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Zulassungsecht für die Übertragungsnetze, das verschie- dene Stufen vorsieht, denen mehrere Öffentlichkeitsbetei- ligungsschritte zugeordnet sind. Hierbei wies er insbeson- dere darauf hin, dass es für die Öffentlichkeit schwierig sei, die eigene Betroffenheit schon während des Verfahrens der Bundesbedarfsplanung festzustellen, da der Trassenkorri- dor erst bei der Bundesfachplanung und die grundstücks- mäßige Betroffenheit erst im Planfeststellungsverfahren er- kennbar sei. Insoweit würde Porsch eine bürgerfreundliche Beteiligung bei der Bedarfsplanung bevorzugen. Aufgrund der langen Zeiträume zwischen den einzelnen Planungs- schritten, in der sich die Grundlagen der Planung ändern können, sieht er die Akzeptanz der Vorhaben trotz früher Öffentlichkeitsbeteiligung gefährdet. Professor Dr. Reinhard Hendler beendete die Tagung, die er als instruktiv und bereichernd bewertete, mit seinem Schlusswort und einem Ausblick auf das 30. Trierer Kollo- quium zum Umwelt- und Technikrecht, das voraussicht- lich am 4. und 5. September 2014 zum Thema „kommu- naler Umweltschutz“ stattfinden wird. Die Ergebnisse der diesjährigen Tagung werden Anfang des Jahres 2014 in ei- nem Tagungsband veröffentlicht. Mit Urteil vom 11. 9. 2013 gewährt das OLG Hamm dem kla- genden Pächter eines vormals industriell genutzten Grundstücks einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG gegen die Rechtsnachfolgerin des früher dort ansässigen Industriebetriebs für solche Sanierungs- und Entsorgungskosten, die erst und nur durch bauliche Veränderungen des Grundstücks ausgelöst werden (baube- dingte Sanierungsmaßnahmen). Der nachfolgende Beitrag betrach- tet die Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit den Grundsätzen der bodenschutzrechtlichen Ausgleichsforderung und ordnet sie in die bisherige bodenschutzrechtliche Rechtsprechung ein. 1. Einleitung Die bodenschutzrechtliche Ausgleichsforderung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG beschäftigt seit ihrer Einführung mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz regelmäßig die Oberge- richte und den Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof konnte dabei bisher Fragen der Anspruchsverjährung 1 , des Verhältnisses des Anspruchs zu den Vorschriften des Ge- samtschuldnerausgleichs 2 und Fragen der Altlastenfreistel- lung bei Grundstücksübertragungen 3 klären. Trotz dieser Entscheidungen des BGH sind wichtige weitere Fragen bis- lang noch nicht höchstgerichtlich geklärt. Jedenfalls stellt die Vorschrift des § 24 Abs. 2 BBodSchG die Gerichte wei- terhin vor Schwierigkeiten. Grund hierfür mag die Ver- knüpfung öffentlich-rechtlich geprägter Anspruchsvoraus- setzungen mit einem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch sein, der infolgedessen bruchfrei sowohl in die öffentlich- rechtliche Systematik des Ordnungsrechts als auch in die zivilrechtliche Systematik etwa des Gewährleistungs- und Schadensersatzrechts einzufügen ist. Mit dem Urteil des OLG Hamm vom 11. 9. 2013 4 erging nun eine neue Ent- scheidung zur bodenschutzrechtlichen Ausgleichsforde- Rechtsanwälte Dr. Wolf Friedrich Spieth und Niclas Hellermann, Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Berlin, Deutschland rung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG, die gleich aus mehreren Gründen eingehende Betrachtung verdient und von großer Bedeutung für alle industriell genutzten Grundstücke ist. 2. Das Urteil des OLG Hamm v. 11. 9. 2011 In dem Fall, der dem – noch nicht rechtskräftigen – Ur- teil des OLG Hamm zugrunde lag, macht der Pächter ei- nes mit Schadstoffen verunreinigten Grundstücks einen Anspruch auf Freistellung von Sanierungskosten nach § 24 Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) geltend. Beklagt ist die Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Grund- stückseigentümerin, die in der Vergangenheit auf dem Grundstück über mehrere Jahrzehnte eine industrielle Pro- duktion betrieben hatte, wodurch der Boden des Grund- stücks mit Produktionsrückständen verunreinigt wurde. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. In den Jah- ren 1987 bis 2008 hatte die Beklagte erhebliche Kosten für den Aushub kontaminierten Bodens getragen und in wei- teren Jahren die Kosten für Boden- und Grundwasserun- tersuchungen sowie andere Sanierungskosten ebenfalls al- lein übernommen. Neben der Dekontamination (d. h. dem Austausch belasteten Bodens) auf einem Teils des Grund- stücks wurden im Zuge dieser Maßnahmen von der Be- klagten insbesondere eine Bodenversiegelung eingerich- tet, die den Eintritt von Oberflächenwasser in den Boden und das Auswaschen von Schadstoffen in das Grundwasser verhindert. Nach Abschluss dieser Maßnahmen hatte die zuständige Bodenschutzbehörde 2010 gegenüber der Be- DOI: 10.1007/s10357-013-2583-2 Keine Haftung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmen zugleich Besprechung zu OLG Hamm, Urteil v. 11. 9. 2013, Az.: I-11 U 22/12 Wolf Friedrich Spieth und Niclas Hellermann © Springer-Verlag 2014 Urteilsanmerkungen 123 30 NuR (2014) 36: 30–34 1) BGH, Urt. v. 1. 10. 2008 – XII ZR 52/07, NuR 2009, 293; BGH, Urt. v. 18. 10. 2012 – III ZR 312/11, NVwZ 2012, 3777 2) BGH, Urt. v. 18. 2. 2010 – III ZR 295/09, NuR 2010, 673. 3) BGH, Urt. v. 2. 4. 2004 – V ZR 267/03, NuR 2004, 824; BGH, Urt. v. 28. 7. 2004 – XII ZR 163/03, NuR 2005, 485 4) OLG Hamm, Urt. v. 11. 9. 2013 – I-11 U 22/12, NuR 2014, 74 (in diesem Heft). URTEILSANMERKUNGEN

Keine Haftung nach §24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmen

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Page 1: Keine Haftung nach §24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmen

Zulassungsecht für die Übertragungsnetze, das verschie-dene Stufen vorsieht, denen mehrere Öffentlichkeitsbetei-ligungsschritte zugeordnet sind. Hierbei wies er insbeson-dere darauf hin, dass es für die Öffentlichkeit schwierig sei, die eigene Betroffenheit schon während des Verfahrens der Bundesbedarfsplanung festzustellen, da der Trassenkorri-dor erst bei der Bundesfachplanung und die grundstücks-mäßige Betroffenheit erst im Planfeststellungsverfahren er-kennbar sei. Insoweit würde Porsch eine bürgerfreundliche Beteiligung bei der Bedarfsplanung bevorzugen. Aufgrund der langen Zeiträume zwischen den einzelnen Planungs-

schritten, in der sich die Grundlagen der Planung ändern können, sieht er die Akzeptanz der Vorhaben trotz früher Öffentlichkeitsbeteiligung gefährdet.

Professor Dr. Reinhard Hendler beendete die Tagung, die er als instruktiv und bereichernd bewertete, mit seinem Schlusswort und einem Ausblick auf das 30. Trierer Kollo-quium zum Umwelt- und Technikrecht, das voraussicht-lich am 4. und 5. September 2014 zum Thema „kommu-naler Umweltschutz“ stattfinden wird. Die Ergebnisse der diesjährigen Tagung werden Anfang des Jahres 2014 in ei-nem Tagungsband veröffentlicht.

Mit Urteil vom 11. 9. 2013 gewährt das OLG Hamm dem kla-genden Pächter eines vormals industriell genutzten Grundstücks einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG gegen die Rechtsnachfolgerin des früher dort ansässigen Industriebetriebs für solche Sanierungs- und Entsorgungskosten, die erst und nur durch bauliche Veränderungen des Grundstücks ausgelöst werden (baube-dingte Sanierungsmaßnahmen). Der nachfolgende Beitrag betrach-tet die Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit den Grundsätzen der bodenschutzrechtlichen Ausgleichsforderung und ordnet sie in die bisherige bodenschutzrechtliche Rechtsprechung ein.

1. Einleitung

Die bodenschutzrechtliche Ausgleichsforderung nach § 24 Abs.  2 BBodSchG beschäftigt seit ihrer Einführung mit dem Bundes-Bodenschutzgesetz regelmäßig die Oberge-richte und den Bundesgerichtshof. Der Bundesgerichtshof konnte dabei bisher Fragen der Anspruchsverjährung 1, des Verhältnisses des Anspruchs zu den Vorschriften des Ge-samtschuldnerausgleichs 2 und Fragen der Altlastenfreistel-lung bei Grundstücksübertragungen 3 klären. Trotz dieser Entscheidungen des BGH sind wichtige weitere Fragen bis-lang noch nicht höchstgerichtlich geklärt. Jedenfalls stellt die Vorschrift des § 24 Abs. 2 BBodSchG die Gerichte wei-terhin vor Schwierigkeiten. Grund hierfür mag die Ver-knüpfung öffentlich-rechtlich geprägter Anspruchsvoraus-setzungen mit einem zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch sein, der infolgedessen bruchfrei sowohl in die öffentlich-rechtliche Systematik des Ordnungsrechts als auch in die zivilrechtliche Systematik etwa des Gewährleistungs- und Schadensersatzrechts einzufügen ist. Mit dem Urteil des OLG Hamm vom 11. 9. 2013 4 erging nun eine neue Ent-scheidung zur bodenschutzrechtlichen Ausgleichsforde-

Rechtsanwälte Dr. Wolf Friedrich Spieth und Niclas Hellermann, Sozietät Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Berlin, Deutschland

rung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG, die gleich aus mehreren Gründen eingehende Betrachtung verdient und von großer Bedeutung für alle industriell genutzten Grundstücke ist.

2. Das Urteil des OLG Hamm v. 11. 9. 2011

In dem Fall, der dem – noch nicht rechtskräftigen – Ur-teil des OLG Hamm zugrunde lag, macht der Pächter ei-nes mit Schadstoffen verunreinigten Grundstücks einen Anspruch auf Freistellung von Sanierungskosten nach § 24 Abs.  2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) geltend. Beklagt ist die Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Grund-stückseigentümerin, die in der Vergangenheit auf dem Grundstück über mehrere Jahrzehnte eine industrielle Pro-duktion betrieben hatte, wodurch der Boden des Grund-stücks mit Produktionsrückständen verunreinigt wurde. Dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. In den Jah-ren 1987 bis 2008 hatte die Beklagte erhebliche Kosten für den Aushub kontaminierten Bodens getragen und in wei-teren Jahren die Kosten für Boden- und Grundwasserun-tersuchungen sowie andere Sanierungskosten ebenfalls al-lein übernommen. Neben der Dekontamination (d. h. dem Austausch belasteten Bodens) auf einem Teils des Grund-stücks wurden im Zuge dieser Maßnahmen von der Be-klagten insbesondere eine Bodenversiegelung eingerich-tet, die den Eintritt von Oberflächenwasser in den Boden und das Auswaschen von Schadstoffen in das Grundwasser verhindert. Nach Abschluss dieser Maßnahmen hatte die zuständige Bodenschutzbehörde 2010 gegenüber der Be-

DOI: 10.1007/s10357-013-2583-2

Keine Haftung nach § 24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmenzugleich Besprechung zu OLG Hamm, Urteil v. 11. 9. 2013, Az.: I-11 U 22/12

Wolf Friedrich Spieth und Niclas Hellermann

© Springer-Verlag 2014

Urteilsanmerkungen

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30 NuR (2014) 36: 30–34

1) BGH, Urt. v. 1. 10. 2008 – XII ZR 52/07, NuR 2009, 293; BGH, Urt. v. 18. 10. 2012 – III ZR 312/11, NVwZ 2012, 3777

2) BGH, Urt. v. 18. 2. 2010 – III ZR 295/09, NuR 2010, 673.3) BGH, Urt. v. 2. 4. 2004 – V ZR 267/03, NuR 2004, 824; BGH,

Urt. v. 28. 7. 2004 – XII ZR 163/03, NuR 2005, 4854) OLG Hamm, Urt. v. 11. 9. 2013 – I-11 U 22/12, NuR 2014, 74 (in

diesem Heft).

U RT E I L S A N M E R K U N G E N

Page 2: Keine Haftung nach §24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmen

klagten als unbefristete Nachsorgemaßnahme die Durch-führung einer regelmäßigen Grundwasserkontrolle ange-ordnet. Gegenüber der Klägerin ordnete die Behörde als Nachsorgemaßnahme an, dass die bestehende Versiegelung des Betriebsgeländes auf Dauer erhalten bleiben soll. Zu-dem sei die Versiegelung in regelmäßigen Abständen auf ihre Funktionstüchtigkeit zu kontrollieren, Veränderungen dürften nur mit Genehmigung der Behörde erfolgen.

Bei einem Hallenneubau der Klägerin im Jahre 2008 weigerte sich die Beklagte, die kontaminationsbedingten Kosten für den Bodenaushub des Neubaus zu übernehmen. Es ging dabei um die aufgrund der vorhandenen Boden-belastungen anfallenden Mehrkosten für die Entsorgung und die baubegleitende Sanierung. Die Besonderheit die-ser Maßnahme gegenüber früheren Sanierungsmaßnahmen bestand darin, dass deren Kosten nur durch bauliche Verän-derungen und das damit zwangsläufig einhergehende Auf-brechen der Bodenversiegelung des Grundstücks ausgelöst werden, die allein auf unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin beruhen. Die Klägerin hatte demgemäß mit ihrer Klage die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, sie von behördlichen Maßnahmen freizu-stellen und entsprechende Kosten zu erstatten, soweit die behördlichen Maßnahmen durch bauliche Veränderungen ausgelöst werden, die auf – aus betrieblichen Gründen billi-genswerten – unternehmerischen Entscheidungen der Klä-gerin beruhen.

Das OLG Hamm stellte den geltend gemachten Freistel-lungsanspruch und die geltend gemachte Erstattungspflicht – wie bereits zuvor das Landgericht Essen in erster Instanz – jeweils dem Grunde nach fest.

In seinen Urteilsgründen bejaht das OLG Hamm zu-nächst ein Feststellungsinteresse der Klägerin.

Die Beklagte hatte das ursprüngliche Bestehen eines bo-denschutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht bestrit-ten, sondern nur das weitere Vorliegen der Voraussetzun-gen. Sie machte geltend, dass ihre Verpflichtungen mit der von ihr in Abstimmung mit den Behörden bereits durch-geführten Sanierung grundsätzlich erfüllt seien. Sie aner-kannte dabei ihre fortbestehende Verpflichtung zur Gefah-renabwehr, sollten sich die bisherigen Maßnahmen als nicht hinreichend erweisen. Bestritten wurde von ihr jedoch die Verpflichtung, auch für solche Kosten einstehen zu müs-sen, die allein aufgrund von Baumaßnahmen der Klägerin entstehen.

Aus diesem Vorbringen folgert der Senat, dass die Be-klagte ihre Einstandspflicht in Abrede stellt, sofern der Klä-gerin ein behördliches Einschreiten deshalb droht, weil sie die bestehende Versiegelung des Grundstücks aufbricht, um bauliche Maßnahmen auf dem Grundstück durchzu-führen. Dieses Bestreiten begründe das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Für das Feststel-lungsinteresse sei dabei weder von Bedeutung, ob mit den Bauarbeiten bereits begonnen wurde, noch ob die zustän-dige Behörde bei dem Bestehen einer bodenschutzrechtli-chen Gefahr die Klägerin rechtmäßigerweise in Anspruch nehmen würde, denn § 24 Abs.  2 Satz  1 BBodSchG ge-währe den Ausgleichsanspruch unter mehreren Verpflich-teten unabhängig von ihrer tatsächlichen Heranziehung.

Das OLG Hamm hält die Feststellungsklage im Weiteren auch für begründet. Der Klägerin stünden die geltend ge-machten Ansprüche auf Freistellung und Erstattung zu. Die Ansprüche seien auch nicht durch bereits durchgeführte Maßnahmen zur Sanierung des Bodens untergegangen.

Die Parteien seien zunächst beide, wie für den Anspruch nach § 24 Abs.  2 BBodSchG erforderlich, gegenüber den zuständigen Behörden bodenschutzrechtlich verpflichtet. Die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin desjenigen Unterneh-mens, das im Rahmen seiner Produktion Schadstoffe in das Erdreich gelangen ließ und damit Rechtsnachfolgerin der Verursacherin im Sinne des § 4 Abs. 3 BBodSchG. Die Klä-gerin sei als Pächterin des Grundstücks zugleich Inhaberin

der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück und damit nach § 4 Abs. 2 BBodSchG verpflichtet. Die zuständige Be-hörde wäre daher im Rahmen ihres Auswahlermessens er-mächtigt, grundsätzlich jede der Parteien wegen der erfor-derlichen Maßnahmen in Anspruch zu nehmen.

Im Innenverhältnis der Parteien sei danach aber die Be-klagte der Klägerin zur Freistellung von der behördlichen Inanspruchnahme und zur Übernahme aller durch ein (po-tentielles) behördliches Einschreiten wegen der streitge-genständlichen Bodenkontamination entstehenden Kosten verpflichtet. Die Vorschrift des § 24 Abs. 2 Satz 2 BBod-SchG stelle darauf ab, inwieweit die Gefahr oder der Scha-den vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil ver-ursacht worden ist. Demnach sei grundsätzlich die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Verursacherin der Kontamina-tion des Bodens gegenüber der ohne eigenes Zutun und Verschulden ordnungspflichtigen Klägerin zum vollständi-gen Ausgleich aller Nachteile durch die behördliche Inan-spruchnahme verpflichtet. Die Vorschrift des § 24 Abs.  2 BBodSchG bezwecke grundsätzlich eine Freistellung des Zustandsstörers durch den Handlungsstörer.

Diese Einstandspflicht der Beklagten sei im Innenver-hältnis auch nicht dadurch entfallen oder begrenzt, dass das Grundstück unstreitig bereits mit einem erheblichen finan-ziellen Aufwand von der Beklagten in einen Zustand ver-setzt wurde, in dem zwar nicht sämtliches kontaminiertes Erdreich beseitigt wurde, jedoch eine Versiegelung erreicht wurde, auf Grund derer keine Schadstoffe mehr in die Um-welt und das Grundwasser gelangen können, solange die Versiegelung erhalten bleibt. Mit der Herbeiführung die-ses Zustandes habe die Beklagte aber die ihr angesichts der Verursachung der Bodenkontamination obliegenden Pflichten nicht endgültig und abschließend erfüllt. Allein aufgrund des Umstands, dass die Klägerin bei Umsetzung ihrer Planungen die Versiegelungen aufbrechen und damit die Gefahr herbeiführen würde, dass das noch vorhandene kontaminierte Erdreich wieder äußeren Einflüssen ausge-setzt wird, und Schadstoffe in Umwelt und Grundwasser gelangen können, gehe die Verantwortlichkeit für Konta-minationen im Innenverhältnis nicht auf die Klägerin über.

Nach § 4 Abs. 1 BBodSchG habe sich vielmehr jeder, der auf den Boden einwirkt, so zu verhalten, dass schädliche Bodenveränderungen nicht hervorgerufen werden. Wer dagegen verstößt, habe nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG die Pflicht, Altlasten so zu sanieren, dass davon dauerhaft keine Gefahren, Nachteile oder erhebliche Belästigun-gen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstünden. Ziel einer Sanierung sei ein Zustand nachhaltiger boden-schutzrechtlicher Unbedenklichkeit. Dauerhaft und nach-haltig sei jedoch regelmäßig nur die völlige Beseitigung der Verunreinigung. Erfolge neben einer Teilsanierung durch Beseitigung eines Teils des kontaminierten Bodens im Hinblick auf den verbliebenen Teil lediglich eine Si-cherungsmaßnahme im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBod-SchG, fehle es an der Dauerhaftigkeit der Sanierung, sofern die Gefahr eines späteren Aufbrechens der Versiegelung be-steht. Dies gelte erst recht, wenn das Aufbrechen der Ver-siegelung etwa durch einen Grundstückserwerber oder des-sen Pächter in Ausübung der ihnen zustehenden Rechte als Eigentümer oder berechtigte Besitzer erfolgt, weil das Grundstück in zulässiger Weise bebaut werden soll. Die ur-sprüngliche, durch die schädliche Einleitung in den Boden begründete Ursachenkette würde durch ein derartiges – er-laubtes und nicht völlig unsachgemäßes – Handeln nicht unterbrochen.

Der Senat verkenne dabei nicht, dass der Verursacher ei-ner Bodenkontamination eines Schutzes bedarf, damit er nicht durch einen Grundstückserwerber oder Grundstück-spächter mit Kosten für Baumaßnahmen belastet wird, ohne dass diesen Baumaßnahmen ein anerkennenswertes Interesse des Grundstücknutzers zu Grunde liegt. Im Falle eines fehlenden anerkennenswerten Interesses erwägt der

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Senat eine Beschränkung des Ausgleichsanspruchs über § 242 BGB. Für einen solchen Missbrauch durch die Kläge-rin fehle es jedoch in dem Fall an Anhaltspunkten. Die Klä-gerin habe ihre Bauplanungen plausibel mit der auf Grund der Unternehmensentwicklung notwendigen Erweiterung der von ihr benötigten Räumlichkeiten begründet.

Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung betreffe einen Einzelfall und werfe keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf.

3. Anwendungsbereich des bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs (§ 24 Abs. 2 BBodSchG)

Mit dem Erlass des Bundes-Bodenschutzgesetzes und des dort geregelten Ausgleichsanspruchs nach § 24 Abs. 2 BBodSchG, auf den die Klägerin im Verfahren des OLG Hamm ihre Ansprüche stützt, ist 1999 ein bundesweit ein-heitlicher gesetzlicher Ausgleichsanspruch unter mehreren ordnungsrechtlich Verpflichteten eingeführt worden. 5 Bis dahin bestand die vielmals unbefriedigende Situation, dass ein Zustandsstörer (etwa der Eigentümer oder Pächter) von den Ordnungsbehörden unter dem Gesichtspunkt effek-tiver Gefahrenabwehr vorrangig in Anspruch genommen wurde und dabei anschließend seine Kosten mangels ei-nes (gesetzlichen) Anspruchs nicht erstattet bekam, selbst wenn der Verursacher der Gefahr bekannt und erreichbar war. 6 Hilfskonstruktionen über den Weg einer Geschäfts-führung ohne Auftrag führten nicht zum Ziel und eine ge-nerelle Analogie zum Gesamtschuldnerausgleich hatte der BGH schon früh mit Hinweis auf die grundlegenden Un-terschiede zwischen der Wahlfreiheit eines Gesamtschuld-Gläubigers und der ermessensgebundenen, auf das Ziel der effektiven Gefahrenabwehr festgelegten Auswahlmöglich-keit der Behörde im Bereich des Ordnungsrechts verwor-fen. 7 Mit der Regelung des bodenschutzrechtlichen Aus-gleichsanspruchs wollte der Gesetzgebers sicherstellen, dass der Alleinverursacher einer Bodenverunreinigung oder Altlast grundsätzlich mit den vollen Sanierungskosten be-lasten wird, während ein bloßer Zustandsverantwortlicher nicht als Schuldner, sondern nur als Gläubiger des Aus-gleichsanspruchs in Frage kommen soll. 8

Dieses gesetzgeberische Ziel, einen Ausgleichsanspruch zwischen mehreren ordnungsrechtlich Verpflichteten her-zustellen, bestimmt zugleich die Beteiligten und die Reich-weite des Ausgleichsanspruchs.

Anspruchsgläubiger und Anspruchsschuldner sind nach den Gesetzesmaterialien 9, der Rechtsprechung 10 und der – soweit ersichtlich – einhelligen Meinung in der Literatur 11 nur diejenigen, die auch ordnungsrechtlich von der Be-hörde herangezogen werden könnten. Mit der Einbettung dieser ordnungsrechtlich geprägten Tatbestandsmerkmale in den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch nimmt der bo-denschutzrechtliche Ausgleichsanspruch umfassend Bezug auf die im Gefahrenabwehrrecht gemeinhin anerkannten Maßstäbe einer Gefahrverursachung. Verursacher im Sinne des polizeirechtlichen Verursachungsprinzips ist danach al-lein derjenige, dessen konkretes Verhalten im Sinne einer zeitlich letzten Ursache den Eintritt eines Schadens her-beiführt. Weitere Kriterien wie Pflichtwidrigkeit und die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens sind zusätzlich wertend bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen. Auf diese Weise führt das Verursachungsprinzip zu einer Gefahren- und Schadenszurechnung anhand von Risikosphären, die mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgebot vereinbar ist. 12

Infolge der nahtlosen Anknüpfung an die Kategorien des Gefahrenabwehrrechts bestimmen sich nicht nur die Beteiligten des Ausgleichsanspruchs, sondern auch dessen Umfang nach den Grundsätzen des Bodenschutzrechts. Er-stattungsfähig sind nur solche Kosten für Maßnahmen, die eine Behörde zulässigerweise auf Grundlage des Bundes-Bodenschutzgesetzes gegenüber einem oder mehreren Ver-

ursachern festsetzen könnte. Allgemeine Maßstäbe für den verhältnismäßigen Umfang der Sanierungspflicht ergeben sich aus § 4 Abs. 3–5 BBodSchG. Der jeweils bodenschutz-rechtlich Verpflichtete (und etwaige Schuldner des boden-schutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs) hat insofern nach § 4 Abs. 3 BBodSchG Altlasten so zu sanieren (oder die ent-sprechenden Kosten zu tragen), dass davon dauerhaft keine Gefahren, Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen, wie dies auch das OLG Hamm festhält. Hierfür kommen allerdings nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchG neben Dekontaminationsmaß-nahmen (d. h. dem Austausch belasteten Bodens) ausdrück-lich auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Aus-breitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Nach § 4 Abs. 4 BBodSchG sind bei der Erfüllung der boden- und altlastenbezogenen Pflichten die (bau-)planungsrechtlich zulässige Nutzung des Grundstücks und das sich daraus er-gebende Schutzbedürfnis zu beachten.

Diesen Grundsätzen wird die Entscheidung des OLG Hamm vom 11. 9. 2013 letztlich nicht gerecht.

4. Anmerkungen zur Begründung des OLG Hamm

Auf Grundlage des im Urteil mitgeteilten Sachverhalts kommt in dem Fall des OLG Hamm eine Haftung des Be-klagten aus mehreren Gründen schwerlich in Betracht.

4.1 Bebauung eröffnet neuen Gefahrenkreis

Der zuständige Senat des OLG Hamm unterscheidet bereits im Ausgangspunkt nicht hinreichend, dass die Klägerin Er-satz für die Kosten einer Gefahrenbeseitigung anstrebt, der eine andere und neue Gefahr zugrunde liegt, als diejenige, die die Beklagte einst im Sinne der Lehre von der unmit-telbaren Verursachung herbeigeführt hat. Mit ihrer Ent-scheidung, durch Baumaßnahmen die bestehende Versie-gelung aufzubrechen und Boden für Tiefbaumaßnahmen auszuheben, eröffnet die Klägerin unmittelbar selbst einen neuen Gefahrenkreis, für den sie nach ordnungsrechtlichen Grundsätzen auch die Verantwortung trägt. Aufgrund die-ser fehlenden Unterscheidung verirrt sich das Gericht in der bodenschutzrechtlichen Störersystematik.

Zwar ist die Verursacherposition der Beklagten, aufgrund der sie bereits in der Vergangenheit Sanierungsmaßnahmen durchgeführt hat, unstreitig. Ihre Verantwortung gilt je-doch nur für solche Gefahren, die ohne maßgebliches Zu-tun Dritter entstehen. In diesem Fall stellt das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch nicht die letzte, unmittelbar zur Überschreitung der Gefahrenschwelle führende Verursachung dar. Bei der in den Urteilsgrün-den geschilderten Sachlage knüpft die Klägerin durch ihre Entscheidung, das Grundstück zu bebauen, an die von der Beklagten in Gang gesetzte Ursachenkette weitere Glieder

Urteilsanmerkungen

123

32 NuR (2014) 36: 30–34

5) Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Schutze des Bodens, BT-Drs. 13/6701, S. 46, vgl. dazu Spieth/Wolfers, NVwZ 1999, 355 ff.

6) Schlette, VerwArch 2000, 41/44 ff.7) BGH, Urt. v. 11. 6. 1981 – III ZR 39/80, NJW 1981, 2457, 24588) BGH, Urt. v. 2. 4. 2004 – V ZR 267/03, NuR 2004, 824/826;

Landmann/Rohmer/Dombert, UmweltR, Bd. IV, § 24 BBodSchG Rdnr. 18; Schlette, VerwArch 2000, 41, 55.

9) Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Schutze des Bodens, BT-Drs. 13/6701, S. 46.

10) Zuletzt BGH, Urt. v. 18. 10. 2012 – III ZR 312/11, NVwZ 2012, 3777, 3778.

11) Vgl. z. B. Landmann/Rohmer/Dombert, UmweltR, Bd. IV, § 24 BBodSchG Rdnr. 7.

12) Zur Verursachung im polizeirechtlichen Sinn etwa Drews/ Wacke/Vogel/Martins, Gefahrenabwehrrecht, S.  313 m. w. N.; OVG Münster, Urt. v. 30. 5. 1996 – 20 A 2640/94, NVwZ 1997, 507, 508. OVG Münster, Urt. v. 7. 3. 1996 – 20 A 657/95, NVwZ 1997, 804 f.

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an, sodass die unmittelbar zur Überschreitung der Gefahr-schwelle führende Ursache von der Klägerin und nicht von der Beklagten gesetzt wird.

Damit ist die Klägerin in Bezug auf die hier geltend ge-machten Kosten nach der allgemein anerkannten Lehre von der unmittelbaren Verursachung als Verursacherin anzuse-hen. Die Beklagte hingegen setzt für die durch das Aufbre-chen der Versiegelung entstehende Gefahr eine nur mittel-bare Ursache, die keine ordnungsrechtliche Verantwortung nach sich zieht. Sie ist im Hinblick auf die von der Klägerin verursachte Gefahr weder selbst Handlungsstörerin noch – mangels tatsächlicher Gewalt über das Grundstück – Zu-standsverantwortliche und damit in keiner Hinsicht Betei-ligte des bodenschutzrechtlichen Ausgleichanspruchs, den die Klägerin geltend gemacht hat.

Dies verdeutlichen zusätzlich die Bescheide der zuständi-gen Behörde aus dem Jahre 2010, die der Klägerin und der Beklagten lediglich regelmäßige Überwachungsaufgaben auftrugen, jedoch nicht weitergehende Dekontaminations- oder Sicherungsmaßnahmen. Die Behörden gingen danach offenkundig davon aus, dass zum damaligen Zeitpunkt von den noch im Boden vorhandenen Schadstoffen keine wei-teren Gefahren für die menschliche Gesundheit ausgehen und Schadstoffe insbesondere nicht weiter in das Grund-wasser absinken. Aus den Urteilsgründen ist auch kein An-halt dafür ersichtlich, dass sich an diesem stabilen Zustand ohne das Bauvorhaben der Klägerin in Zukunft etwas ge-ändert hätte. Erst das Hinzutreten weiterer Ursachen – hier das Bauvorhaben der Klägerin – lässt erneut eine andere Gefahr entstehen.

Vergleichbare Fälle, in denen erst die Bebauung eines mit Schadstoffen belasteten Grundstücks weitergehende Sanierungsmaßnahmen erforderlich macht und einen bau-bedingten Mehraufwand mit sich bringt, werden in der Rechtsprechung regelmäßig in dem soeben beschriebenen Sinne gelöst. Zur Bebauung eines stillgelegten, allerdings Methangas emittierenden Deponiegeländes hat etwa das OVG Münster festgehalten: „Anerkanntes Kriterium für die ordnungsrechtliche Zurechnung einer Gefahr zu einem bestimmten Verhalten oder Unterlassen ist – neben ande-rem – die Feststellung, daß hierdurch nach den Umständen des Einzelfalls die Gefahrengrenze überschritten und so die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt worden ist […]. Ausschlaggebende Ursache für die Entste-hung der Gefahr ist hier die Errichtung der Gebäude mit anschließender Nutzungsüberlassung zu Wohnzwecken. Demgegenüber stellt die Ablagerung des die Methangas-bildung auslösenden Abfalls nur eine mittelbare Ursache dar.“ 13 Ähnlich urteilten das OVG Münster in seiner Ent-scheidung vom 30. 5. 1996 14 sowie das VG Gelsenkirchen in einer Entscheidung aus dem Jahr 1988 15 in Fällen, bei denen es jeweils um eine nachträgliche bauplanungsrecht-liche Überplanung der belasteten Grundstücke ging, die jeweils als unmittelbare Ursache der entstandenen Gefahr angesehen wurde. Das mit der geplanten Bebauung ein-hergehende Entstehen einer neuen Gefahr wird also dem Bauherrn oder der die Bebauung zulassenden Baubehörde zugerechnet. 16

Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten verur-sachte Bodenverunreinigung ist damit im Sinne dieser Rechtsprechung mit Blick auf den aktuell bedeutsamen Gefahrenkreis nur eine mittelbare Ursache. Die Gefahren-schwelle wird dagegen unmittelbar erst mit dem Aufrei-ßen der Versiegelung durch das Bauvorhaben der Klägerin überschritten. Dies belegt auch der Antrag der Klägerin. Die Klägerin beantragt eine Freistellung von behördli-chen Maßnahmen, soweit die behördlichen Maßnahmen „durch bauliche Veränderungen des Grundstücks ausgelöst werden, die auf – aus betrieblichen Gründen billigenswer-ten – unternehmerischen Entscheidungen der Klägerin be-ruhen“. Die entstandene Gefahr, die „durch die baulichen Veränderungen des Grundstücks ausgelöst“ wird, ist damit

allein baubedingt und somit Sache des Bauherrn, dessen Pflichten im Umgang mit dem verunreinigten Bodenaus-hub sich im Übrigen nach den Vorschriften des Bauord-nungsrechts und des Abfallrechts bestimmen.

Folgende Kontrollüberlegung bestätigt dieses Ergeb-nis. Ohne die Bauarbeiten wären die Ordnungsbehörden mangels einer Gefahr hier nicht zu einem Einschreiten er-mächtigt. Eine Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne und damit eine Ermächtigung zu behördlichen Anordnungen entsteht hier – trotz der im Boden teils noch vorhandenen Schadstoffe – erst aufgrund der geplanten Durchführung der Baumaßnahmen und des einhergehenden Aufbrechens der vorhandenen Grundstücksversiegelung.

Die Verursachung des neuen Gefahrenkreises durch die Klägerin lässt sich auch nicht mit der Überlegung vernei-nen, dass der Klägerin ein „anerkennenswertes Interesse“ zugrunde liegt. Dieses Kriterium, das im Bodenschutz-recht keine Stütze findet, soll nach Auffassung des OLG Hamm den Verursacher einer Bodenkontamination vor ei-ner ungerechtfertigten Inanspruchnahme schützen. Falls etwa eine Baumaßnahme dem Grundstückserwerber oder Pächter keinen objektiv nachvollziehbaren Nutzen bringt oder etwa durch Fehlplanung die Kosten für die Boden-sanierung in vorwerfbarer Weise in die Höhe treibt, soll statt dem früheren Verursacher einer Bodenkontamination doch der Bauherr die Kosten tragen. Das Bodenschutzrecht ist als Gefahrenabwehrrecht jedoch schlicht auf die Beseiti-gung von Gefahren ausgerichtet. Die Rechtswidrigkeit ei-nes Verhaltens indiziert zwar regelmäßig die Verursachung einer Gefahr, die Rechtswidrigkeit oder das Fehlen eines „anerkennenswerten Interesses“ ist jedoch keine notwen-dige Bedingung für eine Gefahrenverursachung im Sinne des Bodenschutzrechts. Ausschlaggebend ist allein, dass ein Verhalten einer Person – bewusst oder unbewusst, rechts-widrig oder billigenswert – als zeitlich letzte Ursache eine Gefahr herbeiführt. Für die Beachtung eines „anerken-nenswerten Interesses“ besteht hier damit kein Raum.

4.2 Zusätzliche Sanierungsmaßnahmen gehen über das Maß des Erforderlichen hinaus

Mit dem zugesprochenen bodenschutzrechtlichen An-spruch verpflichtet das OLG Hamm die Beklagte in der Sache überdies zu Sanierungsmaßnahmen (bzw. einer Kos-tenerstattung), die über den im Bundes-Bodenschutzgesetz festgelegten Umfang von Sanierungsmaßnahmen hinaus-reichen. Denn das OLG Hamm nimmt zu Unrecht an, dass der von einem Verursacher zu leistende Sanierungsaufwand in der Regel nur durch eine völlige Beseitigung der Ver-unreinigung erreicht wird, wohingegen Sicherungsmaß-nahmen regelmäßig nicht zur dauerhaften und nachhalti-gen Beseitigung der Gefahr genügen würden. Dieses vom OLG Hamm angenommene Rangverhältnis zwischen Sa-nierungsmaßnahmen und Dekontaminationsmaßnahmen

NuR (2014) 36: 30–34 33Urteilsanmerkungen

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13) OVG Münster, Urt. v. 7. 3. 1996 – 20 A 657/95, NVwZ 1997, 804, 805.

14) OVG Münster, Urt. v. 30. 5. 1996 – 20 A 2640/94, NVwZ 1997, 507, 510.

15) VG Gelsenkirchen, Urt. v. 10. 3. 1988 – 16 K 2360/86, NVwZ 1988, 1061; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 13. 2. 1995 – 6 K 284/95.

16) Dieselben Grundsätze gelten für die Freistellung nach Umwelt-rahmengesetz in den neuen Bundesländern, die die hier relevante bodenschutzrechtliche Verantwortung für Altlasten im Sinne ei-ner Freistellung „spiegelt“. Die Freistellung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG gilt daher nicht für nicht gefahrbedingte Herrich-tungsmaßnahmen für eine (gleich- oder höherwertige) Neunut-zung. Rein baubedingte Entsorgungs- und Abrissmaßnahmen, die vom wirtschaftlichen Konzept des Erwerbers oder Nutzers abhängen, sind von ihr nicht gedeckt, vgl. Spieth, altlasten-spek-trum 1994, S. 199, 202 f.

Page 5: Keine Haftung nach §24 Abs. 2 BBodSchG für baubedingte Sanierungsmaßnahmen

ergibt sich weder aus den Vorschriften des BBodSchG noch steht dahinter ein in der Praxis verallgemeinerungsfähi-ger Grundsatz, der eine vollständige Auskofferung vor-zugswürdig sein lässt. Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchG nennt Dekontaminations- und Sicherungs-maßnahmen als gleichberechtigte Sanierungsmaßnahmen nebeneinander. 17 Lediglich für schädliche Bodenverände-rungen, die nach dem 1. März 1999 (dem Inkrafttreten des BBodSchG) entstanden sind, ordnet § 4 Abs. 5 BBodSchG eine vorrangige Pflicht zur Schadstoffbeseitigung an. Im Wege eines einfachen Umkehrschlusses ergibt sich daraus die Gleichberechtigung beider Sanierungsarten für Altlas-ten. Die Kombination von Dekontaminationsmaßnahmen (für besonders hoch belastete Areale) und Sicherungsmaß-nahmen (für geringer belastete Bereiche) ist in der Praxis der Altlastensanierung sogar die Regel. Sie begrenzt ins-besondere die Gefahr erneuter Mobilisierung von Schad-stoffen, die bei dem Aushub belasteten Bodens regelmäßig entstehen kann. Nach den mitgeteilten Urteilsgründen des OLG Hamm stand auch in dem dort entschiedenen Fall die Nachhaltigkeit der durchgeführten Bodenversiegelung nicht in Frage.

Die Nachhaltigkeit der bisherigen Kombination von De-kontaminations- und Sicherungsmaßnahmen lässt sich ent-gegen der Auffassung des OLG Hamm auch nicht dadurch in Zweifel ziehen, dass die Bodenversiegelung durch ein Aufbrechen im Zuge der Bebauung durch die Klägerin ihre Schutzfunktion verliert. Von Sanierungsmaßnahmen ist schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch unter dem Gesichtspunkt der geforderten Nachhaltigkeit nicht zu verlangen, dass sie nicht oder nur schwer von dritter Seite

konterkariert werden können. Beim Eingreifen Dritter in vorhandene und für sich wirksame Sanierungsmaßnah-men kommt vielmehr, wie zuvor dargelegt, eine neue Ur-sachenkette in Gang, die eine ordnungsrechtliche Verant-wortung des hinzutretenden Dritten nach sich zieht.

4.3 Keine Einzelfallgestaltung

Dem OLG Hamm ist schließlich in der Auffassung zu wider-sprechen, es handele sich bei der geschilderten Konstellation um einen Einzelfall ohne grundsätzliche Bedeutung. Die von dem Senat entschiedene Frage ist von größter Bedeu-tung für die Nachnutzung von vormals industriell genutz-ten Grundstücken. Die Frage stellt sich immer dann, wenn der aktuelle Nutzer (gleich ob Pächter oder Eigentümer) durch Baumaßnahmen oder andere Nutzungsänderungen einen mittelbar auf vorhandene Altlasten zurückzuführen-den Mehraufwand zu tragen hat. Sollten rein baubedingte Mehraufwendungen tatsächlich über den bodenschutz-rechtlichen Ausgleichsanspruchs abgewickelt werden und nicht über die hierfür geeigneten Gewährleistungsrechte eines Grundstückskaufs oder eines Pachtverhältnisses, hätte dies unabsehbare Folgen für die Verkehrsfähigkeit und rechtssichere Verwertung ehemaliger Industriegrundstü-cke. Sollte das Urteil Bestand haben, dürfte der Neuflä-chenverbrauch zu Lasten einer Anschlussnutzung brachlie-gender Industriegrundstück erheblich steigen.

Landschaftsschutzrecht.

Von Dr. jur. Erich Gassner, Ministerialrat a. D. im Bundes­ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktor­sicherheit. 245 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2012. Broschiert. 32,80 €. ISBN 978­3­503­13696­4.

Die Landschaft stellt unsere natürliche Lebensgrundlage dar. Sie ist land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche, Erholungsraum sowie ein signifikanter Teil von Heimat. Die intensive Nutzung der Landschaft und ihre Inanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen füh-ren zu einem kontinuierlichen Verlust sowohl von Flächen als auch von Landschaftsqualität. Mit dem Flächenverbrauch geht eine wei-tere Zerschneidung der Landschaft, verbunden mit einer Abnahme der biologischen Vielfalt einher.

Dem Schutz der Landschaft kommt vor dem Hintergrund eines unverminderten Nutzungsdrucks daher eine große Bedeutung zu. Mit seinem Buch „Landschaftsschutzrecht“ möchte der Autor Erich Gassner einen fachübergreifenden Leitfaden zur Verfügung stellen, der insbesondere diejenigen Instrumente beleuchtet, die den Land-

Dipl.-Biol. Anke Schumacher, Tübingen, Deutschland

schaftsschutz bei Planungen und Eingriffen in Natur und Landschaft gewährleisten sollen. Das Werk führt zunächst aus, wie „Landschaft“ als Alltags- und Rechtsbegriff zu verstehen ist und wie es um den Zustand der Landschaft bestellt ist. Dem schließen sich Ausführun-gen zur Rechtskonkretisierung an, wobei sich der Bogen von der Mediation als außergerichtliche Konfliktbeilegung über die Folgen-bewältigung nach Maßgabe der naturschutzfachlichen Eingriffsrege-lung bis hin zu den Informationsansprüchen Privater nach dem Um-weltinformationsgesetz spannt. Weiter werden die Instrumente der Landschaftsplanung und der gesamträumlichen Planung vorgestellt sowie eine Einführung in das Planfeststellungsrecht gegeben. Da der Schutz der Landschaft häufig nur mithilfe bereichsspezifischer Ver-bote zu bewerkstelligen ist, geht das Werk auch auf dieses Instrument kurz ein und erläutert z. B. was unter „repressiven Verboten mit Be-freiungsvorbehalt“ oder „präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbe-halt“ zu verstehen ist. Sehr knapp gehalten ist dabei leider der Teil „Normative Unterschutzstellungen von Gebieten“ nach den Vorga-ben von BNatSchG, WHG, Waldrecht oder BImSchG. Hier wären etwas detaillierte Ausführungen wünschenswert, da die Ausweisung von Schutzgebieten ein wichtiges Instrument des Landschaftsschut-zes darstellt. Ein weiteres Kapitel ist dem Recht auf Erholung in Na-tur und Landschaft, insbesondere dem Betretungsrecht gewidmet. Ausführungen zum gerichtlichen Rechtsschutz, zum Umweltscha-densgesetz und eine Auflistung von Bußgeld- und Strafvorschriften schließen das Buch ab.

Der Leitfaden gibt einen Überblick über die für den Landschafts-schutz relevanten Rechtsbereiche und richtet sich an all jene, die sich mit dieser Rechtsmaterie vertraut machen möchten.

Buchbesprechungen

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17) Landmann/Rohmer/Dombert, UmweltR, Bd. IV, § 24 BBodSchG Rdnr. 55 ff.

B U c H B E S P R E c H U N G E N