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Albert Ballin

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lin

Ein beispielloser Aufstieg: vom drei-zehnten Kind eines armen jüdischenAuswandereragenten zum „Souveränder Seefahrt“ und „Freund“ des Kai-sers. Wenig verwunderlich, dass Al-bert Ballin eine der hervorragendstenGestalten des wilhelminischen Kai-serreiches war. Von Beginn an sorgteer bei der Hamburg-AmerikanischenPacketfahrt-Actien-Gesellschaft, kurzHapag genannt, für Aufsehen. Diesestieg unter der Führung ihres Mana-gers Ballin zur größten Reederei derWelt auf.

Von 1907 bis zu seinem tragischenTod am 9. November 1918 gehörteBallin dem Kuratorium der Ham-burgischen Wissenschaftlichen Stif-tung an und hat auch hier auf beson-dere Weise gewirkt. Als Mitglied desExpeditionsausschusses trug er we-sentlich zum Zustandekommen dergroßen Südsee-Expedition in denBismarck-Archipel und nach Neu-Guinea (1908 bis 1910) bei, die denRuf Hamburgs als Wissenschafts-standort festigte.

Die vorliegende Biographie zeichnetdas außergewöhnliche Leben diesesMannes nach, der wie kaum ein an-derer Zeitgenosse Größe und Kraftdes zweiten deutschen Kaiserreichesverkörperte, zugleich aber auch des-sen Grenzen und Schwächen erlebte.

Aus der Reihe „Mäzene für Wissen-schaft“ sind bisher erschienen:

Band 1Die Begründer der HamburgischenWissenschaftlichen Stiftung

Band 2Sophie Christine und Carl HeinrichLaeisz. Eine biographische Annähe-rung an die Zeiten und Themenihres Lebens

Band 3Eduard Lorenz Lorenz-Meyer. Ein Hamburger Kaufmann undKünstler

Band 4Hermann Franz Matthias Mutzen-becher. Ein Hamburger Versiche-rungsunternehmer

Band 5Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk. ZweiHamburger Kaufleute

Band 6Albert Ballin

Albert Ballin

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von Johannes Gerhardt

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Gefördert von der Hapag-Lloyd Stiftung

Den Familien gewidmet, die durch ihre hochherzigen Stiftungen vor102 Jahren die Gründung der Hamburgischen WissenschaftlichenStiftung ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt haben, dass die Stiftung auch heute noch Forschung, Lehre und Bildung fördern kann.

Mäzene für Wissenschaft

hg. von Ekkehard Nümann

Inhalt

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 3

1. Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4

2. Der Familien- und Firmengründer Georg Friedrich Vorwerk . . S. 6

3. Zur Kindheit und Jugend der Vorwerk-Brüder . . . . . . . . . . . . S. 15

4. Eine Reise von Augustus Friedrich nach Nordamerika und Kuba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 23

5. Die Firmen in Chile und Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 28

6. Friedrich, Adolph und deren Ehefrauen in den Erinnerungen dreier Enkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 44

7. „Villa Josepha“ und „Haupthaus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 54

8. Gustav Adolph als Bau- und Gartengestalter . . . . . . . . . . . . . S. 60

9. Entwicklungen nach dem Tod der Brüder . . . . . . . . . . . . . . . S. 67

10. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 70

11. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 72

12. Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 74

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Inhalt

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 4

Vorwort des Vorsitzenden des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG . . S. 5

1. Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 72. Die frühen Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10Eltern und Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 10

Der Sprung in die Selbstständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 12

Heirat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 16

Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 19

3. Albert Ballin und der Aufstieg der Hapag . . . . S. 24Die Hapag vor Albert Ballin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 24

Der erste deutsche Top-Manager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 25

Schiffbaupolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 31

Die Hapag als Tourismus-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 44

Die Auswandererhallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 50

Die Ausdehnung der Hapag-Fahrtgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 58

Schifffahrtsdiplomatie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 64

4. Albert Ballin und die Politik . . . . . . . . . . . . . . . . S. 72„Klein Potsdam“ und Hamfelde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 72

Albert Ballin und der Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 74

Albert Ballin und seine politische Einflussnahme . . . . . . . . . . . S. 80

Albert Ballin und der Admiral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 83

Albert Ballin und die „große Politik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 84

5. Albert Ballin und die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 90Wirtschaftliche Expansion und militärische Konfrontation . . . . S. 90

Albert Ballin im Juli 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 92

Die Hapag im Ersten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 94

Politische Einflussnahme im Berlin der Kriegsjahre . . . . . . . . . . S. 98

Albert Ballins Vorstellungen von den Kriegszielen des Deutschen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 101

Albert Ballins Einstellungen zum U-Boot-Krieg . . . . . . . . . . . S. 104

Frieden über Wilson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 107

Das Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 109

6. Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 1177. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 121Stammtafel (Auszug) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 121

Albert Ballin und die Hapag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 122

8. Quellen, Literatur und Bildnachweis . . . . . . . . S. 1249. Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . S. 130

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Vorwort des Herausgebers

Im Jahr 2007 feierte die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihr 100-jähriges Jubiläum. Der vorliegende sechste Band ist Teil der zu diesem An-lass ins Leben gerufenen Schriftenreihe „Mäzene für Wissenschaft“. In ihrwird die Geschichte der Stiftung dargestellt; außerdem werden Stifterper-sönlichkeiten und Kuratoriumsmitglieder in Einzelbänden gewürdigt.

Die Absicht, diese Reihe ins Leben zu rufen, entspricht dem dankbarenGefühl den Personen gegenüber, die vor mehr als 100 Jahren den Muthatten, die Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Hamburg zugründen und erreichten, dass Hamburg eine Universität erhielt. Verknüpftdamit ist die Hoffnung und Erwartung, dass nachfolgende Generationen

sich hieran ein Beispiel nehmen mögen.

Ekkehard Nümann

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Albert Ballins Name steht für wirtschaftliche Erfolge, die ihresgleichen su-chen: Unter seiner Führung avancierte die Hapag zur größten Reederei derWelt, und das Tor zu dieser Welt wurde Hamburg. Ballins großzügiges undweitsichtiges Mäzenatentum ist dagegen weniger bekannt. Der „Top-Ma-nager“, der sein Unternehmen so glanzvoll öffentlich repräsentierte, warbei wohltätigen Engagements sehr diskret. Erfolg zählte ihm mehr als Pu-blicity, und er verband besonders gern finanzielle Unterstützung mit prak-tischer Hilfe. Sein Einsatz für die Hamburgische Wissenschaftliche Stif-tung war da typisch: Ballin war nicht nur ein freigiebiger finanziellerFörderer, er half auch, die große völkerkundliche Südsee-Expedition zu

organisieren.

In dieser Kombination lag Ballins Stärke: Er war ein pragmatischer Visio-när und konnte Zeitströmungen ebenso intuitiv erfassen wie gewinnbrin-gend nutzbar machen. Während er weitblickend neue Geschäftsfelder er-schloss, kümmerte er sich gleichzeitig um jedes Detail seines „Gesamtkunst-werks Hapag“. So schrieb er Geschichte: 1891 erfand Ballin die moderneKreuzfahrt, baute die Hapag fortan auch zum Pionierunternehmen imTourismus aus und engagierte sich sogar in der Zivilluftfahrt. Zum Welt-erfolg verhalf der Gesellschaft vor allem der Service, den sie bot – und dasin allen Klassen: Auch arme Emigranten wurden stets als Kunden ernst ge-nommen und umworben. Millionen Europäer brachen aus der internatio-nal ausgezeichneten Auswandererstadt der Hapag im Hamburger Hafen

in ein neues Leben auf.

Der Generaldirektor, einer der ersten deutschen Manager, verschrieb sichseinem Lebenswerk derart rückhaltlos, dass es hieß: „Er war die Hapag,und die Hapag war er.“ Für Ballin bedeutete das vor allem Verantwor-tung: Der Visionär war niemals ein Hasardeur. Die Hapag-Bilanzen sei-ner Ära beweisen eindrucksvoll, auf welch solidem finanziellen Fundament

auch die ehrgeizigsten Projekte des Unternehmens jederzeit standen.

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Vorwort des Vorsitzenden des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG

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Ballins persönliches Verantwortungsgefühl war umfassend, verstand erdoch die Hapag ebenso als integralen Bestandteil ihres Heimatlandes wieals eingebunden in eine Weltwirtschaft, deren Zusammenhänge er weit bes-ser verstand als die meisten Politiker seiner Zeit. Er war ein erfolgreicherSchifffahrtsdiplomat, dem es über Jahrzehnte hinweg gelang, an der Spitzegroßer internationaler Konferenzen und Kooperationen auch strittigsteProbleme konstruktiv zu lösen. Dieses Erfolgsmodell versuchte Ballinschließlich auch auf die Politik zu übertragen: Er setzte sich seit 1908 in-tensiv für deutsch-britische Verständigung ein – und musste dabei tragisch

am militärisch-politischen Establishment scheitern.

Weitsicht und Pragmatismus gleichermaßen prägten auch das soziale En-gagement des Hapag-Direktors: Er war es etwa, der 1911 durch diskretenEinsatz entscheidend dafür sorgte, dass der Naturpark Lüneburger Heidefinanziert werden konnte. 1909 schon war er dem Verein Jordsand beige-treten und unterstützte das beispielhafte Umweltschutzprojekt, indem erden Ankauf der Hallig Norderoog mitfinanzierte. Darüber hinaus war erein besonders großzügiger und vorausschauender Wissenschaftsmäzen: Bal-lin gehörte zum Beispiel zu den Geldgebern, die die Anfänge der heutigen

Max-Planck-Gesellschaft ermöglichten.

Albert Ballin verkörperte, was als typisch hanseatisch gilt: Weltoffenheit,Aufgeschlossenheit und Dynamik, gepaart mit bodenständigem Realismusund klugem Geschäftssinn. Er hat unser Unternehmen ebenso wie seineHeimatstadt Hamburg nachhaltig geprägt, und mehr noch: Sein Namegalt international als Inbegriff und Gütesiegel der deutschen Schifffahrt.Ballins Weitsicht, Einsatz und Einfluss gingen jedoch deutlich über denwirtschaftlichen Rahmen hinaus. Auch in der Hamburgischen Wissen-schaftlichen Stiftung, deren Kuratoriumsmitglied er war, lebt das Engage-

ment des großen Hamburgers bis heute weiter.

Michael Behrendt

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Prolog

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Wenige Tage nach Albert Ballins Todschrieb der Hauptschriftleiter des „Wirt-schaftsdienst“ und spätere Dozent für Na-tionalökonomie an der Hamburger Univer-sität Kurt Singer am 15. November 1918:„Deutschland verliert seinen größten Ree-der, einen seiner genialsten Unterhändlerund einen seiner treuesten Berater, zugleich

aber den Mann, der wie kein zweiter Art,Kraft und Grenze des nach-bismarckschenReiches als Vertreter und als Sinnbild dar-stellte. Mit ihm und in ihm geht eine Epo-che zu Ende.“1

···································································Ballin gehörte zu den Menschen, die inder wilhelminischen Gesellschaft rasant auf-

Albert Ballin, von Henning Edens

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stiegen und die Möglichkeiten ausschöpf-ten, die sich im 1871 gegründeten deutschenKaiserreich auftaten. Unter seiner Führungstieg die 1847 gegründete Hamburg-Ameri-kanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft,kurz Hapag genannt, zur größten Reedereider Welt auf. Sein Aufstieg ist umso ein-drucksvoller, weil er als Sohn eines ausDänemark nach Hamburg eingewandertenJuden alles andere als günstige Startbedin-gungen hatte. ···································································Ballin war ein „ehrlicher Bewunderer“Wilhelms II.2 Diese Einstellung teilte er mitvielen Angehörigen des Großbürgertums,mit Bankdirektoren, Industriebaronen und

Reedern. Sie alle suchten die Nähe zumMonarchen, der den persönlichen Kontakt(anders als die Hohenzollern vor ihm) nichtgrundsätzlich auf Angehörige des Adels be-schränkte. Ballin war in der Lage, mit seinenSchiffen besondere Pracht um den Monar-chen zu entfalten, was diesen zweifelsohnebeeindruckte, schließlich besaß das wenigeJahre zuvor gegründete deutsche Kaiserreichkaum eine Vergangenheit mit Traditionen,die sich zu bestimmten Anlässen prachtvolldarstellen ließen. So sind die Hapag-Luxus-liner „Imperator“, „Vaterland“ und „Bis-marck“, die in den Jahren von 1912 bis 1914vom Stapel liefen, als typische Beispiele desWilhelminismus, als „schwimmende Sym-

Albert Ballins Arbeitszimmer in seinem Haus in der Feldbrunnenstraße mit der Büste Wilhelms II.

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bole“ eines ganzen Landes angesehen wor-den und, in gewisser Analogie, Albert Bal-lin als Wilhelminist.3···································································Das Prisma, durch welches die historische

Person Albert Ballin im Folgenden betrach-tet wird, hat – die kurzen einleitenden Be-merkungen deuten es bereits an – zweiBrennpunkte: einen ökonomischen und ei-nen politischen.

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··············································································································································1 Singer, Tod, S. 8.2 Stubmann, Feld, S. 137.3 Hauschild-Thiessen, Generaldirektor, S. 245; Wiborg, Volldampf, S. 24; Röhl, Eulenburg, S. 35.··············································································································································

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Eltern und Kindheit···································································Albert Ballins Vater Samuel Joel Ballin, dersich später Joseph Ballin nannte, war einmassiv gebauter Mann, der um 1830 aus Dä-nemark nach Hamburg einwanderte. Nach-dem er zunächst als Textilunternehmer ge-arbeitet hatte, jedoch mit dieser Tätigkeit,ebenso wie später mit einer Kohlefirma,bankrott gegangen war, gründete er 1852zusammen mit seinem Partner Samuel Mo-ritz Hirsch eine unabhängige Auswanderer-Agentur. Diese firmierte unter dem NamenMorris & Co. (vermutlich wurde sie nacheinem englischen Makler benannt) und be-saß eine Konzession für die Vermittlung von Auswanderern aus Schleswig-Holstein,Mecklenburg und dem Ausland. Die Agen-tur kümmerte sich um deren Anwerbungund die Organisation ihres Transports vorallem in die Vereinigten Staaten. Jedoch lie-fen die Geschäfte nicht gut, und nur mitMühe gelang es Samuel Ballin, seine großeFamilie zu ernähren.···································································Seit 1850 stieg die Zahl der Auswandererrasch an. Hatte zuvor in Deutschland Bre-men die entscheidende Rolle im „Auswande-rergeschäft“ gespielt – der Begriff ist zeitge-nössisch und macht sehr plastisch deutlich,um was es ging –, so holte jetzt Hamburgnach und nach auf. Unabhängige Agenturen

wie die von Samuel Ballin hatten es aller-dings weiterhin schwer. Ihre Tätigkeit warden Hamburger Schifffahrtslinien ein Dornim Auge, da die Unabhängigen ein unlieb-samer Konkurrent waren. Um 1850 began-nen die Reedereien deshalb, ihnen keineSchiffsplätze mehr zuzuteilen. Dies war dieGeburtsstunde des so genannten „indirek-ten Verkehrs“: Die unabhängigen Agentu-ren brachten die Auswanderer nach Ham-burg, wo sie von kleinen britischen Schiffenübernommen und zu Häfen an der Ostküs-te Englands transportiert wurden. Anschlie-ßend fuhren die Passagiere mit der Bahnnach Liverpool und wurden dort auf Schiffebritischer Reedereien mit dem Ziel Amerikagesetzt.···································································Albert Ballin wurde am 15. August 1857geboren. Seine Mutter Amalia Ballin, eineTochter des begüterten Handelsmannes Jo-seph Meyer, war die zweite Ehefrau von Sa-muel Ballin, mit dem sie neun Kinder hatte.Zu diesen kamen noch vier weitere, die ausBallins erster Ehe stammten. Albert war dasjüngste Kind in dieser langen Reihe. SeinGeburtshaus existiert heute nicht mehr, esstand am Stubbenhuk 17, kaum mehr als 30Meter entfernt von einer belebten Ecke desHamburger Hafens. Einige Jahre später zogdie Familie an den Baumwall 6 um, wo siewieder unmittelbar am Hafen wohnte. Al-

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Die frühen Jahre

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berts Kindheitseindrücke – „das ewig Be-stimmende in einem Menschen“ (BertholdAuerbach) – entstammten also einem Mi-lieu, das von Seeleuten und Schiffen, auf de-nen Güter jeglicher Art abgefertigt wurden,geprägt war. Zeitlebens war er dem Ham-burger Hafen eng verbunden. ···································································Die Ballins gehörten zur jüdischen Unter-schicht in der Hansestadt, und je größer dieFamilie wurde, umso mehr nahmen diewirtschaftlichen Sorgen zu. Die Familie be-wegte sich „in den trüben Zonen, in denender Übergang vom Kleinbürgertum ins Pro-letariat oft nicht aufzuhalten ist“.4 ÜberAlberts Kinder- und Jugendzeit ist wenigbekannt. Später hat er hierüber nie geredetund auf solche Fragen „in der unfreundlichs-ten Weise“, wie seine Mitarbeiter berichte-ten, reagiert.5

···································································Die schulische Bildung des Jungen gingnicht über den Besuch der Akademie Pro-fessor Goldmanns hinaus, einer Institution,deren klangvoller Name heute mehr ver-spricht, als sie damals halten konnte. Albertist hier nicht durch besondere schulischeLeistungen aufgefallen. Mit noch nicht ein-mal fünfzehn Jahren verließ er die Schuleund trat in das väterliche Geschäft ein. Esheißt, er hätte sich vorübergehend für dasCellospiel interessiert. Allerdings steht zuvermuten, dass spätere Freunde mit solchenanekdotischen Details versuchten, im Rück-blick einer trostlosen Kindheit einen Hauchvon Bürgerlichkeit zu verleihen. Niemandhat Ballin als Erwachsenen je musizierenderlebt.6 1910 schrieb er einmal über seine Ju-

Die Eltern Albert Ballins (um 1862)

Der junge Albert Ballin (um 1865)

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gendzeit in einem Brief an einen Freund:„Ich glaube, Sie und ich sind nie jung gewe-sen. Dazu gehört Sorglosigkeit – und in die-ser Beziehung sind wir beide arg belastet.“7

···································································Der Sprung in dieSelbstständigkeit···································································Als Ballin senior am 17. September 1874starb, trat die Witwe Amalia Ballin selbst alsTeilhaberin in die Firma ein. Ihre beidenSöhne, Albert und sein älterer Bruder Jo-seph, erhielten 1875 Prokura. Zur Seite standihnen der bisherige Teilhaber WilhelmWolffsohn, der jedoch 1877 wieder aus-schied. Joseph Ballin entschied sich schonbald für einen anderen Beruf, den desFondsmaklers (er endete tragisch: 1909 er-schoss er sich). So fiel dem 20-jährigen Pro-kuristen Albert Ballin die Führung der klei-nen Firma zu: Im Winter 1877 reichte er das

Gesuch ein, vorzeitig mündig werden zuwollen, wozu er am 25. Januar 1878 erklärtwurde. Am 16. August 1879 wurde er Mitin-haber der Firma Morris & Co.8 Damit be-gann sein Aufstieg zu einem der bekanntes-ten Deutschen seiner Zeit.···································································Fragt man nach den Gründen des Erfolges,so sind zunächst einmal die äußeren Fakto-ren zu nennen. Seit 1880 begann die Zahl derAuswanderungen von Europa nach Amerikawieder anzusteigen. Um nur einige Gründehierfür aufzuzählen: Die wirtschaftliche Si-tuation in den Vereinigten Staaten hatte sichgebessert, in den verschiedensten TeilenRusslands führten blutige Pogrome zum An-wachsen der Zahl auswanderungswilliger Ju-den, der Ausbau des europäischen Eisen-bahnnetzes erhöhte insgesamt die Mobilitätauf dem Kontinent und machte die Hafen-städte Mitteleuropas besser erreichbar.

Baumwall und Vorsetzen, gesehen vom Quaispeicher (1871)

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···································································Ballin gelang es in besonderer Weise, vondiesen Entwicklungen, deren Konsequen-zen er klar erkannte – und das machte denUnterschied aus –, zu profitieren. Mit rela-tiv einfachen aber höchst effektiven Mittelnrevolutionierte er das Auswanderergeschäft.Er erkannte schon bald, dass die von derväterlichen Agentur bisher betriebene indi-rekte Auswanderung auf Dauer keine Ex-pansionsmöglichkeiten bot. Die Schlussfol-gerung, die er daraus zog, war, selbst in dasGeschäft der direkten Auswanderung einzu-steigen und eine eigene Passagierlinie zustarten. ···································································Ballin kann in diesem Zusammenhang alsParadebeispiel eines Entrepreneurs gelten,wie ihn der bekannte Nationalökonom Jo-seph Schumpeter in seinem Hauptwerk„Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“beschrieben hat. Der Schumpetersche Un-ternehmer setzt in einem Prozess der„schöpferischen Zerstörung“ des Bestehen-

den „neue Kombinationen“ durch – so auchneue Dienstleistungen, Transportmethodenund Organisationsformen. Die Durchset-zung neuer Kombinationen, so Schumpeter,sei „eine besondere Funktion und Privilegvon Leuten, die viel weniger zahlreich sindals jene, die die äußere Möglichkeit dazuhätten“. Oft handele es sich dabei um Men-schen, „denen jede äußere Möglichkeit dazuzu fehlen scheint“.9···································································Was waren nun die neuen Kombinationen,die Ballin durchsetzte?···································································1881 trat er an den Neffen des HamburgerGroßreeders Robert Miles Sloman jr., Ed-ward Carr (1835-1892), mit einem unge-wöhnlichen Vorschlag heran: Carr, der sichzwei Jahre zuvor selbstständig gemachthatte, solle seine beiden Frachter umbauen.Anders als die ansonsten üblichen Transat-lantikdampfer, die in der ersten und zweitenKlasse Passagiere beförderten und im Zwi-schendeck Auswanderer, sollten sich Carrs

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Stubbenhuk

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Albert Ballin als junger Mann, von Friedrich Wilhelm Graupenstein (1882)

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umgebaute Frachter auf letztere beschrän-ken. Hier deutet sich übrigens an, dass derBegriff „Auswanderer“ ein Klassenbegriffist. Auch Passagiere wanderten aus. Von da-her sind die Übergänge eigentlich fließend,und die scheinbar klare Trennung zwischenPassagieren und Auswanderern ist nicht soeindeutig, wie sie auf den ersten Blick er-scheint. ···································································Der Umbau sei, so Ballin, nicht allzu auf-wendig: Die Räumlichkeiten der Schiffesollten nicht in Kabinen, sondern in großeMehrzweckräume aufgeteilt werden, dietagsüber als Aufenthaltsräume und nachtsals Schlafsäle dienen könnten.10 Als Aus-gleich für die einfache Unterbringung solleallen Personen Zugang zu den offenenDecks gewährt werden, bisher ein Privilegfür Passagiere der ersten und zweiten Klasse.Durch das Fehlen der platzaufwendigen Ka-binen gebe es mehr Frachtraum – eine zu-sätzliche Einnahmequelle. Außerdem be-stehe die Möglichkeit, die Schiffe für dieRückreise von Amerika nach Hamburgdurch wenige Handgriffe in reine Frachterumzuwandeln. ···································································Den Reisenden konnte jetzt ein gewissesMaß an Komfort während der Überfahrtangeboten werden, und das zu einem Preis,der mit 82 Mark pro Kopf deutlich unterdem der Konkurrenz lag. Carr ging aufBallins Vorschlag ein, versprach dieser dochAussicht auf anhaltend gute Erträge, zumalBallin ihm volle Schiffe, d. h. 600 Passagierepro Fahrt, garantierte; ansonsten würdeMorris & Co. Kompensationszahlungenleisten.11 Ballin wiederum hatte sein Ziel,sich im direkten Auswanderergeschäft zuetablieren, erreicht. ···································································

Die Umsetzung seiner Ideen war von Be-ginn an ein voller Erfolg. Bereits nach einemJahr, 1882, konnte Carr seine Flotte von zweiauf sechs Schiffe erweitern, denn Ballinschickte ihm 12.200 Emigranten, das warenetwa 17 Prozent des gesamten HamburgerAuswandererverkehrs. Und deren Zahl aufCarrs Schiffen stieg weiter an: 1883 waren es16.500.12

···································································Ballins und Carrs Konkurrent, die Ha-pag, transportierte in diesem Jahr etwa53.400 Personen bei 76 Abfahrten nachNordamerika. Dennoch blickten die hochangesehenen Hanseaten an der Spitze derReederei mit zunehmender Nervosität aufdie Erfolge des Emporkömmlings. Schließ-lich ließen sie sich auf einen Preiskampf einund senkten 1882 die Passagepreise der Ha-pag von 120 auf 90, ein Jahr später sogar auf80 Mark. Carrs und Ballins Antwort war,die Preise ihrerseits mehr und mehr herab-zusetzen. Um eine feindliche Übernahme zuverhindern, suchten sie zudem einen Part-ner und fanden ihn in Robert Miles Sloman& Co., mit dem sich die Carrsche Linie zurUnion-Linie verband. Ballin führte wäh-rend dieser Jahre den Kampf mit der Hapagaus einer Position der Stärke heraus. Gleich-zeitig nahm er ihn sehr persönlich; es heißt,er habe nachts heimlich Plakate der Carr-schen Reederei an das Bürohaus der Hapagin der Deichstraße geklebt.13

···································································1886 kam es dann endlich zu einer Verstän-digung, bei der die Kontrahenten eine Inter-essengemeinschaft bildeten: Der Union-Li-nie wurden niedrigere Passagepreise zuge-standen, die Hapag übernahm dafür dieLeitung des Passagedienstes für beide Linienmit der Verpflichtung, mindestens ein Vier-tel aller Reisenden dem bisherigen Konkur-

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renten zuzuweisen. Viel entscheidender fürBallins weitere Karriere war jedoch ein Se-paratvertrag mit der Hapag, durch den erLeiter der Passageabteilung wurde. Diesehatte die Hapag Anfang 1885 eingerichtet,wodurch nun auch in der Organisation derGesellschaft die zunehmende Trennung vonFracht- und Passagierschifffahrt ihren Aus-druck fand. ···································································Am 31. Mai 1886 trat Ballin den Posten alsAbteilungsleiter mit einem Mindest-Jahres-gehalt von 10.000 Mark und zusätzlicherProvision an.14 Der Jahresbericht der Hapagfür 1886 bemerkt hierzu: „Besondere Wich-tigkeit ist auch der Thatsache beizumessen,dass die Führung des Passagegeschäfts fürbeide Partheien, in Folge eines Abkommensmit Herrn Albert Ballin, in unsere Händeübergegangen ist. Es ist dadurch für diesen

wichtigen Geschäftszweig eine einheitlicheLeitung geschaffen (...).“15

···································································Ballin blieb zunächst noch Inhaber vonMorris & Co., trat jedoch schon 1888, beiseinem Eintritt in den Vorstand der Hapag,aus der väterlichen Firma aus, die dann ohnenennenswerte Tätigkeit noch bis 1907 wei-ter bestand. ···································································Heirat···································································Schon ein Jahr nachdem er ins direkte Aus-wanderergeschäft eingestiegen war, befandsich Ballin in einer wirtschaftlich gesichertenSituation, so dass er am 17. Oktober 1882 dashamburgische Bürgerrecht erwerben konn-te.16 Dieses, nicht zu verwechseln mit derStaatsangehörigkeit, stand nur wohlhaben-den Männern offen, die regelmäßig Steuern

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1882 erwarb die Carr-Linie die „Polonia“

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Ausschnitt aus dem „Engagementsvertrag“ mit Albert Ballin

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und zudem noch eine Gebühr für den Er-werb des Bürgerbriefes zahlten.17

···································································1883 heiratete Ballin im Alter von 26 JahrenMarianne Rauert, Tochter eines mittelstän-dischen christlichen Tuchhändlers, der amAlten Steinweg ein Geschäft hatte. DieTrauung wurde nach protestantischem Ri-tus vollzogen, allerdings konvertierte Ballinnicht. Seine Frau stammte aus achtbarerbürgerlicher Familie, „gutem Mittelstand“,und hatte den Mut und die Weitsicht, „nachunten“ – wie es damals hieß – zu heiraten.Die Ehe der Ballins blieb kinderlos. 1893 ad-optierte das Ehepaar ein Waisenkind. Irm-gard, auch „Peter“ genannt, war eine Über-lebende der Choleraepidemie in Hamburgvon 1892 und stammte aus dem Verwand-tenkreis Marianne Ballins. ···································································

Zu seinem Schwager Paul Rauert entwi-ckelte Ballin in den folgenden Jahren engeBeziehungen. Rauert war ein berühmterKunstsammler und Liebhaber der KunstEmil Noldes und Karl Schmidt-Rottluffs.Beide malten ihn, Schmidt-Rottluff 1911,Nolde 1910 – „mit einem Strich“, woransich Nolde besonders erinnerte18 – undabermals 1915. ···································································Von Haus aus Rechtsanwalt, setzte sichPaul Rauert nach Machtübernahme der Na-tionalsozialisten unerschütterlich für vieleseiner zahlreichen jüdischen Freunde ein.19

···································································Die Umstände der Eheschließung zeigen,dass Ballin sein Judentum weder verleugnetenoch hervorkehrte. Für den in den 1890erJahren aufkommenden Zionismus interes-sierte er sich nur mäßig und in Bezug auf dieReligion war er indifferent. Aus seinen spä-teren Jahren ist überliefert, dass er – wie vieleandere akkulturierte Juden auch – daschristliche Weihnachtsfest feierte.20 Nur sel-ten besuchte er die Synagoge des deutsch-is-raelitischen Synagogenverbandes am Born-platz, und zu orthodoxen Kreisen in Ham-burg oder Altona hatte er keine Verbindung.Trotzdem war er für Fragen der religiösenPraxis sensibilisiert. So boten die Hapag-Schiffe wegen der zahlreichen osteuropäi-schen Auswanderer jüdischen Glaubensauch koschere Speisen an.21 Ballin selbst warjedoch wie viele andere Hamburger Judenbemüht, sich möglichst an seine nicht-jüdi-sche Umwelt anzupassen, um Benachteili-gungen zu entgehen. Orthodoxe Juden sa-hen in solcher Anpassung allerdings die Ge-fahr, dass damit auch die Emanzipation vomJudentum einherginge. Diese Befürchtunghatte eine gewisse Berechtigung, denn zuBallins Lebzeiten ging der Gesamtanteil der

Albert, Marianne und Irmgard Ballin (1895)

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jüdischen Bevölkerung Hamburgs von vierauf ein Prozent zurück.···································································Persönlichkeit···································································Ballin war von kleiner Statur, in jungenJahren hatte er dichte, dunkle und lockigeHaare, die mit der Zeit ergrauten und sichlichteten. Er war mit Sicherheit nicht das,was man einen attraktiven Mann nennt.Seine dunkelbraunen Augen, verbundenmit einer klangvollen Stimme, die einenhamburgischen Klang hatte, machten abermehr als wett, was dem Gesicht an Ansehn-lichkeit abging. ···································································Der Bankier Carl Fürstenberg beschreibtden älteren Ballin folgendermaßen: „Er warsehr klein und sein von unzähligen Faltendurchfurchtes Gesicht schien wie aus Gum-mi gebildet, so daß er beim ersten Eindruckbeinahe komisch wirkte. Man mußte die

wundervollen Augen dieses Menschen gese-hen haben, um zu fühlen, in welchem Maßesich hier Güte und Liebenswürdigkeit,Scharfsinn und Verschmitztheit zusammen-fanden.“22 Ähnlich auch Richard von Kühl-mann, von August 1917 bis Juli 1918 Staats-sekretär des Auswärtigen Amts (einenAußenminister gab es im deutschen Kaiser-reich nicht), über Ballin: „Der mittelgroßeMann mit leicht gekräuseltem Haar, der denKopf stets nach vorne gesenkt und etwasschief hielt, war nichts weniger als schön.Die Natur hatte ihm aber eine sehr gewin-nende Stimme verliehen. Diese Stimme,verbunden mit einer maßvollen Ruhe desSeins und des Sprechens und mit einem stetsdurchleuchtenden Anschein von Güte, ver-lieh ihm etwas sehr Überzeugendes.“23

···································································Ballin kleidete sich immer sorgfältig. Erzeichnete sich durch makellose Manierenund durch sprachliche Gewandtheit aus,

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Albert Ballin mit seiner Familie in Nordafrika (um 1900)

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war von großer Sensibilität und konnte her-vorragend auf andere Menschen eingehen.Ein guter Freund Ballins, Theodor Wolff,Chefredakteur der größten überregionalendeutschen Tageszeitung, des „Berliner Tage-blatts“, schrieb: „Er war nicht, wie viele an-dere und mindere Größen der deutschenWirtschaft, von der eigenen Bedeutung auf-geschwemmt (…) [und, JG] hatte eine voll-endete Gewandtheit im Verkehr, eine un-gezwungene Eleganz, einen instinktivenTakt.“24

···································································Gleichzeitig war Ballin aber auch im-pulsiv und schwankte häufig zwischen ex-tremen Stimmungen. Der für die Hapag tä-tige Schiffsingenieur Blumenthal äußerteeinmal: „Ballin fährt immer nur ersterKlasse oder mit dem bloßen . . . . . auf denSchienen.“25 Er war cholerisch veranlagt

und verlor leicht die Selbstbeherrschung,was er zumeist schnell bedauerte. Ballin warnicht nachtragend, erwartete dies aber auchvon anderen, denen er bei einem seinerTemperamentsausbrüche zu nahe getretensein mochte. Wie alle schnell denkendenund handelnden Menschen neigte er ande-ren gegenüber zur Ungeduld. ···································································Bei seiner Arbeit – und Ballin arbeitete viel,16 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche– waren ihm Routineabläufe zuwider under bediente sich häufig unkonventionellerMethoden. In wichtigen Angelegenheitenverließ er sich meist nur auf sein glänzendesGedächtnis. Er überraschte mit Ideen, nichtaber mit fertig formulierten Vorschlägenund fand in Sitzungen, abseits der allgemei-nen Gedankengänge, immer wieder neueLösungsansätze.26 Ein enger Mitarbeiter

Albert und Marianne Ballin (im weißen Kleid) auf dem Rennplatz in Groß-Borstel (1905)

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Albert Ballin (um 1910)

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Ballins, Erich Murken, schreibt: „Ballin warein vorwiegend synthetischer Kopf. Die psy-chologische Analyse war in ihm stärker ent-wickelt als die rechnerische Analyse. Er warmehr ein Meister verwickelter Situationenals komplizierter Berechnungen und Statis-tiken.“27

···································································Angesichts solcher Fähigkeiten liegt esnahe, dass Ballin ein gefragter Gesprächslei-ter war. Der gegenüber Ballin kritisch-dis-tanziert eingestellte Max von Schinckel –seit 1897 Mitglied und seit 1910 Vorsitzenderdes Aufsichtsrats der Hapag; den Adelstitelerhielt der Patrizier mit aristokratischenNeigungen gerade noch rechtzeitig 1917 vordem Ende der Monarchie – bemerkte in sei-nen Lebenserinnerungen: „Überall wurdeihm der Vorsitz auch in internationalen Be-sprechungen zuerkannt, und es kam schließ-lich so weit, dass, wenn Ballin verhindertwar, die Engländer es ablehnten, zu einer

Besprechung zusammenzutreten, solangeMister Ballin nicht den Vorsitz führenkönne.“28 Ballin leitete die Verhandlungenstets mit ruhiger Stimme und sparsamenGesten, die er jedoch sehr wirksam ein-setzte. ···································································Der bekannte Schifffahrtsredakteur KurtHimer, der auch für die Hapag tätig war,charakterisiert Ballin als eine „‚dämonische‘Persönlichkeit, die sich im gesprochenenWort und im Handeln ungleich lebendigerkundgab“ als in ihren schriftlichen Äuße-rungen.29 Eduard Rosenbaum verwendetMax Webers Begriff des „charismatischenFührers“, um Ballins Art der Gesprächslei-tung zu beschreiben. ···································································Insgesamt stellt Rosenbaum, der Ballingut kannte, diesen als „Tatmenschen“ dar –eine Einschätzung, die Ballins Wesen wohlam besten trifft.30

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··············································································································································4 Straub, Ballin, S. 18.5 Wiborg, Ballin, S. 75.6 Straub, Ballin, S. 19.7 Wiborg, Ballin, S. 13.8 Benja, Geburtstag, S. 13.9 Schumpeter, Theorie, S. 119.10 Vgl. zum Vorherigen Cecil, Ballin, S. 33.11 Stubmann, Feld, S. 25.12 Die Zahlen bei Mosse, Juden, S. 435.13 Stubmann, Feld, S. 25.14 Laut Himer, Geschichte, S. 10 nahm Ballin an diesem Tag zum ersten Mal an einer Sitzung von Aufsichts-rat und Vorstand der Hapag teil. 15 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Hamburg für die am 29. März1887 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 40stes Geschäftsjahr 1886 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).16 StA Hbg., 332-7 Staatsangehörigkeitsaufsicht, A I f 160: Protocoll der Anmeldungen zur Erwerbung des Bür-gerrechts 1882, S. 233.17 1879 besaßen von den rund 450.000 Einwohnern Hamburgs nur 22.000 das Bürgerrecht, an das die politi-schen Rechte gekoppelt waren (vgl. Jochmann, Handelsmetropole, S. 81).18 Zbikowski, Sammlung, S. 40.19 Rosenbaum, Ballin, S. 258.20 Schölzel, Ballin, S. 11.21 Laut Wigoder, Ballin, S. 44 geschah dies auf Initiative Ballins; vgl. jedoch Kludas, Geschichte, S. 54: „AufAnregung des Israelitischen Unterstützungsvereins für Obdachlose richtet die Hapag auf allen nach Nordamerikafahrenden Schiffen eine israelitische Küche mit eigenem Geschirr für koschere Speisen (…) ein.“22 Fürstenberg, Fürstenberg, S. 436.23 Kühlmann, Erinnerungen, S. 214.24 Wolff, Marsch, S. 242.25 Zitiert nach: StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Ame-rika Linie und an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 193.26 Stubmann, Feld, S. 120.27 Murken, Verbände, S. VII.28 Schinckel, Lebenserinnerungen, S. 269.29 Kurt Himer, Stubmanns Ballin-Biographie [1926] (Archiv der Hapag-Lloyd AG).30 Rosenbaum, Ballin, S. 264 f. – Eduard Rosenbaum, der 1934 nach England emigrierte, wirkte seit 1914 ander Handelskammer.··············································································································································

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Die Hapag vor Albert Ballin···································································Am 27. Mai 1847 versammelten sich Ham-burger Kaufleute und Reeder in einem Kon-ferenzzimmer der Börsenhalle und gründetendie Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft. Ferdinand Laeisz, der da-mals gerade seine ersten Schritte als Reederunternahm, Ernst Merck, Teilhaber des Bank-und Handelshauses H. J. Merck & Co., undAdolph Godeffroy, der sich zwei Jahre zuvorin Hamburg selbstständig gemacht hatte,wurden auf der ersten Generalversammlungzu den Direktoren der Hapag gewählt. Die-se bestimmten den erst 33-jährigen AdolphGodeffroy zu ihrem Vorsitzenden. ···································································Gut ein halbes Jahr später, am 21. Dezem-ber 1847, wurde auf der zweiten Generalver-sammlung der Hapag berichtet, dass „dieDirektion den Bau von drei Schiffen (…) fi-naliter abgeschlossen“ habe.31 Diese trugendie Namen „Deutschland“, „Amerika“ (spä-ter in „Nord-Amerika“ umbenannt) und„Rhein“ und hatten einen Gesamtwert von245.000 Mark Banco.32 Im Revolutionsjahr1848 trat die „Deutschland“, eingerichtet für20 Kajüten- und 200 Zwischendeckspassa-giere, ihre erste Reise nach Amerika an. 1853erklärte die Generalversammlung „per ma-jora“, dass „die bisher von der Gesellschaftmit Segelschiffen betriebene Fahrt nach

New York in Zukunft auch durch grossetransatlantische Dampfschiffe vermitteltund deren Anschaffung fördersamst ange-strebt werde“.33 Während des Krimkrieges(1853 bis 1856) an die französische bzw. bri-tische Regierung verchartert, standen diebeiden in Auftrag gegebenen Dampfer„Hammonia“ und „Borussia“ erst ab 1856für eine eigene Dampfschiff-Passage der Ha-pag von Hamburg nach New York bereit.Damit war die erste deutsche transatlanti-sche Dampferlinie eröffnet.34

···································································Die Hapag entwickelte sich in der Folgezeitlangsam, aber stetig (sieht man einmal vonden Krisenjahren 1857 bis 1859 ab). Als Go-deffroy am Ende des Jahres 1880 in den Ru-hestand trat,35 ging eine Ära zu Ende. Erhinterließ eine Lücke, die zunächst nicht ge-schlossen wurde. Zu dieser Zeit hatte dieReederei keinen eigentlichen Kopf. Sie wur-de von einem Direktorium älterer Hanseatengeleitet, die gegenüber technischen Neue-rungen, wie z. B. modernen Schnelldamp-fern, nicht sonderlich aufgeschlossen waren.Außerdem engagierten sich die Direktorenmehr für ihre eigenen Firmen als für die Ha-pag, die sie mehr oder weniger nebenbeiführten.36 Entsprechend schlecht gingen dieGeschäfte, zumal, wie gezeigt wurde, geradein diesen Jahren Ballin und Carr der Hapagimmer stärker Konkurrenz machten.

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Albert Ballin und der Aufstieg der Hapag

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···································································All dies führte zu immer größerer Unzu-friedenheit bei den Hapag-Aktionären.1884/85 kam es schließlich zu grundlegen-den Änderungen in der Organisation derReederei: Die alte Direktion wandelte sichin einen Aufsichtsrat um, der völlig neu be-setzt wurde, und die bisherigen Bürochefs,die vorher als Prokuristen gezeichnet hatten,wurden zum Vorstand ernannt (Direkto-rium).37 Die Reederei befand sich zu dieserZeit also in einer Umbruchphase. Dass Bal-lin 1886 mit dem Vorschlag reüssierenkonnte, eine Passageabteilung für die Hapagund die Union-Linie unter seiner Leitungeinzurichten, ist auch vor diesem Hinter-grund zu sehen. ···································································Der erste deutsche Top-Manager···································································Auf seiner neuen Position zog Ballin schonbald die Aufmerksamkeit des einflussrei-

chen Hamburger Reeders Carl Laeisz,38

Sohnes des Hapag-Mitbegründers Ferdi-nand Laeisz, auf sich. Carl Laeisz – der wieBallin nicht zum alteingesessenen Hambur-ger Geldadel gehörte – wurde in den folgen-den Jahren zu seinem Mentor und veran-lasste 1888, dass Ballin in den Vorstand derHapag aufrückte. Vier Jahre später trat dannLaeisz als stellvertretender Vorsitzender inden Aufsichtsrat der Hapag ein und wurdedort schnell zur dominierenden Persönlich-keit, „es geschah (…) nichts, was er nichtbilligte und genehmigt hatte“.39

···································································Mit Carl Laeisz verband Ballin eine großepersönliche Zuneigung, wenn es „auch hiermitunter nicht an Reibungsflächen (fehl-te)“.40 Als Ballin 1901 auf einer Reise vomTod des Reeders hörte, schrieb er an seineMutter: „(…) und unser Aufenthalt in Kobewar ganz unter den Eindruck gestellt, dender Verlust meines alten Laeisz ausübte. Daß

Aufnahme des Hamburger Hafens (1868) – in der Mitte die erste Lade- und Löschstelle der Hapag, die bis 1888 in Betrieb war, vor dem Speicher die hochgezogene Zugbrücke, mit der man vom Land

an Bord der Dampfer gelangte

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ich heimkehrend seinen Platz leer findensoll, will mir noch immer nicht in denSinn.“41

···································································Laeisz’ Einsatz für Ballin zeugt von beson-derem Weitblick. Zum ersten Mal übertrugdie Hapag wichtige Aufgaben an einen an-gestellten Manager. Laeisz hatte zeitlebens,trotz reger Beteiligung an der HamburgerWirtschaft, seine ökonomische Basis in demeigenen Familienunternehmen. Dasselbegilt auch für Adolph Woermann, neben La-eisz der bekannteste Hamburger Reeder desausgehenden 19. Jahrhunderts. Ballin hinge-gen baute „ein Schiffahrtsreich eigener Art“auf.42 Die Interessengemeinschaft der Ha-pag mit der Carr-Linie war, so Ballins Bio-graph Peter Franz Stubmann, „ideell undpersonell mehr eine Eroberung der Hapag

durch die maßgebenden Männer der Carr-Linie“.43 Neben Ballin trat 1886 auch dessenVertrauter Guido Wolff, bisher Hauptleiterund Teilhaber der Carr-Linie, in den Dienstder Hapag. Bis 1907 war Wolff im Vorstandder Reederei für die Finanzen zuständig.···································································Der Manager Ballin verkörperte einenneuen sozialen Typus, der für einen Wandelin der Unternehmensführung stand und dieüberkommenen patriarchalischen Struktu-ren der ins Hintertreffen geratenen Hapagerneuerte. Auch beim Norddeutschen Lloydin Bremen trat 1892 mit dem Juristen Hein-rich Wiegand ein Manager an die Spitze derReederei.···································································Dass nicht nur ein Firmeninhaber, sondernauch ein angestellter Manager große Auf-

Carl Laeisz und Albert Ballin an Bord der „Potosi“ (um 1900)

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Das erste eigene Haus der Hapag an der Deichstraße 7 wurde 1870 bezogen

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Das Hapag-Verwaltungsgebäude am Dovenfleth 19‒20

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merksamkeit erregen konnte, war im deut-schen Kaiserreich etwas ganz Neues. UndBallin sorgte von Beginn an für Aufmerk-samkeit.···································································Der bereits oben erwähnte Kurt Himerschreibt, Ballin habe einen „natürlichenSinn für die werbende Kraft der Repräsen-tation“ gehabt.44 Gleich nach seinem Ein-tritt in die Hapag setzte er sich dafür ein, derVerwaltung der Linie eine angemessene Un-terbringung zu verschaffen. Ballin forderteein neues Gebäude für den wenig attrakti-ven Firmensitz der Hapag an der Deich-straße. Er setzte sich durch, wohl auch, weiler stichhaltige wirtschaftliche Gründe fürseinen Vorschlag anführen konnte: NeueEmpfangsräumlichkeiten würden auf mög-

liche Passagiere einen wesentlich besserenEindruck machen.···································································1889/90 errichteten die Architekten MartinHaller und J. Eduard Ahrens ein neues Ver-waltungsgebäude am Dovenfleth. Dochschon 10 Jahre später benötigte die inzwi-schen zur größten Reederei der Welt aufge-stiegene Hapag ein neues Domizil. Hallerbekam, dieses Mal zusammen mit HermannGeißler, erneut den Auftrag und überredeteBallin, den Firmensitz an die Alster zu ver-legen. Die beiden Rathausbaumeister ent-warfen einen Bau in Neorenaissance-For-men und 1903 konnte die Hapag nachdreijähriger Bauzeit in das Gebäude einzie-hen.45

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Das Verwaltungsgebäude der Hapag am Alsterdamm 25

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Das Gebäude markiert den Beginn mono-funktionaler Verwaltungsgebäude in der da-mals noch von Wohnen und Arbeiten ge-prägten Hamburger Innenstadt.46 Es dientezugleich auch als Abfertigungsraum für diePassagierdienste. In der Eingangshalle amAlsterdamm wurden die Passagiere der ers-ten Klasse empfangen, die hier ihre Schiffs-passagen buchten. Die anderen Reisendenbetraten das Haus durch den Eingang an derFerdinandstraße.47 Auf dem Dach des neuenDomizils stand ein sieben Meter hoherbronzener Neptun mit Dreizack und Wo-genrossen. Dieses Werk des damals nochunbekannten Ernst Barlach „machte weitüber die Alster hin eine etwas lächerliche Fi-

gur“, so das Urteil des engagierten Förderersder modernen Kunst in Hamburg GustavSchiefler, der damit nicht allein dastand.48

Im Ersten Weltkrieg wurden die Figureneingeschmolzen. Es ist nicht bekannt, dassirgendjemand dagegen protestiert hätte.···································································Auch dieses Verwaltungsgebäude erwiessich bereits nach wenigen Jahren als zuklein. Verschiedene Architekten – darunterauch Franz Bach, der seit 1908 bei der Ent-stehung der Mönckebergstraße entschei-dend mitwirkte – entwickelten Erweite-rungs- und Umbaupläne.49 Ballin beauf-tragte schließlich Fritz Höger, den späterenErbauer des Chilehauses. Högers neoklassi-

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1889 wurde der erste Schnelldampfer der Hapag, die „Augusta Victoria“, in Dienst gestellt

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zistischer Entwurf, der noch einmal durchden Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmannüberarbeitet wurde, entsprach am ehestendem Selbstbewusstsein der Hapag auf demZenit ihres Erfolges kurz vor dem ErstenWeltkrieg, ließ jedoch, sehr zum LeidwesenHallers, vom ursprünglichen Charakter desGebäudes nicht mehr viel übrig.50 Sein Alt-bau wurde nunmehr um ein weiteres Stock-werk auf vier Etagen erhöht, wohingegender neue Trakt bei gleicher Außenhöhe einzusätzliches Geschoss erhielt. Dafür warenhier die Räume ein wenig niedriger. BeideGebäudeteile wurden dann mit einer einzi-gen Fassade verbunden.51 Der 1913 begon-nene Umbau wurde erst 1921 abgeschlossen,so dass Ballin die Fertigstellung nicht mehrerlebte.

···································································Schiffbaupolitik···································································Gleich nachdem Ballin seine Idee durch-gesetzt hatte, einen neuen Firmensitz bauenzu lassen, stieß er 1887 das nächste Großpro-jekt an. Er überzeugte Aufsichtsrat und Vor-stand der Hapag, das Kapital der Gesell-schaft von 15 auf 20 Millionen Mark zuerhöhen, um den Bau von modernen Dop-pelschrauben-Schnelldampfern finanzierenzu können. Zwei Jahre später wurden diebeiden Dampfer „Augusta Victoria“ und„Columbia“ in Dienst gestellt, 1890/91 die„Normannia“ und die „Fürst Bismarck“. ···································································Auf ihrer Jungfernreise benötigte die „Au-gusta Victoria“ von Southampton nach

Die „Augusta Victoria“ verlässt New York

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Damenzimmer und Lichtschacht der „Augusta Victoria“

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New York nur sieben Tage und brach damitgleich einen Rekord. Sie war der erste Dop-pelschrauben-Schnelldampfer, der im Deut-schen Reich gebaut worden war, und zwarvon der Stettiner Werft Vulcan. Dass dieDeutsche Kaiserin und Namenspatin ei-gentlich Auguste Victoria hieß, fiel keinemder Hapag-Verantwortlichen in der Hanse-stadt auf. 1897 wurde dieser Irrtum still-schweigend berichtigt. ···································································Von Anfang an übertraf „Augusta Victoria“die Einschrauben-Dampfer des Norddeut-schen Lloyd in allen relevanten Bereichen:Größe, Schnelligkeit und Komfort. Zusam-men mit den anderen Neubauten ermög-lichte sie der Hapag, einen wöchentlichenVerkehr nach New York anzubieten. Dieseerhebliche Ausdehnung des Passagierver-

kehrs katapultierte das Unternehmen an dieSpitze der Atlantik-Reedereien.52 Die neuenSchiffe erhielten zusätzliche Aufbaudecks,außerdem wurden im Inneren repräsenta-tive Aufenthaltsräume eingebaut, wodurchein großbürgerliches Umfeld für das gesell-schaftliche Leben auf den Schiffen geschaf-fen wurde.53

···································································Für kurze Zeit beteiligte sich die Hapag andem Kampf um das „Blaue Band“, jene in-offizielle Ehrung für die schnellste Atlantik-Überquerung auf der Route Europa-NewYork. 1900 lief die „Deutschland“ vom Sta-pel und gewann als erster und einziger Ha-pag-Dampfer diese Auszeichnung. Ballinhatte von Anfang an Bedenken wegen dermangelnden Wirtschaftlichkeit des Schiffesgehabt. Tatsächlich zeigte sich sehr bald,

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Festtafel auf der „Auguste Victoria“ am 27. Mai 1897

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dass die Fahrt mit Höchstgeschwindigkeitunverhältnismäßig hohe Energiekosten ver-ursachte. Außerdem war der Reisekomfortdurch starke Vibrationen erheblich beein-trächtigt. Deshalb beendete die Hapag mitdiesem Dampfer ihr Streben nach Ge-schwindigkeitsrekorden und setzte fortanauf möglichst große und komfortable Passa-gierschiffe. Dieses Konzept fand seine Um-setzung im Bau der Schwesterschiffe „Ame-rika“ und „Kaiserin Auguste Victoria“, die1905 bzw. 1906 in Dienst gestellt wurden. ···································································Die beiden Dampfer waren Teil einer um-fassenden Erneuerung der Schiffsflotte derHapag. In den Jahren 1904 und 1905 kaufteund erbaute sie insgesamt 21 Dampfer.Diese konnten finanziert werden, weil dieReederei beim Russisch-Japanischen Krieg

(1904/1905) zum einen durch die Beförde-rung walisischer Kohle für die russischeFlotte, zum anderen durch den Verkauf von 16 alten Schiffen an Russland bedeutendeGewinne erzielt hatte.54 Das war ein gewag-tes Geschäft, denn das Deutsche Reich warneutral und England ein Verbündeter Ja-pans. Es warf jedoch einen hohen Ge-schäftsgewinn ab, der sich 1905 auf knapp 38Millionen Mark belief; 1903 hatte er nochbei rund 22 Millionen Mark gelegen.···································································Diese Gewinne erlaubten der Hapag, beider Innenausstattung der neuen Luxus-dampfer neue Maßstäbe zu setzen. Ballingewann den bekannten französischen Archi-tekten Charles Mewes dafür, die Innenaus-stattung der „Amerika“ zu entwerfen. Ritz-Carlton übernahm auf dem Dampfer den

Die „Auguste Victoria“ nach der Verlängerung im Jahr 1897

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Betrieb eines à la carte-Restaurants. Eineweitere Weltneuheit der „Amerika“ war einFahrstuhl an Bord, der während der Jung-fernfahrt beinahe zweitausend Mal benutztwurde. Im Zwischendeck des Schiffes konn-ten die Passagiere für einen geringen Auf-preis auch Kabinen statt der großen Schlaf-säle bekommen. Diese dritte Klasse, die dieHapag als erste Reederei überhaupt anbot,war äußerst beliebt und wurde besondersvon Familien viel genutzt. Aus ihr entstandspäter die Touristenklasse.55

···································································In den Herbst- und Wintermonaten warendie Passagierschiffe der Hapag schlecht aus-gelastet und nicht rentabel. Ballin kam des-halb auf den Gedanken, Schiffsreisen anzu-bieten, die nicht mehr der Beförderung gal-ten, sondern vielmehr der Erholung, derBildung und dem Vergnügen. Was ihm vor-

schwebte, war eine „Lustfahrt“ in das Mit-telmeer und den Orient mit gut organisier-ten Landausflügen in verschiedenen Hä-fen.56

···································································Im Januar 1891 war es soweit. Auf der „Au-gusta Victoria“ versammelten sich 241„kühne Reisende“ (wie Ballin sie nannte),betuchte Passagiere aus dem In- und Aus-land, darunter 67 überwiegend englischeDamen. In Deutschland galten damals nochfür Frauen längere Touren – oder gar derar-tige Bildungsreisen – als körperlich undgeistig zu anspruchsvoll. Ballin teilte dieseAnsicht offenbar nicht, denn seine GattinMarianne war ebenfalls an Bord.57 Dass erselbst an der Reise teilnahm und sie auchpersönlich leitete, trug erheblich zum Erfolgdes ganzen Unternehmens bei. Außerdemkonnte Ballin auf diese Weise „seinen Be-

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Der Schnelldampfer „Deutschland“ errang im Sommer 1900 schon auf der Jungfernreise das „Blaue Band“

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kanntenkreis in allen Teilen Deutschlands(erweitern) und wurde im besten Sinne desWortes ein sehr populärer Mann“.58

···································································Die „Augusta Victoria“ wurde zum erstenKreuzfahrtschiff überhaupt, und Ballin hat-te wieder einmal eine Marktlücke entdeckt.Die Hapag bot fortan regelmäßig „Lustfahr-

ten“ an, neben den Mittelmeer- und Ori-ent- auch Westindien- und Nordlandreisen.Gerade letztere waren im Kaiserreich sehrpopulär – schließlich kreuzte auch Wilhelmii. auf der kaiserlichen Yacht „Hohenzol-lern“ jeden Sommer vor der norwegischenKüste.···································································

Querschnitt der „Deutschland“, der die Trennung der Passagiere nach den jeweiligen Decksklassen erkennen lässt

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Die Kreuzfahrt nahm in den folgenden Jah-ren immer mehr Ressourcen in Anspruch,so dass sie die Hapag schon bald nicht mehrallein mit den aus der Linienfahrt herausge-zogenen Dampfern bewältigen konnte.1900 lief deshalb die „Prinzessin VictoriaLuise“ vom Stapel, das erste speziell fürKreuzfahrten gebaute Luxusschiff. Im Jahrzuvor hatte Ballin an den Journalisten ErnstFrancke geschrieben, die Hapag habe sichentschlossen, „einen Dampfer erbauen zulassen, der lediglich für (…) Vergnügungs-reisen zur See bestimmt ist. Es soll also einegroße Yacht erbaut werden, welche wederLadung noch Post befördert und nur für dieAufnahme von Reisenden erster Classe ein-

gerichtet ist. Dieses, wie gesagt, ganz eigen-artige Fahrzeug wird den Passagieren einenComfort bieten, wie er bisher auf Schiffenniemals erreicht worden ist.“59

···································································Bei allem innovativen Engagement, dasBallin für die renommeeträchtigen Passa-gier- und Kreuzfahrtschiffe zeigte, legte er –anders als sein Kollege Wiegand beim Nord-deutschen Lloyd – den Schwerpunkt derHapag nicht auf den Personenverkehr, son-dern auf das weniger krisenanfällige Fracht-geschäft.60

···································································Bereits 1893 hatte Ballin einen entschei-denden Wandel in der Schiffbaupolitik voll-

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Das Ritz-Carlton-Restaurant der „Amerika“ gehörte zu den Einrichtungen, die unter der Ägide Ballins erstmals auf einem Schiff geboten wurden

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zogen. Im Jahresbericht der Hapag heißt es:„Einen Schritt von grosser Bedeutung (…)bildet die Bestellung von vier mächtigenDoppel-Schraubendampfern, (…). DieseDampfer, welche für die Aufnahme von ca.2500 Zwischendecks-Passagieren hergerich-tet werden können, und bei voller Ausnut-zung ihrer Räume annähernd 7500 TonsSchwergut zu laden vermögen, sind durchVerwerthung der neuesten bezüglichen Ver-besserungen und Erfindungen in ihrem Be-triebe so öconomisch, dass uns eine Ge-schwindigkeit von 13 Meilen per Stunde beieinem Kohlen-Consum von nur 55 resp. 60Tons pro Tag garantiert ist.“61

···································································Die vier neuen Schiffe trugen die Namen„Prussia“, „Phoenicia“, „Persia“ und „Pa-

tria“. Ein Jahr später wurde noch die „Pala-tia“ nachbestellt. Es handelte sich um Kom-bischiffe, die entweder Ladung oder Passa-giere transportieren konnten. Ballin griffalso auf seine bewährte Idee aus dem Jahr1881 zurück, setzte sie jedoch dieses Mal mit weiterentwickelten Doppelschrauben-Dampfern um, die sich in den Jahren zuvorbei der Hapag bereits in der Passagierfahrtbewährt hatten. Dies war ein voller Erfolg.Vor allem wegen ihres niedrigen Kohlever-brauches wurden die „P-Dampfer“ schnellzur neuen Haupteinnahmequelle der Ha-pag.62

···································································Die erfolgreiche Geschäftsidee wurde 1897mit den „großen P-Dampfern“, „Pennsylva-nia“, „Pretoria“, „Patricia“ und „Graf Wal-

Schlafräume für Auswanderer auf der „Amerika“

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dersee“, ausgebaut. Bei diesen handelte essich um vier kombinierte Fracht- und Pas-sagierdampfer, die eine Geschwindigkeitvon 14 Knoten erreichten, und mit 13.000Bruttoregistertonnen (BRT) seinerzeit diegrößten Schiffe der Welt waren. JohannesMerck, seit 1896 Ballins Vorstandskollegebei der Hapag, bemerkt dazu in seinen Er-innerungen: „Mit keiner einzigen Klassevon Schiffen, weder vorher noch nachher,hat Ballin so den Vogel abgeschossen, wiemit dieser.“63

···································································1910 forcierte Ballin erneut einen Wandel inder Schiffbaupolitik der Hapag. In diesemJahr begann der Bau von Riesenschiffen derImperatorklasse. Am 23. Mai 1912 lief der„Imperator“ (52.000 BRT), erbaut auf derHamburger Werft des Vulcan, vom Stapel,am 3. April 1913 die „Vaterland“ (54.000BRT) und am 20. Juni 1914 die „Bismarck“(56.000 BRT), beide von Blohm & Vosshergestellt. Alle drei Dampfer waren Vier-schraubenturbinenschiffe. Ihre Tonnage, diemit der von Containerriesen der 1980erJahre vergleichbar ist, verdeutlicht, welcheEntwicklung die Hapag seit ihrer Gründunggenommen hatte: 1848 hatte sie mit der„Deutschland“, einem Segler von 538 BRT,ihren Liniendienst eröffnet.···································································Wichtiges Motiv für den erneuten Kurs-wechsel Ballins war, dass die britische WhiteStar Linie 1907 damit begonnen hatte, mo-derne Schnelldampfer mit rund 45.000BRT zu bauen.64 Ihre Namen „Olympic“,„Titanic“ und „Gigantic“, ebenso wie die ih-rer deutschen Pendants, verdeutlichen, dassdie Schiffe als Symbole nationaler Größeund technischen Fortschritts angesehenwurden. Ballin selbst war sich der Bedeu-tung der Schiffsnamen durchaus bewusst.

Er wollte das neue Flaggschiff der Hapag ei-gentlich „Europa“ nennen; Wilhelm II. be-stand jedoch auf den Namen „Imperator“.Entgegen den üblichen Gepflogenheitenhieß der Dampfer dann auch „der“ undnicht „die Imperator“ und war damit das

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Die „Kaiserin Auguste Victoria“ überragt den Hamburger Rathausturm – eine Abbildung

mit hohem Symbolcharakter

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einzige Schiff männlichen Geschlechts, dasdamals die Weltmeere befuhr.···································································Innerhalb der Hapag war der Bau derRiesendampfer nicht unumstritten: Vorallem der Aufsichtsratsvorsitzende MaxSchinckel – der die Geschäfte der Nord-deutschen Bank, der Hausbank der Hapag,führte – und Johannes Merck – im Vorstandder Hapag u. a. für die Buchhaltung zustän-dig – kritisierten das Finanzgebaren Bal-lins.65 1913 hatte die Hapag für die Neubau-ten der Imperatorklasse mit 70 MillionenMark fast die Hälfte ihres gesamten Aktien-kapitals investiert.66 Für Ballin war jedochentscheidend, mit den neuen Schiffen dieSpitzenposition der Hapag gegenüber derenglischen Konkurrenz zu festigen. Rücken-

deckung erhielt er dabei von seinem engenFreund Max Warburg, dem Seniorpartnerdes bekannten Familienbankhauses in Ham-burg, der seit 1911 dem Aufsichtsrat der Ha-pag angehörte.67 Auch in der neuesten Lite-ratur ist zu Recht darauf hingewiesen wor-den, dass der Bau der Dampfer das Produkteiner korrekten Markteinschätzung gewe-sen sei.68

···································································Ungeachtet der internen Diskussionenwar der Stapellauf des „Imperator“ am 23.Mai 1912 ein Ereignis von nationaler Bedeu-tung. Ballins Biographin Susanne Wiborgschreibt: „Es war ein Tag, an dem wie in ei-nem Prisma alle Facetten der Bedeutung,der besonderen Rolle der Hapag sichtbarwurden.“69 Der „Hamburgische Correspon-

Rauchsalon erster Klasse auf der „Kaiserin Auguste Victoria“

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dent“ brachte noch am selben Tag in seinerAbendausgabe die vorherrschende Stim-mung mit folgenden Worten zum Aus-druck: „Ein glänzender Festtag für Ham-burg, ein Tag des Triumphes für dendeutschen Schiffbau ist angebrochen. Dasgrößte Schiff der Welt, ein Ozeanriese vonnie geahnten Dimensionen, soll seinem Ele-ment übergeben werden. Und der Kaiserselbst ist gekommen, dem stolzen Dampferden Namen zu geben.“70

···································································Angesichts der Dimension des Schiffesfiel es den Hamburger Journalisten schwer,adäquate Vergleiche zu finden. Hatte dieHapag 1906 in einer Broschüre die „Kaise-

rin Auguste Victoria“ bereits dem Ham-burger Rathausturm gegenübergestellt, soschrieb nun das „Hamburger Fremden-blatt“: „Ganz märchenhaft und durch Zah-len nicht zu versinnlichen ist die Länge desRiesenbaus von 268 Metern; zwölf großeHäuser müsste man aufeinander türmen,um zu dieser Höhe zu gelangen, man könn-te den Kölner Dom beinahe noch einmalauf den Kölner Dom stellen, um ein gleichesMaß zu finden.“71

···································································1913, nach der ersten Seereise des „Impera-tor“, veröffentlichte die Hapag eine Bro-schüre, in der die Autoren, allesamt renom-mierte Journalisten, das Schiff zu einem

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Eine Kabine dritter Klasse auf der „Kaiserin Auguste Victoria“ (um 1906)

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Reisepläne für die Doppelschrauben-Schnelldampfer der Hapag für 1895‒1896

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„Träger deutscher Kultur“ und damit zu ei-nem wesentlichen Stifter nationaler Identi-tät stilisierten.72 Auch Verse zweifelhafterliterarischer Qualität, etwa das Gedicht„Imperator“ von Bernhard Reuter, atmendiesen hochgestimmten wilhelminischenZeitgeist:„Von deutschem Geist ersonnen schuf dichdeutsche Kraft,Und staunend steht die Welt vor einemWerke,Das – riesenhaft und frei und stolz undkühn –Verkündet Deutschlands Einigkeit undStärke“.···································································Ein gewisser Demetrius Hornicke stimmtein Prosa ähnliche Töne an: „Du bist Aus-

druck zusammengezogener Volkskraft, He-rold schöpferischen Vermögens, imperati-ven Willens zur Vollendung. Im innerstenKerne dich erfassen, heißt demütig undstolz zugleich erkennen, daß deutscher Ge-nius in dir zur Tat geworden.“73

···································································Die Inneneinrichtung des „Imperator“(und auch der „Vaterland“) stammte vonCharles Mewes, der bereits zuvor für die Ha-pag tätig gewesen war. Die von ihm entwor-fene Ausstattung stellte einen letzten Höhe-punkt gründerzeitlicher Ästhetik dar, diedurch den Rückgriff auf Stilmittel fast allerKunstrichtungen gekennzeichnet ist: Solehnte sich z.B. das Rauchzimmer auf dem„Imperator“ an das Tudorhaus des begin-nenden 16. Jahrhunderts an, die Badehalle

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Doppelschraubendampfer „Pennsylvania“

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des erstmals auf einem Schiff eingerichtetenHallenbades ahmte pompejanische Vorbil-der nach.74 All dieses war ganz im Sinne Bal-lins, dessen Kunstgeschmack, wie sein Bio-graph Lamar Cecil schreibt, an alten For-men und Werten hing und Neuerungeneher ablehnend gegenüberstand.75

···································································Mit solchen Interieurs wurde für die zah-lungskräftigen Passagiere ein nahezu perfek-ter Erlebnisraum mit Rauchsalons, Damen-zimmern, Kinderspielräumen, Turnsälen,Massageräumen, Büchereien, Notensamm-lungen, Musikräumen, Geschäften etc. ge-schaffen. Dies war die Voraussetzung zur„Erfüllung wesentlicher kultureller Ansprü-che (…) wie in einer blühenden Stadt“.76

Aber wie in jeder Stadt gab es nicht nur„gute“ Viertel, die auf dem „Imperator“ von

der ersten und zweiten Klasse repräsentiertwurden, sondern auch weniger privilegierte.Allerdings hatte sich vor allem in der drittenKlasse, aber auch auf dem Zwischendeck,die Unterbringung deutlich verbessert. DieRäumlichkeiten des Schiffes waren so aufge-teilt, dass die reichen und vornehmen Pas-sagiere sorgfältig abgeschirmt waren undnicht mit Auswanderern und Frachtgut inBerührung kamen.···································································Die Hapag als Tourismus-Anbieter ···································································Wie bereits gezeigt wurde, gilt Ballin als Er-finder der modernen Kreuzfahrt. In denJahren nach 1891 gelang es ihm, die Hapag– die sich seit 1893 auch Hamburg-AmerikaLinie nannte – von einer reinen Reederei zu

Der „Imperator“ in Cuxhaven vor der ersten Ausreise im Juni 1913

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Der Stapellauf des „Imperator“ am 23. Mai 1912

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Nach der Taufrede für den „Imperator“

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einem Tourismus-Anbieter auszubauen.77

Hierfür reichte es allerdings nicht, sich nurauf das Segment der wohlhabenden Kreuz-fahrt-Passagiere zu konzentrieren. Ballin„demokratisierte“ deshalb den Luxus aufälteren Schiffen, die nicht mehr höchstenAnsprüchen genügten. Deren erste Klassewurde nun auch weniger wohlhabendenPassagieren eingeräumt. ···································································Vor allem begann die Hapag, neben denVergnügungsreisen auf See auch andereSparten des Tourismus auf- und auszu-bauen. Der Jahresbericht für 1904 schildertdies in folgender Weise:···································································„Eine Ausdehnung unseres Geschäftsbe-triebes auf ein bisher noch nicht von uns ge-pflegtes Gebiet haben wir durch die Errich-tung eines Allgemeinen Reisebureaus vorge-nommen. Der große Erfolg, dessen sich dievon uns veranstalteten Vergnügungsreisenzur See zu erfreuen hatten, legte uns den Ge-danken nahe, unsere Tätigkeit auch auf dieVeranstaltung von Gesellschaftsreisen zuLande, auf die Vermittlung des Verkaufs vonEisenbahn-Fahrkarten, insbesondere Rund-reise-Billets, kurz, auf alle, der Förderungdes Reiseverkehrs dienenden Geschäfte zuerstrecken. Um dieses neue Unternehmenauf einem bereits bewährten Verkehrs-Insti-tut aufzubauen, haben wir mit Carl Stan-gen’s Reisebureau eine Vereinbarung getrof-fen, auf Grund deren dieses älteste undgrößte unter den deutschen Reise-Bureausam 1. Januar d. J. von uns übernommenwird.“78

···································································Es war vor allem Ballin, der die Übernahmedes Reisebüros betrieb. Entscheidend wardabei für ihn der Aspekt der Unternehmens-konzentration: Das Reisebüro von Carl

Stangen war seinerzeit das größte und be-deutendste im Deutschen Reich; die Über-nahme war deshalb eine wichtige Etappeauf dem Weg, die Hapag zu einem Touris-mus-Anbieter auszubauen.···································································Seit 1910 verkauften die Reisebüros derHamburg-Amerika Linie, wie sie seit derÜbernahme genannt wurden, exklusiv dieTickets für die Luftschiffe des Grafen Zep-pelin, bis 1914 rund 42.000 Stück. Ballinwurde dadurch auch zu einem der geschäft-lichen Pioniere der zivilen Luftfahrt.···································································Wollte die Hapag als Tourismus-Anbietererfolgreich sein, so war hierfür gute Öffent-lichkeitsarbeit erforderlich. Ballin erkanntedies und regte auf diesem Gebiet Entwick-lungen an, die bis heute nachwirken: Im 19.Jahrhundert waren Unternehmen und Un-

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Die Gallionsfigur des „Imperator“

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ternehmer noch gleichzusetzen und derCharakter einer Firma wurde weitgehenddurch deren Gründer oder Inhaber reprä-sentiert. Diese sorgten mehr oder wenigerallein für die Außendarstellung. Der an-gestellte Manager Ballin war einer der ers-ten, der in einem deutschen Unternehmeneine eigene Presseabteilung ins Leben rief.Seit 1900 unterhielt die Hapag ein „Litera-risches Büro“, welches sich gezielt um einpositives Image des Unternehmens küm-merte und auf eine Zusammenarbeit mitder Presse im Sinne der Interessen der Ha-pag hinwirkte.···································································Folgende Episode charakterisiert Ballins

außerordentliches Gespür für die Wirksam-keit von Werbung. Als ihm ein Mitarbeitereines Tages entrüstet mitteilte, dass in einemgroßen Restaurant in Düsseldorf das auf-wändig gestaltete Bild der „Deutschland“anstatt im Saal auf der Toilette hänge, erwi-derte Ballin: „Sehr richtig, da kriegt sie dennja auch jeder zu sehen.“79

···································································Zu den Aufgaben des „Literarischen Büros“gehörte die Organisation der Postkarten-und Plakatwerbung, die sich die Hapag ei-niges kosten ließ: 1902 wurden ca. 100.000Mark für die Plakatreklame bei einer Auf-lage von 10.000 bis 15.000 Stück pro Plakat-motiv investiert.80 Diese wurden von den

Das erstmals auf einem Schiff eingerichtete Hallenbad ahmte pompejanische Vorbilder nach

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Vorderes Treppenhaus für die erste Klasse des „Imperator“

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besten Marinemalern entworfen und findenbis heute öffentliches Interesse.81

···································································Die Auswandererhallen···································································Seit Anfang der 1880er Jahre hatte das Aus-wanderergeschäft wieder erheblich an Be-deutung gewonnen und war für die Hapagzu einer wichtigen Einnahmequelle gewor-den. Als jedoch im Sommer 1892 in Ham-burg innerhalb kürzester Zeit über 8.600 Menschen einer schweren Cholera-Epide-mie zum Opfer fielen, die aufgrund der ka-tastrophalen wasserhygienischen Verhält-nisse ausgebrochen war, wurde der Hafender Stadt für alle osteuropäischen Zwischen-deckspassagiere gesperrt. Dies geschah wohlvor allem deshalb, weil die öffentliche Mei-

nung russische Auswanderer für den Aus-bruch der Epidemie verantwortlich machte.Das Auswanderergeschäft der Hapag kam indiesen Monaten praktisch zum Erliegen.82

···································································In dieser schwierigen Phase erreichte Ballindurch geschickte Verhandlungen, dass ab1893 der Auswandererverkehr wieder aufge-nommen werden konnte. An den Grenzsta-tionen, in den Durchgangsbahnhöfen undden Hafenstädten des Reiches wurden fort-an unter staatlicher Aufsicht medizinischeKontrollen und Desinfektionsmaßnahmenvorgenommen. Die Kosten hierfür über-nahmen im Wesentlichen die Hapag undder Norddeutsche Lloyd.83

···································································Bereits im Cholera-Jahr 1892 hatte die

Der Blick vom Wintergarten ins Ritz-Carlton-Restaurant

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Hapag auf einem vom Staat zur Verfügunggestellten Grundstück am Amerika-Kai Ba-racken zur Unterbringung von maximal1.400 Auswanderern in zehn Schlafsälen er-richtet. Die sanitären und hygienischen Ver-hältnisse dort waren allerdings alles andereals vorbildlich.···································································Als das Gelände für andere Zwecke benö-tigt wurde, baute die Hapag, wiederum aufStaatsgrund, eine neue Anlage auf der Ved-del, die u.a. aus vier Schlaf- und Wohnpa-villons bestand und im Dezember 1901 inBetrieb genommen wurde. 1905 kamen achtprovisorische Bleiben und 1907 weitere 18Unterkünfte in Pavillonform hinzu. Auf ei-nem abgegrenzten umzäunten Areal von

etwa 55.000 qm standen jetzt mehr als 30Gebäude, die bis zu 5.000 Menschen gleich-zeitig aufnehmen konnten.84 Diese wurdenvon 180 Hapag-Angestellten, darunter 28Dolmetscher, betreut. ···································································Die gesamte Anlage hatte damals Vorbild-charakter – heute würde man wohl von ei-ner gelungenen „Public Private Partnership“sprechen. Sie unterschied sich wesentlichvon den bisherigen kasernenartigen Mas-senquartieren. Im Vergleich zu früher hattensich vor allem die sanitären Verhältnisse ver-bessert, da es nunmehr ein eigenes Sielsys-tem gab. Die Pavillons boten neben denSchlafräumen für je 22 Personen eigene Toi-letten und Aufenthaltsräume. Ferner befand

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Der Speisesaal dritter Klasse auf dem „Imperator“

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Oceanfahrt 6 Tage, von Jürgens & Bornemann (1897⁄1900) – eines der wenigen Hapag-Plakate, auf denen eine allegorische Darstellung Verwendung findet

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Hamburg-Amerika, von Hans Bohrdt (1902⁄1903) – Bohrdt, Lieblingsmaler von Wilhelm II., war einer der anerkannten Marinemaler seiner Zeit

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Berlin-Alexandrien in 100 Stunden, von Hans Bohrdt (1906⁄1907)

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Vergnügungsreisen zur See, von Felix Schwormstädt (um 1904) – die geschickt angeordnete Gruppenszene setzt die Phantasie des Betrachters in Gang und suggeriert die Möglichkeit eines „Abenteuers“ an Bord

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sich auf dem Gelände neben einer Kirchemit einem größeren katholischen und ei-nem kleineren evangelischen Kirchenraumauch eine Synagoge. Außerdem wurden ineigenen Küchen koschere Speisen gekocht,die in separaten Sälen verzehrt werdenkonnten.···································································Sicherlich nicht ganz uneigennützighatte sich die Hapag für das neuartige Kon-zept der Auswandererhallen entschieden,die bewusst nicht mehr Baracken genanntwurden. Die Hallen stellten eine perfekteWerbung für die Reederei dar. Bereits 1900wurde auf der Weltausstellung in Paris einModell der Auswandererstadt präsentiert.···································································Vor 1901 waren viele Emigranten, die nachHamburg kamen, Opfer von Betrügereiengeworden. Hamburg hatte einen denkbarschlechten Ruf. Die Betrüger waren hier sogut organisiert, dass es für sie sogar eine ei-gene Berufsbezeichnung, die des „Litzers“,gab.85 Nach dem Bau der Auswandererhal-len konnten sich die Auswanderer dort füreinen moderaten Preis aufhalten.

···································································Auswanderer reisten in der Regel zwarnur einmal, aber sie schrieben den Nachfol-genden ihre Erfahrungen und kauften oftvon der neuen Heimat aus selbst die Ticketfür nachziehende Familienmitglieder. DerBegriff „Kettenauswanderung“ charakteri-siert dieses Phänomen treffend: Typisch fürdie großen Auswanderungswellen seit den1880er Jahren ist, dass sich zunächst relativjunge Männer auf den Weg machten, meis-tens aus osteuropäischen Ländern nachNordamerika. Diese nahmen mit ihren zu-rückgebliebenen Verwandten brieflichenKontakt auf, was dank der verbessertenKommunikationsmöglichkeiten wesentlicheinfacher war als noch in der Mitte des 19.Jahrhunderts. Schließlich zogen dann an-dere Familienmitglieder nach.···································································Durch die neu gebauten Auswandererhal-len verbesserte sich für die Hapag nicht nurdas Image der Reederei. Ein weiterer posi-tiver Effekt für das Unternehmen war dieVerminderung des finanziellen Risikos imAuswanderergeschäft: Die US-Einwande-

Zeitgenössische Gesamtansicht der Auswandererhallen

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rungsbestimmungen schrieben vor, dassPersonen, die deren gesundheitliche Bedin-gungen nicht erfüllten, auf Kosten der je-weiligen Reedereien zurückgeschickt wer-den mussten. Um dies zu vermeiden, sorg-ten in der Auswandererstadt vier festangestellte Ärzte für die medizinische Über-wachung. Neuankömmlinge wurden unter-sucht, geduscht, desinfiziert und geimpft.86

Es stand ihnen frei, vor ihrer Abreise die An-lage zwischenzeitlich zu verlassen.87

···································································Mit den Auswandererhallen als zentralemBestandteil etablierte die Hapag im Aus-wanderergeschäft ein mehr oder wenigerlückenloses, gut funktionierendes und ge-winnbringendes System. Die zahlreichen

Agenten der Reederei warben die Auswan-derer mit „All-inclusive-Angeboten“: Mitden Schiffstickets erwarben diese auch Bahn-fahrkarten für die Fahrt in Sonderzügen vonden Grenzkontrollstationen zu den Hafen-städten einschließlich der Unterbringungund Verpflegung in den Auswandererhal-len.88 Auf einen ähnlichen Ansatz wurde be-reits in einem ganz anderen Zusammenhangverwiesen, nämlich bei der kompletten Or-ganisation der Kreuzfahrten aus einer Hand.···································································Für die Emigranten bedeutete dieses Kom-plettangebot eine Mischung aus Betreuungund Wohlfahrt auf der einen und Bevor-mundung auf der anderen Seite.89 MancheZeitgenossen, für die Letzteres mehr wog,

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Straßenszene mit Auswanderern und Polizisten (um 1909)

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übten denn auch Kritik. So erschien z.B. im„Hamburger Echo“, dem Sprachrohr derHamburger SPD, ein Artikel mit der Über-schrift „Bade bei Ballin“. Dort hieß es: „‚DerHerr beschütze Dich vor dem Bad!’ Das istder letzte Glückwunsch, der dem jüdischenAuswanderer aus Russland auf dem Weg ge-geben zu werden pflegt, und gemeint ist da-mit: ‚Der Herr behüte Dich vor Ballin undseinen hygienischen Kontrollstationen.’“90

···································································Dass die Auswandererhallen – ungeachtetsolcher Stimmen – Anfang des 20. Jahrhun-derts Dreh- und Angelpunkt der Auswande-rung über Hamburg waren, verdeutlichenfolgende Zahlen: Von den 156.000 Auswan-derern, die 1907 Hamburg verließen, fandenrund 113.000 in der Hapag-Anlage Unter-kunft. Der allergrößte Teil dieser Personen,

94 Prozent, reiste in die USA. 1913 verzeich-nete Hamburg mit rund 193.000 Menschendie höchste Zahl an Auswanderern. Mitdem Ausbruch des Ersten Weltkrieges kamdas Auswanderergeschäft der Hapag dannjedoch vollständig zum Erliegen.···································································Die Ausdehnung der Hapag-Fahrtgebiete···································································Als Ballin 1886 zur Hapag kam, unterhieltdie Reederei einen Postdampferdienst vonHamburg nach New York und eine „West-indisch-Mexikanische Linie“.91 Am Vor-abend des Ersten Weltkrieges hatte sich die-se Zahl auf insgesamt 67 Linien erhöht.92 Sieverbanden Hamburg mit verschiedenenHäfen in Nord –, Mittel- und Südamerika,in Süd- und Ostasien, am Persischen Golf

Auswanderer beim täglichen Nachmittagskonzert auf dem Platz vor dem großen Pavillon – im Hintergrund die Kirche, ganz hinten links das Wahrzeichen der Anlage, der Turm des Empfangsgebäudes

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und in Afrika. Ferner gab es einen Seebäder-dienst sowie diverse Küstenlinien und Ha-pag-Routen, die Hamburg nicht berührten. ···································································Die Hapag besaß nicht nur in Hamburg,sondern auch in Cuxhaven, New York undauf der Karibikinsel Saint Thomas eigeneKaianlagen, um ihr globales Liniennetz be-treiben zu können. Der entscheidende Kno-tenpunkt war der Hamburger Hafen: 1898war die Hapag mit der Stadt Hamburgübereingekommen, dass auf dem südlichenElbufer, dem Kuhwärder, neue ausgedehnteHafenanlagen gebaut und zu einem großenTeil der Reederei verpachtet werden sollten.1903 wurden die neuen Kuhwärderhäfeneingeweiht. Die Hapag verfügte nunmehrüber ein Viertel des gesamten überdachtenLagerraums des Hamburger Hafens.93

···································································Der Ausbau des imposanten Hapag-Lini-ennetzes ging mit einem enormen Konzen-trationsprozess einher, in dessen Verlauf diemeisten Hamburger Reedereien unter Bal-lins Einfluss gerieten. Die Hapag übernahmviele kleinere Linien und entwickelte sich zueinem trustartigen Gebilde. Ähnlich ver-hielt es sich übrigens auch beim Norddeut-schen Lloyd, der – wenn auch etwas verzö-gert – eine ähnliche Unternehmenspolitikverfolgte. ···································································Anders die Situation im Vereinigten Kö-nigreich: Dort spielte die Linien-Schifffahrteine viel geringere Rolle als im DeutschenReich, die Tramp-Schifffahrt hingegen, d. h.die Beförderung vor allem von Fracht jenach Marktlage zwischen unterschiedlichenHäfen, eine größere. Dies wirkte sich aufden Grad der Unternehmenskonzentrationaus, der bei britischen Reedereien insgesamtgeringer war als bei deutschen.94 Die briti-

schen Linienreedereien waren also in einerschwächeren Position. Bei ihnen setzte erstnach 1902 ein Konzentrationsprozess ein. Ernahm seinen Anfang mit der vom amerika-nischen Milliardär John Pierpont Morgangegründeten International Mercantile Ma-rine Company, von der noch zu sprechensein wird.95

···································································Innerhalb der Führungsgremien derHapag stieß Ballins Expansionspolitik nichtauf ungeteilte Zustimmung. Die bereits ge-nannten Johannes Merck und Max Schin-ckel gehörten zu Ballins schärfsten Kritikern.Schinckel vertrat die Ansicht, dass „spezielleGebiete befahrende Reedereien (…) ihrenAktionären bessere Erträge als eine genialgeleitete monopolisierende Riesengesell-schaft (bieten)“.96 Festzuhalten bleibt je-doch, dass die Hapag unter Ballins Führungpermanent riesige Gewinne erzielte (siehtman einmal von den Cholera-Jahren 1892und folgende ab). ···································································Nicht nur von Schinckel, auch im volks-wirtschaftlichen Diskurs dieser Jahre wurdedie Vertrustung als eine unvorteilhafte Or-ganisationsform kritisiert. So unterschiedz.B. der Ökonom Gustav Schmoller auf derTagung des „Vereins für Socialpolitik“ imJahr 1905 zwischen „amerikanischem“ Trustund „deutschem“ Kartell. Nur die „richtige“Kartellierung könne Gerechtigkeit schaffen.Schmoller fand mit dieser Gegenüberstel-lung natürlich den Beifall der auf der Ta-gung anwesenden Vertreter des Stahlwerks-verbandes und des Rheinisch-WestfälischenKohlensyndikats.97 Schließlich hatte in derdeutschen Industrie nach Otto von Bis-marcks Hinwendung zur Schutzzollpolitik1879 eine Neuorientierung eingesetzt, dievon der Schwerindustrie ausging. Das Mo-

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dell des freien Marktes verlor an Attraktivi-tät. Viele Unternehmer setzten fortan aufeine kollektive, vertragliche Ordnung durcheinen interventionistischen Staat. Ballinhatte hier eine andere Position, da er – ab-gesehen von seinen letzten Lebensjahren –Anhänger des Laissez-faire-Prinzips war.···································································Im Folgenden werden die wichtigstenFahrtgebiete der Hapag im Einzelnen näherbetrachtet. ···································································Die Nordatlantikfahrt – die stets zentralerBereich der Geschäftspolitik des Unterneh-mens blieb – bot seit Mitte der 1890er Jahrenur noch wenige Expansionsmöglichkeiten.Deshalb suchte Ballin über die Amerika-fahrt hinaus Gelegenheiten, neue Linien-dienste einzurichten.98

···································································Zum zentralen Bestandteil dieser Expan-sion wurde das Ostasiengeschäft, vor allemmit China. Als wichtigste Etappen könnendabei folgende Ereignisse gelten: 1897 ließdas Deutsche Reich in einem militärischenHandstreich die Bucht von Kiautschou inChina besetzen, die ein ertragreiches Hin-terland besaß; 1898 eröffnete die Hapag ei-nen monatlichen Frachtdampferdienst miteigener Tonnage von Hamburg und Ant-werpen nach Penang, Singapur, Hongkong,Shanghai, Yokohama und Kobe und über-nahm die Kingsin-Linie mit ihren 13 Damp-fern und der gesamten Belegschaft; im sel-ben Jahr vereinbarte die Hapag außerdemmit dem Norddeutschen Lloyd eine Be-triebsgemeinschaft für den Postdampfer-dienst von Hamburg bzw. Bremen nachOstasien und erhielt vom Deutschen Reichhierfür einen jährlichen Zuschuss.99

···································································Dieser kursorische Überblick macht be-

reits deutlich, wie sich in Ostasien Ende des19. Jahrhunderts die Interessen der deut-schen Wirtschaft mit denen des DeutschenReiches vermengten.100 Während des Boxer-krieges im Frühsommer 1900 bekamen dieHapag und der Norddeutsche Lloyd denAuftrag, das deutsche Militärkontingentzum Kriegsschauplatz zu transportieren.Acht Staaten – neben dem Deutschen Reichwaren dies Frankreich, Großbritannien, Ita-lien, Japan, Österreich-Ungarn, Russlandund die USA – hatten beschlossen, gemein-sam militärisch gegen chinesische Truppenund Boxerverbände vorzugehen, welchesich gegen den zunehmenden Einfluss derKolonialmächte in China wehrten. ···································································Anfang 1900 hatte sich die soziale Be-wegung der „Boxer“ über weite Teile Nord-chinas ausgebreitet. „Faustkämpfer für Ge-rechtigkeit und Harmonie“ ist eine der unterschiedlichen Übersetzungen der chi-nesischen Bezeichnung „Yihequan“. Sie ver-deutlicht den Einfluss volkstümlicher Kul-tur und Religion, besonders verschiedenerKampfkunstschulen, auf die Mitglieder, zu-meist männliche Bauern und Landarbeiter. ···································································Die Intervention, die im Reichstag von so-zialdemokratischer und linksliberaler Seiteverurteilt wurde, teilweise äußerten auch Ver-treter der Kirche Vorbehalte, entwickelte sichzu einer verheerenden Strafaktion: Tausendevon Chinesen wurden getötet, Landstricheverwüstet und Kulturschätze geplündert.101

···································································Nach der Beendigung des Krieges ent-schloss sich Ballin 1901 zu einer Reise in denFernen Osten. Im Jahresbericht der Hapagheißt es dazu: „Die Entwicklung der Han-dels- und Schifffahrtsverhältnisse in Ost-asien hat unserm Herrn Generaldirector

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Ballin Veranlassung gegeben, im Januar d. J.eine Informationsreise nach China und Ja-pan anzutreten, welche bereits das Ergebnisgehabt hat, dass wir uns entschlossen haben,auch dem internen Verkehr zwischen denostasiatischen Häfen, an welchem wir bisherüberhaupt nicht beteiligt waren, unsere Auf-merksamkeit zuzuwenden.“102 Im selbenJahr wurde auch ein Liniendienst von Ham-burg nach Shanghai, Tianjin und Tsingtao,der Hauptstadt des „Deutschen Schutzge-bietes Kiautschou“, ins Leben gerufen, undzusammen mit dem Norddeutschen Lloydwurde ein Gemeinschaftsdienst auf demJangtse zwischen Hankou und Shanghaieingerichtet.103

···································································Entscheidend für die Beteiligung derHapag am Schifffahrtsverkehr mit Südame-rika wurden die Jahre 1900/1901. In dieserZeit erwarb die Hapag die de Freitas-Linie,welche nach Brasilien und in die La-Plata-Staaten fuhr. Außerdem schloss sie Betriebs-gemeinschaften mit der Deutschen Dampf-schifffahrts-Gesellschaft Kosmos und derHamburg Südamerikanischen Dampfschiff-fahrts-Gesellschaft.104 Hierbei ging Ballinsehr geschickt vor, indem er diskret mit sei-nem alten Freund Carl Laeisz, dem Vorsit-zenden der Hamburg-Süd, verhandelte:„Laeisz war ein alter Mann geworden undwußte den klugen Werbungen Ballins nichtmehr den rechten Widerstand entgegenzu-setzen. Halb zog es ihn, halb sank er hin. Erverkaufte in aller Stille seinen großen Besitzan H.S.D.G.-Aktien zu einem hohen Preisean die Packetfahrt (…).“105

···································································Nach Bildung der Betriebsgemeinschaftmit der Kosmos-Linie gelang es Ballin bald,beherrschenden Einfluss auf diese auszu-üben. Im Aufsichtsrat der Linie hatte seit

längerem Adolph Vorwerk den Vorsitz in-ne;106 neben ihm gehörte Ballin dem Gre-mium an. Als die Reederei nach dem schwe-ren Erdbeben, das im August 1906 Valpa-raíso verwüstete, in Schwierigkeiten geriet,wusste Ballin die Situation zu seinem Vor-teil zu nutzen. Bestimmte Versäumnisse derFirma nahm er zum Anlass, eine Revisionim Aufsichtsrat durchzusetzen. Er griff den„Gedanken auf, wonach den Verladern odergar der Gesellschaft nicht damit gedient sei,daß einer der bedeutendsten Verlader (…)[die Firma Vorwerk Gebr. & Co., JG] auchden Vorsitzenden des Aufsichtsrats (…) stell-te“. Vorwerk trat daraufhin vom Aufsichts-rat zurück und Ballin wurde zu dessen Vor-sitzenden gewählt.107

···································································Der Hamburger Afrikahandel wurde umdie Wende zum 20. Jahrhundert von derWoermann-Linie und der Deutschen Ost-Afrika-Linie beherrscht. Bei beiden Liniensaß Ballin im Aufsichtsrat. Als sich jedochder Norddeutsche Lloyd mit der Hamburg-Bremer-Afrika-Linie AG verband, einerkleinen Linie, die 1907 die Westafrikafahrtaufgenommen hatte, geriet die Woermann-Linie unter Konkurrenzdruck und ging imselben Jahr eine Betriebsgemeinschaft mitder Hapag ein. Diese übernahm acht Woer-mann-Dampfer für den Westafrikadienst.Kurz darauf einigten sich die Woermann-Li-nie, die Hamburg-Bremer-Afrika-Linie, dieDeutsche Ost-Afrika-Linie und die Hapagauf einen Gemeinschaftsdienst nach Afri-ka.108 Adolph Woermann wurde in den Auf-sichtsrat der Hapag gewählt und gehörtediesem bis zu seinem Tode 1911 an.···································································Es waren jedoch nicht nur die genanntenwirtschaftlichen Gründe, weshalb die bisdahin strikt auf ihre Selbstständigkeit be-

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Sitzung des 1892 gegründeten Nordatlantischen Dampferlinienverbandes in Köln

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dachte Woermann-Linie eine Betriebsge-meinschaft mit der Hapag bildete: Woer-mann war 1904 „in einen Strudel politischerKämpfe“ wegen seiner Truppentransport-verträge mit dem Deutschen Reich gera-ten.109 Im Januar 1904 hatte der Aufstandder Herero gegen die deutsche Kolonial-herrschaft in Deutsch-Südwestafrika begon-nen, dem sich später die Nama anschlossen.Den Kolonialherren ging es nicht allein umdessen Niederschlagung. Anfang Oktober1904 ordnete der deutsche Oberbefehlsha-ber, Generalleutnant Lothar von Trotha, an,dass innerhalb der deutschen Grenze jederHerero erschossen werden solle.110 Im Jahr1911 lebten von den ehemals etwa 80.000Herero noch 15.130 und von den ehemals20.000 Nama noch 9.781. In Prozenten aus-gedrückt bedeutete das, dass zu diesem Zeit-punkt 80 Prozent der Herero und 50 Prozentder Nama der deutschen Kolonialherrschaftzum Opfer gefallen waren.111

···································································Woermann, dessen Reederei faktisch einMonopol für alle Militärtransporte nachSüdwestafrika besaß, gehörte zu den Groß-verdienern an diesem kolonialen Krieg, indessen Verlauf rund 15.000 Soldaten undmehr als 11.000 Pferde nach Südwest ver-schifft wurden. So schreibt z.B. JohannesMerck in seinen Erinnerungen, dass Woer-mann bei den Truppenverladungen mit sei-nen Afrika-Linien „den dicksten Rahm vonder Milch abschöpfte – und er war sehr dick,dieser Rahm (…).“112

···································································Als 1906 im Reichstag über das Budget desKrieges debattiert wurde, deckte der Abge-ordnete der Zentrumspartei Matthias Erz-berger auf, dass die Woermann-Linie wäh-rend des Krieges dem Reich rund dreiMillionen Mark an überhöhten Frachtgel-

dern und noch einmal soviel für Liegegelderin Rechnung gestellt hatte. Die Reichsregie-rung reagierte auf Erzbergers Kritik mit derAufhebung der Vereinbarungen, die sie mitder Woermann-Linie getroffen hatte, undmit der Einstellung der Zahlungen an dieReederei. Woermann selbst wurde zur Per-sona non grata und beim Besuch des Kaisers1908 in Hamburg ließ dieser den Hambur-ger Senat in Kenntnis setzen: „Die Gegen-wart des Kaufmanns Adolph Woermann ist Seiner Majestät nicht erwünscht.“113

Dennoch gehörte Ballin zu denjenigen, dieWoermann in Schutz nahmen und bestrit-ten, dass dieser das Reich übervorteilthätte.114

···································································Mit der Bildung des Gemeinschaftsdiens-tes nach Afrika war die Ausdehnung derFahrtgebiete der Hapag unter Ballins Ägideim Wesentlichen abgeschlossen. In den fol-genden Jahren lag der Schwerpunkt derReederei darin, die bestehenden Linien aus-zubauen.115

···································································Schifffahrtsdiplomatie···································································Weiter oben wurde darüber gesprochen,wie Ballin eine vertikale und horizontaleUnternehmenskonzentration betrieb, in-dem die Hapag Reedereien und andere Un-ternehmen übernahm. Im Folgenden gehtes darum, wie Ballin auf nationaler und in-ternationaler Ebene Absprachen zwischenReederein über Raten, Schifffahrtslinienund Gewinnverteilung initiierte. Diese sogenannten „Pools“ oder „Konferenzen“ kön-nen als Kartelle angesehen werden, da essich um Kooperationsformen handelte, beidenen keine Kapitalverflechtung vorlag. ···································································Hatte Ballin als junger Mann mit der

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Carr-Linie noch die Möglichkeiten, die derfreie Markt ihm bot, nach allen Regeln derKunst genutzt, so strebte er nunmehr da-nach, im Namen des freien Wettbewerbesdiesen einzuschränken und eine Front gegenneu gegründete Konkurrenzunternehmenaufzubauen.116 Seit den 1890er Jahren voll-zog sich die Entwicklung des atlantischenPassagiergeschäfts „im Zeichen eines Netzesvon ausgleichenden Absprachen und Ab-grenzungen“117 – und Ballin spielte hierbeivon Anfang an die entscheidende Rolle.···································································1892 bildeten die Union-Linie, die Hapag,der Norddeutsche Lloyd sowie die belgischeRed Star Linie und die Niederländisch-Amerikanische Dampfschifffahrtsgesell-schaft den Nordatlantischen Dampferlini-enverband, die „Mutterzelle der späteren at-lantischen Poolverträge“.118 Die fünf Linienvereinbarten Preise und eine Aufteilung desZwischendeckverkehrs, von dem die Hapagund die Union-Linie zusammen 28 Prozent(westwärts) zugesprochen bekamen. DerAnteil war zwar deutlich geringer als der desNorddeutschen Lloyd (46 Prozent). Ballinkompensierte dies jedoch durch die Einfüh-rung eines beweglichen Faktors, welcherauch Schiffsneubauten der einzelnen Reede-reien berücksichtigte. Mit der Vereinbarungwar es Ballin gelungen – und darauf kam esihm an –, den Norddeutschen Lloyd alsgrößten Konkurrenten vertraglich einzubin-den. Später wurden die Absprachen zeitwei-lig auch auf den Frachtverkehr und die Ra-ten für Kajütenpassagiere ausgedehnt.···································································Die Gründung des Nordatlantischen Damp-ferlinienverbandes war der Startschuss füreine Serie immer größer werdender Konfe-renzen und immer komplizierterer Preisab-sprachen: „In monatlichen Poolkonferen-

zen, meist an neutralem Ort, (…) trafen sichDirektoren und Prokuristen, um (…) aufGrund von genauen statistischen Zahlen dieErgebnisse des Geschäfts zu vergleichen, Ra-ten zu vereinbaren und Ausgleiche zu veran-lassen.“119

···································································Um die Jahrhundertwende änderte sich dieSituation grundlegend: Die bisher von Au-ßenstehenden relativ unbeachteten Poolbil-dungen wurden zu einem Politikum. Auslö-ser hierfür war das Eintreten des amerikani-schen Bank –, Kohle- und StahlmagnatenJohn Pierpont Morgan in das Schifffahrts-geschäft.···································································Im Frühjahr 1901 hatte Morgan die Mehr-heit des Aktienkapitals der britischen Ley-land-Linie gekauft; 1902 sicherte er sich mitder White-Star-Linie und der Dominion-Linie zwei weitere britische Reedereien.Morgan, der auch die meisten Eisenbahnenan der amerikanischen Ostküste kontrol-lierte, beabsichtigte, diese mit der transat-lantischen Schifffahrt zu einem großenTransportverbund in seiner Hand zu ver-knüpfen. Dies alarmierte Ballin, der dasFrachtgeschäft der Hapag mit den bereits er-

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Eine seltene Aufnahme des berühmten John PierpontMorgan, der sich nur ungern fotografieren ließ

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wähnten „großen P-Dampfern“ und vor al-lem ihre Selbstständigkeit gefährdet sah.120

Deshalb begann er Verhandlungen mit Mor-gan. Sein Bremer Kollege Wiegand standdieser Initiative allerdings ablehnend gegen-über, was vor allem daran lag, dass die Inter-essen beim Norddeutschen Lloyd anders ge-lagert waren als bei der Hapag: Währendletztere im Atlantikverkehr ihr Hauptge-schäft mit der Ladung machte, beförderte derLloyd vor allem Passagiere. Wilhelm II. inter-venierte jedoch persönlich und sprach sich

dafür aus, dass sich auch der NorddeutscheLloyd an den Verhandlungen beteilige.121

···································································Im Februar 1902 kam es zu einer Überein-kunft der beiden deutschen Reedereien mitder International Mercantile Marine Com-pany (IMMC), wie sich der Morgan-Trustnannte. Vereinbart wurde, dass die IMMCohne Zustimmung der deutschen Linienkeine Dienste nach Deutschland einrichtenwerde, während die Hapag und der Lloydzusicherten, ihren Verkehr mit England und

Die Generaldirektoren Heinrich Wiegand und Albert Ballin Anfang 1902 auf der Überfahrt nach New York

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Belgien nicht weiter auszubauen. Außerdemwurde ausgemacht, dass sich Morgan mitseinem Kapital nicht direkt an den beidenReedereien beteiligen werde. Man einigtesich vielmehr auf eine fiktive Beteiligung,die bei den beiden deutschen Gesellschaftenje 20 Millionen Mark ausmachte.122 In ei-nem Jahresbericht der Hapag heißt es hier-zu: „Unser Vertrag mit der InternationalMercantile Marine Co. bestimmt, daß wirdieser Gesellschaft jährlich eine Summe zuzahlen haben, welche unserer Dividende,auf ein Aktienkapital von 20 MillionenMark berechnet, entspricht, während sieuns den gleichen Kapitalbetrag mit 6 Pro-zent zu verzinsen hat.“123 Die Reaktion derdeutschen Presse auf das Vertragswerk warmehr als wohlwollend, „sie grenzte schon anSelbstgefälligkeit“.124

···································································Finanziell gesehen war die Vereinbarungmit Morgan für die Hapag, deren durch-schnittliche Dividende im Zeitraum 1897bis 1913 7,5 Prozent betrug, ein Verlustge-schäft.125 In den acht Jahren von 1903 bis1911 überwies sie mehr als 1,5 MillionenMark an die amerikanische Gesellschaft,während ausgerechnet der Lloyd, der ur-sprünglich gegen den Vertrag gewesen war,per Saldo knapp 4,6 Millionen Mark ausden USA erhielt, da er sehr viel geringereGewinne als die Hapag machte.126 Nochschwerer wog allerdings, dass sich die briti-sche Regierung wegen der Übereinkunftentschloss, die Cunard-Linie zu subventio-nieren, um sie gegen eine Übernahme durchden Morgan-Trust zu schützen. Sie wurdedadurch zum eigentlichen Gewinner desAbkommens. 1912 wurde der Vertrag mitder IMMC gelöst. Es hatte sich inzwischengezeigt, dass Morgans Plan, mit einemSchifffahrtstrust die monopolistische Kon-

trolle über den Atlantik zu gewinnen, ge-scheitert war.127

···································································Nachhaltigere Ergebnisse brachten Ver-handlungen, die im Februar 1908 auf BallinsInitiative hin und unter seinem Vorsitz inEngland stattfanden und zur Gründung derNordatlantik-Konferenz führten. Sie ähnel-te dem Nordatlantischen Dampferlinien-verband von 1892, war aber, was Regelungs-tiefe und Mitgliederzahl angeht, wesentlichumfassender. Insgesamt zehn Schifffahrtsge-sellschaften, darunter auch die Cunard-Li-nie, und vier angeschlossene Linien einigtensich auf ein Abkommen, das den Zwischen-decksverkehr von den nordeuropäischenund Atlantikhäfen nach Nordamerika neuregelte, ferner auf ein Abkommen, das dieVertragspartner zum ersten Mal zur Erhal-tung von Minimalraten im Kajütsverkehrverpflichtete.128 Nun waren deutsche undbritische sowie belgische, dänische, franzö-sische, niederländische, österreichische, rus-sische und sämtliche Linien des Morgan-Trusts unter einem Dach vereint und Ballinhatte, so der Journalist und Publizist KurtZielenziger, „ein Ziel seiner Lebensarbeit er-reicht“.129

···································································Fünf Jahre später, im Oktober 1913, kün-digte die Hapag allerdings die Verträge derNordatlantik-Konferenz, „da die bisher be-stehenden Abkommen dem natürlichenWachstum unserer Gesellschaft nicht genü-gend Rechnung trugen“.130 WesentlicherGrund für diesen Schritt war der inzwischenvollzogene Wandel der Schiffbaupolitik mitdem Neubau der Dampfer der Imperator-klasse. Ballin hatte deshalb einen größerenAnteil am Zwischendeckpool gefordert,stieß jedoch bei den übrigen Mitgliedernder Konferenz, allen voran beim Norddeut-

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schen Lloyd, auf Ablehnung. Das Jahr 1913ist denn auch als ein Höhepunkt in der Ri-valität der beiden Gesellschaften bezeichnetworden.131

···································································Zwar gelang im Frühjahr und Sommer1914 eine Einigung zwischen beiden Reede-reien, die praktisch abgeschlossenen Ver-handlungen mit den britischen und ameri-kanischen Linien kamen jedoch mit Aus-bruch des Ersten Weltkrieges zum Erliegen.Nun waren auch die zuvor getroffenen Ver-einbarungen der Hapag mit dem Lloyd, diein erster Linie eine Interessengemeinschaftder beiden Gesellschaften für den Nordat-lantikverkehr vorsahen, nur noch Makula-tur, denn die Rahmenbedingungen hattensich schlagartig geändert.···································································Zum Schluss dieses Kapitels über AlbertBallin und den Aufstieg der Hapag sei nocheinmal festgehalten: Als Ballin 1886 als Ab-teilungsleiter in die Hapag eintrat, befandsich diese, weit überflügelt vom Norddeut-

schen Lloyd, ohne eigentliche Führung „ineinem Zustand der Stagnation“.132 In derRangfolge der weltweit größten Linienstand sie auf dem 22. Rang.133 Dank Ballinsausgeprägter Fähigkeit, Chancen zu erken-nen, die der Markt bot, gelang es ihm sehrschnell, eine Trendwende herbeizuführen.1897, zum 50-jährigen Bestehen der Hapag,war diese unter seiner Leitung zur größtenReederei der Welt geworden und blieb es biszum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Bal-lins hervorragende Verdienste um diesenAufstieg kamen auch darin zum Ausdruck,dass er 1897 bei der Hapag an die erste Stelleder drei Vorstandsmitglieder als „Erster Di-rector“ trat und zwei Jahre später vom Auf-sichtsrat zum Generaldirektor ernannt wur-de. In den Jahren zwischen 1885 und 1913stieg die Zahl der Hapag-Dampfer durchNeubauten, Ankäufe und Verschmelzungmit anderen Linien von 23 auf 194, die Ton-nage von knapp 55.000 auf über 1.300.000BRT und das Aktienkapital von 15 auf 180Millionen Mark.134

··············································································································································31 Jahresberichte und Bilanzen der Hamburg-Amerika Linie. Erster Band: Geschäftsjahre 1847‒1880, Ham-burg 1903, Selbstverlag der Hamburg-Amerika Linie, S. 7 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).32 Die Mark Banco war bis 1873 die Rechnungsvaluta des Hamburger Großhandels, die Zahlungseinheit der1619 gegründeten Hamburger Bank – eine Währung, die eine sichere Grundlage bot und nicht der Abnutzungunterlag. Sie lief nicht als Münze um, war aber durch Silberbarren gedeckt. Gezahlt wurde, zum ersten Mal inder Geschichte des deutschen Bankwesens, mit „Gutschriften“, die unseren heutigen Girochecks entsprechen. Das

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allgemeine Zahlungsmittel war bis 1867 die Mark Courant, ab 1871 die Mark (1871: 1 Mark Courant = 1,2 Markund 1 Mark Banco = 1,5 Mark). 33 Jahresberichte und Bilanzen der Hamburg-Amerika Linie. Erster Band: Geschäftsjahre 1847‒1880, Ham-burg 1903, Selbstverlag der Hamburg-Amerika Linie, S. 24 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).34 Zielenziger, Ballin, S. 176.35 Diese Angabe bei Himer, Jahre, S. 60.36 Wiborg, Ballin, S. 21.37 Herschel, Hapag, S. 39; Mathies, Reederei, S. 39, 130; Matthes, Hapag, S. 9.38 Zum Leben Carl Laeisz’ vgl. den zweiten Band der Reihe „Mäzene für Wissenschaft“: Gerhardt, Laeisz.39 Schinckel, Lebenserinnerungen, S. 266.40 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 28.41 Albert Ballin an Amalia Ballin, 31. März 1901: Stubmann, Feld, S. 169.42 Cecil, Ballin, S. 11; vgl. Straub, Ballin, S. 151 und Wiborg, Ballin, S. 22.43 Stubmann, Feld, S. 68.44 Himer, Geschichte, S. 10.45 Klemm, Verwaltungsgebäude, S. 160.46 Ebd.47 Hapag-Lloyd, Ballin-Haus, S. 8.48 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 475.49 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 129, der Bacherwähnt.50 Klemm, Verwaltungsgebäude, S. 160.51 Hapag-Lloyd, Ballin-Haus, S. 12.52 Wiborg, Ballin, S. 28.53 Prange, Entwicklung, S. 33.54 Aagaard, Life, S. 3.55 Wiborg, Ballin, S. 72.56 Hamann, Traumreisen, S. 10.57 Ebd., S. 14. – Die Passagierliste ist abgedruckt im Hamburger Fremdenblatt Nr. 17 (21. Januar 1891). 58 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 60.59 Albert Ballin an Ernst Francke, 17. August 1899: Stubmann, Feld, S. 176.60 Petzet, Wiegand, S. 34.61 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Hamburg für die am 31. März1894 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 47stes Geschäftsjahr 1893 (Archiv der Ha-pag-Lloyd AG).62 Wiborg, Feld, S. 104.63 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 9.64 Ahrens; Hauschild-Thiessen, Reeder, S. 55.65 Vgl. StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Li-nie und an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 28, 125und 193; Straub, Ballin, S. 152.66 Matthes, Hapag, S. 14.67 Ebd.; Straub, Ballin, S. 97.68 Kludas, Geschichte, S. 186; vgl. hingegen Ritter, Kaiser, S. 139, der der Kritik von Schinckel zustimmt.69 Wiborg, Ballin, S.96.

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70 Hamburgischer Correspondent Nr. 260 (23. Mai 1912).71 Hamburger Fremdenblatt Nr. 120 (24. Mai 1912).72 So z. B. Wilhelm Doerkes-Boppard (Imperator auf See, S. 15).73 Ebd., S. 24, 41.74 Bracker, Dampfer, S. 67.75 Cecil, Ballin, S. 100.76 Turbinen-Schnelldampfer Imperator, S. 17.77 Wiborg, Ballin, S. 39.78 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hamburg-Amerika Linie) inHamburg für die am 30. März 1905 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 58stes Ge-schäftsjahr 1904, S. 7 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).79 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 55.80 Klemm, Schiffahrtsplakat, S. 51.81 Vgl. z. B. den Begleitband „Hamburg und die Hapag. Seefahrt im Plakat“, hg. von Matthes und Prange,zur Ausstellung im Museum für Hamburgische Geschichte.82 Wiborg, Feld, S. 97.83 Groppe, Hamburg, S. 21 ff.84 Ders., Modellstadt, S. 34.85 Guttmann, Schattenriß, S. 242.86 Groppe, Modellstadt, S. 39; Wiborg, Feld, S. 152.87 Dies geht z. B. aus dem Hapag-Rundschreiben Nr. 304 „An unsere Herren Agenten!“ vom 18. Juni 1906 her-vor (Archiv der Hapag-Lloyd AG). Dort heißt es: „Sie [die russischen Auswanderer, JG] können die Auswande-rerhallen nach Belieben verlassen, um zu Einkäufen, zu Besorgungen, oder zum Besuch in die Stadt zu gehen,kurz, sie können wie alle übrigen Auswanderer während ihres Aufenthalts in Hamburg tun, was ihnen beliebt.“– Ich danke Frau Susanne Wiborg für diesen Hinweis.88 Groppe, Hamburg, S. 26.89 Ders., Modellstadt, S. 46.90 Hamburger Echo Nr. 242 (14. Oktober 1904).91 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Hamburg für die am 29. März1887 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 40stes Geschäftsjahr 1886 (Archiv der Ha-pag-Lloyd AG).92 Vgl. Kludas, Geschichte, S. 218 ff., der den Fahrplan der Hapag vom Juli 1914 abgedruckt hat.93 Wiborg, Feld, S. 126 f.94 Ritter, Kaiser, S. 142.95 Murken, Verbände, S. 599.96 Schinckel, Lebenserinnerungen, S. 270.97 Blaich, Kartellpolitik, S. 30 ff.98 Pelc, Hamburg, S. 19 f.99 Seiler, Jahre, S. 49.100 Pelc, Hamburg, S. 21.101 Vgl. an neuerer Literatur zum Boxerkrieg insbesondere Cohen, History sowie die Beiträge im Sammelband„Kolonialkrieg in China“, hg. von Leutner und Mühlhahn, die Ereignisse, Hintergrund und Auswirkungen derGeschehnisse thematisieren.102 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hamburg-Amerika Linie) inHamburg für die am 29. März 1901 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 54stes Ge-schäftsjahr 1900, S. 5 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).103 Cecil, Ballin, S. 75.104 Murken, Verbände, S. 597 f.

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105 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 86 f.106 Zum Leben Adolph Vorwerks vgl. den fünften Band der Reihe „Mäzene für Wissenschaft“: Schröder, Vorwerk.107 Vgl. mit Quellennachweis ebd., S. 39 ff.108 Pelc, Hamburg, S. 22.109 Stubmann, Feld, S. 139.110 Vgl. mit Quellennachweis Zimmerer, Herrschaft, S. 39. 111 Drechsler, Aufstände, S. 139 f.; abweichende Zahlen bei Bühler, Namaaufstand, S. 338. – Zum genozida-len Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama, der von 1904 bis 1907 dauerte und in der allgemeinen Geschichtedes neuzeitlichen Völkermordes ein entscheidendes Bindeglied zwischen den frühen Völkermorden niedrigen staat-lichen Organisationsgrades und den bürokratisierten Verbrechen des Nationalsozialismus darstellt, vgl. an neue-rer Literatur: Zimmerer, Herrschaft, vor allem S. 31 ff.; Bühler, Namaaufstand, vor allem S. 136 ff.; Böhlke-Itzen,Kolonialschuld sowie die Beiträge im Sammelband „Völkermord in Deutsch-Südwestafrika“, hg. von Zimmererund Zeller.112 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 49.113 Vgl. mit Quellennachweisen Bühler, Namaaufstand, S. 330 f.114 So Ballin in seinem Nachruf auf Woermann (Stubmann, Feld, S. 140); vgl. Wegner, Hanseaten, S. 289 f.115 Pelc, Hamburg, S. 23.116 Cecil, Ballin, S. 55; Straub, Ballin, S. 37, 41.117 Cecil, Ballin, S. 12.118 Murken, Verbände, S. VII.119 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 4.120 Wiborg, Feld, S. 140.121 Cecil, Ballin, S. 60.122 Stubmann, Feld, S. 90. 123 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hamburg-Amerika Linie) inHamburg für die am 30. März 1905 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 58stes Ge-schäftsjahr 1904, S. 8 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).124 Cecil, Ballin, S. 63.125 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 140.126 Nathan, Schiffahrtskampf, S. 24 f.127 Wiborg, Feld, S. 143.128 Witthöft, Hapag, S. 66.129 Zielenziger, Ballin, S. 186.130 Hamburg-Amerika Linie (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) in Hamburg. Jahres-bericht für die am 27. März 1914 stattfindende ordentliche Generalversammlung der Aktionäre. 67stes Geschäfts-jahr 1913, S. 3 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).131 Nathan, Schiffahrtskampf, S. 2.132 Klein, Ballin, S. 561.133 Cecil, Ballin, S. 36.134 Die Zahlen aus: Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actiengesellschaft in Hamburgfür die am 31. März 1886 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire, 39stes Geschäftsjahr 1885 sowie Hamburg-Amerika Linie (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) in Hamburg. Jahres-bericht für die am 27. März 1914 stattfindende ordentliche Generalversammlung der Aktionäre. 67stes Geschäfts-jahr 1913 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).··············································································································································

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„Klein Potsdam“ und Hamfelde···································································Nicht nur bei der Hapag und ihrer Verwal-tung sorgte Ballin für eine angemessene Un-terbringung, auch für seine Ehefrau undsich legte er besonderen Wert auf eine reprä-sentative Umgebung.···································································Nach der Heirat 1883 zog das Paar zunächstin die Moorweidenstraße, 1885 dann in dieHeimhuder Straße und 1902 in die Bade-straße. Sechs Jahre später ließ Ballin vonWerner Lundt und Georg Kallmorgen eineVilla an der Feldbrunnenstraße errichten.Die beiden Architekten, die damals als be-sonders modern galten, entwarfen eine mitSäulen geschmückte Residenz, bei der sichdie Reformarchitektur des beginnenden 20.Jahrhunderts mit Motiven aus der klassizis-tischen Landhausarchitektur verband. Bal-lin, der eigentlich den konservativen Kunst-geschmack des Kaisers teilte, entschied sichhier also für eine Abkehr vom Historis-mus.135 Heute befindet sich im Gebäude,das seit 1982 unter Denkmalschutz steht,das UNESCO Institute for Lifelong Lear-ning.···································································Die englische Zeitschrift „Daily Graphic“nannte die Villa 1914 „Klein Potsdam“.136

Damit wird deutlich, was Ballin mit demBau beabsichtigte: Neben dem Firmensitz

der Hapag sollte auch das private Haus ih-res Generaldirektors ein repräsentatives Am-biente bilden. Ballin wollte ein Gebäude zurVerfügung haben, das höchsten Ansprüchengenügte – und die Villa Ballin bot ihm eineperfekte Kulisse für Gesellschaften und Di-ners, die er im Interesse der Hapag gab. Hierwurde ein reges gesellschaftliches Leben in-szeniert, das die Möglichkeit zu politischenund wirtschaftlichen Kontakten bot.···································································Bereits 1906 hatte Ballin für 163.000Mark ein Landhaus in Hamfelde bei Trittauerworben, in dem er vor allem die Sommer-monate verbrachte. Das hierfür notwendigeKapital erhielt er durch den Verkauf derNordsee-Linie und ihrer fünf Schiffe für denSeebäderdienst. Diese Linie hatte er als Pri-vatreeder betrieben.···································································Nach dem Einzug in das Landhaus nahmBallin enorme Veränderungen vor, um die-ses für repräsentative Zwecke nutzen zukönnen. So ließ er z. B. in der Umgebungdes Hauses hunderte elektrische Glühlam-pen installieren, die bei großen gesellschaft-lichen Veranstaltungen den Park erleuchte-ten. Da es auf dem Land zu dieser Zeit nochkeinen Strom gab, bezog Ballin diesen voneiner örtlichen Brennerei, die zur Dampfer-zeugung einen Kessel mit 10.000 LiternWasser erhitzte.

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Albert Ballin und die Politik

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···································································Als Gastgeber war Ballin unübertroffen:Ein Feinschmecker par excellence, außer-dem ein blendender Erzähler, der heiter,witzig und charmant sein konnte. Bereitsder Text der Hausordnung, die in der Ein-gangshalle des Landhauses aushing, vermit-telt ein besonderes Flair: „Unsere verehrtenGäste bitten wir, in ihren Bewegungen undVerfügungen sich nicht durch Rücksichtenauf uns beschränken zu lassen. Indem wir esvermeiden, sie mit mütterlicher Fürsorgeund Bevormundung zu verfolgen, werdenwir uns bemühen, unseren Freunden denAufenthalt in unserem Hause heimatlich zu

gestalten. Was deutsche Gastfreundschaft sooft verleidet, ist die Erwartung, daß manwährend des ganzen Tages zusammenklebenund gegeneinander ‚niedlich‘ sein muß. Wirerwarten weder von unseren verehrten Gä-sten, daß sie uns ‚schön‘ tun, noch mutenwir ihnen zu, unsere Gesellschaft öfter auf-zusuchen, als ihnen lieb ist. Wir bitten überAutomobile, Wagen, Reitpferde und Ruder-boote (soweit der Vorrat reicht) frei verfügenzu wollen. Die Zeit für das erste Frühstückbitten wir selbst zu bestimmen und der Die-nerschaft alle darauf bezüglichen Befehle zugeben. Das zweite Frühstück wird in der Re-gel gemeinsam um 1 Uhr eingenommen.

Albert Ballins Villa in der Feldbrunnenstraße

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Nachmittags Thee 4 Uhr. Diner gegen 7Uhr. 15 Minuten vor Beginn des zweitenFrühstücks und des Diners wird die Glockegeläutet, und zum zweiten Male – sobaldangerichtet ist.“137

···································································Bei den Ballins verkehrten Adlige aus Di-plomatie und Heer, Offiziere, zumeist bür-gerliche der Marine, Bürokraten, die in denAmtsadel aufgestiegen waren, schlesischeMagnaten, rheinische Industrielle, BerlinerBankiers und Journalisten. Auch Hambur-ger „von Familie“ waren häufig zu Gast, sa-hen jedoch ihrerseits davon ab, den sozialenAufsteiger einzuladen.138 Kaum anzutreffenwaren hingegen Künstler139 – ein deutlicherUnterschied zu den Berliner Salons AnielaFürstenbergs, der Ehefrau des Bankiers Carl

Fürstenberg, mit dem Ballin befreundetwar. ···································································Albert Ballin und der Kaiser···································································Ballin, so der bereits erwähnte TheodorWolff, „umgab die Hapag mit einem nie da-gewesenen Glanz der Repräsentation“.140

Dies wirkte auf den Kaiser, der eine Schwä-che für Prunk hatte. Das erste persönlicheTreffen zwischen Ballin und Wilhelm II.fand in Cuxhaven vor der Jungfernkreuz-fahrt der „Augusta Victoria“ im Januar 1891statt (über die bereits berichtet wurde). DerKaiser hielt sich gerade dort auf und besich-tigte den ersten in Deutschland gebautenDoppelschrauben-Schnelldampfer. In en-gere persönliche Beziehungen traten beide

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Albert Ballins Landhaus in Hamfelde

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Empfang Kaiser Wilhelms II. durch Albert Ballin in der Feldbrunnenstraße (1913)

1899 beim Jahresdiner der Hapag anlässlichder Unterelbe-Regatta, als Ballin an derSeite des Kaisers saß. ···································································Seit 1905 kam Wilhelm II. jährlich zum„Gabelfrühstück“ (heute würde man dieszweites Frühstück nennen) in die Bade-straße, später dann in die Feldbrunnen-straße. Das war zweifellos eine ganz beson-dere Ehrung für Ballin, denn damit brachder Monarch mit der Tradition preußischerKönige, die Wohnungen von Privatleutennicht zu besuchen. In dieser Zeit bildete sichfür die Besuche ein fest gefügter Ablauf her-

aus, der u. a. die folgenden Programm-punkte enthielt: Unterelbe-Regatta mitFestessen, „Kaiserin Auguste Victoria-Jagd-Rennen“ auf der Horner Rennbahn, Gabel-frühstück in der Villa Ballin und schließlichWeiterfahrt zur Kieler Woche. Dort lagenseit 1902 regelmäßig Hapag-Dampfer, diefür die kaiserlichen Gäste als schwimmendeGrand Hotels fungierten. Die beträchtli-chen Kosten, die dabei für die Hapag anfie-len, sah Ballin – der es nie eine ganze Wo-che in Kiel aushielt – als notwendige Inves-titionen an, um das Ansehen der Reederei zufördern.

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···································································1910 musste allerdings der Programmablaufwegen eines Furunkels im kaiserlichen Kniemodifiziert werden. Die „Hamburger Neues-ten Nachrichten“ meldeten, dass „die An-kunft des Kaisers auf dem Altonaer Haupt-bahnhof [und nicht wie sonst auf demVorzeigebahnhof Dammtor, JG] auf ärztli-chem Rat erfolgt, da dem Monarchen jedesunnötige Treppensteigen mit Rücksicht aufdie Kniewunde erspart werden soll“.141

···································································Das „Hamburger Fremdenblatt“ berichteteseinen Lesern von einem Lichtbildervortragüber den Neubau eines großen Fracht- undPassagierdampfers, den Ballin dieses Mal fürden Kaiser in der Feldbrunnenstraße pla-

ne.142 Ballin verstand es geschickt, Mittei-lungen wie diese an die Presse zu lancieren,die sie dann auch begierig aufgriff. Seine ei-gene Wahrnehmung der Ereignisse spiegeltsich in einem Notizbuch wider, in dem erbesondere Besuche in seinem Haus festge-halten hat: ···································································„Der Kaiser, der sich für Montag d. 20 Junibei uns zum Frühstück u zur Entgegen-nahme eines Lichtbilder Vortrags über dasneue Schiff [den späteren „Imperator“, JG](Vulcan Bau 880-896) angesagt hatte, er-krankte an einem Knieleiden. InfolgedessenAbsage des ganzen Hamburger Besuches.···································································Zum Rennen am 19ten kam die Kaiserin u.

1910 ließ Ballin vom Kunsthandwerker Georg Hulbe für die kaiserlichen Besuche zwei Stühle anfertigen, einen mit gekröntem Reichsadler und Preußenwappen, den anderen mit Albert Ballins Familienwappen

und dem der Hansestadt

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meinecke
Schreibmaschinentext
[Die beiden Bilder sind in der Buchfassung abgedruckt]
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der Kronprinz, mit dem längere Unterre-dung –. Wir waren auf d. Rennen mit demBrautpaar [Ballins Tochter Irmgard und ihrVerlobter Heinz Bielfeld, die am 28. Okto-ber 1910 heirateten, JG], Mariette Strasserdie seit 5 Tagen bei uns, Queenie + Fr. Men-sing, nachher essen im Atlantic.···································································Montag 20 Juni erhielt die Nachricht, derKaiser würde doch zu uns kommen. Mitt-woch 22 Juni 10 kam der Kaiser, der wegendes besser gelegenen Terrains bis Altona ge-fahren war, von Altona im Auto zu uns.Frühstück 23 Pers. S. M. Graf EulenburgExc. Plessen v. Mueller v. Valentini Flügel-adj. v. Caprivi, Capt. v. Bülow GeneralarztDr. Ilberg Gesandter v. Treutler Bürgerm.Predöhl Schroeder Burchard Oswald GrafGoetzen Bassewitz Schinckel Witt Ohlen-dorff das Brautpaar.···································································Nach dem Frühstück der Vortrag gehaltenvon Dir. Schwarz Eggers, Dr. Bauer, Sachsefür Mewes, der aber auch anwesend war, au-ßerdem anwesend Merck u Warnholtz.···································································Der Kaiser schenkte mir seine MarmorBüste. Nach Abfahrt des Kaisers fuhren wiran Oceana + gingen mit dieser um Skagennach Kiel. In Kiel etwa 200 Gäste an Bord.Lange Unterredung mit Reichs Kanzler aufMeteor. Am Dienstag d 28. Juni nahm derKaiser im Kreise aller Gäste den Thee aufOceana + verweilte 3 Stunden.“143

···································································Vielen, gerade in Hamburg, erschien Bal-lin als Experte für Berliner Politik, als ein-flussreicher „Berater“ Wilhelms II. in Wirt-schafts- und Marinefragen – dabei aber auchmisstrauisch beäugt von Nationalisten undAntisemiten, für die er diffuse Ängste vordem „internationalen jüdischen Großkapi-

tal“ verkörperte, die sie durch Schlagwörterwie „Ballinismus“ und „verballinisiert“ zumAusdruck brachten.144 Der „Semi-Kürsch-ner“, ein antisemitisches Lexikon übelsterSorte, schrieb in seinem Ballin-Artikel: „DerJude ist als Großbankier, Großhändler,Großreeder, als Finanzier aller Kollektivbe-dürfnisse zwar nicht der offizielle Politikus(…); aber hinter den Kulissen ist er ohneUnterlaß tätig und unentbehrlich; er ist dereigentliche Drahtzieher und Akteur (…).Und darum, weil der Jude so tief im kapita-listisch gerichteten nationalen Leben nistet,schwirrt es an höchsten und allerhöchstenOrten von Ballins, Rathenaus, Fürsten-bergs. Darum macht Sir Ernst Cassel Welt-geschichte.“145

···································································Betrachtet man das Verhältnis Ballins zuWilhelm II. genauer, so zeigt sich, dass die-ses ein ganz eigentümliches war. Ballin warder erste und der wichtigste der so genann-ten „Kaiserjuden“.146 Darüber hinaus war ereiner der wenigen Geschäftsmänner, die denKaiser regelmäßig sahen, in den Jahren bis1914 ungefähr alle zwei Monate bei gesell-schaftlichen Anlässen und vielleicht ebensohäufig in geschäftlichen und politischen An-gelegenheiten.147

···································································Da Ballin kaum Beziehungen zu den Adli-gen unterhielt, die die Berliner Hofgesell-schaft dominierten,148 hing seine Stellungam Hof ganz von seinem persönlichen Ver-hältnis zum Monarchen ab. Für den Kaiserwar Ballin – wie die anderen „Kaiserjuden“auch – eine unersetzbare Informations-quelle, da er über Erfahrung auf einem Ge-biet verfügte (in seinem Fall Wirtschafts –,insbesondere Schifffahrtsfragen), die keinerdieser Adligen besaß. Dies war der wesent-liche Grund für das Interesse des Monar-

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„Wie die Gelbe Gefahr in Wahrheit aussieht“ (Karikatur aus dem Jahr 1905)

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chen an Ballin. Darüber hinaus war er einMann mit besten Kontakten, der WilhelmII. in Hamburg oder Kiel mit Menschen zu-sammenbrachte, die ansonsten niemals zumKaiser vorgedrungen wären.149 Hierzu ge-hörten auch die anderen „Kaiserjuden“ wieMax Warburg oder der Unternehmer undKunstmäzen James Simon.150 Diese warenfür Wilhelm II., dessen Weltbild eindeutigantisemitische Züge aufwies, „in Wirklich-keit überhaupt keine echten Juden“.„Echte“ Juden waren für den Kaiser solche,die ihm kritisch gegenüberstanden.151 Deut-lich wird hier der Konstruktionscharakter,der immer dem Antisemitismus innewohnt.(„Wer Jude ist, bestimme ich!“)···································································Die Beziehungen zwischen Ballin und Wil-helm II. gestalteten sich allerdings aus ver-schiedenen Gründen schwierig: Der Mon-arch war ein Autokrat, der keine Kritikertrug, und Ballin seinerseits unternahmkaum Versuche, strittige Punkte offen anzu-sprechen. Vielmehr nahm er immer wiederWilhelm II. in Schutz. Damit stand Ballinkeineswegs allein.152 Baron Friedrich vonder Ropp, ein deutschbaltischer Großgrund-besitzer in Litauen, schrieb im Rückblick:„Wir waren alle schwach dem Kaiser gegen-über. Keiner wollte seinen kindlich-frohenOptimismus trüben, der in eine fast haltloseDepression umschlug, wenn man eines sei-ner Lieblings-Themen kritisierte.“153

···································································Insgesamt gesehen war Ballins Einflussauf den Kaiser begrenzt und ist von vielenüberschätzt worden. Theodor Wolff be-merkt hierzu in seinen Erinnerungen: „Bal-lin hat in keiner großen Frage, in keinemwichtigen Augenblick einen Einfluß auf denKaiser ausgeübt. (…) Bei keiner großen Ak-tion (…) erfuhr Ballin, was vorging, niemals

fragte Wilhelm II. in solchen Momentennach seiner Meinung (…).“154

···································································Neben der „Freundschaft“ mit Wilhelm II.waren für Ballin die Kontakte mit Reichs-kanzler Bernhard von Bülow von besonde-rer Bedeutung. Seit Mitte der 1890er Jahremit Bülow bekannt, traf sich Ballin häufigmit ihm in Hamburg oder Berlin. In dennicht ohne Grund erst nach Bülows Todveröffentlichten Memoiren – er überschüt-tet darin fast jeden seiner Weggefährten mitharscher Kritik – zeichnet der Kanzler vonBallin ein uneingeschränkt positives Bild:„Wenige Menschen sind mir so sympathischgewesen, für wenige habe ich eine so auf-richtige Achtung gefühlt.“ An anderer Stelleheißt es: „Wenige Menschen haben in ihremLeben soviel Gutes getan wie Ballin. (…) Erverkörperte wie kaum ein anderer den küh-nen, wagemutigen, immer von neuem sichaufrichtenden, immer vorwärtsstrebendenGenius der mächtigsten deutschen Hafen-und Handelsstadt, des alten und immer jun-gen Hamburg.“155

···································································Im Juli 1909 wurde Bülow als Reichskanzlerentlassen. Wegen der Daily-Telegraph-Af-färe, in der er den Kaiser nur halbherzig ge-gen Angriffe aus dem Reichstag infolge ei-nes missratenen Interviews schützte, hatte erbereits zuvor das Vertrauen des Monarchenverloren. Von Bülows Nachfolger, Theobaldvon Bethmann Hollweg, hielt Ballin wenig– bei der Hapag hätte man für ihn höchstensVerwendung als Bibliothekar – und setztesich deshalb wiederholt für eine politischeRückkehr Bülows ein.156

···································································Außerhalb der Regierung waren es imWesentlichen Angehörige zweier Gruppen,über die Ballin politischen Einfluss zu neh-

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men suchte: Zum einen über führende Ban-kiers wie Max Warburg oder Carl Fürsten-berg, zum anderen über einflussreiche Jour-nalisten wie Maximilian Harden, TheodorWolff oder Bernhard Huldermann, der 1908Ballins Sekretär wurde und fünf Jahre spä-ter in den Vorstand der Hapag aufrückte. ···································································Besonders feste Beziehungen verbandenBallin mit Max Warburg, mit dem er durcheine private Telefonleitung in ständigemKontakt stand.157 Ballin sagte einmal überihn, Warburg sei „einer der klügsten und pa-triotischsten Männer“, die er kenne.158 Auchmit dem wohl bekanntesten Journalistendes wilhelminischen Kaiserreiches, Maximi-lian Harden, stand Ballin in enger Verbin-dung. Harden hatte sich durch seine immerwieder mit größter Schärfe vorgetragenenAngriffe auf die Person des Monarchen undseine Umgebung den Ruf erworben, einerder von Kaiser Wilhelm II. bestgehasstenMänner im Deutschen Reich zu sein.159

···································································Die zahlreichen gesellschaftlichen Ereig-nisse, die Ballin immer wieder organisierte,waren kein Selbstzweck. Vielmehr nutzte erdiese Gelegenheiten dazu, um den Einflussder Geschäftswelt auf die Regierungspolitikzu verstärken und einflussreichen Persön-lichkeiten seine Ansichten zu wirtschaftli-chen und politischen Fragen nahe zu brin-gen. Ballins besondere Aufmerksamkeit galt– neben dem Kaiser – jenen Regierungsbe-amten, Bankiers und Journalisten, diemächtig genug waren, seine Ideen aufzu-nehmen und zu ihrer Umsetzung wesentlichbeizutragen. Diese Privatisierung der Ein-flussnahme ist charakteristisch für Ballin,der nie nach politischer Macht in Form vonöffentlichen Ämtern strebte – schon garnicht in seiner Heimatstadt Hamburg, über

deren Rahmen er als Generaldirektor längsthinausgewachsen war und deren Hautevo-lee ihn, den sozialen Aufsteiger, immer miteiner gewissen Distanz betrachtete.···································································Albert Ballin und seine politische Einflussnahme···································································Eher skeptisch stand Ballin der Arbeit derim Kaiserreich allgegenwärtigen Interessen-verbände gegenüber. Er gehörte zwar vielendieser Vereinigungen an und förderte sieteilweise auch, spielte aber ansonsten dortzumeist eine untergeordnete Rolle.160

···································································Zunächst engagierte er sich noch im 1898gegründeten „Deutschen Flottenverein“,der mit über einer Million Mitgliedern dernationale Interessenverband im Kaiserreichwar. Zusammen mit einer großen Anzahlvon Hamburger Persönlichkeiten unter-zeichnete Ballin die Einladung in die Han-sestadt zur Gründungsversammlung desVereins. Außerdem war er für diesen meh-rere Jahre als Beisitzer aktiv und unterzeich-nete 1907 einen Appell für Gelder, der60.000 Mark erbrachte.161 Allerdings kriti-sierte er in den folgenden Jahren die ge-räuschvolle Tätigkeit dieser Akklamations-plattform, die für Flottenverstärkung undimperialistische Politik eintrat:162 Eine sol-che Propaganda ließe sich nur schwer wie-der unter Kontrolle bringen, wenn ihr ur-sprünglicher Zweck einmal erfüllt sei.163

···································································Ballin war auch Mitglied der „DeutschenKolonialgesellschaft“, die 1887 aus dem Zu-sammenschluss zweier Vereine entstandenwar. Die Mitglieder dieser Gesellschaft (1914waren es 42.000) repräsentierten so ziemlichalle sozialen Schichten des damaligenDeutschlands. Durch professionelle Öffent-

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lichkeitsarbeit in Form von Anzeigen,Drucken, Versammlungen, Ausstellungenund Vorträgen wurde die Vereinigung einmaßgebliches Agitationsforum, das sich fürKolonialvorlagen der Regierung und Post-dampfersubventionsvorlagen einsetzte undein transozeanisch-deutsches Imperiumpropagierte.164 Ballin, der Kolonien nicht alssonderlich profitabel ansah und dem esmehr um Flottenstützpunkte und Ge-schäftsniederlassungen ging,165 stand mitseinen Ansichten nicht immer im Einklangmit den Zielen der Kolonialgesellschaft undtrat deshalb dort auch nicht besonders her-vor. ···································································Ähnlich verhielt es sich beim „Bund derIndustriellen“, dem Ballin ebenfalls an-gehörte. Diese Vereinigung war 1895 alsSammelpunkt der verarbeitenden Industriegegründet worden. Im Gegensatz zumschwerindustriell geprägten „Centralver-band deutscher Industrieller“ vertraten diemeisten Mitglieder des Bundes – wie Ballin– eine freihändlerische Position.166

···································································Als Generaldirektor der weltweit tätigenHapag maß er naturgemäß dem Feld derAußenpolitik besonderes Gewicht zu. Di-plomatie war eine Angelegenheit der Krone,des Reicheskanzlers und des AuswärtigenAmts, und zu allen drei verfügte Ballin übergute Kontakte. Der Reichstag mit seinenParteien hatte auf diesem Gebiet hingegennur wenige Kompetenzen. So verwundert esnicht, dass Ballin keine politische Partei fi-nanziell unterstützt oder einer solchen ange-hört hat. ···································································Auch wenn Ballin die Gestalter der Regie-rungspolitik häufig kritisierte (insbesonderedie Spitzendiplomaten im Auswärtigen Amt

und deren mangelndes Verständnis für wirt-schaftliche Belange), so akzeptierte er den-noch die dominierende Rolle des Adels aufdiesem Feld. Fragt man danach, wie derStaat hätte verfasst sein sollen, der die deut-sche „Weltpolitik“167 trägt, so findet man beiBallin wenig Stringentes. Dies deckt sichmit dem Befund seines Freundes TheodorWolff, der über die Schwierigkeit schrieb,Ballin politisch einzuordnen: „Er wollte sichseine Wege möglichst frei von Verpflichtun-gen halten, und die Aufforderung, einenStandpunkt zu wählen, war ihm unbequem.Obgleich er in jeder moralischen Beziehungbis zur Empfindlichkeit auf Sauberkeit hielt,betrachtete er die Politik nicht nach Prinzi-pien und wahrscheinlich sah er in der Beto-nung allgemeiner Grundsätze eine unwelt-männische Pedanterie.“168

···································································Mit den Konservativen verband Ballin dieAbneigung gegen Veränderungen, die inRichtung auf eine Parlamentarisierung desdeutschen Konstitutionalismus zielten (derReichstag konnte die Regierung kritisierenund kontrollieren, ihr jedoch nicht das Ver-trauen entziehen und deren Rücktritt er-zwingen). Ebenso erklärte sich Ballin gegeneine Änderung des Dreiklassenwahlrechts inPreußen, das bis 1918 für die Wahl des Ab-geordnetenhauses die Wähler entsprechendder Höhe ihrer Steuerzahlungen in verschie-dene Klassen einteilte und vor allem Adligeund Großgrundbesitzer, aber auch wohlha-bende Kaufleute, privilegierte (der deutscheReichstag wurde hingegen nach „allgemei-nem“, freiem und direktem Wahlrecht ge-wählt; wahlberechtigt waren alle Männer ab25 Jahren).169

···································································1907 forderte Ballin eine Ergänzung desdeutschen Reichstages „in Form berufsstän-

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discher Angliederung von Vertretern dergroßen Erwerbsgebiete, also der Industrieund des Handels in allen ihren Verzweigun-gen“.170 Dabei berief er sich auf Überlegun-gen Bismarcks, einen Wirtschaftsrat zu bil-den, um die Nachteile der „Parteienherr-schaft“ zu mildern.171 Bereits ein Jahr später,im Zuge der Daily-Telegraph-Affäre, wech-selte Ballin allerdings seine Position undzeigte Sympathien für eine Stärkung desReichstages, die jedoch nur kurz währten.172

···································································Mit den (meisten) Liberalen sprach er sichfür eine freihändlerische Orientierung derdeutschen Außenhandelspolitik aus. Einge-denk der Tatsache, dass die Einfuhr vonamerikanischem Getreide einen wichtigenTeil des Übersee-Frachtgeschäfts der Hapagausmachte, verwundert dies kaum.173 Be-rührungspunkte zur liberalen Programma-tik gab es bei Ballin vor allem bei Fragen aufdem Gebiet der Wirtschaftspolitik. Hierfinden sich denn auch die deutlichsten Dif-ferenzen zum Reichskanzler Bülow, der seit1900 wieder eine stärker agrarprotektionisti-sche Politik verfolgte. Für (links-)liberaleForderungen nach Ausbau der Verfassungmit einer dem Parlament verantwortlichenRegierung hatte Ballin hingegen nur wenigübrig. Er sah sie sogar als gefährlich an, weilihr weiterer Fortgang nicht zu kontrollierensei.174

···································································Grundlegend für Ballins sozialpolitischePosition ist, dass er – wie die meisten Ver-treter des Wirtschaftsbürgertums – keiner-lei Sympathien für eine organisierte Arbei-terschaft zeigte. Ballin war ein dezidierterGegner der Sozialdemokratie und jedwederGewerkschaft. Wer einer solchen angehörteoder gestreikt hatte, wurde bei der Hapaggar nicht erst eingestellt. Auch Offiziere und

Kapitäne mussten sich darauf verpflichten,keine Beziehungen zu Gewerkschaften oderzu sozialdemokratischen Verbänden zu ha-ben. All dies belastete das Verhältnis zwi-schen der Hapag-Führung auf der einenund deren Angestellten und Arbeitern aufder anderen Seite, die, so Susanne Wiborg,„in nahezu ständigem Hader“ lebten.175

···································································Dennoch zeigte Ballin durchaus sozialeAnteilnahme. Diese hatte jedoch – auch dasist typisch für die meisten Vertreter desWirtschaftsbürgertums – paternalistischenCharakter.176 Gleich nach seinem Eintritt indie Hapag verbesserte und ergänzte Ballindie Kranken- und Altersversorgung für Ha-pag-Beschäftigte. Im Jahresbericht für 1887heißt es: „Wir sahen uns veranlasst, mit Be-ginn des gegenwärtigen Jahres eine Invali-den-, Wittwen- und Waisen-Pensions-Cassefür Angestellte unserer Gesellschaft zu er-richten und haben (…) damit eine Einrich-tung ins Leben gerufen, welche nicht nureine langentbehrte Wohlthat für die Ange-stellten ist, sondern auch unserer Gesell-schaft nur zum Nutzen gereichen kann.“177

···································································Bei den großen Streiks 1896/97 und 1906/07 zeigte Ballin eine flexiblere Haltung alsandere Arbeitgeber. Allerdings war auch ernur zu Verhandlungen innerhalb der Hapagunter Ausschluss der Gewerkschaften bereit.Dies traf einen wichtigen Punkt. Schließlichprotestierten die 16.700 Hafenarbeiter undSeeleute 1896/97 elf Wochen lang nicht nurgegen miserable Arbeitsbedingungen, nied-rige Löhne und ihre schlechte Wohnsitua-tion – ihnen ging es auch um grundsätzli-che Fragen. Die Unternehmer lehnten je-doch ein Schiedsverfahren ab, weil sie indem Streik einen „Machtstreit“ sahen. DieAuseinandersetzung blieb denn auch für die

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Arbeiter erfolglos; erst in den folgenden Jah-ren gelang es ihnen, in kleinem UmfangVerbesserungen durchzusetzen.···································································Unter dem Eindruck der Arbeitskämpfe1906/1907 entschloss sich Ballin, den Ha-pag-Beschäftigten entgegenzukommen. Ver-schiedene Wohlfahrtseinrichtungen wurdenausgebaut bzw. neu eingerichtet, „nämlichdie Arbeiter-Invalidenkasse, die Arbeiter-Hülfskasse, die Spareinrichtung für Arbei-ter, die Veteranenstiftung und die Vor-schusskasse, von denen die erstgenannteallein etwa 14000 Mitglieder zählt“.178 DieHapag war hieran zu 50 Prozent beteiligt.1909 begann sie, in Wilhelmsburg Wohnun-gen für ihre Arbeiter zu errichten.179 Bereits1907 hatte Ballin die verschiedenen Einrich-tungen bei der Hapag zu einer eigenen„Sozialpolitischen Abteilung“ zusammenge-fasst, an deren Spitze zunächst E. Huben,1912 dann der Rechtsanwalt Siegfried Heck-scher trat.180

···································································Albert Ballin und der Admiral···································································Auch wenn Ballin die geräuschvolle Propa-ganda des „Deutschen Flottenvereins“ miss-billigte, so unterstützte er anfangs dessenForderung nach einer Flottenvermehrung.Bis 1908 war Ballin einer der Hauptverfech-ter der Ideen des Admirals Alfred von Tir-pitz.181

···································································Tirpitz war die treibende Kraft, die hinterdem planmäßigen, durch immer neueFlottengesetze ermöglichten Aufbau derSchlachtflotte stand,182 und gehörte zu denVätern der überseeischen „Weltpolitik“ desKaiserreiches. Als Staatssekretär des Reichs-marineamts stand er seit 1897 in enger Be-ziehung zum Kaiser und konnte so seine ei-

genen Ideen mit dessen Flottenträumen ver-binden. Die strategische Planung des Admi-rals basierte auf der so genannten „Risiko-theorie“: Nach dieser könne das DeutscheReich niemals eine so große Flotte wie dieführende Seemacht England aufbauen.Deutschland müsse jedoch bestrebt sein,über eine Flotte zu verfügen, die in der Lagesei, der englischen Kriegsmarine ernsthaftzu schaden. Dies sei bei einem Verhältnisvon zwei zu drei erreicht und in ungefähr 20Jahren umzusetzen. Tirpitz vertrat die An-sicht, dass sich das Deutsche Reich denenormen finanziellen Aufwand für den Aus-bau der Kriegsflotte eher leisten könne alsEngland. Sobald das gewünschte Verhältnisvon zwei zu drei erreicht sei, wäre es höchst

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Kaiser Wilhelm II. und die Admirale Alfred von Tirpitz und Henning von Holtzendorff

(von links nach rechts) an Bord der Kaiserjacht„Hohenzollern“, aufgenommen am 23. Juni 1910

während der Kieler Woche

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meinecke
Schreibmaschinentext
[Das Bild ist in der Buchfassung abgedruckt]
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unwahrscheinlich, dass die Engländer gegenDeutschlands Flotte kämpften.···································································Um die Jahrhundertwende machte sich Bal-lin gleich an verschiedenen Stellen für Tir-pitz’ Ideen stark: Im September 1899 über-reichte er dem Kaiser eine „Abhandlungüber die Notwendigkeit der schnelleren Ver-stärkung unserer Kriegsmarine“.183 WenigeMonate später forderte er in den „Hambur-ger Neuesten Nachrichten“: „Hinter jedemdeutschen Fahrzeug im Ausland muß virtu-ell die deutsche Schlachtflotte stehen!“Deutschlands Ansehen solle durch eine star-ke Flotte auch auf dem Meere so gehobenwerden, dass allein dieses Ansehen genüge,ohne äußere Kraftwirkung Vorgänge zu ver-meiden, wie etwa die unberechtigte Be-schlagnahme deutscher Handelsfahrzeugedurch englische Kriegsschiffe. Ballin führteweiter aus: „Die Reichsmarine muß sich derEntwicklung der Weltpolitik und unsererWirtschaftsinteressen anpassen, und die pa-triotische That, unsere Flotte auf eine festegesetzliche Grundlage gestellt zu haben, er-hält erst dann ihre wahre Bedeutung, wennRegierungen und Parlament auf diesemFundament auch gemäß den Anforderun-gen der Zeit weiterbauen. Dies soll nun jetztmit dem neuen Flottengesetz geschehen, dasunsere heimische Schlachtflotte verdoppelnund auch die Auslandschiffe vermehrenwill. Wir in Hamburg, diesem wichtigenThor des Weltverkehrs, durch das mehr alsdie Hälfte des gesammten deutschen See-handels passirt, stimmen dieser Forderungmit Freuden zu. Wir wissen wohl, dass mangroße Geschäfte nicht ohne Unkosten undSpesen treiben kann, und so erheischt dieFlottenverstärkung auch erhebliche Mit-tel.“184 Kurz zuvor hatte Ballin im „Ham-burgischen Correspondenten“ erklärt, „daß

bei unseren heutigen weitverzweigten wirt-schaftlichen Interessen die Stellung Deutsch-lands als Großmacht von der Schaffung ei-ner leistungsfähigen Kriegsflotte abhängigsei. (…) Daß eine Verstärkung unsererKriegsflotte außerdem auch unmittelbarfördernd auf die Entwicklung unseres über-seeischen Handels wirkt, ist ebenso zweifel-los.“185

···································································Nie wieder hat Ballin in der Öffentlichkeitso ausdrücklich Stellung für die Schlacht-flotte genommen wie zu dieser Zeit.···································································Acht Jahre später wandte er sich von die-ser Position ab. Die Bülow-Tirpitzsche„Weltpolitik“ hatte an Strahlkraft verlorenund der Fokus der deutschen Außenpolitikrichtete sich jetzt wieder mehr auf deneuropäischen Kontinent. Ballin war zu derÜberzeugung gelangt, dass das Kaiserreichinzwischen genug Schiffe besitze, um seineInteressen in Übersee schützen zu kön-nen, zumal die Ausdehnung der Fahrtge-biete der Hapag mit der Bildung des Ge-meinschaftsdienstes nach Afrika 1907 abge-schlossen war. In sein Blickfeld rückte jetztzunehmend die gefährliche Folge eines fort-gesetzten Flottenbaus: Die weitere Ver-schlechterung des deutsch-englischen Ver-hältnisses.···································································Albert Ballin und die „große Politik“ ···································································Von daher verwundert nicht, dass Ballins„first major political action“ ihn im Juni1908 nach London führte.186 Ballin trat dieReise an, um sich mit Sir Ernest Cassel zutreffen, einem der einflussreichsten Bankiersin London. Cassel, ein Jude, der 1881 zumKatholizismus konvertiert war, stammte ur-

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sprünglich aus Köln. Als junger Mann wan-derte er nach England aus und verdientedort durch geschickte Finanzgeschäfte vielGeld. 1902 wurde er zum privaten Finanz-berater des englischen Königs Eduard VII.ernannt, mit dem er auch freundschaftlichverbunden war. Cassel beabsichtigte, sichmit Ballin, der ihn durch Max Warburg ken-nen gelernt hatte, über die deutsch-engli-schen Beziehungen auszutauschen.187 DasGespräch endete damit, dass Cassel denVorschlag machte, Deutschland und Eng-land sollten versuchen, ihre Differenzen aufdem Verhandlungswege auszuräumen.188

···································································Die bereits erwähnte Daily-Telegraph-Af-färe im Oktober 1908 verschlechterte diedeutsch-englischen Beziehungen weiter.

Durch Initiative Ballins, der sich am 10. Juli1909 zum zweiten Mal mit Cassel traf, ka-men erneut Verhandlungen in Gang.189

Auch Theobald von Bethmann Hollweg,vier Tage später zum Reichskanzler ernannt,war an guten Beziehungen zu England gele-gen. Er hielt eine Flottenvereinbarung zwi-schen beiden Ländern für wünschenswert,war jedoch entschlossen, die Gespräche überreguläre diplomatische Kanäle zu führen, daer der semioffiziellen Verbindung über Casselund Ballin misstraute, was diesen wiederumempfindlich traf.190 Seit August 1909 ließendas Deutsche Reich und Großbritannienihre Botschafter informell über die Flotten-frage reden, ohne dass bis 1910 allerdings ir-gendwelche Ergebnisse herauskamen.···································································

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Sir Ernest Cassel, Albert Ballin, Felix Cassel und Max Warburg (1913)

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Anfang 1912 leistete Ballin dann ein weite-res Mal Vermittlerdienste. Er nahm erneutmit Cassel Kontakt auf und begann, mitihm zu korrespondieren. Dies führte dazu,dass Cassel am 29. Januar 1912 nach Berlinreiste und zusammen mit Ballin ein Ge-spräch mit dem Kaiser und dem Reichs-kanzler führte.191 Am 2. Februar schickte derinzwischen nach England zurückgekehrteCassel ein von ihm sowie von WinstonChurchill (dem Ersten Lord der Admirali-tät), Lord Richard Burdon Haldane (dembritischen Kriegsminister) und Sir EdwardGrey (dem britischen Außenminister) ent-worfenes Telegramm an Ballin, der es an denReichskanzler weiterleitete. Dort hieß es:„Mitteile privatim, dass Absicht ist, eventu-ell ministre de la guerre Berlin zu senden,(…).“192

···································································Knapp zwei Wochen später fanden in derReichshauptstadt die geheimen Gesprächezwischen Haldane und Bethmann Hollweg(am 8. und 10. Februar) und zwischen Hal-dane, Wilhelm II. und Tirpitz (am 9. Fe-bruar) statt.193 Letzterer war hier nicht be-reit, auf die gerade angekündigte deutscheFlottennovelle zu verzichten, die – über die ursprünglichen Planungen hinausge-hend – vor allem den Bau von drei weiterenSchlachtschiffen in den nächsten sechs Jah-ren vorsah. Tirpitz ließ sich lediglich daraufein, eine Verlängerung der Bauzeiten in Aus-sicht zu stellen, eine Konzession, die Hal-dane zu befriedigen schien.194 Dieser wie-derum bot ein politisches Abkommen an,allerdings nicht das von den „Falken“ imReichsmarineamt, bei Hofe, im Parlamentund in der Öffentlichkeit geforderte Neu-tralitätsabkommen. Ein solches hätte Eng-land zu bedingungsloser Neutralität ver-pflichtet und somit Deutschlands kriegeri-

sches Risiko gegenüber Frankreich undRussland kalkulierbar gemacht.195

···································································Nach England zurückgekehrt, stieß Hal-dane schon bald auf Kritik, da ihm die bri-tischen Marineexperten vorhielten, denwichtigen Punkt der Mannschaftsverstär-kung übersehen zu haben, die die Deut-schen ebenfalls planten. Obwohl Ballin inden folgenden Wochen noch häufiger mitdem Kaiser sprach und Mitte März an er-neuten Verhandlungen mit England betei-ligt war,196 kam kein Ausgleich mehr zu-stande, und im Mai 1912 nahm der Reichs-tag mit den Stimmen der Konservativen, derLiberalen und des Zentrums die Flottenno-velle an. ···································································Ballin führte das Scheitern der Haldane-Mission, welches für ihn einen schwerenSchlag bedeutete, darauf zurück, dass Kai-ser und Kanzler es unternommen hätten,selber die Sache von Anfang bis zu Endedurchzuführen.197 Tirpitz wurde nur mittel-bar in die Verantwortung genommen undkonnte so den Versuch einer Verständigungmit England wesentlich leichter bekämp-fen.198 Allerdings hat Ballin selbst auch kei-nerlei Bemühungen unternommen, Tirpitzzum Fallenlassen der Flottennovelle zu be-wegen.199

···································································Ballin unterließ es in den folgenden Jah-ren, sich eindeutig von Tirpitz zu distanzie-ren.200 Den überzeugendsten Grund hierfürnennt der Ballin-Biograph Cecil: „Was Tir-pitz aber besaß und was Ballin an demMann bewunderte, das waren Eigenschaf-ten, die in dem übrigen Berlin vollkommenfehlten: Entschlusskraft und Können.“201

Als Tirpitz im März 1916 nach Meinungsver-schiedenheiten mit Wilhelm II. und Beth-

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mann Hollweg wegen des uneingeschränk-ten U-Boot-Krieges zurücktrat, schrieb Bal-lin: „Daß man Tirpitz jetzt gehen ließ, istder Gipfel der Dummheit!“202

···································································Ballin und Cassel bemühten sich auchnach dem Scheitern der Haldane-Mission

weiter um eine Verständigung zwischenGroßbritannien und dem Deutschen Reich.Jedoch vergeblich. Die ohnehin engenSpielräume hierfür hatten sich noch einmalerheblich beschränkt. Im August 1914 gin-gen dann in ganz Europa die Lichter aus.203

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··············································································································································135 Wiborg, Ballin, S. 77.136 Cecil, Ballin, S. 103.137 Buchwald, Dorf, S. 205.138 Straub, Ballin, S. 141.139 Mosse, Wilhelm II., S. 173: „Ballin (…) lacked conspicuous cultural interests or attainments.“140 Wolff, Marsch, S. 245.

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141 Hamburger Neueste Nachrichten Nr. 144 (23. Juni 1910).142 Hamburger Fremdenblatt Nr. 114 (23. Juni 1910).143 Privatarchiv Heinz Hueber.144 So äußerte Otto Böckler, Abgeordneter der antisemitischen Deutschen Reformpartei, 1904 im Reichstag: „Esist dahin gekommen, dass unsere höchsten Stellen verballinisiert sind, dass bis an die höchsten Stufen des Thronsdie Fremdlinge aus Palästina und Amerika Zutritt haben.“ (Zitiert nach: Mosse, Wilhelm II., S. 189).145 Art. Ballin, Albert, S. 374 f. – Das Werk wurde übrigens nie in Buchhandlungen zum Verkauf angeboten,sondern konnte nur direkt beim U. Bodung Verlag in Erfurt bestellt werden. Jeder, der ein Exemplar kaufte, mussteeine Erklärung mit folgendem Wortlaut unterschreiben: „Ich bin nicht jüdischer Abstammung, habe weder jüdi-sches Blut noch jüdische Verwandte. Ich verpflichte mich dazu, dieses Werk nicht zu verkaufen oder verschenken.Ich gebe mein Ehrenwort, dass ich nicht als Strohmann für jemanden agiere.“146 Mosse, Wilhelm II., S. 170; Matthes, Hapag, S. 13. – Der Ausdruck „Kaiserjude“ stammt vom ersten israe-lischen Staatspräsidenten Chaim Weizmann (vgl. Pulzer, Beteiligung, S. 217).147 Cecil, Ballin, S. 103.148 Zur Zusammensetzung vgl. die Einleitung in Vierhaus, Tagebuch, S. 15.149 Cecil, Ballin, S. 100.150 Zu diesem vgl. Schultz, Simon.151 Röhl, Kaiser, S. 205; Cecil, Wilhelm II., S. 334 ff., 341 ff.; Zitat bei: Mosse, Wilhelm II., S. 180; vgl. Schmidt-Ott, Erlebtes, S. 195; Pfeiffer-Belli, Tagebücher, S. 386.152 Eine der wenigen Ausnahmen war Max Warburg, der bei seinem ersten Gespräch mit Wilhelm II. im Jahr1903 diesem offen widersprach. Warburg kommt denn auch in seinen Aufzeichnungen zu dem zutreffenden Ur-teil über den Kaiser, dass dieser vor eine Aufgabe gestellt gewesen sei, der er nicht gewachsen war (Warburg, Auf-zeichnungen, S. 32).153 Ropp, Gestern, S. 94; vgl. den Tagebucheintrag Hildegard Freifrau von Spitzemberg, 29. September 1912:„Ballin liebt den Kaiser, trotzdem er seine Fehler nur zu gut kennt, beklagt und sehr offen eingesteht.“ (Vierhaus,Tagebuch, S. 548).154 Wolff, Marsch, S. 256.155 Bülow, Denkwürdigkeiten 3, S. 283 f., 285.156 Ahrens; Hauschild-Thiessen, Reeder, S. 53; vgl. Hutten-Czapski, Jahre, S. 134.157 Beide scheinen auch verwandt miteinander gewesen zu sein, denn in den Stamm- und Nachfahrentafelnder Hamburger Familie Warburg wird ein Zusammenhang der Familie Warburg mit den Ballins aufgezeichnet(vgl. Ballin, Familie, S. 65).158 Zitiert nach: Schölzel, Ballin, S. 11 f.159 1908 erklärte der Monarch, Harden sei ein „Giftmolch aus dem Pfuhl der Hölle, [ein] Schandfleck an un-serem Volk“ (zitiert nach: Cecil, Wilhelm II., S. 336).160 Ders., Ballin, S. 122. 161 Pulzer, Beteiligung, S. 225.162 Trepsdorf, Ego, S. 123 f.163 Tirpitz, Weltanschauung.164 Trepsdorf, Ego, S. 109.165 Straub, Ballin, S. 183.166 Pierenkemper, Gewerbe, S. 82.167 Der Begriff kam in den 1880er Jahren auf. 1900 verwendete ihn Reichskanzler Bülow, als er im Reichstagüber die wirtschaftlichen Interessen des Deutschen Reichs im Ausland und die Möglichkeiten zu ihrem Schutzsprach (vgl. Bülow, Denkwürdigkeiten 1, S. 415 f.).168 Wolff, Marsch, S. 272.169 Cecil, Ballin, S. 109.170 Zitiert nach: Goetz, Ballin, S. 57.171 Auch in den Debatten über die Reform der Reichsverfassung zur Zeit der Weimarer Republik und über die

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Länderverfassungen nach 1945 traten vor allem Konservative und Rechtsliberale für eine berufsständische, aus Ver-tretern der verschiedenen Zweige des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zusammengesetzte zweite Kammerein, um so den Einfluss der Parteien zu beschneiden.172 Straub, Ballin, S. 111.173 Mosse, Gesellschaft, S. 92.174 Cecil, Ballin, S. 293.175 Wiborg, Ballin, S. 52.176 So auch Cecil, Ballin, S. 295.177 Jahresbericht der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft in Hamburg für die am 28.März 1888 stattfindende ordentliche General-Versammlung der Actionaire: 41stes Geschäftsjahr 1887 (Archiv derHapag-Lloyd AG).178 Hamburg-Amerika Linie (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) in Hamburg. Jahres-bericht für die am 30. März 1910 stattfindende ordentliche Generalversammlung der Aktionäre. 63stes Geschäfts-jahr 1909, S. 9 (ebd.).179 Straub, Ballin, S. 154.180 Zeitschrift der Hamburg-Amerika Linie (1907), S. 52 und Zeitschrift der Hamburg-Amerika Linie (1912),S. 52 (Archiv der Hapag-Lloyd AG).181 Cecil, Ballin, S. 139.182 1907 wurde auf Wunsch von Tirpitz die aktive Schlachtflotte in „Hochseeflotte“ umbenannt.183 Berghahn, Tirpitz, S. 141.184 Hamburger Neueste Nachrichten Nr. 49 (28. Februar 1900).185 Hamburgischer Correspondent Nr. 9 (6. Januar 1900).186 Rosenbaum, Ballin, S. 279.187 Aufzeichnung des Vortragenden Rates im Auswärtigen Amt Otto Hammann, abgedruckt in: Lepsius; Men-delssohn Bartholdy; Thimme, Politik 24, S. 52; Warburg, Aufzeichnungen, S. 25.188 Cecil, Ballin, S. 152.189 Zum Gespräch vgl. die Aufzeichnung Ballins vom 15. Juli über sein Gespräch mit Sir Ernest Cassel, abge-druckt in: Lepsius; Mendelssohn Bartholdy; Thimme, Politik 28, S. 205-209. 190 Ebd., S. 211.191 Dies., Politik 31, S. 97.192 Abgedruckt in: ebd., S. 102; die Übersetzung bei Huldermann, Ballin, S. 248 f.193 Während der Überfahrt über den Kanal wurde Haldane jedoch von einem Journalisten erkannt, so dassschon bald Gerüchte aufkamen (Williamson, Politics, S. 254).194 Vgl. seine Niederschrift über die Unterredung mit Haldane vom 9. Februar 1912, abgedruckt in: Tirpitz,Dokumente, S. 286-289.195 Hildebrand, Reich, S. 273 ff.196 Tagebucheintrag Hildegard Freifrau von Spitzemberg, 20. März 1912 (Vierhaus, Tagebuch, S. 542); Epken-hans, Leben, S. 212.197 Huldermann, Ballin, S. 269.198 Fischer, Griff, S. 29, sieht den Verlauf der Mission denn auch weniger als einen missglückten Versuch deutsch-englischer Annäherung, „sondern als Vehikel der deutschen Zielsetzung auf dem Kontinent“. 199 Epkenhans, Leben, S. 180.200 Straub, Ballin, S. 75, 210.201 Cecil, Ballin, S. 248.202 Albert Ballin an Ernst Francke, 21. März 1916: Stubmann, Feld, S. 219.203 So der Ausspruch Greys am 4. August 1914, dem Tag der englischen Kriegserklärung an das Deutsche Reich,als er von seinem Büro aus auf den Londoner St. James Park blickte, in dem gerade die Gaslaternen angezündetwurden.··············································································································································

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Albert Ballin und die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“

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Wirtschaftliche Expansion undmilitärische Konfrontation···································································Die griffige Formulierung „Urkatastrophedes 20. Jahrhunderts“ stammt vom amerika-nischen Diplomaten und Historiker GeorgeF. Kennan.204 Dieser umschreibt damit denErsten Weltkrieg als eine Epochenwendeund lenkt zugleich das Augenmerk auf denspektakulären Moment des Kriegsausbru-ches im Juli 1914. ···································································Blickt man auf die langfristigen Ursachendes Krieges, so stellt sich – gerade im Rah-men einer Ballin-Biographie – schnell dieFrage nach dem Zusammenhang zwischenwirtschaftlicher Expansion und militäri-scher Konfrontation. Im April 1915 schriebBallin an einen befreundeten Marineoffi-zier: „Ich gelte ja seltsamerweise in hohenKreisen und sogar bei S. M. selbst für anglo-phil und doch bin ich der einzige Deutsche,der mit Recht behaupten kann, daß er seit30 Jahren mit England in einem Kriege lebtum die Vorherrschaft auf dem Gebiete derHandelsschiffahrt. In dieser langen Zeithabe ich den Engländern, wenn ich michdieses kühnen Vergleichs bedienen darf, ei-nen Schützengraben nach dem anderen ab-genommen und habe sie immer wieder at-tackiert, sobald ich die Mittel dazu aufbrin-gen konnte.“205

···································································Deutlich wird hier, dass es vor demdeutsch-britischen Wettrüsten zur See, wel-ches um die Jahrhundertwende einsetzte,bereits einen Wettbewerb der beiden Länderin der zivilen Schifffahrt gab. Noch 1914übertraf allerdings Großbritanniens Han-delsflotte mit über 20,5 Millionen BRT diedeutsche um das vierfache und war fast sogroß wie die gesamte Handelsflotte der üb-rigen Welt.206

···································································Ballin befürwortete, wie die meisten sei-ner Zeitgenossen, darunter auch Teile derSozialdemokratie, die Ausdehnung der di-plomatischen und wirtschaftlichen Machtdes deutschen Kaiserreiches. Auch wenn esdie martialische Sprache der oben genann-ten Briefstelle – die sich aus dem geradewährend des Weltkrieges immer wieder er-hobenen Vorwurf, Ballin sei ein Freund derEngländer, erklärt – verhehlen mag, so ge-hörte er, erst recht nach 1908, zu denjenigen,die ein friedliches Eindringen in Interessen-sphären bevorzugten. Er unterschied sichdamit von den oben erwähnten „Falken“,die die deutsche Expansion als territorialverstanden und die Kriegsoption ganz be-wusst einkalkulierten.207

···································································Schon früh ist Ballin unterstellt worden,dass sein „z. T. ganz unsinniger Ehrgeiz, die

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„Der Schrecken der englischen Schiffahrtsgesellschaften“ (Karikatur aus dem Jahr 1906)

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Engländer zu übertrumpfen, mit eine starkeVeranlassung zum Kriege gegeben hat“, dass„seine Tätigkeit und seine Gewinne denEngländern allein schon Grund genug zufeindlichen Gedanken gegen Deutschlandwaren“.208 Auch die neueren Biographen ar-gumentieren, allerdings abgeschwächter, indiese Richtung, indem sie z. B. darauf hin-weisen, dass „das rapide Wachstum der Ha-pag seinen Teil zu den deutsch-britischenSpannungen beitrug“.209

···································································Wirklich entscheidend war jedoch etwasanderes. Wenngleich Ballin mitunter äu-ßerte, dass „unter der Regierung Kaiser Wil-helms II. (…) England im Überseeverkehrimmense Verluste erlitten (hat)“,210 so sah erdennoch im Flottenbau die wesentliche Ur-sache für die deutsch-englische Rivalität,weshalb er sich auch auf diesem Gebiet füreinen Ausgleich einsetzte. Diese Positionteilte er mit dem deutschen Botschafter inLondon Paul Graf Wolff Metternich, der1908 an Reichskanzler Bülow schrieb: „Ichkann es leider nicht ändern, wenn ich denHerrn Admiral [von Tirpitz, JG] dadurchverstimme, daß ich das Verhältnis Englandszu Deutschland in meiner Berichterstattungauf die wahre Ursache zurückführe undseine Ausflüchte nicht gelten lasse. (…) Esist nicht die wirtschaftliche EntwicklungDeutschlands, welches unser Verhältnis zuEngland von Jahr zu Jahr verschlechtert,sondern es ist die rasche Zunahme unsererFlotte.“211

···································································Ballin führte die deutsch-englischen Span-nungen auf das Versagen derjenigen Fürs-ten, Militärs, Diplomaten und Politiker zu-rück, denen es an ökonomischer Sachlich-keit abging.212 In der Tat spielten bei vielenvon ihnen – anders als bei Ballin – auf öko-

nomischem Fundament basierende Maß-stäbe für ihr politisches Handeln nur eineuntergeordnete Rolle. Entscheidend warenfür sie vielmehr Kategorien der Psychologieund des Prestiges, die neuartige Kraft derWirtschaft schätzten sie dagegen (noch) re-lativ gering.213

···································································Albert Ballin im Juli 1914···································································Am 15. Juli 1914 schrieb der Staatssekretär imAuswärtigen Amt, Gottlieb von Jagow, anBallin: „Sehr verehrter Herr Ballin! Ent-schuldigen Sie, wenn ich mit diesen ZeilenIhre Badekur störe, aber es handelt sich umeine Frage, welche auch Ihr stetes Sorgen-kind ist, unsere Beziehungen zu England.Sie werden die Veröffentlichungen des Ber-liner Tageblatts über gewisse maritime Ab-machungen zwischen England und Russ-land gelesen haben [der britische Außenmi-nister Sir Edward Grey war im Mai 1914 inVerhandlungen mit dem Zarenreich übereine Flottenkonvention eingetreten, JG](…). Die Bedeutung, die die Angelegenheitfür uns haben würde, brauche ich nicht nä-her dazulegen. An eine weitere Annäherungan England wäre für uns dann kaum mehrzu denken. Es erscheint mir daher sehrwichtig, noch einmal den Versuch zu ma-chen, die Sache zum Scheitern zu brin-gen.“214

···································································Obgleich sich die Reichskanzlei und dasAuswärtige Amt in der Vergangenheit häu-figer gegen die inoffiziellen diplomatischenVerhandlungen Ballins verwahrt hatten,nahmen sie jetzt ausdrücklich dessen Diens-te in Anspruch. Ballin machte sich auf denWeg nach London, um dort Mitglieder desenglischen Kabinetts vor möglichen deut-schen Gegenmaßnahmen gegen ein bri-

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tisch-russisches Flottenabkommen zu war-nen. Die Reise stand jedoch unter keinemguten Stern. Es erscheint fraglich, ob BallinsMission zu diesem Zeitpunkt überhauptnoch ernst gemeint war, da er von Jagowohne hinreichende Informationen zur Be-handlung einer Frage von sekundäremBelang nach London geschickt wurde.215

Überdies war der Londoner Botschafter,Karl Max Fürst von Lichnowsky, über dieReise Ballins, der seinerseits zur Geheimhal-tung verpflichtet war, nicht informiert. Bal-lin hat denn auch später, so sein Sekretärund Biograph Bernhard Huldermann, dasbittere Gefühl gehabt, man sei ihm gegen-über nicht offen gewesen und habe mit ihmund seinen freundschaftlichen Beziehungenzu den leitenden Männern in London Miss-brauch getrieben.216

···································································Das zentrale Problem bei Ballins Gesprä-chen in London war die mögliche britischeNeutralität im Fall eines deutsch-französi-schen Krieges. Großbritannien war dasZünglein an der Waage, hatte sich jedochseit 1911 immer weiter an Frankreich an-genähert: Auf der einen Seite stand der un-ter Bismarck ursprünglich defensiv ange-legte Zweibund zwischen Deutschland undÖsterreich, der im Laufe der Jahre die deut-sche Diplomatie in immer stärkere Abhän-gigkeit vom Habsburgerreich gebrachthatte. Dieses befand sich auf dem Balkan inscharfem Gegensatz zu Russland. Durch dieErmordung des österreichisch-ungarischenThronfolgers am 28. Juni in Sarajevo spitztesich die Situation erheblich zu, denn Öster-reich wollte das Attentat zum Anlass neh-men, den lang erwarteten militärischenSchlag gegen Serbien zu unternehmen. Aufder anderen Seite war die russisch-französi-sche Allianz in den Jahren zuvor derart aus-

gebaut worden, dass die Armeen beider Län-der im Kriegsfall zum sofortigen Übergangzur Offensive verpflichtet waren. ···································································Am 23. Juli traf sich Ballin mit dem engli-schen Außenminister Sir Edward Grey undLord John Morley, dem Präsidenten desStaatsrates, zum Abendessen beim Kriegs-minister Lord Richard Burdon Haldane.Später berichtete er Max Warburg, Greyund Haldane hätten ihm versichert, Eng-land habe im Kriegsfalle keinerlei Verpflich-tungen irgendwelcher Art Frankreich gegen-über.217 Zwei Tage später hatte Ballin eineUnterredung mit Winston Churchill, demErsten Lord der Admiralität. Dieser gibt inseinen Erinnerungen den Inhalt des Ge-sprächs folgendermaßen wieder: „Er [Ballin,JG] fuhr dann fort: ‚Wenn Russland gegenÖsterreich marschiert, so müssten wir esauch tun, und marschierten wir, so tut esFrankreich. Wie wird sich dann Englandverhalten?’ Ich [Churchill, JG] konnte nichtmehr sagen, als dass es ein großer Fehlerwäre anzunehmen, dass England notwendi-gerweise nichts unternehmen würde, undfügte hinzu, dass es seine Entschlüsse je nachden Umständen fassen müsste. Er erwiderteernst: ‚Stellen Sie sich vor, wir müssten ge-gen Russland und Frankreich Krieg führen,nehmen wir weiter an, wir besiegten Frank-reich und würden trotzdem nichts von sei-nem europäischen Besitz (…) annektieren,sondern uns nur auf kolonialem Gebietschadlos halten, würde das einen Einflußauf Englands Haltung haben?’ Ich blieb da-bei, dass England je nach den Umständenhandeln müsse und dass man keinesfalls an-nehmen dürfe, dass wir uns unter allen Um-ständen zurückhalten würden.“218

···································································Am 27. Juli kehrte Ballin nach Deutschland

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terland. (…) Mochte er sich auch noch sodeutlich sagen, daß kein Deutscher damalsin der Lage gewesen wäre, die Dispositionender englischen Politik zu durchschauen, sohielt er sich doch immer wieder vor Augen,daß sein Bericht dazu beigetragen habenkönnte, die deutschen Staatsmänner nocheinen Schritt näher an den Abgrund tretenzu lassen, als sie es ohnehin getan hatten. Andieser inneren Tragödie ist Albert Ballin zu-grunde gegangen. Ich habe ihn während desKrieges noch oft genug gesehen. Er war voll-ständig verändert, ein seelisch gebrochenerMann.“221

···································································Die Hapag im Ersten Weltkrieg···································································Kennans Urteil von der „Urkatastrophe“trifft nicht nur allgemein für den Momentdes Kriegsausbruchs zu. Genauso lässt essich auf die Person Albert Ballin beziehen,dessen Lebenswerk, die Hapag, durch denErsten Weltkrieg zerstört wurde.···································································Mit der Kriegserklärung Großbritanniensan das Deutsche Reich am 4. August ändertesich für die Hapag die Situation dramatisch.Anfang November 1914 erklärte die britischeAdmiralität die gesamte Nordsee zur Kriegs-zone und sperrte den Kanal und die Nord-see zwischen Norwegen und Schottland fürdie deutsche Schifffahrt. Tirpitz war immervon einer Nahblockade der deutschen Hä-fen ausgegangen, gegen die er einen Durch-stoß der deutschen Flotte plante; dass Eng-land seine Flotte außerhalb der Reichweiteder deutschen Schiffe ebenso zur Fernblo-ckade einsetzen konnte (wie jetzt geschehen),diese Möglichkeit hatte er ignoriert. So bliebdie deutsche Schlachtflotte im Wesentlichenzur Untätigkeit in der Nordsee verurteilt.···································································

zurück und war überzeugt, England werdesich in einem kontinentalen Krieg neutralverhalten, wenn das Deutsche Reich keinfranzösisches Gebiet annektiere. In einemInterview, das zwei Tage später im „Ham-burgischen Correspondenten“ erschien, er-klärte er sogar: „England hat keine Veranlas-sung, und die höchsten Stellen in England,das steht positiv fest, sehen keinen Grund,gegenwärtig Maßnahmen zu treffen, die aufden Fall gerichtet sind, daß England aktiv aneinem kriegerischen Konflikt teilzunehmenhat.“219 Damit verkannte er die Lage, diesich am Abend desselben Tages weiter zu-spitzte, als der britische Botschafter in Ber-lin, Sir William Edward Goschen, Reichs-kanzler Bethmann Hollweg mitteilte, dassdas Deutsche Reich mit der NeutralitätGroßbritanniens nicht rechnen könne, da esaller Wahrscheinlichkeit nach Russland undFrankreich unterstützen werde. Einen Tagspäter erklärte Österreich Serbien den Krieg.···································································Dass Ballin nach seinen Gesprächen inEngland die Situation falsch einschätzte,lag, so sein Biograph Lamar Cecil, an der„Unbestimmtheit der Ausdrucksweise, dersich beide Seiten befleißigten, um es zu ver-meiden, die Tatsachen mit klarer Präzisionauszusprechen“.220 Später machte sich Bal-lin den Vorwurf, er habe sich in Englandtäuschen lassen und durch seinen Glaubenan die britische Neutralität – der aufWunschdenken aufgebaut war – die Verant-wortlichen in Berlin in ihrem Leichtsinnbestärkt. Von dieser Enttäuschung hat ersich nie wieder richtig erholt. Das bemerk-ten viele, die in diesen Jahren mit ihm ver-kehrten, so z. B. sein guter Freund CarlFürstenberg: „Erschütternd war für einenglühenden Patrioten wie Ballin das Gefühlder Verantwortlichkeit gegenüber dem Va-

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Ballin sah sich nach Ausbruch des Kriegesvor allem mit zwei Problemen konfrontiert:zum einen die Unterbringung der Hapag-Beschäftigten, zum anderen die Sorge umdie Schiffe der Reederei.···································································Von den rund 25.000 Angestellten und Ar-beitern der Hapag wurde ungefähr dieHälfte zu Beginn des Krieges eingezogen.Ungefähr 4.000 Hapag-Mitarbeiter, die imAusland stationiert waren oder in Entente-Häfen mit ihren Schiffen in die Hand desKriegsgegners fielen, wurden interniert. Dieübrigen arbeiteten, allerdings zu herabge-setzten Bezügen, weiter und erledigten Bü-roarbeiten oder hielten die Hapag-Schiffeim Hamburger Hafen instand. MehrereHundert Bürokräfte der Reederei kamen zu-dem in der Reichseinkaufs-Gesellschaft un-ter. Diese war am 26. August auf InitiativeBallins ins Leben gerufen worden und küm-merte sich um die Einfuhr von Lebensmit-teln für die Zivilbevölkerung. Ballin suchteauf diese Weise, die bestehende Geschäfts-organisation der Hapag anderweitig zu nut-zen. Zunächst als eine Abteilung der Reede-rei gegründet, entwickelte sich die Reichs-einkaufs-Gesellschaft bis Januar 1915 zueiner staatlichen Handelsgesellschaft, nun-mehr Zentral-Einkaufs-Gesellschaft ge-nannt, die nach Berlin verlegt wurde. Sie be-schäftigte über 8.000 Menschen und dieHapag fungierte weiterhin als einer ihrerHaupteinkaufsagenten.222

···································································Nur 80 der 175 Hapag-Dampfer befandensich bei Kriegsbeginn in deutschen Häfen;einige von diesen übernahm die Marine alsHilfskreuzer oder Versorgungsschiffe. Ballinversuchte zunächst, die im neutralen Aus-land liegenden Schiffe der Reederei zu ver-chartern, später dann, sie zu verkaufen (die-

jenigen, die in den Häfen der Entente-Län-der lagen, waren sofort beschlagnahmt wor-den). Seine Bemühungen scheiterten aller-dings zumeist am Widerstand des Admiral-stabes, der seine ablehnende Haltung damitbegründete, dass ein Verkauf der Schiffe zueiner Vergrößerung der Handelsflotte derEntente führe. Nach und nach mussten des-halb die meisten dieser Schiffe abgeschrie-ben werden. Nur neun von ihnen wurdenim Laufe des Krieges verkauft.223

···································································Im Frühjahr 1917 schrieb Ballin einen Be-schwerdebrief an den Staatssekretär desReichsamts des Innern, Karl Helfferich.Dieser hatte seine Einwilligung zum Ver-kauf einiger im New Yorker Hafen liegenderHapag-Schiffe erst gegeben, nachdem derenMaschinen unbrauchbar gemacht wordenwaren. In seinem Brief beklagte Ballin, dassdie Hapag, die „bei Ausbruch des Kriegesüber Schiffe von etwa 1.500.000 tons ver-fügte (…), diese bis auf einen geringen Teilverloren“ habe, und dass dies „viel wenigerdurch Kaperungen und Versenkungen imDienste der kaiserlichen Marine, als durchHandlungen unserer eigenen Regierung“geschehen sei.224 Der Verkauf kam nichtmehr zustande und mit Kriegseintritt derVereinigten Staaten im April 1917 wurdenalle 35 Hapag-Schiffe, die in den US-Häfenvor Anker lagen, beschlagnahmt, darunterauch das Flaggschiff der Reederei, die „Va-terland“. ···································································Vor diesem Hintergrund sind denn auchBallins Bemühungen um ein Kriegsentschä-digungsgesetz zugunsten der Schifffahrt zusehen, für das er sich seit August 1915 ein-setzte. Zwar bekam die Hapag schon zuvorvon der Regierung monatlich zwei Millio-nen Mark als Darlehen. Dies reichte jedoch

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nur aus, um die laufenden Kosten zu de-cken, verlorene Schiffe konnten damit nichtersetzt werden. Regierung und die Marinewaren gegen Ballins Vorhaben eingestellt, erfand jedoch im Reichstag Unterstützung.Dort setzte sich vor allem sein Freund Gus-tav Stresemann für die Interessen der Hapagein. ···································································Hatte Ballin in der Vorkriegszeit einer po-litischen Einflussnahme über den Reichstagnoch skeptisch gegenübergestanden, so ginger jetzt genau diesen Weg. Zudem, hiervonzeugen seine Bemühungen um das Entschä-digungsgesetz, lehnte er staatliche Förde-rungspolitik nicht mehr grundsätzlich ab,wie er es noch in den Jahren zuvor getanhatte. Dies ist sicherlich auch vor dem Hin-tergrund der allgemeinen Tendenz zur Ver-staatlichung des wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Lebens zu sehen, die sich –nicht nur im Deutschen Reich – unter dem

Eindruck der Kriegsanforderungen in rapi-dem Tempo vollzog.···································································Nach sehr langen Verhandlungen trat am7. November 1917 das „Gesetz über die Wie-derherstellung der deutschen Handels-flotte“ in Kraft. Dieses sah billige, teils auchzinslose Kredite in Höhe von 50 MillionenMark vor. Es wurde also keine Gesamtent-schädigung gewährt, wie sie die Reedereieneigentlich gewünscht hatten, sondern Bei-hilfen, die zur Wiederbeschaffung von Han-delsschiffen dienen sollten.225

···································································Ballins Forderung nach staatlicher Hilfehatte noch weitere Ursachen. Er brauchtesie, um gegen einen Konkurrenten bestehenzu können, der im Laufe der Kriegsjahre im-mer mehr Macht gewann: die rheinischeSchwerindustrie, und hier namentlich Hu-go Stinnes. Seit den 1890er Jahren hatte ereinen weit ausgreifenden Industriekonzernaus eigenen, kontrollierten und beeinfluss-ten Firmen aufgebaut, die nach dem Prin-zip der Vertikalkonzentration arbeitsteiligaufeinander bezogen waren. Auch währenddes Krieges hielt diese Konzentrationsbewe-gung an.226 Als Stinnes 1924 starb, bestandsein Trust aus 1.664 Unternehmen mit rund600.000 Beschäftigten.···································································Spätestens seit 1915 hatte sich Stinnes vor-genommen, auch in der deutschen Schiff-fahrt eine führende Rolle zu spielen – unddamit auch entscheidenden Einfluss auf dieHapag auszuüben. So geriet er in die Gefildevon Ballin. Dieser entschied sich schwerenHerzens für eine Kooperation mit Stinnes,dessen Unternehmen während des Kriegeshohe Gewinne machten, während die Schif-fe der Hapag mehr oder weniger beschäfti-gungslos vor Anker lagen. Ballin zog es des-

Hugo Stinnes

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halb vor, Stinnes als Verbündeten zu habenund nicht als Gegner.···································································Daneben gab es noch weitere Gründe, dieBallin zur Zusammenarbeit bewogen: Erhatte früh erkannt, dass nur durch eine stra-tegische Allianz mit Unternehmern aus derSchwerindustrie den erwarteten Schwierig-keiten nach dem Krieg bei der Beschaffungvon Schiffbaumaterial, Maschinen und Koh-le entgegengewirkt werden könne.227 Stin-nes schien ihm hierfür unverzichtbar. Derschnelle Zugriff auf zuverlässige Lieferquel-len war umso wichtiger, als Ballin für die un-mittelbare Nachkriegszeit davon ausging,dass „meiner festen Überzeugung nach nacheiner kurzen Blüte die Schiffahrt eine jahre-lange Sterilität erleiden muß“. Solange derKrieg noch andauerte, war es Ballin vor al-lem wichtig, neue Verdienstquellen für dieHapag zu erschließen, „damit ihre Erwerbs-kraft nicht mehr an eine einzige Unterneh-mung gebunden ist“.228 Das war ein wesent-licher Grund, warum er sich zusammen mitStinnes 1917/18 im rumänischen Ölgeschäftengagierte. Mitte 1918 wurde außerdem aufInitiative Ballins und in Zusammenarbeitmit Walther Rathenau und Paul Reusch dieDeutsche Werft AG ins Leben gerufen, eineGemeinschaftsgründung der Hapag, derAEG und der Gutehoffnungshütte. DerenAbkürzung GHH wurde im Volksmundübrigens auch mit „gehört hauptsächlichHaniel“ aufgeschlüsselt.···································································Im September 1916 wurde Stinnes in denAufsichtsrat der Hapag gewählt. Ursprüng-lich hatte Ballin geplant, den Aufsichtsratder Reederei gleich um mehrere prominenteVertreter der Schwerindustrie zu erweitern.So schrieb er im März 1916 an Stinnes: „So-bald der Lloyd erfährt, dass Sie bei uns ein-

treten, wird er in der Person des Herrn Hu-genberg und einiger anderer Ihrer grossin-dustriellen Kollegen aus dem Rheinlandund Westfalen sich das Gegengewicht zuschaffen versuchen. Würde es Ihnen nichtim Interesse der Hamburg-Amerika Linierichtig erscheinen, dass wir einige IhrerFreunde noch in den Aufsichtsrat hinein-nehmen (…)?“ Stinnes sprach sich aller-dings dagegen aus.229

···································································Ballin fiel es nicht leicht, dem Aufsichts-ratsvorsitzenden Max Schinckel die Wahlvon Hugo Stinnes in dieses Gremium vor-zuschlagen, bedeutete dies doch, eine neueund überaus ernst zu nehmende Kraft inden bis dahin relativ geschlossenen Kreis derhamburgischen Geschäftswelt aufzuneh-men.230 So ließ er im Oktober 1915 Schinckelwissen: „Ich habe ihn [Stinnes, JG] daraufaufmerksam gemacht, dass ich in den 30Jahren, während welcher ich an der Leitungder H.A.L. teilnehmen darf, noch jedenneuen Konkurrenten aus Hamburg hinaus-geschmissen habe und während dieser gan-zen 30 Jahre noch nie einem neu auftau-chenden Bewerber so entgegengekommensei, wie ihm.“231

···································································Die Aufnahme von Stinnes in den Auf-sichtsrat der Hapag ist vor dem Hinter-grund einer Umschichtung der Besitzver-hältnisse zu sehen, die zu dieser Zeit in derHamburger Schifffahrt vonstatten ging.Eduard Woermann, der Halbbruder Adolphs,entschloss sich Anfang 1916, seinen Aktien-besitz an der Woermann-Linie und derDeutschen Ost-Afrika-Linie zu veräußern.232

Käufer der Aktien war ein aus der Hapag,dem Norddeutschen Lloyd und der FirmaHugo Stinnes gebildetes Konsortium. Ballinhatte rechtzeitig von den Verkaufsabsichten

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Woermanns gehört, so dass er den Alleiner-werb der beiden Linien durch Stinnes verei-teln konnte. Dieser versuchte nun, seineTeilniederlage durch den verstärkten An-kauf von Hapag-Aktien wettzumachen, indie er insgesamt 4,39 Millionen Mark inves-tierte.233 Gleichwohl konnte Ballin, dernoch im Februar 1916 besorgte Briefe anSchinckel geschrieben hatte („wir werdenaufgesogen“), verhindern, dass Stinnes inden Besitz einer Anteilsmehrheit kam.234

···································································Stinnes’ Engagement bei der Hapag en-dete bereits im April 1921, als ihn Max vonSchinckel und Ballins Nachfolger WilhelmCuno ausmanövrierten, indem sie dafürsorgten, dass er nicht wieder in den Auf-sichtsrat der Hapag gewählt wurde. Inzwi-schen hatten sich die Interessengegensätze,die sich in den Jahren zuvor bereits angedeu-tet hatten, weiter verschärft: Ballin hatte vonAnfang an befürchtet, dass Stinnes die bis-herige Struktur des Hamburger Reedereiwe-sens völlig verändern werde. An Stelle derverschiedenen Reedereien, die Betriebsge-meinschaften bildeten – wobei Ballin hierden Ton angab –, werde ein großer Konzerntreten. Dieser werde dann früher oder spä-ter auch die Selbstständigkeit der Hapag ge-fährden. Deshalb hatte er darauf abgezielt,Stinnes in die mannigfaltigen Reedereiinter-essen in Hamburg einzubinden und ihn sofür deren Aufrechterhaltung zu gewin-nen.235 Schinckel und Cuno stimmten mitBallin darin überein, die Verbindungen derHamburger Reeder zur Schwerindustrie,deren Notwendigkeit sie keineswegs abstrit-ten, in einem bescheideneren Rahmen zuentwickeln als Stinnes es beabsichtigte.236

Mit Stinnes’ Ausscheiden aus dem Auf-sichtsrat der Hapag und dem bald darauf er-folgten Verkauf seiner Woermann-Aktien

an die Hapag und den NorddeutschenLloyd endeten, auch wenn dies nicht soforterkennbar war, seine Bemühungen, in derdeutschen Linienschifffahrt eine maßgebli-che Rolle zu spielen.237

···································································Politische Einflussnahme im Berlin der Kriegsjahre···································································Ballins Beziehung zum Kaiser hatte sichseit Ausbruch des Krieges abgekühlt, so dasses Wilhelm II. am 15. August 1917 demons-trativ unterließ, ihm zum 60. Geburtstag zugratulieren.238 In den vier Jahren von 1914bis 1918 traf Ballin nur noch fünf Mal mitdem Kaiser zusammen.239

···································································Gegenüber Dritten kritisierte Ballin dieSelbstisolierung des Monarchen, die dazuführe, dass dieser immer mehr zum „Schat-tenkaiser“ werde. So schrieb er im Mai 1916an den Chef des Marinekabinetts, AdmiralGeorg Alexander von Müller: „Ich kann Ih-nen überhaupt nicht verhehlen, daß die Ab-geschlossenheit des Kaisers in der Nationschwer empfunden wird (…). Ich halte (…)im Interesse unseres Kaiserlichen Herren esfür sehr erwünscht, daß er mehr persönlicheFühlung nähme und dass die Regie eine er-hebliche Verbesserung erfahre, mit demZiele, dass dem deutschen Volke über dieWirksamkeit seines Kaisers mehr gesagtwird. Eine Meldung aus dem Hauptquar-tier, daß der Kaiser diese oder jene Persön-lichkeit in längerer Audienz empfangenhabe (…) etc. genügt vollkommen, um diepatriotischen Gefühle wieder in den richti-gen Kanal zu lenken und zu verhindern,dass sie einen unnatürlichen Weg nach demöstlichen Hauptquartier einschlagen.“240

···································································Ballin spielte hier darauf an, dass General-

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feldmarschall Paul von Hindenburg unddessen Stabschef Generalleutnant Erich Lu-dendorff, die das Oberkommando über alledeutschen Truppen der Ostfront innehat-ten, von vielen Deutschen immer mehr als„Retter aus der Not“ angesehen wurden.Nachdem Hindenburg mit Ludendorff alsErstem Generalquartiermeister im August1916 die Oberste Heeresleitung (OHL)übernommen hatte, entwickelte sich dasDeutsche Reich immer mehr zu einer Mili-tärdiktatur. Mit dem Rücktritt des Reichs-kanzlers Bethmann Hollweg im Juli 1917,der vor allem auf Druck von Ludendorff ge-schah, nahm das politische Gewicht derOHL noch einmal wesentlich zu.241

···································································Bethmann Hollweg war in einem „Aktvon dissonanter Harmonie“ zwischen Kräf-ten aus der Armee und dem Reichstaggestürzt worden, die hinsichtlich innenpo-litischer Reformen und auch bei den Kriegs-zielen völlig unterschiedliche Positionenvertraten.242 Ballin pflegte weiterhin guteKontakte zu hohen Beamten der Reichsbe-hörden und des Geheimen Zivilkabinetts(dem „Büro“ des Kaisers); er sprach sich zudieser Zeit ebenfalls für einen RücktrittBethmann Hollwegs aus, was er diesen of-fenbar auch wissen ließ.243

···································································Bereits im Januar 1916 hatte Ballin demStaatssekretär im Auswärtigen Amt, Gott-lieb von Jagow, mit den Worten, er wolle„nichts mehr mit einem Mann zu tun ha-ben, der an diesem ganzen ungeheuremUnglück und an dem Tod von soviel hun-derttausend Menschen schuld ist“, die Zu-sammenarbeit gekündigt.244 Jagow, der sichgegen den uneingeschränkten U-Boot-Krieg aussprach, wurde im November 1916aus seinem Amt entlassen.

···································································Bethmann Hollweg und Jagow gehör-ten zur Partei der „Anglophilen“ und streb-ten eigentlich das an, was auch Ballin befür-wortete: eine Verständigung mit England.Insofern schwächte ihre Entlassung die Par-tei der Besonnenen, zu der sich auch Ballinrechnete.245 Jagows „Nach-Nachfolger“ Ri-chard von Kühlmann, auf den Ballin großeStücke hielt, versuchte zwar noch, einenAusgleich mit Großbritannien auf dem Ver-handlungswege herbeizuführen, scheitertejedoch am Widerstand der OHL und derKriegszielbewegung, die sich gegen einen sogenannten „faulen Frieden“ und für weitrei-chende Annexionen des Deutschen Reichesaussprachen. Kühlmann musste im Juli 1918zurücktreten, nachdem er bei einer Reichs-tagsrede Zweifel an einem vollständigenmilitärischen Sieg Deutschlands geäußerthatte. Ballin kommentierte dies folgender-maßen: „ Man möchte sich doch manchmalfragen, wie es möglich ist, dass man so garkeine Dummheit in den Personenfragen beiuns im Auswärtigen Amt unterlassenkann.“246

···································································Hatte Ballin in den Vorkriegsjahren im-mer wieder Informationen über seine Tref-fen mit hochkarätigen Persönlichkeiten ausder Politik, allen voran dem Kaiser, an diePresse lanciert, so übte er während des Krie-ges politischen Einfluss mehr im Stillen aus.Dabei spielte Arndt von Holtzendorff einewichtige Rolle. Seit 1898 Chef des Ausrüs-tungswesens bei der Hapag, hatte er sich alsderen Festarrangeur auf der Kieler Wochebewährt. Nach Kriegsausbruch kamen dannneue Aufgaben auf ihn zu: Er wurde Resi-dent der Hapag in Berlin und eröffnete einedezente politische Lobby, zunächst im Res-taurant des Hotels Kaiserhof, später dann in

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seiner Wohnung in der Viktoriastraße.Holtzendorff war über alle Aktivitäten derReederei in Berlin bestens informiert, hatteer doch zu Beginn seiner Tätigkeit mit Bal-lin abgesprochen, „dass sämtliche Ressorts,einschliesslich der leitenden Herren, von Ih-nen [Ballin, JG] angewiesen werden, in Zu-kunft alle Korrespondenzen pp. mit den hie-sigen Aemtern und Ministerien durch mich[Holtzendorff, JG] gehen zu lassen. Ebensomüssten umgekehrt die Behörden ersuchtwerden, ihrerseits den Verkehr mit derH.A.L. durch mich vermitteln zu lassen, in-dem ich durch sie bei den in Frage kommen-den Stellen als Bevollmächtigter der H.A.L.offiziell accreditiert werde.“247 Praktisch je-den Tag verfasste Holtzendorff ausführlicheBerichte über seine Tätigkeit, die er Ballinnach Hamburg schickte. Wenn dieser selbstin Berlin war, schrieb Holtzendorff Notizenüber die Gespräche, die Ballin dort führ-te.248

···································································Im Berlin der Kriegsjahre bildeten sich vie-lerorts regelmäßige Zusammenkünfte, beidenen im geselligen Rahmen und bei gutemEssen über die aktuelle Politik diskutiertwurde.249 Holtzendorffs politische Abendehatten einen besonders guten Ruf. Im Ja-nuar 1915 schrieb er Ballin: „Ich hörte nach-her von einem anderen Herrn ein sehr inter-essantes Urteil von Delbrück [Clemens vonDelbrück, von 1909 bis 1916 Staatssekretärdes Reichsamts des Innern, JG] über die po-litischen Abende bei mir. Er hat diesemHerrn erzählt, dass er eigentlich jetzt über-haupt nicht ausginge, nur hier zu diesenAbenden käme er besonders gern, weil sieimmer interessant und ausserordentlichwichtig für ihn wären. Er höre immer vielneues und für ihn besonders wichtiges, sodass er es für eine Art Pflichtverletzung hal-

ten würde, wenn er absagte. Auch Dr. Nau-mann [der Reichstagsabgeordnete D. h. c.Friedrich Naumann, JG] hatte sich neulichähnlich ausgedrückt und hinzugefügt, dassman auf diesen Abenden so besonders vielSpezialkenntnisse sammeln könnte.“250

···································································Holtzendorff sah seine Aufgabe darin,als scheinbar interessenloser VermittlerMenschen zwanglos zu vereinen. Er fun-gierte als Gastgeber; Ballin, der nur seltenpersönlich erschien, hatte jedoch die Fädenin der Hand.251 Der Publizist Ernst Jäckh,der selbst an den politischen Abenden teil-nahm, berichtet: „(…) jeder Reichskanzler,jeder Reichsminister (damals Staatssekretäregenannt), jeder Hofmarschall, jeder Partei-führer (mit der einen Ausnahme, daß wennBallin persönlich teilnahm, er keinen Sozi-aldemokraten dabei haben wollte), jederverbündete Botschafter, die führendenWirtschaftler und Wissenschaftler, jeder,der auf entscheidendem Posten stand – trafdort den anderen, nicht alle zusammen, aberabwechselnd, weil die Praxis meist das Prin-zip bestätigte: nicht mehr als die Musenzif-fer zur Tischdiskussion zu haben, nicht we-niger als die Grazienzahl, am liebsten Platosacht.“252

···································································Holtzendorffs Abende sorgten durch-aus für Gesprächsstoff. Dies vermittelt fol-gende Episode, die dieser in seinen Notizenfesthielt und die zumindest andeutet, dassReichskanzler Bethmann Hollweg schonwenige Monate nach Kriegsausbruch einenschweren Stand in der Reichshauptstadthatte: „Bei dieser Gelegenheit erzählte mirWahnschaffe [Arnold Wahnschaffe, Chefder Reichskanzlei unter Bethmann Hollwegvon 1909 bis 1917, JG] folgende niedlicheGeschichte: Einer seiner ‚Geheimagenten‘

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wäre zu ihm gekommen und hätte ihm er-zählt, dass seit längerer Zeit (…) bei einemHerrn v. Holtzendorff politische Abendestattfinden, ob er davon etwas wisse; nach-dem dies Wahnschaffe bejaht, hätte er hin-zugefügt, ob er auch wisse, dass gerade andiesen Abenden enorm gegen den Kanzlergewühlt würde! Darauf hat ihm Wahn-schaffe erklärt, das könne er sich nicht gutdenken, denn er wäre selbst wiederholt beidiesen Abenden zugegen gewesen, woraufder Agent gesagt hätte, ja diese Sachen fin-gen immer erst an, wenn Wahnschaffe fortwäre, worauf Wahnschaffe lachend erklärthat, das sei ganz unmöglich, denn er wäreimmer der letzte der ginge!“253

···································································Albert Ballins Vorstellungenvon den Kriegszielen des Deutschen Reiches···································································Während der gesamten Kriegsdauer, soLamar Cecil, seien Ballins Vorstellungenvon den Kriegszielen des Deutschen Reichesvon zwei Prinzipien bestimmt gewesen:Zum einen brauche Deutschland für dieZukunft ungehinderten Zugang zu denMeeren und müsse durch sorgfältig ausge-wählte Marinestationen in Europa undÜbersee gegen eine Fernblockade gesichertsein, zum anderen müssten die Friedensbe-dingungen so lauten, dass sie die internatio-nale Eintracht wieder herstellten, wobei einedeutsch-englische Nachkriegspartnerschaftanzustreben sei.254

···································································Ballins Hoffnung, dass der „Friedens-schluss (…) aufbauen wird auf Kompromis-sen“, hob sich zwar wohltuend von den aus-greifenden Kriegszielen ab, wie sie z.B. derAlldeutsche Verband, die „Kernorganisationdes Radikalnationalismus“ (Thomas Nip-

perdey), vertrat, ließ sich jedoch nur schwerin Einklang bringen mit der Forderung nachMarinestationen in Europa und Übersee.255

···································································Im Januar 1915 äußerte sich Ballin zumersten Mal öffentlich über die deutschenKriegsziele. In einem Artikel für die „Frank-furter Zeitung“ schrieb er: „‘Das nasse Drei-eck’, so pflegte in meiner Jugend der Schif-fer das Gebiet der Nordsee zu nennen, daszwischen Helgoland und den Flussmün-dungen sich dehnt. (…) Die arge Belästi-gung, welche unseren Ueberseehandel fastzum Stillstand bringt, ist nur dadurch fürdie englische Flotte zu erreichen, dass dasGebiet der Nordsee sich als leicht absperr-bar erwies, und der seeräuberische Druck,den England heute auf die neutralen skan-dinavischen Staaten und Holland ausübt,wäre unmöglich gewesen, wenn wir fürunsere Flotte eine Basis gehabt hätten, dieihrer Bedeutung und der Kampflust ihrertapferen Offiziere und Mannschaften ent-spricht. Deshalb müssen wir hinaus nochüber das Gebiet der Nordsee hinweg uns ei-nen Flottenstützpunkt suchen, der in Zu-kunft uns wenigstens in diesem Teil derWelt die gleichen Möglichkeiten sichert,wie England sie besitzt und rücksichtslosausbeutet.“256

···································································Dass sich die beiden oben genannten Prin-zipien Ballins nur schwer miteinander ver-einbaren ließen, er selbst dies jedoch nichtwahrhaben wollte, davon zeugt auch ein Ta-gebucheintrag Theodor Wolffs vom Februar1915: „Ich frage Ballin, warum er in einemNeujahresgruß, den die Frankf. Ztg. erbe-ten, für einen Hafen gegenüber Englandeingetreten sei; ob das seiner Meinung nachdie Wiederannäherung, die er schließlichwünsche, nicht für alle Zeit unmöglich ma-

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chen müßte. Er sagt, er befürchtet das letz-tere nicht.“257 Max von Schinckel warf Bal-lin in seinen Lebenserinnerungen vor, dassdieser während des Weltkrieges „zwischendem Verlangen nach einer andern Basis fürdie deutsche Seefahrt, die heraus müsse ausdem ‚nassen Dreieck der Nordsee und her-anverlegt werden müsse an den Atlantik‘,was doch nichts anderes als eine Annektiondes nördlichen Frankreichs bedeuten konn-te, und zwischen dem Verlangen nach einemFrieden um jeden Preis“ geschwankt ha-be.258 Auch hier kommt die Widersprüch-lichkeit der Prinzipien Ballins zum Aus-druck, obgleich sein Streben nach einemKompromissfrieden von Schinckel, der we-sentlich radikalere Kriegsziele vertrat,259

über die Gebühr gebrandmarkt wird. ···································································Am 20. Oktober 1915 hielt Ballin auf derJahresversammlung des „Vereins Hambur-ger Rheder“ eine Ansprache, bei der er er-neut den „Mangel an festen Stützpunktenunserer Kriegsmarine außerhalb der Nord-und Ostsee“ beklagte: „Deutschland kannfür seine Zukunft nicht besser sorgen, alswenn es in erster Linie den Erwerb derjeni-gen maritimen Flottenstützpunkte anstrebt,welche eine gründliche Korrektur des Zu-standes gewährleiste [sic], den wir gegen-wärtig zu beklagen haben. Man hat mit die-sem, von mir schon vor zehn Monatenausgesprochenen Glaubenssatz die Vermu-tung verbunden, daß unsere maritimen Be-dürfnisse in Zeebrügge zu befriedigen sind.Das ist natürlich nicht der Fall. Wir brau-chen Stützpunkte am Eingang wie am Aus-gang des Kanals; wir brauchen starke Stütz-punkte über See.“260

···································································Die Frage nach dem weiteren Schicksal desneutralen Belgiens, in das deutsche Truppen

am 4. August 1914 völkerrechtswidrig ein-marschiert waren, bildete einen zentralenBestandteil der Diskussion um die deut-schen Kriegsziele in Westeuropa. Reichs-kanzler Bethmann Hollweg hatte sich imLaufe des Jahres 1915 mit seiner Konzeptionder indirekten Beherrschung Belgiens, dasdem Deutschen Reich als halbsouveräner„Tributärstaat“ in militärischer und wirt-schaftlicher Hinsicht zur Verfügung stehensollte, gegenüber Forderungen nach direkterAnnexion des Landes durchgesetzt.261

···································································Von entscheidender Bedeutung war dieOrganisation des Antwerpener Hafens undseines Zufahrtsweges. Ballin vertrat die An-sicht, dass dieser unter die gemeinsame Ad-ministration einer deutsch-belgischen Ge-sellschaft gestellt werden sollte. GegenüberTheodor Wolff sprach er von einer „Hafen-kommission, in der Deutschland die Mehr-heit hätte, sodaß in Wahrheit der Hafen un-ter deutscher Verwaltung stünde“.262 DieseKonzeption, so der Historiker Fritz Fischerin seinem Epoche machenden Buch „Griffnach der Weltmacht“, „bildete nunmehr bis1918 ein grundlegendes Motiv der deutschenBelgienpolitik“.263

···································································Daneben schlug Ballin vor, die belgischeStaatsbahn unter deutsche Verwaltung zustellen.264 Gegenüber Bethmann Hollwegäußerte er: „Legen Sie die Hand auf die Ei-senbahn, wie in Luxemburg, schaffen Sieeine ökonomische Verbindung, aber lassenSie dem [belgischen, JG] König seine Kro-ne, er hat sich doch ganz anständig benom-men.“265 Ballin plädierte für „die Herbei-führung einer gewissen wirtschaftlichenAbhängigkeit (…), weil Belgien sonst zumGlacis der Engländer wird“.266 Außerdemschwebte ihm der Abschluss eines Militärab-

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kommens vor.267 Dass sich die Belgier mit soweit gehenden Beschränkungen ihrer Sou-veränität niemals abfinden würden (und dieKriegsentschlossenheit Englands geradedurch das Schicksal Belgiens angefachtwurde), verkannte er – wie die meisten imDeutschen Reich in den Jahren 1914/1915. ···································································Wenngleich sich Ballin gegen eine direk-te Annexion Belgiens aussprach, so war er imJuli 1915 doch nicht bereit, eine Erklärung zuunterschreiben, die dem Reichskanzler vomHistoriker Hans Delbrück und dem ehema-ligen Staatssekretär des Reichskolonialamts

Bernhard Dernburg unterbreitet wurde. Siewar am 9. Juli 1915 von so maßgeblichen Per-sönlichkeiten des geistigen Lebens wie Al-bert Einstein, Ludwig Quidde, Paul Rohr-bach, Gustav von Schmoller, FerdinandTönnies, Ernst Troeltsch, Max und AlfredWeber, Theodor Wolff und Leopold vonWiese unterzeichnet worden, nahm Stel-lung gegen „die Einverleibung oder Anglie-derung politisch selbstständiger und anSelbstständigkeit gewöhnter Völker“ undverurteilte Mittel, „die uns auf Umwegenschließlich doch zur Annexion hinleitenwürden“.268 Ballin erschienen diese Passagen

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„Im Hauptquartier der Obersten Heeresleitung in Pleß/Oberschlesien findet die Lagebesprechung am Kartentisch statt“ (Aufnahme vom Januar 1917, links Paul von Hindenburg, in der Mitte Wilhelm II.,

rechts Erich Ludendorff )

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meinecke
Schreibmaschinentext
[Das Bild ist in der Buchfassung abgedruckt]
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missverständlich. Außerdem fürchtete er(dessen Unterschrift nicht als die einer Pri-vatperson angesehen worden wäre, sonderndie gesamte Hapag repräsentiert hätte) füreine spätere Aktion „entwertet“ zu werden,wenn er bereits diese Erklärung unterstüt-ze – eine Haltung, die (nicht nur) seinemVertrauten Holtzendorff „sonderbar“ er-schien.269

···································································Wie sahen Ballins Kriegszielvorstellungenfür den Osten Europas aus?···································································Seit Ausbruch des Krieges, so schrieb errückblickend im September 1917 an HugoStinnes, habe er den Standpunkt vertreten,„dass unser Hauptkriegsziel darin bestehenmüsste, Russland von der Entente abzu-sprengen, um in der möglichst engen Ver-bindung mit Russland einen Block zu bil-den, der stark genug ist, eine englisch-fran-zösisch-amerikanische Allianz in Respekt zuhalten.“270

···································································Am 9. Dezember 1917 begannen in Brest-Li-towsk die Verhandlungen der Mittelmächtemit der neuen bolschewistischen Regierungin Russland, der daran gelegen war, ihreHerrschaft im Inneren des Landes zu kon-solidieren und die deshalb allen Kriegfüh-renden einen Waffenstillstand vorgeschla-gen hatte, den die Entente jedoch abgelehnthatte.···································································Ballin kritisierte von Beginn an die über-zogenen Bedingungen, mit denen die Deut-schen in diese Gespräche gingen. Schon am13. Dezember schrieb er an Stinnes: „Dierussischen Friedensverhandlungen machenmir Sorge. Wenn wir den Gedanken nichtaufgeben, den Russen Polen, Kurland undLitauen abzuknöpfen, so werden sie, wie die

Verhältnisse liegen, zwar auch genötigt sein,Frieden zu machen, aber es wird dann nichtder Friede werden, den wir brauchen. Wirbrauchen ein sich vertrauensvoll auf unsstützendes russisches Reich. Das erhaltenwir nicht, wenn wir gewaltsam zum Länder-erwerb schreiten. (…) Ich frage michmanchmal, warum man uns erfahreneKaufleute nicht bei solchen Gelegenheitenbefragt? Wir würden doch solche Dumm-heiten nicht machen!“271

···································································Doch Ballins Bedenken fanden kein Ge-hör, vor allem nicht bei der OHL, die in derzweiten Phase der Verhandlungen domi-nierte. Mit dem Diktatfrieden von Brest-Li-towsk (März 1918) und dem Berliner Zusatz-vertrag (August 1918) realisierte sich, wennauch nur für kurze Zeit, ein deutsches Ost-imperium, das weite Teile des ehemaligenZarenreiches unter deutschen Einfluss brach-te – und einen konkreten Ansatzpunkt fürFernziele bildete, die Adolf Hitler dann inden 1920er Jahren fixierte.272

···································································Albert Ballins Einstellungen zum U-Boot-Krieg···································································Als Reaktion auf die britische Fernblocka-de erklärte das Deutsche Reich im Februar1915 die Gewässer rings um Großbritannienzum Kriegsgebiet. Die deutschen U-Bootesollten dort eine Gegenblockade errichten.Da diese beim Auftauchen den Geschützenvon Handelsschiffen gegenüber schutzloswaren, befahl die deutsche Marineleitungden uneingeschränkten U-Boot-Krieg, d. h.die Schiffe Krieg führender und neutralerStaaten ohne vorherige Warnung zu torpe-dieren. Dies löste scharfen Protest bei denneutralen Staaten, insbesondere den USA,aus. Als ein deutsches U-Boot im Mai 1915

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Brief von Albert Ballin an seinen Schwiegersohn Heinz Bielfeld vom 20. Dezember 1915

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den britischen Passagierdampfer „Lusitania“versenkte, gab es knapp 1.200 Opfer, darun-ter zahlreiche US-amerikanische Bürger.Um die Beziehungen zu den VereinigtenStaaten nicht noch weiter zu verschlechtern,stellte das Deutsche Reich den uneinge-schränkten U-Boot-Krieg daraufhin ein, be-gann ihn jedoch im Februar 1917 erneut.Die Versorgungslage hatte sich inzwischendramatisch verschlechtert und die Marine-leitung hatte erklärt, dass England bei einerWiederaufnahme in sechs Monaten kapitu-lieren würde.···································································Ballin hatte in den ersten Kriegsmonatenzunächst den uneingeschränkten U-Boot-Krieg befürwortet. Im Oktober 1914schwärmte er in einem Brief an seinenSchwiegersohn Heinz Bielfeld: „Die U-BootLeistungen sind ja traumhaft großartig, än-dern meiner Ansicht alle Theorien überFlottenausbau. Wozu die Ueber-Dread-noughts, wenn ein U-Boot genügt, ihnenden Garaus zu machen.“273 Seine optimisti-sche Einschätzung begann sich jedoch imFrühjahr 1915 zu ändern, als Ballin immermehr Zweifel kamen, ob die deutschen U-Boote wirklich eine so effektive Gegenblo-ckade Englands zustande bringen könnten,wie es vor allem Alfred von Tirpitz behaup-tete.274

···································································Im Februar 1916 schlug das Pendel dann er-neut um, und Ballin sprach sich nun wiederfür den uneingeschränkten U-Boot-Kriegaus. Er tat dies vor allem deshalb, weil er denEindruck gewonnen hatte, in der deutschenBevölkerung verbreite sich zunehmend Un-zufriedenheit über die Regierung, da diesenicht jedes verfügbare Mittel einsetze, umden Krieg zu gewinnen.275 Am 17. Februarschrieb er aus Berlin einen Brief an Max

Schinckel, in dem er auf die öffentliche Mei-nung zum U-Boot-Krieg einging: „Hier istalles U-Boot-Krieg; ob mit oder gegen Ame-rika ist den Leuten schon ganz egal. Esmacht sich ein gewisser Anarchismus in derPolitik geltend, der, wie ich fürchte, auch dieleitenden Staatsmänner schliesslich mit fort-schwemmen wird.“276

··································································· Seit dem Sommer 1916 rückte für Ballinzunehmend die Gefahr eines möglichenKriegseintritts der USA ins Blickfeld. Er ver-trat jetzt wieder die Ansicht, dass ein unein-geschränkter U-Boot-Krieg nicht in Fragekomme. Als die deutsche Regierung am 31.Januar 1917 Washington in einer Note mit-teilte, dass sie die Beschränkungen fallenlassen werde, die sie sich bisher in der Ver-wendung ihrer Kampfmittel zur See aufer-legt habe, zeigte sich Ballin entsetzt.277 Am6. April 1917 traten die USA auf der Seite derEntente in den Krieg ein.··································································· Ballin war in diesen Monaten äußerst pes-simistisch eingestellt, glaubte „nicht an diepolitische Wirkung des U-Bootkrieges aufdie zähen Engländer und schildert die Ver-hältnisse im Innern als höchst bedenklich“.Die Wiederaufnahme des uneingeschränk-ten U-Boot-Krieges erschien ihm nach demKriegseintritt der Vereinigten Staaten „we-gen Tonnagezunahme bei unseren Feindendurch Inbetriebnahme unserer Schiffe inNordamerika und Brasilien“ als hoffnungs-los.278 Im August 1917 klagte er in einemBrief an den ehemaligen deutschen Bot-schafter in London Paul Graf Wolff Metter-nich: „Es war der schicksalsschwerste Fehlerund geradezu die Entscheidung unseres Ge-schickes, als man am 1. Februar den unein-geschränkten Uboot-Krieg erklärte (…).“279

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Der Historiker Gerhard A. Ritter hat zu-treffend geurteilt, dass „Ballin (…) keingrundsätzlicher Gegner eines unbeschränk-ten U-Boot-Krieges (war), wenn man damittatsächlich England zum Einlenken bringenkonnte.“ Allerdings habe er früh davor ge-warnt, die verhängnisvolle Konsequenz vondessen Wiederaufnahme, den Kriegseintrittder Vereinigten Staaten, leichtfertig zu un-terschätzen.280 Ballin wusste um die Wirt-schaftskraft der USA und warnte denn auchim Februar 1917 in einem Brief an HugoStinnes: „Wie unser Generalstab Englandunterschätzte, so unterschätzt er jetzt Ame-rika militärisch, wirtschaftlich und in poli-tischer Bedeutung.“281

··································································· Vor allem aber gehörte Ballin zu den weni-gen, die 1916 die hohlen Schlagworte der Be-fürworter des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, der von heutigen Forschern als„Gipfel der Irrationalität“ bezeichnet wird,durchschaut hatten.282 Damit unterschieder sich von Industriemagnaten wie AlfredHugenberg oder Hugo Stinnes.··································································· Frieden über Wilson···································································Am Ende blieb die Hoffnung auf Wilson.Spätestens seit Anfang 1918 war Ballin davonüberzeugt, dass nur über den amerikani-schen Präsidenten Woodrow Wilson einFriedensschluss möglich sei, denn inzwi-schen hatten die Vereinigten Staaten Groß-britannien als führende Macht der Ententeabgelöst.283 Bei der militärischen Führungrief jedoch Wilsons 14-Punkte-Programm,mit dem er am 8. Januar 1918 das Muster deskünftigen Weltfriedens umriss, nur Spotthervor, wenn sie das Dokument überhauptzur Kenntnis nahm (Ludendorff hat eswahrscheinlich erst im Oktober 1918 gele-

sen).284 Ballin hatte für eine solche Haltungkein Verständnis: „Ich habe ja nie geglaubt,dass man den Krieg militärisch mit einereinwandsfreien Besiegung der ganzen Weltbeenden könnte und sehe heute die Dingedoch als ausserordentlich bedenklich an.Die ganze Welt steht gegen uns, und mit je-dem Tage wird die Aussicht auf einen glück-lichen Frieden geringer.“285

··································································· Nach dem Scheitern der deutschen Früh-jahrsoffensive, die von März bis Juli 1918 an-dauerte – und in deren ersten beiden Wo-chen auf deutscher Seite allein 230.000Soldaten fielen –,286 stand die militärischeNiederlage des Deutschen Reiches endgül-tig fest. Doch erst Ende September räumtedie OHL diese ein. „Mit drückebergerischerFeigheit“ und aus kaltem Kalkül wälztenHindenburg und Ludendorff nun die Ver-antwortung auf die neue politische Führungab.287 Massiv von den beiden unter Druckgesetzt, ersuchte die erste parlamentarischeRegierung des Kaiserreiches mit Max vonBaden an der Spitze am 3./4. Oktober 1918Wilson, „die Herstellung des Friedens in dieHand zu nehmen“ und „den sofortigen Ab-schluss eines Waffenstillstandes (…) herbei-zuführen.“ Der Reichskanzler akzeptiertedas 14-Punkte-Programm „als Grundlagefür die Friedensverhandlungen“.288

···································································Allerdings hatte sich die Situation inzwi-schen grundlegend geändert. Lag zu Beginndes Jahres 1918 für die Entente der Sieg überdas Deutsche Reich und seine Verbündetennoch in weiter Ferne, so war er nunmehr ingreifbare Nähe gerückt. Am 23. Oktobermachte Wilson die vollständige deutscheKapitulation zur Vorbedingung eines Waf-fenstillstandes, außerdem forderte er, dassdas Deutsche Reich seine bisherige Staats-

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form aufgebe. Damit war das Ende Wil-helms II. und der Monarchie – zumindestin der Form, wie sie bislang im DeutschenReich existierte – besiegelt. Ballin stand diesvor Augen, als er zwei Tage später an WolffMetternich schrieb: „Der Krieg, der demCharakter des Hohen Herren völlig zuwiderlag, hat doch so zermürbend auf ihn ge-wirkt, daß man auch in seinem Interesse nurwünschen könnte, daß ihm der Rückzug inein behagliches Privatleben ermöglicht wer-de. (…) Schön wäre es ja, wenn man (…)den Kaiser in die Position eines Königs vonEngland zu bringen vermöchte, der im we-sentlichen alle Annehmlichkeiten des Kö-nigstums genießt, ohne durch Verantwor-tungen, die zu tragen er gar nicht in der Lageist, belastet zu sein. Aber (…) es würde mei-nem Gefühl nach dem Deutschen Volkesehr teuer zu stehen kommen, wenn in die-ser Frage nicht ein ganz durchgreifenderWandel eintritt.“289

···································································Bereits im September hatte Ballin mitWilhelm II. abgeschlossen. Auf Wunsch vonLudendorff hatte Stinnes Kontakt mit Bal-lin aufgenommen. In zwei Gesprächen, vondenen das eine Ende August in Hamburg,das andere Anfang September in Berlinstattfand, drängte er Ballin, den Kaiser überdie ernste militärische Lage aufzuklären; au-ßerdem solle er dem Monarchen die Not-wendigkeit eines sofortigen Kanzlerwech-sels und eines baldigen Friedensschlussesüber Wilson nahelegen. Ballin sah sich alsomit hohen Erwartungen konfrontiert. ···································································Am 5. September fand auf Schloss Wil-helmshöhe bei Kassel das letzte Gesprächzwischen Wilhelm II. und Ballin statt, andem auch der Chef des Zivilkabinetts Fried-rich von Berg, ein ultrakonservativer ost-

preußischer Gutsherr, teilnahm. Ballin ver-suchte, den Kaiser von der Dringlichkeit ei-nes Friedens zu überzeugen, der seiner An-sicht nach nur über die Vereinigten Staatenerreicht werden könne. Wilhelm II. stimmteprinzipiell zu, war jedoch der Ansicht, mitFriedensangeboten noch warten zu können.Außerdem setzte sich Ballin noch für die Frei-gabe des Handels mit verderblichen Lebens-mitteln ein. Weitere Inhalte wurden wäh-rend der Unterredung anscheinend nichtbehandelt, was wohl vor allem an den stän-digen Einmischungen von Bergs lag, aberauch daran, dass es Ballin, wohl aus Ehr-furcht und Scham, nicht vermochte, gegen-über dem Kaiser wirklich offen zu sprechen. ···································································Neben der Aufzeichnung Ballins über seinGespräch mit dem Kaiser gibt es noch vondritter Seite verschiedene Berichte hier-über.290 Besonders zuverlässig muten dieAusführungen des Grafen Bogdan von Hut-ten-Czapski an, eines liberalen preußischenAdligen polnischer Nationalität, der nebenseiner Tätigkeit als Offizier auch als eine ArtPrivatsekretär hochrangiger Politiker fun-gierte. Hutten-Czapski war am 5. Septemberauf Schloss Wilhelmshöhe zugegen und be-richtet: „Während ich einen Besuch machte,beobachtete ich vom Fenster aus, wie derKaiser mit den Herren Ballin und von Bergaus dem Schloß heraustrat und mit schnel-len Schritten im Vorgarten auf und ab ging.Der Kaiser machte einen sehr lebhaften,Ballin einen sehr niedergeschlagenen Ein-druck. Herr von Berg sprach immerfort da-zwischen; so ging es längere Zeit. Ich hattemit Ballin verabredet, dass ich ihn am Nach-mittag in seinem Hotel aufsuchen würde.Als ich bei ihm eintrat, traf ich einen voll-ständig gebrochenen Mann. Er sagte mir, erhabe dem Kaiser offen die Lage in den

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feindlichen Hauptstädten und in Deutsch-land darlegen wollen. Herr von Berg habeaber dauernd unterbrochen, sodaß er garnicht in der Lage gewesen sei, dem Kaiser al-les zu sagen, was er auf dem Herzen hatte.Der Kaiser schien den Ernst der militäri-schen Lage nicht zu begreifen. Er, Ballin,habe jetzt die Hoffnung aufgegeben, weil ersähe, daß der Kaiser auch politisch ganz un-ter dem Einfluß der extremen Parteien undbesonders Bergs stehe. Ich sprach Ballinmein tiefstes Bedauern darüber aus, daß ernicht darauf bestanden hätte, den Kaiserunter vier Augen zu sprechen.“···································································Einige Zeit später übergab Ballin demChef des Marinekabinetts, Admiral GeorgAlexander von Müller, eine Aufzeichnungüber Ausführungen, die er eigentlich gegen-über dem Kaiser hatte machen wollen. Erversuchte also weiterhin, politischen Ein-fluss auszuüben. Ballins Ausführungen, soFritz Fischer, legen „in seltener Schärfe dieGrundlinien der deutschen Politik desHerbstes 1918“ dar.292 Ballin sprach sich hierfür einen Frieden im Westen über Wilsonund eine Frontbildung gegen den Bolsche-wismus aus; außerdem befürwortete er – derbis dahin immer eine Parlamentarisierungdes deutschen Konstitutionalismus abge-lehnt hatte – eine „rasche und kluge Moder-nisierung (der Ausdruck ist richtiger undgiftloser als Demokratisierung) des Rei-ches“. Er sah deutlich, dass eine solche Re-form der Aufnahme von Friedensverhand-lungen vorauszugehen habe, „sonst er-scheint sie von den Gegnern erzwungen undgefährdet die Dynastie“.293

···································································Die geschilderte Entwicklung, die dann inden folgenden Wochen stattfand, sollte ihmnur allzu Recht geben.

···································································Das Ende···································································Nach diesen Ereignissen waren Albert Bal-lins letzte Lebenswochen von Trübsal undKummer geprägt. Sein Patensohn Eric War-burg erinnert sich: „Als ich im Herbst 1918,kurz vor Kriegsende, einmal einen Tag inHamburg auf Urlaub war, schritten auf demAlsterdamm, dem heutigen Ballindamm,wie üblich mein Vater [Max Warburg, JG]und Ballin einher, und als Ballin mich inUniform da stehen sah, brach er in Tränenaus, weil er ja wusste, daß praktisch schonalles verloren war, und befürchtete, daßmein Jahrgang noch als letzter geopfert wer-den würde.“294 Theodor Wolff traf Ballinzum letzten Mal im Oktober 1918 in Berlinund berichtet: „Ballin war wie eingesponnenin Schwermut, er sah schlecht aus, die frü-her so frische braune Gesichtsfarbe war, daer nicht mehr durch den Meerwind fahrenkonnte, schon seit langem abgeblasst, dieFurchen hatten sich vertieft.“295

···································································Anfang November 1918 wurde Ballin gebe-ten, die Friedensverhandlungen zu führen.Am 2. November schrieb er: „Stinnes liessmir mitteilen, dass sowohl das Zentrum wiedie Sozialdemokraten dafür wären, dass ichdie Friedensverhandlungen führen müsse.Ich habe ihm sagen lassen, dass ich nichtkneifen würde, aber jedem anderen es liebergönnte.“296 Dazu sollte es jedoch nicht mehrkommen. ···································································Am 4. November war Kiel in der Hand von40.000 revoltierenden Matrosen, Soldatenund Arbeitern. Kurz danach griffen die Pro-teste auch auf Hamburg über. Überall inDeutschland bildeten sich Arbeiter- undSoldatenräte. Der Hamburger Arbeiter-

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und Soldatenrat verkündete am 6. Novem-ber, die Macht übernommen zu haben undließ zwei Tage später einen Teil des Hapag-Gebäudes besetzen. ···································································Ballin nahm diesen Akt äußerlich gefasstauf. Er verließ am 8. November mittags seinBüro und leitete eine Krisensitzung des„Vereins Hamburger Rheder“ in der Mön-ckebergstraße. Hier ging es darum, Wege zufinden, den Lebensmittelimport durchdeutsche Schiffe wieder in Gang zu bringenund so einem weiteren Anwachsen der Un-zufriedenheit bei der hungernden Bevölke-rung entgegen zu wirken. Ballin schlug vor,die Beratungen am nächsten Tag fortzuset-zen, dieses Mal möglichst unter dem Vorsitzeines Senators. Nach der Sitzung kehrte erins Hapag-Gebäude zurück, um ein Ge-spräch mit Eduard Rosenbaum von derHandelskammer zu führen, in dem es überden Wiederaufbau der deutschen Handels-flotte nach Beendigung des Krieges und all-gemeine wirtschaftliche Fragen ging. Da-nach kam es anscheinend zu einer größerenAuseinandersetzung mit einigen der Haus-besetzer.297

···································································Ballin verließ das Gebäude und ging zuFuß in die Feldbrunnenstraße, wo er gegen16 Uhr 30 ankam. Hier telefonierte er kurzmit dem Syndikus des „Vereins HamburgerRheder“ Peter Franz Stubmann.298 Mari-anne Ballin, die ihren Mann wahrscheinlichnoch an der Haustür erwartet hatte, befandsich zu dieser Zeit offenbar nicht mehr inder Villa. Wie zuvor geplant, wollte sie dieNacht bei einer Freundin der Familie ver-bringen, die am Mittelweg wohnte. Ob esauch „ein häuslicher Zwist“ war, der sie dazubewog, die Villa zu verlassen, wie JohannesMerck es andeutet, mag dahingestellt blei-

ben, ebenso, ob Ballin noch einer Person be-gegnete, die ihn erpresste und dann berich-tete, dass ihm am nächsten Tag die Erschie-ßung drohte.299

···································································Auf jeden Fall versagten Ballin, der bis da-hin auf alle Ereignisse des Tages erstaunlichgelassen reagiert hatte, jetzt die Nerven. Erzog sich zurück, ließ sich in den Stunden derDämmerung von seinem Diener Karl Fi-scher ein Glas Wasser bringen und schluckteeine übergroße Dosis Beruhigungsmittel.Schon seit langem war er von Brom, Vero-nal und anderen Drogen abhängig.300

···································································Der anarchistische Schriftsteller TheodorPlievier hat Ballins Ende in seinem doku-mentarischen Roman „Der Kaiser ging, dieGeneräle blieben“ in folgende Worte ge-fasst: „Und von der gewaltigen PerspektiveBallins auf die Schlüsselstädte der fünfMeere, auf die Schiffahrtslinien seiner Ge-sellschaft, die wie ein Netz den Erdball um-spannen, bleibt nichts weiter als ein letzterblinzelnder Blick auf das Wasserglas, das ergewissenhaft an seinen Platz zurückgestellthat. Dann erlischt auch das in dem Glas ge-fangene Licht.“301

···································································Noch bei Bewusstsein und unter starkenSchmerzen wurde Ballin von seinem Dienerund einem eilig herbeigerufenen Arzt in diePrivatklinik Wünsch am Mittelweg 144 ge-schleppt, wo ihm der Magen ausgepumptwurde. Dennoch fiel er noch vor Mitter-nacht ins Koma und verstarb am 9. Novem-ber 1918 um 13 Uhr 15 – ungefähr zur glei-chen Stunde, als Philipp Scheidemann vomBalkon des Berliner Reichstages die Repu-blik ausrief.···································································Die Frage, ob Ballin Selbstmord begangen

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Todesbescheinigung Albert Ballins

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Grabstätte Albert Ballins auf dem Ohlsdorfer Friedhof

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hat oder nicht, ist vielfach diskutiert wor-den. Eine Obduktion der Leiche fand nichtstatt und die Umstände seines Todes wurden„absichtsvoll hinter Nebelschwaden ver-schleiert“.302 Manche Zeitgenossen bezwei-felten einen Suizid Ballins, viele andere wie-derum zeigten sich hierüber nur wenigverwundert.303 Eduard Rosenbaum, einerder letzten Menschen, mit denen Ballin vorseinem Tod sprach, kommt zu folgenderEinschätzung, für die einiges spricht: „(…)he took more than the normal dose of hissleeping tablets because he was undecidedwhether he wanted a long or an eternalsleep.“304

···································································Ballins Begräbnis fand am 13. Novemberauf dem Ohlsdorfer Friedhof statt. Am Vor-abend entwarf Max Warburg einen Nach-ruf, der in der Biographie von Peter FranzStubmann wiedergegeben ist: „Albert Ballinwar eine Kraftnatur. Kraftvoll war in ihmder Wille, und kraftvoll und groß seindurchdringender Verstand, und warm undstark schlug das Herz. Ein genialer Kauf-mann, begabt mit einer nahezu seherischenKraft und großer Phantasie. Er war mehr

Künstler als Rechner, mehr Maler als Zeich-ner. Die Fülle von Eigenschaften, die ihmauf den Lebensweg mitgegeben waren, er-zeugte in ihm auch viele Konflikte, die erehrlich durchkämpfte. (…)···································································Die Zeiten des wirtschaftlichen Auf-schwungs der letzten dreißig Jahre kannman sich in Deutschland ohne Albert Bal-lin nicht vorstellen. Unter den vielen Hel-fern, die uns beim Wiederaufbau des Deut-schen Reiches fehlen werden, und auf diewir stark rechneten und rechnen durften,steht sein Name an erster Stelle!“305

···································································Später wurde ein schlichter Findling aufder Grabstätte Ballins errichtet. Der Steinträgt keine Inschrift, nur den Namen AlbertBallin.···································································Mit dem Tod ihres Mannes hörte für Ma-rianne Ballin das Leid nicht auf. Denn we-nige Wochen später, am 7. Dezember 1918,fiel ihre erst 26-jährige Tochter Irmgard derSpanischen Grippe zum Opfer. Sie hinter-ließ drei kleine Kinder.

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··············································································································································204 Zitiert nach: Ullmann, Kaiserreich, S. 227.205 Zitiert nach: Huldermann, Ballin, S. 324.206 Ritter, Kaiser, S. 142.207 Pulzer, Beteiligung, S. 223.208 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 154; das zweiteZitat bei: Pinette, Ballin, S. 36. – Pinettes Dissertation aus dem Jahr 1938 ist mit Vorbehalten zu lesen, das Ur-teil Eduard Rosenbaums (Ballin, S. 272) ist hier vollkommen zutreffend: „The book is not outright anti-Semitic,but it is written, to use Shakespeare’s term ‚with a vulgar heart‘.“ (King Henry IV, Part II, Act I).209 Wiborg, Ballin, S. 86; ähnlich auch Straub, Ballin, S. 214; Ahrens; Hauschild-Thiessen, Reeder, S. 54; Ce-cil, Ballin, S. 93 ff., S. 147 ff.210 So z. B. die Aufzeichnung Ballins vom 15. Juli 1909 über sein Gespräch mit Sir Ernest Cassel: Lepsius; Men-delssohn Bartholdy; Thimme, Politik 28, S. 207.211 Paul Graf Wolff Metternich an Bernhard von Bülow, 27. November 1908, abgedruckt in: ebd., S. 19.212 Straub, Ballin, S. 191.213 Hildebrand, Reich, S. 308 f.214 Deutsche Dokumente, S. 82 f.215 Singer, Tod, S. 11.216 Huldermann, Ballin, S. 301.217 Warburg, Aufzeichnungen, S. 28.218 Churchill, Weltkrisis, S. 144 f.219 Hamburgischer Correspondent Nr. 380 (29. Juli 1914).220 Cecil, Ballin, S. 182.221 Fürstenberg, Fürstenberg, S. 554. Ähnlich auch Heckscher, Ballin und Aagaard, Life, S. 21.222 Cecil, Ballin, S. 187 ff.223 Ebd., S. 202.224 Zitiert nach: Wolff, Marsch, S. 275.225 Wulf, Schwerindustrie, S. 2 f. 226 Ebd., S. 7. 227 Feldman, Stinnes, S. 425.228 Beide Zitate stammen aus einem Brief Albert Ballins an Hugo Stinnes vom 14. Januar 1918 (ebd., S. 472).229 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 22. März 1916: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 659, Bl. 153 f.;Hugo Stinnes an Albert Ballin, 22. März 1916: ebd., Bl. 156.

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230 Feldman, Stinnes, S. 425 f.231 Albert Ballin an Max Schinckel, 27. Oktober 1915: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 659, Bl. 31.232 Straub, Ballin, S. 238.233 Feldman, Stinnes, S. 989; Detlefsen, Stinnes, S. 30.234 Albert Ballin an Max Schinckel, 15. Februar 1916: Wulf, Schwerindustrie, S. 7 f.235 Ebd., S. 7, 10.236 Feldman, Stinnes, S. 679.237 Detlefsen, Stinnes, S. 38.238 Lewinsohn, Ballin, S. 698.239 Wolff, Marsch, S. 276.240 Albert Ballin an Georg Alexander von Müller, 10. Mai 1916: Görlitz, Kaiser, S. 176 f.241 Vgl. Wehler, Kaiserreich, S. 213: „Der Sturz Bethmann Hollwegs signalisierte, dass sich die OHL-Diktatur,wenn doch nicht zielstrebig etabliert, so doch faktisch in einigen Gebieten herausgebildet hatte.“ Ullrich, Groß-macht, S. 529 vertritt hingegen die Ansicht, dass „trotz der Machtfülle der OHL nicht von einer Militärdiktaturgeredet werden (kann).“242 Hildebrand, Reich, S. 342.243 Vgl. den Tagebucheintrag Theodor Wolff, 12. Juli 1917: „Ballin will morgen zu Bethmann gehen u. ihm ra-ten, zu demissioniren.“ (Sösemann, Tagebücher 1, S. 514). 244 Vgl. den Tagebucheintrag Theodor Wolff, 31. Januar 1916 (ebd., S. 343).245 Straub, Ballin, S. 249.246 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 23. Juni 1918: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1472, Bl. 207.247 Arndt von Holtzendorff an Albert Ballin, 16. April 1915: ebd., 1580, Band 23.248 Die Unterlagen befinden sich im Staatsarchiv Hamburg (Signatur 1580: Korrespondenzen, Berichte undAktennotizen aus der Tätigkeit des Berliner Residenten der Hapag, Arndt von Holtzendorff ). Es handelt sich uminsgesamt 35 Bände, die den Zeitraum von 1914 bis 1924 umfassen, also auch die Jahre nach Ballins Tod. – EinTeil der Berichte wurde 1942 vom „Reichsinstitut für die Geschichte des Neuen Deutschland“ ausgeliehen, einerpseudowissenschaftlichen Einrichtung im Dienst der NS-Propaganda, die zum Zentrum der antisemitischen deut-schen Geschichtsschreibung wurde, und kam erst 1991 nach einem verschlungenen Weg vom Bundesarchiv Berlinals Depositum in das Staatsarchiv.249 Cecil, Ballin, S. 215 ff.250 Bericht Nr. 110 vom 31. Januar 1915: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1580, Band 23.251 Straub, Ballin, S. 216 f., 240 f.252 Jäckh, Pflug, S. 189 f.253 Notiz vom 30. März 1915: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1580, Band 23.254 Cecil, Ballin, S. 224 f., 229.255 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 6. September 1917: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1472, Bl. 63 f.; Nipperdey, Geschichte, S. 603.256 Frankfurter Zeitung Nr. 5 (5. Januar 1915).257 Tagebucheintrag Theodor Wolff, 19. Februar 1915 (Sösemann, Tagebücher 1, S. 168).258 Schinckel, Lebenserinnerungen, S. 268.259 Vgl. Rohrmann, Schinckel, S. 205.260 Die Ansprache wurde in der „Sächsischen Industrie“ 3⁄4 (1915⁄16) veröffentlicht, hier S. 22 f.261 Fischer, Griff, S. 219 ff.262 Tagebucheintrag Theodor Wolff, 9. Februar 1915 (Sösemann, Tagebücher 1, S. 163).263 Fischer, Griff, S. 222.264 Cecil, Ballin, S. 226.265 Tagebucheintrag Theodor Wolff, 3. Dezember 1914 (Sösemann, Tagebücher 1, S. 128).266 Albert Ballin an Theodor Wolff, 13. Juli 1915: ders., Tagebücher 2, S. 800.267 Cecil, Ballin, S. 226.

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268 Zitiert nach: Sösemann, Tagebücher 1, S. 253.269 Wolff, Marsch, S. 268 ff.; Albert Ballin an Theodor Wolff, 16. Juli 1915: Sösemann, Tagebücher 2, S. 892;Tagebucheintrag Theodor Wolff, 18. Juli 1915 (ders., Tagebücher 1, S. 257 ff.).270 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 6. September 1917: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1472, Bl. 73. Vgl. auch Cecil, Ballin, S. 234, der darauf hinweist, dass Ballin von November 1914 bis Ende 1917 an Ver-handlungen beteiligt gewesen sei, die das Ziel verfolgten, Russland aus der Entente herauszusprengen.271 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 13. Dezember 1917: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1472, Bl. 126.272 Hildebrand, Reich, S. 370.273 Albert Ballin an Heinz Bielfeld, 25. Oktober 1914: Privatarchiv Heinz Hueber.274 Cecil, Ballin, S. 233, 253 f.275 Ebd., S. 255.276 Albert Ballin an Max Schinckel, 17. Februar 1916: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 659, Bl. 88.277 Cecil, Ballin, S. 261 ff..278 Tagebucheinträge Georg Alexander von Müller, 13. April und 2. Mai 1917 (Görlitz, Kaiser, S. 274, 282).279 Albert Ballin an Paul Graf Wolff Metternich, 27. August 1917: Vietsch, Unvernunft, S. 73.280 Ritter, Kaiser, S. 156.281 Albert Ballin an Hugo Stinnes, 2. Februar 1917: StA Hbg., 621-1⁄95 Firma HAPAG-Reederei, 1472, Bl. 17.282 So Michael Salewski (Frank Bauer, Tagungsbericht Der Erste Weltkrieg – Epochenjahr 1917. 18. 6. 2007 ‒20. 6. 2007, Herrsching am Ammersee, in: H-Soz-u-Kult, 23. 7. 2007, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/ta-gungsberichte/id_1639).283 Cecil, Ballin, S. 278.284 Hildebrand, Reich, S. 373; Kolb, Frieden, S. 27.285 Albert Ballin an Heinz Bielfeld, 31. Juli 1918: Privatarchiv Heinz Hueber.286 Kolb, Frieden, S. 18.287 Hildebrand, Reich, S. 376.288 Zitiert nach: Kolb, Frieden, S. 27.289 Albert Ballin an Paul Graf Wolff Metternich, 25. Oktober 1918: Vietsch, Unvernunft, S. 138 f.290 Die Aufzeichnung Ballins über seine Unterredung mit dem Kaiser ist abgedruckt bei Huldermann, Ballin,S. 375 f.; zu den übrigen Quellen vgl. Machtan, Abdankung, S. 148, 370.291 Hutten-Czapski, Jahre, S. 502 f.292 Fischer, Griff, S. 554.293 Aufzeichnung Ballins für das Gespräch mit Wilhelm II. am 4. September 1918: Stubmann, Feld, S. 226 f.294 Warburg, Zeiten, S. 53.295 Wolff, Marsch, S. 280.296 Zitiert nach Rosenbaum, Ballin, S. 298.297 Wiborg, Ballin, S. 126 ff.; Cecil, Ballin, S. 287 f. und Rosenbaum, Ballin, S. 298.298 Stubmann, Feld, S. 262 f.299 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 5: Nachtrag zu meinen Erinnerungen.300 Cecil, Ballin., S. 213; Wiborg, Ballin, S. 87.301 Plievier, Kaiser, S. 233 f.302 Straub, Ballin, S. 258.303 Hierzu gehören Theodor Wolff (Marsch, S. 280), Max von Schinckel (Lebenserinnerungen, S. 269), Fried-rich von der Ropp (Gestern, S. 100, 131) und Ernst Jäckh (Pflug, S. 191). Max Warburg (Aufzeichnungen, S. 69),Peter Franz Stubmann (Stunden, S. 17) und Bernhard von Bülow (Denkwürdigkeiten 3, S. 284) bestreiten hin-gegen, dass Ballin Selbstmord begangen habe.304 Rosenbaum, Ballin, S. 299.305 Erinnerungsworte an Albert Ballin: Stubmann, Feld, S. 124 ff.··············································································································································

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Epilog

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Schon zu seinen Lebzeiten übte die Bio-graphie Albert Ballins eine besondere Faszi-nation aus. Bereits 1907, anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Hapag und des 50.Geburtstags von Ballin, erschien das Werk„Ballin. Ein königlicher Kaufmann“, ver-fasst von Adolf Goetz. Die Autoren dernächsten Ballin-Biographien, Bernhard Hul-dermann und Peter Franz Stubmann, hattenbeide engen Kontakt zu Ballin gehabt undentwarfen in ihren 1922 bzw. 1926 veröffent-lichten Werken ein von Verehrung getrage-nes Bild, das allerdings bei anderen Zeitge-nossen, die ihn ebenfalls persönlich gekannthatten, auf Ablehnung stieß. ···································································Besonders vehement wurde das WerkHuldermanns von Johannes Merck ange-griffen. Dieser verschont – gelinde gesagt –in seinen „Erinnerungen“ Ballin nicht mitKritik und greift dabei immer wieder auf an-tisemitische Stereotype zurück, die (auch)im Hamburger Bürgertum der 1920er Jahreweit verbreitet waren. Um zwei „Bemerkun-gen“ zu zitieren: „Aber er war Jude, Ge-schäft war immer bei ihm die Hauptsache,deutsche Belange waren ihm im Grunde ne-bensächlich.“ „Ein großer CharakterfehlerBallins, vielleicht ein Rassenfehler, also et-was rein Jüdisches, und deshalb bis zu einemgewissen Grade bei ihm entschuldbar, warsein absoluter Mangel an Objektivität.“306

Theodor Wolff kommentierte solche Sicht-weisen folgendermaßen: „Ballin war nichtnur Jude, er war ‚anglophil’, also selbstver-ständlich so etwas wie ein Anwalt englischerWünsche, und das war noch schlimmer alsdie kaum anzuzweifelnde Tatsache, daß kei-ner seiner Urväter auf den Bärenfellen imgermanischen Walde lag.“307

···································································Auch Werner Sombart, einer der bekann-testen Nationalökonomen seiner Zeit, be-schäftigte sich mit Ballin. In seinem 1911 er-schienenen Werk „Die Juden und das Wirt-schaftsleben“ heißt es: „Der Unternehmeralten Stils trug noch ein branchenhaftes Ge-präge, der neue Unternehmertyp ist gänz-lich farblos. Wir können uns nicht vorstel-len, dass Alfred Krupp anderes als Guss-stahl, Borsig anderes als Maschinen, Wernervon Siemens anderes als Elektrizitätsgüterherstellten oder dass H. H. Meier etwas an-derem als dem Norddeutschen Lloyd vor-stand. Wenn Rathenau, Deutsch, Berliner,Arnold, Friedländer, Ballin morgen ihreStellungen untereinander vertauschten, wür-de vermutlich ihre Leistungsfähigkeit nichtsehr beträchtlich verringert werden. Weil siealle Händler sind, ist ihr zufälliges Tätig-keitsgebiet gleichgültig.“308

···································································Sombart vertrat die Auffassung, die euro-päischen Juden hätten bei der Entwicklung

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des modernen Kapitalismus eine zentraleRolle gespielt. Durch ihre Existenz als Wan-dervolk hätten sie nie eine Bindung zumBoden, dafür aber umso intensiver zum ab-strakten Wert des Geldes entwickelt undsich damit eine Befähigung zum Kapitalis-mus angeeignet, wie sie niemals ein sesshaf-tes Volks hätte entwickeln können.309 Som-bart – der später Sympathien für den Natio-nalsozialismus bekundete, sich aber 1938von dessen Rassentheorien distanzierte –griff auf das Stereotyp des „ewig handelndenJuden“ zurück und schlug mit seinem Werkdie Brücke zu einem explizit antisemiti-schen Antikapitalismus.···································································Damit war der Weg vorgezeichnet fürantisemitische Hetze, wie sie im bereits

erwähnten „Semi-Kürschner“ zu finden ist:„Seine Lobredner – denn wahre Freundehatte der angeblich beste Freund Wilhelmsaußer diesem Hohenzoller nirgends – vergli-chen ihn mit Cecil Rhodes und Rockefeller,seine Feinde – und deren hatte er am Elbe-strand eine Legion – nannten ihn den JudSüß von Potsdam.“310 Auch in dem 1938 er-schienen Werk von Kaspar Pinette „AlbertBallin und die deutsche Politik“, das die vonden Nationalsozialisten verbotenen Biogra-phien von Huldermann und Stubmann er-setzte, wird Ballin mit Jud Süß verglichen.311

···································································Hatte die Hapag während der WeimarerRepublik das Andenken an Albert Ballin da-durch zum Ausdruck gebracht, dass sie ihrerstes Flaggschiff nach dem Krieg auf seinen

„Albert Ballin“ nannte die Hapag nach dem Ersten Weltkrieg ihr erstes großes Passagierschiff, das 1923 in Dienst gestellt wurde

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Namen taufte, so wurde in den Jahren nach1933 die Erinnerung an ihn sukzessive aus-gelöscht: Im Oktober 1935 wurde die „AlbertBallin“, welche zuletzt unter Hakenkreuz-flagge gefahren war, stillschweigend in„Hansa“ umgetauft, nachdem sich ein NS-Amtsträger bereits ein Jahr zuvor über denNamen des Schiffes beschwert hatte.312

Hatte die Hapag bei der Umbenennungnoch lange gezögert, so brachte es das einstvon Ballin gegründete „Literarische Büro“dann 1937 allerdings tatsächlich fertig, in derJubiläumsschrift „Die Hamburg-AmerikaLinie. Gestern und heute – innen und au-ßen“, die zum 90-jährigen Jubiläum derReederei erschien, den Namen Albert Ballinkein einziges Mal zu erwähnen. Dafür wur-de vom Hakenkreuzbanner „als leuchten-dem Symbol wiedererrungener nationalerKraft und neuerstandener Volksgemein-schaft“ geredet.313 Dies zur Kenntnis neh-men zu müssen ist Marianne Ballin, die 1936starb, zum Glück erspart geblieben. Zumin-dest der ehemalige Kaiser im Exil hatte sichdes Generaldirektors erinnert und MarianneBallin zu ihrem 80. Geburtstag am 16. De-zember 1934 geschrieben: „Ich werde diesemMir treu ergebenen Manne stets ein ehren-des Andenken bewahren.“314

···································································Auch wenn es Albert Ballin, so zumindestder Journalist Wolf Schneider, nie gelungenist, „anders als Werner von Siemens oder Al-fred Krupp (…) sich im deutschen Gemützu verankern“,315 so muss man doch festhal-ten, dass nach 1945 zahlreiche Bemühungenunternommen wurden, der von den Natio-nalsozialisten betriebenen Verdrängung sei-ner Person aus dem öffentlichen Gedächtnisentgegen zu wirken. ···································································An erster Stelle ist die Umbenennung des

bisherigen Alsterdamms in Ballindamm imJahr 1947 zu nennen. Zehn Jahre später – zuBallins 100. Geburtstag, an dem der Senateinen Kranz an seinem Grab niederlegenließ – brachte die Deutsche Bundespost eineSondermarke heraus. Seit 1989 wird an Al-bert Ballin auch im Hamburger Rathaus er-innert. Sein Porträt wurde als 65. Relief-Me-daillon berühmter Hamburger Bürger inder Diele des Hauses angebracht. Bürger-meister Ingo von Münch würdigte ihn beidiesem Anlass als den bedeutendsten Mannder Hamburger Schifffahrtsgeschichte.316

···································································Wurde während der NS-Zeit der Ballin-Kai auf Steinwerder, eine Ehrung des Senatszum 25-jährigen Hapag-Jubiläum Ballins, inEuropa-Kai und das in den Jahren 1922/24von Hans und Oskar Gerson errichtete Bal-lin-Haus in Meßberghof umbenannt,317 sosind diese Bezeichnungen seit einigen Jah-ren wieder in das öffentliche Bewusstseinder Hamburger zurückgekehrt: Als sich

Briefmarke der Bundespost aus dem Jahr 1957

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1997 der Gründungstag der Hapag zum 150.Mal jährte, wurde das im Zweiten Weltkriegweitgehend unbeschädigt gebliebene Ham-burger Verwaltungsgebäude der inzwischenmit dem Norddeutschen Lloyd zur Hapag-Lloyd AG fusionierten Reederei offiziell aufden Namen Ballin-Haus getauft. Und vierJahre später erhielten die modernen Kaian-lagen des Container Terminals Altenwerderden Namen Ballinkai. ···································································2007 wurde in Hamburg-Veddel die Aus-stellung „BallinStadt – AuswandererweltHamburg“ eröffnet. In ihr wird die Rolleherausgestellt, die Hamburg in der Migrati-

onsgeschichte des 19. und 20. Jahrhundertsgespielt hat. Die Ausstellung rekonstruiertan originaler Stelle drei ursprüngliche Wohn-und Schlafpavillons der Auswandererstadt,die auf Initiative Ballins errichtet und 1901eröffnet wurde.···································································Schließlich – und damit soll diese Bio-graphie enden – bündelte 2008 ein Ham-burger Konsortium sein Engagement ineiner Kommanditgesellschaft namens „Ham-burgische Seefahrtsbeteiligung ‚Albert Bal-lin‘“ und konnte auf diese Weise erreichen,dass Hapag-Lloyd als eigenständige Reede-rei mit Sitz in Hamburg erhalten bleibt.

··············································································································································306 StA Hbg., 622-01⁄62 Familie Merck, II 8, Konv 2b: Meine Erinnerungen an die Hamburg-Amerika Linieund an Albert Ballin 1896‒1919 von Johannes Theodor Merck [Manuskriptreinschrift 1920‒1921], S. 154, 191. –Merck ergänzte seine Aufzeichnungen nach der Reinschrift immer wieder mit zusätzlichen Bemerkungen undMaterial.307 Wolff, Marsch, S. 248.308 Sombart, Juden, S. 133 f.309 Schmoll, Naturschutz, S. 176.310 Art. Ballin, Albert, S. 376.311 Pinette, Ballin, S. 10.312 Die Beschwerde ist abgedruckt bei Wiborg, Feld, S. 290.313 Hamburg-Amerika Linie, S. 3.314 Zitiert nach Hauschildt-Thiessen, Wilhelm II., S. 272.315 Schneider, Ballin, S. 92.316 Hamburger Abendblatt Nr. 208 (1. Dezember 1989).317 Ahrens; Hauschild-Thiessen, Reeder, S. 66.··············································································································································

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Anhänge

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Samuel Joel (Joseph) Ballin (1804–1874) OO 1841 in zweiter Ehe mit Amalia Meyer (geb. 1825)9 Kinder (außerdem 4 Kinder aus Ballins erster Ehe), darunter

Albert Ballin (1857–1918) OO 1883 Marianne Joachime Julie Rauert (1859–1936)1893 Adoption von Emma Auguste Anna Kirchheim, die den Namen Irmgard bekommt

Albert Heinz HerbertBielfeld (1911–1937)

··············································································································································Stammtafel (Auszug)··············································································································································

Harald Peter Bielfeld (1913–1944)

Ursula Marianne MargareteLuise Bielfeld (1915–1984)

OO 1945 Oscar Hueber(1910-2001)

2 Kinder

Heinz Peter Blasius Hueber(geb. 1947)

Harald Nepomuk Hueber(geb. 1948)

Irmgard Ballin (1892–1918) OO 1910 Heinz Peter Karl Alexander Bielfeld (1886–1949)3 Kinder

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··············································································································································Albert Ballin und die Hapag··············································································································································1875 Ballin erhält Prokura bei der Auswanderer-Agentur Morris & Co.1879 Ballin wird Mitinhaber von Morris & Co.1881 Ballin beginnt die Zusammenarbeit mit Edward Carr und dessen Reederei1886 Die Carr-Linie verbindet sich mit Robert Miles Sloman & Co. zur Union-Linie1886 Interessengemeinschaft zwischen der Union-Linie und der Hapag, die die Leitung

des Passagedienstes für beide Linien übernimmt; Ballin wird Leiter der Passageab-teilung

1888 Austritt Ballins bei Morris & Co., die Firma existiert noch bis 1907 im Handelsre-gister; Eintritt in den Vorstand der Hapag

seit 1891 Ballin baut die Hapag von einer reinen Reederei zu einem Tourismus-Anbieter aus1892 Die Union-Linie, die Hapag, der Norddeutsche Lloyd sowie die belgische Red Star

Linie und die Niederländisch-Amerikanische Dampfschifffahrtsgesellschaft bildenden Nordatlantischen Dampferlinienverband: Die Linien vereinbaren Preise undeine Aufteilung des Zwischendeckverkehrs

1897 Die Hapag ist erstmals die größte Reederei der Welt1898 Eröffnung des monatlichen Frachtdampferdienstes der Hapag nach Ostasien und

Übernahme der Kingsin-Linie1899 Ernennung Ballins zum Generaldirektor der Hapag1900 Die Hapag erwirbt die in der Südamerikafahrt tätige de Freitas-Linie1901 Betriebsgemeinschaft der Hapag mit der Hamburg Südamerikanischen Dampf-

schifffahrts-Gesellschaft und der Deutschen Dampfschifffahrtsgesellschaft Kosmos1901 Die Hapag beginnt, sich am internen Verkehr zwischen den ostasiatischen Häfen zu

beteiligen1902 Die Hapag und der Norddeutsche Lloyd schließen gemeinsam einen Vertrag mit

dem amerikanischen Morgan-Trust (IMMC), der nach einem Monopol im Nord-atlantikverkehr strebt

1905 Die Hapag übernimmt das Reisbüro von Carl Stangen und führt es als Reisebüroder Hamburg-Amerika Linie fort

1907/08 Die Woermann-Linie, die Hamburg-Bremer-Afrika-Linie, die Deutsche Ost-Afrika-Linie und die Hapag vereinbaren einen Gemeinschaftsdienst nach Afrika

1908 Gründung der Nordatlantik-Konferenz: Zehn Schifffahrtsgesellschaften und vier an-geschlossene Linien einigen sich auf ein Abkommen, das u.a. den Zwischendecks-verkehr von den nordeuropäischen und Atlantikhäfen nach Nordamerika regelt

1912 Auflösung des Vertrages mit der IMMC1913 Die Hapag kündigt die Verträge der Nordatlantik-Konferenz1915 Ballin beginnt, sich für ein Kriegsentschädigungsgesetz zugunsten der Schifffahrt

einzusetzen

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1916 Ballin entscheidet sich für eine Kooperation mit dem rheinischen Schwerindustriel-len Hugo Stinnes

1917 Das „Gesetz über die Wiederherstellung der deutschen Handelsflotte“ tritt in Kraft1917/18 Die Hapag engagiert sich zusammen mit Stinnes im rumänischen Erdölgeschäft; auf

Initiative Ballins wird die Deutsche Werft AG ins Leben gerufen, eine Gemein-schaftsgründung der Hapag, der AEG und der GHH

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Quellen, Literatur und Bildnachweis

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Es gibt weder ein Familienarchiv Ballin noch einenschriftlichen Nachlass Albert Ballins; auch im Ar-chiv der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stif-tung, das 1943/44 größtenteils vernichtet wurde,finden sich keine Quellen über Ballin. Im Bestands-verzeichnis zum Firmenarchiv der Hapag-Reedereiim Staatsarchiv Hamburg wird darauf hingewiesen,dass wahrscheinlich der zu Lebzeiten Ballins alsdessen Privatsekretär arbeitende Bernhard Hulder-mann einen Teil der Akten entfremdet hat. Hulder-mann konnte sich auf den Wunsch Ballins berufen,„seinen schriftlichen Nachlass zu ordnen und nachbestem Ermessen zu verwerten“ (Huldermann, Bal-lin, Vorwort). Vereinzelt tauchen im Antiquariats-handel immer wieder Bruchstücke der Ballin-Über-lieferung auf. Ballin selbst hat nie ein Tagebuchgeführt, und der größte Teil der Briefe des Kaisersan ihn wurde schon vor dem 9. November 1918 ver-nichtet.··································································· Ungedrucktes Quellenmaterial zu Albert Ballin be-findet sich im Politischen Archiv des AuswärtigenAmts Berlin, in den Bundesarchiven Berlin, Frei-burg und Koblenz, im Archiv der Hapag-Lloyd AGHamburg und im Staatsarchiv Hamburg (zu bei-den letzteren vgl. die entsprechenden Anmerkun-gen dieser Arbeit), ferner im The Warburg InstituteArchive London sowie in The National ArchivesLondon und The National Archives Washington.Eine ausführliche (allerdings nicht mehr ganz aktu-elle) Übersicht über die Archivbestände befindetsich bei Cecil, Ballin, S. 301-305; außerdem gibt eshierzu Hinweise bei Ahrens; Hauschild-Thiessen,Reeder, S. 68.··································································· Aargaard, Bjarne: The life of Albert Ballin,London [ca. 1925]

Ahrens, Gerhard; Hauschild-Thiessen,Renate: Die Reeder: Laeisz, Ballin, Hamburg1989 (Hamburgische Lebensbilder in Darstellungenund Selbstzeugnissen; 2)Art. Ballin, Albert, in: Ekkehard, Erich: Si-gilla veri [Siegel der Wahrheit, JG] (Ph. Stauff ’sSemi-Kürschner). Lexikon der Juden, -Genossenund -Gegner aller Zeiten und Zonen, insbesondereDeutschlands, der Lehren, Gebräuche, Kunstgriffeund Statistiken der Juden sowie ihrer Gaunerspra-chen, Trugnamen, Geheimbünde, Band 1, Erfurt1929, S. 369–378Ballin, Gerhard: Die Familie des HamburgerReeders Albert Ballin und ihre Herkunft, in: Nord-deutsche Familienkunde 26, 3 (1977), S. 65–69 Benja, Günter: Zum 150. Geburtstag AlbertBallins, in: Schiff & Zeit/Panorama maritim 65(2007), S. 13–15Berghahn, Volker R.: Der Tirpitz-Plan. Gene-sis und Verfall einer innenpolitischen Krisenstrate-gie unter Wilhelm II., Düsseldorf 1971 (Geschicht-liche Studien zu Politik und Gesellschaft; 1)Blaich, Fritz: Kartell- und Monopolpolitik imkaiserlichen Deutschland. Das Problem der Markt-macht im deutschen Reichstag zwischen 1879 und1914, Düsseldorf 1973 (Beiträge zur Geschichte desParlamentarismus und der politischen Parteien; 50)Böhlke-Itzen, Janntje: Kolonialschuld undEntschädigung. Der deutsche Völkermord an denHerero 1904–1907, Frankfurt am Main 2004 (Per-spektiven Südliches Afrika; 2)Bracker, Jörgen: Dampfer Imperator. Das rie-sige Friedensschiff, in: Plagemann, Volker (Hg.):Industriekultur in Hamburg. Des Deutschen Rei-ches Tor zur Welt, München 1984, S. 64–68 Buchwald, Wolfgang: Das Dorf Hamfelde imLauenburgischen, Schwarzenbek 2001

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Bühler, Andreas Heinrich: Der Namaauf-stand gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Na-mibia von 1904–1913, Frankfurt am Main, London2003 (Wissenschaftliche Reihe InformationsstelleSüdliches Afrika; 27)Bülow, Bernhard von: Denkwürdigkeiten.Band 1: Vom Staatssekretariat bis zur Marokko-Krise, Berlin 1930Ders.: Denkwürdigkeiten. Band 3: Weltkrieg undZusammenbruch, Berlin 1931Cecil, Lamar: Albert Ballin. Wirtschaft und Po-litik im deutschen Kaiserreich 1888–1918, Hamburg1969Ders.: Wilhelm II. und die Juden, in: Mosse, Wer-ner E. (Hg.): Juden im Wilhelminischen Deutsch-land 1890–1914, Tübingen 1976 (Schriftenreihewissenschaftlicher Abhandlungen des Leo BaeckInstituts; 33), S. 313–347Churchill, Winston S.: Weltkrisis. Band 1:1911–1914, Leipzig 1924Cohen, Paul A.: History in three keys. The Bo-xers as event, experience and myth, New York 1997Detlefsen, Gert U.: Die Stinnes Reedereien.Eine Darstellung der Schiffahrtsinteressen desGroßindustriellen Hugo Stinnes, seiner Nachfah-ren Hugo jr., Otto und Matthias Stinnes sowie ih-rer Reedereien, Bad Segeberg, Cushaven 1998Die Deutschen Dokumente zum Kriegs-ausbruch 1914. Herausgegeben im Auftrage desAuswärtigen Amtes. Erster Band: Vom Attentat inSarajevo bis zum Eintreffen der serbischen Ant-wortnote in Berlin nebst einigen Dokumenten ausden vorhergehenden Wochen, Berlin 21922Drechsler, Horst: Aufstände in Südwest-afrika. Der Kampf der Herero und Nama 1904 bis1907 gegen die deutsche Kolonialherrschaft, Berlin1984Engelmann, Bernt: Albert Ballin, in: Ders.;Kruse, Sabine (Hg.): „Mein Vater war portugiesi-scher Jude …“. Die sefardische Einwanderung nachNorddeutschland um 1600 und ihre Auswirkungenauf unsere Kultur, Göttingen 1992, S. 201–206 Epkenhans, Michael (Hg.): Albert Hopman.Das ereignisreiche Leben eines „Wilhelminers“. Ta-gebücher, Briefe und Aufzeichnungen 1901 bis 1920,München 2004 (Beiträge zur Militärgeschichte; 62) Feldman, Gerald D.: Hugo Stinnes. Biogra-phie eines Industriellen 1870–1924, München 1998Fischer, Fritz: Griff nach der Weltmacht. Die

Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland1914/1918, Düsseldorf 1967 (Sonderausgabe)Frankfurter Zeitung und HandelsblattNr. 5 (5. Januar 1915): Das nasse DreieckFürstenberg, Hans (Hg.): Carl Fürstenberg.Die Lebensgeschichte eines deutschen Bankiers:1870–1914, Berlin 1931 Gerhardt, Johannes: Sophie Christine undCarl Heinrich Laeisz. Eine biographische Annähe-rung an die Zeiten und Themen ihres Lebens,Hamburg 2007 (Mäzene für Wissenschaft; 2)Goetz, Adolf: Ballin. Ein königlicher Kauf-mann, Berlin, Leipzig 1907 Görlitz, Walter (Hg.): Regierte der Kaiser?Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe desChefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alex-ander von Müller 1914–1918, Göttingen, Berlin,Frankfurt am Main 1959 Groppe, Hans-Hermann: Hamburg als Aus-wandererhafen, in: Ders.; Wöst Ursula (Hg.): ÜberHamburg in die Welt. Von den Auswandererhallenzur BallinStadt, Hamburg 2007, S. 12–27Groppe, Hans-Hermann: Modellstadt Aus-wandererhallen – „Eine Stadt für sich“, in: Ders;Wöst Ursula (Hg.): Über Hamburg in die Welt.Von den Auswandererhallen zur BallinStadt, Ham-burg 2007, S. 34–49Guttmann, Bernhard: Schattenriß einer Ge-neration 1888-1919, Stuttgart 1950Hamann, Johann; Hamann, Heinrich:Traumreisen – Kreuzfahrt – „Excursionen“ vonHamburg in die Welt in den Jahren 1891–1914. MitTexten von Susanne Wiborg, Hamburg 1995Hamburg-Amerika Linie: Die Hamburg-Ame-rika Linie. Gestern und heute – innen und außen,Hamburg 1937Hamburger Abendblatt Nr. 280 (1. Dezember1989): Späte Ehrung für Carl von Ossietzky und Al-bert BallinHamburger Echo Nr. 242 (14. Okbober 1904):Bade bei BallinHamburger Fremdenblatt Nr. 17 (21. Januar1891): Passagier-Liste des Doppelschrauben-Schnell-dampfers „Auguste Victoria“; Nr. 114 (23. Juni1910): Der Kaiser in Hamburg; Nr. 120 (24. Mai1912): Der StapellaufHamburger Neueste Nachrichten Nr. 49(28 Februar 1900): Kriegsflotte und Welthandel;Nr. 144 (23. Juni 1910): Der Kaiser in Hamburg

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Hamburgischer Correspondent Nr. 9 (6.Januar 1900): Die Flottenvorlage vom Standpunktder Handelsinteressen Deutschlands; Nr. 260 (23.Mai 1912): Der Stapellauf des Riesendampfers „Im-perator“; Nr. 380 (29. Juli 1914): GeneraldirektorBallin über die politische LageHapag-Lloyd-Aktiengesellschaft: Das Bal-lin-Haus, Hamburg 1998 Hauschild-Thiessen, Renate: Der Generaldi-rektor der Hapag 1899–1918, in: Plagemann, Volker(Hg.): Übersee. Seefahrt und Seemacht im deut-schen Kaiserreich, München 1988, S. 244–245 Dies.: Wilhelm II. im Exil, Cornelius Freiherr v.Berenberg-Gossler und andere Hamburger, in:Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter 15,11(2009), S. 270–280Heckscher, Siegfried: Albert Ballin, in: RoterTag (3. Januar 1922)Herschel, Frank B.: Hapag. Entwicklung undBedeutung der Hamburg-Amerika Linie, Charlot-tenburg 1912Hildebrand, Klaus: Das vergangene Reich.Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler1871–1945, Darmstadt 21996Himer, Kurt: 75 Jahre Hamburg-Amerika Linie.I. Teil: Adolph Godeffroy und seine Nachfolger,Hamburg 1922 Ders.: Geschichte der Hamburg-Amerika Linie.2. Teil: Albert Ballin, Hamburg 1927Huldermann, Bernhard: Albert Ballin, Ol-denburg, Berlin 1922Hutten-Czapski, Bogdan Graf von: Sech-zig Jahre Politik und Gesellschaft. Zweiter Band,Berlin 1936Imperator auf See. Gedenkblätter an die ersteAusfahrt des Dampfers Imperator am 11. Juni 1913,hg. vom Literarischen Bureau der Hamburg-Ame-rika Linie, Hamburg 1913Jäckh, Ernst: Der goldene Pflug. Lebensernteeines Weltbürgers, Stuttgart 1954Jochmann, Werner: Handelsmetropole desDeutschen Reiches, in: Ders.; Loose, Hans-Dieter(Hg.): Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrerBewohner, Band 2: Vom Kaiserreich bis in die Ge-genwart, Hamburg 1986, S. 15–129Klein, Gottfried: Art. Ballin, Albert, in: NeueDeutsche Biographie, hg. von der HistorischenKommission der Bayerischen Akademie der Wis-senschaften, Band 1, Berlin 1953, S. 561–562

Klemm, David: HAPAG-Verwaltungsgebäude,Ballindamm/Ferdinandstraße, 1900–1903. in: Horn-bostel, Wilhelm; Klemm, David (Hg.): MartinHaller. Leben und Werk 1835–1925, Hamburg 1997(Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturar-chivs), S. 160–161Ders.: Das Schiffahrtsplakat im Wandel der Zei-ten, in: Matthes, Olaf; Prange, Carsten (Hg.):Hamburg und die Hapag. Seefahrt im Plakat,Hamburg 2000, S. 42–55Kludas, Arnold: Die Geschichte der Hapag-Schiffe. Band 2: 1901-1914, Bremen 2008Kolb, Eberhard: Der Frieden von Versailles,München 2008 (Beck’sche Reihe; 2375)Kühlmann, Richard von: Erinnerungen, Hei-delberg 1948Lepsius, Johannes; Mendelssohn-Bartholdy,Albrecht; Thimme, Friedrich (Hg.): Die gro-ße Politik der europäischen Kabinette 1871–1914.Band 24: Deutschland und die Westmächte, Berlin1925Dies. (Hg.): Die große Politik der europäischenKabinette 1871–1914. Band 28: England und diedeutsche Flotte 1908–1911, Berlin 21927Dies. (Hg.): Die große Politik der europäischenKabinette 1871–1914. Band 31: Das Scheitern derHaldane-Mission und ihre Rückwirkung auf dieTripelntente 1911–1912, Berlin 21927Leutner, Mechthild; Mühlhahn, Klaus(Hg.): Kolonialkrieg in China. Die Niederschla-gung der Boxerbewegung 1900–1901, Berlin 2007(Schlaglichter der Kolonialgeschichte; 6)Lewinsohn, Richard: Art. Ballin, Albert, in:Herlitz, Georg; Kirschner, Bruno (Hg.): JüdischesLexikon: ein enzyklopädisches Handbuch jüdi-schen Wissens in vier Bänden, Band 1, Berlin 1927,S. 697–698Machtan, Lothar: Die Abdankung. WieDeutschlands gekrönte Häupter aus der Geschichtefielen, Berlin 2008Mathies, Otto: Hamburgs Reederei 1814–1914,Hamburg 1924Matthes, Olaf: Die HAPAG – ein historischerStreifzug, in: Ders.; Prange, Carsten (Hg.): Ham-burg und die Hapag. Seefahrt im Plakat, Hamburg2000, S. 6–17Mosse, Werner E.: Die Juden in Wirtschaftund Gesellschaft, in: Ders. (Hg.): Juden im Wilhel-minischen Deutschland 1890–1914, Tübingen 1976

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(Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungendes Leo Baeck Instituts; 33), S. 57–113Ders.: Wilhelm II. and the Kaiserjuden. A Proble-matical Encounter, in: Reinharz, Jehuda; Schatz-berg, Walter (Hg.): The Jewish response to Germanculture. From the enlightenment to the secondworld war, Hanover, London 1985, S. 164–194Ders.: Drei Juden in der Wirtschaft Hamburgs:Heine – Ballin – Warburg, in: Herzig, Arno (Hg.):Die Juden in Hamburg 1590 bis 1990. Wissen-schaftliche Beiträge der Universität Hamburg zurAusstellung „Vierhundert Jahre Juden in Ham-burg“, Hamburg 1991, S. 431–446Murken, Erich: Die großen transatlantischen Li-nienreederei-Verbände, Pools und Interessengemein-schaften bis zum Ausbruch des Weltkrieges. Ihre Ent-stehung, Organisation und Wirksamkeit, Jena 1922Nathan, Kurt: Der deutsche Schiffahrtskampfvon 1913. Das Hapag/Lloyd-Problem vor dem Welt-krieg. Ein Beitrag zur Frage der deutschen Groß-schiffahrtsorganisation, Dissertation Kiel 1935Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte1866–1918. Band 2: Machtstaat vor der Demokra-tie, München 1992Pelc, Ortwin: Von Hamburg um die Welt. DieFahrtgebiete der HAPAG im 19. und 20. Jahrhun-dert, in: Matthes, Olaf; Prange, Carsten (Hg.):Hamburg und die Hapag. Seefahrt im Plakat,Hamburg 2000, S. 18–29Petzet, Arnold (Hg.): Heinrich Wiegand. EinLebensbild, Bremen 1932Pfeiffer-Belli, Wolfgang (Hg.): Harry GrafKessler. Tagebücher 1918–1937, Frankfurt am Main1961Pierenkemper, Toni: Gewerbe und Industrieim 19. und 20. Jahrhundert, München 1994 (Enzy-klopädie deutscher Geschichte; 29)Pinette, Kaspar: Albert Ballin und die deutschePolitik: ein Beitrag zur Geschichte von Staat undWirtschaft 1900-1918, Hamburg 1938Plievier, Theodor: Der Kaiser ging, die Gene-räle blieben. Vorwort von Hans-Harald Müller,Frankfurt am Main 1981 (Bibliothek der verbrann-ten Bücher)Prange, Carsten: Zur Entwicklung der Passa-gierschiffahrt bei der HAPAG und dem Norddeut-schen Lloyd, in: Matthes, Olaf; Prange, Carsten(Hg.): Hamburg und die Hapag. Seefahrt im Pla-kat, Hamburg 2000, S. 30–41

Pulzer, Peter: Die jüdische Beteiligung an derPolitik, in: Mosse, Werner E. (Hg.): Juden im Wil-helminischen Deutschland 1890–1914, Tübingen1976 (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlun-gen des Leo Baeck Instituts; 33), S. 143–239 Ritter, Gerhard A.: Der Kaiser und sein Ree-der. Albert Ballin, die HAPAG und das Verhältnisvon Wirtschaft und Politik im Kaiserreich und inden ersten Jahren der Weimarer Republik, in: Zeit-schrift für Unternehmensgeschichte 42 (1997), S. 137–162 Röhl, John C. G.: Philipp Graf zu Eulenburg –des Kaisers bester Freund, in: Ders.: Kaiser, Hofund Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik,München 41995, S. 35–77Ders.: Kaiser Wilhelm II. und der deutsche Anti-semitismus, in: Ders.: Kaiser, Hof und Staat. Wil-helm II. und die deutsche Politik, München 41995,S. 203–222Rohrmann, Elsbea: Max von Schinckel. Han-seatischer Bankmann im wilhelminischen Deutsch-land, Hamburg 1971 (Veröffentlichungen desHWWA-Institut für Wirtschaftsforschung-Ham-burg)Ropp, Friedrich von der: Zwischen Gesternund Morgen. Erfahrungen und Erkenntnisse,Stuttgart 1961Rosenbaum, Eduard: Albert Ballin: a note onthe Style of his economic and political Activities, in: Leo Baeck Institute: Year-book 3 (1958), S. 257–299 Sächsische Industrie 3/4 (1915/16): General-direktor Ballin über die Freiheit der Meere, S. 22-23Schiefler, Gustav: Eine Hamburgische Kultur-geschichte 1890–1920. Beobachtungen eines Zeit-genossen. Bearbeitet von Gerhard Ahrens, HansWilhelm Eckhardt und Renate Hauschild-Thies-sen, Hamburg 1985 (Veröffentlichungen/Verein fürHamburgische Geschichte: 27)Schinckel, Max von: Lebenserinnerungen,Hamburg 1929Schmidt-Ott, Friedrich: Erlebtes und Er-strebtes, 1860–1950, Wiesbaden 1952Schmoll, Friedemann: Naturschutz und Anti-semitismus zwischen Kaiserreich und Nationalso-zialismus, in: Radkau, Joachim; Uekötter, Frank(Hg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frank-furt, New York 2003 (Geschichte des Natur- undUmweltschutzes; 1), S. 169–182

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Schneider, Wolf: „Mein Feld ist die Welt“. Al-bert Ballin, in: Geo Special Hamburg, Hamburg2001, S. 92–100Schölzel, Christian: Albert Ballin (1857–1918): „Ein Schiffsherr ist’s … Ein Kaiser neigt sichvor dem jüdischen Mann …“, Teetz 2004Schröder, Hans Joachim: Die Brüder Augus-tus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk, Ham-burg 2009 (Mäzene für Wissenschaft; 5)Schultz, Bernd (Hg.): James Simon. Philan-throp und Kunstmäzen, München 22007Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftli-chen Entwicklung. Eine Untersuchung über Unter-nehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Kon-junkturzyklus, Berlin 51952Seiler, Otto J.: Einhundert Jahre Ostasienfahrtder Hapag Lloyd AG, Hamburg 1986Singer, Kurt: Der Tod Albert Ballins, in: Ders.:Staat und Wirtschaft seit dem Waffenstillstand,Jena 1924, S. 8–13Sombart, Werner: Die Juden und das Wirt-schaftsleben, München, Leipzig 1918Sösemann, Bernd (Hg.): Theodor Wolff. Tage-bücher 1914–1919. Der Erste Weltkrieg und die Ent-stehung der Weimarer Republik in Tagebüchern,Leitartikeln und Briefen des Chefredakteurs am„Berliner Tageblatt“ und Mitbegründers der „Deut-schen Demokratischen Partei“ 2 Teile, Boppard1984 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20.Jahrhunderts; 54) Straub, Eberhard: Albert Ballin. Der Reederdes Kaisers, Berlin 2001Stubmann, Peter Franz: Albert Ballins letzteStunden, in: Welt am Sonntag Nr. 45 (9. Novem-ber 1958)Ders.: Mein Feld ist die Welt: Albert Ballin, seinLeben, Hamburg 1960 [erweiterte Neuauflage der1926 erschienenen Ballin-Biographie, die 1933 ver-nichtet wurde]Tirpitz, Alfred von: Ballins politische Weltan-schauung, in: Deutsche Allgemeine Zeitung Nr. 157.(2. April 1922)Ders.: Politische Dokumente. Band 1: Der Aufbauder deutschen Weltmacht, Stuttgart, Berlin 1924Trepsdorf, Daniel K. W.: Afrikanisches AlterEgo und europäischer Egoismus. Eine komparativeStudie zur Selbst- und Fremdenperzeption im wil-helminischen Deutschland und spätviktoriani-schen Großbritannien (1884–1914), Dresden 2006

Turbinen-Schnelldampfer Imperator, hg.vom Literarischen Bureau der Hamburg-AmerikaLinie, Hamburg 1913Ullmann, Hans-Peter: Das Deutsche Kaiser-reich 1871-1918, Frankfurt am Main 1995Ullrich, Volker: Die nervöse Großmacht. Auf-stieg und Untergang des deutschen Kaiserreichs1871–1914, Frankfurt am Main 1997Vierhaus, Rudolf (Hg.): Das Tagebuch derBaronin Spitzemberg geb. Freiin v. Varnbühler:Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Ho-henzollernreiches, Göttingen 51989 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts; 43)Vietsch, Eberhard von (Hg.): Gegen die Un-vernunft. Der Briefwechsel zwischen Paul GrafWolff Metternich und Wilhelm Solf 1915–1918. Mitzwei Briefen Albert Ballins, Bremen 1964 (Zeugenihrer Zeit) Warburg, Eric M.: Das Ende Ballins, in: DieZeit Nr. 52 (27. Dezember 1956)Ders.: Zeiten und Gezeiten. Erinnerungen, Ham-burg 1982Warburg, Max M.: Aus meinen Aufzeichnun-gen, New York 1952 [als Privatdruck erschienen]Wegner, Matthias:Hanseaten. Von stolzenBürgern und schönen Legenden, Berlin 2001Wehler, Hans-Ulrich: Das Deutsche Kaiser-reich 1871–1918, Göttingen 71994 (Kleine Vanden-hoeck-Reihe; 1380)Wiborg, Susanne; Wiborg, Klaus: 1847–1997. Unser Feld ist die Welt. 150 Jahre Hapag-Lloyd, Hamburg 1997Wiborg, Susanne: Mit Volldampf der Zeit vor-aus, in: Die Zeit Nr. 30 (17. Juli 2003)Dies.: Albert Ballin, Hamburg 32007 (HamburgerKöpfe) Wigoder, Geoffrey: Art. Ballin, Albert, in:Dictionary of Jewish biography, New York, Lon-don, Toronto u. a. 1991, S. 44Williamson, Samuel R.: The politics of grandstrategy. Britain and France prepare for war, 1904–1914, Cambridge, Massachusetts 1969Witthöft, Hans Jürgen: HAPAG. Hamburg-Amerika Linie, Herford 31997Wolff, Theodor: Der Marsch durch zwei Jahr-zehnte, Amsterdam 1936 Wulf, Peter: Schwerindustrie und Seeschiffahrtnach dem Ersten Weltkrieg: Hugo Stinnes und die

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Hapag, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirt-schaftsgeschichte 67 (1980), S. 1–21Zbikowski, Dörte: Die Sammlung Rauert inihrer Zeit, in: Caspers, Eva; Henze, Wolfgang;Lwowski, Hans-Jürgen (Hg.): Nolde, Schmidt-Rottluff und ihre Freunde. Die Sammlung Marthaund Paul Rauert Hamburg 1905-1958, Hamburg1999, S. 11–96Zielenziger, Kurt: Albert Ballin, in: Ders.:Juden in der deutschen Wirtschaft, Berlin 1930, S. 175–191 Zimmerer, Jürgen: Deutsche Herrschaft überAfrikaner. Staatlicher Machtanspruch und Wirk-lichkeit im kolonialen Namibia, Hamburg 2001(Europa-Übersee. Historische Studien; 10)Ders.; Zeller, Joachim (Hg.): Völkermord inDeutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904–1908) in Namibia und seine Folgen, Berlin 2003···································································

Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nichtfür alle Abbildungen die Rechteinhaber ermitteltwerden. Sollte jemand in urheberrechtlicher Bezie-hung Rechte geltend machen, so möge er sich andie Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung wen-den.··································································· Bildnachweis:bpk (S. 103)bpk/Th. Jürgensen (S. 83)Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv (S. 56)Denkmalschutzamt Hamburg Bildarchiv/HeinrichHamann (S. 57)Foto Sebastian Frost (S. 7)Hamburger Abendblatt/Klaus Bodig (S. 76) Hapag-Lloyd AG, Hamburg (S. 8, 14, 16 f., 27 ff.,31 f., 36 f., 40 ff., 45–52, 55, 58, 62 f., 66, 73 f., 85, 112,118 f.)Hugo Stinnes KG (S. 96) Museum für Hamburgische Geschichte/v. Rosa-lowski (S. 75)Privatarchiv Heinz Hueber (S. 18 f., 105)Staatsarchiv Hamburg (restliche Bilder)Stubmann, Peter Franz: Mein Feld ist die Welt:Albert Ballin, sein Leben, Hamburg 1960 (S. 11)VG Bild-Kunst, Bonn 2008 (S. 53 f.)

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Verzeichnet sind die Namen von Personen, die inden Kapiteln 1 bis 6 genannt werden. Anmerkun-gen bleiben unberücksichtigt, ebenso der NameAlbert Ballin. Ein * verweist darauf, dass auf der an-gegebenen Seite (auch) ein Bild der jeweiligen Per-son bzw. der Name eines Malers erscheint. Bei denVornamen findet in den meisten Fällen eine Be-schränkung auf den Rufnamen statt. Adelstitel wer-den im Register weggelassen, da sie im Haupttextvermerkt sind.···································································Ahrens, Eduard 29Albert I., König der Belgier 102Arn(h)old, Eduard (?) 117Auerbach, Berthold 11Auguste Victoria, Deutsche Kaiserin 33, 76··································································· Bach, Franz 30Ballin, Amalia 10, 11*, 12, 25Ballin, Irmgard 18*, 19*, 77, 113Ballin, Marianne 18*, 19*, 20*, 35, 72, 110, 113, 119Ballin, Samuel Joel (Joseph) 10, 11*, 12Barlach, Ernst 30Bassewitz 77Bauer, Gustav 77Bethmann Hollweg, Theobald 77, 79, 85, 86, 87,94, 99, 100, 102Berg, Friedrich 108, 109Berliner, Joseph 117Bielfeld, Heinz 77, 105, 106Bismarck, Otto 59, 82Blumenthal, Schiffsingenieur 20Bohrdt, Hans 53*, 54*Bornemann 52*Borsig, August 117Bosse, A. 62*Bülow, Bernhard 79, 82, 84, 92

Bülow, Otto 77Burchard, Johann Heinrich 77··································································· Caprivi, Leo 77Carr, Edward 13, 15, 24Cassel, Ernest 77, 84, 85*, 86, 87Cassel, Felix 85*Cecil, Lamar 44, 86, 94, 101Churchill, Winston 86, 93Cuno, Wilhelm 98··································································· Delbrück, Clemens 100Delbrück, Hans 103Dernburg, Bernhard 103Deutsch, Felix 117··································································· Ecker, Dr. 62*Edens, Henning 7*Edward VII., König von Großbritannien undIrland 85Eggers 77Einstein, Albert 103Erzberger, Matthias 64Eulenburg, August 77··································································· Fischer, Fritz 102, 109Fischer, Karl 110Francke, Ernst 37Friedlaender (?), Friedrich 117Fürstenberg, Aniela 74Fürstenberg, Carl 19, 74, 77, 80, 94··································································· Geißler, Hermann 29Gerson, Hans 119Gerson, Oskar 119Godeffroy, Adolph 24Goetz, Adolf 117

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Namensregister

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Goetzen, Graf von 77Goldmann, Professor 11Goschen, Edward 94Graupenstein, Friedrich Wilhelm 14*Grey, Edward 86, 92, 93··································································· Haldane, Richard 86, 87, 93Haller, Martin 29, 31Harden, Maximilian 80Heckscher, Siegfried 83Helfferich, Karl 95Helmolt 63*Himer, Kurt 22, 29Hindenburg, Paul 99, 103*, 107Hirsch, Samuel Moritz 10Hitler, Adolf 104Hoffmann, Ludwig 31Höger, Fritz 30Holtzendorff, Arndt 99, 100, 101, 104Holtzendorff, Henning 83*Hornicke, Demetrius 43Huben, E. 83Hugenberg, Alfred 97, 107Hulbe, Georg 76Huldermann, Bernhard 80, 93, 117, 118Hutten-Czapski, Bogdan 108··································································· Ilberg, Friedrich 77··································································· Jäckh, Ernst 100Jagow, Gottlieb 92, 93, 99Jürgens 52*··································································· Kallmorgen, Georg 72Kennan, George 90, 94Krupp, Alfred 117, 119Kühlmann, Richard 19, 99

··································································· Laeisz, Carl 25, 26*, 61Laeisz, Ferdinand 24, 25Lichnowsky, Karl Max 93Ludendorff, Erich 99, 103*, 107, 108Lundt, Werner 72··································································· Max, Thronfolger des Großherzogtums Baden 107Meier, Hermann Henrich 117Mensing 77Merck, Ernst 24Merck, Johannes 39, 40, 59, 64, 77, 110, 117Mewes, Charles 34, 43, 77Meyer, Joseph 10Morgan, John Pierpont 59, 65*, 66, 67Morley, John 93Müller, Georg Alexander 77, 98, 109Münch, Ingo 119Murken, Erich 22··································································· Naumann, Friedrich 100Nipperdey, Thomas 101Nolde, Emil 18··································································· Ohlendorff, Heinrich 77O’Swald, William 77··································································· Peters, H. 63*Pinette, Kaspar 118Platon 100Plessen, Hans 77Plievier, Theodor 110Predöhl, Max 77··································································· Quidde, Ludwig 103··································································· Rathenau, Walther 77, 97, 117

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Rauert, Paul 18Reuchlin, J. G. 62*Reuchlin, O. 63*Reusch, Paul 97Reuter, Bernhard 43Rhodes, Cecil 118Ritter, Gerhard A. 107Rockefeller, John 118Rohrbach, Paul 103Ropp, Friedrich 79Rosenbaum, Eduard 22, 110, 113··································································· Sachse 77Scheidemann, Philipp 110Schiefler, Gustav 30Schinckel, Max 22, 40, 59, 77, 97, 98, 102, 106Schmidt-Rottluff, Karl 18Schmoller, Gustav 59, 103Schneider, Wolf 119Schröder, Carl August 77Schumpeter, Joseph 13Schwarz, Direktor 77Schwormstädt, Felix 55*Seyde 62*Siemens, Werner 117, 119Simon, James 79Singer, Kurt 7Sloman, Robert Miles jr. 13Sombart, Werner 117, 118Stangen, Carl 47Stinnes, Hugo 96*, 97, 98, 104, 107, 108, 109Storm, Ad. 62*Strasser, E. 62*Strasser, Mariette 77Stresemann, Gustav 96Stubmann, Peter 26, 110, 113, 117, 118Süß Oppenheimer, Joseph 118···································································

Tatter, Ch. 62*Tirpitz, Alfred 83*, 84, 86, 87, 92, 94, 106Toorn, W. H. 63*Treuteler, Karl Georg 77Troeltsch, Ernst 103Trotha, Lothar 64··································································· Valentini, Rudolf 77Vorwerk, Adolph 61··································································· Wahnschaffe, Arnold 100, 101Warburg, Eric 109Warburg, Max 40, 79, 80, 85*, 93, 109, 113Warnholtz 77Weber, Alfred 103Weber, Max 22, 103Wiborg, Susanne 40, 82Wiegand, Heinrich 26, 37, 63*, 66*Wiese, Leopold 103Wilhelm, Kronprinz des Deutschen Reiches 77Wilhelm II., Deutscher Kaiser 8, 36, 39, 41, 46*,53, 64, 66, 74, 75*, 76, 77, 79, 80, 83*, 84, 86, 90,92, 98, 99, 103*, 108, 109, 118, 119Wilmink, J. 63*Wilson, Woodrow 107, 108, 109Witt 77Woermann, Adolph 26, 61, 64, 97Woermann, Eduard 97, 98Wolff, Guido 26Wolff, Theodor 20, 74, 79, 80, 81, 101, 102, 103,109, 117Wolff Metternich, Paul 92, 106, 108Wolffsohn, Wilhelm 12··································································· Zeppelin, Ferdinand 47Zielenziger, Kurt 67

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Bibliografische Information der Deutschen Natio-nalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbiografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber http://dnb.d-nb.de abrufbar.Die Online-Version dieser Publikation ist auf derVerlagswebsite frei verfügbar (open access). DieDeutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublika-tion archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Archiv-server der Deutschen Nationalbibliothek verfügbar.

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ISBN 978-3-937816-67-8ISSN 1864-3248

© 2009 Hamburg University Press, Verlag derStaats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carlvon Ossietzky, Deutschland

Produktion: Elbe-Werkstätten GmbH, Hamburg,Deutschland, http://ew-gmbh.deGrundgestaltung: Peter Schmidt Group, HamburgLayout: Michael SauerLektorat: Renate GerhardtHerausgeber: Dr. Ekkehard Nümann

Besonders bedanken möchte ich mich bei denjenigen,die das Manuskript oder Teile davon gelesen undwichtige Hinweise gegeben haben: Prof. Dr. LudwigGerhardt, Renate Gerhardt, Frank Glashoff, Prof. Dr.Horst Gronemeyer, Prof. Dr. Wilhelm Hornbostel,Mag. Heinz Hueber, Prof. Dr. Hans-Dieter Loose, Dr.Ekkehard Nümann, Klaus Pidde, Prof. Dr. BarbaraVogel und Susanne Wiborg. Alle dennoch im Text ver-bliebenen Fehler und Irrtümer sind selbstverständlichdem Autor zuzuschreiben. (JG)

Hamburgische Wissenschaftliche StiftungEdmund-Siemers-Allee 1, Raum 11320146 Hamburghttp://hmb-wiss-stift.de

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Ein beispielloser Aufstieg: vom drei-zehnten Kind eines armen jüdischenAuswandereragenten zum „Souveränder Seefahrt“ und „Freund“ des Kai-sers. Wenig verwunderlich, dass Al-bert Ballin eine der hervorragendstenGestalten des wilhelminischen Kai-serreiches war. Von Beginn an sorgteer bei der Hamburg-AmerikanischenPacketfahrt-Actien-Gesellschaft, kurzHapag genannt, für Aufsehen. Diesestieg unter der Führung ihres Mana-gers Ballin zur größten Reederei derWelt auf.

Von 1907 bis zu seinem tragischenTod am 9. November 1918 gehörteBallin dem Kuratorium der Ham-burgischen Wissenschaftlichen Stif-tung an und hat auch hier auf beson-dere Weise gewirkt. Als Mitglied desExpeditionsausschusses trug er we-sentlich zum Zustandekommen dergroßen Südsee-Expedition in denBismarck-Archipel und nach Neu-Guinea (1908 bis 1910) bei, die denRuf Hamburgs als Wissenschafts-standort festigte.

Die vorliegende Biographie zeichnetdas außergewöhnliche Leben diesesMannes nach, der wie kaum ein an-derer Zeitgenosse Größe und Kraftdes zweiten deutschen Kaiserreichesverkörperte, zugleich aber auch des-sen Grenzen und Schwächen erlebte.

Aus der Reihe „Mäzene für Wissen-schaft“ sind bisher erschienen:

Band 1Die Begründer der HamburgischenWissenschaftlichen Stiftung

Band 2Sophie Christine und Carl HeinrichLaeisz. Eine biographische Annähe-rung an die Zeiten und Themenihres Lebens

Band 3Eduard Lorenz Lorenz-Meyer. Ein Hamburger Kaufmann undKünstler

Band 4Hermann Franz Matthias Mutzen-becher. Ein Hamburger Versiche-rungsunternehmer

Band 5Die Brüder Augustus Friedrich und Gustav Adolph Vorwerk. ZweiHamburger Kaufleute

Band 6Albert Ballin

Albert Ballin

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