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24.06.22 1 Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik I Michael Pregernig Universität für Bodenkultur Wien Department für Wirtschafts- un Sozialwissenschaften „Wissenstransfer“, „Schnittstellenmanagement oder „Grenzarbeit“? Zur diskursiven Rahmung des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik Michael Pregernig Fachtagung „Und ewig sterben die Wälder“ Freiburg i.B., 13.-15. Juni 2007

Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik I Michael Pregernig Universität für Bodenkultur Wien Department für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

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26.04.23 1Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik I Michael Pregernig

Universität für Bodenkultur WienDepartment für Wirtschafts- undSozialwissenschaften

„Wissenstransfer“, „Schnittstellenmanagement“ oder „Grenzarbeit“?Zur diskursiven Rahmung des Verhältnisses von Wissenschaft und Politik

Michael Pregernig

Fachtagung „Und ewig sterben die Wälder“Freiburg i.B., 13.-15. Juni 2007

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26.04.23 2Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik I Michael Pregernig

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Einleitung

Wissenschaft in Umweltpolitik wichtige politikberatende Rolle

Kopplung von Wissenschaft und Politik als mäßig effektiv beschrieben

„wissenschaftliche Politikberatung“ vermehrt Gegenstand öffentlicher Debatte und wissenschaftlicher Analyse

Vielzahl theoretischer Modelle & praktischer Initiativen

These:diskursive Rahmung der Interaktion von Wissenschaft und Politik beeinflusst vorgeschlagene und eingesetzte Ansätze und Methoden zur Verbesserung dieser Interaktionsbeziehung

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Science/policy interface Wissenstransfer

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Typologie diskursiver Rahmungen

angebotsseitige Erklärungsmuster

nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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1 Unterversorgung mit öffentlichem Gut „Wissen“

Problem: wissenschaftliches Wissen hat Charakter eines öffentlichen Gutes unzureichende Bereitstellung

Lösungen: staatliche Forschungsförderung Bereitstellung von Infrastruktur

implizite Annahme:„Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage“

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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2 Mangelnder Zugang zu Wissen

Problem: ausreichend politikrelevantes Wissen vorhanden, politische EntscheidungsträgerInnen wissen aber nicht, wie sie an dieses herankommen können bzw. dass dieses überhaupt existiert

Lösungen: erleichterter Zugang zu und effektivere Verteilung von politikrelevantem Wissen durch: Datenbanken, Internetseiten, e-mail-Verteilerlisten Schulungen und Austauschprogramme verdichtende Sammelpublikationen

(„State of Knowledge Reports“)

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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3 Mangelndes Verständnisfür politische Prozesse

Problem: WissenschaftlerInnen (insbes. aus Naturwissenschaften) haben mangelndes Verständnis für politische Probleme und Prozesse z.B. fehlende Berücksichtigung von

Kosten-Nutzen-Relation oder medialer Verwertbarkeit

Wissen für Politik wenig anschlussfähig

Lösungen: Training von WissenschaftlerInnen

(z.B. in Fallstudien- oder „best practice“-Methoden) Verpflichtung zu frühzeitiger Interaktion mit

späteren AnwenderInnen („Transdisziplinarität“)

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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4 Ineffektive Kommunikation durch Wissenschaft

Problem: WissenschaftlerInnen könnne/wollen wissenschaftliche Ergebnisse nicht effektiv kommunizieren

z.B. überzogene Verwendung von Fachtermini, Betonung der „Unsicherheit“ von Ergebnissen

Lösungen: Schulung von ForscherInnen

im Umgang mit Medien, Forschungsmarketing und Öffentlichkeitsarbeit(z.B. IUFRO Task Force „Communicating Forest Science“

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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5 Mangelnde Aufnahmekapazität

Problem: politische EntscheidungsträgerInnen verfügen über zu wenig Zeit und Ressourcen für Aufnahme wissenschaftlicher Erkenntnisse Rückgriff auf „Haus-interne“ Informationsquellen Gefahr simplifizierter Lösungen für komplexe Probleme

Lösungen: Vermittlungsinstanzen Hereinholen von ExpertInnen in politische Beratungsgremien kapazitätsbildende Maßnahmen bei VerwaltungsmitarbeiterInnen Entwicklung einer „Kultur des politischen Lernens“

implizite Annahme: Wissensverwendung als „technisches“ Problem, das durch technische Lösungen und verbessertes Wissensmanagement behoben werden kann

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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6 Politisierung von Wissenschaft

Problem: politische EntscheidungsträgerInnen sehen wissenschaftliche Erkenntnissen als kritisch und gefährlich Vernachlässigung, Unterdrückung, Finanzierungsverweigerung

selektive Verwendung wissenschaftlicher Ergebnisse, um eigene politische Positionen – post hoc – zu stützen

Lösungen: moralische Appelle an Politik und Wissenschaft Konsens im Kreise der Wissenschaft

(„epistemic communities“, Haas 1992)

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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7 Indirekter Einfluss von Wissenschaft auf Politik

Problem: wissenschaftliche Ergebnisse unterliegen auf Weg in Anwendersysteme Transformation (Verwendungsforschung)

Trivialisierung, Veralltäglichung, „gespaltene“ Verwendung

Lösungen: gesteigerte Autonomisierung

der VerwenderInnen Reinterpretation und Reformulierung von

Wissen je nach Handlungskontext

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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8 Soziale Distanz zwischen Wissenschaft/Politik & Öffentlichkeit

Problem: Wissenschaft und Politik als enge Kooperationspartner mit zunehmender technokratischer Distanz zu eigentlichen Politikadressaten (Bevölkerung) Implementationsdefizite

Lösungen: partizipative Formen wissenschaftlichen

Arbeitens (z.B. Participatory Rural Appraisal, Transdisziplinarität)

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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9 Verschränkung von Wissenschaft und Macht

Problem: wissenschaftliche Erkenntnisse stellen im Kontext politischer Entscheidungen wichtige Machtressource dar

Wissen und Macht untrennbar miteinander verknüpft („pouvoir-savoir“, Foucault 1980)

hegemoniale Netzwerke, institutionelle Arrangements und Struktur der öffentlichen Debatte bestimmen, was als „relevantes“ oder „brauchbares“ Wissen angesehen und akzeptiert wird

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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10 Pluralität von Wissensformen

Ablösung der Dualität zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft durch Pluralität unterschiedlicher Epistemologien und „Formen des Wissens“z.B. „Laienwissen“, „indigenous knowledge“

Lösungen: partizipative bzw. transdisziplinäre Forschung

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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11 Grenzarbeit

Konzept der „Grenzarbeit“: Unterscheidung zwischen „Wissenschaft“ und

„Politik“ fallbezogen definiert und ausgehandelt Grenzen haben ermöglichende und beschränkende Funktion

Lösungen: 2 Handlungen: „Errichtung“ und

„Überbrückung“ der Grenzen längerfristige Interaktion zwischen WissenschaftlerInnen

und politischen EntscheidungsträgerInnen schafft gemeinsames Rollenverständnis

Problemdefinition in „gemischten“ Foren … mit Wissenschaft als einer – keineswegs stets privilegierten – Quelle von Realitätsdeutungen

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nachfrageseitige Erklärungsmuster

Wissenschaft PolitikWissenschaft Politik

konstruktivistisch-kritische Erklärungsmuster

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Schlussfolgerungen

Existenz einer Reihe unterschiedlicher Perspektiven und Erklärungsmuster für (meist: defizitäre) Interaktion zwischen Wissenschaft und Politik

für sich jeweils partial bleibenden Erklärungsmuster liefern zusammen genommen facettenreiches Bild

konstruktivistisch-kritische Perspektiven gemahnen, Erwartungen in Wissenstransfer und Schnittstellenmanagement nicht zu hoch zu stecken

unterschiedliche Ansatzpunkte zur produktiveren Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik

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26.04.23 17Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik I Michael Pregernig

Universität für Bodenkultur WienDepartment für Wirtschafts- undSozialwissenschaften

Michael Pregernig

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