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Reykjavik: Kinder erwünscht Es gibt gute Gründe, nicht mit Kindern nach Reykjavik zu fahren. Trotzdem sollte man es tun, denn die Hauptstadt Islands garantiert Erlebnisse, die Kinder nirgends sonst auf der Welt finden können. Text: Fabio Delorenzi Fotos: Max Schmid und Fabio Delorenzi Ist das eine Stadt für Kinder, wo putzige Papageitaucher in kleine Scheiben geschnitten als Mittagsmenu serviert werden? Wo Walfleisch in höchsten Tönen angepriesen wird? Wo verweste Haifleisch-Würfelchen als feine Apéro-Häppchen gelten? Was müssen kleine Kinder wohl denken, wenn neben ihnen in der Tempo 30-Zone Jeep-Monster mit Rädern so gross wie sie selber vorbeifahren? Nun, es könnte noch schlimmer sein, aber wenigstens ist das weltweit einzige Penismuseum von Reykjavik in den Norden verlegt worden. Zum Abschluss dieser kleinen Liste noch eine Warnung an die Eltern: Im sommerlichen Reykjavik geht die Sonne kurz vor Mitternacht unter und steht um drei schon wieder am Himmel: Man bringt die Kinder also nicht ins Bett. Trotz oder gerade wegen dieser Vorbehalte: Reykjavik ist mit Kindern eine Reise wert. Denn es gibt natürlich sehr viel, was Kinderherzen erfreut: Lava. Heisse Quellen. Elfen. Vulkane. Gletscher. Wale. Trolle. Wikinger. Mitternachtssonne. Vogelfelsen. Islandpferde. Wasserfälle. Skyr. Skyr? Eine Art Quark, von dem sich alle Isländer unter fünf Jahren zu ernähren scheinen, mit Birnen- oder Blaubeergeschmack. Kurz: Die Insel im Nordatlantik ist ein einziger Abenteuerspielplatz. Und kinderfreundlich: Alma ist viereinhalb und genauso rotznasig, altklug, launisch und weinerlich wie jedes viereinhalbjährige (und etwas jüngere und etwas ältere) Wesen. Sie schmeisst im Restaurant ein Glas um: kein Gast blickt pikiert. Sie kreischt wie am Spiess im Thermalbad (von denen es in Reykjavik sieben gibt): die Mitbadenden im 37 Grad heissen Becken lächeln freudig. Sie legt sich im urbanen Szene-Café theatralisch auf den Gussbetonboden, weils kein Glacé mit Himbeergeschmack gibt: die gepiercte Kellnerin legt ihr dafür Malzeug hin. Der Isländer liebt die Kleinen... Die Kinderfreundlichkeit ist kein Marketing-Gag. Auf der Insel wohnen knapp 300'000 Menschen, zwei Drittel davon in und um Reykjavik. Zuwanderung auf die Insel gibt es nicht, deshalb bedeuten Kinder Zukunft. Der Staat fördert die Lust auf Nachwuchs mit grosszügigem Schwangerschaftsurlaub, genügend Kinderbetreuungsstätten und Attraktionen wie den Familienpark: Tolle elektrische Bagger, Autos, Lastwagen gibt’s dort zur kostenlosen Benutzung. Im Haustierzoo hats Stiere zum Streicheln, kolossale Schweine zum Bestaunen, hübsche Schafe, flauschige Polarfüchse und pfeilschnelle Seehunde. Das Freilichtmuseum weist über zwei Dutzend historische Gebäude auf, mit altem Handwerk und Personal in zeitgenössischen Kostümen – Der Renner für Kinder und Erwachsene: Islandpferde sind gutmütig und leicht zu reiten. Pferdehöfe in oder rund um die Stadt bieten Reitstunden an.

Island – Reykjavik: Kinder erwünscht

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Es gibt gute Gründe, nicht mit Kindern nach Reykjavik zu fahren.Trotzdem sollte man es tun, denn die Hauptstadt Islands garantiertErlebnisse, die Kinder nirgends sonst auf der Welt finden können.

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Reykjavik: Kinder erwünscht Es gibt gute Gründe, nicht mit Kindern nach Reykjavik zu fahren. Trotzdem sollte man es tun, denn die Hauptstadt Islands garantiert Erlebnisse, die Kinder nirgends sonst auf der Welt finden können.

Text: Fabio Delorenzi Fotos: Max Schmid und Fabio Delorenzi

Ist das eine Stadt für Kinder, wo putzige Papageitaucher in kleine Scheiben geschnitten als Mittagsmenu serviert werden? Wo Walfleisch in höchsten Tönen angepriesen wird? Wo verweste Haifleisch-Würfelchen als feine Apéro-Häppchen gelten? Was müssen kleine Kinder wohl denken, wenn neben ihnen in der Tempo 30-Zone Jeep-Monster mit Rädern so gross wie sie selber vorbeifahren? Nun, es könnte noch schlimmer sein, aber wenigstens ist das weltweit einzige Penismuseum von Reykjavik in den Norden verlegt worden. Zum Abschluss dieser kleinen Liste noch eine Warnung an die Eltern: Im sommerlichen Reykjavik geht die Sonne kurz vor Mitternacht unter und steht um drei schon wieder am Himmel: Man bringt die Kinder also nicht ins Bett. Trotz oder gerade wegen dieser Vorbehalte: Reykjavik ist mit Kindern eine Reise wert. Denn es gibt natürlich sehr viel, was Kinderherzen erfreut: Lava. Heisse Quellen. Elfen. Vulkane. Gletscher. Wale. Trolle. Wikinger. Mitternachtssonne. Vogelfelsen. Islandpferde. Wasserfälle. Skyr. Skyr? Eine Art Quark, von dem sich alle Isländer unter fünf Jahren zu ernähren scheinen, mit Birnen- oder Blaubeergeschmack. Kurz: Die Insel im Nordatlantik ist ein einziger Abenteuerspielplatz. Und kinderfreundlich: Alma ist viereinhalb und genauso rotznasig, altklug, launisch und weinerlich wie jedes viereinhalbjährige (und etwas jüngere und etwas ältere) Wesen. Sie schmeisst im Restaurant ein Glas um: kein Gast blickt pikiert. Sie kreischt wie am Spiess im Thermalbad (von denen es in Reykjavik sieben gibt): die Mitbadenden im 37 Grad heissen Becken lächeln freudig. Sie legt sich im urbanen Szene-Café theatralisch auf den Gussbetonboden, weils kein Glacé mit Himbeergeschmack gibt: die gepiercte Kellnerin legt ihr dafür Malzeug hin. Der Isländer liebt die Kleinen... Die Kinderfreundlichkeit ist kein Marketing-Gag. Auf der Insel wohnen knapp 300'000 Menschen, zwei Drittel davon in und um Reykjavik. Zuwanderung auf die Insel gibt es nicht, deshalb bedeuten Kinder Zukunft. Der Staat fördert die Lust auf Nachwuchs mit grosszügigem Schwangerschaftsurlaub, genügend Kinderbetreuungsstätten und Attraktionen wie den Familienpark: Tolle elektrische Bagger, Autos, Lastwagen gibt’s dort zur kostenlosen Benutzung. Im Haustierzoo hats Stiere zum Streicheln, kolossale Schweine zum Bestaunen, hübsche Schafe, flauschige Polarfüchse und pfeilschnelle Seehunde. Das Freilichtmuseum weist über zwei Dutzend historische Gebäude auf, mit altem Handwerk und Personal in zeitgenössischen Kostümen –

Der Renner für Kinder und Erwachsene: Islandpferde sind gutmütig und leicht zu reiten. Pferdehöfe in oder rund um die

Stadt bieten Reitstunden an.

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wissens- und sehenswert. Zudem: Kinder bis 16 Jahre zahlen keinen Eintritt! Und dann die Thermalbäder. Kinderfreundlich sind alle, aber jenes in Arbaer bietet noch ein wenig mehr: Dort steht Personal bereit, um Vätern oder Müttern unter die Arme zu greifen, Kindersitze anzuschleppen (damit man sich in Ruhe umziehen kann), Kinderbadewannen (damit man in Ruhe duschen kann), Flügelchen, Schwimmringe, Spielsachen (damit man im warmen Wasser auch mal seine Ruhe hat) – was wünscht sich das Erwachsenenherz mehr?

...und die Kleinen lieben Tiere Und vieles, was Kinder begeistert, begeistert auch die Grossen, Zum Beispiel eine Walsafari. Zwei Anbieter fahren vom Reykjaviker Hafen dreimal täglich auf eine dreistündige Beobachtungstour. Wale sieht man garantiert, oft auch Delphine. Die Kinder tragen Schwimmwesten, im Unterdeck gibt’s süsses Gebäck, und neben den Meeressäugern ist für die Kinder die steile Schiffstreppe die Hauptattraktion, die man nur rückwärts hinabsteigen darf. Natürlich würden die Isländer weiterhin gern Wale jagen, aber sie dürfen nicht, und Whale Watching ist kinderkompatibler, wie auch der Abstecher zur Papageitaucher-Insel, wo die Vögel deutlich mehr Spass machen als auf dem eingangs erwähnten Mittagsteller. Island ist bekanntlich kein Billigreiseland – was sich mit seiner abgelegenen Lage erklären lässt und kein Grund sein sollte, um nicht hinzureisen. Zudem weisen Sonnenanbeter auch gern darauf hin, dass die Insel eher etwas kühl ist im Vergleich mit Kreta oder Ibiza. Als Antwort lächelt der Islandkenner nur, denn er weiss: kostenloses Mittelmeergefühl kann Reykjavik auch bieten: Das Strandbad Nautholsvik in einer Meeresbucht im Süden der Stadt wird durch eine Thermalquelle auf 20 Grad geheizt. Der aufgeschüttete, goldgelbe Sandstrand, junge, muskulöse bagnini und eine Eisdiele machen aus dem Flecken kaltes Nordmeer ein Stücklein laue Adria. Die kleine Alma läuft ans Meer, streckt den grossen Zeh ins Wasser, zieht ihn wieder raus und verzieht den Mund. «Wäh», sagt sie. «Viel zu kalt.» Das hat man nun davon, wenn man mit Kindern ganze Nachmittage im heissen Thermalwasser liegt. Sie blinzelt müde in die Abendsonne. Aber deshalb gleich schlafen? Das können wir dann wieder zuhause.

Walsafaris können direkt von Reykjavik aus unternonmmen werden

Im Strandbad Nautholsvik werden Adria-Gefühle wach

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In Reykjavik nicht verpassen:

• Die Aussicht von der Hallgrimskirche im Zentrum der Stadt ist famos. Die 75 Meter Höhe legt man bequem mit dem Lift zurück.

• Elfensuche in der Vorstadt Hafnarfjördur: Der Park Hellisgerdi gilt als Wohnort zahlreicher

Elfen und weist die nördlichsten Bonsai-Bäume der Welt auf.

• Reittouren: diverse Anbieter

• Vulkanismus: Die «Volcano-Show» (beim Stadtsee Tjörnin) empfiehlt sich für grössere Kinder und ist ein guter Einstieg ins Thema. Tägliche Filmvorführungen über Vulkanasubrüche in Island. Zudem: Ausflüge zu den nahen Geysiren, zu Vulkanen und Feuer (Geysire, Vulkane, Lava etcetera) und Eis (Europas grösste Gletscher) sind Tagesausflugsziele ab der Hauptstadt.

• Das Perlan, der mit einem Gourmet-Restaurant aufgewertete Heisswassertank oberhalb

der Stadt, weist mit dem Saga-Museum eine etwas blutige Attraktion für grössere Kinder auf: Die Historie Islands ist mit Wachsfiguren realistisch nachgestellt.

• Freilichtmuseum Arbaerjarsafn eignet sich sehr für Kinder, ist à la Ballenberg aufgebaut.

• Haustierzoo, Familienpark und Botanischer Garten liegen im Stadtteil Laugardalur

nebeneinander: Polarfüchse, Minks, Seeadler und Seehunde sind die einzigen Wildtiere. Beeindruckend sind aber auch die Kühe und Schweine.

• Bäder: Das grösste ist das Sundlaugar, das familienfreundlichste das Arbaejarlaug. Das

Strandbad Nautholsvik hat einen Hot Pot und eine beheizte Badebucht samt Sandstrand.