistischen Systems. Das ja auch diejenigen,

die es eigentlich kritisieren, doch bejahen. Aber: Nichtsdestotrotz gibt es innerhalb dieses

kapitalistischen Systems Freiräume, die wir nutzen können. Und Uber kann prinzipiell auch ein

solcher Freiraum sein...

Sprecherin: Jost, Jahrgang 1961, ist im Hauptberuf Kurator und im Herzen Anarchist. Und

Idealist. Ihn bewegt nicht die Frage „Sind die Motive der Firma Uber gut oder schlecht?“,

sondern: Was passiert, wenn die Menschen sehen, dass man Geschäfte machen kann, ohne

sich an die geltenden Regeln zu halten? Dass man Geschäfte untereinander machen kann –

(ohne dass irgendjemand Profit daraus schlägt). Ohne sozialversicherungspflichtiges

Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis, ohne klar definierte Kunden-Anbieter-Beziehung? Ohne

10-seitigen Vertrag und ohne Bezahlung im herkömmlichen Sinne? Und ohne steuerpflichtige

Gewinne. Denn das, was wir bei Uber bezahlen ist lediglich eine „Servicepauschale“, also

unsere Beteiligung an Josts Kosten.

Caro: Ist denn da auch MWST drin?

Jost: Nein. Weil die Firma im Ausland ist.

Das war ja ne Entscheidung der großen Koalition, im Prinzip aller wählbaren Parteien, dass die

internationalen Großkonzerne steuerfrei gestellt werden sollen, damit nur noch die

Arbeitenden und die kleinen Leute die Steuern bezahlen.

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Sprecherin: So ganz richtig ist zwar das nicht – richtig ist aber: Wenn die Fahrer mehr als

17.500 Euro pro Jahr umsetzen, zahlen sie Mehrwertsteuer. Das 40 Millionen Dollar

Unternehmen Uber nicht. Aber in der Praxis stellt sich diese Frage gar nicht.

O-Ton Jost: Wenn Sie sich die Tarife, die Uber aufruft, ansehen und das mit den Betriebskosten

eines Fahrzeugs vergleichen, dann ist von einer Gewinnabsicht nur schwer die Rede.

Wenn die Düsseldorfer Taxen, die ja doppelt so hohe Tarife aufrufen, selber nur auf HartzIV-

Niveau wirtschaften können, dann ist irgendwie ziemlich klar, dass hier kaum einer wegen des

Geldverdienens fährt.

Sprecherin: Wir Kunden profitieren, denn bei herkömmlichen Taxifahrten schlägt die

Mehrwertsteuer mit 7% zu Buche, die auf den Fahrpreis addiert werden. Bei Kleinunternehmer

Jost zahlen wir entsprechend weniger.

Der „Bezahlvorschlag“ – so heißt das wirklich - für unsere Fahrt zur Düsseldorfer Königsallee,

also die Summe, die Uber demnächst von meiner Kreditkarte abbucht: nur 9 Euro, obwohl wir

insgesamt fast eine halbe Stunde unterwegs waren. Trinkgeld geben wir auch nicht, denn wir

sind Gleiche unter Gleichen. Prima.

Take 4: Caro: Wir winken noch. Tschüüüüs!

Geräusch abfahren

Zitator: „Anarchie, zu deutsch: ohne Herrschaft, ohne Obrigkeit, ohne Staat“

Sprecherin: Der Staat kann seinen Besteuerungsanspruch nicht mehr durchsetzen und ist

somit raus. Bei der Frage, ob ein Staat Uber verbieten soll, geht es also nicht um die Rechte der

alteingesessenen Taxifahrer und auch nicht um die schöne, leicht zu bedienende App. Es geht

um Grundsatzfragen. Wer in der Sharing Economy arbeitet, entzieht sich dem klassischen

Wirtschaftssystem genau so wie der, der die Möglichkeiten nutzt – in diesem Fall ich.

Was mich allerdings ein klein wenig enttäuscht: Der große Aufschrei, den ich bei diesen

aufrührerischen, revolutionären Ideen erwartet hatte, bleibt aus.

O-Ton Veit: Wenn wir betrachten, wie sich die Bundesregierung zu diesen Themen äußert und

positioniert, dass dort ein Abwarten stattfindet.

Es wird also an vielen Stellen sogar gesagt: Es wird kein Regulierungsbedarf gesehen. Es wird

möglicherweise erst später einer gesehen. Oder zunächst mal gar keiner, wie wir das von

unserem Verkehrsminister jüngst gehört haben vor Weihnachten.

Sprecherin: erklärt Wirtschaftswissenschaftler Daniel Veit. Gut so. Denn so können tatsächlich

alle mitmachen, beim großen Teilen Alle be-teiligen sich in irgendeiner Form: Gründer sind

bereit, unternehmerische Risiken einzugehen, um Sharing-Vermittlungsportale zu betreiben.

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Journalisten schreiben ohne Bezahlung in kostenlosen Internetzeitungen wie der

Huffingtonpost. Großinvestoren und Internetriesen sind bereit, das Teilen zu finanzieren.

Selbst alteingesessene Traditionsunternehmen – also die, die Macht und Geld haben, wirklich

etwas zu bewegen - sind bereit, sich zu engagieren: Car2go, drive-now und multicity sind

nichts als die englischen Namen für die Carsharing-Angebote von Daimler, BMW und Citroen.

Musik

Ansage Kapitel 3: Profit durch Teilen

Zitator: „Keine Zeit für den Haushalt? Finden Sie Ihre Reinigungskraft bei uns ab

12,90/Stunde“

Sprecherin: Ich bestelle mir über helpling.de eine Putzkraft aus dem Internet. Denn:

Zitator: Die Sharing Economy ermöglicht einen Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die

für den Nutzer in dieser Form bisher unerreichbar waren.

Sprecherin: Die Sharing Economy ermöglicht also tatsächlich das, was in den Zeiten von St.

Martin noch unmöglich war: durch Teilen mehr bekommen! Denn der hatte ja bekanntlich

nach dem Teilen nur noch die Hälfte seines Mantels. Wir bekommen aber wirklich mehr. Ich

zum Beispiel habe bisher immer selbst geputzt, weil es mir immer zu umständlich war, die

Hürde der staatlichen Regulierungen zum Engagieren einer Putzfrau zu überwinden. Jetzt

habe ich durch die Sharing Economy ganz einfach Zugang zu einer neuen Dienstleistung. .

Zitator: Helpling ist der führende Marktplatz für Reinigungskräfte in Deutschland. Bei uns

buchen Sie in nur 60 Sekunden eine passende Reinigungskraft, Helpling genannt, der für Sie

sauber macht. Alle von uns vermittelten Helplinge durchlaufen einen dreistufigen

Auswahlprozess und erfüllen dadurch unseren sehr hohen Qualitätsstandard.

Sprecherin: Ich bestelle mir also für 29,80 für zwei Stunden eine Putzkraft. Ich gebe meine

Adresse und meine Wunschzeit ein – zur Wahl steht: Montag bis Sonntag – Sonntag! -

zwischen 8 und 21 Uhr – ich muss angeben, ob ich zuhause sein werde oder ob der Schlüssel

irgendwo hinterlegt ist. Fertig.

Ich bekomme: einen jungen IT-Spezialisten, der mit dem Putzgeld seine Rückstände bei der

Krankenversicherung bezahlen will. Und der hier nicht namentlich genannt werden will, damit

seine IT-Kunden nicht erfahren, dass es gerade nicht so gut läuft. Nennen wir ihn also einfach

Murat. Murat ist ein witziges Kerlchen, das zudem noch super putzt. Hat er im Hotel in den

USA gelernt, sagt er. Bei ihm zuhause putzt auch ein Helpling – das kostet dann so gesehen

keinen was und beide können den Rechnungsbetrag als haushaltsnahe Dienstleistung von der

Steuer absetzen. Was für ein genialer Schachzug: Der Staat bekommt nichts, die Allgemeinheit

zahlt.

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O-Ton Franke: Wir sehen uns wirklich als Teil einer Bewegung, die einen kaputten Markt

nimmt und den professionalisiert und legalisiert.

Sprecherin: Helpling-Chef Benedikt Franke.

Atmo

Ansage Kapitel 4: Noch mehr Profit durch Teilen

Sprecherin: Internationale Tourismusbörse ITB in Berlin: Das gleiche Bild wie bei den

Taxifahrern. Die Hoteliers, die brav all die staatlichen Vorschriften eingehalten haben, von

Brandschutz bis Hygiene, gelten als verschnarcht und innovationsfeindlich angesicht der

Sharing-Konkurrenz :

Zitator:

WILLKOMMEN ZU HAUSE

Miete einzigartige Unterkünfte von lokalen Gastgebern in mehr als 190 Ländern.

Anzahl an Airbnb-Unterkünften gesamt: mehr als 1 Million. Villen gesamt: 80.000. Iglus: 700.

Schlösser: 4.000. Boote: 9.000. Baumhäuser: 2.800. Inseln: 1.000

Geschätzter Wert: 20 Milliarden Dollar.

Musik

Sprecherin: Ich habe mich bei Airbnb, beziehungsweise bei Angelika eingebucht. Die für 28

Euro pro Nacht ein nettes kleines Räumchen in einer 4-Zimmer-Wohnung anzubieten hat.

Anders als zum Beispiel bei booking.com konnte ich hier nicht einfach „buchen“, sondern muss

mich per Mail bewerben.

Zitator: Ein starkes Profil zeigt, dass Du zuverlässig und authentisch bist und hinter den

Werten von Airbnb stehst. Egal, ob Du Gastgeber oder Gast bist, je vollständiger Dein Profil ist,

desto mehr Buchungen wirst Du wahrscheinlich haben! www.airbnb.de

Sprecherin: Schon wieder: Daten eingeben. Aber schließlich muss Angelika ja wissen, wen sie

sich da ins Haus holt.

Zitator: Ergebnis einer repräsentativen Befragung im Auftrag des Hightech-Verbands BITKOM:

5% der Deutschen haben eine Plattform wie Airbnb bereits als Mieter oder Vermieter genutzt.

Von denen, die es noch nicht genutzt haben, können 27% sich vorstellen in Zukunft Mieter

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oder Vermieter zu sein. 62% der Deutschen denken, dass solche Plattformen auch in Zukunft

legal bleiben sollten.

Sprecherin: 12.000 bis 15.000 Wohnungen stehen dem Wohnungsmarkt angeblich durch

Plattformen wie Airbnb, wimdu oder 9flats allein in Berlin nicht mehr zur Verfügung. Deshalb

werden Fragen gestellt wie: Ist die ganze Stadt bald nur noch ein großes Hotel? Und: Nützt ein

Zweckentfremdungsverbot?

O-Ton Angelika: Ja, wie bin ich dazu gekommen? Weil ich den Kontakt mit anderen Menschen

mag, andere Kulturen kennenzulernen, den persönlichen Kontakt, einfach auch meine Stadt

Berlin den Leuten näher zu bringen... (...) Das zu 90% und das Geld ist da nur ein Nebeneffekt.

Nicht: da kann man jetzt beispielsweise die Miete monatlich begleichen – ist nicht.

Sprecherin: Angelika ist Witwe, lebt mit zwei ihrer fünf Kinder in einer Vierzimmerwohnung.

Als die zweitälteste Tochter zum Studieren nach Heidelberg ging, stellte sich für die Familie die

Frage: Was tun mit dem freien Zimmer? Eine WG aufmachen und eine dauerhafte

Untermieterin suchen? „Das gibt nur Ärger und dafür hockt man dann doch zu sehr

aufeinander“, entschied Angelika.

Atmo ITB

O-Ton Moderatorin: Professor Conrady, kommen Sie auf die Bühne, stellen Sie uns Ihre Gäste

vor...

Sprecherin: Internationale Tourismus-Börse in Berlin. Diskutiert wird über das Thema: „Sharing

Economy – Turbo oder Sprengsatz in Tourismusdestinationen?“ Auf dem Podium: Moderator

und Touristikprofessor Roland Conrady, Burkhard Kieker, Geschäftsführer von visitberlin,

Markus Luthe, Chef des Hotelverbands Deutschland e.V. , Dr. Jens Wohltorf, Mitbegründer des

Chauffeur-Service-Portals Blacklane, der Jurist Dr. Jörg Kahler und 9flats- Geschäftsführer

Roman Bach, der stellvertretend für Portale der Sharing Economy offensiv als „Herausforderer“

antritt.

Es wird heiß diskutiert, denn es geht hier nicht um Angelikas kleines Zimmer. Es geht um die

„Großen“, die Wohnungen nur anmieten, um sie anschließend über Portale wie Airbnb

zimmer- und tageweise zu vermieten – und so ein Vielfaches der Miete zu erhalten, die selbst

zahlen beziehungsweise.die sie bei einer „dauerhaften“ Vermietung an einen einzigen Mieter

eingenommen hätten. Oder sie – wie bei 9flats – als Ferienwohnung zu inserieren.

Geschäftsführer Bach:

O-Ton Bach: Wir haben relativ früh auf professionelle Anbieter gesetzt, die Unterkünfte

anbieten, die vollkommen für den Gast zur Verfügung stehen,

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Also man teilt nicht – irgendwie ein Appartement oder gar ne Couch in der WG, sondern man

hat die ganze Wohnung für sich alleine, das ist vor allen Dingen für junge Familien wichtig,

ihren eigenen Privatraum zu haben. Oder für alte Menschen wie mich, die Mitte 40 sind, und

einfach nicht mehr in Schlafsälen wohnen wollen.

Sprecherin: Der Markt professionalisiert sich und das ist nicht mehr aufzuhalten. Roman Bach

sieht das genauso. Seine Forderung deshalb „Regeln statt Regulierungen!“.

O-Ton Bach: Die großen Anbieter, die kennen ihre Regeln sehr genau – die brauchen auch

keine neuen –was aber viel wichtiger ist, dass ich als Privatanbieter eben wirklich einfach

Verlässlichkeit und Sicherheit habe: Was darf ich, was darf ich nicht?

Sprecherin: Die kleinen Vermieter hängen im luftleeren Raum. Angelika zum Beispiel, die über

meine Frage, ob sie denn zu einer ordentlichen Buchführung verpflichtet sei, nur lacht und ob

sie zum Beispiel die Kosten für das Frühstück in einer Gewinn-und-Verlust-Rechnung den

Einnahmen gegenüberstellt, wie es Gewerbetreibende tun:

O-Ton Angelika: Neiiin! Nein, nein. Das Frühstück ist hier inbegriffen, das ist sozusagen auch

als Dankeschön, dafür dass Gäste das genutzt haben...

Sprecherin: Auch Steuern zahlt sie nicht.

Zitator: Vergewissere Dich, dass Du über lokale Steuern oder Anforderungen an

Gewerbetreibende Bescheid weißt. Dies können beispielsweise die Übernachtungssteuer,

Gewerbesteuer oder andere Steuerarten sein, wie zum Beispiel Mehrwertsteuer,

Dienstleistungssteuer oder Einkommenssteuer. Welche Steuern Du in Deutschland zu zahlen,

erheben und abzuführen hast und weitere Informationen zu Steuern, findest Du unter

www.bundesfinanzministerium.de. Bei Fragen zu Steuerschulden oder -rückzahlungen,

wendest Du Dich am besten an Dein zuständiges Finanzamt.

War das hilfreich? ja-nein.

www.aibnb.de

Sprecherin: Die Portale sind mit solchen Hinweisen raus aus der Verantwortung – das kennen

wir ja schon. Der Staat hat keine Steuereinnahmen. Mal wieder. Aber: wer profitiert? Alle, sagt

Airbnb-Unternehmenssprecher Julian Trautwein, denn: viele Airb’n’bler seien Reisende, die

ohne dieses Angebot überhaupt nicht verreist wären. Außerdem blieben sie in der Regel

länger. Airb’n’b sei also keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung zum bestehenden Angebot.

O-Ton Trautwein: Das heißt: „Wir machen den Kuchen insgesamt ein bisschen größer.“

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hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Wer teilt, verliert Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy"

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Sprecherin: Um eine Million Gäste pro Monat.

Ansage Kapitel 5: Nicht weniger ist mehr – mehr ist mehr!

Sprecherin: Seltsam: wir als Gemeinschaft wollten doch durch Wohltätigkeit, durch Solidarität

untereinander unseren Konsum drosseln. Was wir gekriegt haben, ist aber MEHR – sagt der

Aibnb-Sprecher da auf einmal. Und es gibt sogar Menschen – zum Beispiel Umweltökonom

Niko Paech - die meinen, auch das ganze Carsharing führe nicht zu einem Weniger an Fahrten,

sondern zu einem Mehr. Weil Autos jetzt für MEHR Menschen besser verfügbar sind.

Ressourcenschonung ade.

Aber, falls das stimmt: Wie hat man uns gekriegt? Ganz einfach: an der Wurzel. Da wo wir

verführbar sind, erklärt der Trendforscher Peter Wippermann. Es geht nicht mehr um Freiheit,

Ressourcenschonung oder Gemeinschaftseigentum.

O-Ton Wippermann: Es geht in erster Linie um eine Optimierung von Zeit. Es geht darum, in

einer Situation, die man selber bestimmt, an einem Ort, den man selber für wichtig erachtet,

sofort Angebote zu bekommen.

Sprecherin: Keine Wohltätigkeit, sondern „Geiz ist geil“ in neuer Verpackung.

O-Ton Wippermann: Bei Geiz ist geil ging es darum, möglichst ein Schnäppchen zu machen,

wenig Geld auszugeben und ein Produkt mit nach Hause zu bringen. Jetzt geht es darum,

möglichst günstig, Dinge nutzen zu können.

Sprecherin: Was sollten wir auch anderes mit dem mit Hilfe der Sharing Economy gesparten

Geld tun - als MEHR zu konsumieren?

Aber: führt Sharing auf lange Sicht wirklich zu Ersparnissen? Oder wird schlicht alles teurer,

wie Wirtschaftswissenschaftler Daniel Veit meint?

O-Ton Veit: Die Effekte, die wir sehen, eines Teilens einer Ressource hat ja immer zunächst mal

ne positive Konnotation, dass sozusagen Teilnehmer denken, sie haben von ihrer Ressource

mehr, wenn sie sie teilen, weil sozusagen andere sie nutzen und dafür ne Teilkompensation für

diese Ressource leisten – siehe private Autovermietung über Plattformen im Internet – der

Effekt, der nur volkswirtschaftlich mittelfristig eintreten kann, ist ein geringerer Absatz an

Fahrzeugen, mit der Folge, dass Unternehmen, wenn sie weiter erfolgreich Fahrzeuge

produzieren wollen, die Einzelpreise pro Stück wiederum hochsetzen müssen, und die Folge

davon ist wiederum, dass letztendlich zwar weniger Fahrzeuge produziert werden, verkauft

werden, die dann auch effektiver genutzt werden in der Gesellschaft, weil sie weniger

Standzeiten haben – aber die Kosten für den Einzelnen werden dadurch nicht signifikant

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sinken, weil letztendlich die Produktionskosten und die Herstellungs- und Entwicklungskosten

von Fahrzeugen einfach abgedeckt werden müssen.

Sprecherin: Möglicherweise kostet ein geteiltes Auto in Zukunft dann so viel wie heute das

eigene, das ständig verfügbar vor der Tür steht. Toller Fortschritt! Aber: es werden Ressourcen

geschont, da tatsächlicher weniger Autos (von weniger Arbeitern) gebaut werden.

O-Ton Veit: Sollte diese Entwicklung, die ich (letztlich) dort skizziert hab so eintreten – was

nicht unwahrscheinlich ist – dann ist tatsächlich die Möglichkeit da, und das ist letztlich das

Happyend einer potentiellen Sharing Economy Entwicklung, dass mit weniger Ressourcen der

gleiche Wohlstand erreicht werden kann. Und das wäre natürlich sehr wünschenswert.

Sprecherin: Die Kehrseite der Medaille – das gibt auch Daniel Veit offen zu: Die Preise steigen,

die Arbeit - wie wir sie kennen - wird weniger, die Löhne sinken. Die neue Arbeit wird dann das

Teilen sein, prophezeit der Oldenburger Umweltökonom Niko Paech. Und zwar für alle – auch

für die, die eigentlich nie irgendetwas teilen wollten. In Paechs „Post-Wachstums-Ökonomie“

teilt man nicht mehr aus Freude, sondern aus Not. In einer kleinen, in sich geschlossenen

Selbstversorgergemeinschaft.

O-Ton Paech: Ohne Geld. Ohne Märkte. Ohne fossile Rohstoffe. Statt dessen: kraft eigener Zeit,

kraft handwerklicher Kompetenzen und drittens: kraft sozialer Beziehung, die man dazu

braucht.

Sprecherin: Plattformen wie Airbnb und Uber gibt es in dieser Vision nicht. Weil niemand mehr

verreist. Aber so weit ist es ja zum Glück noch nicht:

O-Ton Bach (undeutlich): So rein interessehalber: Wer von Ihnen ist jetzt zur ITB in einem

Appartement oder einer Wohnung...

Sprecherin: Mit der Frage, wie viele der versammelten ITB-Besucher in einer privaten

Unterkunft abgestiegen seien, hatte sich Roman Bach von 9flats bei der Podiumsdiskussion

direkt ans Publikum gewandt. Ungefähr 20 Personen. Dann: Wie viele der Besucher haben pro

Übernachtung mehr als 150 Euro gezahlt? Nur wenige Finger wurden gehoben. (Meiner nicht.)

Das sei im vergangenen Jahr noch ganz anders gewesen, sagt Bach. Ein klares Indiz dafür, dass

die Vermittlungsplattformen doch eine echte Konkurrenz für die bestehende Hotelindustrie

sind. Der Kuchen wird größer, die Preise sinken.

Wem haben wir das zu verdanken?

Ansage Kapitel 6: Wie ich einen Anbieter besuchte, der gar kein Anbieter ist

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Zitator: In der Sharing Economy agieren Organisationen, die Mitglieder von Gemeinschaften

miteinander vernetzen.

Sprecherin: Nur: So simpel wie sich das auf den ersten Blick darstellt, ist das gar nicht. Denn

was wir im Teilfieber schon mal übersehen, ist: Vereine wie Foodsharing und GmbHs wie

Helpling, Uber, Leihdirwas sind nicht die eigentlichen Anbieter, sind nicht die Vertragspartner,

mit denen wir als Kunden einen Vertrag eingehen.

Zitator: Helpling ist kein Reinigungsunternehmen, sondern ein Marktplatz, auf dem Kunden

und Reinigungsprofis zusammenkommen. Anhand vieler Kriterien ermitteln wir die passende

Reinigungskraft für Sie und ersparen Ihnen somit den Auswahlprozess. (...) Für Sie als Kunde ist

unsere Vermittlungsleistung kostenfrei. www.helpling.de

Sprecherin: Ich buche etwas über Helpling und Uber und zugleich doch nicht bei Hepling und

Uber. Rechtlich fahre ich gar nicht mit Uber, ich fahre mit Jost. Ich bestelle mir keine Putzkraft

bei Helpling.... ja, doch... irgendwie schon... nein: Ich FRAGE Helpling, ob man mir den Kontakt

zu Murat herstellen, also vermitteln, kann. Eine Terminologie, an die man sich erst gewöhnen

muss.

Selbst Experte Daniel Veit bringt da schon mal was durcheinander:

O-Ton Veit: „Was unterscheidet einen Unternehmer in der Sharing Economy von einem

Unternehmer in der klassischen Economy?“ was ist – wir sprechen da immer von der

„dominant logic“ des Unternehmers.....

Sprecherin: Oder meint Veit wirklich den Unternehmer Jost und den Unternehmer Murat? Falls

ja: Was genau leisten dann die Vermittlungsplattformen der Sharing Economy? Airbnb, Uber

und Helpling?

Sie programmieren nur die schönen bunten Apps, sagt Peter Wippermann. Und:

O-Ton Wippermann: Naja, vor allen Dingen programmieren sie die Verwaltung weg. Und alle,

die in der Verwaltung arbeiten.

Sprecherin: Eine Maßnahme, die Peter Wippermann am Beispiel der Sharing Cities auch der

öffentlichen Verwaltung dringend ans Herz legt. Dadurch werden zwar Arbeitsplätze

wegprogrammiert, aber der Kunde bekommt einen besseren Service. Außerdem werden

Ressourcen gespart.

O-Ton Wippermann: Sie brauchen eben keine Telefonzentrale, sie brauchen keine

Mitarbeiterin oder Mitarbeiter, sie brauchen keine Leute, die diese Räume instand halten, sie

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brauchen keine Zimmerpflanzen, sie brauchen keine Möbel – das Programm reagiert

sozusagen auf Angebot und Nachfrage .

Sprecherin: Die Realität sieht erstmal anders aus: Betriebsbesichtigung in der Zentrale der

Helpling GmbH in Berlin, der Firma die mich und Murat erst zusammengebracht hat. Eine der

Plattformen, denen vorgeworfen wird, sich an Provisionen zu bereichern und ansonsten die

Hände in den Schoß zu legen. Einmal in eine App investiert, und gut ist. Ich sehe: weder eine

Briefkastenfirma, noch eine, in der man sich zurücklehnt .

O-Ton Franke: Derjenige, der sich nicht weiterentwickelt, der wird am Markt nicht bestehen.

Sprecherin: Helpling-Chef Benedikt Franke, 31 Jahre alt, führt mich durchs Haus.

Atmo: „Hallo zusammen“ – „Morgen“ „It’s just Radio, no cameras...“

Sprecherin (über Atmo): Viele kleine Räume und hinter jeder Tür, die Franke für mich öffnet,

das gleiche Bild: insgesamt 200 festangestellte lächelnde junge Computerfreaks

unterschiedlicher Nationalitäten arbeiten gemeinsam und hochmotiviert am „Projekt

Helpling". Eine Abteilung betreut die Putzkräfte, eine die Kunden, mehrere optimieren die

Website, noch mehr brüten über Werbeideen und und und. Lediglich die Abteilung

"Abrechnung", also da wo früher Stundenzettel eingereicht wurden, Lohnabrechnungen und

Kunden-Rechnungen geschrieben wurden, ist so gut wie nicht vorhanden, das geht alles

automatisch. Trendforscher Wippermann hat recht: Die programmieren die Verwaltung weg.

Helpling Chef Benedikt Franke:

O-Ton Franke: Und das ist/sind natürlich diese Effizienzgewinne, warum ein legaler Markt

plötzlich Sinn machen kann. Und das trotzdem zu nem Preis, der für die Kunden vertretbar ist,

so dass es halt nicht 10 oder 15 oder 20 Euro teurer ist als der Schwarzmarkt, sondern inklusive

des Steuervorteils, den wir in Deutschland haben von 20% auch nicht teurer als der

Schwarzmarkt ist und aus unserer Sicht ein völlig anderes Leistungsniveau hat als das, was ich

auf dem Schwarzmarkt kriegen könnte.

Sprecherin: Es gibt aber noch einen Grund für die günstigen Preise:

„Helplinge“ sind nicht beim Portal angestellt, sie agieren aber auch nicht als „teilende“

Privatpersonen. Sie sind formal selbständig. Sie dürfen entscheiden, welche Aufträge sie

annehmen, tragen aber auch das unternehmerische Risiko, haften für Schäden. Müssen sich

selbst versichern und Steuern zahlen. Allein zurechtkommen, wenn sie krank werden.

Vorzeige-Helpling Verena Weinert, 58 Jahre alt, steht zum Interview bereit.

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O-Ton Verena: Ich war bis 2007 Hauswartin und habe danach ne Selbständigkeit angestrebt.

Weil ich mir dann selber meine Aufträge zusammensuchen konnte. Hab aber festgestellt, dass

das sehr sehr schwer ist, sich selbst Aufträge suchen,

Man muss sich bewerben, man muss die Kunden überzeugen, man muss möglichst Werbung

machen auch selber, (Und das kostet auch)

Und bin dann jetzt im letzten Jahr April auf Helpling gestoßen. Und Helpling ist natürlich für

mich ideal, weil die mir die Aufträge dann zuschanzen. Ich muss nicht mehr selber suchen.

Sprecherin: Und wenn Verena glücklich ist, ist Benedikt Franke es auch. Und das ist das

wirklich bahnbrechend neue an dieser Art von Sharing Economy: Wenn ich bei einer

herkömmlichen Putzfirma eine Putzfrau buche, bin ich Nachfrager, die Firma der Anbieter und

die Putzkraft ist bei der Putzfirma angestellt. Für Helpling sind wir BEIDE Kunden: die Putzkraft

und ich. Und es spräche nichts dagegen, dass heute Verena bei mir putzt und ich morgen bei

Verena – so wie es mir Murat schon erzählt hat. ---- Doch: ich bräuchte einen Gewerbeschein,

eine Krankenversicherung und eine Steuernummer. Denn so ganz gleich sind „Partner Kunde“

und „Partner Putzkraft Weinert“ dann doch nicht. Und die Rechnung kommt nicht vom

selbständigen Putzunternehmer „Partner Verena Weinert“, sondern wieder vom Portal

„Partner Helpling“.

Benedikt Franke zeigt auf eine große Landkarte, in der viele bunte Stecknadeln stecken:

Helpling gibt es deutschlandweit in ca. 50 Städten, weltweit in über 100. Die Kundenzahlen

liegen irgendwo „im 5-stelligen Bereich“....

O-Ton Franke: ...und wir haben auch schon weit über 100.000 Reinigungsstunden erbracht.

Vermittelt.

Sprecherin: Irgendwie scheint der nette Herr Franke sich auch noch nicht so ganz an die sich

selbst auferlegte Terminologie halten zu können. Helpling hat die Reinigungsstunden eben

nicht „erbracht“ – auch wenn es für die Kunden so aussieht. Und mit „Kundenzahlen“ meint er

bestimmt auch wieder nur Kunden wie mich und nicht die Kunden wie Partner Verena und

Partner Murat, oder?

Was mag für „Partner Verena Weinert“ nach Abzug aller Kosten dabei rumkommen?

O-Ton Verena: Man kann davon leben, ja. Es sind ja nicht nur die Aufträge bei Helpling, ich hab

ja noch andere Aufträge. Und das alles zusammengenommen reicht mir zum Leben. Ich hab

aber auch keine großen Ansprüche. Ich habe weder ein Auto, noch ein teures Hobby, ich

verreise nicht. Ich bin einfach sehr zufrieden und glücklich, dass es reicht. Dass ich mir mal

kleinere Dinge leisten kann. Ich mache keine Parties, ich geh nicht weg, ich geh nicht essen: es

reicht.

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Sprecherin: Dafür ist Verena „frei“. Sie kann entscheiden, ob und wenn ja wann sie bei wem

arbeitet – wie alle „Anbieter“, alle Partnermanager, alle Mikrounternehmer, die ich bisher

getroffen habe. Sie sind auch im Hauptberuf selbständig oder Freiberufler. Für Menschen mit

festem Job, HartzIV-ler und Rentner scheint die Sharing Economy bisher nicht reizvoll zu sein.

Oder nehmen sie nur die gesetzlichen Vorgaben ernst? Denn alle Arten von Einnahmen aus

Tauschgeschäften müssen freiwillig den Finanzämtern gemeldet und zur Prüfung vorgelegt

werden.

O-Ton Meinert: Wenn wir diese Tauschgeschäfte unter steuerlichen Gesichtspunkten

untersuchen, dann können natürlich Einkommensteuer anfallen, es können Umsatzsteuer

anfallen, ggf. sogar Gewerbesteuer.

Sprecherin: Jörg Meinert, Fachanwalt für Steuerrecht erklärt: eigentlich müssten

Tauschgeschäfte tatsächlich versteuert werden. Und zwar nicht zu irgendeinem fiktiven Wert,

sondern zum tatsächlichen „Marktwert“

O-Ton Meinert: Wenn wir z.B. eine Malerleistung haben, die innerhalb eines Tauschrings mit,

ich sag mal, zehn Talenten bewertet wird, wo der Umrechnungsfaktor ein Talent = ein Euro

wäre, und damit mit 10 Euro bewertet werden würde, und tatsächlich aber der Marktwert

dieser Malerleistung bei 500 Euro läge, dann ist es für die steuerliche Bemessung maßgebend,

was der tatsächliche Marktwert hergibt, spricht diese 500 Euro.

Sprecherin: Nur: Wer soll das kontrollieren? Das fragt sich auch Trendforscher Peter

Wippermann.

O-Ton Wippermann: Ich sehe mit sehr, sehr großer Sorge, dass die Politik das bisher absolut

ignoriert und die Schwerfälligkeit von Verwaltung und Gesetzgebern wird uns um die Ohren

fliegen.

Sprecherin: Tatsächlich gab es zum Thema „Steuerregeln für Tauschleistungen“ schon im Jahr

1997 eine Diskussion:

Zitator: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrea Fischer

(Berlin) und der Fraktion Bündnis 90/ die Grünen: Tauschringe, LET-Systeme und

Seniorengenossenschaften:

Die Teilnehmer sind nicht per se Gewerbetreibende, sondern nur, wenn sie eine auf

Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit ausüben. (....)

Wegen der Vielzahl denkbarer Ausgestaltungen bleibt dies jedoch einer Einzelfallprüfung der

zuständigen Behörden überlassen.

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Sprecherin: Kurz: Zu umständlich. Ich weiß, was Peter Wippermann meint:

Wie kann ich – nach dem, was ich zum Beispiel hier bei Helpling gesehen habe – noch

ernsthaft daran glauben, dass der Staat, der sich mit sperrigen Programmen wie ELSTER

rumschlägt, mit den Apps der Sharing-Portale konkurrieren könnte? Dieser Vorsprung

verschafft den Portalen einigen Spielraum. Zum Beispiel, die eigentümliche Konstruktion

„Partner Helpling – Partner Putzkraft – Partner Kunde“. Noch hat keine Behörde Anstoß

genommen.

O-Ton Nordhausen: Wenn diese Reinigungsportale den Mut hätten, zu sagen, der Markt ist

wirklich vorhanden, damit kann ich wirklich auch Geld verdienen, dann könnten die doch ohne

weiteres die Reinigungskräfte selber anstellen, selber ein ordentlicher Arbeitgeber sein und

von dort natürlich per Internetbuchung die Reinigungskräfte in die Privathaushalte schicken.

Das ist ein vernünftiges System, das würde ich sehr unterstützen.

Sprecherin: Sagt auch Rechtsanwalt Bernhard Nordhausen. Zum Problem würden dann

allerdings die Sozialversicherungsbeiträge, die letztendlich die Preise für die Kunden in die

Höhe treiben. Wären sie abzuführen, wäre eine Helpling-Stunde fast so teuer wie eine Putz-

Stunde, die ich bei einer professionellen Gebäudereinigungsfirma kaufe.

Nordhausen erzählt aus seinem Alltag als Geschäftsführer des Landesverbands der

Gebäudereiniger NRW. Sagt, schon heute fänden sich kaum Menschen, die zum geltenden

Branchenmindestlohn von 9,35 Euro in Festanstellung putzen wollten. Warum sollten sie als

Selbständige – beziehungsweise Scheinselbständige – plötzlich dazu bereit sein?

O-Ton Nordhausen: Die Sharing Economy führt zu einer großen Umwälzung in unserer

Gesellschaft, die meines Erachtens viel Negatives mit sich bringen kann, wenn man da nicht

aufpasst. (...) Man muss sich da schon die einzelnen Fälle angucken, die unterscheiden sich

schon, aber wenn das dazu führt, dass bisher sozialversicherungspflichtig abgewickelte

Tätigkeiten, demnächst nur noch in übers Internet organisierter Tagelöhnerei abgewickelt

werden, dann haben wir indirekt einen Rückschritt ins 19. Jahrhundert und das wird unserer

Gesellschaft nicht gut tun. Wir haben ein 19. Jahrhundert, das allerdings dann übers Internet

organisiert wird.

Sprecherin: Nordhausen vermutet, dass Internetportale wie Helpling sich nicht etwa an den

kassierten Provisionen bereichern, sondern im Gegenteil im Moment noch kräftig draufzahlen.

Um ein Angebot zu schaffen, dass es eigentlich gar nicht gibt. Hier seien Großinvestoren im

Spiel, die gezielt mit viel Geld einen Markt kaputt machten. Beziehungsweise – noch

schlimmer – uns Verbrauchern vorgaukeln, wenn man nur genug teile, wäre sogar

Unmögliches möglich. Zum Beispiel für kleines Geld eine legale Putzkraft zu bekommen.

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Diesen Vorwurf hatte ich auch im Zusammenhang mit Uber schon gehört. Hier war von

größeren Summen die Rede, die Uber an seine Fahrer gezahlt haben soll, damit sie überhaupt

fahren. Trendforscher Wippermann:

O-Ton Wippermann: Und man sieht ja, dass bei Uber das ein großes Problem war, dass Uber

sozusagen in den Wettbewerb gegangen ist gegen die Taxigenossenschaften, und den Fahrern

eigenständig einen Zuschuss gezahlt hat, der meist höher war als die Gebühren für den

Transport.

Sprecherin: Geld an Fahrer und Putzkräfte? Kaum zu glauben. Die einzige Erklärung dafür wäre

ja, dass hier der Markt „gekauft“ wird. Der Markt – das sind im Wesentlichen die

Informationen über Anbieter und Nachfrager.

Zitator: Helpling, die am weitesten verbreitete Online-Plattform für professionelle

Reinigungskräfte, hat sich in der ersten Finanzierungsrunde einen Betrag in Höhe von 13,5

Millionen Euro gesichert. Zu den Investoren gehören unter anderem Mangrove Capital

Partners, Phenomen Ventures sowie Point Nine Capital und Lukasz Gadowski.

- Pressemitteilung von Helpling im Dezember 2012 -

Sprecherin: Helpling z.B. wird von Rocket Internet unterstützt, der weltweit größten Internet-

Plattform außerhalb von China und den USA.

Meine Frage nach dem aktuellen Marktwert........wurde übrigens schlicht nicht beantwortet...

O-Ton Franke: Also ich glaube „Wieviel ist denn das wert?“ ist die schlechteste Frage, die wir

uns zum aktuellen Zeitpunkt selbst stellen können.

wir fragen uns eher: Was ist der Wert, den unser Angebot aktuell schafft im Markt.

Schaffen wir einen echten Mehrwert? Leisten wir irgendwas für unsere Kunden?

Ansage Kapitel 7: Alles eine Frage der Definition

O-Ton Günther: Das kommt natürlich auch immer darauf an, wie viel einem das wert ist. Ein

Herzschätzchen zu verleihen, das sollte man nicht tun.

Sprecherin: Das haben wir schon als Kinder gelernt.

Das einzige, was ich – außer meinem Geld - bisher geteilt habe, war ein altes Glas

Orangenmarmelade. Gekriegt habe ich eine günstige Taxifahrt, eine spottbillige Übernachtung

und eine saubere Wohnung. Außerdem habe ich jede Menge nette Leute kennengelernt. Aber

entspricht das noch der Grundidee der Sharing Economy? Und: ist „teilen“ überhaupt das

richtige Wort für das, was da passiert? Diese Frage hatte sich mir schon im Uber-Auto, bei Jost,

aufgedrängt:

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O-Ton Caro: Wer teilt hier eigentlich was mit wem?

O-Ton-Jost: Wir alle gemeinsam die Zeit, die Lebenszeit, die wir als Gottes Geschöpfe auf Erden

verbringen dürfen.

Sprecherin: Taxifahrten eignen sich nur sehr bedingt zum Teilen… Nahrungsmittel – ähnlich

wie St. Martins-Mäntel - auch nicht. Denn man kann sie nur einmal essen, nicht gemeinsam

nutzen.

O-Ton Verena: Was ich ja immer total toll finde, ist, wenn man Essen teilt. Also einfach, damit

Essen nicht weggeschmissen wird...

O-Ton Veit: Dazu würde ich ganz klar sagen: Das würde ich nicht als Sharing Economy

betrachten, weil das Teilen von Gütern eigentlich so angelegt ist, dass es im Prinzip um ein

zeitweises Nutzen des Gutes durch andere Nutzer geht und nicht um ein tatsächliches Unter-

teilen, ein physisches Zer-teilen des Gutes.

Sprecherin: Für Daniel Veit, der im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

in einem groß angelegten Forschungsprojekt „den Beitrag der Sharing Economy für ein

nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland“ abschätzen soll, „sharen“ Menschen, die über

Organisationen wie Foodsharing.de ihr Essen teilen, überhaupt nicht. Sie VERSCHENKEN Dinge,

die sie nicht mehr gebrauchen können. Andere VERKAUFEN Dinge z.B. bei ebay. Auch kein

Sharing. „Teilen gegen Geld“ – also das, was früher MIETEN hieß, ist - wenn überhaupt - nur

Sharing, wenn es von privat an privat geht. Richtig gut teilen lässt sich eigentlich nur

Gemeinschaftseigentum. Wie es der Visionär Jeremy Rifkin in seinen flammenden Reden

propagiert:

O-Ton Rifkin: „We share...“

Voice-over: Wir teilen unsere Autos, unser Zuhause, unsere Kleidung, unsere Werkzeuge. Mit

allen Menschen und immer wieder. Das bedeutet: Nichts wird mehr weggeschmissen. Mehr

Menschen brauchen weniger Ressourcen. Wir schaffen einen Kreislauf.

... „This is a remarkable historical event“

Sprecherin: Wir teilen alles - auch die Kontrolle über das Teilen. Werden quasi vom Internet

regiert, das für uns die Verwaltung übernimmt. Was aber nicht schlimm ist, weil das Internet

ja allen gemeinsam gehört und so jeder von jedem kontrolliert werden kann. So weit so gut.

Viel spannender die Frage: Wo soll das ganze Gemeinschaftseigentum herkommen, auf das

sich diese Utopie stützt? Ist MEIN Privateigentum etwa die große Ressource, die von der

Wirtschaft noch nicht ausreichend genutzt wird? Meine Zeit, meine Arbeitskraft, meine

Wohnung, mein Auto, meine Intimsphäre, meine soziale Absicherung, meine Daten? Soll ich

das alles freiwillig herschenken, damit andere es „nutzen“ können?

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Das kann Rifkin doch unmöglich ernst meinen! Doch, kann er. Das ist die Grundvoraussetzung

für sein Verständnis von „Teilen“.

O-Ton Rifkin: Were are hearing a lot about the sharing economy. Every Day. And we are

becoming engaged in it. Capitalism is giving birth. (...) Capitalism is giving birth to a child. (...)

Now the parent is going to transform the child. Capitalism is going have to nurture this child,

let it grow, let it mature, let it find its own identity. But if you are a parent you know: your child

transforms you too.

Voice-over: Wir hören viel von der Sharing Economy. Jeden Tag. Und wir beteiligen uns an ihr.

Der Kapitalismus gebiert ein Kind, ein kleines Baby. Der Kapitalismus wird dieses Kind

verändern: Er wird es ernähren, es heranreifen sehen, und er wird sehen, wie es seine eigene

Identität entwickelt. Aber falls Sie selbst Kinder haben, werden Sie wissen: Dieser

Veränderungsprozess ist nicht einseitig: Die Eltern beeinflussen das Kind, aber das Kind

verändert gleichzeitig auch die Eltern.

Sprecherin: Wirklich erstaunlich, dass wir das unterstützen. Dafür kann es nur eine Erklärung

geben: Wir sind im Herzen doch St. Martins, die freiwillig nicht nur den halben, sondern gleich

den ganzen Mantel hergeben. Im Dienste der Umwelt und zum Nutzen der Allgemeinheit.

Atmo: Kinder singen ziemlich schräg das St. Martins-Lied

LIED reißt unvermittelt ab

Sprecherin: Doch, halt. Ich bin mir sicher: So weit wird es nicht kommen. Selbst wenn – was ich

nicht glaube – also selbst WENN – die Menschen bereit sind, nach und nach alles abzugeben,

alles zu teilen, was sie gerade nicht lebensnotwendig brauchen und dabei die Kontrolle an ein

oder – wie in Rifkins Vision - mehrere Internets abzugeben, die vorgeblich allen

gleichberechtigt gehören, selbst wenn sogar der Staat zurücktritt, sich ein Stück weit

wegprogrammieren lässt und auf Regulierungen, Regularien und Steuereinnahmen verzichtet,

um den Menschen den Spaß an ihren kleinen anarchischen Freiräumen zu lassen: Warum

sollten die Firmen, die sich jetzt in der Sharing Economy engagieren – also Google und Co,

aber auch deutsche Konzerne wie z.B. Daimler –, die die kleinen Sharing-Plattformen nach und

nach aufkaufen, den Kuchen ganz unter sich auf-teilen, warum sollten sie die gerade

gewonnene Markt- und Daten-Macht St.-Martin-mäßig wieder teilen?

Sie haben die Mär von der tollen Sharing Economy ausgenutzt - wenn nicht gar selbst in die

Welt gesetzt - um die Welt in ihrem Sinne zu verändern. So, dass fortan nach ihren Regeln

gespielt wird.

Und: Warum sollte jemand teilen, der alles haben kann?

Musik: Titelmelodie Raumschiff Enterprise (alte Episoden )

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hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Wer teilt, verliert Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy"

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© Saarländischer Rundfunk Köln 2015// Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung

außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des SR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht ) werden.

Sprecherin: (im Duktus Enterprise): Deutschland im Jahr2015. Die Wirtschaft blüht und

gedeiht. Dank der Sharing Economy können uns mehr leisten als jemals zuvor. Sind wir jetzt

endlich glücklich?

Geräusch: „pling“

Ansage "Sie haben eine neue Email“:

Sprecherin: Von Uber, dem Mitfahrdienst.

Zitator: „Hi Caroline, wir möchten Dich darüber informieren, dass Deine Kreditkarte mit der

Endung 4763 bald abläuft. Dies ist lediglich ein Hinweis, bedingt durch das von Dir

angegebene Ablaufdatum Deiner Karte.“

Sprecherin: Gut, vielleicht etwas ungewöhnlich, dass ein Mitfahrdienst sich um die Laufzeit

meiner Kreditkarte kümmert. Andererseits: Wenn er sowieso alle Daten hat – UND dazu noch

ein Programm, das diesen Kundenservice mit einem Klick möglich macht:

Warum nicht?

Musik

Sprecherin: Und während Jost noch um den Verlust seines Arbeitsplatzes trauert, Murat weiter

seine Schulden bei der Krankenversicherung abträgt, Verena sich um ihre Altersvorsorge sorgt,

Berliner Hoteliers in ihre Kissen heulen, Angelika überlegt, noch ein weiteres Zimmer zu

vermieten und Journalisten weiter Hilferufe in soziale Netzwerke posten – immer noch der

Frage auf der Spur, wer jetzt eigentlich genau was mit wem teilt – wächst bei Uber, Helpling &

Co der Datenbestand. Der Grundstein für ein Internet, in dem alle alles mit allen teilen, ist

gelegt.

Musik

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hören, was dahinter steckt! das ARD radiofeature Wer teilt, verliert Ein Feature über Chancen und Risiken der "Sharing Economy"

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© Saarländischer Rundfunk Köln 2015// Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung

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Absage: Wer teilt, verliert

Über die Chancen und Risiken der Sharing Economy

Ein Feature über idealistische Uber-Taxifahrer, schicksalsergebene Helpling-Putzkräfte,

umtriebige Plattform-Betreiber und ratlose Wissenschaftler.

Von Caroline Michel

Es sprachen: Sonja Marx und Frank Hofmann

technische Realisation: Barbara Eidner und Manfred Jungmann

Regie: Denise Dreyer

Redaktion: Barbara Krätz

Eine Produktion des Saarländischen Rundfunks für das ARD Radiofeature 2015