Katharina von Genua

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  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    KATHARINA VON GENUA

    Dialog

    ber die gttliche Liebe

    Die Liebe Gottes

    und ihre Wirkung auf den Menschen

    1. KAPITEL

    Die Seele: O Herr, da ich dich so sehr von Liebe zu den Menschen erfllt sehe, wrde ichgerne die Ursache deiner so groen Liebe kennen. Zumal ich den Menschen grtenteils ganzim Widerspruch zu deinem Willen leben sehe, fern von deiner Liebe, deinen Einflssenwiderstrebend, nie und nirgends bereinstimmend mit dir, sondern erdhaft, blind, taub, stummund tricht, ohne Fhigkeit und ohne Kraft, deinem Willen gem zu handeln. Auch bekenneich, Herr, da ich nicht wei, was denn in Wirklichkeit dieser Mensch ist, um den ich dich sosehr besorgt sehe. Ich wei nicht, ob du sein Herr oder sein Diener bist. Es scheint, die Liebehabe dich derart verblendet, da du unsere Erbrmlichkeiten gar nicht siehst. Ich bitte dich,mein Herr, du wollest mir darber vollkommenen Aufschlu geben.

    Der Herr: Du fragst mich da um etwas so Groes, da du gar nicht fhig bist, es zu verstehen.Doch um deinen schwachen, armen Verstand zu befriedigen, werde ich dir blo einen Funkendieser Wahrheit erstrahlen lassen. Shest du diesen Funken der Wahrheit deutlich, so knntestdu nicht mehr leben, wenn ich dich nicht gndig sttzte. Wisse vorerst, da ichunvernderlicher Gott bin. Ich liebte den Menschen, noch ehe ich ihn erschaffen hatte, mitunendlicher, reiner, einfacher und aufrichtiger Liebe ohne irgendeine Ursache. Es ist mirunmglich, etwas nicht zu lieben, was ich geschaffen und zu meiner Verherrlichung bestimmthabe.

    Auerdem habe ich den Menschen sehr reichlich ausgestattet mit allen Mitteln, die ihmdienlich sind, sein Ziel zu erreichen. Es sind dies die natrlichen Gaben und bernatrlichenGnaden, die ihm, soweit es von mir abhngt, nie fehlen. Ja, meine unendliche Liebe umgibtihn auf verschiedenerlei Weise und geht ihm nach auf verschiedenartigen Wegen, um ihnunter meinen Schutz zurckzurufen. Ich finde auch nichts in ihm, was mir widersprche,auer der freien Selbstentscheidung, die ich ihm gegeben habe. Mit dieser kmpfe ich

    bestndig aus Liebe, bis er sie mir bergibt und mir daraus ein Geschenk macht. Undnachdem ich sie angenommen habe, schaffe ich sie langsam um durch mein verborgenes

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    Wirken und meine liebevolle Sorgfalt. Nie und nimmer verlasse ich den Menschen, bis ichihn zu dem ihm bestimmten Ziel gefhrt habe.

    Du fragst mich, warum ich den mir so widerstrebenden Menschen liebe, der so berst ist mitErbrmlichkeiten, da sie ihren blen Geruch von der Erde zum Himmel verbreiten. Ichantworte dir, da ich aus meiner unendlichen Gte und meiner reinen Liebe, mit der ich

    diesen Menschen liebe, seiner Mngel nicht achten noch es unterlassen kann, mein Werk zuvollbringen, das darin besteht, ihm immer Gutes zu erweisen. Durch mein Licht, das ich ihmleuchten lasse, erkennt er seine Fehler. Und da er sie erkennt, beweint er sie. Und da er sie

    beweint, reinigt er sich davon. Wisse, da ich nicht anders vom Menschen beleidigt werdenkann, als wenn er dem Werke Hindernisse setzt, das meiner Anordnung gem ihn zu seinemZiel bringen soll, d.h., da er mich nicht meiner Liebe gem so wirken lt, als er dessen

    bedrftig wre. Nur allein die Todsnde *) ist es, die mich hindert.

    Doch jene Liebe, die du zu erkennen begehrst, kannst du nicht erfassen, denn sie hat wederGestalt noch Ma. Du kannst sie nicht mit deinem Verstand begreifen, weil sie unverstndlichist. Nur an ihren Wirkungen kann der Mensch sie in etwa erkennen, und die sind klein odergro, je nach dem Ma der Liebe, die da ttig ist.

    *) Nach katholischer Lehre eine Snde, die beabsichtigt und willentlich begangen dieVerbindung mit Gott zerstrt und den Verlust der gttlichen Gnade bewirkt.

    Wenn jemand mit glubigem Auge die Wirkungen betrachten wollte, die Gott in denMenschen hervorbringt mit Hilfe jenes Liebefunkens, den er in verborgener Weise in ihreHerzen hineingelegt, er wrde gewilich so von Liebe durchglht werden, da er nicht lngerleben knnte. Das berma von Liebe wrde ihn zunichte machen. Obwohl der Mensch fastimmer in Unkenntnis dieser Liebe ist, so siehst du ihn nichtsdestoweniger um dieserunerkannten Liebe willen die Welt, sein Hab und Gut, seine Freunde und Verwandtenverlassen. Alle andere Liebe, alle anderen Vergngungen werden von ihm verachtet. Umdieser Liebe willen verkauft der Mensch sich als Sklave und bleibt anderen untertan bis zumTod. Diese Liebe wchst immer mehr und macht ihn bereit, tausend Martern um ihretwegenzu erdulden. Das hat man erfahrungsgem immer gesehen und wird es auch in Zukunftimmer wieder erleben. Du siehst also, da diese Liebe aus Tieren Menschen, aus MenschenEngel, aus Engeln sozusagen durch Teilnahme Gtter macht.

    Du siehst, wie die Menschen sich durch diese Liebe in allem verndern: aus irdischen Wesenwerden sie zu himmlischen und ben sich mit Leib und Seele in geistlichen Dingen. Du siehstsie ihre Worte und ihr Leben ndern und das Gegenteil von dem tun, was sie zu tun und zusagen gewohnt waren. Jeder wundert sich ber diese Vernderung, und sie scheint ihm garkstlich, ja man beneidet die, denen solches widerfhrt, ob wohl niemand das Werk versteht,der es nicht selbst an sich erfhrt.

    Diese innige, eindringliche, se Liebe, die der Mensch in seinem Herzen empfindet, lt sichnicht erkennen, schildern oder begreifen, sie kann nur gefhlsmig erfat werden. DerMensch fhlt sich von etwas eingenommen, gebunden, umgewandelt, glcklich, friedlich undin sich geordnet. Seine krperlichen Triebe empren sich nicht, er besitzt nichts, sondern

    bleibt ruhig und zufrieden im Innersten seines Herzens und wei von nichts anderem mehr.Ein ganz zarter Faden hlt ihn fest gebunden, der in der Hand Gottes ruht, ihm aber dieMglichkeit lt, zu kmpfen und zu streiten wider die Welt, die Teufel und sich selbst. Ererkennt sich als sehr schwach, und da er von keiner Seite Hilfe erfhrt, frchtet er, berall zuerliegen, aber Gott lt ihn nicht fallen.

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    Das ist jedoch noch nicht jene wahre Liebe.. die du, O Seele, zu erkennen begehrst. Erstnachdem ich die menschlichen Unvollkommenheiten durch alle mglichen, der menschlichenArmseligkeit angepaten Mittel vertilgt habe, wirke ich ganz unsichtbar auf folgende Weise:Ich neige mich zum Menschen herab mit einem beraus feinen Goldfaden, das ist nmlichmeine verborgene Liebe zu ihm. An diesem Faden ist eine Angel befestigt, die sich in dasHerz des Menschen hakt. Dadurch fhlt er sich verwundet, wei aber nicht durch wen. Er

    bleibt gebunden und festgehalten, kann sich nicht mehr bewegen noch sich zu bewegenverlangen, denn jenes Herz wird angezogen von mir, dem Gegenstand und Ziel seiner selbst.Er aber begreift es nicht. Doch ich, der ich den Faden in Hnden halte, ziehe ihn immer mehran mich durch eine so zarte und eindringliche Liebe, da der Mensch berwunden und

    besiegt, ganz auer sich gert.

    Gleichwie ein Gehngter, der mit seinen Fen die Erde nicht berhrt, in der Luft an dem Seilhngt, das ihn dem Tod berliefert, so hngt jene Seele an dem Faden dieser zarten Liebe.Durch sie sterben all die verborgenen, unscheinbaren, unerkannten Unvollkommenheiten desMenschen. Alles, was die Seele nachher liebt, liebt sie mit der Liebe jenes Fadens, durch densie ihr Herz gebunden fhlt. So wird auch alles brige, was der Mensch vollbringt, mit dieserLiebe vollbracht durch die Gnade. Gott ist es, der wirkt mit seiner reinen Liebe, ohne da der

    Mensch sich einmischt.

    Nachdem Gott die Sorge fr diesen Menschen bernommen und ihn ganz an sich gezogen hat,wirkt er auf diese Weise fr ihn und bereichert ihn mit seinen Gtern in dem Ausma, da erim Augenblick des Todes durch diesen Faden der Liebe in den Abgrund der Gottheit gezogenwird und darin ganz untergeht, ohne zu wissen wie. Obwohl der Mensch in diesem Zustandeiner toten, verlorenen, verchtlichen Sache gleicht, so findet er doch sein heimlichverborgenes Leben in Gott, in dem alle Schtze und Reichtmer des ewigen Lebens sind.

    Niemand vermag es zu sagen, ja nur zu denken, was Gott der von ihm geliebten Seele bereitethat.

    Die Begegnung mit der Liebe Gottes

    2. KAPITEL

    Die Seele: O Zunge, warum redest du, da du doch keine Worte findest, die der Liebeentsprechen, die mein Herz empfindet? O Herz, von Liebe entflammt, warum verzehrst duden Leib nicht, in dem du dich befindest? O Geist, was tust du noch hier, gebunden an dieErde? Merkst du nicht die Gewalt der Liebe, mit der Gott dich an sich zieht und nach dirverlangt? Zerbrich diesen Leib, damit jeder von euch an seinen Ort gelange!

    Als Gott die Seele in solch malosem, groen Feuer entbrannt sah und sie darin ein wenigfesthalten wollte, zeigte er ihr einen Funken jener Liebe, mit der er den Menschen liebt. Eineinziger Funke dieser Liebe ist so rein, so einfach und so lauter, da die ihn wahrnehmendeSeele berrascht, erstaunt und wie auer sich war. Es schien ihr, sie sei im Paradies.

    Der Herr: Was hast du, da ich dich so verwandelt sehe? Was hast du Neues gesehen? Washat dich in einen solchen Liebesbrand versetzt? Frher schien es, als mtest du deinen Leibzerbrechen, um deine Liebe zu finden. So gro war die Lust, so s der Genu, den du in derGesellschaft vieler deiner Freunde fandest, die mit dir durch das Band der einen sen und

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    freudevollen Liebe geeint waren. Und jetzt sehe ich dich verschlossen und verlassen, und esscheint, als wollest du niemand mehr kennen.

    Frher pflegte diese Seele hufig mit vielen ihrer geistigen Freunde Gesprche ber diegttliche Liebe zu fhren. Und es schien ihnen dann, sie seien im Paradies, sowohl allezusammen als jeder fr sich. O, welch schne Gesprche fhrten sie! Der Redende wie der

    Hrende, jeder erfreute sich an strkender, kstlicher, geistiger Speise. Und da die Zeit sorasch verflog, konnten sie sich gar nicht sttigen. Ganz entzndet und entbrannt muten sieinnehalten, da sie nicht mehr zu reden vermochten. Noch weniger aber konnten sie sichvoneinander trennen, sie schienen wie auer sich zu sein. O, welch genureiche Nahrung,welch gnadenreiche Vereinigung, welch gttliche Gesellschaft! Man sprach von nichtsanderem als von der gttlichen Liebe und ihren Wirkungen und von den Mitteln, ihreHindernisse zu entfernen. Es war klar ersichtlich, da alles, was hier unter ihnen sich vollzog,ganz fr Gott und zum Heil der Seelen geschah. An anderes vermochte man gar nicht zudenken.

    Die Wesensmerkmale der Gottesliebe

    3. KAPITEL

    Die Seele: Du hast mir, Herr, ein Licht leuchten lassen, in dem ich gewahr wurde, da alleandere Liebe nur Eigenliebe war. Alle jene Wirkungen, die so von Liebe zu dir und fr dicherfllt schienen, sie waren alle durch mich befleckt, denn sie sind durch michhindurchgegangen und im geheimen habe ich sie mir angeeignet. Sie blieben in mir verborgenunter deinem Schatten, O Herr, und darber beruhigte ich mich.

    Aber seitdem ich deine reine, einfache und lautere Liebe in ihren Wirkungen gesehen habe,

    bin ich ganz auer mich geraten und untergegangen in dieser Liebe. Jede andere Liebeerschien mir als Selbstsucht, ja noch mehr als Selbstsucht. O gttliche Liebe, werde ich jenoch mehr ber dich sagen knnen? Ich bin berwltigt und von dir besiegt. Ich bin ganzuntergegangen in Liebe und kenne doch die Liebe nicht. Ich fhle, wie diese Liebe in mirwirksam ist, doch ich verstehe ihr Wirken nicht. Ich fhle mein Herz in Liebe entbrannt, dasFeuer der Liebe aber sehe ich nicht.

    O mein Herr, ich kann nicht aufhren, Wesensmerkmale dieser Liebe zu suchen.

    Obgleich ich durch das neue Licht, das du mir erstrahlen lieest, in allem besiegt bin, so habeich es doch noch nicht aufgegeben, mehr ber diese Liebe zu erfahren. Es ist eine Liebe, diealles Wnschenswerte des Himmels und der Erde in sich schliet, die den Menschen

    befriedigt, ohne ihn zu sttigen, sondern seinen Hunger immer mehr zunehmen lt. So sund angenehm ist diese einfache, reine Liebe, dem Herzen des Menschen so entsprechend,da jeder, der nur einen Funken davon genossen hat, nie wieder aufhren kann, ihr zu folgen,wenn er auch deswegen tausendmal sein leibliches Leben lassen mte.

    Was ist doch diese Liebe, die alles andere besiegt? Du hast mir schon viel darber gesagt, OHerr, doch mich dnkt es immer weniger. Und da du selbst in mir den Drang geweckt hast,noch weiter ber sie zu forschen, so, glaube ich, wird es nicht vergebens sein.

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    Du hast versprochen, mir in dieser Hinsicht einige Befriedigung zu verschaffen, die ich bishernoch nicht empfunden habe. Du hast mir von deiner einfachen, reinen Liebe einen Funkengezeigt, der ein solches Feuer in meinem Herzen entfacht hat, da es mich verbrennt. Ichfinde keinen Ort der Ruhe mehr auf Erden, ich kann nichts anderes mehr sehen noch hren.Ganz auer mir verharre ich in Staunen. Ich wei nicht, wo ich mich befinde. Ich bin innerlichso beschftigt, ergriffen, fast tdlich verwundet und warte nur allein auf deine Frsorglichkeit,

    die jedes dem Heil dienende Verlangen erfllt.

    Der Herr: O meine liebe Seele, du trachtest zu wissen, was du doch nie verstehen kannst!Dein sicheres Gefhl und Verlangen sind, solange du noch als Mensch im Krper lebst, berdie Natur hinausgehend, also bernatrlich. Doch im Hinblick auf das Geistige in dir, auf dasZiel, fr das du geschaffen bist, sind sie ganz natrlich. Denn wie die Liebe deinAusgangspunkt und dein Weg gewesen ist, so mu sie auch dein Ziel sein. Du kannst ohneLiebe nicht leben. Sie ist dein Leben in dieser und in der anderen Welt. Aus diesem Grundmchtest du, von Verlangen entzndet, erfahren, was es denn um diese Liebe sei. Aber dukannst es weder mit deinem Verstand noch mit deinem Geist erfassen noch mit aller Liebe,deren du fhig bist, begreifen. Ja, selbst die, die schon in der Heimat sind, kennen sie nichtanders als nach dem Mastab der Gnade und der Liebe, die sie in diesem Leben empfangen

    haben.

    Denn der Grund aller Liebe bin ich, Gott selbst, der nicht begriffen werden kann, auer durchdie vielen Beweise groer Liebe, die ich stndig gegeben habe und zu geben nie aufhre, dienie genug geschtzt, nie erdacht werden knnen. Wenn ich der Seele einen Funken meinereinfachen, reinen Liebe zeige, so kann sie nicht anders, sondern sie ist gezwungen, mir diesegleiche Liebe zu erwidern. Diese Liebe bt eine solche Gewalt ber sie aus, da sie gentigtist, alles fr mich zu tun, was sie nur zu tun imstande ist. Die Seele ist bereit, nicht nur denTod fr mich zu erleiden, sondern, wenn es mglich wre, tausendmal fr mich zu sterbenunter unendlichen Martern. An den Wirkungen, die meine Liebe in den Menschen hervorruft,lt sich das Ma der Liebe erkennen, das den Herzen eingegossen ist.

    Aber ich wei es, liebe Seele, da du diese wirksame Liebe nicht um ihrer Auswirkungenwillen zu erforschen suchst, sondern du suchst jenen sen Tropfen selbst, den ich in dieHerzen der Auserwhlten hineinversenke und eingiee. Der Tropfen lt Geist, Seele undleibliche Empfindung schmelzen, so da sie sich zu regen nicht mehr imstande sind. DieSeele bleibt durch diesen Tropfen versunken in die Sigkeit der Liebe. Sie ist auerstande,irgendetwas zu wirken. Sie ist ganz in sich selbst verloren, jedem anderen Geschpfentfremdet. Sie ist zufrieden im Innersten ihres Herzens und voller Friedfertigkeit gegen

    jedermann. Nichts hat sie mehr zu tun. Sie ist nur noch von diesem Liebestropfen erfllt, dersie ohne Nahrung sttigt.

    Voller Glut ruft die Seele: O Nahrung ohne Geschmack! O Geschmack ohne Lust! O Lust

    ohne Speise! O Speise der Liebe, die die Engel, die Heiligen, die Menschen nhrt! O seligeSpeise, wer dich nicht kostet, der wei nicht, was Gutes du bist! O wahre Speise, die du unserVerlangen befriedigst und jedes andere Verlangen in uns auslschst! Wer von dieser Speisekostet, der meint jetzt schon, selig zu sein, obwohl er noch in diesem Leben weilt, in dem Gottnie mehr als blo einen kleinen Tropfen zu kosten gibt.

    Wrde er nur ein klein wenig mehr davon offenbaren, so strbe der Mensch von dieser sozarten, eindringlichen Liebe. So sehr wrde der Geist sich entflammen, da der arme,schwache Krper dabei zugrunde ginge. O gttliche Liebe, O gttliche Liebe! Du verschliet

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    mir den Mund. Ich vermag und wei nichts mehr zu reden, noch will ich weiter nach etwassuchen, was sich doch nicht finden lt. Ich bin besiegt und berwunden.

    Die Reinigung durch das Liebesfeuer

    4. KAPITEL

    Der Herr: O geliebte Seele, weit du, wer meine Liebe findet? Derjenige, der sein Herz reinund gelutert hlt von jeder anderen Liebe. Und der, sobald er sie gefunden hat, still undzufrieden bleibt, obwohl er die Weise meines Wirkens nicht kennt, noch einsieht, wo er sich

    befindet; denn die Liebe wirkt im geheimen und auf zarte Weise ohne jegliche uereBettigung.

    Ein solcher Mensch ist immer in Ttigkeit ohne Bettigung. Er ist gebunden, ohne zu wissen,wer ihn hlt. Er lebt wie in einem Gefngnis, das keine Tren hat. Die Seele kann sich weder

    ihres Verstandes noch ihres Gedchtnisses noch ihres Willens bedienen. Sie gleicht einemunsinnigen Wesen, scheint stumm und blind zu sein, weil die gttliche Liebe schon alleEmpfindungen der Seele und des Leibes berwunden und gebunden hat.

    Eine solche Seele, ein solcher Geist, die sich in ihrem gewohnten Lieben und Wirken soumgewandelt fhlen, angezogen von einer hheren, starken und geheimenLiebeswirksamkeit, sie sind gezwungen zu sagen: ,,O Herr, was ist das fr ein Wirken, das dieLiebe vollbringt? Was ist doch diese Liebe, die solche Vernderungen im Menschenhervorruft immer vom Guten zum Besseren, die ihn fortwhrend weiter voranfhrt, um ihnseinem Ziele nher zu bringen? Und die er, je weiter er vordringt, desto weniger erkennt unddesto mehr bewundert, da er nicht wei, wo er sich befindet?"

    Dieser Mensch lebt von den Liebespfeilen, die Gott ihm in das Herz sendet, und die wiederzurckkehren zum Himmel mit durchdringenden und glhenden Seufzern. Htte er dieseErquickung nicht, so knnte er nicht leben wegen des bermigen Feuers der Liebe.Manchmal hemmt die Liebe den Menschen so, da sie ihn nicht reden, nicht seufzen lt, umrascher ihr Werk zu vollbringen. Doch hlt sie ihn nicht lange in diesem Zustand, er knntesonst nicht lange leben.

    Die Seele: O Liebe, das Herz, das dich verkostet, erfhrt schon in diesem Leben den Anfangdes ewigen Lebens! Aber du, O Herr, verbirgst dein Wirken vor dem Besitzer deiner Liebe,damit er durch seine Eigenheit dein Werk nicht stre! O Liebe, was kann man von dir sagen?Wer dich fhlt, versteht dich nicht, und wer dich verstehen will, kann dich nicht erkennen. OLiebe, unser Leben, unsere Seligkeit, unsere Ruhe!

    Die gttliche Liebe bringt jegliches Gute mit sich, alles Bse aber flieht vor ihr. O Herz, vonder gttlichen Liebe verwundet, nie mehr wirst du geheilt! Ja, deine Wunde verschlimmertsich immer mehr, je mehr du dem Tode entgegengehst. Dann aber beginnst du ein endlosesLeben zu leben. O Feuer der Liebe, was vollbringst du in diesem Menschen? Du reinigst ihngleichwie das Gold im Feuer, und dann nimmst du ihn mit dir in die ewige Heimat zu demZiel, fr das du ihn geschaffen hast.

    Die Liebe ist ein gttliches Feuer, und wie das irdische Feuer immer wrmt und seiner Naturgem wirkt, so wirkt auch die Liebe Gottes ihrer Natur nach immer im Menschen. Und wenn

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    es dem Ziele zugeht, dann entzndet sie ihn. Nie und nimmer hrt sie auf, zum Wohl undNutzen des Menschen zu wirken, in den sie immer verliebt ist. Und wer dieses Wirken nichtfhlt, ist selbst daran schuld. Denn Gott lt nie davon ab, dem Menschen Gutes zu tun undist immer von Liebe zu ihm erfllt.

    O Liebe, ich kann nicht mehr schweigen, noch kann ich, wie ich es gerne wollte, von deinen

    lieblichen und sen Wirkungen reden. Ich bin allberall erfllt von deiner Liebe, die michgewissermaen antreibt zu reden, und dann kann ich es doch wieder nicht. Zu mir selbst redeich mit dem Herzen und mit meiner Einsicht, doch wenn ich ein Wort aussprechen und dassagen will, was ich fhle, dann mu ich einhalten. Darum wrde ich gerne schweigen, dochauch das kann ich nicht, weil der Drang zu reden mich antreibt. Mich dnkt, wenn ich vondieser Liebe reden knnte, die ich in meinem Herzen fhle, da jedes andere Herz sichentznden wrde, so weit es auch von der Liebe entfernt wre.

    Ehe ich von diesem Leben scheide, wnschte ich nur einmal von dieser Liebe zu reden,nmlich so, wie ich sie fhle, und wie sie in mir wirkt, und was sie von dem Menschen will,in den sie eindringt, und den sie dann ganz erfllt. Kein Teil bleibt in ihm, der nicht voll wrevon einer Sigkeit ber alle Sigkeiten und von einer Zufriedenheit, die sich nicht

    beschreiben lt. Um dieser Liebe willen liee sich der Mensch lebendig verbrennen. DennGott vereinigt mit seiner Liebe einen gewissen Eifer, der den Menschen fhig macht, derWiderwrtigkeiten nicht zu achten, so gro sie auch seien.

    O starke und se Liebe, selig, wer von dir in Besitz genommen wird! Denn du strkst ihn, duverteidigst und bewahrst ihn vor allem Schaden an Seele und Leib. Du fhrst alles auf sanfteWeise zu seinem Ziele hin, nie und nimmer verlt du den Menschen. Du bist ihm treu undspendest ihm Licht wider teuflische Blendwerke, wider die Bosheit der Welt, wider unsselbst, die wir voll Eigenheiten und Verkehrtheiten sind. So wirksam und erleuchtend ist dieseLiebe, da sie aus unseren geheimsten und verborgensten Tiefen alle Unvollkommenheitenhervorzieht und uns vor Augen fhrt, damit wir Heilmittel anwenden und uns davon reinigen.

    Diese Liebe regiert und leitet unseren Willen, damit er stark und ausdauernd bleibe im Kampfgegen die Versuchungen. Sie nimmt Gefhl und Verstand ganz und gar gefangen, so dadiese nichts anderes mehr begehren. Auch das Gedchtnis ist von ihr eingenommen. AlleSeelenkrfte sind zufrieden. Auf diese Weise ist die Liebe allein Bewohnerin und Besitzerinder Seele und gewhrt niemand anderem mehr Eingang. Die Liebe ist stndig von einemlieblichen Geschmack begleitet, von dem der Mensch sich leiten lt. So beraus wohltuendist dieser Geschmack, da selbst, wenn der Heilsweg des Menschen durch viele Leiden fhrenwrde, es kein Martyrium gibt, das er nicht zu leiden bereit wre.

    O Liebe, obwohl ich Worte ber dich spreche, so kann ich doch die Sigkeit undLieblichkeit nicht ausdrcken, die das Herz empfindet! Die Liebe bleibt im Inneren

    eingeschlossen. Doch indem ich von ihr rede, entzndet sie sich immer mehr. Wer dieseWorte hrt oder liest, ohne die Liebe zu empfinden, wird ihrer kaum achten. Sie werdengleich dem Wind vorberziehen, ohne einen Geschmack zu hinterlassen. Knnte ich aber dieFreude, die Wonne, die Zufriedenheit schildern, die diese Liebe dem liebenden Herzenverleiht, so wrde jeder Mensch, der diese Worte hrt oder liest, davon ohne Widerstrebengefangen genommen werden. Denn so sehr ist sie dem menschlichen Herzen angepat, da,wenn letzteres nur ihre Nhe fhlt, es sich ganz auftut, um von ihr erfllt zu werden.

    Niemand aber kann sich mit dieser Liebe erfllen, der nicht vorher jede andere Liebe ausseinem Herzen entfernt hat. Hat das Herz aber nur einen einzigen Tropfen dieser Liebe

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    empfunden, so sehnt es sich derart danach, sie zu vermehren, da es alles Wnschenswerte,was diese Welt enthlt, fr nichts achtet. Um dieser Liebe willen kmpft der Mensch mitseinen schlechten Gewohnheiten, die ihn daran hindern, sie zu erlangen. Stets ist er bereit,

    jedes Opfer fr diese heilige Liebe zu bringen.

    Die Auswirkungen der Gottesliebe auf den Menschen und seine

    Werke

    5. KAPITEL

    Die Seele: O Liebe, durch deine Anmut brichst du die Herzen, die hrter sind als Diamantenund lt sie schmelzen wie Wachs im Feuer! O Liebe, du erreichst es, da sich die grtenMenschen fr die kleinsten dieser Erde und die reichsten fr die rmsten ansehen! O Liebe,du lt die weisen Menschen gleich Toren erscheinen! Den Gelehrten entziehst du ihr Wissenund gibst ihnen eine Erkenntnis, die alle andere Erkenntnis berragt. O Liebe, du vertreibst

    allen Trbsinn aus dem Herzen, alle Hrte, alle Selbstsucht und jede weltliche Lust! O Liebe,du wandelst die Menschen aus bsen in gute, aus arglistigen in einfltige! Durch deinenScharfsinn raubst du dem Menschen seinen freien Willen, so da er sich dann zufrieden gibt,von dir allein gefhrt zu werden, denn du bist ja unsere sanfte Fhrerin. O Liebe, deineWirkungen sind dieser Erde fremd! Aus diesem Grund machst du aus dem irdischenMenschen einen himmlischen, der fr alles weltliche Wirken ungeeignet und ungeschickt ist.Denn du entziehst ihm jede Mglichkeit, sich mit irdischen Dingen zu beschftigen.

    O Liebe, dein Name ist so lieblich, da er alles verst! S ist der Mund desjenigen, der dichnennt, wenn die Worte aus einem Herzen kommen, das voll deines sen Wohlgeschmacksist. Du machst den Menschen wohlwollend, sanftmtig, liebenswrdig, frhlich undfreimtig, bereit, jedem zu dienen, soweit er kann. Er lebt freudig und sorglos auf dieser Erde

    und meint, sie kaum mit den Fuspitzen zu berhren. O Liebe, wenn es dir gelingt, aufirgendeine Weise mit deinem lieblichen und gnadenvollen Blitzstrahl in das Herz desMenschen einzudringen, vorausgesetzt, da das Herz nicht von einer anderen Liebeeingenommen und erfllt ist, so hat dein Funke, so klein er auch sein mag, solche Kraft, dader Mensch dir zuliebe alles verlt!

    Diese Liebe lt alle Bitterkeiten und Widerwrtigkeiten s erscheinen. O Liebe, welch seLieblichkeit und welch liebliche Sigkeit bringst du mit dir und lt sie einem jeden zuteilwerden! Und in je mehr Geschpfe du dich ergieest, desto mehr geschieht dein Wille. Und jemehr der Mensch deine liebliche Glut empfindet, und je mehr er sie erkennt, desto mehr bleibter davon entflammt, versunken in dieselbe und ganz auer sich. Er verlangt nach keinemanderen Beweis als dem, den er empfindet, und kann auch keine andere Erklrung dafrgeben. Denn die Liebe hat seine Vernunft in Besitz genommen ebenso wie seinen Willen. Sieist Herrin des ganzen Menschen, sie vollbringt all sein Wollen, wie sie will und wann sie will.Ihrer ist auch ganz das Werk, denn alle Werke werden aus Liebe oder in der Liebe oder auchvon der Liebe vollbracht.

    Man sagt, die Werke werden fr die Liebe vollbracht, wenn der Mensch alles, was er tut, ausLiebe zu Gott tut, aus jener Liebe, die ihm von Gott gegeben ist mit dem Verlangen, fr seinund seines Nchsten Heil zu wirken. In diesem ersten Stadium der Liebe lt Gott denMenschen viele und verschiedenartige, ntzliche und notwendige Werke vollbringen, undzwar werden sie mit einem Gefhl frommer Zuneigung und erbarmender Gte gewirkt.

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    Die Werke des zweiten Stadiums der Liebe werden in Gott vollbracht. Das sind jene Werke,die ohne Ausblick auf irgendeinen eigenen oder eines Nchsten Nutzen getan werden, dieaber in Gott verbleiben ohne irgendeinen anderen Zweck desjenigen, der sie gewirkt hat. Undwegen der Gewohnheit, die sich der Mensch erworben hat, Gutes zu wirken, verharrt er imWirken, obwohl ihm Gott seinen eigenen Teil dabei entzogen hat*), der ihm frher half undihn erfreute. Aus diesem Grund ist ein solches Werk vollkommener als die ersteren Werke,

    weil der Mensch im ersten Stadium noch viele Zwecke verfolgte, die Leib und Seelebefriedigten.

    *) Die Befriedigung an den eigenen guten Taten wird weggenommen.

    Die Werke endlich, die von der Liebe vollbracht werden, sind noch vollkommener alsdiejenigen der beiden anderen Arten, denn sie werden ohne eine Beteiligung des Menschenvollbracht. Die Liebe hat den Menschen so sehr berwunden und besiegt, da er sozusagenganz untergegangen ist im Meer der Liebe, ohne zu wissen, wo er ist. Er ist in sich selbst ganzvernichtet und nicht imstande, irgend etwas zu wirken. In diesem Falle ist es die Liebe, die indem Menschen wirkt. Ihre Wirkungen sind Werke der Vollkommenheit, da sie ohne eigenesDazutun des Menschen vollbracht werden. Es sind Werke der Gnade, die Gott alle

    entgegennimmt. Diese se und reine Liebe hat den Menschen genommen und vollstndig insich hineingezogen und ihn ganz von seinem Selbst befreit. Sie hat von ihm vollkommenBesitz ergriffen. Sie wirkt fortwhrend in diesem Menschen und durch diesen Menschen, nurzu seinem Wohl und Nutzen, ohne da er selbst sich einmischt.

    O Liebe, wie s ist deine Gesellschaft, wie treu deine Fhrung! Nie kann man genug Gutesvon dir reden, ja auch nur denken. Aber selig das Herz, das von dir in Besitz genommen undgefangen gehalten wird! Die Liebe macht die Menschen gerecht, einfltig, lauter, reich, weiseund zufrieden. Ohne Mhsal und durch ihre Lieblichkeit lindert sie jegliche Bitterkeit. OLiebe, alles, was durch dich getan wird, wird mit Leichtigkeit, mit Freuden und gerne getan!Und wenn auch der Leiden viele und groe sind, deine Sigkeit migt jede Qual. O welchesKreuz und welche Pein, ohne die Liebe zu wirken! Wer kann das ermessen? Die Liebe gibt

    jeder Speise ihren sen Geschmack: Ist die Speise schlecht, so macht sie dieselbe gut, ist siegut, so macht sie die gute noch besser. Je nach dem Grade der Befhigung des einzelnenWesens giet Gott die Liebe in die Herzen der Menschen.

    O was wre es doch Liebliches ber diese Liebe zu reden, wenn sich nur geeignete Wortefnden, um diese Sigkeit auszusprechen, die das Herz empfindet! Da aber die Seeleunsterblich und einer greren Liebe fhig ist, als sie je in diesem Leben empfinden kann(wegen der Schwche des Krpers, der das, was die Seele erstrebt, zu ertragen nicht imstandeist), darum bleibt die Seele stets voll Sehnsucht und Hunger nach dem, was ihr mangelt. DerMangel kann in diesem Leben nie vollkommen behoben werden.

    O Liebe, du erfllst das Herz des Menschen und lt ihn doch auf heilige Weise nach dirrasend werden! Du bist so gro, da der Mensch dich nicht begreifen kann. Er bleibtzufrieden, aber doch nicht gesttigt. Als Leben seines Herzens nimmst du den ganzenMenschen in Besitz. Nichts anderes als dich lt du in ihn eingehen, und mit einem starkenBand bindest du alle seine Empfindungen der Seele und des Leibes. O sanfte Knechtschaft derLiebe, die den Menschen in dieser Welt Freiheit und Zufriedenheit schenkt und ihn dann inder anderen endlos selig macht! O Liebe, dein Band ist so lieblich und so stark, da es dieEngel und Heiligen miteinander verbindet! Es bleibt fest und eng, ohne jemals zu zerreien.Und die Menschen, die mit diesem Band gebunden sind, sind alle derart geeint, da sie alleeines Willens sind und einem Ziele zustreben. Es scheint, da alle Gter ihnen gemeinsam

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    sind, sowohl die zeitlichen als auch die geistigen. In diesem Bund gibt es keinen Unterschiedzwischen arm und reich, zwischen Nation und Nation. Jeder Streit ist ausgeschlossen. Wo dieLiebe wirkt, wird alles Verkehrte zurechtgerichtet, und alle Gegenstze werden vereint.

    Der krzeste und sicherste Weg zum Heil

    6. KAPITEL

    Die Seele: O meine Liebe, ser Jesus, wer hat dich vom Himmel herab auf die Erde gerufen?Die Liebe. Wer hat dich so viele und so schreckliche Qualen bis zum Tode erdulden lassen?Die Liebe. Wer hat dich bewogen, dich selbst als Speise der von dir geliebten Seelehinzugeben? Die Liebe. Wer hat dich angetrieben, da du uns zur Strkung und Fhrung denHeiligen Geist gesandt hast und immer noch sendest? Die Liebe. Viele andere Dinge lieensich noch von dir sagen.

    Nur aus Liebe bist du so armselig und verachtet in dieser Welt erschienen und hast dich vordem Angesicht des Volkes so gedemtigt, da du nicht nur nicht als Gott, sondern kaum alsMensch angesehen wurdest. Der treueste und anhnglichste Diener wrde fr seinen Herrnnicht so viel ertragen, selbst wenn ihm das Paradies dafr versprochen wre. Ohne deineinnere Liebe, die du dem Menschen gibst, kann man keine Pein an Seele oder Leib mitGeduld ertragen.

    Doch du, O Herr, hast vom Himmel jenes liebliche Manna gebracht, diese se Speise, die insich solche Kraft besitzt, da sich mit ihrer Hilfe alle Drangsal erdulden lt. Das haben wirzuerst an dir erfahren und gesehen, lieber Meister, unser Herr und Fhrer, und dann beideinen Heiligen. O, was haben diese doch alle mit groer Geduld getan und gelitten durchdiese deine Liebe, die in ihre Herzen eingegossen war! Durch diese blieben sie fortwhrend so

    entbrannt und mit dir vereinigt, da keine noch so groe Drangsal imstande war, sie von dirzu trennen.

    Aber in diesen Leiden entzndete sich in ihnen ein Eifer, der in dem Ma wuchs, wie dieDrangsale zunahmen. Aus diesem Grund konnten die Heiligen auch nicht besiegt werden, soviele Martern die grausamen Tyrannen sich auch ausdachten, und so sehr sie auch grausamgepeinigt wurden. Jene sahen eben nur von auen auf die Schwachheit des Fleisches undachteten nicht der sen und starken Liebe noch des Eifers, den Gott in ihre Herzen gelegthatte, der so lebendig und so stark ist, da derjenige, der ihn festhlt, nimmer zugrunde gehenkann.

    Es gibt keinen krzeren, besseren und sichereren Weg zu unserem Heil als dieses

    hochzeitliche, anmutige Kleid der Gottesliebe, das der Seele ein solches Vertrauen und so vielLebenskraft verleiht, da sie vor Gott hintritt ohne alle Scheu. Doch wenn die Seele sich imAugenblick des Todes als von Liebe entblt erweist, fhlt sie sich so verworfen undschlecht, da sie, um nicht vor der gttlichen Gegenwart erscheinen zu mssen, sich lieber an

    jeden anderen noch so traurigen und grauenvollen Ort begibt. Da Gott einfach und rein ist,kann er nichts anderes in sich aufnehmen als reine und einfache Liebe. Nachdem Gott einMeer der Liebe ist, in dem alle Heiligen untergegangen und versunken sind, ist es unmglich,da auch nur die allerkleinste Unvollkommenheit dort Eingang findet. Das ist auch der Grund,warum die liebeleere Seele, sobald sie von ihrem Leib getrennt ist und ihren Zustand erkennt,sich lieber in die Hlle strzt, als vor jene Schnheit und Einfachheit hinzutreten.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

    11/22

    O reine Liebe, jeder geringste Makel von Unvollkommenheit ist dir eine arge Hlle,grausamer als die der Verdammten um deiner Heiligkeit willen! Das wird nur der glauben undverstehen knnen, der in dir erfahren und gebt ist. Obwohl diese Liebe, von der ich da rede,in sich unendlich ist, so lt sich doch von ihr sprechen wegen ihrer fortwhrendenEinwirkungen auf die von ihr geliebte Seele. Die Einflsse sind so gnadenvoll undvertraulich, da sie mit der ihr geeinten Seele fast wie zu einer Einheit verschmolzen scheint

    ohne jede Scheu.

    Die Folgen der Gottesliebe fr das Leben in der Welt

    7. KAPITEL

    Der Herr: Was wirst du sagen, O meine liebe Seele, ber diese deine geliebte Liebe, die dichniemals allein lt? Immer spricht sie zu dir, strkt dich, entzndet dich. Stets zeigt sie dirneue Schnheiten, um die Zuneigung, die du zu ihr hast, noch mehr zu entfachen. Sage mir

    doch einige jener liebevollen Worte, die sie, whrend du ihr nachsinnst, zu dir spricht, alleinzu der, die allein ist.

    Die Seele: Ich hre Worte der Liebe zu mir sprechen. Das Innerste meines Herzens ist es, dassie vernimmt und davon zu einem Liebesfeuer entzndet wird. Diese Worte und diesesLiebesempfinden kann ich nicht wiedergeben, weil diese Worte nicht wie andere Worte sind.Die Liebe ffnet mir das Herz und senkt so gnadenvolle Erkenntnisse in dasselbe hinein, daes ganz entflammt und von Liebe verzehrt wird. Aber genau kann ich weder die Worte nochdas Feuer noch die Liebe unterscheiden. Das Herz aber ist gefangen und erfllt von einerliebevollen Freude und Wonne.

    Die Seele begreift ein solches Wirken nicht. Sie erkennt nur, da bei einem solchen Kommen

    der Liebe in die geliebte Seele sie ihr alle erdenklichen Zrtlichkeiten erweist, die ein Freunddem anderen erweist, wenn die Liebe so gro ist, wie man sie berhaupt nur zu ersinnenimstande ist. Ein solches Wirken macht die Seele schmelzen, hebt sie empor ber die Erde.Die Liebe reinigt die Seele, macht sie einfach, trstet und strkt sie, indem sie die Seeleimmer tiefer hineinzieht in das liebevolle Feuer. Aber in diesem alles durchdringendenstarken und gewaltigen Brand lt die Liebe die Seele nicht lange, denn die menschliche

    Natur knnte die Heftigkeit der Liebe nicht ertragen. Aber im Innern des Herzens verbleibt ihrein dauernder Eindruck, so da sie fast ununterbrochen mit dieser Liebe in Gott lebt.

    O gttliche Liebe, du ziehst das Herz ganz in dich hinein und lt die menschliche Natureinsam auf der Erde zurck, wo sie keinen Ort der Ruhe findet! Sie gleicht einem gechtetenGeschpf, das jeden Gegenstand im Himmel und auf Erden verloren hat. O Liebe, du bist so

    entbrannt und eingenommen fr jene Seele, in der du alle diese liebreichen Wirkungenvollbringst! Ich wte gerne, wie eine solche Kreatur auf Erden lebt, sowohl dem Leibe alsauch der Seele nach, in welchem Zustand sie sich befindet, wie sie mit dem Himmel verkehrtund wie mit den Geschpfen dieser Erde. Denn ich sehe sie ein Leben fhren, das sehr vondem Leben der anderen abweicht und das mehr Staunen hervorruft als Erbauung. Sie achtetnichts. Sie scheint Herrscherin des Himmels und Herrin auf Erden zu sein, so arm sie auch ist.

    Nur wenige knnen sie verstehen. Sie besitzt eine groe Freiheit und lebt frei von Angst, daihr je etwas fehlen knne. Sie hat nichts, und es scheint ihr, sie besitze alles.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

    12/22

    Der Herr: Meine Antwort ist nicht fr blinde Menschen, die des gttlichen Lichtes beraubtsind, die mein Reden nicht verstehen werden, weil ihr Geist mit Dingen dieser Welt

    beschftigt ist. Aber fr einige werde ich sie dir geben. Diese werden die Antwort durchmeine gttliche Erleuchtung verstehen. Fr die Seele ist meine Liebe so voll Wonne, da jedeandere Wonne, die der Mensch in dieser Welt genieen kann, von ihr verschlungen wird.Mein Geschmack lscht jeden anderen Geschmack aus. Mein Licht blendet jeden, der es

    sieht. Alle Empfindungen der Seele sind dermaen ergriffen und gebunden in dieser Liebe,da diese Menschen nicht wissen, wo sie sind, noch begreifen, was sie sind, noch was siegetan haben oder noch tun mssen. Sie sind fast auer sich, ohne Vernunft, ohne Gedchtnis,ohne Willen.

    Menschen dieser Art haben keine Lust, keinen Geschmack an den Dingen dieser Welt. Siegenieen nur das Notwendige, und diese notwendigen Dinge nehmen sie gleich einer Arznei,ohne Geschmack daran zu finden. Sie sind in ihrem Innern fortwhrend beschftigt unddadurch nicht erreichbar fr zeitliche Vergngen. Gott sendet ihnen Flammen und Pfeile

    brennender Liebe, die so fein sind, da sie in das Innerste ihrer Herzen eindringen. DerMensch ist dadurch in einer Weise vernichtet, da er nicht mehr wei, wo er ist, weder derSeele noch dem Leibe nach. Aber innerlich bleibt er ganz eingeschlossen in diese heimliche

    und zarteste Liebe, durch die die Seele ganz betubt wird und verstummt. Sie wei nichtsmehr zu reden und kann nicht reden. Wenn Gott selbst sich nicht schnell mit seiner starkenLiebe zurckziehen wrde, so wrde die Seele den Leib verlassen. Doch von ihr scheidend,lt Gott ihr eine so se Erflltheit zurck, da sie von da an nichts anderes mehr sehen,nichts anderes wissen noch verstehen kann. Sie wundert sich, da jemand an etwas anderesdenken kann als an das, was sie empfindet. Ehe dieser Eindruck nicht etwas nachlt undverringert wird, kann sie nicht einmal an notwendige Dinge denken.

    Der Friede durch die Gottesliebe

    8. KAPITEL

    Der Zustand dieser Seele ist folgender: Sie bewahrt stets ein groes Feingefhl, das es ihrunmglich macht, auch nur den Schatten eines Fehlers in ihrem Bewutsein zu tragen. Denndie reine Liebe vertrgt sich mit keiner noch so geringen Unvollkommenheit. Die liebendeSeele knnte dies nicht ertragen, es wre eine fast hllische Pein fr sie. Da aber der Menschin diesem Leben nicht fehlerlos bleiben kann, hlt Gott die Seele eine Zeit lang inUnwissenheit ber ihre eigenen Fehler, da sie dieselben nicht ertragen knnte. Zu anderenZeiten gibt er ihr dann wieder die Erkenntnis eines jeden Fehlers und lutert sie auf dieseWeise.

    Kommt einer solchen Seele pltzlich der Verdacht, da eine Snde in ihr sei, so hat sie keineRuhe, findet keinen Frieden, bis sie sich nicht ganz klar darber geworden ist. Die Seele, dieim Frieden der Liebe lebt, hlt es nicht aus, mit sich selbst noch mit anderen in Unfrieden zugeraten. Wre jemand mit ihr in Unfrieden, so wrde sie nicht rasten noch ruhen, bis sie sichnach besten Krften wieder mit diesem Menschen vershnt hat. Wenn eine Seele, die an diegttliche Liebe gewhnt ist, durch irgendeinen Umstand, den Gott zult, der gttlichen Liebefern ist, dann ist dieser Zustand fr die Seele fast unertrglich. Sie fhlt sich aus dem Paradiesvertrieben, in dem sie zu wohnen gewohnt war. Wenn Gott die Seele nicht in ihren vertrautenZustand zurckfhren wrde, so wre es ihr fast unmglich weiterzuleben.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    Die Seele lebt in groer Freiheit und gibt sich wenig Rechenschaft ber die irdischen Dinge.Sie ist fast immer entrckt, besonders wenn sie sich dem Ende ihres Lebens nahe fhlt. Dannist sie schon ganz frei von allem Irdischen und lebt ganz versunken in jener Liebe. Die Seelehat schon durch lange Erfahrung gesehen, da Gott durch die Einwirkung seiner gnadenvollenLiebe die Sorge fr Leib und Seele seiner Geliebten bernommen hat und es an nichts hatfehlen lassen.

    Gott hat der Seele auch gezeigt, wie alles Gute -sei es geistiges oder zeitliches -, das ihr vonden Geschpfen erwiesen wird, ihr nur deshalb zuteil wird, weil Gott jene dazu bewogenhatte. So klar ersichtlich wird ihr das, da bei jeder Wohltat, die ihr durch ein Geschpf zuteilwird, sie nicht mehr seiner achtet. Zu deutlich erkennt sie dazu Gottes Werk und seineVorsehung. Durch diese Einsicht wird die Seele immer mehr entflammt und vernichtet, bis siesich zuletzt ganz jener Liebe berlt und alles Erschaffene zurcklt. Und Gott erfllt siemit einer solchen Befriedigung, da sie nichts anderes mehr sehen, nichts anderes mehr

    beachten kann.

    Und sollte es dir so vorkommen, als habe ein solches Geschpf irgendeine uere Zuneigung,so glaube nicht daran. Halte es vielmehr fr unmglich, da eine andere Liebe in sie

    eindringen knne als die Liebe zu Gott, auer Gott lt es zu wegen irgendeines Bedrfnissesder Seele oder des Leibes. Dann wre dies, da es aus jener Liebe heraus geschhe und durch

    jene Vorsorge gegeben wre, keine Beeintrchtigung der reinen Liebe. Das Innerste desHerzens wrde es nicht berhren. Es wre nur um jener Notwendigkeit willen von Gott sozugelassen. Die reine Liebe mu frei sein von jeder inneren oder ueren Abhngigkeit; dennwo der Geist Gottes wirkt, da ist die Freiheit.

    O wer die sen Wechselbeziehungen sehen, .die glhenden Worte hren und jene freudigeKraft empfinden knnte, in der sich Gott und Mensch nicht mehr unterscheiden lassen! DasHerz ist so erfllt davon, da es ihm gleich einem kleinen Paradies dnkt, das Gott alsVorgeschmack des wahren und groen Paradieses schickt. Es ist ein mchtiger Liebesbeweis,wie ihn nur die kennen, die liebend im Meer der gttlichen Liebe untergetaucht undversunken sind.

    O Liebe, das Herz, das du besitzest, ist durch den in ihm wohnenden Frieden so gromtigund erhaben, da es viel lieber im Einklang mit der Liebe ein groes Martyrium auf sichnehmen als ohne dieselbe irgendein Gut des Himmels oder der Erde besitzen wollte! Unddoch wird dieser Friede von dem geschtzt, der ihn erfahren und gekostet hat. Ein Herz, das inGott ruht, sieht alle geschaffenen Dinge unter sich. Nicht aus Hochmut oder Grenwahn,sondern durch die Vereinigung mit Gott, derentwegen es ihm scheint, als ob alles, was Gottesist, auch ganz sein eigen wre. Es sieht nichts anderes als Gott, kennt nichts anderes, verstehtnichts anderes. Ein Herz, das von Liebe zu Gott entbrannt ist, kann nicht besiegt werden, weilGott seine Strke ist. Du kannst es weder mit der Hlle schrecken, noch mit dem Paradies

    locken. Sein Zustand ist so, da es alles, was ihm widerfhrt, aus der Hand Gottes annimmt.Mit Gott bleibt es allen Ereignissen und dem Nchsten Gegenber im Frieden. So ist das Herzvon Gott in sich geordnet und gestrkt.

    Die Seele: O Liebe, wie nennst du diese deine geliebte Seele?

    Der Herr: Ego dixi dii estis et filii exelsi omnes.*)

    Die Seele: O Liebe, du vernichtest die, welche dich lieben in ihrem eigenen Selbst und stellstsie dann in dir wieder her als freie Wesen in der wahren und vollkommenen Freiheit! Sie sind

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    sodann Herren ihrer selbst und wollen nichts anderes als das, was Gott will. Alles brige istihnen eine schwere Last. O Liebe, ich finde keine Worte, die geeignet wren, deine gtige underquickende Herrschaft, deine starke und sichere Freiheit,

    *) Ich habe gesagt, ihr seid alle Gtter und Shne des Himmels."

    deine so anmutige und liebliche Holdseligkeit auszudrcken! Aber was immer der wahreLiebende ber diese Liebe spricht und sprechen kann, es erreicht nie das, was er im Grundeseines Herzens sagen will. Er sucht nach Liebesworten, die der Liebe angemessen wren, aberer findet sie nie. Denn die Liebe ist unendlich in ihrem Wirken, und unsere Sprache ist nurendlich und sehr schwach. Nie kann sie sich genugtun. So bleibt der Mensch verwirrt, weil ernicht ausdrcken kann, was er mchte. Doch wenn auch alles, was man sagen kann, nichts ist,so erholt sich der Mensch doch etwas, wenn er von dem spricht, was er im Herzen fhlt, umnicht vor Liebe sterben zu mssen. Was sagst du, mein Herr, von dieser auserwhlten Seele,die so in dich verliebt ist?

    Der Herr: Ich sage, da sie ganz mein ist. Du aber, Seele, was sagst du von dieser Liebe?

    Die Seele: Von Liebe verwundet sage ich: Ich gehre meinem Gott und lebe in ihm freudigund zufrieden.

    Der Zustand des Leibes bei der Einung mit Gott

    9. KAPITEL

    Jetzt, da wir den Zustand der von gttlicher Liebe entzndeten und entflammten Seelekennengelernt haben, bleibt noch brig, einiges ber den Zustand des Leibes zu sagen. Der

    Leib kann nicht von der Liebe leben wie die Seele, sondern er lebt von materieller Speise.Gott hat es nun gefallen, die Seele von den weltlichen Dingen und von ihrem Leibe zu trennenund sie ganz in die Beschftigung mit geistigen Dingen hineinzuziehen. Aus diesem Grund istder Leib ganz kraftlos geworden und fast ohne Nahrung geblieben, da ihm der Einklang derSeele mit seinen Empfindungen genommen ist. Und ohne diesen besitzt er keine Kraft undverfllt in einen hnlichen Zustand wie die Seele, wenn sie ohne Gott ist. Da gleicht die Seeleeiner toten Sache ohne Lust, ohne Kraft, ohne Hilfe, ohne Trost.

    Hielte Gott die Seele lange in dieser starken innerlichen Bettigung, so wre es dem Leibevon Natur aus unmglich, weiterzuleben. Doch Gott, der alles sieht, sorgt auch fr alles jenach den Bedrfnissen. Durch die Vereinigung der Seele mit Gott erwchst der menschlichen

    Natur wenig Trost. Darum lacht sie nicht, redet nicht, geniet keine Speise, schlft nicht, kann

    sich an den Empfindungen der Seele nicht erfreuen noch an denen des Leibes, nicht anweltlichen Dingen, auer soweit Gott es zult, um es mglich zu machen, das mhevolleLeben zu erhalten. Und damit alles Unvollkommene, das im Menschen lebt, in Gott sterbe,schon whrend der Mensch noch auf Erden lebt, lt Gott die menschliche Natur und auch dieSeele gleichsam zur Ader. Das reinigt die Seele wie ein Bad. Und wenn fast kein Blut mehrim Leib vorhanden und die Seele ganz in Gott versunken ist, dann geht ein jeder an den Ort,der ihm zukommt: Die Seele verbleibt in Gott, und der Leib sinkt ins Grab. Das vollbringtallein und im geheimen die Liebe.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    Wtet ihr, in welcher Bedrngnis, in welcher Belagerung diese menschliche Natur lebt, ihrwrdet mit Recht urteilen, da es kein Geschpf auf Erden gibt, das so viel leidet. Doch daman die Leiden nicht sieht, glaubt man sie nicht, versteht sie nicht und hat kein Mitleid,

    besonders da das Leid aus Liebe zu Gott ertragen wird. Allein ich sage bei alledem, da esnotwendig ist fr die Liebe zu Gott, da dieses Geschpf immer so lebe, als wre es fastgestorben gleich einem Menschen, den du an den Fen aufgehngt siehst und der in diesem

    Zustand weiterlebt. Gewi kannst du von diesem sagen, da er in seinem Herzen zufrieden ist,aber welchen Nutzen hat sein Leib davon?

    So geht es mit jener menschlichen Natur, die nicht ihrer Natur gem leben kann. Sie kommtmir wie stndig gekreuzigt vor und lebt aufs tiefste betrbt. Sie lebt und wei nicht, vonwelcher Speise sie sich nhren und wie sie leben soll. Zu nichts hat sie Lust. Aber sie bleibt inGott, der zustzlich diesem von ihm so geliebten Herzen so viele spitze Liebespfeile sendet,da der Krper von Rechts wegen vernichtet sein mte durch die Glut des tief eindringendenLiebesfeuers. Diese Glut zieht die Seele in eine geheime, verborgene Befriedigung, aus dersie gar nicht mehr scheiden mchte. Denn dort findet die Seele ihre Seligkeit und Ruhe, dieihr eigen ist und die Gott fter seinen geliebten Seelen zu zeigen pflegt.

    Doch der Leib, der gezwungen ist, der Seele zu folgen, da er ohne sie nicht leben nochirgendwie sich bettigen kann, weil er kein Geist ist, bleibt whrend dieser Zeit fast wie ohneSeele, ohne menschlichen Trost in einer Schwche, die beinahe dem Tod gleicht. Er wei undvermag sich selbst nicht zu helfen. Darum mu ihm von anderen geholfen werden, oder ermu im geheimen von Gott versorgt werden. Sonst bliebe dieses Geschpf ganz verlassen,einem Kinde gleich, das, weil es nicht hat, was es braucht, sich keinen anderen Ausweg wei,als zu weinen, bis man ihm gibt, was es will. Darum ist es kein Wunder, da Gott solchenGeschpfen eigene Personen zur Seite stellt, die ihnen helfen und sie fr alle Bedrfnisse derSeele und des Leibes versorgen, denn sonst knnten sie nicht leben.

    Sieh, wie unser Herr Jesus Christus seine geliebte Mutter der besonderen Sorge des heiligenJohannes berlie! Ebenso sorgte er auch fr seine Jnger, und so sorgt er auch immer nochfr alle, die ihm vertrauen. Immer sorgt einer fr den anderen, sowohl fr den Leib als auchfr die Seele, durch die gttliche Vereinigung. Da aber im allgemeinen die Menschen dieseWirkungen nicht kennen, noch jene Vereinigung besitzen, darum sind fr solche Sorge

    besondere Menschen notwendig, in denen Gott durch seine Gnade und sein Licht wirkt. Werdiese Geschpfe sieht und sie nicht versteht, dem sind sie mehr erstaunlich als erbaulich.Darum urteile nicht, wenn du nicht irren willst!

    Betrachte jetzt noch, in welchem Belagerungszustand und in welcher Abhngigkeit diesemenschliche Natur lebt! Sie lebt und lebt doch nicht. Sie lebt, weil Gott sie durch seine Gnadeam Leben erhlt. Aber von Natur aus knnte sie nicht leben. Solange die Seele noch Liebeempfangen und geben konnte, hinterlie ihr diese ttige Liebe noch einigen Genu, an dem

    auch die menschliche Natur sich strkte. Doch seitdem diese Liebe und die Gegenliebe in derSeele aufgehrt hat, bleibt die menschliche Natur ganz ohne Lust, ganz verlassen und fast wietot zurck. Doch Gott verleiht der Seele jetzt eine andere Liebesttigkeit, so zart und soverborgen, da das Werk, das jetzt in der Seele geschieht, viel edler und vollkommener ist alsdas erste, um der Entblung und Nacktheit willen, die Gott ihr verleiht. Es bleibt ihr nun garkeine Nahrung mehr, aber in Gott besitzt sie eine sichere und beharrliche Strke.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    Die Liebessehnsucht nach Gott

    10. KAPITEL

    Der Herr: Was willst du tun, O Seele, so nackt und entblt, wie du bist? Was wollt ihr tun,Herz und Geist in eurer Leere? Wie seid ihr in diesen Zustand geraten, den ihr vorher nichtkanntet?

    Die Seele: Ich wei nicht mehr, wo ich bin. Ich habe Willen, Wissen, Gedchtnis, Liebeverloren und allen Geschmack daran. Ich kann von mir selbst nicht mehr Rechenschaft geben.Ich bleibe verwirrt. Ich kann nicht schauen, wo ich bin, kann nichts suchen und noch wenigeretwas finden.

    Herz und Gemt dieses Geschpfes, in die frher scheinbar das Paradies eindrang, bleibennun von jedem Inhalt leer. Sie sagen: "Wir sind von einer solch feinen und verborgenen Flleerfllt, da wir durch uns selbst nichts davon begreifen." In dieser Erflltheit ist ein zartesterGeist der Liebe eingeschlossen und gesammelt, und dieser erfllt den Menschen so sehr, da

    Seele, Herz, Gemt und der Leib mit seinen Knochen und Nerven und seinem Blut davonberflieen. Alles wird von dieser Liebe mit so geheimnisvollen Vorstellungen erfllt, daalles, was aus diesem Herzen als Seufzer emporsteigt, die Spuren dieses geheimen, wildlodernden Feuers an sich trgt.

    Doch der Leib, der diese Liebesglut nicht aushalten kann, geht jammernd einher, ohne zureden. Der Mund ist voll flammender Pfeile und Liebesgedanken, die aus dem Herzenaufsteigen. Es hat den Anschein, als mten Worte aus dieser alles durchdringenden Liebehervorquellen, die imstande wren, eiserne Herzen zu brechen. Aber der Mund kann nichtsagen, was er sagen mchte. Das wahre Liebesgesprch geht im Inneren vor sich, dessenSigkeit sich niemand vorzustellen vermag. Das Herz ist in einen Tabernakel Gottesverwandelt*), in dem fr dieses Herz und fr die anderen Menschen viele Gnaden

    eingegossen werden, die im Verborgenen wunderbare Frchte tragen. Dieses Geschpf trgtverborgen in seinem Inneren ein Paradies.

    Wenn solche Menschen, die sich aber selten auf der Welt finden, erkannt wrden, wrden sieauf Erden angebetet werden. Doch Gott hlt es ihnen und den anderen verborgen bis zu derZeit ihres Sterbens. Dann, in dieser Stunde, scheidet sich das Wahre vom Falschen. O, wiewenig Menschen werden auf dem Weg dieser so zarten und durchdringenden Liebe gefhrt,die Seele und

    *) Tabernakel ist der Aufbewahrungsort der Kommunion, des Leibes Christi, in einerkatholischen Kirche. Gemeint ist hier, da Gott im Menschen "wohnt".

    Leib unter einen solchen Druck stellt, da nicht eine Unvollkommenheit in ihnenzurckbleibt! Die reine Liebe kann auch nicht die kleinste Unvollkommenheit ertragen. Undso lange fhrt sie ihre sanfte Wirksamkeit fort, bis sie die Seele ganz gelutert hat. Dann wirdsie zu ihrem letzten Ziel gefhrt ohne Fegfeuer.

    O Seele, Herz und Geist, die ihr in diesem gttlichen Feuer eingeschlossen und gefangen seid!Wer vermag die Schnheit, die Weisheit, die liebevolle Sorgfalt zu ermessen, die die gttlicheLiebe euch mitteilt aus Liebe in dieser so sen, wohltuenden und gnadenreichenZwiesprache? Es wrde wohl kein noch so hartes Herz geben, das da nicht schmelzen wrde.

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    O Liebe, du wirst Liebe genannt, bis alle Liebe, die Gott in das Herz des Menscheneingegossen hat, verzehrt ist! Dann ist dasselbe so trunken davon, so eingetaucht in dieselbe,da der Mensch nicht mehr wei, was Liebe ist. Alsdann wird sie Geist und vereinigt sich mitdem Geist des Menschen, so da der Mensch geistig wird. Und da der Geist unsichtbar undfr die Fhigkeiten der Seele unergrndlich ist, so wird der Mensch so besiegt undberwunden, da er nicht mehr wei, wo er ist, noch wo er sein sollte, noch wohin er gehen

    knnte. Aber durch diese verborgene, tiefinnerliche Vereinigung des Geistes mit Gottverbleibt der Seele ein Eindruck, der so s, so tief und stark befriedigend ist, da keine Qualdie Seele mehr berwinden knnte. Ein so brennender Eifer glht in ihr, da sie gern tausendMenschenleben hingbe, wenn sie sie htte, um diesem inneren Eindruck zu gengen. Er istso stark, da selbst die Hlle die Seele nicht mehr schreckt.

    O unsichtbarer Geist! Niemand kann dich deiner Entbltheit wegen halten. Deine Wohnungist im Himmel, wenn du auch mit dem Leibe auf der Erde weilst. Du erkennst dich nicht undwirst auch von anderen in dieser Welt nicht erkannt. Alle deine Freunde und Verwandten sindim Himmel und werden von dir allein vermge einer inneren Sehnsucht erkannt, die dir vomGeist Gottes eingeflt ist.

    O, da ich geeignete Worte fnde fr diese gnadenreiche Freundschaft und diese sich ganzverlierende Vereinigung! Ich sage sich verlierend von seiten des Menschen, der alle Worteverloren hat, Worte der Liebe, der Vereinigung, der Freundschaft, der Vernichtung undVerwandlung, der Sigkeit, der Lieblichkeit und Gte, kurz alle Worte, durch die sich zweigetrennte Herzen verstndigen und einigen konnten. Es verbleibt allein ein entblter Geist,der ohne Ma wirkt, und den man nicht begreifen kann.

    Die Entbung der Seele

    von allen ueren Dingen

    11. KAPITEL

    O mein ser Herr! Auf wie vielerlei verborgene Weise wirkst du im Menschen, wenn du ihnreinigen willst durch deine luternde Liebe, die von der Seele jeden Rost entfernt und dieSeele der heiligsten Vereinigung fhig macht! O groes, liebliches, den armen Sterblichenunbekanntes Land, fr das die Seelen von dir geschaffen sind!

    O unendliches Gut! Wie ist es mglich, da jemand dich nicht lieben kann, da nicht jederdich erkennt, der befhigt wre, dich zu erkennen, da sie dich nur genieen durch jenes

    bichen Gefhl und Geschmack, das du in deiner Gnade ihnen zu fhlen gibst! Solange derMensch noch auf dieser Erde lebt, sollte er gerne alle anderen Dinge lassen, um ihn zu

    besitzen.

    O Herr! Mit welch liebevoller Sorge wachst du Tag und Nacht ber dem Menschen, derweder sich selbst kennt noch weniger dich, O Herr, obwohl du ihn so sehr liebst, ihn sounermdlich suchst, ihn mit solcher Geduld erwartest und ertrgst in deiner gttlichen Liebe!

    Du bist jener ber alles groe und erhabene Gott, von dem sich weder reden noch denken ltwegen der unaussprechlichen Erhabenheit deiner Gre, Macht, Weisheit und deinerunendlichen Gte. Und alle diese Dinge wirkst du fr den so armseligen Menschen, den du

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    gro und wrdig machen willst. Darum berlistest du ihn auch immer wieder mit deinerLiebe, denn du willst auf den freien Willen, den du ihm gegeben hast, keinen Zwang ausben.Du ziehst die Menschen mit Liebe an dich und willst, da sie dir aus Liebe zustimmen. Duwirkst in ihnen und fr sie mit deiner Liebe. Ebenso willst du, da der Mensch alles aus Liebewirke; denn ohne Liebe wirkt der Mensch nichts Gutes. Du wirkst nur zum Nutzen desMenschen und willst, da der Mensch nur zu deiner Ehre und nicht zu seinem eigenen Nutzen

    wirke. Du, der du Gott und Herr bist, achtest nicht auf deine Bequemlichkeit noch die derSeele und des Leibes, um den Menschen zu retten. Ebenso willst du nicht, da der Menschseine leibliche und seelische Bequemlichkeit achte, um deinen Willen zu erfllen, zumal deinWille doch unser einziger wahrer Nutzen ist. Aber der armselige und blinde Mensch erkenntdas nicht.

    Ich bin vom Thema, von dem ich sprach, abgewichen, nmlich von dem entblten Geist. DieUrsache war, da sich keine Worte finden lassen fr diesen Zustand der wahren Entblung.Die Seele, die sich in dieser Nacktheit befindet, besitzt eine Flle des Geistes, von der sie

    jedoch nicht sprechen kann. Und doch drngt sie die Heftigkeit des Erlebens, das sie in sichtrgt und sprt, zu reden und die treffendsten Worte zu sagen, die sie finden kann. DieseWorte gleichen der Tinte, die schwarz und belriechend und dennoch dasjenige Mittel ist,

    durch das viele Vorstellungen vermittelt werden, die vorher unerkannt waren.

    Ach, knnte der Mensch begreifen, was der Geist in jenem Zustand empfindet, dannerschienen ihm wohl alle diese Worte nur schwarz und belriechend! Was sollen aber dieZungen und Herzen tun, die jene geheimnisvollen, verborgenen Vorstellungen nichtausdrcken knnen? Der Mensch vermeint, niemanden finden zu knnen, der ihn versteht,noch jemanden, der ihm darber etwas sagen kann. Es dnkt ihn, als ob er nicht schweigenknne, da sein Herz immer mehr erglht durch die wunderbaren Wirkungen der Liebe, die erGott jeden Tag aufs neue an dem Menschen vollbringen sieht.

    Diese Wirkungen umschlingen ihn so sehr durch das unsichtbare Band der Liebe, da seinemenschliche Natur es kaum zu ertragen vermag, besonders da sie den Menschen so trichtsieht. Der natrliche Mensch geht ganz auf in den ueren Dingen. Weder versteht noch siehtoder erkennt er dieses so notwendige Werk Gottes. Obwohl Gott uns so blind und taub frunser eigenes Heil sieht, liebt er uns so, da er nicht aufhrt, unser Herz mit seiner Liebe zuverwunden, um in dasselbe einziehen zu knnen und sich einen Tabernakel daraus zu machen,in den nie wieder etwas Geschpfliches eindringen kann.

    Die Liebe Gottes als Antrieb zum Guten

    12. KAPITEL

    O weh mir! In wie wenigen und seltenen Geschpfen wohnt und wirkt Gott! O Gott, du hltstdeine Liebe in dir selbst zurck, denn du kannst sie nicht eingieen in deine Geschpfe, weilsie hier auf Erden zu sehr vom Irdischen eingenommen sind!

    O Erde, Erde, was wirst du aus den Menschen machen, die du verschlingst? Wenn die Seeleverloren und der Leib verwest ist, dann ist alles verloren in unendlichen undunaussprechlichen Qualen. Denke daran, O Seele, denke daran und verliere nicht die Zeit, diedu jetzt hast, um in aller Ruhe diesen Gefahren zu entfliehen! Jetzt hast du einen sowohlwollenden und gndigen Gott, der so groe Sorge hat um dein Heil, der dich sucht und

  • 8/9/2019 Katharina von Genua

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    mit seiner unerschpflichen Liebe ruft. Die Werke, die Gott fortwhrend fr uns vollbringt,sind solcher Art und so viele, da man sie nicht erzhlen, ja nicht einmal sich vorstellen kann.Aber alles Gute, das Gott fr uns getan hat, das er tut und noch tun wird und tun wollte, dasalles wird uns zu unserem Gericht und zu unserer Beschmung gereichen, wenn wir es angutem Willen mangeln lassen, in dieser von uns nicht geschtzten Zeit zu wirken.

    Die Seele: O mein Herr, wenn es dir gefllt, sage mir, wie du im Innern des Menschen mitdeiner verborgenen Liebe wirkst, durch die der Mensch dein Gefangener wird und doch nichtwei wie! Der Mensch versteht den Vorgang auch nicht. Woher ist er im Geiste so glcklichin dieser Gefangenschaft der Liebe?

    Der Herr: Ich bewege durch meine Liebe das Herz des Menschen, und mit dieser Bewegungzugleich gebe ich ihm ein Licht, durch das er erkennt, da ich ihn zum Guten antreibe. Indiesem Licht lt er davon ab, Bses zu tun, und kmpft gegen seine schlechten Neigungen.

    Die Seele: Was ist diese Bewegung und wie kommt sie in den Menschen, der sie weder kenntnoch nach ihr verlangt?

    Der Herr: Meine reine, einfache und groe Liebe, die ich dem Menschen entgegenbringe,treibt mich an, ihm die Gnade zuteil werden zu lassen, an sein Herz zu pochen, um zu sehen,ob er sich nicht ffnen und mich in sein Inneres einlassen wolle, damit ich meine Wohnungdort bereiten und alle anderen Dinge hinausweisen knne.

    Die Seele: Was ist diese Gnade? Der Herr: Sie ist eine Eingebung, die ich ihm sende mittelseines Strahles meiner Liebe, durch die ich ihm den Drang zu lieben schenke. Er kann dannnicht anders als lieben, obwohl er nicht kennt, was er liebt. Aber er lernt es immer mehrkennen, langsam und allmhlich.

    Die Seele: Was ist dieser Liebesstrahl?

    Der Herr: Siehe, du siehst die Strahlen der Sonne! Sie sind so fein und durchdringend, da dasmenschliche Auge sie nicht zu erschauen vermag, ohne zu erblinden. So sind die Strahlenmeiner Liebe, die ich in die Herzen der Menschen sende: Durch sie verlieren die Menschenden Blick fr die weltlichen Dinge und den Geschmack an ihnen.

    Die Seele: Wie gelangen diese Strahlen in die Herzen der Menschen?

    Der Herr: Wie Pfeile, die auf diesen oder jenen gerichtet sind. Sie berhren das Herz imVerborgenen, entznden es und lassen es aufseufzen. Der Mensch aber wei nicht, was erwill. Er fhlt sich blo verwundet von der Liebe, kann aber nicht Rechenschaft von sichablegen, sondern ist staunend und unwissend.

    Die Seele: Was ist dieser Pfeil?

    Der Herr: Es ist ein Liebesfunken, den ich in den Menschen hineinversenke. Der Liebesfunkeerweicht des Menschen Hrte, und er lt sie schmelzen wie Wachs im Feuer. Ich treibe denMenschen an, alle Liebe, die ich ihm einfle, mir zuzuwenden.

    Die Seele: Was ist dieser Funken? Der Herr: Er ist eine von mir gesandte Eingebung, die wieFeuer die Herzen der Menschen entzndet. Dann gewinnt das Herz so viel Glut und Kraft, daes nichts anderes mehr tun kann als lieben. Diese Liebe hlt den Menschen auf verborgene

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    Weise aufmerksam mir zugewandt als Folge jener Eingebung, die ihn stndig im Herzenbelehrt.

    Was aber diese innere Eingebung sei, die im Verborgenen so groe Dinge wirkt, das kannkeine Zunge sagen. Befrage darber das Herz, das sie empfindet! Befrage den Verstand, dersie versteht! Befrage das Gemt, das erfllt ist von diesem Werk, das Gott durch die Liebe

    vollbringt! Die geringste Kunde darber erhltst du durch die Sprache. Gott erfllt denMenschen mit Liebe, er zieht ihn an sich aus Liebe, er lt ihn wirken aus Liebe mit groerKraft gegen die ganze Welt, gegen die Hlle, gegen sein eigenes Selbst. Doch man erkenntdiese Liebe nicht und kann von ihr nicht reden.

    Die Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

    in der Liebe Gottes

    13. KAPITEL

    O mein Herz, was wirst du sagen ber diese Liebe, die du empfindest? Ich sage: Meine Wortesind ein inneres Jubilieren, fr das es keine geeigneten Ausdrcke gibt. Weder mit uerenKundgebungen noch durch Martyrien -auch wenn sie aus Liebe zu Gott gelitten werden -wirdman diese Liebe umfassen knnen. Selbst der, der sie fhlt, versteht sie nicht ganz. Alles, wasman ber die Liebe sagen kann, ist ein Nichts; denn je weiter du in sie eindringst, destoweniger weit du von ihr. Das Herz aber ist von ihr erfllt und zufrieden und sucht nachnichts anderem und mchte gar nichts anderes finden als das, was es empfindet. Alle ihreWorte sind innig, genureich, beglckend und so zart, heimlich und mit demjenigen einigend,der sie eingibt, da nur das Herz allein sie erfat durch sein geheimnisvolles Mit-Gott-geeint-Sein. Gott allein ist es, der diese Worte versteht. Das Herz empfindet sie, versteht sie abernicht. Und so bleibt das Werk ganz Gottes, der Nutzen aber beim Menschen. Doch jener

    innige Liebesaustausch, den Gott mit dem Herzen des Menschen unterhlt, bleibt Geheimniszwischen ihnen, zwischen Gott und dem Herzen.

    Der Herr: O Seele, was weit du ber dieses Werk zu sagen?

    Die Seele: Ich fhle in mir einen so starken Willen, eine so lebendige und groe Freiheit, daich nicht frchte, es knnte sich irgend etwas zwischen mir und dem Gegenstand meinerLiebe in den Weg stellen. Der Verstand ist sehr erleuchtet, und Tag fr Tag befindet er sich ingrerer Ruhe. Jeden Tag werden ihm neue Dinge gezeigt und Wirkungen von solchlieblicher und liebevoller Art, da er sich damit zufrieden gibt, immer mit solchen Dingen

    beschftigt zu sein. Er vermag nichts anderes zu suchen, denn nur hier findet er seine Ruhe.Doch kann er nicht sagen, was dieses Wirken tatschlich ist und wie es vor sich geht. DasGedchtnis ist froh, mit geistlichen Dingen beschftigt zu sein und kann sich fast an nichtsanderes mehr erinnern. Aber es wei nicht, wie und in welcher Form es erfllt ist.

    Die Zuneigung, das heit die natrliche Liebe, sagt, da sie von einer anderen,bernatrlichen Liebe berschattet worden ist, so da sie sich jetzt mit nichts anderem mehr

    befassen kann. Sie ist zufrieden und glcklich, sucht und verlangt keine andere Speise. Esdnkt sie, als bese sie alles, was sie sich nur wnschen knnte. Aber auch sie vermag nichtRechenschaft zu geben ber diese Vorgnge, denn der Mensch ist von einem Wirkenberwltigt, das seine Krfte bersteigt.

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    Was soll ich noch ber dieses Werk der Liebe sagen? Ich bin gezwungen zu schweigen,obwohl ich sprechen mchte, da ich auch das nicht sagen kann, was ich mchte. Wer dieseDinge erfahren will, mu sich jeder Art des Bsen enthalten, wie schon der heilige Paulussagt. Sobald der Mensch das tut, senkt Gott sogleich mit seiner Gnade das Gute in ihn hinein.Das lt er in unseren Seelen mit einer solchen Flle von Liebe wachsen, da der Mensch,ganz sich selbst verloren, darin untergeht, umgewandelt und berwltigt wird. Obwohl es

    schon eine groe Sache zu sein scheint, sich von allem Bsen zu enthalten, so wrde es dochfr den Menschen kein Hindernis geben, alles aus Liebe zu Gott zu tun, wenn er dieBereitschaft Gottes und seine liebevolle, eifrige Sorge she, dem Menschen zu helfen und ihngegen alle Widersacher zu verteidigen.

    Doch sobald der Mensch angefangen hat, den rechten Weg zu beschreiten, reift in ihm dieErkenntnis, da Gott es ist, der all unser Gutes wirkt durch seine gnadenvollenEinsprechungen und durch die Liebe. Diese Liebe giet Gott in die Seele ein und vollbringtalles fast unermdlich kraft des Geschmackes, den er durch sie all unseren Bemhungenverleiht. Wenn nur der Mensch nichts gegen sein Gewissen tut, so gibt Gott ihm all das Guteein, das er will, da der Mensch es vollbringt. Gott gibt uns den Antrieb und die Kraft dazu,sonst knnte der Mensch berhaupt nichts Gutes tun. Ferner empfngt er von Gott auch die

    Leichtigkeit und die Mittel, so da der Mensch mit grter Freude das tut, was anderenMenschen groen Buwerken gleich erscheint. O welche Liebe, welches Wohlwollen, welcheBarmherzigkeit erzeigt Gott solchem Menschen auf dieser armseligen Welt!

    Die Gerechtigkeit aber gibt sich in dem Augenblick kund, wenn die Seele sich vom Leibetrennt. Ist sie nicht mehr der Luterung bedrftig, so nimmt Gott sie in sich auf mit seiner

    brennenden, flammenden Liebe. In einem Augenblick ist sie umgewandelt, um ohne Ende inGott zu bleiben.

    In das Fegfeuer oder in die Hlle geht die Seele auch im Augenblick des Todes, und zwar aufgttlichen Befehl, der jeder ihren Ort zuweist. Jede Seele trgt ihren Urteilsspruch in sich. Sieselbst verurteilt sich. Und wrde die Seele den ihr von Gott zugewiesenen Ort nicht finden, so

    befnde sie sich in noch grerer Pein wegen des Bewutseins, auerhalb der gttlichenAnordnung zu sein. Denn es gibt keinen Ort, der nicht etwas von Gottes Barmherzigkeitenthielte. So leidet die Seele in der Hlle weniger Strafe, als sie an einem anderen Ort zuleiden htte. Die Seele ist von Gott fr Gott geschaffen. Und da sie fr Gott bestimmt ist, sokann sie nirgends Ruhe finden auer in Gott. Diejenige Seele, die in der Hlle ist, ist in Gott,weil in der Gerechtigkeit. Wre sie auerhalb, so wrde sie eine noch schlimmere Hlleleiden durch ihren Widerspruch mit der gttlichen Anordnung, die ihr den furchtbaren Antriebgibt, sich an jenen ihr bestimmten Ort zu begeben. Wrde sie nun nicht gehen, so htte siedoppelte Pein. Doch sie geht nicht hin, um weniger Strafe zu leiden, sondern gleichsam wiegezwungen von jenem hchsten, unausweichlichen Befehl Gottes, der nicht irren kann.

    Das Leben der Katharina von Genua

    Katharina wurde 1447 in Genua geboren als jngstes von sechs Kindern aus der Ehe vonGiacomo Fieschi und Francesca de Negro. Sie gehrte damit einem der vornehmsten undmchtigsten Geschlechter Genuas an. Mit 13 Jahren wnschte sie sich sehnlichst, in einKloster eintreten zu drfen, doch sie wurde ihres kindlichen Alters wegen abgewiesen. 1463,

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    also mit 16 Jahren, wurde sie verheiratet, um die verfeindeten Adelsfamilien der Welfen, zudenen die Familie Fieschi gehrte, und der Ghibellinen zu vershnen. Ihr Mann GiulianoAdorno, ein Ghibelline, war ein Verschwender und Prasser und liebte groe Pracht. Katharinazog sich whrend der ersten fnf Ehejahre zurck, schwieg und duldete alleWiderwrtigkeiten. Dann aber nahm sie, wohl auf wiederholtes Drngen ihrer Verwandten, anEinladungen teil und wandte sich mehr den ueren Genssen zu. Doch die Hinwendung zur

    Welt fhrte sie noch tiefer in den Zwiespalt zwischen ihrem inneren Streben und den uerenEreignissen.

    In ihrer Not bat sie ihre im Kloster lebende Schwester um Rat. Diese riet ihr, zur Beichte zugehen. Am 20. Mrz 1473 hatte sie dann im Beichtstuhl ein Bekehrungserlebnis: "Katharinakonnte nicht sagen wie, aber sie fhlte sich urpltzlich von einem ihr Herz durchdringendenStrahl der Liebe getroffen. Die Erleuchtung erhellte mit einem Schlag ihre verhngte Seeleund verwandelte sie von Grund auf. Whrend alles in ihr bis zu diesem Zeitpunkt trbe unddunkel aussah, war sie jetzt von einem einzigen Licht erfllt. Katharina sprte sich in ihrerVerzckung Gott ganz nahe, und eine glutvolle Liebe zur ewigen Schnheit flammte jh in ihrauf" (3). Im Spiegel der grenzenlosen Liebe Gottes sah sie erschttert ihre Fehler und Mngelund brach fast ohnmchtig zusammen.

    Tage spter schaute sie Jesus Christus in einer Vision: Er war mit dem Kreuz beladen undblutete am ganzen Krper. Das Blut lief von seinem Leib, und es schien ihr, als sei das ganzeHaus davon berschwemmt. Mit durchdringenden und liebevollen Worten sagte er zu ihr:"Siehst du dieses Blut? Es ist ganz und gar aus Liebe zu dir und zur Shne fr deine Sndenvergossen worden!" (4). Von nun an brannte das Feuer der Gottes- und Nchstenliebe in ihr.So wurde die gttliche Liebe zum Grundmotiv ihres Lebens.

    Nach diesen inneren Erlebnissen stellte sie sich ganz in den Dienst der Kranken und Armender Stadt Genua entsprechend dem Wort, das ihr von gttlicher Seite zuteile wurde: "Wermich liebt, der liebt auch alles, was ich liebe" (5). Ihr Mann, der infolge seinesverschwenderischen Lebens verarmt war, schlo sich ihrer Ttigkeit an. Ihre Arbeit fandsolche Anerkennung, da sie 1478 zur Leiterin des Spitals Pammatone berufen wurde. Ihraufopferungsvoller Dienst, besonders whrend der Pestjahre, war nicht wegzudenken.

    Doch im Alter von 53 Jahren wurde sie von einer rtselhaften Krankheit heimgesucht:"Zustnde von Glut und von Klte, von grenzenloser Empfindlichkeit gegen Berhrungen,Farben, Geschmcke und von Fhllosigkeit, Starre und Ruhelosigkeit, Augenblicke, wo siedem Tode nahe, und andere, in denen sie scheinbar vllig gesund war, wechseltenmiteinander ab. Ihre Krfte nahmen allmhlich ab; langsam zog sie sich aus allenVerpflichtungen zurck" (6). Ihr weiteres Leben bis zu ihrem Tod 1510 war gezeichnet vonder brennenden Liebeshingabe an Gott. Ein Freundeskreis um Katharina von Genua hielt ihreGedanken aus den Gesprchen mit ihr fest. So sind daraus das "Traktat ber das Fegfeuer"

    und der "Geistliche Dialog" ber die gttliche Liebe entstanden. (Das Quellwerk "Vitamirabile e Dottrina santa della Beata Madonna Caterina da Genova", zuerst 1551 in Genua beiAntonio Bellono erschienen, ist heute zugnglich in den Drucken der Tipografia deI R. I.de'Sordo-Muti, Genova 1847 mit dem Titel "Vita ed apere di Santa Caterina da Genova"1887) (7).