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Bundeskongress Musikunterricht Weimar 2012 Schulpraktisches Klavierspiel – Prof. Peter vom Stein – HfM Dresden __________________________________________________________________________________________ Jazz/Rock/Pop-Piano Comping und Solospiel 1. Popballaden Popballaden lassen sich einfach auf dem Klavier spielen; gleichmäßige Notenwerte rechts (je nach Tempo und Metrum Viertel oder Achtel) und Grundtöne links. Damit diese einfache Bewegungsform gut klingt, muss man aber einige Dinge beachten: Die Schwerpunkte der Begleitung liegen eher auf den backbeats (2+4 des Taktes). Die Verbindung der Akkorde sollte möglichst linear sein (d.h. die Töne der rechten Hand; die Basstöne können durchaus springen). (Nur) poptypische Erweiterungen verwenden (wie 7, 9 oder sus-Klänge), Vorsicht mit eher jazztypischen Erweiterungen bzw. Alterationen (#9, #11 etc.). Üblicherweise wird nach Harmonien pedalisiert. Damit diese gleichförmige Bewegungsform nicht langweilig wird, sollte man grundsätzlich verschiedene Spielvarianten integrieren: Einfach und typisch ist es, die Bewegungsformen mit den Formteilen zu wechseln; also etwa Viertel in der Strophe, Achtel im Refrain. Rhythmisierungen, Oktavsprüngen oder kleinen Linien in der linken Hand Hier eine Übersicht über einige Varianten:

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Jazz/Rock/Pop-Piano Comping und Solospiel

1. Popballaden Popballaden lassen sich einfach auf dem Klavier spielen; gleichmäßige Notenwerte rechts (je nach Tempo und Metrum Viertel oder Achtel) und Grundtöne links. Damit diese einfache Bewegungsform gut klingt, muss man aber einige Dinge beachten:

• Die Schwerpunkte der Begleitung liegen eher auf den backbeats (2+4 des Taktes). • Die Verbindung der Akkorde sollte möglichst linear sein (d.h. die Töne der rechten

Hand; die Basstöne können durchaus springen). • (Nur) poptypische Erweiterungen verwenden (wie 7, 9 oder sus-Klänge), Vorsicht mit

eher jazztypischen Erweiterungen bzw. Alterationen (#9, #11 etc.). • Üblicherweise wird nach Harmonien pedalisiert.

Damit diese gleichförmige Bewegungsform nicht langweilig wird, sollte man grundsätzlich verschiedene Spielvarianten integrieren:

• Einfach und typisch ist es, die Bewegungsformen mit den Formteilen zu wechseln; also etwa Viertel in der Strophe, Achtel im Refrain.

• Rhythmisierungen, Oktavsprüngen oder kleinen Linien in der linken Hand Hier eine Übersicht über einige Varianten:

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Bei der Strukturierung einer Begleitung ist es besonders sinnvoll, sich an der Melodie zu orientieren. Dies kann auf zwei unterschiedliche, sich ergänzende Weisen geschehen, die oft gemeinsam in einer Begleitung angewendet werden:

• Durch (mit der Melodie) synchron rhythmisierte Akkorde oder • Fills in den Pausen der Melodie

Die synchrone Rhythmisierung von Akkorden biete sich vor allem bei prägnanten Rhythmen der Melodie an, die Fills bestehen z.B. aus Arpeggien oder rhythmisierten „Kicks“, hier am Beispiel der ersten Takte von „Another Day in Paradise“ (Collins):

Nach dem Modell des dargestellten Fills, kann man auch ein Intro strukturieren. Interessanter klingt es, wenn man zu dem Arpeggio Bewegungsrichtungsänderungen und rhythmisierte Basstöne verwendet. 2. Swing 2.1 Thema- und Solospiel Wenn man mit der rechten Hand das Thema eines Standards oder eine improvisierte Linie spielen will, muss die linke Hand begleiten. Da die Voicings der rechten Hand in einem tieferen Register in der Regel nicht klingen, ist das nicht ganz einfach. Zunächst bestehen folgende Möglichkeiten:

1. „Bud-Powell“-Voicings 2. Standard „Left-Hand“-Voicings

Bei so genannten „Bud Powell“-Voicings1 spielt die linke Hand in der Regel nur zwei Töne. Dies können sein: Grundton, Terz oder Septe. Durch die geringe Anzahl der Akkordtöne und ihre weite Lage klingen diese Voicings auch in tieferen Lagen noch transparent. Wer über hinreichend große Hände verfügt, kann diese Voicings auch als Dezimen spielen (Stichnoten T.

1 nach dem Bebop-Pianisten Bud Powell (1924-1966)

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2). Left-Hand-Voicings bestehen in der A-und B-Position; nötig sind diese, um immer im mittleren, gut klingenden Register spielen zu können. Diese Voicings sind grundtonlos!

Als Solomaterial für die rechte Hand habe ich verschiedene Skalenmöglichkeiten angegeben. Bei II-V-I Verbindungen kann man die Skala der I. Stufe über alle drei Akkorde spielen; sie wird dann zu einer dorischen (II. Stufe) bzw. mixolydischen (V. Stufe) Skala.

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Alternativen zur V. Stufe sind hier die alterierte Skala (bei der alles alteriert wird, was alteriert werden kann, ohne den Dominantseptakkordes in seiner Grundform zu zerstören, also nicht der Grundton, die Terz oder Septe) Die Skala mixolydisch#11 entsteht durch die Vermeidung der dissonanten reinen Quarte (eine so genannte „Avoid note“), die Halbton-Ganztonskala ist eine Kunstskala, die viele Alterationen und chromatische Wendungen einschließt. 2.2 Comping Es gibt u.a. folgende Möglichkeiten, einen Swingstandard auf dem Klavier zu begleiten:

1. Guitar Comping 2. Rhythmisierte Akkorde/ Kicks 3. Walking Bass

Es ist üblich, diese Formen beim Begleiten in unterschiedlicher Weise zu kombinieren. Zum kennen lernen und ausprobieren sind sie im Folgenden aber zunächst einzeln dargestellt. 1. Guitar Comping Vermutlich die einfachste Bewegungsform besteht aus Viertelrepetitionen in der rechten Hand. Der große Vorteil dieser Begleitungsform liegt in ihrer Einfachheit. Für das (nach einer typischen Gitarrenspieltechnik) guitar comping genannte Pattern muss man allerdings einige Dinge beachten:

• Die Bewegungsform klingt auf dem Klavier nur in einem bestimmten Tempokorridor gut; etwa von 80-140 bpm2 (Viertel).

• Gut klingt die Begleitung zu einem Thema mit vielen Offbeats, da sonst in Thema und Begleitung nur Viertel erscheinen. (Nicht vergessen: Auch wenn ein Lead-Sheet eines Jazzstandards nur Viertel oder Halbe notiert, ist es durchaus üblich, das Thema offbeat-orientiert zu interpretieren!)

• Äußerst wichtig; die Artikulation: Die rechte Hand spielt breites Portato mit Schwerpunkten (Dynamik und Tonlänge) auf den backbeats (Taktzeiten 2 und 4). Die linke Hand spielt kurz. Es wird in der Regel ohne Pedal gespielt.

• Statt der Downbeats kann man den Basston oder die Viertel der rechten Hand ab und an um ein (natürlich ternäres!) Achtel vorziehen.

Als Beispiel hier die ersten Takte von „Our Love is here to stay“ (Gershwin):

2 bpm = beats per minute, Pulse pro Minute

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2. Rhythmisierte Akkorde/ Kicks Angelehnt an den Bläsersatz einer Band kann man rhythmisierte kicks auf dem Klavier spielen. Zunächst sollen diese rechts und links synchron gespielt werden. Die Orientierung für die konkrete Ausführung liefert das Thema, und das auf zwei ganz unterschiedliche Weisen:

• Möglichkeit 1: Man spielt immer dann (mehr), wenn die Melodie eine Pause oder einen langen Ton hat, oder

• Möglichkeit 2: Man spielt synchron mit (einem prägnanten Rhythmus) der Melodie In der Praxis wird man abwechselnd beides (und noch mehr) tun. Zumindest bei Möglichkeit 1 hat man keine direkte Anregung für Rhythmisierung und Phrasierung. Wichtig ist dabei vor allem Abwechslung:

• Tonlänge (Ganze/ Halbe ...) • Rhythmus (down/ back/ offbeat) • Artikulation (breit, kurz, akzentuiert...)

3. Walking Bass Analog zu der Funktion eines Basses in einer Rhythmusgruppe kann die linke Hand eine Walking-Bass-Linie spielen. Die wichtigsten strukturierenden Elemente:

• Die Bewegung besteht beinahe ausschließlich aus (Legato-) Vierteln • Bei jeder neuen Harmonie spielt der Bass den Grundton des Akkordes • Der Basston einer neuen Harmonie wird immer über einen Schritt erreicht, chromatisch

oder diatonisch3. Als Beispiel eine Bassline zum A-Teil von „The Lady is a Tramp“ (Rodgers/ Hart):

3 In der Praxis kommen natürlich Abweichungen von diesen Regeln vor. Für den Anfang würde ich sie aber ziemlich streng beachten, bis man Gespür für eine gute Walking-Bass-Line hat.

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Zu den Details:

• Für die Bewegung sind vorwiegend diatonische oder chromatische Linien gut. Möglich sind auch Arpeggien; man sollte sie aber sparsam einsetzen, damit die Eigenständigkeit der Linie nicht verloren geht.

• Sprünge (auch große) sind durchaus typisch – organisch klingt eine Basslinie, wenn sich Sprünge und Linien, Auf- und Abwärtsbewegungen abwechseln.

• Um die rhythmische Energie zu steigern kann man Achtelbewegungen integrieren. • Simpel, oft aber sehr hilfreich: Auch Tonwiederholungen können verwendet werden. • Basstypische Effekte wie drops (T. 12) kann man bis zu einem gewissen Teil auf das

Klavier übertragen: Die mit Kreuzen markierten Noten sind so genannte dead notes, die (auf dem Bass gespielt) keine definierbare Tonhöhe haben. Auf dem Klavier kann man das allerdings nur andeuten.

• Wichtig auch: Wenn die Harmonie länger als ein Takt nicht wechselt, muss nicht der Grundton auf der Takteins sein. Häufig sind dann aber dort Akkordtöne wie Quinte oder Terz zu finden. (T. 10)

• Der Ambitus einer Walking-Bass-Line sollte groß sein. Schön sind bassig klingende Linien, die etwa bis zum Kontra-F herunterreichen können, sich aber auch mal bis zu den Akkordtönen der rechten Hand bewegen.

• Auskomponierte chromatische oder diatonische Linien im Stück kann man gut und einfach mit einem Wechsel von Oktavsprüngen und Sekunden begleiten (hier ein Beispiel aus dem A-Teil von „I got Rhythm“ (Gershwin):

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Die rechte Hand kann dazu die Akkorde zunächst in ganzen oder halben Noten spielen (s.o.) Typischer (und interessanter) ist es, wenn die Akkorde rhythmisiert werden. Die Regeln für die Rhythmisierung entsprechen denen unter Punkt 2, gut möglich ist es auch, unterschiedliche Voicings (Takte 6 & 11) zu verwenden: