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Ich habe Dich bei Deinem Namen · PDF fileI Das ist ja zum Gruseln Letzte Woche Freitag am Mittagstisch: Ich erzähle vom Gottesdienst heute. Ich sage, ich habe noch keine rechte Idee

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Page 1: Ich habe Dich bei Deinem Namen · PDF fileI Das ist ja zum Gruseln Letzte Woche Freitag am Mittagstisch: Ich erzähle vom Gottesdienst heute. Ich sage, ich habe noch keine rechte Idee

„Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen …!“

Predigt zu Jes 43,1-7 Video Video: Liam Kendrich Foto: A.Pasquay

Erlöserkirche 28. August 2016

1 Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht

hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei

deinem Namen gerufen; du bist mein! 2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich

bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer

gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. 3 Denn

ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten

für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt, 4 weil du in

meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb

habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben. 5 So fürchte

dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen

und dich vom Westen her sammeln, 6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und

zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine

Töchter vom Ende der Erde, 7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich

zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe. (Jes 43,1-7)

I Das ist ja zum Gruseln

II Nähe & Distanz

III O Gott !! Auch das noch …

IV Back to the roots (Exkurs)

V Ich kenn’ Dich!

VI Ich weiß das!

VII Der Vogel Freiheit

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I Das ist ja zum Gruseln

Letzte Woche Freitag am Mittagstisch: Ich erzähle vom Gottesdienst heute. Ich sage, ich habe noch keine rechte Idee. „Welchen Text hast Du denn?“ Ich zitiere die mir so vertrauten Worte: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Mir gegenüber lächelt die zwanzigjährige Tochter ihr wissendes Lächeln: „Das ist ja zum Gruseln!“ Wir lachen miteinander (schließlich ist sie ja wohl bewandert in der weiten Welt der Internet- und Horrorvideos). „Das ist ja zum Gruseln!“ Ich sage ihr augenzwinkernd ‚Danke-Schön! ‘ – schließlich hat sie mir gerade einen (wie ich finde) guten Einstieg in die Sonntagspredigt serviert. Aber dann – am Schreibtisch – gerate ich dann doch ins Nachdenken. Die spontane Bemerkung ist mehr als nur ein gelungener Scherz. Da ist mehr dran.

II Nähe & Distanz

„Fürchte dich nicht … ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ Und dann auch noch: „Ich habe Dich erlöst!“ Wüssten wir nicht, dass hier von GOTT (den wir den ‚Lieben‘ nennen) die Rede ist, könnte der Satz auch ganz anders klingen. ‚Angst brauchst Du nicht zu haben. Du gehörst mir doch. Ich rufe Dich. Komm her! Du kommst. Und dann bekommst Du auch etwas.“ Oder in der Hundesprache: „Sitz! Platz! Leckerli!“ Das nenne ich Abhängigkeit. Oft ist sie nicht gut, besonders wenn man nicht mehr frei wählen kann. Bei Tieren mag das ja noch angehen (und auch das nicht immer), aber bei Menschen! „Frieda! Ich will Dir zwar keinen Stress machen, aber ich hab‘ Dich schon zwei Mal gerufen! Wann ist das Mittagessen fertig?!“ Da kommt eine Nähe zur Sprache, die erdrückt. Und man möchte sich da am liebsten aus dem Staub machen, laufen gehen … Distanz gewinnen. Oft begegnen einem solche Scenarien im Alltag – zuweilen sogar als Horrorscenarium. Loriot konnte uns schmunzelnd ein Lied in seinen

Sketchen singen: „Herrmann, was machst Du da …?!

Nähe braucht Distanz. Und Distanz braucht Nähe – wenn man(n) (und frau, Eltern und Kindern, Nachbarn und Kollegen) gut miteinander auskommen sollen. Wer einen anderen bei dessen Namen ruft und dann auch noch meint, dass er ein Anrecht auf ihn habe, sollte erst einmal in sich gehen (und sich fragen: Wie würdest Du reagieren, wenn man so mit Dir umginge?)

III O Gott !! Auch das noch …

„Fürchte dich nicht! Ich habe Dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ So sagt es GOTT. Wird es dadurch anders, wenn nicht Hermann oder Luise sprechen, sondern der (liebe) GOTT? ‚Natürlich!‘ werde die einen sagen. Bei GOTT ist alles anders. GOTT ist GOTT!

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Andere - und dazu zähle ich mich auch – wechseln nicht so schnell die Bühne und bleiben auf dem Boden der irdischen Wirklichkeit – auf der (so GOTT will … und er will es so) GOTT eine entscheidende Rolle spielt. Schließlich ist in Christus GOTT Mensch geworden (aber das nur am ‚theologischen Rande‘). Ich weiß aus vielen (Seelsorge)gesprächen – und auch aus eigener Erfahrung - wie sehr Menschen in die Bredouille geraten, wenn es um Nähe und Distanz zu (und von) GOTT geht. Dann wenn sie eine Beziehung zu Gott aufgebaut haben (ich nenne das ‚Glauben‘) spielen Distanz und Nähe nach wie vor eine entscheidende Rolle. Die Tochter bringt es am Mittagstisch auf den Punkt: „An einen Gott, der mir sagt, was ich machen soll, glaube ich nicht!“ Und der altvertraute Psalmvers (den viele zur Taufe und Trauung auswählten) „Von allen Seiten umgibst Du mich und hältst Deine Hand über mir!“ (Ps 139,5) kann eben auch die Folge haben, dass sich das Gottvertrauen in Gottesfurcht wandelt und sich die schützende Hand Gottes zur Faust wird. Noch in dem beliebten Abschiedslied „Möge die Straße“ bitten darum die irischen Mönche (nicht ohne Grund) „Er halte dich in seinen Händen, doch drücke seine Faust nicht zu fest!“ Die Alternative wäre, sich so weit von GOTT zu entfernen, dass man/frau GOTTes Hand gar nicht mehr spürt – wahrnimmt, ernst nimmt - und somit mit GOTT auch nicht mehr rechnet. Viele wählten (vielleicht auch aus ersterer Erfahrung) diesen Weg. Sie verpassen GOTT – wie Schade! Und darum ist auch im Verhältnis zu (und von) GOTT das richtige Verhältnis von Distanz und Nähe maßgebend.

IV Back to the roots (Exkurs)

Nein – mit einem GOTT, der alles weiß … alles kann, alles tut, alles vorgibt (den ich darum auch für alles verantwortlich machen kann) will ich es nicht zu tun haben: Besserwisser, Übermutter, Allmächtiger, Sternenkönigin, Fürst der Ober(unter)welt – so nicht. Und – GOTT sei Dank – die Bibel bricht auch genau mit diesen Vorstellungen. Elias, der streitbare Prophet erkennt GOTT nicht in machtvollem Blitz & Donner sondern im leisen Säuseln des Windes (1. Kön

19,12). Jesus nannte GOTT nicht ‚Herr‘ sondern ‚Abba‘(Väterchen) und Jesaja verkündet (in unserem Predigttext) seinem Volk, das in der Verbannung leben muss die Hoffnung, dass dieser GOTT es auch in höchster Not nicht im Stich lässt, sondern es liebevoll bei seinem Namen – „Jacob!“ „Israel“ – ruft und es in die Freiheit und nach Hause führt: „So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir!“ (Jes 43, 5) Was aber ist der Unterschied, wenn es hier nicht auch wieder (nur) göttliche Allmacht und himmlische Herrscherattitüde ist (die Jesus von Nazareth in seiner höchsten Not auch abgelehnt hat „Oder meinst du, ich könnte meinen Vater nicht bitten, dass er mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schickte? (Mt 26,52)

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V Ich kenn’ Dich!

Es ist die Art & Weise, Form der Kenntnis, die sich in der Art ausspricht, wie die Worte „Ich kenne Dich mit Namen“ ausgesprochen werden. Sie kennen streng, bestimmend und besitzergreifend gesagt (und gehört werden – denn zu einer Kommunikation gehören immer auch zwei): „Ich k e n n e Dich mit Namen“ Oder er kann liebevoll, herzlich und segensreich klingen: „Ich kenne D i c h mit Namen“ Da ist nicht mehr die Kenntnis des anderen (mit all ihrer möglichen Verwertbarkeit), da ist die Beziehung zum anderen entscheidend und prägt diese Worte … im Sprechen und im Hören. „Ich kenn‘ Dich!“ wenn ich diese Worte so höre – beziehungsreich, liebevoll und herzlich, dann habe ich keine Angst. Dann hab‘ ich Vertrauen, denn ich spüre, der/die andere kennt mich so wie ich bin … und akzeptiert mich. Und das ist oft der Anfang der Liebe.

VI Ich weiß das!

Die Worte können aber noch so liebevoll, wissend und herzlich wiederholt werden – tausend mal tausend Mal – sie werden keine Wirkung haben, wenn sie ohne Antwort bleiben. Erst ein „Ich weiß das!“ macht aus dem „Ich kenn‘ Dich!“ eine gute Sache. Der/die andere muss den Raum und die innere Freiheit haben, genau dies für sich und den Sprechenden zu formulieren (eben nicht ein „Du weißt doch, dass ich Dich kenne!“) Die Freiheit der Antwort ist da der Beginn einer echten Freundschaft – und zuweilen einer tiefen Liebe.

VII Der ‚Vogel Freiheit‘

Das ist zwischen Menschen so. Das ist auch in unserem Gegenüber zu GOTT so. Wir haben – in unserem Glauben – die Freiheit, den Satz GOTTes „Fürchte dich nicht! Ich habe Dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ so mit eigenem Leben zu füllen, dass wir antworten können: „Ja! Ich weiß das! Ich glaube DIR! Ich brauch‘ keine Angst vor DIR zu haben. Ich spüre, wie DU mich löst (‚erlöst‘). Die Anspannung, die mich oft zumacht und fesselt, fällt ab. Wie gut, dass ich zu DIR gehöre!“ Ja – und ich kann GOTT auf diesen Satz genauso antworten, wie ich jedem Menschen antworten würde, dem ich vertraue – ob es die Mutter ist, der Ehemann, die Freundin oder auch das eigene Kind. „Hab keine Angst. Ich kenne Dich!“ „Ich weiß das. Ich hab keine Angst. Ich vertraue Dir!“ Wenn diese beiden kleinen Sätze aufeinandertreffen, da beginnt der ‚Vogel Freiheit‘ seine Flügel auszubreiten und sich in die Lüfte zu erheben. Vielleicht gleicht er dann der Friedenstaube aus der Arche, vielleicht auch der Taufe in der Taufe Jesu – vielleicht aber auch nur (was heißt hier ‚nur‘?!) der Nachtigall, die den Liebenden in aller Welt ihr Lied singt. Amen