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Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit auf der Grundlage meines Entwicklungsportfolios Hausarbeit zur Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe Erstgutachter: Dr. Christofer Seyd Zweitgutachterin: Yvonne Hackbarth vorgelegt von Felix Wacker Alter Postweg 103i 21075 Hamburg email: [email protected] Tel.: 0163 8144884 Abgabe am 17. März 2011

Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

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Jahrgangsübergreifender Unterricht.

Eine Hausarbeit auf der Grundlage

meines Entwicklungsportfolios

Hausarbeit zur Zweiten Staatsprüfung

für das Lehramt an der Grund- und Mittelstufe

Erstgutachter: Dr. Christofer Seyd

Zweitgutachterin: Yvonne Hackbarth

vorgelegt von Felix Wacker

Alter Postweg 103i

21075 Hamburg

email: [email protected]

Tel.: 0163 8144884

Abgabe am 17. März 2011

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Jahrgangsübergreifender Unterricht

Definitionen und Modelle � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 7

Argumente für jahrgangsübergreifenden Unterricht � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 8

Jahrgangsmischung als Lernressource � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 10

Voraussetzungen für die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung � � � � � � � � � � � � 12

Meine Erfahrungen aus der Praxis

Die Lerngruppen� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 15

Religionsunterricht OGS III, Ostergeschichte und Lernbuffet � � � � � � � � � � � � � � � � � � 16

Lernbereich Gesellschaftswissenschaften: Lernbüro� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 21

Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ � � � � � � � � � � � � � 31

Fazit: Förderliche Elemente des Unterrichts für die Nutzung der

Lernressource Jahrgangsmischung

Klare Strukturierung des Lehr-Lernprozesses � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 37

Arbeiten am gemeinsamen Lerngegenstand � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 39

Unterrichtsgespräche als Basis des Austauschs � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 39

Etablierung von Hilfesystemen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 40

Sukzessive Anbahnung und Förderung kooperativen Lernens � � � � � � � � � � � � � � � � � � 41

Ausblick � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 43

Literaturverzeichnis� � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 45

Erklärungen � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � � 47

S e i t e 3

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Einleitung

Jahrgangsübergreifender Unterricht - die Idee, Schülerinnen und Schü-

ler1 unterschiedlicher Jahrgangsstufen in einer Lerngruppe zu vereinen -,

faszinierte mich bereits vor dem Eintritt in den Vorbereitungsdienst. Der

veränderte Umgang mit der Heterogenität der Schülerschaft, der An-

spruch, selbstständiges Lernen und Arbeiten zu unterstützen, Binnendif-

ferenzierung in hohem Maße zu praktizieren und individuelle Entwick-

lungen zu begleiten, erscheinen mir als ein sinnvoller Ansatz, um das

schulische Lernen zu modernisieren. Ich habe mich deshalb ganz bewusst

dafür eingesetzt, meinen Vorbereitungsdienst in einer Ganztagsschule im

Süden Hamburgs zu leisten, in der diese neue (oder wieder entdeckte)

Form des Unterrichts bereits gängige Praxis ist. Schon im Vorfeld konnte

ich im Rahmen eines Lehrauftrages erste Erfahrungen in jahrgangshete-

rogenen Lerngruppen sammeln. Seitens der Kolleginnen und Kollegen

war ein gewisser Pioniergeist zu spüren: Neues wurde ausprobiert, eva-

luiert, etabliert oder wieder verworfen. Genau das wollte ich auch!

Während meines Vorbereitungsdienstes habe ich die Möglichkeit

genutzt, verschiedene Formen im Umgang mit der Jahrgangsmischung

auszuprobieren, auf verschiedene Weise zu differenzieren und unter-

schiedliche Methodiken anzuwenden - anfänglich unter schwierigen Be-

dingungen in einem provisorischen Schulgebäude mit kleinen Klassen-

zimmern und einer großen Lerngruppe der Jahrgänge 1 bis 4. Nach der

Hälfte meiner Dienstzeit und der Umstellung auf das gemeinsame längere

Lernen bis inklusive Klasse 6 des Primarschulmodells habe ich sowohl in

einer Klasse mit den Jahrgängen 1 bis 3 als auch in einer Klasse mit den

Jahrgängen 4 bis 6 Erfahrungen sammeln können - in einem nagelneuen,

modernen Schulgebäude.

Diese Hausarbeit ermöglicht es mir, „einzelne Gegenstände aus [mei-

ner] Erziehungs- und Unterrichtsarbeit selbstständig, methodisch ein-

wandfrei, klar und folgerichtig darzustellen und praxisreflektierend zu

beurteilen“ (Senat der Freien- und Hansestadt Hamburg 2010, S. 9).

Diese Möglichkeit möchte ich im Folgenden nutzen.

Die für mich bedeutendste Frage des Unterrichtens in jahrgangsüber-

greifenden Klassen ist:

Welche Elemente des Unterrichts sind besonders förderlich in Be-

zug auf die Nutzung der Jahrgangsmischung als Lernressource?

1) im weiteren Verlauf der Arbeit „Schüler*innen“.

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Exemplarisch erörtern möchte ich diese Frage an drei ausgewählten

Unterrichtseinheiten, die für meinen Kompetenzzuwachs in Hinsicht auf

die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung von großer Bedeu-

tung waren und mich nachhaltig beeinflusst haben. Die Selbstevaluati-

on findet auf der Grundlage meines LIA-Entwicklungsportfolios statt,

das mich über die gesamte Zeit meines Vorbereitungsdienstes begleitet

hat (vgl. Landesinstitut für LehrerbiLdung und schuLentwickLung

hamburg 2010).

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Jahrgangsübergreifender Unterricht

Definitionen und Modelle

Jahrgangsübergreifender Unterricht, Lernen in jahrgangsgemischten

Klassen, altersgemischte Lerngruppen - der Alltag an meiner Schule und

die Fachliteratur zeigen, dass es eine Vielzahl synonym genutzter Begriffe

für ein und dieselbe Tatsache gibt: Eine Schulklasse besteht aus Kin-

dern verschiedener Jahrgangsstufen. Die Heterogenität der Lerngruppe

ist demnach (noch) höher, als sie bereits in herkömmlichen, jahrgangs-

gebundenen Klassen ist. Die Lernchance besteht darin, dass die Kinder

innerhalb ihrer Lerngruppe Ansprechpartner*innen mit unterschiedlich

langer Schulerfahrung haben. Durch gegenseitiges Helfen können sich

die Kinder zum Lernen anregen (vgl. wagener 2007, S. 2).

Die Idee des jahrgangsübergreifenden Unterrichts ist nicht neu. Die

jahrgangsgebundene Schulklasse entstand erst mit der flächendecken-

den Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht und der Festsetzung des

Einschulungsalters am Ende des 19. Jahrhunderts. War vorher der jahr-

gangsgemischte Unterricht an der Tagesordnung, wurde mit der Homo-

genisierung des Jahrgangs darauf hingearbeitet, Homogenität bezüglich

der Leistungsfähigkeit der Kinder einer Klasse herzustellen. Um diese

Homogenität langfristig zu gewährleisten, wurden Maßnahmen wie

Zurückstellen, Nichtversetzen und Überspringen von Jahrgangsstufen

eingeführt. Reformpädagogen wie Petersen und Montessori forderten

aufgrund der in homogenen Schulklassen auftretenden Probleme bereits

im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts eine Überwindung der jahrgangs-

gebundenen Klassenorganisation und setzten dies aus bewusster pädago-

gischer Überzeugung in ihren Schulen um (vgl. werner 2005, S. 19).

Heute ist jahrgangsübergreifender Unterricht im Trend. Er ist zu-

nächst eine Antwort auf die Feststellung, dass das Einschulungsalter in

Deutschland im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn im Schnitt

sowohl sehr hoch als auch in sich sehr heterogen ist: Die Altersdifferenz

der Schüler*innen kann in Deutschland innerhalb eines Einschulungs-

jahrganges in den ersten Grundschuljahren zwei bis drei Jahre umfassen

(vgl. hahn / berthoLd 2010, S. 6). Zudem festigt sich der Eindruck,

dass die Schüler*innen zum Zeitpunkt des Eintritts in die Schule über

höchst unterschiedliches Vorwissen verfügen. Die Schulleistungsdiffe-

renz wird hier mit etwa drei bis vier Schuljahren beziffert (vgl. ebd.). Die

Kultusministerkonferenz (KMK) empfiehlt explizit als Maßnahme zur

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Verringerung der Zurückstellungen von Einschulungen als auch als Re-

aktion auf den individuellen Kenntnisstand der Schulanfänger*innen den

Besuch der flexiblen Schuleingangsphase, die die ersten beiden Schul-

jahrgänge umfassen und in ein bis drei Jahren durchlaufen werden soll

(vgl. kmk 2002, S. 9).

Der allgemeine Fokus der Forschung zum jahrgangsübergreifenden

Unterricht liegt, ausgehend von den beschriebenen Feststellungen, zur

Zeit auf der flexiblen Schuleingangsphase. Diese umfasst in der Regel die

Jahrgangsstufen 1 und 2 und ist in vielen Bundesländern bereits gängige

Praxis. Doch was passiert nach dieser Phase? Einige Schulen mit flexibler

Schuleingangsphase gestalten den Unterricht so, dass die Jahrgangsmi-

schung auch nach der Beeindigung dieser Phase Bestand hat und die so

gewonnenen Vorteile des jahrgangsübergreifenden Lernens sowohl er-

halten als auch weitergeführt werden können. Andere Schulen bieten

unabhängig von der flexiblen Schuleingangsphase jahrgangsübergreifen-

den Unterricht an. Zu nennen sind hier vor allem einige Schulen in

Hamburg, da es hier bislang keine flexible Schuleingangsphase gibt.

Die Möglichkeiten, jahrgangsübergreifenden Unterricht zu organi-

sieren, sind vielfältig. Umgesetzt wird diese Unterrichtsform vor allem

in Grundschulen. Die Praxis zeigt, dass die Zusammenfassung von Jahr-

gangsstufen überwiegend in unterschiedlichen Zusammenstellungen der

Stufen 1 bis 4 geschieht. Mögliche Varianten sind (1,2) und (3,4) oder

(1,2,3,4) oder (1,2,3) und (4). An Schulen mit einem höheren Umfang

an Jahrgangsstufen sind weitere Varianten denkbar, z.B. die Zusammen-

fassung der Jahrgänge 1 - 3 und 4 - 6.

Argumente für jahrgangsübergreifenden Unterricht

Ziel des jahrgangsübergreifenden Unterrichts ist es, den Schüler*innen ent-

sprechend ihres subjektiven Leistungsvermögens und ihres individuellen

Interesses sowie unter Berücksichtigung der eigenen Stärken und Schwä-

chen selbstbestimmtes Lernen zu ermöglichen. Dies ist mit Sicherheit auch

das Bestreben eines modernen Schulunterrichts in jahrgangsgebundenen

Klassen. Die Jahrgangsmischung muss im jahrgangsübergreifenden Unter-

richt also den Effekt eines Katalysators im Lernprozess haben.

Unter dem Begriff „Lernen“ versteht man das sich Aneignen von

Wissen, Fertigkeiten und Haltungen (vgl. drews 2005, S. 23). Dabei

steht im Schulunterricht nicht das rezeptiv lernende, sondern das sub-

jektiv handelnde Kind im Mittelpunkt des Interesses. In diesem Zusam-

menhang rückt als Ziel des Lernens der Erwerb von Kompetenzen in den

Fokus. Der Bildungsplan der Hansestadt Hamburg gliedert den Kompe-

Diese Varianten habe ich unterrichtet:

OGS III (oben)G1 (Mitte)U3 (unten)

4

56

132

3

42

1

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tenzerwerb in der Primarstufe in die Bereiche der überfachlichen Kom-

petenzen (Selbst-Kompetenzen, sozial-kommunikative Kompetenzen,

lernmethodische Kompetenzen) sowie den Bereich der auf das jeweili-

ge Unterrichtsfach bezogenen fachlich-inhaltlichen Kompetenzen (vgl.

FHH 2010a, FHH 2010b).

Betrachtet man die in der Literatur aufge-

führten Argumente für jahrgangsübergreifenden

Unterricht, fällt auf, dass die genannten Vortei-

le der Jahrgangsmischung sowohl in den über-

fachlichen als auch in den fachlich-inhaltlichen

Bereich des Kompetenzerwerbs fallen.

Positiv auf den Erwerb der überfachlichen

Kompetenzen wirkt, dass:

die konkurrierende Vergleichbarkeit unter •

den Schüler*innen durch die Jahrgangsmi-

schung reduziert wird. Von Anfang an ist

klar, dass es Leistungsdifferenzen gibt und dass diese bestehen bleiben.

Es kommt zu weniger Spannungen im Sozialgefüge (vgl. heiLmann

2005, S. 55).

das Sozialgefüge der Klassen sich häufig ändert. Kein Kind kann über •

Jahre hinweg in die gleiche Rolle gezwängt werden. Jedes Kind erlebt,

zu den Kleinen zu gehören, die viel Hilfe brauchen und unerfahren

und neu sind, dann zum mittleren Segment im Klassengefüge und spä-

ter als „alter Hase“ zu den Großen zu gehören.

Kinder bestehende Rituale der Klassengemeinschaft übernehmen. Die •

Rituale haben zudem eine höhere Verbindlichkeit, wenn sie nicht nur

von der Lehrperson, sondern auch von älteren Schüler*innen vorge-

lebt und eingefordert werden (vgl. sengeLhoff 2005, S. 28).

Kinder innerhalb ihres Lernprozesses einen Perspektivwechsel erleben. •

Sie werden von Hilfesuchenden zu Helfenden. Das wirkt sich positiv

auf ihr Selbstkonzept aus (vgl. ebd.).

Kinder lernen zu lernen, indem sie sich die Vorgehensweisen und •

Lernmethoden von bereits länger lernenden Schüler*innen abgucken

(vgl. drews et. al 2000, S. 176).

Für den fachlich-inhaltlichen Kompetenzerwerb wird angemerkt, dass

die Schüler*innen ihr Lerntempo individueller bestimmen können. •

Langsam Lernende können mit Kindern der unteren Jahrgangsstufen

zusammen lernen. Besonders Leistungsfähige können schon bei den

Großen mitlernen. Der Lernfortschritt kann von Fach zu Fach variie-

ren (vgl. christiani 2005, S. 9).

Wendt 2007, S� 5

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die Kinder verstärkt voneinander lernen. Schüler*innen mit ei- •

nem Wissensvorsprung auf einem bestimmten Gebiet werden zu

Ansprechpartner*innen derer, die noch nicht so weit sind. Die

Expert*innen geben ihr Wissen weiter und festigen dieses während des

Prozesses des Erklärens (vgl. hesse 2005:a, S. 23).

ältere Schüler*innen sich mit dem Stoff der jüngeren auseinandersetzen •

können (vgl. hahn / bertoLd 2010, S. 10). Sie erkennen Bekanntes

wieder und rufen sich die Inhalte in Erinnerung.

Schüler*innen den Lernstoff stärker nach Interessenlage auswählen •

können. Diese hängt nicht grundsätzlich vom Alter ab, sondern ist stark

an den individuellen Entwicklungsstand gekoppelt (vgl. ebd.).

Jahrgangsmischung als Lernressource

Der jahrgangsübergreifende Unterricht ist eine Reaktion auf die bereits

bestehende Heterogenität in Schulklassen und will diese als Lernressource

nutzen, anstatt sie als Problem zu deklarieren und zu bekämpfen. Hete-

rogenität wird programmatisch zum didaktischen Mittel, das den Mehr-

wert der Jahrgangsmischung gezielt einzusetzen und produktiv zu nutzen

sucht. Um die Jahrgangsmischung als Lernressource und als didaktisches

Mittel einsetzen zu können, muss sich der Schulalltag perspektivisch auf

diese Situation einstellen. Dabei gilt es, jahrgangsübergreifenden Unter-

richt nicht nur als äußere Organisationsform zu begreifen, sondern den

Blick auf die Prozessqualität des Unterrichts zu richten (vgl. hahn, bert-

hoLd 2010 S. 7). Geschieht dies, rückt die Strukturierung des Unterrichts

auf der fachlich-inhaltlichen Ebene in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Strategien des Unterrichts in

jahrgangsgemischten Klassen voneinander unterscheiden.

Abteilungsunterricht

Kinder mit gleichen Lernvoraussetzungen, gleichem Leistungsstand oder

des gleichen Jahrgangs werden zu Abteilungen zusammengefasst, um auf

dem jeweiligen Niveau an einem Unterrichtsgegenstand zu lernen. Die-

se Variante wird im Allgemeinen als Abteilungsunterricht bezeichnet.

Die Abteilungen können aus Schüler*innen unterschiedlicher Jahrgänge

bestehen, müssen es aber nicht. Der Abteilungsunterricht ist eine Mög-

lichkeit, innerhalb einer jahrgangsgemischten Lerngruppe Homogenität

herzustellen. Die Aufgaben der verschiedenen Abteilungen können sich

im Niveau voneinander unterscheiden, können aber auch thematisch

voneinander unabhängig sein.

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Unterricht am gleichen Gegenstand

Alle Schüler*innen einer Klasse arbeiten am gleichen Thema - und zwar

so, dass alle Jahrgangsstufen gleichermaßen vorankommen. Hier steht die

Binnendifferenzierung im Vordergrund. Diese kann durch unterschiedli-

che Lernmaterialien erfolgen oder aber durch eine Aufgabenstellung, die

es den Schüler*innen ermöglicht, auf ihrem jeweiligen Kenntnisstand

eine Lösung zu finden. Dabei sind die Qualitätsstufen fließend und - vor

allem in Fächern, die überwiegend nicht lehrgangsgebunden aufgebaut

sind - auch relativ unabhängig vom Jahrgang. Es kommt verstärkt auf

bereits vorhandenes Vorwissen und dessen Verknüpfen mit dem neu Er-

lernten an. Einen differenzierteren Blick auf die Gestaltung von Unter-

richtsprozessen wirft Zumwald. Sie kategorisiert verschiedene Strategien

im Umgang mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen auf fachlich-in-

haltlicher Ebene (vgl. ZumwaLd 2010, S. 56ff). Gegenstand ihrer Unter-

suchung sind zehn jahrgangsübergreifende Klassen der Jahrgangsstufen

1 und 2 im mathematischen und sprachlichen Anfangsunterricht sowie

im Sachunterricht in St. Gallen (Schweiz). Im Fokus der Studie stehen

die Formen der Aufgabenorganisation in jahrgangsübergreifenden Lern-

gruppen. Zumwald beobachtet signifikante Unterschiede im Umgang

mit der Jahrgansheterogenität im Unterricht, die sich vor allem anhand

unterschiedlicher Aufgabenkonzepte verdeutlichen und in Bezug auf die

Integration des gemeinsamen jahrgangsübergreifenden Lernens in den

Unterricht variieren.

Form A: Unabhängige Aufträge

Die Aufgaben der jeweiligen Jahrgangsstufen sind voneinander vollkom-

men unabhängig und haben keinerlei Bezug zueinander. Hier handelt

es sich um eine koexistente Lernsituation, in der die unterschiedlichen

Jahrgangsstufen thematisch und inhaltlich unterschiedliche Aufgabenstel-

lungen bearbeiten. Ausgangspunkt für die Planung der Unterrichtsarran-

gements ist die jeweilige Jahrgangsstufe der Schüler*innen.

Form B: Parallelisierung von Themen ohne / mit wenig Austausch

Ausgehend von Parallelen der jeweiligen Stoffpläne wird versucht, The-

men, die einen inhaltlichen Bezug zueinander haben, zeitgleich für die

jeweilige Jahrgangsstufe anzubieten. Der inhaltliche Austausch zwischen

den beiden Gruppen ist möglich, nach Zumwald ist dieser jedoch sehr

gering.

Zumwald nennt als Beispiel eine beobachtete Sequenz aus dem Ma-

thematikunterricht, in der die Jahrgangsstufe 1 die Addition im Zah-

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lenraum bis 20 lernt und die Jahrgangsstufe 2 sich mit der Addition im

Zahlenraum bis 100 beschäftigt. Ausgangspunkt für die Planung der

Unterrichtsarrangements ist ebenfalls die jeweilige Jahrgangsstufe der

Schüler*innen.

Form C: Gemeinsames Thema, unabhängige Aufträge auf verschiedenen Ni-

veaus

Die gemeinsame Basis des Arbeitens ist ein gemeinsames Thema, das für

alle Schüler*innen gemeinsam eingeführt und besprochen wird. In Dif-

ferenzierungsphasen werden weiterführende Aufgaben jahrgangsbezogen

in die Lerngruppe hineingegeben. Es hängt dann von einer gemeinsa-

men Phase des Austauschs zwischen beiden Jahrgängen ab, inwieweit

sich jahrgangsübergreifendes Lernen ausprägen kann. Ausgangspunkt für

die Planung der Unterrichtsarrangements ist der jeweilige Lernstand der

Schüler*innen.

Form D: Offene, gemeinsame Aufgabenstellung, die jedes Kind auf seinem

Niveau bearbeitet

Auch hier ist ein gemeinsames Thema mit einem gemeinsamen Einstieg

die Basis des Arbeitens. Die Arbeitsaufträge sind aber so offen formuliert,

dass sie auf unterschiedlichem Niveau gelöst und bearbeitet werden kön-

nen. Die Aufgabe selbst differenziert. Die Schüler*innen können je nach

Kenntnisstand und Leistungsfähigkeit ihren Teil beitragen. Lernstandsab-

hängige individuelle Hilfe durch die Lehrperson sowie die Kooperation

der Schüler*innen untereinander stehen hier im Vordergrund. In ge-

meinsamen Phasen werden Ergebnisse zusammengetragen und bespro-

chen. Ausgangspunkt für die Planung der Unterrichtsarrangements ist die

Herstellung von heterogenen Lerngruppen in Bezug auf den Jahrgang,

den Lernentwicklungsstand sowie die Leistungsfähigkeit.

Die von Zumwald erarbeiteten Kategorien für den jahrgangsübergreifen-

den Unterricht in den Jahrgangsstufen 1 und 2 lassen sich meiner Mei-

nung nach im Wesentlichen auch auf die Arbeit in jahrgangsgemischten

Klassen anderer Jahrgangsstufen übertragen. Die grundsätzlichen Struk-

turen im Umgang mit der Jahrgangsheterogenität sind gleich und eignen

sich, um Unterricht und Unterrichtssequenzen einzuordnen.

Voraussetzungen für die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung

Wenn die Jahrgangsmischung als Lernressource begriffen wird, so muss

diese, ähnlich einem Werkzeug, zur Steigerung der Unterrichtsqualität

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und als Hilfsmittel zum Erwerb fachlicher sowie überfachlicher Kompe-

tenzen eingesetzt werden.

Im Zuge der Reflexion meines Unterrichts stellte sich heraus, dass

einigen Unterrichtsmethoden bzw. Merkmalen des Unterrichts in jahr-

gangsgemischten Klassen besonders Rechnung getragen werden sollte,

da sie das jahrgangsübergreifende Lernen nachhaltig unterstützen. Fehlen

diese Elemente oder werden sie nicht ausreichend berücksichtigt, ver-

lieren der Lehr- und Lernprozess an Dynamik und positive Effekte der

Jahrgangsmischung rücken in den Hintergrund.

Dies möchte ich im Folgenden an drei exemplarisch ausgewählten

Unterrichtseinheiten verdeutlichen. Dabei stehen weniger der konkre-

te fachliche Inhalt im Vordergrund der Untersuchung als vielmehr die

Konstruktion der Lernarrangements und die Einbindung der Jahrgangs-

mischung in den Unterrichtsprozess. Die Unterrichtseinheiten sind in

Bezug auf ihren systematischen Aufbau sehr unterschiedlich und spiegeln

die verschiedenen Möglichkeiten im Umgang mit jahrgangsgemischten

Lerngruppen wieder. Alle drei Einheiten haben mich hinsichtlich des

Arbeitens in heterogenen Lerngruppen stark beeinflusst.

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Meine Erfahrungen aus der Praxis

Die Lerngruppen

Die Schule, an der ich mein Referendariat absolviere, ist eine Schule im

Brennpunkt. Ich habe es mit einer „stark belasteten Schülerschaft“ (KESS

4 Index 1) zu tun (vgl. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg,

2007, S. 2). In beiden Lerngruppen besteht neben der Heterogenität der

Jahrgangsstufen eine starke Heterogenität in Bezug auf den individuellen

Entwicklungsstand sowie die Leistungsfähigkeit. Die Schüler*innen sind

montags bis donnerstags von 8.00 bis 15.00 h in der Schule. An Freitagen

ist bereits um 13.30 h Schulschluss. Fachunterricht findet in der Regel in

den ersten vier Schulstunden (8.00 - 11.30 h) und in den Stunden 7 und

8 (13.30 - 15.00 h) statt. Dazwischen liegen eine Mittagspause sowie ein

Kursangebot.

OGS III

Die Klasse OGS III (obligatorische Ganztagsschule) unterrichte ich vom

Beginn meines Referendariats im November 2009 bis zu ihrer Auflö-

sung am Ende des Schuljahres 2009/2010 in den Fächern Religion und

Sachunterricht und bin mit beiden Fächern an der Gestaltung von Wo-

chenplanstunden beteiligt. Die Klasse setzt sich aus Schüler*innen der

Jahrgangsstufen 1 bis 4 zusammen.

Jahrgangsstufe 1: 5 Mädchen, 2 Jungen •

Jahrgangsstufe 2: 4 Mädchen, 3 Jungen •

Jahrgangsstufe 3: 1 Mädchen, 3 Jungen •

Jahrgangsstufe 4: 3 Mädchen, 2 Jungen •

Mit 23 Schüler*innen ist die Lerngruppe

für diese Form von Jahrgangsmischung

und in Bezug auf den KESS4 Index 1 sehr

groß. Die Lerngruppe ist äußerst schwie-

rig. Regeln und Rituale für das gemein-

same Lernen im Klassenraum spielen eine

große Rolle und sind permanent, auch in

meinem Fachunterricht, Thema. Alle Schüler*innen sind seit Beginn ih-

rer Schullaufbahn in der jahrgangsgemischten Lerngruppe.

Klasse U3

Mit dem Eintritt in die Kernphase 2 des Referendariats übernehme ich im

Klasse OGS IIIjahrgangsübergreifender Unterricht im provisorischen Klassenraum

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Sommer 2010 die Klasse U3 (Unterstufe 3) im Lernbereich Gesellschafts-

wissenschaften und im Fach Religion. Alle Klassen der Schule wurden im

Zuge der Schulreform neu zusammengesetzt. Ein Teil der Schülerschaft

der Klasse OGS III ist nun in der Klasse U3, die sich aus 8 Schülerinnen

und 7 Schülern der Jahrgangsstufen 4 bis 6 zusammensetzt.

Jahrgangsstufe 4: 3 Mädchen, 3 Jungen •

Jahrgangsstufe 5: 2 Mädchen, 4 Jungen •

Jahrgangsstufe 6: 3 Mädchen •

Religionsunterricht OGS III, Ostergeschichte und Lernbuffet

Das Thema Ostern ist im Frühjahr 2010 Gegenstand des Unterrichts. Der

Impuls für die Bearbeitung des Themas kommt von den Schüler*innen.

In einer Freiarbeitsphase, in der ich am Unterricht beteiligt bin, kommen

zwei Schülerinnen auf mich zu und erzählen, dass sie im Fernsehen Os-

terhasen und Küken gesehen hätten und stellen die Frage, ob das etwas

mit Religion zu tun habe. Ich bejahe die Frage und werde im nächsten

Moment darum gebeten, Ostern zum Thema des Religionsunterrichts zu

machen. Wie passend!

Der überwiegende Teil der Schülerschaft ist nicht christlich, so dass

ich davon ausgehe, dass der lebensweltliche Bezug der Schüler*innen

sich vor allem auf den medialen Kontakt mit den Osterbräuchen so-

wie in Teilen auf die österliche Symbolik beschränkt. Dieses Wissen soll

aufgegriffen und vertieft werden. Doch selbstverständlich soll auch die

biblische Erzählung zur Geltung kommen.

Aufgrund der hohen Anzahl an Schüler*innen, der beengten Verhält-

nisse (zu dieser Zeit ist die Lerngruppe in einem provisorischen Klassen-

zimmer in einem Container untergebracht) und der insgesamt schwieri-

gen Schülerschaft müssen neben dem fachlichen Ziel der Vermittlung des

Ostergeschehens, der Osterbräuche und Symbolik vor allem die Vertie-

fung sozialer Kompetenzen in Bezug auf das Einhalten von Regeln und

Ritualen sowie die Aufrechterhaltung eines konstruktiven Lernklimas im

Vordergrund stehen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Religionsun-

terricht in der 7. und 8. Unterrichtsstunde stattfindet. Im Fokus stehen

deshalb hier vor allem die Einhaltung des Ruherituals, der Meldekette

und der Helferkette.

Das Ruheritual besteht aus einem akustischen Signal (Klangschale)

sowie einem durch Piktogramme visualisierten Ablauf der Ruhefindung.

Dieses Ritual wurde kurz vor der Unterrichtseinheit durch mich einge-

führt und wird zu diesem Zeitpunkt noch geübt.

Mit der Meldekette versuche ich, das Unterrichtsgespräch zu dezent-

Ruheritualleise werden, hinsetzen, alles aus der Hand legen, Augen

nach vorn richten

SCLERA.BE

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rieren und die Verantwortung der Gesprächsführung an die Schüler*innen

der Lerngruppe zu delegieren. Nach dem Start der Meldekette durch

mich nehmen sich die Schüler*innen gegenseitig dran. Ich reduziere

meinen Anteil darauf, das Gespräch von Zeit zu Zeit wieder in die ge-

wünschte Richtung zu lenken.

Als Hilfesystem ist in der Klasse eine feste Helferkette vorhanden.

Diese funktioniert nach folgendem Prinzip:

Kind

Klasse 2

Kind

Klasse 3

Kind

Klasse 4

Kind

Klasse 1

Da nicht aus jeder Jahrgangsstufe gleich viele Schüler*innen vorhan-

den sind, geht das Prinzip nicht in allen Helferketten auf. Dennoch ha-

ben alle Schüler*innen feste Ansprechpartner*innen. Die Schüler*innen

der Jahrgangsstufe 4 haben sich gegenseitig als Ansprechpartner*innen

und können auch auf meine Hilfe zurückgreifen. Mein persönlicher Fo-

kus liegt im Falle der Helferkette nicht primär darauf, dass exakt das Kind

angesprochen wird, das die nächste Instanz der Helferkette darstellt, son-

dern das seitens der Schüler*innen generell der Versuch unternommen

wird, Fragen in Kooperation untereinander zu klären. Die Helferkette

dient in erster Linie als Impuls für die Etablierung einer Unterrichtskul-

tur der gegenseitigen Hilfe und nicht als Korsett in Bezug auf eine feste

Zuordnung.

Um allen Schüler*innen der maximal heterogenen Lerngruppe ei-

nen Zugang zum Unterrichtsgegenstand zu ermöglichen, entscheide ich

mich für den Unterricht am gleichen Lerngegenstand mit differenzierten

Materialien zur Vertiefung in Form eines Lernbuffets. Ich teile den Un-

terricht, der in Doppelstunden stattfindet, grundlegend in zwei Phasen

ein.

2

1 3

4

Verlauf der Unterrichtseinheit

3

42

1 3

42

1 3

42

1

In der ersten Phase der Doppelstunde erzähle ich abschnittsweise

die Ostergeschichte in Form eines Erzählkinos. Ich orientiere mich an

der Erzählung von Brian Wildsmith, die sich durch kindgerechte Spra-

Aufteilung der Doppelstundenin Phase 1 arbeiten alle an der gemeinsamen Aufgabe, in Phase 2 gibt es ein differenziertes Lernbuffet

S e i t e 1 7

Page 18: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

che und exzellente Illustrationen auszeichnet, die ich per Beamer an

die Wand projiziere. Am Ende einer Erzählsequenz reproduzieren die

Schüler*innen den Handlungsverlauf mündlich anhand der gezeigten

Illustrationen. Zum Abschluss der Phase suchen die Schüler*innen die

Symbole und Gegenstände aus unserem Osterkorb heraus, die in der

Erzählsequenz vorgekommen sind.

In der zweiten Phase des Unterrichts versorgen sich die Schüler*innen

selbstständig und interessengeleitet an einem Lernbuffet mit weiterfüh-

rendem Material, das nach dem Grad der Schwierigkeit differenziert ist

und sich in folgende Niveaus gliedert:

blau niedriges Anforderungsniveau (ohne schriftsprachliche Kennt-

nisse lösbar),

grün niedriges Anforderungsniveau (schriftsprachliche Kenntnisse

werden vorausgesetzt),

gelb mittleres Anforderungsniveau,

rot hohes Anforderungsniveau.

Das Material dient der Wiederholung, der Vertiefung und dem kreati-

ven Umgang mit der Ostergeschichte, greift aber auch die Osterbräuche

und die österliche Symbolik auf. Es wird etap-

penweise dem Lernbuffet zugeführt, so dass die

Schüler*innen nicht die Übersicht verlieren.

Ausgehend von der Jahrgangsstufe wird

den Schüler*innen eine verbindliche Orien-

tierungshilfe für die Bearbeitung der Aufgaben

gegeben. Dabei überschneiden sich die Aufga-

benbereiche, so dass auch Schüler*innen unter-

schiedlicher Jahrgänge zusammenarbeiten können.

Protokolliert wird die Arbeit in einem Laufzettel, in den die bereits

erledigten Aufgaben eingetragen werden. Zusätzlich kann dort eine

Rückmeldung bezüglich der Attraktivität der Aufgabe gegeben werden.

Lernbuffet Das Material ist nach Schwierig-keitsgrad differenziert

Grafikenlinks: Abendmalszene(Bild: Brian Wildsmith)

rechts: Osterkorb

Jahrgang 1

Jahrgang 2

Jahrgang 3

Jahrgang 4

S e i t e 1 8

Page 19: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Kompetenzerwerb

Fach

liche

K

ompe

tenz

en

Schüler*innen...nehmen Feste als Zeiten religiöser Gemeinschaft wahr,•nehmen religiöse Symbole wahr,•benennen an Beispielen (z. B. Feste, Entstehungsgeschichten der •Welt) Gemeinsames und Unterschiedliches in den Reli gionen und Kulturen.

Übe

rfac

hlic

he

Kom

pete

nzen

Schüler*innen ...halten vereinbarte Regeln ein,•arbeiten und lernen selbstständig und gründlich,•zeigen Neugier und Interesse, Neues zu lernen.•

Prozessbeobachtungen

Einhaltung und Umsetzung des Ruherituals stellen für viele Schüler*innen

anfangs eine große Herausforderung dar. Dabei kann ich nicht beobach-

ten, dass die Jüngeren pauschal mehr Zeit zum leise werden brauchen

als die Älteren. Sehr wohl fällt aber auf, dass einige ältere Schüler*innen

den Jüngeren dabei helfen, leise zu werden - sowohl durch verbale Äu-

ßerungen als auch körperlich. Eine wiederkehrend zu beobachtende

Situation im Erzählkino ist, dass ein besonders kompetentes Mädchen

der Jahrgangsstufe 4 einen häufig unruhigen Jungen der Jahrgangsstufe

2 auf den Schoß nimmt und zur Ruhe bringt. Aber auch die jüngeren

Schüler*innen übernehmen Verantwortung und achten bei anderen auf

die Einhaltung des Rituals. Ich verstärke dies positiv. Insgesamt verbes-

sert sich die Situation durch das Ritual und die dahinterstehende trans-

parente Erwartung.

Die interessengeleitete Arbeit am Lernbuffet

wirkt sehr motivierend auf die Schüler*innen,

die sich mit großem Engagement einen Über-

blick verschaffen und Aufgaben auswählen. Das

Prinzip der Aufgabenverteilung auf die Jahr-

gänge anhand der Farben scheint verständlich

und funktioniert weitestgehend. Durch das

Überlappen der Aufgabenbereiche kommt es

schnell zur Kooperation von Schüler*innen

verschiedener Jahrgangsstufen. Unterstützt wird dies durch die Helfer-

kette. Hier nehme ich vor allem die Inanspruchnahme von Hilfe durch

die Schüler*innen der Jahrgangsstufe 1 wahr, die häufig Probleme beim

Erlesen der Aufgabenstellung haben. Dies kommt auch bei schwächeren

Helferketteeine Schülerin der Jahrgangsstufe 4 hilft zwei Erstklässlerinnen

S e i t e 1 9

Page 20: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Schüler*innen der Jahrgangsstufe 2 vor, kann aber durch leistungsstärkere

Schüler*innen höherer oder gleicher Jahrgangänge kompensiert werden.

Durch die Möglichkeit des gemeinsamen Lösens der Aufgaben kommt es

zum vertikalen Austausch auf fachlich-inhaltlicher Ebene zwischen den

Jahrgängen. Ich nehme das Hilfesystem als großen Gewinn wahr, auch

wenn ich anfangs nachsteuern muss, weil viele Fragen doch an mich ge-

richtet werden. Durch das konsequente Erinnern an die Helferkette wird

diese dennoch schnell selbstverständlich.

Steuernd eingreifen muss ich gelegentlich bei den Schüler*innen des

Jahrgangs 4. Hier unterfordern sich

einige mit Aufgaben, die nicht ih-

rem Anforderungsniveau entspre-

chen und auch farblich nicht ihrer

Stufe zugeordnet sind. Die zum

Aufgabenbereich der Klasse 1 und

2 gehörenden Mal- und Ausmal-

aufgaben üben auch auf die Jahr-

gänge 3 und 4 einen großen Reiz

aus. Es herrscht zunächst Unmut

darüber, dass die höheren Jahr-

gänge auch schwierigere Aufgaben bekommen. Dies kann in einem ge-

meinsamen Gespräch aller und dem Hinweis, dass das doch auch in den

anderen Fächern genauso der Fall ist, jedoch geklärt werden.

ÜbersichtAuszug aus dem Lernbuffet

S e i t e 2 0

Page 21: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Religionsunterricht OGS III, Ostergeschichte und Lernbuffet

Kategorie nach Zumwinkel: Form C, jedoch mit Überlappung der Aufgaben

die Ritualisierung von Abläufen.Sie wirkt sich sowohl positiv auf die Arbeitsatmosphäre (Ruheritual) als auch auf die inhaltliche Arbeit (Meldekette) aus.

das ermöglichen interessengeleite-ten Lernens und die Orientierung an individuellen Fähigkeiten.Dieser Eindruck wird durch eine sehr motivierte und flei-ßige Schülerschaft bestätigt.

das Hilfesystem. Es ermöglicht die Kooperation von Schüler*innen über Jahrgangsgrenzen hinweg und fördert den Kompetenzer-werb sowohl auf fachlich-inhaltlicher als auch auf über-fachlicher Ebene.

Förderlich in Bezug auf die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung

ist:

Lernbereich Gesellschaftswissenschaften: Lernbüro

Aufbau des Unterrichts

Seit dem Schuljahr 2010 / 2011 sind weite Teile des Fachunterrichts der

gesamten Unterstufe in Form eines Lernbüros organisiert. Diese Arbeits-

form wurde vor Beginn des Schuljahres von in zwei Teams organisierten

Lehrkräften der Unterstufe beschlossen. Am Lernbüro beteiligt sind die

Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch, die Lernbereiche Gesellschafts-

wissenschaften und Natur und Technik. Entsprechend dem vorgesehe-

nen Stundenumfang wird jedem Fach Zeit im Stundenpool des Lernbü-

ros eingeräumt. Die Arbeit im Lernbüro nimmt somit den größten Teil

des Schultages ein. Angestoßen wurde die Arbeit im Lernbüro durch

zwei Kolleg*innen, die bereits in den Schuljahren vor Einführung der

neuen Schulstruktur mit den damaligen Jahrgängen fünf und sechs auf

ähnliche Weise gearbeitet und gute Erfahrungen gesammelt hatten. So-

wohl für die Schüler*innen - mit Ausnahme der drei Schülerinnen der

Jahrgangsstufe 6 - als auch für mich ist die selbstorganisierte Arbeit im

Lernbüro neu.

Die Schüler*innen planen ihren Arbeitstag im Lernbüro selbstständig.

Sie stellen ihre Aufgaben aus dem Materialangebot aller beteiligten Fä-

S e i t e 2 1

Page 22: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

cher für einen Planungsabschnitt zusammen. Dieser umfasst bei starken

Schüler*innen des Jahrgangs 5 und 6 häufig eine ganze Schulwoche, bei

schwächeren oder solchen, für die die Arbeitswei-

se noch neu ist, wird in Tages- oder Zweitagesab-

schnitten geplant. Das zentrale Element der Pla-

nung des Schultags ist der sogenannte „Timer“, ein

Ringbuch im Format DIN A6, das, ähnlich wie ein

Kalender, für jede Schulwoche eine Doppelseite

vorsieht. Im Timer wird die Tages- bzw. Wochen-

planung schriftlich festgehalten und von einer der

Lehrkräfte abgezeichnet. Er bietet Platz für Noti-

zen, Mitteilungen an die Eltern und weitere nützliche Details, wie eine

Formelsammlung, eine Liste unregelmäßiger englischer Verben usw.

Als Element der Selbstkontrolle der Schüler*innen wird ein Chefsys-

tem installiert. Zunächst ist die Fachlehrkraft der Chef für alle Teilkapitel

der Lernwerkstatt. Hat eine Schülerin oder ein Schüler ein Kapitel einer

Lernwerkstatt vollständig bearbeitet, kann er die Fachlehrkraft zum Ge-

spräch bitten. Das Kapitel wird gemeinsam durchgegangen, Aufgaben

werden auf ihre Richtigkeit überprüft. Wenn alles bedacht wurde und

alles richtig ist, überträgt die Fachlehrkraft das Amt des Chefs auf den

entsprechenden Schüler. Von nun an ist dieser Ansprechpartner für alle

übrigen Schüler*innen bezüglich des ausgewählten Kapitels der Lern-

werkstatt. Er ist auch dafür zuständig, zu überprüfen, ob alles korrekt

bearbeitet wurde. Ist der Chef zufrieden mit der Arbeit, so kann er dies

in Form seiner Unterschrift ausdrücken. Nur ein Kapitel mit Unterschrift

des jeweiligen Chefs kann am Ende eines Lernwerkstattblocks als Teil der

Lernwerkstatt an die Fachlehrkraft abgegeben werden. Welcher Schüler

für welches Kapitel welcher Lernwerkstatt die Cheffunktion innehat, ist

in einer Übersicht in Form eines Posters in der Klasse zu erkennen. Hat

ein Schüler eine Teilaufgabe der Lernwerkstatt fertig bearbeitet, legt er

die zu der Aufgabe gehörenden Materialien in eine der Schubladen des

Rollcontainers des entsprechenden Chefs. Der Chef verschafft sich dann

möglichst zeitnah einen Überblick über das abgegebene Material, findet

etwaige Fehler und signalisiert dann, dass er bereit für ein Gespräch ist. Je

nachdem, was vorliegt, wird dann gemeinsam eine Lösung für das beob-

achtete Problem gefunden, ein Tipp zum selbstständigen Verbessern ge-

geben oder aber auch auf eventuell unsauberes Vorgehen bei der Lösung

der Aufgabe hingewiesen.

Die Fachlehrkraft ist in ihren Stunden in der Klasse Ansprechpartner*in

für Fragen, die das von ihr betreute Unterrichtsfach betreffen. Hier ist

Containerin die unterste Schublade werden der Chefin zu korrigierende Arbeiten gelegt

ein Chef bei der Arbeit

Timer���vorbildlich ausgefüllt

S e i t e 2 2

Page 23: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

dann Zeit für fachspezifische Beratung, direkte Gespräche, Lernstands-

kontrollen und Weiteres. Selbstverständlich wird aber auch „fachfremd“

geholfen.

Die Schüler*innen werden in jedem Unterrichtsfach, das am Lernbü-

ro beteiligt ist, durch die Fachlehrkraft mit Aufgaben und Arbeitsmaterial

in Form einer sogenannten Lernwerkstatt versorgt. Die Lernwerkstätten

werden fachbezogen in Teams erstellt. Im Fall der Lernwerkstatt 1 hatte

ich die Aufgabe, das Material für die Jahrgangsstufe 4 zu konzipieren. Jede

Lernwerkstatt hat ein Thema, das in Kapitel unterteilt ist. Zur Zeit ori-

entieren sich die Lernwerkstätten der einzelnen Unterrichtsfächer an der

jeweiligen Jahrgangsstufe der Schüler*innen. Im Rahmen der Lernwerk-

statt werden folglich drei vollkommen verschiedene Unterrichtseinheiten

parallel zueinander unterrichtet, die thematisch keinerlei Schnittmenge

haben. Das verbindende Element ist ausschließlich die Arbeitsstruktur

des Lernbüros. Im Fall der Lernwerkstatt Gesellschaftswissenschaften 1

ergaben sich folgende Themen:

Jahrgang Thema Kompetenzbereich

4 Leben in Hamburg Orientierung im Raum, Orientierung in der Zeit

5 Wir orientieren uns auf der Erde mit Hilfe des Atlasses

Orientierung im Raum

6 Veränderungen in der Zeit Orientierung in der Zeit

456

Verlauf der Unterrichtseinheit

Für die Bearbeitung der Lernwerkstätten wird ein zeitlicher Rahmen ge-

steckt, der im Durchschnitt einen Umfang von ca. acht Schulwochen be-

inhaltet. Strukturell gliedert sich ein Lernwerkstattblock in drei Phasen:

Einführungsphase: Die zu erarbeitenden Inhalte der Lernwerkstatt

werden den jeweiligen Jahrgangsgruppen separat vorgestellt. Das Mate-

rial wird besprochen, es werden Fragen beantwortet und Unklarheiten

beseitigt.

Kernphase: Die Schüler*innen planen in der ersten Stunde der Lernbü-

rozeit des Tages ihr Tagespensum (für einige Schüler*innen, die bereits

eine ganze Woche planen, trifft dies nicht zu). Dann versorgen sie sich

selbstständig mit dem nötigen Arbeitsmaterial für die jeweiligen Teilauf-

Lernbürodie Schülerinnen und Schüler arbeiten jahrgangsgebunden an ihren Aufgaban

S e i t e 2 3

Page 24: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

gaben und beginnen, ihr Pensum abzuarbeiten. Erledigte Aufgaben wer-

den dem Chef zur Kontrolle vorgelegt: Der Chef kontrolliert und gibt

Hilfestellungen.

Phase Inhalt

Lernbüro

•DieSchüler*innenstrukturierenihrenArbeitstag,bearbeitenihren selbst zusammengestellten Aufgabenkatalog und agieren als Chef.•Ichbeobachte,berate,gebeHilfestellungen.VonZeitzuZeit

ziehe ich die einzelnen Jahrgänge zum Gespräch zusammen.

Prüfungsphase: Am Ende jedes Lernwerkstattblocks steht eine schrift-

liche Leistungskontrolle. Um sicherzustellen, dass alle Schüler*innen

dann auch in der Lage sind, ihre Leistungen nachzuweisen, werden die

Teilgruppen separat voneinander versammelt, um die Teilaufgaben der

Lernwerkstatt gemeinsam zu besprechen. Hier helfen erneut die Chefs,

um Unklarheiten zu beseitigen, aber auch um eine generelle Rückmel-

dung zu ihrer Rolle zu geben und auf wiederholt auftretende Probleme

aufmerksam zu machen.

Kompetenzerwerb

Übe

rfac

hlic

h Schüler*innen...übernehmen Verantwortung für sich und für andere,•halten vereinbarte Regeln ein,•arbeiten und lernen selbstständig und gründlich.•

Fach

lich

Jahrgang 4 Jahrgang 5 Jahrgang 6

Schüler*innen ...wählen sachgemäß •Informationen aus vor-gegebenen Informati-onsquellen aus,wenden schematische •Darstellungen von Verkehrsnetzen an,verfügen auf regio-•naler Ebene über ein Orientierungswissen.

Schüler*innen...nutzen altersangemes-•sen einfache Fachbe-griffe zum Beschreiben von Sachverhalten,finden überwiegend •selbstständig topo-graphische Objekte in geographischen Kartenwerken.

Schüler*innen ...wählen sachgemäß •Informationen aus vor-gegebenen Informati-onsquellen aus,fertigen mit Hilfestel-•lung Zeitleisten an,nutzen altersangemes-•sen einfache Fachbe-griffe zum Beschreiben von Sachverhalten.

typischer Ablauf einer Doppelstunde

S e i t e 2 4

Page 25: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Prozessbeobachtung und -steuerung

Im Mittelpunkt des Interesses der Schüler*innen steht zunächst der Ti-

mer, der als persönliche Planungshilfe und Logbuch dient. Er ist anspre-

chend gestaltet und lädt zum Blättern und zum individuellen Gestalten

durch Aufkleber und Zeichnungen ein. Eine Einführung in die Arbeit

mit dem Timer und in die Funktionsweise des Chefsystems erfahren die

Schüler*innen durch die Klassenlehrerin sowie durch denjenigen Kol-

legen, der bereits in den vorangegangenen Schuljahren mit Lernbüros

gearbeitet hat und mit seinem Fach ebenfalls am Lernbüro der Klasse U3

beteiligt ist.

Mein erster Schritt ist die Einführung der jeweiligen Lernwerkstätten

im Lernbereich Gesellschaftswissenschaften. Zu diesem Zweck versamm-

le ich die Jahrgangsstufen nacheinander zu einem Einführungsgespräch.

Wir besprechen die einzelnen Teilaufgaben, wiederholen, wie mit dem

Timer umgegangen wird und besprechen erneut das Chefsystem. Die

Besprechung dauert jeweils ca. 60 Minuten.

Folgende Beobachtungen halte ich für wesentlich:

Die Jahrgangsstufen 4 und 5 sind hoch motiviert! Die selbstgesteu- •

erte Organisation des Arbeitstages stellt einen besonderen Reiz dar.

Beide Jahrgangsstufen können es kaum er-

warten, mit der Arbeit zu beginnen. Einige

Schüler*innen der Jahrgangsstufen 4 und 5

überlegen bereits in der Einführungsphase, in

welchem Bereich der Lernwerkstatt sie gern

Chef werden würden, und freuen sich darauf,

die Perspektive wechseln und Verantwortung

übernehmen zu dürfen.

Diese Motivation ist bei den Schülerinnen •

der Jahrgangsstufe 6 nicht zu beobachten.

Eine Schülerin der Jahrgangsstufe 4 merkt an, dass sie ja eigentlich gar •

nicht mit ihrer Freundin, die in Jahrgangsstufe 5 ist, zusammenarbeiten

kann.

In der Kernphase des Lernwerkstattblocks wandelt sich meine Lehrerrol-

le. War ich in der Einführungsphase derjenige, der verstärkt die Struktur

vorgab und instruierte, nehme ich die Rolle des individuellen Beraters,

des Beobachters, aber auch die Rolle desjenigen ein, der eine konstruk-

tive Arbeitsatmosphäre aufrecht erhält. Die Schüler*innen haben nun

die Aufgabe, sich eigenständig zu organisieren und ihre Arbeitsaufträge

zu bearbeiten. Individuelle Beratung und Hilfe stehen zunächst im Vor-

dergrund. Viele Schüler*innen haben gezielte Fragen zu den jeweiligen

individualisierte Timer

Einführung der LernwerkstättenBegeisterung auf der einen, Ablehnung auf der anderen Seite

S e i t e 2 5

Page 26: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Aufgaben, geben mir Kapitel der Lernwerkstatt ab, bekommen sie mit

Tipps zur Weiterarbeit versehen zurück oder erhalten von mir das OK

zur Übernahme der Cheffunktion. Je mehr Chefs es gibt, desto intensiver

kann ich die Schüler*innen bei der Arbeit beobachten.

Die Schüler*innen reagieren höchst unterschiedlich auf die Anfor- •

derung, ihre Arbeitszeit selbst zu strukturieren. Für einige stellt dies

kein Problem dar: Sie verschaffen sich einen Überblick über alle noch

zu bearbeitenden Aufgaben, pla-

nen und fangen an. Für andere

Schüler*innen stellt dies eine gro-

ße Hürde dar. Sie haben Schwie-

rigkeiten, selbst eine Struktur für

den Arbeitstag zu entwickeln. Das

genaue Aufschreiben der Aufga-

ben und das Abhaken der erledig-

ten Arbeit brauchen sehr viel Zeit. Dies wird im Verlauf des Lern-

werkstattblocks besser und selbstverständlicher. Hier ist ein deutlicher

Lernprozess zu erkennen.

Das Chefsystem stellt eine große Motivation dar. Der überwiegende •

Teil der Schüler*innen möchte gern ein Chefamt übernehmen. Die

Hilfen durch die verschiedenen Chefs fallen jedoch qualitativ sehr un-

terschiedlich aus. Einige sind sehr bemüht, den Anderen ihr Wissen

weiterzugeben, und investieren viel Zeit in ihr Amt. Andere haken nur

halbherzig ab, zeigen sich eher als Kontrolleur und reagieren zum Teil

genervt auf ihre Aufgabe.

Es fällt auf, dass sich einzelne Schüler*innen immer wieder verabreden, •

um gemeinsam Lösungen für Aufgaben zu finden. Ich bin zunächst

überrascht, dass ich von den Schüler*innen um Erlaubnis gebeten

werde, dies tun zu dürfen. Ich begrüße diese Herangehensweise und

rege zur gemeinsamen Arbeit an. Die so entstehenden Teams arbeiten

häufig zusammen, sind aber aufgrund der Aufgabenkonzeption immer

jahrgangshomogen. Es kommt zu keinem inhaltlichen Austausch zwi-

schen den unterschiedlichen Jahrgängen!

In der Summe beobachte ich aber die Vereinzelung der Schüler*innen. •

Durch die Fülle an Teilaufgaben (5 Fächer, pro Fach eine jahrgangsbe-

zogene Lernwerkstatt, also insgesamt drei mit im Schnitt 6 Kapiteln =

ca. 90 Teilaufgaben) kommt es, abgesehen von den gezielten Verabre-

dungen, selten vor, dass Schüler*innen zur gleichen Zeit am gleichen

Gegenstand arbeiten. Es herrscht tatsächlich phasenweise eine Atmo-

sphäre wie in einem Büro.

S e i t e 2 6

Page 27: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Die Stunden im Lernbüro haben keine nennenswerte interne Phasen- •

abfolge. Durch die sehr individuelle Planung des Arbeitstages sind die

Schüler*innen auch sehr individuell beschäftigt. Bis auf einen gemein-

samen organisatorischen Anfang und ein gemeinsames, ebenfalls orga-

nisatorisches Ende gibt es nichts, was die Klasse verbindet.

Es gibt keinen Raum für gemeinsame Unterrichtsgespräche, die über •

die organisatorische Ebene hinausführen. Ein gemeinsamer themati-

scher Einstieg in eine Unterrichtsstunde, eine gemeinsame mündliche

Sicherungsphase, ein gemeinsames spezifisches Unterrichtsgespräch

sind nicht möglich, da alle Kinder mit verschiedenen Themen beschäf-

tigt sind. Ein inhaltlicher Austausch aller Schüler*innen kommt nicht

vor! Die „klassische mündliche Beteiligung“ am Unterricht ist nicht

möglich.

Die Beobachtungen beunruhigen mich und ich fühle mich nicht wohl

im Lernbüro. Ich habe den Eindruck, dass die vorgegebene Struktur

mich in dem, was ich für guten Unterricht halte, stark ausbremst. Ich

versuche gegenzusteuern. Mit dem Ziel, Gesprächsanlässe zu schaffen,

an denen sich alle beteiligen können, etabliere ich einen gemeinsamen

Stundeneinstieg. Es erweist sich als schwierig, den Einstieg so zu struk-

turieren, dass er für alle Schüler*innen einen the-

matischen Bezug zu ihrer jeweiligen Lernwerkstatt

hat. Deshalb orientiere ich mich an Themen, die ins-

gesamt in den Lernbereich Gesellschaft passen. Am

Anfang des gemeinsamen Unterrichts steht nun die

„Frage des Tages“, meist eine Denk-, Knobel- oder

auch Wissensfrage, zu deren Lösung in der Regel

kein zusätzliches Material nötig ist. Die Lösung wird

Lernbürounterschiedliche Beobachtungen

S e i t e 2 7

Page 28: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

innerhalb der jahrgangsgemischten Tischgruppe erarbeitet. Im Anschluss

werden die Lösungen der einzelnen Gruppen zusammengetragen und im

Plenum besprochen. Die Gruppe mit der passendsten Lösung gewinnt

und bekommt einen Punkt auf der von mir geführten Gewinnerliste. Die

Gruppe, die zuerst vier Mal gewonnen hat, bekommt einen Preis.

Eine weitere Variante des gemeinsamen Einstiegs ist das gemein-

same Schauen der Logo! - Kindernachrichten. Dabei machen sich die

Schüler*innen Notizen. Nach Berichten, die den Lernbereich Gesell-

schaft betreffen, wird die Wiedergabe der Nachrichten gestoppt. Die

Schüler*innen bekommen die Möglichkeit zu wiederholen, was Gegen-

stand des Beitrages ist, können ihr Vorwissen einbringen und auf dieser

Grundlage miteinander diskutieren.

Beide Varianten des Einstiegs werden sehr gut angenommen.

Als Ritual am Ende einer Doppelstunde schildern drei Schüler*innen,

an welchem Thema sie in der Stunde gearbeitet haben. Dabei werden

Meldungen berücksichtigt, aber auch von Zeit zu Zeit Schüler*innen,

die sich nicht gemeldet haben, aufgefordert, ihre Arbeit zu schildern.

S e i t e 2 8

Page 29: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Phase Inhalt der Phase

Gemeinsamer Stundeneinstieg

Die Schüler*innen beantworten in Kleingrup-•pen die Frage des Tages und präsentieren ihre Lösungen.Wir schauen zusammen Ausschnitte der Kin-•dernachrichten und diskutieren im Anschluss im Klassenverband darüber.

Arbeit im Lernbüro Die Schüler*innen strukturieren ihren •Arbeitstag, bearbeiten ihren selbst zusam-mengestellten Aufgabenkatalog und agieren als Chef.Ich beobachte, berate, gebe Hilfestellungen. •Von Zeit zu Zeit ziehe ich die einzelnen Jahr-gänge zum Gespräch zusammen.

Gemeinsamer Stundenabschluss

Einige Schüler*innen stellen dar, was sie •während der Lernbürozeit bearbeitet haben und was gelernt wurde.

Lernbereich Gesellschaftswissenschaften U3, Lernbüro

Kategorie nach Zumwinkel: Form A

die Anbahnung eines Hilfesystems durch Etablierung eines Chefsystems.

das Führen sinnstif-tender Unterrichts-gespräche unter Verwendung der Meldekette nach der Umgestaltung der Stundenstruktur.

die Erkenntnis, dass Abteilungsunter-richt in Monokultur wenig sinnvoll ist, aber als Mittel der phasenhaften Diffe-renzierung großes Potential bietet.

Förderlich in Bezug auf die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung

ist:

typischer Stundenablauf nach der Umgestaltung des Unterrichts

S e i t e 2 9

Page 30: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Übersicht Lernwerkstatt Gesellschaft Klasse 4

(Lernbüro)

ein vom Chef korrigiertes Arbeitsblatt inklusive

Verbesserungen

Beobachtungsbogen Lernbereich

Gesellschaftswissenschaften Klasse U3

S e i t e 3 0

Page 31: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“

Aufbau des Unterrichts

Der Religionsunterricht der Klasse U3 ist nicht Teil des Lernbüros, son-

dern unabhängig organisiert. Er findet im Schuljahr 2010 / 2011 diens-

tags in der 7. und 8. Stunde statt. Die Gestaltung des Religionsunterrichts

ist nicht stufenübergreifend organisiert, sondern liegt in der Hand der

jeweiligen Fachlehrkraft. Dies ermöglicht es mir, unter Berücksichtigung

des Bildungsplanes selbstständig die Struktur und den Inhalt des Unter-

richts zu gestalten. Die Unterrichtseinheit „Josef und seine Brüder“ ist

von Oktober bis Dezember 2010 Gegenstand des Religionsunterrichts.

Der Unterricht orientiert sich inhaltlich an der biblischen Josefsgeschich-

te (Gen 37-50) und greift die im Verlauf der Geschichte angesprochenen

zentralen Motive menschlichen Handelns auf, die durch die Interaktion

Josefs mit seinem Umfeld verdeutlicht (ausgedrückt) werden. Der Hand-

lungsverlauf und die zentralen Motive bestimmen die Sequenzierung der

Unterrichtseinheit. Der Unterricht findet überwiegend in Doppelstun-

den statt, es kommen aber auch Einzelstunden vor.

Der Unterricht ist so aufgebaut, dass alle Schüler*innen der Klasse

U3 am gleichen Unterrichtsgegenstand arbeiten. Der angestrebte Kom-

petenzerwerb ist dabei fachlich wie überfachlich für alle Schüler*innen

identisch ausgerichtet:

Kompetenzerwerb

Fach

liche

K

ompe

tenz

en

Schüler*innen...nehmen persönliche und gesellschaftliche Konflikte wahr und kennen •beispielhaft vergleichbare Situationen aus religiösen Traditionen,versetzen sich in Situationen hinein, die in der Geschichte zur Sprache •kommen,vollziehen anhand von Dilemma- bzw. Entscheidungssituationen •ethische Maßstäbe nach, entwickeln Handlungsoptionen und wägen diese gegeneinander ab.

Übe

rfac

hlic

he

Kom

pete

nzen

Schüler*innen ...schätzen die eigenen Fähigkeiten realistisch ein,•arbeiten in Gruppen kooperativ,•halten vereinbarte Regeln ein.•

Aufgabenstellungen und Gesprächsanlässe sind so konzipiert, dass die

Schüler*innen auf dem jeweiligen Niveau arbeiten können.

Die Erarbeitung des Inhalts erfolgt über verschiedene Zugänge. We-

sentliche Elemente der Einheit sind:

Das Hören der Josefsgeschichte, das Mitschreiben der wesentlichen •

Deckblatt der EinheitBildschirmfoto

SMART-Software

RitualisiertVisualisierung des Stundenablaufs

S e i t e 3 1

Page 32: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Teile der Handlung und das anschließende mündliche Zusammentra-

gen des Gehörten. Die Erzählung erfolgt für jede Sequenz als Lehr-

erdarbietung. Ich erzähle frei den zur Sequenz passenden Teil der Ge-

schichte. Dabei nutze ich den gesamten Raum, der mir zur Verfügung

steht, und unterstütze die Erzählung durch den Einsatz von Stimmmo-

dulation und Gesten. Das Mitschreiben des Inhalts der Erzählung durch

die Schüler*innen erfolgt in einem kontinuierlich geführten „Josef-

buch“, das für jede Sequenz einen Vordruck für Notizen und Fragen

zur Verfügung stellt. Die mündliche Zusammenfassung des Gehörten

durch die Schüler*innen erfolgt im Klassengespräch, das durch eine

Meldekette getragen wird.

Das Analysieren und Interpretieren von Bildern nach einem bestimm- •

ten Muster: Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, ihre Beob-

achtungen und Gedanken zu Bildern, die zur jeweiligen Situation der

Josefsgeschichte passen, entsprechend ihres Lernstandes in Worte zu

fassen und der Lerngruppe vorzustellen. Die Bildanalyse und -interpre-

tation verläuft nach folgendem Schema:

Die Bilder werden über das Smartboard präsentiert. Das Gespräch wird

hier ebenfalls durch eine Meldekette getragen. Ich steuere das Gespräch,

indem ich den Fokus auf verschiedene Elemente der Bilder lenke.

Das kooperative Bearbeiten verschiedener Fragestellungen in Anleh- •

nung an das think-pair-share Verfahren: Die Schüler*innen bearbeiten

Fragestellungen zu den verschiedenen Motiven der Josefsgeschichte.

Häufig steht die Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten im Mit-

telpunkt der Arbeit. Die Aufgabenstellung ist offen, Kontroversen ent-

stehen, Diskussionen innerhalb der Kleingruppen können stattfinden.

Arbeitsergebnisse werden auf Moderationskarten festgehalten und im

analysierte Bilder„Josef bekommt einen

Mantel“ (Paragon Verlag),„Josef wird in den Brunnen

geworfen“ (J� Capek),Radierung „Zwei Gesichter“

(T� Zacharias)

Sieh dir das Bild genau an. Keiner sagt etwas. •

Was siehst du? Beschreibe! •

Was bedeutet das, was du siehst? Erkläre! •

S e i t e 3 2

Page 33: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Anschluss an die kooperative Arbeitsphase im Gesamt-

plenum präsentiert. Anschließend wird der eigene Ar-

beitsprozess reflektiert.

Die beschriebenen Elemente setzen jeweils strukturiertes

Arbeiten voraus. Sowohl die Bildanalyse als auch die koope-

rative Arbeit setzen die sukzessive Annahme der jeweiligen

Methode voraus. Neben der inhaltlichen Arbeit zur Josefsgeschichte steht

somit der Erwerb lernmethodischer Kompetenzen im Vordergrund. Dies

wird den Schüler*innen transparent am Anfang der Einheit erläutert.

Um das im Rahmen des zwei Wochenstunden umfassenden Religions-

unterrichts erreichen zu können, werden die jeweiligen Sequenzen stark

durchstrukturiert.

Eine typische Sequenz der Lerneinheit ist die Sequenz 4 mit der Stun-

denfrage „Welche Möglichkeiten haben die Brüder, mit ihrer Wut um-

zugehen?“ Die Sequenz besteht aus zwei Einzelstunden und ist folgen-

dermaßen aufgebaut:

Phase Inhalt der Phase

Erzählung Die Lehrkraft erzählt einen Abschnitt der Josefsgeschichte. Die Schüler*innen schreiben in Stichworten mit.

Gruppenarbeit Die Schüler*innen vergleichen in ihren Tisch-gruppen ihre Aufzeichnungen und ergänzen diese ggf.

Unterrichtsgespräch Die Schüler*innen geben den Inhalt der Er-zählsequenz unter Verwendung der Meldeket-te wieder.

Standbild Die Schüler*innen organisieren ein Standbild zur zentralen Situation der Erzählsequenz.

Bildinterpretation Schüler*innen interpretieren ein zur Erzählse-quenz passendes Bild nach einem festgelegten Muster.

Gruppenarbeit Schüler*innen arbeiten kooperativ in Klein-gruppen nach der DAB-Methode und schrei-ben ihre Arbeitsergebnisse auf Moderations-karten.

Unterrichtsgespräch Die Ergebnisse aus den Kleingruppen werden mit Hilfe der Moderationskarten im Plenum vorgestellt und diskutiert. Weiterführende Fra-gen werden durch Schüler*innen sowie durch die Lehrkraft eingebracht.

Rückmeldungen durch die Schüler*innen

Die Schüler*innen schätzen ihren Lernerfolg mit Hilfe einer Feedbackampel ein. Standbild

die Brüder fallen vor Josef auf die Knie

Feedbackdie Schülerinnen und Schüler schätzen ihren Lernerfolg ein

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Verlauf der Unterichtseinheit

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56

4

56

4

56

4

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Prozessbeobachtung

In dieser Unterrichtseinheit wechsle ich ständig meine Rolle oder habe

mehrere Rollen zur gleichen Zeit inne. Die schnellen Phasenwechsel

und das sehr strukturierte Vorgehen innerhalb der Phasen erfordern es,

gleichzeitig den Lernprozess der Schüler*innen im Blick zu haben, Im-

pulse zu geben, Fragen zu klären sowiew den Unterricht so weit zu len-

ken, dass er sich selbst trägt. Die Schüler*innen bewegen sich in dieser

Unterrichtseinheit in einer relativ stark vorgegebenen Struktur, innerhalb

der sie aufgrund sehr offener Fragestellungen dennoch viel Freiheit ha-

ben, ihre eigenen Gedanken zu äußern und eigene Lösungen zu finden.

Folgende Beobachtungen halte ich für wesentlich:

Die Schüler*innen nehmen die Unterrichtsstruktur, die •

stark durch mich vorgegeben wird und dichter als gewohnt

ist, gut an und „leben sich ein“. Die Strukturierung scheint

vor allem den Schwächeren Halt zu geben.

Der Unterricht am gleichen Lerngegenstand funktio- •

niert gut! Ich erlebe weder Unter- noch Überforderung.

Ich habe den Eindruck, dass durch die Arbeit am glei- •

chen Lerngegenstand ein Gemeinschaftsgefühl entsteht.

Die eingeführten Methoden, wie die Bildanalyse und •

-interpretation, sowie der festgelegte Ablauf der koopera-

tiven Arbeit gelingen im Verlauf der Einheit immer besser.

Das verbindliche Gerüst und die Regelhaftigkeit der ein-

zelnen Phasen machen den Unterricht transparent und ge-

ben Orientierung. Ich beobachte gegenseitige Korrekturen

während der Bildanalyse und freue mich darüber.

Während der kooperativen Arbeitsphasen werden Jahr- •

gangsgrenzen überwunden. Dabei haben längst nicht immer

die Sechstklässlerinnen die Nase vorn! Deutlich wird dies

an einem Schüler der Jahrgangsstufe 4, der ein auffällig gro-

ßes Interesse an religiösen Themen hat und sich mit sehr

viel Empathie in die jeweilige Situation der Josefsgeschich-

te „einfühlen“ kann. Der Schüler hat in seiner jahrgangs-

gemischten Kleingruppe häufig eine Schlüsselposition in

Der Unterricht ist in abgeschlossene Sequenzen

unterteilt� An den Sequenzen nehmen alle Jahrgänge

gemeinsam teil�

Welche Möglichkeiten haben die Brüder, mit

ihrer Wut umzugehen?Arbeitsergebnisse der

Schüler*innen

S e i t e 3 4

Page 35: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Phasen der Auswertung von Argumenten. Sehr bereitwillig und mit

großem Interesse orientieren sich auch die Schüler*innen der höheren

Jahrgangsstufen an seinen Ausführungen. Sie nehmen wahr, dass sich

der Schüler hier besonders gut auskennt und über besondere Kompe-

tenzen verfügt, und nutzen dies, um das Ergebnis ihrer Gruppenleis-

tung zu optimieren.

Ich nehme eine rege Beteiligung von Schüler*innen während der •

mündlichen Arbeitsphasen wahr. Viele Schüler*innen bringen sich ein

und beziehen sich aufeinander. Die Gespräche sind dynamisch und tra-

gen sich nahezu von selbst - und dies trotz der Tatsache, dass der Un-

terricht in der 7. und 8. Stunde stattfindet.

Die Meldekette funktioniert, die Schüler*innen achten selbstständig •

darauf, dass nicht immer die Gleichen drangenommen werden. Ich

muss selten steuernd eingreifen. Die Meldekette wird zur Selbstver-

ständlichkeit und somit zum Ritual.

Die Heterogenität in Bezug auf die sprachlichen Kompetenzen fällt •

auf, wird aber zu keinem Zeitpunkt zum Problem. Die Schüler*innen,

die erst seit kurzem in Deutschland leben und noch nicht so sicher im

Umgang mit der deutschen Sprache sind, beteiligen sich genauso am

Gespräch wie die sichereren Schüler*innen. Wenn jemand ins Stocken

gerät und ich merke, dass es Formulierungsschwierigkeiten gibt, reicht

meist die Frage „wer kann helfen?“, um diverse Helfer*innen zu ge-

winnen. Wer zur Hilfe herangezogen wird, wird demjenigen überlas-

sen, der die Hilfe benötigt. Es ist eine Kultur der gegenseitigen Hilfe

zu beobachten!

S e i t e 3 5

Page 36: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Religionsunterricht, U3, Josefsgeschichte

Kategorie nach Zumwinkel: Form D

der hohe Anteil mündlicher Arbeits-phasen, die den Austausch über die Jahrgangsgrenzen hinweg ermöglichen und die durch die Meldekette geordnet ablaufen.

das kooperative Lernen, das eine po-sitive Abhängigkeit der Schüler*innen der verschiedenen Jahrgänge herstellt und sie verbind-lich und produktiv zusammenarbeiten lässt.

das hohe Maß an Struktur und Metho-dik, das Transparenz und Orientierung herstellt.

Förderlich in Bezug auf die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung

ist:

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Page 37: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Fazit: Förderliche Elemente des Unterrichts für die Nutzung der Lernressource Jahrgangsmischung

Im Zuge der dargestellten Unterrichtssequenzen habe ich viel über den

praktischen Umgang mit jahrgangsheterogenen Lerngruppen gelernt.

Fest steht: Es gibt kein Patentrezept für den erfolgreichen jahrgangsüber-

greifenden Unterricht. Aber es gibt eine Vielzahl an Elementen, die der

Jahrgangsmischung zu einem Mehrwert verhelfen und sie als Lernres-

source nutzbar machen. Im Folgenden möchte ich ein begründetes Ge-

samtfazit aus meinen Beobachtungen und Wahrnehmungen ziehen und

besonders förderliche Teilaspekte des Unterrichts aufgreifen.

Klare Strukturierung des Lehr-Lernprozesses

Die klare Strukturierung des Lehr-Lernprozesses ist eine tragende Säu-

le des jahrgangsübergreifenden Unterrichts. Dies gilt selbstverständlich

auch für jahrgangsgebundene Klassen, hat aber im Kontext erweiterter

Heterogenität einen besonderen Stellenwert und stellt eine erhöhte An-

forderung an die Lehrperson dar, weil der Unterrichtsprozess so gestaltet

sein muss, dass die Struktur und die daraus resultierenden Anforderungen

für die Schüler*innen der verschiedenen Jahrgangsstufen gleichermaßen

gut verständlich, nachvollziehbar und umsetzbar sind. Es gilt, einen roten

Faden für alle Beteiligten des Lehr-Lernprozesses herzustellen (vgl. mey-

er 2003, S. 38), der nicht nur auf organisatorischer Ebene Transparenz

herstellt, sondern den Unterricht inhaltlich sinnvoll und aufeinander auf-

bauend erfahrbar macht.

Ich habe den Unterricht auf unterschiedliche Weise strukturiert.

Während der Arbeit an der Josefsgeschichte habe ich sehr viel Struk-

tur vorgegeben: durch eine starke Gliederung der Unterrichtssequenzen,

eine rasche und plausible Abfolge von Phasen sowie durch den Einsatz

festgelegter Methoden. Dieses Gerüst hat den Schüler*innen in Kom-

bination mit einem informierenden Unterrichtseinstieg eine maximale

Transparenz in Bezug auf den Ablauf der einzelnen Phasen und die Un-

terrichtsschritte gegeben. Selbst komplexe Unterrichtsgegenstände konn-

ten auf hohem inhaltlichen Niveau unter Rückgriff auf die erlernten

Methoden erarbeitet werden. Das hat zu einer hohen Schüleraktivierung

geführt, und ich habe den Eindruck, dass das dargestellte Strukturgerüst

vor allem schwächeren Schüler*innen eine große Hilfe war. Dies hat

meines Erachtens aber nur deshalb so gut funktioniert, weil die Struktu-

S e i t e 3 7

Page 38: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

rierung des Unterrichts an anderer Stelle auf andere Weise erfolgte.

Ein weiteres strukturgebendes Element, das einen hohen Stellenwert

hat, ist das Ritual.

Dieser Tipp von Gabriele Hesse ist einer der ersten Einträge in mei-

nem Entwicklungsportfolio. Ich habe die Arbeit mit Ritualen im jahr-

gangsübergreifenden Unterricht als sehr sinnvoll erlebt. Referendare ha-

ben insgesamt wenig Einfluss auf die Rituale, die den gesamten

Schulvormittag der Schüler*innen betreffen. Aber die „kleineren“ Ritu-

ale im Fachunterricht der Lerngruppe fallen umso mehr ins Gewicht.

Diese geben Sicherheit und Orientierung und sind ein wichtiger Teil der

Strukturierung von Unterrichtsprozessen. Zu nennen ist hier vor allem

das Ruheritual.

Aber auch die Ritualisierung der Anwendung von Unterrichtsmetho-

den erscheint sinnvoll. Die Meldekette ist in der Arbeit mit der Klasse

U3 zu einem Ritual geworden. In offenen Gesprächen mit der gesamten

Klasse ist es mittlerweile selbstverständlich, dass wenn mehrere Meldun-

gen vorhanden sind, sich die Schüler*innen gegenseitig drannehmen.

Dies wird im Zweifelsfall auch vehement eingefordert.

In der mir vorgegebenen Situation des Lernbüros sind die Schüler*innen

in hohen Maße darauf angewiesen, sich selbst zu strukturieren. Interes-

sengeleitet stellen sie sich in einem abgesteckten Rahmen ihr Arbeit-

spensum zusammen und bearbeiten es individuell. Dies ist zunächst als

sehr positiv zu bewerten. Jedoch sprechen die Fülle an Aufgaben, das

individuelle Arbeiten an den höchst unterschiedlichen Gegenständen -

und dies auch noch nach Jahrgängen gegliedert in Abteilungsunterricht

- nur den Lerntypen an, der gut individualistisch für sich allein lernen

kann (vgl. miehe / miehe 2007, S. 11). Der kompetitive Lerner, der sich

gern in Großgruppen einem Wettbewerb mit seinen Mitschüler*innen

stellt, sowie der kooperative Lerner, der die Sicherheit und den Aus-

tausch der Kleingruppe sucht, finden keine oder nur geringe Ansprache

(vgl. ebd.). Hier bleiben mir vor allem die drei Sechstklässlerinnen in

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Page 39: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

Erinnerung, die sich mehrfach untereinander zerstritten, was dazu führte,

dass sie aufgrund dieser Situation nicht zusammenarbeiten wollten, aber

auch keine Ausweichmöglichkeiten hatten, weil die Jahrgänge 5 und 4

thematisch mit ganz anderen Dingen beschäftigt waren. Die zu beob-

achtende Vereinzelung und Isolierung einzelner Schüler*innen führte

dazu, dass zum Teil weniger geschafft wurde als möglich gewesen wäre.

Durch das Gegensteuern und durch den Aufbau einer Phasenabfolge

verbesserte sich die Situation merklich, war aber noch nicht ideal. Was

hier fehlte, war das verbindende Element, das das Zusammenfügen der

individuell bearbeiteten Aufgaben und somit den fachlich-inhaltlichen

Austausch zwischen den unterschiedlichen Jahrgängen sowie die Anspra-

che der unterschiedlichen Lerntypen hätte ermöglichen können. Im en-

geren Sinne fand hier, zumindest in den Phasen der selbstorganisierten

Arbeit, kein jahrgansübergeifender Unterricht statt Die Schüler*innen

der unterschiedlichen Jahrgänge waren lediglich in einer koexistenten

Lernsituation zusammengefasst. Das verbindende Element im jahrgangs-

übergreifenden Unterricht muss meiner Meinung nach ein gemeinsames

Unterrichtsthema sein.

Arbeiten am gemeinsamen Lerngegenstand

Das gemeinsam bearbeitete Thema, der gemeinsame Lerngegenstand,

ermöglichen es letztendlich, verschiedene rote Fäden, vergleichbar mit

der Nabe einer Fahrradfelge, zusammenzuführen und trotz individueller,

interessengeleiteter Arbeitsphasen einen gemeinsamen Austausch zuzu-

lassen. Dass kann selbstverständlich auch geschehen, wenn nicht alle zur

gleichen Zeit am gleichen Thema arbeiten, einige schon weiter fort-

geschritten sind als andere. Es gibt aber zu jeder Zeit einen kleinsten

gemeinsamen Nenner, auf dessen Basis gemeinsame Unterrichtsphasen

stattfinden können. Grundsätzlich ist dabei nichts gegen einen Abtei-

lungsunterricht einzuwenden. Dieser ist meiner Meinung nach sehr gut

geeignet, um Gruppen von Schüler*innen gleicher Kompetenzstufen

zusammenzufassen und gezielt zu fördern oder zu fordern. Er sollte sich

aber auf bestimmte Phasen des Unterrichts beschränken. Fehlt das ge-

meinsame Thema und somit das verbindende Element des jahrgangs-

übergreifenden Unterrichts, ist es kaum möglich, Unterrichtsgespräche

zu führen, die inhaltlich alle etwas angehen.

Unterrichtsgespräche als Basis des Austauschs

Vor allem im direkten mündlichen Austausch aller beteiligten

Schüler*innen in gemeinsamen Gesprächsphasen können Themen ge-

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Page 40: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

meinsam und jahrgangsübergreifend bearbeitet werden. Raum für Un-

terrichtsgespräche sehe ich in gemeinsamen Einstiegsphasen in Unter-

richtsstunden oder -einheiten, in gemeinsamen Reflexionsphasen oder

in Phasen der Ergebnispräsentation. Hier entstehen Synergieeffekte, es

werden Impulse und Ideen für die weitere individuelle Arbeit gegeben.

Dabei haben sowohl Phasen des lehrerzentrierten Unterrichtsgesprächs

als auch Phasen der gemeinsamen Diskussion ihren Platz. Vor allem in

den mündlichen Arbeitsphasen des Religionsunterrichts am Thema der

Josefsgeschichte fällt mir dies auf. Die Teilnahme der Schüler*innen am

Gespräch auf ihrem jeweiligen Niveau ist sehr fruchtbar, es kommt zu

einem regen Austausch der Schüler*innen der unterschiedlichen Jahr-

gangsstufen. Beiträge, die einen Sachverhalt im Vergleich eher ein-

fach darstellen, regen stärkere Schüler*innen dazu an, den genannten

Aspekt auf höherer Ebene zu vertiefen oder inhaltlich schlüssiger dar-

zustellen. Hier werden Kompetenzen auf fachlicher Ebene gefördert.

Schüler*innen, deren sprachliche Kompetenz noch nicht so weit ent-

wickelt ist, profitieren von der Interaktion mit verbal und rhetorisch

stärkeren Mitschüler*innen. Jeder Sprachanlass fördert die Entwicklung

der Sprachkompetenz. Fachlich und / oder in Bezug auf die sprach-

liche Kompetenz schwächere Schüler*innen haben die Möglichkeit,

kompetente Sprecher*innen zu hören. Hinzu kommt, dass das Einhalten

gemeinsam gesetzter Gesprächsregeln ein wichtiges Element der Sozial-

kompetenz ist.

Meyer bezeichnet Unterrichtsgespräche diesen Typs als „sinnstiften-

de Unterrichtsgespräche“ und nimmt diese in seinen Katalog der „zehn

Merkmale guten Unterrichts“ auf (vgl. meyer 2003, S. 40). Er definiert

sie als Gespräche, die es Schüler*innen ermöglichen, vorhandenes Wis-

sen mit neuem Wissen zu verknüpfen sowie eigene Interessen in die

Bearbeitung eines Themas einzubringen. Als Indikatoren nennt er das

sich gegenseitige Verwickeln von Schüler*innen in Gespräche, in de-

nen Lernstoff in eigenen Worten zusammengefasst wird, kritische Fragen

erörtert sowie Transferfragen gestellt werden können (vgl. ebd.). Das

Vorhandensein solcher Unterrichtsphasen ist vor dem Hintergrund der

gesteigerten Heterogenität im jahrgangsübergreifenden Unterricht eine

fundamentale Voraussetzung für das Gelingen des Unterrichtsprozesses.

Etablierung von Hilfesystemen

Die Möglichkeit, dass Kinder im jahrgangsübergreifenden Unterricht

miteinander und voneinander lernen, indem sie sich gegenseitig helfen,

spielt eine herausragende Rolle bei der Begründung dieser Unterrichts-

S e i t e 4 0

Page 41: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

form (vgl. wagener 2010, S. 70). Beim Helfen und Erklären erfolgt

ein Perspektivwechsel. Das helfende Kind findet sich in der Rolle des

Vermittlers von Unterrichtsstoff wieder. Es baut eine Brücke zwischen

den bereits vorhandenen und den neu zu erwerbenden Kompetenzen des

Hilfe suchenden Kindes. Dabei strukturiert und vermittelt das helfende

Kind das eigene Wissen idealerweise so, dass es für das Hilfe suchende

Kind lernförderlich ist. Dies bedarf nicht nur kognitiver, sondern auch

didaktischer Kompetenzen, die im Prozess des Helfens erworben wer-

den können (vgl. ebd. S. 81). Umso wichtiger erscheint es, dies durch

die gezielte Förderung des gegenseitigen Helfens zu unterstützen. Die

Etablierung von Hilfe- oder Chefsystemen, in denen Schüler*innen

aufgrund ihrer Expertise in einem bestimmten thematischen Bereich zu

Ansprechpartner*innen für andere werden, ist dabei besonders hervor-

zuheben. Dies geschieht im Unterricht im Lernbereich Gesellschaft der

Klasse U3 zwar nur jahrgangsgebunden, ist aber insgesamt ein Schritt

in die richtige Richtung, da die hier gemachte Erfahrung leicht auf das

Helfen im jahrgangsgemischten Kontext übertragen werden kann. Zu-

dem wird eine positive Abhängigkeit der Schüler*innen untereinander

hergestellt - jeder kann von der Kompetenz des Anderen profitieren.

Der Grad der Kompetenz ist dabei grundsätzlich nicht zwingend mit der

Zugehörigkeit zu einer bestimmten Jahgangsstufe gleichzusetzen. Dies

habe ich auch während der Arbeit in der Klasse OGS III erlebt. Die hier

etablierte Helferkette hat ihren Zweck erfüllt und zu einem sinnvollen

Miteinander der Schüler*innen der unterschiedlichen Jahrgänge geführt.

Die älteren Schüler*innen haben große Verantwortung für die jüngeren

übernommen, so dass jahrgangsübergreifende Kooperationen entstehen

konnten.

Sukzessive Anbahnung und Förderung kooperativen Lernens

Kooperative Lernformen eignen sich meiner Meinung nach besonders

gut, um die fachlichen ebenso wie die überfachlichen Kompetenzen

in heterogenen Lerngruppen zu fördern. Als besonders dynamisch und

fruchtbar erlebe ich diese Arbeitsform während des Religionsunterrichts

am Thema der Josefsgeschichte. Die hier zu beobachtende Produktivi-

tät der Schüler*innen übertrifft meine Erwartungen. Ich beobachte, dass

Jahrgangsgrenzen verwischen. Jeder kann entsprechend seinem Vorwis-

sen und seinen individuellen Stärken den Prozess mitgestalten. miehe

und miehe weisen darauf hin, dass sich kooperative Lernformen beson-

ders für die Erarbeitung von Verständnis sowie für die Vertiefung durch

Anwendung und Transfer eignen und dass der Vorteil gegenüber her-

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Page 42: Jahrgangsübergreifender Unterricht. Eine Hausarbeit … · Religionsunterricht am Beispiel der Einheit „Josef und seine Brüder“ 31 ... veränderte Umgang mit der Heterogenität

kömmlichen Arbeitsweisen darin besteht, dass positive Abhängigkeiten

erzeugt werden (vgl. miehe / miehe 2005, S. 11). Dies kann ich aus

meiner Praxiserfahrung bestätigen. Als besonderen Vorteil sehe ich, dass

die Verknüpfung von inhaltlichen und sozialen Fähigkeiten sowie die

Notwendigkeit der Kommunikation jahrgangsübergreifende Lernpro-

zesse gezielt initiieren können. Die Reflexion der Zusammenarbeit am

Ende der kooperativen Lernphasen hat den Schüler*innen insofern viel

gebracht, als dass in dem durch die Struktur geschützten Raum angstfrei

Kritik der Jüngeren an dem Verhalten der Älteren geübt werden konnte.

Ziel muss es sein, die Phasen kooperativer Arbeit auszudehnen und im

jahrgangsübergreifenden Unterricht sukzessive zu etablieren.

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Ausblick

Ich hoffe, dass ich auch nach meinem Vorbereitungsdienst weiterhin die

Möglichkeit habe, jahrgangsübgergreifend zu unterrichten. Die im ersten

Teil dieser Arbeit genannten Argumente für den jahrgangsübergreifen-

den Unterricht sehe ich durch meine Tätigkeit in den unterschiedlichen

Lerngruppen bestätigt. Um die Lernressource Jahrgangsmischung opti-

mal nutzen zu können, steht eine Vielzahl an Methoden und Organi-

sationsformen zur Verfügung, die in verschiedenster Weise kombiniert

werden können. Sicherlich können nicht alle Elemente zur gleichen Zeit

zum Tragen kommen. Bei jeder Lerneinheit muss neu überlegt wer-

den, welche Elemente in welcher Weise die Wissensvermittlung optimal

strukturieren. Für mich persönlich erscheint es sinnvoll, den gemein-

samen Unterrichtsgegenstand in den Fokus der Planung zu setzen. Das

gemeinsame Thema bietet nicht nur die Möglichkeit des gemeinschaft-

lichen Lernens der Schüler*innen der verschiedenen Jahrgänge, son-

dern ermöglicht mit zunehmender Routine auch eine facettenreichere,

schüler*innenorientiertere Unterrichtsplanung.

Die von mir angefertigte Liste sinnvoller Elemente ist mit Sicherheit

noch nicht vollständig. Interessant ist die Frage, inwieweit sich eine

weitere Öffnung des Unterrichts und die Ausweitung projektorientier-

ter Arbeitsweisen auf die Nutzung des Potentials der Jahrgangsmischung

auswirken. Gern würde ich ausprobieren, ob der jahrgangsübergreifende

Unterricht auch von der domänenartigen Raumgestaltung, wie ich sie

bei Hospitationen u.a. an der Schule Burgweide in Hamburg-Wilhelms-

burg beobachten konnte, profitieren würde.

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Erklärungen

Ich versichere, dass ich diese Arbeit ohne fremde Hilfe verfasst habe und

mich dabei anderer als der angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe.

Hamburg, den 16.03.2011

Mit einer späteren Ausleihe der Arbeit bin ich einverstanden.

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