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/••••%\ EAWAG C ow Eine Forschungsanstalt des ETH-BereiChs Jahresbericht 1994 EAWAG - Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz

Jahresbericht 1994 · 2015. 9. 10. · Jahresbericht 1994 EAWAG - Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz. Der Necker ist ein voralpiner

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Page 1: Jahresbericht 1994 · 2015. 9. 10. · Jahresbericht 1994 EAWAG - Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz. Der Necker ist ein voralpiner

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Eine Forschungsanstaltdes ETH-BereiChs

Jahresbericht 1994EAWAG - Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung,

Abwasserreinigung und Gewässerschutz

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Der Necker ist ein voralpiner Fluss, dessen Kiessohledurch Hochwasser häufig bewegt wird. Auf der wenigstabilen Gewässersohle bilden sich raschwüchsigeAufwuchsalgen/ die Primärproduzenten. Hochwasserreduzieren sowohl die Primärproduktion als auch dieRespiration. Ein grosser Teil der Abbauprozesse findet imSediment statt. Bei einem mittleren geschiebeführendenHochwasser werden aber meist nur die oberen Sediment-schichten bewegt. Dies dürfte der Grund sein/ weshalbdie Respiration weniger stark auf die Störungen reagiertals die Primärproduktion/ welche sich auf belichteteOberflächen der Gewässersohle beschränkt (Tabelle). Imvorliegenden Fall (längere Schönwetterperiode) erholtensich die Primärproduktion und die Respiration rasch undübertrafen die vor der Störung beobachteten Werteschliesslich deutlich.

Der Chriesbach ist ein stark verbautes Gewässer in derdicht besiedelten Agglomeration von Zürich. Seine befe-stigte Gewässersohle bleibt auch bei extrem hohenAbflüssen stabil. Primärproduzenten sind hier vor allemGefässpflanzen/ wobei der flutende Hahnenfuss (Ranun-

culus fluitans) dominiert. Wegen der günstigen Nährstoff-und Lichtverhältnisse entwickeln sich dichte Pflanzen-bestände, welche die Abflusskapazität reduzieren. DiePflanzen werden daher ein- bis zweimal jährlich geschnit-ten (anthropogene Störung). Vier Wochen nach demSchnitt ist die Primärproduktion bereits auf dem gleichenNiveau wie vor der Störung (Tabelle). Bis sich die lang-sam wachsenden Gefässpflanzen erholt haben, wird diePrimärproduktion von Aufwuchsalgen geleistet. DieEntfernung der Wasserpflanzen erhöht die Abschwem-mung feiner organischer Partikel, welche zwischen denPflanzen auf der Bachsohle lagern. Die Respirationnimmt daher deutlich ab. Sie erholt sich erst/ wenn diePflanzenbestände die hydraulischen Verhältnisse soweitändern/ dass feines Material wieder vermehrt zurück-gehalten wird.

Beide Beispiele zeigen, dass die Auswirkungen vonStörungen, welche die Energieversorgung dieser Öko-systeme beeinträchtigen/ relativ rasch kompensiertwerden. Dabei spielen rasch wachsende Primärprodu-

NeckerJuni 1994

ChriesbachJuni/Juli 1993

1 Tag vor 4 Tage 18 Tage vor dem nachdem nach dem nach dem Schnitt dem

Hoch- Hoch- Hoch- Schnittwasser wasser wasser

Primärproduktion 2.8 1.1 6.8 24 25

Respiration 3.7 3.0 8.0 30 17

Tabelle: Primärproduktion und Respiration [g 02 m-2d-1 1 im Necker

und im Chriesbach.

zenten eine wichtige Rolle. Im naturnahen, voralpinenFluss reduziert ausserdem der Energievorrat, der in Formtoter organischer Substanz im Sediment lagert/ die Emp-findlichkeit des Systems gegenüber dem Verlust derPrimärproduzenten. Das ist wichtig/ weil die häufigenHochwasser den Algenaufwuchs über längere Zeiträumehin auf niedrigem Niveau halten.

(Barbara Känel, Markus W. Naegeli/ Urs Uehlinger)

Auswirkungen einer Ökosystemmanipulation

Nördlich der EAWAG liegt bei Wallisellen eines der letz-ten,Flachmoore im Glattal. Das 2.8 ha grosse Gebietzeigt an einer Stelle Ansätze zur Hochmoorbildung.Es liegt zwischen der Autobahn Zürich–St. Gallen, derKantonsstrasse Zürich–Winterthur, einem Industrie-gelände und einem Wohngebiet. Beim Bau der Autobahnwurde am Rande des Moores die wasserundurchlässigeSchicht verletzt und es drohte auszutrocknen. Deshalbwird seit den 70er Jahren der Wasserspiegel mittelsDauerinfusion hochgehalten. Sinkt der Pegel unter ein

Der Bewässerungskanal, der das Moor mit Grundwasser versorgt,im Winter. Hier wurde 1993 ein grosses Amphibiensterben beob-achtet. Im Hintergrund sind einige der durch die Eutrophierungentstandenen Schilfbestände zu erkennen. (Foto: Fred Stössel) 45

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bestimmtes Mass/ wird Grundwasser künstlich über einRegel- und Pumpsystem in einen knapp 1 m breitenKanal gepumpt. Dieser durchquert das ganze Flachmoor(Abbildung) und ergänzt so den Wasserverlust.

Das geförderte Grundwasser enthält grosse Mengen anNitrat (NO3) und Metallionen wie Natrium (Na +)/ Kalium(K+)/ Magnesium (Mg 2+) und Kalzium (Ca 2+). So konntenauf den ersten 5 m des Bewässerungskanals starkeKalkausfällungen beobachtet werden. Dieser Abschnittist mit Algen besiedelt, die für Quellen typisch sind(Mougeotia spp./ Tribonema spp. [Grünalgen, Chloro-phyta]). Die Nährstoffbelastung des geförderten Wassershat in den 20 Jahren seit der Pumpeninstallation wie anden meisten Orten im Mittelland zugenommen. Diesführte zu einer Eutrophierung der Umgebung des Kanals/was sich besonders in einer Ausbreitung von Schilf undanderen nährstoffliebenden Pflanzen manifestiert.

Ein alter Torfstich ist über einen Kanal mit dem Bewäs-serungsgraben verbunden. Hier wurden Abweichungenin der Zusammensetzung der Algenbiozönose gegenüberden anderen/ nur' durch Regenwasser gespiesenen Torf-stichen beobachtet. Während im Kanal und dem damitverbundenen Torfstich Kieselalgen dominierten/ wuchsenin den anderen Torfstichen mehrheitlich Grün- (Chloro-phyceae) und Gelbgrünalgen (Xanthophyceae).

Wasseranalysen an verschiedenen Stellen im Schwing-rasen des Moores zeigten/ dass bis heute nur geringeMengen an Nährstoffen weiter als 1-2 m weit vomBewässerungsgraben ins Moor eindringen. So beträgtdie NO-3-Konzentration im Wasser des Schwingrasen-Lückensystems in 1 m Entfernung vom Bewässerungs-kanal zeitweise nur noch 1/5oo der ursprünglichenKanal-Konzentration. Nicht ganz so grosse Konzen-trationsabnahmen wurden für diverse Metallionengemessen. Na+ konnte sogar noch in 20 m Entfernungvom Bewässerungskanal in erhöhter Konzentrationnachgewiesen werden. Während diese kleinen/ gutlöslichen Ionen mit dem Wasser weit in den Schwing-rasen gelangen, werden die meisten anderen Stoffevom Torf adsorbiert. Da die Na +-Konzentration örtlichschon heute 25 mg/I beträgt, besteht eine gewisseVersalzungsgefahr mit daraus resultierender Vegetations-veränderung. Insbesondere diejenigen Bereiche im Zen-trum des Gebietes/ welche Ansätze zur Ausbildung einesHochmoores zeigen/ wären hiervon als erste betroffen/und verschiedene bedrohte Pflanzenarten wie der rund-blättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) würden ver-schwinden. Weil die Adsorptionskapazität des Torfesnicht beliebig gross ist/ muss im Laufe der nächstenJahrzehnte mit einer Ausdehnung der Eutrophierung unddaraus resultierender Verschilfung grösserer Flächen

46�gerechnet werden.

Daneben birgt das Bewässerungssystem aber auch nochweitere Gefahren: Im Winter wurde der Regelmechanis-mus wegen Vereisungsgefahr jeweils kurzgeschlossen,so dass die Pumpe unablässig relativ warmes Grund-wasser förderte. Im Bewässerungskanal überwintertenalljährlich viele Frösche. Wegen des warmen Wassersreduzierte sich deren Stoffwechsel nicht so stark wie beikälter Überwinternden. Als im Januar 1993 die Pumpevon unbekannter Hand abgestellt wurde/ fror der Kanalzu. Dadurch wurde der Gasaustausch zwischen Kanal-wasser und Atmosphäre unterbunden. Wegen des erhöh-ten Stoffwechsels verbrauchten die überwinterndenAmphibien übermässig viel Sauerstoff und mehr als100 Gras- (Rana temporaria) und Wasserfrösche (Rana

kl. esculenta) sowie einige Bergmolche (Triturus alpestris)

erstickten unter dem Eis.

(Beat Akeret, Fred Stössel/ Petra S. Ammann)

Wiederbesiedlung des Necker-Bachbettes nach

einem aussergewöhnlich intensiven Hochwasser

In alpinen und voralpinen Bächen wird die tierische undpflanzliche Besiedlung der Gewässersohle (das sog.Benthon) mehrmals pro Jahr durch Hochwasser mit Ge-schiebetrieb gestört. Obwohl dabei stets ein gewisserAnteil der Organismen vernichtet wird, findet man mei-stens schon kurz nach dem Hochwasser wieder eineähnliche Besiedlungsdichte wie vor dem Ereignis (vgl.dazu Seite 36 des EAWAG-Jahresberichtes 1993). Überdie Mechanismen/ welche diese hohe biologische Elasti-zität ermöglichen/ weiss man erst recht wenig. Allgemeinwird vermutet, dass sich die Tiere bei Beginn des Ge-schiebetriebes an geschützte Orte (z.B. tiefere Schichtender Sohle/ kleine Nebenbäche oder Totwasserzonenhinter grossen Steinen) zurückziehen und von diesen«Refugien» aus nach dem Hochwasser die Sohle wiederbesiedeln. Was aber geschieht nach einem ausserge-wöhnlich starken Hochwasser, bei dem praktisch keinederartigen Refugien mehr zur Verfügung gestandenhaben? Ein Abflussereignis im Necker/ wie es durch-schnittlich nur alle 5 Jahre auftritt/ gab uns im Frühsom-mer 1994 die Gelegenheit, diese Frage zu untersuchen.

Es zeigte sich/ dass durch das Hochwasser über 90%der benthischen Tiere weggeschwemmt oder zermalmtworden waren und dass sich das Benthon danach nurlangsam erholte. Offensichtlich hatte das Hochwasserpraktisch alle Refugien zerstört und damit eine rascheWiederbesiedlung verhindert. Bei einzelnen Taxa nahmdie Dichte in den nachfolgenden Wochen sogar nochweiter ab, was mit dem Entwicklungszyklus dieser Taxaerklärt werden kann. Aus der engen Koppelung zwischender Anzahl Refugien/ welche ein bestimmtes Hoch-

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Alk EAWAG

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