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RARE & VINTAGE 162 grand gtrs Huber Dolphin Custom "F;O?M7OH>?L Es ist schon verblüffend, welchen Gefahren der Geldbeutel eines bekennen- den Gitarrenfreaks im Alltag so ausgesetzt ist. Dabei beginnt es manch- mal ganz harmlos, wie etwa im vorliegenden Fall. Von Alexander Heimbrecht

Huber Dolphin Custom · Modelle: Dolphin Herkunftsland: Deutschland Hals: Riegelahorn mit Riegelahorngriffbrett Mensur: 25“ Korpus: europäische Esche mit Sumpfeschen-Decke Finish:Trans

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RARE & VINTAGE

162 grand gtrs

Huber Dolphin Custom

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Es ist schon verblüffend,welchen Gefahren derGeldbeutel eines bekennen-den Gitarrenfreaks im Alltag so ausgesetzt ist.Dabei beginnt es manch-mal ganz harmlos, wie etwa im vorliegenden Fall.

Von Alexander Heimbrecht

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Da hatte man eigentlich schon kräftig in die Schatullegegriffen, eine große Investition getätigt, sich eine edlePRS Archtop II bestellt – und dann erwiesen sich diePick ups schon beim ersten Anspielen als ziemlich mi-krofonisch. Das macht natürlich wenig Laune, sodassder unschönen Pfeiferei kurzerhand mit einem Satz mi-krofonieärmerer Tonabnehmer ein Ende gesetzt werdensollte, für deren Einbau das autorisierte PRS ServiceCenter im hessischen Rodgau zuständig war. Da sichdieses Ereignis kurz nach der Jahrtausendwende ab-spielte, dürfte dem ein oder anderen Leser schon däm-mern, wer da den Lötkolben vorgeglüht hatte. Richtig,es war kein Geringerer als der Hubers Nik, der dem In-strument von Herrn Schmitt ein Paar neue Klangwand-ler einpflanzte. Und es kam, wie es kommen musste,beim Besitzer der PRS war das Interesse an Niks Gitar-ren geweckt, das Unheil nahm seinen Lauf und die hierabgebildete Huber Gestalt an. Bernd Mierzwa heißt derglückliche Mann, ein Urgestein der Nürnberger Blues-Szene, Gitarrenspinner vor dem Herrn („Langsamgeht’s, ich hab inzwischen nur noch vierzehn …“), Ar-chitekt, talentierter Hobby-Fotograf und ein sehr lie-benswerter Mensch, der für alles Schöne im Leben

einen ausgeprägten Sinn hat. Er besitzt nicht nur be-sagte PRS, sondern auch zahlreiche andere Preziosenwie etwa eine Teuffel Birdfish oder eine Fender „HelloKitty“ Strat („Ich bin eigentlich kein Sammler, ichkaufe, was mir gefällt …“) und so ist es eigentlich garnicht verwunderlich, dass in den Windungen vonBernds gitarrophil geprägtem Gehirn nach der erstenKontaktaufnahme mit Nik und dem Einbau der Pickupsrecht schnell der Wunsch nach einer Custom-Gitarreaus Rodgau geboren wurde. Und so begab es sich, dasssich Bernd mit einem mehrseitigen Anforderungskata-log bewaffnet aus der fränkischen Metropole auf denWeg nach Südhessen machte und auf mittelalterlichenHandelsstraßen – heute kurz mit A3 bezeichnet – genRodgau reiste. Das Ergebnis dieser fränkisch-hessi-schen Co-Produktion können wir hier bewundern: eineGitarre der Superlative, nach meinem Geschmack diebeste Huber, die ich bisher in der Hand hatte. Gewiss,die anderen waren auch alles andere als schlecht, aberdieses Gerät ist wirklich außergewöhnlich. Was machtsie so speziell? Kurze Antwort: einfach alles! Etwas aus-führlicher: Farbgebung, Holzauswahl, Tonabnehmer-bestückung, Schaltung und ein paar kleine Details.

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ErgonomieAlso sehen wir uns das gute Stück doch einmal genaueran. Zumindest die Formgebung ist vertraut, denn es han-delt sich hier um Niks ureigenes Design, das Modell Dol-phin, für mich persönlich zwar optisch nicht ganz soharmonisch ausgefallen wie die Designs von Niks gro-ßem Mentor aus Maryland. Dafür ist das Instrument abersehr ergonomisch geraten – perfekt balanciert und imSitzen wie im Stehen bequem zu spielen, und dies wie-derum ist mir wichtiger als die Optik. Wenn ich etwa anSigi Brauns rattenscharfes Originaldesign denke, dannstört mich beim Spielen immer dessen leichte Kopflas-tigkeit. Doch zurück zur Dolphin: Abseits des klassischenHuberformats wird es dann außergewöhnlich. So bestehtder Korpus aus europäischer Esche, auf den wiederumeine Decke aus Sumpfesche aufgeleimt wurde. Hätteman da nicht gleich einen einteiligen Body nehmen kön-nen? Theoretisch ja, praktisch nein, weil beide Stückenämlich von unterschiedlichen Bäumen stammen unddie Decke Huber-typisch über eine extrem gezeichneteMaserung verfügt. Es muss nicht immer Quilted Maple,Redwood oder ein exotisches Edelholz sein, es geht ebenauch mit vermeintlich profaneren Hölzern. Zum super-selektierten Eschekorpus gesellt sich ein ebensolcherAhornhals mit wirklich extrem intensiver und regelmä-ßiger Riegelung. Ich persönlich würde einen solchen Au-genschmaus ja gar nicht mit Griffbretteinlagenausrüsten, muss aber zugeben, dass die Dots zusammenmit den Delfinen am zwölften Bund schon ihren Reizhaben. Hatte ich vorhin eingeräumt, dass mir die „klas-sischen“ PRS-Designs besser gefallen als die Hubers,kehrt sich das bei diesem Exemplar allerdings ins Gegen-teil. Während ich mit einer PRS Swamp Ash Special niewarm werden konnte, fasziniert mich diese Huber schonbeim Betrachten ungleich mehr. Dazu mag allerdingsbeitragen, dass die drei Pickups nicht nur in einem Mas-sivhaus aus Holz wohnen, sondern auch noch sehr un-gewöhnlich angeordnet sind. Wer glaubt, dass dieTonabnehmer „einfach so“ in dieser Konstellation auf dieDecke geklatscht wurden, weil es halt schön aussieht, derist schief gewickelt. Wenn man weiß, dass bei der TeuffelBirdfish die Tonabnehmer leicht und ohne den Einsatzvon Werkzeug verschoben werden können, und wennman sich die Einstellung von Bernds eigener Birdfish an-sieht, dann wird es sehr schnell klar, warum die drei P90aus der Schmiede von Harry Häussel so und nicht andersin die Decke der Dolphin eingepflanzt wurden. Bernd hateben kurzerhand die für ihn am besten funktionierendeGeometrie auf die Huber übernommen. Keine schlechteIdee, wie ich finde! Die raffiniert angeordneten Pickupssind im Übrigen ebenso ideenreich verdrahtet. Nebeneinem Fünfwegschalter, der auch nicht genau jene Stan-dardkombinationen liefert, wie wir sie von anderen Gi-tarren mit drei Einspulern kennen (so gibt es eineTele-mäßige Neck-Bridge-Kombi), gibt es noch einenLead Switch, der den Steg- und Mittel-Pickup unter Um-gehung des Fünfwegschalters quasi als „Überhumbu-

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cker“ aktiviert, und wer denkt, unbedingt einen Steg-Humbucker für sein persönliches Glück zu benötigen,der sollte einmal diese Variante in Erwägung ziehen, soviel sei schon jetzt verraten. Dieser Solo-Switch ist übri-gens als schnell zu aktivierender Push-Push-Schalterausgeführt, der exakt an der Stelle sitzt, wo bei der Paulader klassische Toggle zu finden ist. Stört mich der Letz-tere immer ein wenig bei Tapping-Geschichten, ist derkleine Knubbel der Huber zwar so schnell zu erreichenwie der Toggle Switch bei der Gibson, aber er ist in keins-ter Weise störend oder gar versehentlich zu verstellen.Eine überaus praktische Lösung, wie ich finde! Wem dasnoch nicht reicht, der Masterton-Poti ist als Push-Pullausgeführt und dreht die Phase des mittleren Pickups.

BrummfreiheitApropos „praktisch“: Langsam wird es Zeit zu erkunden,ob die ausgebuffte Konstruktion klanglich eine Entspre-chung findet. Dass dies der Fall ist, kann man sich den-ken, denn wie sonst hätte ich eingangs so euphorischschreiben können. Machen wir es kurz, ich habe die Gi-tarre über einen Silverface Fender (clean) sowie meinTone hunter-Halfstack (dirty) probieren können undwenn der Begriff „eierlegende Wollmilchsau“ irgendwoangebracht ist, dann bei dieser Gitarre. Doch Vorsicht,assoziiert man einen Allrounder meist damit, dass erzwar ziemlich viel, aber doch eben nichts perfekt kann,so ist das hier ein wenig anders. Gewiss, die Huber kannnicht alles, aber das, was sie kann, macht sich nicht „ir-gendwie so“, sondern eben absolut perfekt. Die CleanSounds am alten Fender sind fleischiger als auf einerStrat, knallen bei Bedarf aber auch mit ordentlich Coun-try Twang aus den Speakern. Am leicht clippenden Ampspringt der Blues-Fraktion vor Freude die Hose auf, undje mehr Zerre im Spiel ist, desto mehr Rock’n’Roll Fee-ling kommt auf. Das geht so weit, dass bei aktiviertem

Lead Switch undsattem Hi-Gain amAmp erstklassige (undbrummfreie) Hardrockund Classic Metal Soundsmachbar sind – aber ebennicht „irgendwie“ oder „gehtschon auch“, sondern auf einem Ni-veau, bei dem der Laie staunt und der Expertesich wundert! Ach ja, hatte ich schon erwähnt,dass die Vibratoeinheit ebenso perfekt funktioniert,wie die Gitarre tönt? Eine Eigenentwicklung von Nikund im Gegensatz zu einer PRS symmetrisch ausge-führt. Zudem mit fünf statt sechs Schrauben befestigt,was den Zugang zu denselben extrem erleichtert. Selbstmit Dive Bombs nach Art der 1980er hat sie kein Pro-blem, die werden genauso locker weggesteckt, wie Berndauf etwaige Kaufangebote von interessierten Musikerkol-legen reagiert (wobei ich das gar nicht ernsthaft probierthabe).

Holz vom FeinstenZu diesem Instrument kann man seinem Besitzer eigent-lich nur gratulieren. Ein wohldurchdachtes Konzept, in-telligente Komponentenwahl und eine perfekteUmsetzung durch Nik Huber haben eine Gitarre hervor-gebracht, die ihresgleichen sucht. Ich liebe diese Holz-kombination – eine meiner persönlichen Lieblings-gitarren verfügt über die gleichen Zutaten – und so hates mich nicht verwundert, wie phänomenal diese Hubertönt. Allerdings tragen die kürzere PRS-Mensur und dergeleimte Hals wohl entscheidend dazu bei, dass sie deut-lich druckvoller und bei Bedarf auch cremiger tönt alsmeine Schraubhalsgitarre mit klassischer Fender Men-sur. Fazit: absolute Weltklasse – es geht eben auch ohneRio und anderes Tropengehölz! ■

DETAILSHersteller: Nik HuberModelle: DolphinHerkunftsland: DeutschlandHals: Riegelahorn mit RiegelahorngriffbrettMensur: 25“ Korpus: europäische Esche mit Sumpfeschen-Decke Finish: Trans BlueHardware: Custom VibratoMechaniken: Schaller M6 Mini Klemm-mechanik/Topmount mit EbenholzflügelnPickups: 3 x Häussel P-90Elektrik: je 1 x Mastervolumen, 1 x Master-ton (Push-Pull Phasendrehung Mitten-PU), 5-Weg-Schalter, Lead SwitchGetestet mit: Fender Vibrolux und Tone-hunter Grand Cru 52Preis: 6.000 DM im Jahr 2001

S C R E W I N S O L D E R L E S S

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