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20S-Proteasom-Inhibitoren DOI: 10.1002/ange.201106010 Hydroxyharnstoffe als nichtkovalente Proteasom-Inhibitoren** Nerea Gallastegui, Philipp Beck, Marcelino Arciniega, Robert Huber, Stefan Hillebrand und Michael Groll* Das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS) [1] wird mit vielen verschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht, darunter auch das Multiple Myelom. Diese Krebserkrankung des Knochenmarks wird durch die Inhibition des 20S-Proteasoms (CP) als Kernenzym des UPS bereits erfolgreich mit dem „Blockbuster“-Medikament Velcade (Bortezomib) behan- delt. [2] Die Notwendigkeit der Entwicklung von CP-Inhibi- toren der zweiten Generation und der Entdeckung von Li- ganden mit neuartigen Wirkmechanismen ist hingegen groß. Sowohl das breite therapeutische Potenzial von Proteasom- Inhibitoren als auch Resistenzerscheinungen und Unwirk- samkeit von derzeit vermarkteten Arzneien gegen einige solide Tumortypen belegen den Bedarf an neuen Leitstruk- turen. Das eukaryotische CP setzt sich aus vier gestapelten heptameren Ringen zusammen, bestehend aus a- und b-Un- tereinheiten mit a 1–7 b 1–7 b 1–7 a 1–7 -Stçchiometrie. [3] In diesen b- Untereinheiten befinden sich drei katalytische Zentren mit unterschiedlicher SubstratspezifitȨt, die Caspase(C)-, Tryp- sin(T)- und Chymotrypsin(CT)-Ȩhnliche AktivitȨt aufweisen. Zwar ist das reaktive Nukleophil Thr1O g in den Unterein- heiten b1, b2 und b5 (C-, T- und CT-Ȩhnliche AktivitȨten) vorhanden; jedoch wird die SpaltprȨferenz erst durch das Zusammenspiel von aktiven und umgebenden Untereinhei- ten der jeweiligen Substratbindetasche festgelegt. [4] Alle bisher bekannten CP-Inhibitoren haben entweder eine peptidȨhnliche Struktur, die ein antiparalleles b-Faltblatt mit dem Substratbindekanal der aktiven Untereinheit bildet, und/oder eine reaktive Kopfgruppe, die kovalent an das ter- minale Threonin Thr1O g bindet. [5] Diese Charakteristika sind jedoch fɒr ɒbermȨßige ReaktivitȨt, UnspezifitȨt und Insta- bilitȨt bisheriger Proteasom-Inhibitoren verantwortlich. Zudem gibt es bisher keine Liganden, die gezielt nur eine der drei AktivitȨten des CP inhibieren. In Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass allein die Inaktivierung der b5-Unter- einheit ausreicht, um therapeutische Effekte zu erzielen. [6, 7] Um nichtpeptidische Inhibitoren der CT-Ȩhnlichen Akti- vitȨt der b5-Untereinheit mit reversiblem Bindungsmodus zu identifizieren, wurde ein Screening-Experiment mit fluoro- genen peptidischen Substraten durchgefɒhrt. Dieses Scree- ning nutzte eine Ligandenbibliothek der Firma Bayer Crop- Science. Einer der dabei identifizierten „Hits“ war eine Verbin- dung mit einem N-Hydroxyharnstoff(HU)-Strukturmotiv (1, Tabelle 1). Interessanterweise ist diese Substanzklasse bereits als Inhibitor der 5-Lipoxygenase bekannt (U.S.-Patent Nr. 5,714,633) und strukturell verwandt mit ZyfloCR (Zileuton, Tabelle 1: Inhibitorisches Profil von N-Hydroxyharnstoff(HU)-Derivaten mit IC 50 - und K i -Werten gegen CT-Ȩhnliche AktivitȨt. [a] Verbindung R 2 R 1 IC 50 [mm] K i [mm] 0 H H keine Inhibition 1 tBuCH 2 CH 2 O Me 229 Æ 22 23.1 Æ 2.2 2 CF 3 O Me > 1000 3 nPentO Me > 1000 4 tBuMe 2 SiO Me 48 Æ 2 4.8 Æ 0.2 5 (1-Ad)O H 12.0 Æ 1.3 1.02 Æ 0.13 6 (1-Ad)O Et 1.07 Æ 0.06 0.107 Æ 0.006 7 (1-Ad)O iPr 10.6 Æ 3.7 1.06 Æ 0.37 8 (1-Ad)O Me 0.78 Æ 0.16 0.078 Æ 0.016 9 (1-Ad)O Me (S) [b] 57 Æ 2.5 5.75 Æ 0.25 10 (1-Ad)O Me (R) [c] 0.34 Æ 0.04 0.034 Æ 0.004 [a] Inhibition von T- und C-Ȩhnlicher AktivitȨt wurde bei einer Konzen- tration von 200 mm nicht beobachtet (Abbildung S2). [b] C* mit S-Kon- figuration. [c] C* mit R-Konfiguration. [*] M. Chem. N. Gallastegui, M. Sc. P. Beck, M. Sc. M. Arciniega, Prof. Dr. R. Huber, Prof. Dr. M. Groll Technische UniversitȨt Mɒnchen Lichtenbergstraße 4, 85747 Garching (Deutschland) E-Mail: [email protected] Prof. Dr. R. Huber Zentrum fɒr Medizinische Biotechnologie UniversitȨt Duisburg-Essen (Deutschland) und Max-Planck-Institut Biochemie, Martinsried (Deutschland) S. Hillebrand Bayer CropScience AG, Monheim (Deutschland) [**] Wir danken fɒr die hilfreichen BeitrȨge und Diskussionen mit den Mitarbeitern von Bayer CropScience GmbH: Dr. J. Vidal, Dr. A. Tuch und Dr. P. Schreier. Wir danken R. Feicht fɒr die Aufreinigung von Hefe-20S-Proteasom, O. Ackermann fɒr die Durchfɒhrung von HPLC an chiraler Phase und den Mitarbeitern des PXI-Strahlen- gangs am Paul Scherrer Institut, Swiss Light Source, Villigen, Schweiz, fɒr die Unterstɒtzung bei der Datenaufnahme. Ebenfalls mçchten wir den Studenten Martina Mɒller und Christian Dubiella fɒr die Hilfe bei den Laborarbeiten danken. Diese Arbeit wurde unterstɒtzt durch den SFB 594 – A 11 (M.G.) und das DAAD-CO- NACYT-Stipendium (M.A.) Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unter http://dx.doi.org/10.1002/ange.201106010 zu finden. A ngewandte Chemi e 251 Angew. Chem. 2012, 124, 251 –254 # 2012 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Hydroxyharnstoffe als nichtkovalente Proteasom-Inhibitoren

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Page 1: Hydroxyharnstoffe als nichtkovalente Proteasom-Inhibitoren

20S-Proteasom-InhibitorenDOI: 10.1002/ange.201106010

Hydroxyharnstoffe als nichtkovalente Proteasom-Inhibitoren**Nerea Gallastegui, Philipp Beck, Marcelino Arciniega, Robert Huber, Stefan Hillebrand undMichael Groll*

Das Ubiquitin-Proteasom-System (UPS)[1] wird mit vielenverschiedenen Krankheiten in Verbindung gebracht, darunterauch das Multiple Myelom. Diese Krebserkrankung desKnochenmarks wird durch die Inhibition des 20S-Proteasoms(CP) als Kernenzym des UPS bereits erfolgreich mit dem„Blockbuster“-Medikament Velcade (Bortezomib) behan-delt.[2] Die Notwendigkeit der Entwicklung von CP-Inhibi-toren der zweiten Generation und der Entdeckung von Li-ganden mit neuartigen Wirkmechanismen ist hingegen groß.Sowohl das breite therapeutische Potenzial von Proteasom-Inhibitoren als auch Resistenzerscheinungen und Unwirk-samkeit von derzeit vermarkteten Arzneien gegen einigesolide Tumortypen belegen den Bedarf an neuen Leitstruk-turen.

Das eukaryotische CP setzt sich aus vier gestapeltenheptameren Ringen zusammen, bestehend aus a- und b-Un-tereinheiten mit a1–7b1–7b1–7a1–7-Stçchiometrie.[3] In diesen b-Untereinheiten befinden sich drei katalytische Zentren mitunterschiedlicher Substratspezifit�t, die Caspase(C)-, Tryp-sin(T)- und Chymotrypsin(CT)-�hnliche Aktivit�t aufweisen.Zwar ist das reaktive Nukleophil Thr1Og in den Unterein-heiten b1, b2 und b5 (C-, T- und CT-�hnliche Aktivit�ten)vorhanden; jedoch wird die Spaltpr�ferenz erst durch dasZusammenspiel von aktiven und umgebenden Untereinhei-ten der jeweiligen Substratbindetasche festgelegt.[4]

Alle bisher bekannten CP-Inhibitoren haben entwedereine peptid�hnliche Struktur, die ein antiparalleles b-Faltblattmit dem Substratbindekanal der aktiven Untereinheit bildet,und/oder eine reaktive Kopfgruppe, die kovalent an das ter-minale Threonin Thr1Og bindet.[5] Diese Charakteristika sindjedoch f�r �berm�ßige Reaktivit�t, Unspezifit�t und Insta-bilit�t bisheriger Proteasom-Inhibitoren verantwortlich.Zudem gibt es bisher keine Liganden, die gezielt nur eine derdrei Aktivit�ten des CP inhibieren. In Studien konnte jedochgezeigt werden, dass allein die Inaktivierung der b5-Unter-einheit ausreicht, um therapeutische Effekte zu erzielen.[6,7]

Um nichtpeptidische Inhibitoren der CT-�hnlichen Akti-vit�t der b5-Untereinheit mit reversiblem Bindungsmodus zuidentifizieren, wurde ein Screening-Experiment mit fluoro-genen peptidischen Substraten durchgef�hrt. Dieses Scree-ning nutzte eine Ligandenbibliothek der Firma Bayer Crop-Science.

Einer der dabei identifizierten „Hits“ war eine Verbin-dung mit einem N-Hydroxyharnstoff(HU)-Strukturmotiv (1,Tabelle 1). Interessanterweise ist diese Substanzklasse bereitsals Inhibitor der 5-Lipoxygenase bekannt (U.S.-Patent Nr.5,714,633) und strukturell verwandt mit ZyfloCR (Zileuton,

Tabelle 1: Inhibitorisches Profil von N-Hydroxyharnstoff(HU)-Derivatenmit IC50- und Ki-Werten gegen CT-�hnliche Aktivit�t.[a]

Verbindung R2 R1 IC50 [mm] Ki [mm]

0 H H keine Inhibition1 tBuCH2CH2O Me 229�22 23.1�2.22 CF3O Me >1000 –3 nPentO Me >1000 –4 tBuMe2SiO Me 48�2 4.8�0.25 (1-Ad)O H 12.0�1.3 1.02�0.136 (1-Ad)O Et 1.07�0.06 0.107�0.0067 (1-Ad)O iPr 10.6�3.7 1.06�0.378 (1-Ad)O Me 0.78�0.16 0.078�0.0169 (1-Ad)O Me (S)[b] 57�2.5 5.75�0.2510 (1-Ad)O Me (R)[c] 0.34�0.04 0.034�0.004

[a] Inhibition von T- und C-�hnlicher Aktivit�t wurde bei einer Konzen-tration von 200 mm nicht beobachtet (Abbildung S2). [b] C* mit S-Kon-figuration. [c] C* mit R-Konfiguration.

[*] M. Chem. N. Gallastegui, M. Sc. P. Beck, M. Sc. M. Arciniega,Prof. Dr. R. Huber, Prof. Dr. M. GrollTechnische Universit�t M�nchenLichtenbergstraße 4, 85747 Garching (Deutschland)E-Mail : [email protected]

Prof. Dr. R. HuberZentrum f�r Medizinische BiotechnologieUniversit�t Duisburg-Essen (Deutschland)undMax-Planck-Institut Biochemie, Martinsried (Deutschland)

S. HillebrandBayer CropScience AG, Monheim (Deutschland)

[**] Wir danken f�r die hilfreichen Beitr�ge und Diskussionen mit denMitarbeitern von Bayer CropScience GmbH: Dr. J. Vidal, Dr. A. Tuchund Dr. P. Schreier. Wir danken R. Feicht f�r die Aufreinigung vonHefe-20S-Proteasom, O. Ackermann f�r die Durchf�hrung vonHPLC an chiraler Phase und den Mitarbeitern des PXI-Strahlen-gangs am Paul Scherrer Institut, Swiss Light Source, Villigen,Schweiz, f�r die Unterst�tzung bei der Datenaufnahme. Ebenfallsmçchten wir den Studenten Martina M�ller und Christian Dubiellaf�r die Hilfe bei den Laborarbeiten danken. Diese Arbeit wurdeunterst�tzt durch den SFB 594 – A 11 (M.G.) und das DAAD-CO-NACYT-Stipendium (M.A.)

Hintergrundinformationen zu diesem Beitrag sind im WWW unterhttp://dx.doi.org/10.1002/ange.201106010 zu finden.

AngewandteChemie

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Abbildung S1), einem weltweit verschriebenen Medikamentf�r die Behandlung von Asthma.[8] �berraschenderweisezeigte 1 nur eine Inhibition der CT-�hnlichen Aktivit�t mitIC50 = 230 mm (Ki = 23 mm ; Tabelle 1), ohne dabei Einfluss aufdie C- und T-�hnliche Aktivit�t zu nehmen, selbst bei Kon-zentrationen von 200 mm (Abbildung S2).

Dar�ber hinaus hat 1 keine strukturellen �hnlichkeitenzu bekannten CP-Inhibitoren und erf�llt die im Vorhineingestellten Bedingungen bez�glich Spezifit�t und Reversibili-t�t (Abbildung S2a und b). Besonders im Hinblick auf Zell-g�ngigkeit und Clearance-Rate weisen bereits durchgef�hrteklinische Studien auf die Eignung von 1 als potenzielle Leit-struktur hin (Abbildung S3a).[9]

Im Zuge dieser vielversprechenden Ergebnisse wurdeeine Kristallstruktur des CP:1-Komplexes bestimmt (Rfrei =

0.256; Tabelle ST1). Die 2FO�FC-Elektronendichte zeigt 1 inunmittelbarer N�he zum aktiven Zentrum der b5-Unterein-heit mit CT-�hnlicher Aktivit�t und offenbart einen neuarti-gen, nichtkovalenten Bindungsmodus (Abbildung S3a).

Die N-Hydroxyharnstoff-Kopfgruppe wechselwirkt hier-bei nicht mit dem reaktiven b5-Thr1Og-Nukleophil, wasbisher als grundlegendes mechanistisches Prinzip von CP-Inhibitoren angesehen wurde. Stattdessen stabilisieren Was-serstoffbr�cken mit den Hauptkettenatomen b5-Thr21NH/CO und b5-Gly47CO die Kopfgruppe in �hnlicher Weise wiedie antiparallelen b-Faltblattstrukturen von Substraten oderpeptidischen Inhibitoren, z. B. Calpain-Inhibitor 1 (CAL I;Abbildung 2).

Die Methylgruppe als R1 in 1 wird durch hydrophobeWechselwirkungen mit den b5-Seitenketten Met45 und Ala46stabilisiert, w�hrend die Propinylphenyl-Teilstruktur zu einerbisher nicht beobachteten sub-Bindetasche der CT-�hnlichenS1-Spezifit�tstasche (S1-sub-Bindetasche) zeigt, woraus eineF�lle von Van-der-Waals-Wechselwir-kungen mit Ser26, Val31, Met45 undAla49 resultieren (Abbildung S3a).Ferner ist die Bindung an das CPdurch die starre Propinylphenyl-Struktur entropisch beg�nstigt. Die3,3-Methylbutoxy-Seitenkette in R2

tritt mit den hydrophoben Seitenket-tenatomen von His98, Ser112, Glu122und Arg125 der b6-Untereinheit inWechselwirkung, die zusammen eineweitere bisher unentdeckte sub-Bin-detasche nahe der S3-Tasche bilden(S3-sub-Bindetasche; Abbildung S3a).Interessanterweise wird bei Ligandenohne meta-Substituent (0) keine inhi-bitorische Wirkung festgestellt, wasdie Bedeutung der oben genanntenWechselwirkungen f�r die CP:HU-Bindung unterstreicht. Die erhaltenenStrukturdaten best�tigen somit sowohldie Unentbehrlichkeit dieser besonderen Bindestelle bez�g-lich der Spezifit�t zur Untereinheit als auch ihre Notwen-digkeit zur enthalpischen Stabilisierung des Liganden.

Anschließend wurde eine konvergente Synthesestrategieder HU-Verbindungen entworfen, die unter Beibehaltung des

Propinyl-Hydroxyharnstoff-Ger�sts eine einfache Optimie-rung von R1 und R2 ermçglicht (Abbildung S4). Die N-Hy-droxyharnstoff-Kopfgruppe wird in drei Schritten syntheti-siert, beginnend mit der Methansulfonierung von But-3-yn-2-ol, anschließender nukleophiler Substitution des Mesylats

Abbildung 1. Kristallstruktur von CP im Komplex mit dem aktivstenInhibitor 10 (CP:10 ; PDB-Zugangsnummer: 3SHJ). a) Die N-Hydroxy-harnstoff-Kopfgruppe bildet ein Netzwerk von Wasserstoffbr�cken zub5-Thr21NH/CO und b5-Gly47CO (schwarze gestrichelte Linien).Reste, welche die S1-sub-Bindetasche bilden, sind dunkelgr�n darge-stellt und umklammern das starre Propinylbenzol-Ger�st, wobei dieS3-sub-Bindetasche (blau) mit R2 wechselwirkt. b) Eine �berlagerungvon Calpain-Inhibitor I (CAL I) und 10 veranschaulicht den neuartigenBindungsmodus von 1 und den sub-Bindetaschen. c) SchematischeDarstellung von (a) mit den Spezifit�tstaschen S1-sub und S3-sub desCT-Substratbindekanals und den entsprechenden Aminos�uren inschwarz bzw. grau.

Abbildung 2. Die Stereodarstellung einer �berlagerung von 10 und CAL I gebunden am CT-�hnli-chen aktiven Zentrum veranschaulicht den neuartigen Bindungsmodus von HUs im Vergleich mitpeptidischen Liganden. Peptidr�ckgrat-Wechselwirkungen zwischen CP und CAL I sind als grauegestrichelte Linien dargestellt, Wechselwirkungen von CP:10 mit der Proteinhauptkette in cyan.

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durch Hydroxylamin und abschließend Reaktion mit Kali-umcyanat. Im abschließenden Syntheseschritt werden ver-schiedene meta-substituierte Iodphenylderivate durch Sono-gashira-Kupplung mit der N-Hydroxyharnstoff-Kopfgruppegekoppelt (Pat. WO9530671).[10]

Derivatisierungen von R1 unterstreichen die Bedeutungeiner kleinen hydrophoben Seitenkette in dieser Position, dagrçßere Reste wie Ethyl- (6) oder Isopropylgruppen (7) zueiner bis zu 15fachen Erhçhung der IC50 auf 1 mm (Ki =

0.1 mm) bzw. 10 mm (Ki = 1.0 mm) f�hrten (Tabelle 1). DieseErgebnisse stimmen mit Modellierungsstudien �berein, dieauf einen sterischen Konflikt zwischen großen Resten in R1

und dem Peptidr�ckgrat der b5-Untereinheit hindeuten undbei der Synthese kleine hydrophobe Reste zur Stabilisierungdes Inhibitors nahelegen.

Kleine �nderungen bez�glich R2 zeigten bemerkenswer-ten Einfluss auf die IC50 der HU-Verbindungen: Die Ein-f�hrung kurzer halogenierter und langkettiger aliphatischerR2-Seitenketten resultierte in gegen�ber 1 mindestens f�nf-fach erhçhter IC50 (> 1 mm), wie am Beispiel des Trifluorm-ethoxy-Derivats 2 und des n-Pentoxy-Derivats 3 gezeigtwerden konnte. Interessanterweise f�hrte eine tert-Butyldi-methylsiloxy-Seitenkette in 4 zu einer erhçhten Affinit�t undf�nffach verbesserter IC50 (48 mm, Ki = 4.8 mm ; Tabelle 1). DieKristallstruktur dieser Verbindung im Komplex mit dem CPbei 3.2 � Auflçsung (Rfrei = 0.228) zeigt starke Wechselwir-kungen der hydrophoben Seitenkette innerhalb der S1-sub-Bindetasche mit Met45 und Ala46 (Tabelle ST1, Abbil-dung S3b). Basierend auf diesen kristallographischen Ergeb-nissen wurde eine Modellierungsstudie durchgef�hrt, umgeeignete Seitenketten f�r die R2-Position zu finden; hierbeizeigte eine 1-Adamantyloxy-Gruppe die besten Docking-Er-gebnisse (�10.7 in GlideScore[11]) innerhalb einer kleinenBibliothek von 50 Verbindungen (Abbildung S6). Das ent-sprechende HU-Derivat (8) ist mit einer IC50 von 700 nm (Ki

= 0.08 mm) gegen�ber der Ausgangsverbindung 1 320fachverbessert (Tabelle 1). Die experimentellen Daten der Kris-tallstruktur des CP:8-Komplex mit 2.9 � Auflçsung (Rfrei =

0.238, Tabelle ST1) best�tigten die Modellierungsergebnisse(0.8 � r.m.s.d. zwischen experimenteller und modellierterLigandstruktur (Abbildung S3c, S7) und offenbarten zudemdie Bedeutung von Ser118 der b6-Untereinheit; diese bildeteine starke Wasserstoffbr�cke zum Ether-Sauerstoffatom von8 und stabilisiert folglich die Position des Adamantyloxy-Rests in der S3-sub-Bindetasche (Abbildung 1c).

Als Folge der Einf�hrung von R1 kçnnen die HU-Ver-bindungen in zwei unterschiedlichen Konfigurationen vor-liegen; diesbez�glich wurden weitere Optimierungen vorge-nommen. Das R-Enantiomer (10) zeigte mit einer IC50 von300 nm (Ki = 34 nm) eine vielfach st�rkere Inhibition als dasS-Enantiomer (9, IC50 = 56 mm, Ki = 5.8 mm ; Abbildung 1 undTabelle 1). Die Ergebnisse der Rçntgenstrukturanalysen vonCP:9 bei 3.1 � Auflçsung (Rfrei = 0.231) und CP:10 bei 2.8 �Auflçsung (Rfrei = 0.262, Tabelle ST1) zeigen, dass allein dieOrientierung des Rests R1 des S-Enantiomers f�r die Ab-nahme der Bindungsaffinit�t durch destabilisierende Wech-selwirkungen mit den Hauptkettenatomen des Proteins ver-antwortlich ist (Abbildung S8b,c). Entsprechend dieser star-ken Enantioselektivit�t wurden nach Behandlung der Pro-

teasom-Kristalle mit racemischen HU-Verbindungen aus-schließlich CP:HU-Rçntgenstrukturen mit R-Enantiomerenerhalten (Abbildung S8a). Struktur�berlagerungen von 9 und10 zeigen, dass sowohl das R- als auch das weniger aktive S-Enantiomer hinsichtlich der N-Hydroxyharnstoff-Kopfgrup-pe und der Adamantyloxyphenyl-Struktur fast perfekt �ber-lagern (Abbildung S8b). In Anbetracht des nichtkovalentenBindungsmodus unterstreicht diese Beobachtung die St�rkedes Bindungsmotivs, da der Inhibitor trotz sterisch ung�nsti-ger Orientierung der Methylgruppe (als R1 in 9) in seinerPosition gehalten wird.

Zus�tzlich wurde in den meisten Elektronendichten derCP:HU-Komplexstrukturen ein 2-(N-Morpholino)ethansul-fons�ure(MES)-Molek�l beobachtet, das dem Kristallisati-onspuffer entstammt (Abbildung S5). MES wechselwirkt mitb5-Gly47N und besetzt das Oxyanion-Loch, das typischer-weise von reaktiven Kopfgruppen von Liganden ausgef�lltwird; dieses Ph�nomen wurde in der Literatur bereits be-schrieben.[12,13] HU und MES kçnnen somit als unabh�ngigeFragmente f�r ein zuk�nftiges fragmentbasiertes Wirkstoff-design genutzt werden.

Die Kombination von kristallographischer Charakteri-sierung, Molecular-Modelling-Studien, chemischer Syntheseund kinetischen Experimenten f�hrte zur Identifizierungeines starken inhibitorischen Bindungsprofils neuer Protea-somliganden, die bisher unentdeckte, wohldefinierte Spezifi-t�tstaschen adressieren.

HUs bilden somit eine neue Klasse von Proteasom-Inhi-bitoren, die sich durch ihren neuartigen, reversiblen Bin-dungsmodus auszeichnen. Die Verbindungsklasse repr�sen-tiert die kleinsten reversiblen, nichtkovalent gebundenen undUntereinheit-spezifischen Inhibitoren f�r das 20S-Proteasom,die keine hochreaktive elektrophile Kopfgruppe tragen.Zudem verf�gen die Hydroxyharnstoff-Verbindungen �berpharmakokinetisch wichtige molekulare Eigenschaften, dieneue Wege zur Entwicklung von Proteosom-Inhibitorenaufzeigen.

Eingegangen am 25. August 2011Online verçffentlicht am 21. November 2011

.Stichwçrter: Hydroxyharnstoffe · Inhibitoren · Lipoxygenase ·Proteasom · Proteinkristallographie

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