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Hochschule: Pädagogische Hochschule Freiburg Seminar: Arbeitsfelder Dozent: Michael Sauer Semester: Wintersemester 2008/2009 Kinder- und Jugendpsychotherapie Gruppe: Jana Kinzel Sara Fries Manuela Fleer Christine Reinert Alexandra Schmitt Iris Parakenings

Kinder- und Jugendpsychotherapie · Seminar: Arbeitsfelder Dozent: Michael Sauer Semester: Wintersemester 2008/2009 Kinder- und ... Theoretische Ansätze der Kinder- und Jugendpsychotherapie

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Hochschule: Pädagogische Hochschule Freiburg Seminar: Arbeitsfelder Dozent: Michael Sauer Semester: Wintersemester 2008/2009

Kinder- und Jugendpsychotherapie Gruppe: Jana Kinzel Sara Fries Manuela Fleer Christine Reinert Alexandra Schmitt Iris Parakenings

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Arbeitsfeld Kinder- und Jugendpsychotherapie

Gruppe: Jana Kinzel, Sara Fries, Manuela Fleer, Christine Reinert, Alexandra Schmitt, Iris Parakenings

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Gliederung 1. Einleitung................................................................................................................ 3

2. Berufsbild eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ....................................... 4

2.1. Was ist Psychotherapie.................................................................................... 4

2.2. Unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen..................................................... 4

2.3. Theoretische Ansätze der Kinder- und Jugendpsychotherapie........................ 5

3. Wege zum Kinder und Jugendtherapeuten ............................................................ 9

3.1. Ausbildung ....................................................................................................... 9

3.2. Gesetzliche Grundlagen................................................................................... 9

3.3. Vorrausetzungen.............................................................................................10

3.4. Aufbau der Ausbildung....................................................................................10

3.4.1. Theoretische Ausbildung ..........................................................................11

3.4.2. Selbsterfahrung ........................................................................................11

3.4.3. Praktische Tätigkeiten ..............................................................................12

3.4.4. Zwischenprüfung ......................................................................................12

3.4.5. Praktische Ausbildung ..............................................................................12

3.4.6. Supervision...............................................................................................13

3.4.7. Wahlpflichtangebot ...................................................................................13

3.5. Kosten der Ausbildung ....................................................................................13

3.6. Institut für psychologische Fachberatung und Fortbildung IPPF .....................14

3.6.1. Aus- und Weiterbildung ............................................................................14

3.6.2. Aus- und Weiterbildungsangebote im IPPF..............................................15

3.6.3. Kosten ......................................................................................................15

4. Eingliederungshilfe durch das Psychotherapeutengesetz für seelisch behinderte

Kinder und Jugendliche .............................................................................................15

5. Beispiele ................................................................................................................17

5.1. Werdegang .....................................................................................................17

5.2. Arbeitsalltag ....................................................................................................19

5.2.1. Gründe für eine Therapie .........................................................................19

5.2.2. Vorgehensweise – Fallmanagement ........................................................20

5.2.3. Methoden/Fallbeispiele (Kinder/Jugendliche)...........................................22

6. Fazit.......................................................................................................................24

7. Quellen ..................................................................................................................26

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1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Berufsbild der Kinder- und

Jugendpsychotherapie. Zugrunde liegende Informationen konnten innerhalb der

Veranstaltung Arbeitsfelder und Recht des Studiengangs Erziehung und Bildung

durch zwei persönliche Interviews mit psychotherapeutischen Fachkräften in

psychotherapeutischen Praxen gewonnen werden. Weiterhin stützt sich die

Ausarbeitung auf einschlägige Fachliteratur und ist wie folgt aufgebaut:

Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst erläutert, was grundsätzlich unter

Psychotherapie zu verstehen ist und welche unterschiedlichen Bildungszugänge es

zu diesem Beruf gibt. Weiterhin werden drei psychologische Ansätze beschrieben,

die als Grundlage der theoretischen Ausbildung zum Kinder- und

Jugendpsychotherapeuten große Bedeutung besitzen. Hierbei handelt es sich um

verhaltenstherapeutisch und tiefenpsychologisch fundierte Ansätze sowie die

Familientherapie.

Der darauf folgende Abschnitt setzt sich mit Inhalten der Berufsausbildung zum

Kinder- und Jugendpsychotherapeuten auseinander. Die gesetzlichen Grundlagen,

die Zugangsvorraussetzungen sowie der Aufbau der Ausbildung und deren Kosten

werden näher erläutert.

Exemplarisch dazu wird das Freiburger Institut für Psychoanalyse und

Psychotherapie (IPPF) vorgestellt. Dieses Institut bietet unter anderem Aus- und

Weiterbildungen im Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie an. Die Inhalte

des Instituts sowie die Kosten der Ausbildung zum Kinder- und

Jugendpsychotherapeuten werden dargestellt.

Nachfolgend wird eine Verbindung zwischen dem Kinder- und Jugendhilferecht und

dem Berufsfeld der Kinder- und Jugendpsychotherapie anhand des § 35 a SGB 8

hergestellt. Dieser betont den Rechtsanspruch von seelisch behinderten Kindern

und Jugendlichen auf Eingliederungshilfe durch Fachkräfte. Den Kinder- und

Jugendpsychotherapeuten kommt hierbei eine wichtige Rolle zu.

Der nächste Teil der Ausarbeitung gibt die Interviewinhalte der von uns aufgesuchten

Psychotherapeuten in verschriftlichter Form wieder und stellt so einen Praxisbezug

zum Berufsfeld her. Hierbei werden sowohl der individuelle Werdegang, der

Arbeitsalltag, Gründe für eine Psychotherapie sowie mögliche Vorgehensweisen und

Fallbeispiele genannt.

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Den Abschluss der Hausarbeit bildet ein persönliches Fazit über das Berufsbild der

Kinder- und Jugendpsychotherapie.

2. Berufsbild eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten

2.1. Was ist Psychotherapie

Der Begriff Psychotherapie lässt sich aus dem Griechischen herleiten. Das

griechische Wort psyché bedeutet Seele, das Wort therapein meint Kranke

behandeln. Psychotherapie ist also ein Behandlungsverfahren, das psychische, also

seelische Störungen und Krankheiten mit psychischen Mitteln behandelt.

Wichtig ist es, zwischen Psychotherapie und Psychopharmakotherapie zu

unterscheiden, da nur letzteres die Behandlung mit Medikamenten einschließt. Die

beiden Verfahren können sich jedoch auch ergänzen und parallel angewandt

werden. (vgl. I. L. Karger in Schwarzer / Trost, S. 331)

Der Beruf des Psychotherapeuten ist erst seit 1999 gesetzlich durch das

Psychotherapeutengesetz geschützt. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte sich jeder

„Psychotherapeut“ nennen. Auch wird durch das Gesetz die Ausbildung zum

Psychotherapeuten geregelt, das heißt, sowohl die Grundvoraussetzungen werden

bestimmt als auch der Inhalt und die Dauer der Ausbildung festgelegt, sowie die

erforderlichen praktischen Erfahrungen.

Die Kosten des Therapieverfahrens werden von den Krankenkassen erstattet, wenn

der Therapeut eine von den Krankenkassen anerkannte Ausbildung nachweisen

kann. Diese muss wissenschaftlich anerkannte wirksame psychotherapeutische

Verfahren beinhalten. (vgl. ebd. S. 335)

2.2. Unterschiedliche Bildungsvoraussetzungen

Den Beruf des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten können sowohl Menschen mit

einem abgeschlossenen Medizinstudium oder Psychologiestudium, Sozialpädagogen

oder Heilpraktiker ergreifen. Je nach Grundstudium ist eine zusätzliche Ausbildung

erforderlich.

Ärztliche Psychotherapeuten haben in ihrem Studium Inhalte wie Psychiatrie,

Psychosomatik und Neurosenlehre behandelt, jedoch keine praktischen Erfahrungen

sammeln können. Für sie ist eine nebenberufliche therapeutische Ausbildung

zwingend. Diese können sie an psychiatrischen oder psychologischen Kliniken

absolvieren.

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Psychotherapeuten mit vollendetem Studium der Psychologie haben im Studium

Grundlagen der psychischen Entwicklung, sowie Grundlagen von Verhaltensweisen

kennengelernt. Auch Themen wie Emotionen und soziales Miteinander,

verschiedene Testverfahren, Organisationsberatung und Gruppendynamik beinhaltet

ein Psychologiestudium. Genauso wie die Medizinstudenten haben auch

Psychologiestudenten unzureichende praktische Anwendung von Psychotherapie im

Studium erfahren und müssen deshalb auch eine nebenberufliche Ausbildung zum

Psychotherapeuten an das Studium anschließen.

Seit 1939 dürfen Heilpraktiker in Europa – und nur dort – Psychotherapie leisten. Für

sie ist keine staatlich anerkannte Prüfung zwingend, ein Prüfungsgespräch vor dem

Gesundheitsamt reicht aus.

Wer als Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge als Psychotherapeut tätig werden

möchte, hat durch das Studium nicht genügend Voraussetzungen um

psychotherapeutisch tätig zu werden. Das Studium umfasst Grundlagen der

Psychologie und Kinderpsychologie, Gesprächsführung und Beratung. Nur

Sozialpädagogen ist es möglich, mit einer Zusatzausbildung als Kinder- und

Jugendpsychotherapeut zugelassen zu werden. Aber auch in anderen Arbeitsfeldern

wie Beratungsstellen, Psychiatrien, bei der Suchtarbeit, oder bei der Arbeit mit

Kindern und Jugendlichen, chronisch Kranken oder alten Menschen sind

psychotherapeutische Kenntnisse von großem Nutzen. (vgl. ebd. S. 335ff.)

2.3. Theoretische Ansätze der Kinder- und Jugendpsychotherapie

In der Psychotherapie gibt es über 600 verschiedene Verfahren, von denen die einen

mehr, die einen weniger wissenschaftlich anerkannt sind. Die meiste Bedeutung

finden die Verhaltenstherapie und die Tiefenpsychologische Psychotherapie. Auch

die Familientherapie hat einen wichtigen Stellenwert, vor allem bei der Behandlung

von Kindern und Jugendlichen. Aufgrund ihrer Bedeutsamkeit werden die drei

Ansätze hier kurz vorgestellt. (vgl. ebd. S. 342)

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Verhalten und Empfinden erlernt sind.

Dies geschieht in der Kindheit zum Beispiel durch das Vorbildlernen. Für besonders

wichtig wird das reflexhafte, angeborene Verhalten eingestuft. Durch Erfahrungen

bilden sich im Menschen innere Muster aus, die mit den Kognitionen in Verbindung

stehen. Werden diese Muster durch Lernprozesse ungünstig geprägt, was passiert

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wenn ein Lernprozess falsch oder unpassend verläuft, kann es zu Problemen und

Störungen kommen.

Die Verhaltenstherapie wird meist als Langzeittherapie eingesetzt. Da sie

wissenschaftlich sehr genau erforscht ist, werden die Therapiekosten von den

Krankenkassen übernommen. Eine Ergänzung der Verhaltenstherapie mit anderen

therapeutischen Verfahren ist oftmals nötig, da sich diese nur auf die Arbeit im „Hier

und Jetzt“ beschränkt, die ganze Lebensgeschichte eines Menschen aber dennoch

berücksichtigt werden muss.

Die kognitive Therapie – entwickelt von Albert Ellis und Aaron T. Beck – stellt eine der

wichtigsten Formen der Verhaltenstherapie dar. Sie wird bei Depressionen, Ängsten

oder der Problembewältigung bei akuter Überbelastung eingesetzt. Die Annahme,

dass bestimmte Denkmuster das Erleben und Verhalten des Menschen beeinflussen

steht hier im Vordergrund. Zum Beispiel kann sich die Lebenseinstellung der Eltern

positiv oder negativ auf das Verhalten des Kindes auswirken.

Die lösungsorientierte Verhaltenstherapie setzt sich aus folgenden Schritten

zusammen: zuerst sollen die belastenden Denkmuster erkannt werden, denn der

innere Monolog, welcher die Denkweise bestimmt, nimmt nicht nur auf unser

seelisches und körperliches Befinden Einfluss, sondern auch darauf, wie wir mit

anderen Menschen umgehen. Danach folgt eine Analyse, das heißt es wird

festgestellt, wie sich die Denkmuster genau darstellen und welche Empfindens- und

Verhaltensweisen in der Realität passender wären. Wichtig ist hierbei, dass der

Therapeut keine konkreten Ratschläge erteilt, was zur Abhängigkeit des Patienten

vom Therapeuten führen kann, sondern diesen nur stützt. Der Patient soll selbst

Erfahrungen sammeln und daraus Schlüsse ziehen. Als letzter Schritt wird dann

versucht die neuen Erkenntnisse im Alltag umzusetzen und so auf positive Resonanz

zu stoßen, welche das Leid des Patienten mildert.

Neben der kognitiven Therapie arbeitet die Verhaltenstherapie noch mit anderen

Methoden: das Training sozialer Kompetenzen wird häufig in Gruppen angewandt,

die Verhaltensmedizin hilft chronisch Kranken mit ihrer Krankheit zu leben und die

Sexualtherapie hilft Paaren z.B. Lustlosigkeit zu überwinden. (vgl. ebd. S. 346ff.)

Einsichtsorientierte Therapieverfahren

Einsichtsorientierte Therapieverfahren haben die Entwicklungstheorie der

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Psychoanalyse zur Grundlage. Sie gehen davon aus, dass Verhaltens- und

Erlebensweisen nur geändert werden können, wenn die Ursachen der Probleme

eingesehen werden. Die Ursachen für die Entstehung der Probleme können bis in

die frühe Kindheit zurückreichen. Die Entwicklung des Menschen wird als ein

ständiger Versuch gesehen, Konflikte zwischen den unterschiedlichen Bedüfnissen

und Wüschen – diese können innerseelisch, zwischenmenschlich oder

gesellschaftlich sein – zu lösen.

Die tiefenpsychologische Psychotherapie ist neben der Verhaltenstherapie die am

meisten angewandte Form der Psychotherapie. Neurosen und

Persönlichkeitsstörungen werden durch diese Therapieform behandelt, bei

psychosomatischen Krankheiten wird sie noch durch körperliche Behandlung

ergänzt. Auch die tiefenpsychologische Psychotherapie ist wissenschaftlich

anerkannt, weshalb die Krankenkassen die Kosten der Behandlung tragen. Die

Therapie kann sowohl in Kurz- oder Langzeittherapien erfolgen, jedoch ist sie

meistens längerfristig angelegt. Es sind Gruppen- und Einzeltherapien möglich, die

Treffen mit dem Therapeuten finden einmal wöchentlich statt.

Zwar ist die tiefenpsychologische Psychotherapie mehr an der Lösung aktueller

Probleme interessiert, dennoch wird die Veränderung der inneren Einstellungen des

Patienten angestrebt, da ohne diese Veränderung keine langfristige Besserung

möglich ist. Ziel der Therapie ist es Muster im Erleben zu erkennen und so die

Ursachen und unbewussten Wünsche des Patienten zu erfassen. Dies hilft aktuelle

Konflikte verstehen und anders angehen zu können.

Die Beziehung zwischen Therapeut und Patient spielt in der tiefenpsychologischen

Psychotherapie eine wichtige Rolle. Arbeitet man das Muster in dieser Beziehung

heraus und betrachtet dies unter dem Aspekt der Übertragung (Übertragung stellt

sowohl Grundlage für neurotische Konflikte, als auch einen Versuch der

Selbstheilung dar, denn das Unbewusste versucht auf diese Weise alte Konflikte zu

verarbeiten), kann man so alte Muster auflösen und korrigieren. (vgl. ebd. S. 353f.)

Familientherapie

Die Familientherapie geht davon aus, dass nicht nur die Probleme des Individuums

Beziehungen und Alltag schwierig machen, sondern dass der Kontakt zu anderen

eine Vielzahl an Verflechtungen mit sich bringt, welche problematisch werden

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können.

Seit den 70er Jahren existiert die Familientherapie als eine Spezialform der

Gruppenpsychotherapie. Sie entstand unter dem Einfluss der Sozialarbeit, der

Systemtheorie und der Kybernetik.

In der Familientherapie gibt es mehrere Ansätze: systematische, psychoanalytische,

humanistische und verhaltenstherapeutische. Sie alle gehen davon aus, dass

Familienmitglieder unter gegenseitigem Einfluss stehen und durch ein implizites

Regelwerk verbunden sind. Wenn nun ein Kind zum sogenannten „Problemkind“

wird, sei es weil es aus diesem Regelwerk ausbricht, oder weil die Regeln nicht mehr

tragen, hilft es wenig, nur das betreffende Kind zu behandeln. Dies schlägt in jedem

Fall fehl, da die Familie sowohl Ursache des Problems als auch dessen

Schwierigkeiten darstellt.

Familientherapie beanspruchen eine gewisse Zeit: meist findet alle zwei bis vier

Wochen eine ein- bis zweistündige Sitzung statt.

Das Ziel der Familientherapie ist es, dass bei der Beschreibung des bestehenden

Konfliktes alle Familienmitglieder angehört werden. Dabei haben alle das gleiche

Recht ihre Meinung und Sichtweise darzustellen. Danach spricht man darüber, in

welchen Punkten man sich versteht und wo man kein Verständnis für den anderen

hat. Lösungen können dann zum Beispiel in Rollenspielen ausprobiert werden. Streit

und Auseinandersetzungen innerhalb der Therapie sind normal und ein Zeichen

dafür, dass die Therapie funktioniert. Mit Hilfe von Auseinandersetzungen kann es

gelingen neue Wege im zwischenmenschlichen Umgang innerhalb der Familie zu

finden.

Wichtig ist es, dass die Familie bei der Therapie Prinzipien wie Toleranz und

Flexibilität erlernt.

Als Therapiemethode kommt die Familientherapie zum einen bei allen

familienbedingten Auseinandersetzungen in Betracht und zum anderen bei

Essstörungen oder anderen psychosomatischen Problemen der Kinder. (vgl. ebd. S.

360ff.)

Weitere Ansätze und Arten von Therapien stellen Entspannende und Suggestive

Therapien dar. Diese sollen helfen, seelische und körperliche Verspannungen zu

lösen bzw. wollen unerwünschte Verhaltensweisen des Patienten unterschwellig

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beheben. Hierunter fallen Methoden wie das Autogene Training, die Progressive

Muskelrelaxation, Neurolinguistisches Programmieren, sowie die Hypnosetherapie.

(vgl. ebd. S. 366ff.)

Des Weiteren gibt es erlebnisorientierte Therapieverfahren. Hier werden die in der

Therapiestunde auftretenden Gefühle versprachlicht um so Verbindungen mit

Ereignissen in der Vergangenheit aufzudecken. Als Beispiele sind hier die

Konzentrative Bewegungstherapie, das Psychodrama, die Bioenergetik, die

Gestaltungstherapie oder Bildnerische Therapie und die Tanz- und Musiktherapie.

(vgl. ebd. S. 371ff.)

3. Wege zum Kinder und Jugendtherapeuten

3.1. Ausbildung

Es gibt zwei Wege, die Erlaubnis zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zu

erwerben. Der direkte Weg ist die Ausbildung zum Kinder- und

Jugendpsychotherapeuten. Die Ausbildung findet deutschlandweit an psycho-

logischen Instituten statt.

Der zweite Weg führt über den Erwerb einer Zusatzqualifikation nach Abschluss der

Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten, dessen Klientel Erwachsene

sind. Die Zusatzqualifikation zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, die

ungefähr ein Jahr dauert, wird ebenfalls von psychologischen Instituten angeboten.

Im Folgenden soll die direkte Ausbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten

näher erläutert werden.

3.2. Gesetzliche Grundlagen

Die gesetzlichen Grundlagen für den Beruf des Kinder- und Jugendpsycho-

therapeuten (KJP) sind im bundesweiten Psychotherapeutengesetz, kurz PsychThG,

verankert. Dieses trat am 01.01.1999 in Kraft und schließt neben gesetzlichen

Bestimmungen für den Beruf des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten auch das

Berufsbild des Psychologischen Psychotherapeuten (PP) mit ein. Beide

Ausbildungen sind weitgehend analog aufgebaut. Wesentlicher Unterschied ist

jedoch, dass sich die Ausbildung zum KJP auf das Patientenklientel von Kinder und

Jugendlichen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres bezieht, wohingegen der PP

Erwachsene behandelt.

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In § 8 des PsychThG sind die rechtsgültigen Ausbildungs- und Prüfungsver-

ordnungen festgesetzt. Bei diesen Rechtsverordnungen handelt es sich zum einen

um die „Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichen-

Psychotherapeuten“ (KJPsychTh-APrV) und zum anderen um die „Ausbildungs- und

Prüfungsver- ordnungen für Psychologische Psychotherapeuten“ (PsychoTh-APrV).

(vgl. ebd. S.8 f.)

3.3. Vorrausetzungen

Die Ausbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten steht neben

Psychologen auch anderen Berufsgruppen offen. Zulassungsvoraussetzungen zur

Ausbildung sind das Psychologie- Diplom mit Einschluss des Fachs Klinische

Psychologie oder das abgeschlossene Hochschulstudium in Pädagogik oder

Sozialpädagogik. Aufgrund der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen

sind die Zulassungsvorrausetzungen zur Ausbildung momentan in Umbruch

begriffen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in Zukunft ein Masterabschluss als

Zulassungsvorrausetzung für die Ausbildung erforderlich sein wird. (vgl. ebd. S.32)

3.4. Aufbau der Ausbildung

Nach dem Psychotherapeutengesetz kann die Therapieausbildung innerhalb von drei

Jahren in Vollzeit oder innerhalb von fünf Jahren als Teilzeitausbildung erfolgen. (vgl.

ebd. S. 10)

Insgesamt beinhaltet die Therapieausbildung mindestens 4200 Stunden und setzt

sich aus folgenden Ausbildungsbestandteilen zusammen:

- Theoretische Ausbildung (Mindestanzahl der Stunden: 600)

- Selbsterfahrung (Mindestanzahl der Stunden: 120)

- Praktische Tätigkeit (Mindestanzahl der Stunden: 1800)

- Zwischenprüfung (vorläufige Approbation)

- Praktische Ausbildung (Mindestanzahl der Stunden: 750)

- Wahlpflichtangebot (Mindestanzahl der Stunden: 930)

Die Ausbildung endet mit dem Bestehen der staatlichen Prüfung, die sich aus einem

schriftlichen und mündlichen Teil zusammensetzt. Die Prüfung muss bei den

jeweiligen Landesprüfungsämtern angemeldet und abgelegt werden. Nach

bestandener Prüfung kann die Approbation beantragt werden. (vgl. ebd. S. 21)

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Innerhalb der gesetzlich festgelegten Richtlinien können die Schwerpunktsetzungen

der einzelnen Ausbildungsinstitute jedoch variieren. Die Unterschiede zeigen sich vor

allem durch Schwerpunktsetzungen bei den wissenschaftlich anerkannten

Psychotherapieverfahren. Weiterhin sind unterschiedliche zeitliche Gewichtungen bei

der Vermittlung der Ausbildungsinhalte möglich.

Aus diesem Grunde ist es ratsam, vor Beginn einer Ausbildung genauere

Informationen über Ausbildungsinhalte und Schwerpunktsetzungen der einzelnen

Ausbildungsinstitute einzuholen.

3.4.1. Theoretische Ausbildung

In der theoretischen Ausbildung werden Grundkenntnisse für die psycho-

therapeutische Tätigkeit und im Rahmen der vertiefenden Ausbildung Spezial-

kenntnisse in einem wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen

Verfahren vermittelt. Zu den wissenschaftlich anerkannten Verfahren zählen die

tiefen- psychologisch fundierte und analytische Psychotherapie, die

Verhaltenstherapie sowie die Gesprächspsychotherapie.

Die Vermittlung der Grundkenntnisse umfasst mindestens 200 Stunden, die

vertiefende Ausbildung ist auf mindestens 400 Stunden festgesetzt.

Die theoretische Ausbildung erstreckt sich meist über den gesamten Ausbildungs-

verlauf. (vgl. ebd. S.12)

3.4.2. Selbsterfahrung

Die Selbsterfahrung wird nach Maßgabe der einzelnen Ausbildungsinstitute in

Einzel- oder Gruppensettings durchgeführt. Der festgesetzte Zeitpunkt der

Selbsterfahrung kann prinzipiell vom jeweiligen Ausbildungsinstitut und

Ausbildungsteilnehmer unterschiedlich angesetzt werden. Oftmals findet die

Selbsterfahrung jedoch am Anfang der Ausbildung statt.

In der Selbsterfahrung geht es maßgelblich um das Selbsterleben in der

Therapie. Themen der Selbsterfahrung können sich beispielsweise auf

biographische Aspekte, auf die Reflexion einschneidender Erlebnisse und ihre

Auswirkungen auf das eigene psychotherapeutische Erleben und Handeln oder

auf aktuelle Lebensthemen beziehen. Das Ziel der Selbsterfahrung ist die

Reflexion des Selbsterlebens in der Psychotherapie.

Die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl der Selbsterfahrungsstunden beläuft sich

auf 120 Stunden. Je nach Therapierichtung der einzelnen Ausbildungsinstitute

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kann die Anzahl der Stunden jedoch variieren. Den größten Stellenwert nimmt die

Selbsterfahrung in der psychoanalytischen Therapieausbildung ein. Hierbei

werden meist 250 Stunden veranschlagt und die Selbsterfahrung findet fast

ausschließlich in Einzelsitzungen statt. (vgl. ebd. S.14 f.)

3.4.3. Praktische Tätigkeiten

Die praktische Tätigkeit umfasst insgesamt 1800 Stunden. Davon sind 1200

Stunden in einer psychiatrisch klinischen Einrichtung (Psychiatriejahr) und 600

Stunden in einer von einem Sozialversicherungsträger anerkannten Einrichtung

der psychotherapeutischen oder psychosomatischen Versorgung

(Psychosomatikhalbjahr) abzuleisten.

„Ziel der praktischen Tätigkeit ist der Erwerb praktischer Erfahrungen in der

Behandlung von krankheitswertigen Störungen“(ebd. S.12). Hierbei sollen die

Ausbildungsteilnehmer an Diagnostik und Behandlung von 30 Patienten

unterschiedlicher Störungs- und Chronifizierungsgrade über einen längeren

Zeitraum beteiligt werden (vgl. ebd. S. 12).

3.4.4. Zwischenprüfung

Vorraussetzung für den Beginn der praktischen Ausbildung ist die zuvor

bestandene Zwischenprüfung, auch vorläufige Approbation genannt. Die

Zwischenprüfung wird von den einzelnen Ausbildungsinstituten selbst gestaltet

und kann daher unterschiedliche Formen annehmen. Die vorläufige Approbation

schließt eine Behandlungserlaubnis unter Supervision mit ein. (vgl. ebd. S. 20)

3.4.5. Praktische Ausbildung

In der Praktischen Ausbildung, die 600 Stunden umfasst, sollen die erworbenen

Kenntnisse der Ausbildungsteilnehmer über psychische Störungen vertieft

werden. Das Ziel ist, den angehenden Psychotherapeuten praktische

Kompetenzen in der Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen zu

vermitteln. Dies geschieht durch eigenständige Behandlung ambulanter Patienten

mit unterschiedlichen Störungsbildern. Zu den Aufgabenbereichen zählen somit

die Diagnostik, die Indikationsstellung und die Evaluation der

Behandlungsfortschritte der Patienten. Darüber hinaus fallen jedoch noch weitere

Aufgaben und Tätigkeiten an, die nicht den 600 Stunden zugerechnet werden.

Hierzu zählen beispielsweise fortlaufende Dokumentation der Tätigkeit, Vor- und

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Nachbereitung der Therapiestunden, Beantragung der Psychotherapie bei den

Krankenkassen oder die Abrechnung der Leistungen. (vgl. ebd. S.13)

3.4.6. Supervision

Bestandteil der praktischen Ausbildung ist die Supervision, in der die behandelten

Fälle supervidiert werden. Nach dem Psychotherapeutengesetz sind mindestens

150 Stunden Supervision durchzuführen. Hiervon müssen mindestens 50

Stunden als Einzelsupervision erfolgen. Die Supervisionsstunden sind bei

mindestens drei Supervisoren abzuleisten und regelmäßig auf die

Behandlungsstunden zu verteilen (vgl. ebd. S.14).

3.4.7. Wahlpflichtangebot

Die verbleibenden 930 Stunden, die zur Erfüllung der gesetzlich festgelegten

Stundenanzahl von 4200 Stunden in der Therapieausbildung erforderlich sind,

werden durch die Wahlpflichtangebote, kurze freie Spitze, der einzelnen

Ausbildungsinstitute gestaltet. Dementsprechend können die geforderten

Aufgaben sehr unterschiedlich sein und sich auf verschiedene Themen beziehen.

So kann sich das Wahlpflichtangebot beispielsweise auf das Literaturstudium

während der Ausbildung, auf die Dokumentation der Fälle der praktischen

Ausbildung, auf Vor- und Nachbereitung von Supervisionen,

Prüfungsvorbereitungen, Forschungstätigkeiten oder die Teilnahme an

zusätzlichen Tagungen und Lehrveranstaltungen beziehen. (vgl. ebd. S.16 ff.)

3.5. Kosten der Ausbildung

Die reinen Kosten der Ausbildung liegen meist zwischen 10 000 und 25 000 Euro.

Die unterschiedlich hohe Kostenspanne lässt sich durch die verschiedenen

Anforderungen der Ausbildungsinstitute erklären. Ausbildungen in der psycho-

analytischen Psychotherapie sind in der Regel weitaus teurer, da hierbei höhere

Anforderungen an die Anzahl der Stunden der praktischen Ausbildung und somit

auch an die Supervision gestellt werden.

Neben den reinen Kosten der Ausbildung muss allerdings die gesamte finanzielle

Belastung berücksichtigt werden. Da es sich hierbei oftmals um variable Kosten

handelt, ist es schwierig die Gesamtkosten der Ausbildung anzugeben. Unter

Berücksichtigung von beispielsweise Anfahrtskosten, Lebensunterhaltskosten und

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Einkommensverlusten können sich die Gesamtkosten der Ausbildung zwischen

60 000 und 100 000 Euro bewegen. (vgl. ebd. S.50 ff.)

3.6. Institut für psychologische Fachberatung und Fortbildung IPPF

Das Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Freiburg e.V., kurz IPPF, wurde

im Jahr 1965 gegründet und ist seit dem ein Weiterbildungsinstitut für

„Psychoanalyse und Psychotherapie der Deutschen Psychoanalytischen

Gesellschaft (DPG) sowie der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse,

Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie (DGPT) für ÄrztInnen und

DiplompsychologInnen“. Das IPPF bildet zu dem seit 1973 Kinder- und

Jugendlichenpsychotherapeuten aus. Seit dem Jahr 2004 stellt das IPPF auch ein

Aus- und Weiterbildungsinstitut der Vereinigung Analytischer Kinder- und

Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP) dar. Die Ausbildungen zum/zur

Psychologischen PsychotherapeutIn und zum/zur Kinder- und Jugendlichen-

PsychotherapeutIn sind nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) staatlich

anerkannt.

Das IPPF stützt sich auf die psychoanalytische Wissenschaft, die Lehre und die

Therapie, welche von Sigmund Freud begründet wurde und hat sich deren

Weiterentwicklung, Pflege und dessen Verbreitung zur Aufgabe gemacht.

Das Institut bietet:

• Aus- und Weiterbildung

• Förderung der kontinuierlichen Weiterbildung der Institutsmitglieder

• Interkollegialen und wissenschaftlichen Austausch in Arbeitsgruppen und

Vortragsveranstaltungen

• Wissenschaftliche Forschung in Psychoanalyse, Psychosomatik und

Psychotherapie

3.6.1. Aus- und Weiterbildung

Die Angebote des IPPF richten sich nicht nur an ÄrztInnen und Diplom-

PsychologInnen, sondern ebenso an DiplompädagogInnen,

DiplomsozialarbeiterInnen, DiplomheilpädagogInnen, Diplomsonder-

pädagogInnen sowie an LehrInnen.

.

Teile der Ausbildung sind, die Lehranalyse, die theoretische Ausbildung, welche

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z.B. Seminare und Vorlesungen beinhaltet sowie die praktische Ausbildung, bei

der z.B. die Behandlung unter Supervision zu nennen wäre. Um einen Abschluss

zu erreichen, sind nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) ebenso

Praktika an psychiatrisch-psychotherapeutischen Kliniken vorgeschrieben, welche

durch das IPPF vermittelt werden.

3.6.2. Aus- und Weiterbildungsangebote im IPPF

• Weiterbildung zum/zur PsychoanalytikerIn

• Weiterbildung zum/zur Analytischen Kinder- und Jugendlichen-

Psychotherapeuten/in

• Ausbildung zum/zur Psychologischen PsychotherapeutIn nach dem

Psychotherapeutengesetz (PsychThG)

• Ausbildung zum/zur Kinder- und Jugendlichen-PsychotherapeutIn nach dem

Psychotherapeutengesetz (PsychThG)

• Weiterbildung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung "Psychoanalyse" und der

Zusatzbezeichnung "Psychotherapie"

3.6.3. Kosten

Die Ausgaben, welche im Laufe der Aus- oder Weiterbildung an das Institut zu

zahlen sind, belaufen sich insgesamt, nach Schätzungen des IPPF, auf 44.660 –

57.660 Euro. Berücksichtig sind dabei z.B. die Aufnahmegebühr von 50 Euro,

sowie die monatliche Institutsgebühr von 60 bis 80 Euro, hinzukommen die

Zahlungen für das Vorkolloquium, die Lehranalysen oder die Einzel-

Supervisionen. Nicht berücksichtigt wurden allerdings, die Ausgaben für die

Literatur, die nicht-bezahlten Praktika, die zu zahlenden Raummieten, falls im

Institut behandelt wird, und die Kosten für die staatliche Abschlussprüfung. Die

geschätzten Einnahmen, welche man im Gegenzug dazu macht, belaufen sich

hingegen auf 61.120 Euro. Darunter fallen die Einnahmen für Erstuntersuchungen

und Behandlungsstunden.

4. Eingliederungshilfe durch das Psychotherapeutengesetz für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche

Die Eingliederungshilfe von seelisch behinderten Kindern und Jugendlichen mit

Unterstützung von Psychotherapeuten und Ärzten ist in § 35 a SGB 8 erläutert.

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Hierbei wird der Anspruch auf Eingliederungshilfe bei seelischer Behinderung

beziehungsweise drohender Behinderung hervorgehoben.

Eine seelische Behinderung wird hier nicht als eine persönliche Eigenschaft, sondern

als eine soziale Situation aufgrund individueller und gesellschaftlicher Faktoren

definiert. Anstelle der Orientierung an Defiziten, steht die Orientierung am Ziel der

gesellschaftlichen Teilhabe der Kinder und Jugendlichen im Mittelpunkt.

Die Vorraussetzungen für den Anspruch auf Eingliederungshilfe sind in Abs. 1 SGB 8

näher beschrieben. Eine Tatbestandsvoraussetzung liegt dann vor, wenn die

seelische Gesundheit eines Kindes oder Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit

länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht

und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt oder eine solche

Beeinträchtigung zu erwarten ist. Kinder und Jugendliche haben nach § 35 a SGB 8

bei Vorliegen einer Tatbestandvoraussetzung einen zwingenden Rechtsanspruch auf

Eingliederungshilfe.

Die Grundlage für die Beurteilung, ob gem. § 35 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB 8 eine

Abweichung von der seelischen Gesundheit vorliegt, ist die Internationale

Klassifikation psychischer Störungen, kurz ICD-10 (International Statistical

Classification of Diseases and Related Health Problems). Für psychische Störungen

des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 wurde ein spezielles multimaxiales

Klassifikationsschema eingeführt, das als fachliche Grundlage dient, um seelische

Behinderungen bei Kindern und Jugendlichen festzustellen.

Während die Beurteilung, ob die seelische Gesundheit von dem für das Lebensalter

typischen Zustand abweicht Aufgabe der in § 35 a Abs. 1a SGB 8 erwähnten

Psychotherapeuten und Ärzten ist, fällt die Einschätzung, ob die Teilhabe des

Minderjährigen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche

Beeinträchtigung droht, in den Aufgabenbereich der Fachkräfte der Jugendhilfe.

Hierbei ist also eine interdisziplinäre Kooperation erforderlich.

Obgleich die Verantwortung nach § 36 a SGB 8 für die verfahrensmäßige und

fachlich- inhaltliche Steuerung des Hilfeprozesses der Kinder und Jugendlichen dem

Jugendamt obliegt, müssen bei der Entscheidung über die im Einzelfall

angemessene Hilfeart mehrere Fachkräfte zusammenwirken. Der Zusammenarbeit

mit einem Psychotherapeuten oder Arzt kommt hierbei eine zentrale Rolle zu.

Erscheinen Leistungen der Eingliederungshilfe erforderlich, so ist in der Regel der

Psychotherapeut oder Arzt, der das Vorliegen einer seelischen Störung diagnostiziert

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hat an der Hilfeplanung zu beteiligen. Seine Aufgabe besteht darin, dass bei der

Auswahl der Hilfe dem von ihm festgestellten Störungsbild Rechnung getragen wird.

(vgl. Mündner/Wiesner 2007, S.275 ff.)

5. Beispiele

5.1. Werdegang

a) Frau Wirth

Frau Monika Wirth studierte zunächst Sonderschullehramt in Marburg und Giessen.

Allerdings machte sie anschließend kein Referendariat, da sie im Laufe der

Studienzeit merkte, dass ihre Berufswahl falsch war. Deshalb schloss sie das

Studium Diplom Sozialpädagogik an. Während dieser Zeit war sie in der

Heimerziehung tätig, wo sie sehr viele Erfahrungen in der Praxis sammeln konnte.

Nach Abschluss des Studiums sahen die Berufschancen eher schlecht aus weshalb

sie sich entschied eine Ausbildung zum Kinder- und Jugendpsychotherapeuten zu

beginnen. Sie wählte während ihrer Ausbildung die psychoanalytische Richtung, weil

diese neben der Verhaltenstherapie in das, damals noch aktuelle,

Delegationsverfahren kam.

Nach ihrer Ausbildung arbeitete sie in einem Delegationsverfahren, was bedeutet,

dass sie nur auf Anweisung eines Arztes therapieren durfte. 1999 trat das

Psychotherapeutengesetz in Kraft, wodurch die Tätigkeit als Psychotherapeut ein

eigenständiges Berufsfeld wurde und nicht mehr auf Delegationen angewiesen war.

Sie konnten ab diesem Zeitpunkt eigenständig mit den Krankenkassen abrechnen.

Frau Wirth übernahm in diesem Jahr ihre Teilzeitpraxis, die sie sich bis heute mit

zwei weiteren Kollegen teilt. Heute ist sie außerdem in der Ambulanz des Institutes

für Psychoanalyse und Psychotherapie Freiburg e.V. (IPPF) tätig. Dort leitet sie

Seminare für die Auszubildenden und führt Supervisionen durch. Damit erfährt sie

neben ihrem Beruf als Therapeutin eine willkommene Abwechslung. Da Frau Wirth

ihren Beruf als kollegial einsamen Beruf beschreibt, trifft sie sich einmal wöchentlich

mit fünf weiteren Psychotherapeuten zum Gespräch. Hier haben sie die Möglichkeit

sich auszutauschen, über berufliche Probleme zu reden und sich gegenseitig

Ratschläge zu geben. Durch diese Treffen kann die Psychotherapeutin neue Energie

für die weitere Arbeit mit den Klienten schöpfen.

b) Herr Schlager

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Herr Schlager begann zunächst mit einem Medizinstudium, welches er mit dem

Examen beendete. Da er mehr über das menschliche Verhalten erfahren wollte,

folgte eine Facharztausbildung in der Neurologie. Er erfuhr zwar viel über chronische

Krankheiten, wie Multiple Sklerose, jedoch nur wenig über das menschliche

Verhalten. Herr Schlager wollte sein medizinisches Wissen nun endlich anwenden

können und entschied sich daraufhin seinen Rucksack zu packen und nach New

York zu fliegen.

Er nahm zunächst in Harlem in den USA, bedingt durch seine neurologische

Ausbildung, eine neurochirurgische Stelle an. Er blieb allerdings nicht lange, denn

ein Freund ermutigte ihn nach St. Louise zu gehen, um sich dort nach einer anderen

Stelle um zu schauen. In St. Louise bekam er schließlich auch ein Angebot in der

Pädiatrie, der Kinderheilkunde, wo er erstmals die Medizin, durch die Anwendung,

verstehen lernte. Zum ersten Mal erhielt er richtige Einblicke in die Medizin, von

Frühgeburten bis hin zu Notfällen bei Jugendlichen. Als ihm in Toronto ebenfalls eine

Stelle in der Pädiatrie angeboten wurde, nahm er diese an und machte vor Ort

seinen Facharzt.

Nachdem er dies alles abgeschlossen hatte, wollte Herr Schlager neben der

neurologischen Ausbildung ebenso die Psychiatrie in Blickfeld nehmen und

entschied sich, dort für eine Stelle zu bewerben. Er bekam ein Angebot in der

Erwachsenenpsychiatrie und nahm diese an. Zudem riet man ihm zusätzlich eine

einjährige Ausbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu machen, um sich

diese anerkennen zu lassen. Das Jahr in der Kinderpsychiatrie öffnete ihm

letztendlich die Augen, da es für Herrn Schlager die ideale Kombination von

Pädiatrie, Neurologie und Psychiatrie darstellte.

Während seiner Psychiatrieausbildung wurden psychoanalytische

Selbsterfahrungsgruppen angeboten, wodurch Herr Schlager die Möglichkeit bekam,

über sich selbst, seine Arbeit mit und im Team nach zu denken. Herr Schlager

entschied sich, auch durch den Rat eines Kollegen, selbst in eine Psychotherapie zu

gehen, um „am eigenen Leib“ etwas darüber zu lernen und zu erfahren und nicht nur

die Theorie zu lernen. Die Erfahrung, jede Woche zur selben Uhrzeit mit einer

Person zu sprechen empfand er als sehr interessant, da er dadurch selbst einmal auf

dem „empfangenden Ast“ sitzen konnte, was in der Psychotherapie elementar ist.

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Durch diese Selbsterfahrung wurde ihm die Seite der Psychotherapie, im Gegensatz

zur Psychiatrie, näher gebracht.

Am Ende seiner Ausbildung zum Kinderpsychiater bekam er eine Stelle für eine

Ausbildung in der Familientherapie in einer kinderpsychiatrischen Klinik, der „Child

Guidance Clinic“ in Philadelphia. Dies war nun eine ganz andere Art von

Psychotherapie: nicht mehr psychoanalytische Psychotherapie, sondern

Familientherapie und systemische Therapie. Wichtig hierbei sind zum einen Fragen

nach der Entstehung und des Ursprungs der Probleme und zum anderen danach,

wie eine normale Entwicklung abläuft und wie die menschliche und psychische

Entwicklung, angelehnt an die Eriksonphasen, erfolgt. Von ebenso großer Bedeutung

sind eine Theorie und eine klare Vorstellung darüber, wie der Mensch sich vom

Fötus bis zum alten Menschen entwickelt.

5.2. Arbeitsalltag

a) Frau Wirth

Frau Wirth arbeitet in der Woche mit 15 bis 20 Klienten. Im Moment besuchen sie 26

Klienten im Alter von 4,5 bis 20 Jahren regelmäßig. Die Länge einer Therapieeinheit

beträgt bei ihr 50 Minuten. Zwischen den Sitzungen nimmt sie sich Zeit für

zehnminütige Reflexionspausen. Hierbei macht sie sich Gedanken über den Klienten

und ihr weiteres Vorgehen. Generell behandelt Frau Wirth 2-stündig, was bedeutet,

dass sie mit jedem Klienten zweimal die Woche arbeitet. Dies hat einen schnelleren

und dichteren Prozess zur Folge. Sie beschreibt Therapiebeginne als ungewiss, da

noch alles relativ unsicher ist und man noch keine Beziehung zueinander aufgebaut

hat.

Die Dauer der Gesamttherapie ist sehr unterschiedlich. Sie beträgt zwischen 70 und

150 Stunden, wobei 150 Stunden nur bei ganz schweren Fällen angewendet werden.

Bei ihr dauert eine Langzeittherapie meist 120 Stunden. Eine Kurzzeittherapie

wendet sie hingegen oft bei Jugendlichen an, die sich noch nicht sicher sind, ob sie

überhaupt eine Therapie wollen. In diesem Fall ist es eine Probetherapie. Des

Weiteren werden Kurzzeittherapien zur Krisenintervention angewandt.

5.2.1. Gründe für eine Therapie

a) Frau Wirth

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Als Gründe für eine Therapie nennt Frau Wirth unter anderem Essstörungen

und Selbstzerstörung, welche zu Suizid führen können und bei Mädchen

häufiger als bei Jungen diagnostiziert werden. Aggressivität und ADHS sind

Probleme, die häufiger bei Jungen als bei Mädchen vorkommen. Des Weiteren

gibt sie Trennungsängste als Grund für eine Therapie an, welche Angst vor dem

allein sein beinhalten. Auch kommen Jugendliche aufgrund psychosomatischer

Störungen wie z.B. Hautproblemen und Schlafstörungen zu einem

Psychologen. Weitere Gründe sind familiäre Störungen, Zwangsstörungen und

Depressionen.

Mögliche Ursachen für die Entstehung genannter Störungen, sieht Frau Wirth

unter anderem in den Bedingungen der heutigen Gesellschaft. Die heutige

Gesellschaft ist schnelllebiger und anonymer, was das einzelne Individuum in

Krisen stürzen kann. Auch in der Schule stehen die Kinder und Jugendlichen

unter hohem Leistungsdruck, dem sie möglicherweise nicht gerecht werden

können. Es fehlt ihnen an Freiräumen, in denen sie nicht kontrolliert und

beaufsichtigt werden und so sein können wie sie gerne möchten. Ein weiteres

Problem der heutigen Gesellschaft sieht Frau Wirth darin, das eine familiäre

Distanzierung gegenüber der Gesellschaft nur schwer möglich ist. So wirken

sich gesellschaftliche Normen auf die familiären Strukturen aus, was dazu führt,

dass Kinder unter hohem Normierungsdruck leiden. Ständig werden sie mit

anderen Kindern verglichen und es wird erwartet, dass sie das Selbe leisten

und können wie andere. Sie sieht ihre Aufgabe darin, den Kindern

Selbstvertrauen zu vermitteln. Ganz nach dem Motto: Jeder ist individuell

unterschiedlich, aber nicht schlechter oder besser als andere!

5.2.2. Vorgehensweise – Fallmanagement

a) Frau Wirth

Zu Beginn der Therapie kommen häufig die Klienten oder deren Eltern

selbstständig zu einem Informationsgespräch zu Frau Wirth. In anderen Fällen

kann es aber auch eine Institution sein, die eine solche Therapie empfiehlt (z.B.

Jugendamt oder Kinderheime). Wer genau den Wunsch nach einer Therapie

äußert, ist von der Entwicklung des Klienten abhängig.

Bei Kindern kommt es sehr oft vor, dass sich die Eltern mit einem bestimmten

Problem des Kindes an den Therapeuten wenden. Sie haben den Wunsch,

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dass das Problem behoben wird. Kinder sind in Bezug auf die Therapie

wesentlich offener, weil sie den Rahmen der Therapie unkomplizierter

annehmen können, als Jugendliche im Alter von 12 bis 14 Jahren. Bei

Jugendlichen in diesem Alter ist es oft so, dass die Eltern bei

Leistungseinbrüchen in der Schule auf Probleme aufmerksam werden und mit

Hilfe einer Therapie etwas dagegen machen wollen. In solchen Fällen gestaltet

sich die Therapie oft als schwierig, weil die Jugendlichen keine eigene

Motivation mitbringen. Hier gilt es als Aufgabe des Therapeuten zu Beginn erst

einmal Motivationsarbeit zu leisten. Bei Jugendlichen zwischen 16 und 17

Jahren und älter, kommen die Jugendlichen meist aus eigener Motivation und

haben selbst ein großes Interesse daran, ihr Problem zu lösen.

Nachdem der Wunsch von Seiten des Klienten oder dessen Familie geäußert

wurde, beginnt die Arbeit des Therapeuten. Diese erste Phase bezeichnet Frau

Wirth als Propatorikphase (Orientierungsphase). In dieser Phase will sie den

Klienten kennenlernen, um anschließend beurteilen zu können, ob diese Form

der psychoanalytischen Therapie das Richtige für ihn ist. Diese Phase dauert in

der Regel drei bis fünf Sitzungen, manchmal allerdings auch acht. Die erste

dieser Sitzungen beinhaltet das Kennenlernen der Familie. Die weiteren

Sitzungen der Propatorikphase erfolgen in Einzelgesprächen, in denen ein

Gespür für den Klienten entwickelt werden soll. Auch die Frage, ob die

zwischenmenschliche Vertrauensbasis zwischen Therapeut und Klienten

übereinstimmt, soll hier geklärt werden. Nach dieser Phase entscheidet Frau

Wirth, ob die Form der Therapie die Richtige ist.

Nach dieser Phase wird die Therapie bei den Krankenkassen beantragt. Die

Therapie kann erst fortgesetzt werden, wenn eine Kostenzusage erfolgt ist.

Grundsätzlich führt Frau Wirth die Therapie meist in Einzelgesprächen mit den

Klienten und deren Eltern durch. Das Verhältnis beträgt vier zu eins, was

bedeutet, dass sie vier Gespräche mit dem Jugendlichen und ein Gespräch mit

den Eltern führt. Der Grund, den sie dafür sieht, ist, dass jeder der beiden

Parteien seinen eigenen Rahmen braucht. Von den Gesprächen gibt sie an die

Eltern bzw. Jugendlichen nur die Probleme weiter, die die Eltern mit dem Kind

haben oder umgekehrt. Alles andere unterliegt dem Schweigegebot.

Frau Wirth macht ebenfalls deutlich, dass wenn eine Therapie keine Fortschritte

macht, es manchmal sinnvoller ist, diese zu beenden und sie zu einem späteren

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Zeitpunkt wieder aufzunehmen. Ein möglicher Grund für einen frühzeitigen

Abbruch kann sein, dass die Loslösung zwischen Eltern und Kind noch nicht

stattgefunden hat und dies die Therapie behindert.

b) Herr Schlager

Herr Schlager geht bei einer Therapie folgendermaßen vor. Er lädt die Klienten

zu einem Vorgespräch ein und untersucht den Fall, d.h. ob er nun als

Psychiater neurologische Test durchführen muss und Medikamente einsetzt

oder eine Gesprächstherapie, Psychoanalyse, Verhaltenstherapie, oder

systemische Therapie anwenden muss. Oftmals mischt er auch die

verschiedenen Formen, um klientenspezifisch handeln zu können. Zudem

arbeitet er gerne auch mit seiner Angestellten, einer Kunsttherapeutin

zusammen. Zum Beispiel berichtete Herr Schlager von einer Klientin, die

Alkoholikerin ist und in ihrer Kindheit wahrscheinlich unter einem unentdeckten

ADHS litt. Sie und ihr Lebensgefährte kamen zur Therapie und Herr Schlager

bat seine Angestellte als Co- Therapeutin dazu, damit die Klientin nicht das

Gefühl hatte ausschließlich mit zwei Männern konfrontiert zu sein.

5.2.3. Methoden/Fallbeispiele (Kinder/Jugendliche)

a) Frau Wirth

Frau Wirth beschreibt das analytische Vorgehen innerhalb des

Therapieprozesses, indem sie deutlich macht, dass es wichtig ist, erst einmal

auf die Probleme des Kindes oder des Jugendlichen einzugehen. Hierbei stellt

sich die Therapeutin immer wieder die Frage, wo die Probleme liegen, woher

diese stammen und welche Ursachen eventuelle Entwicklungsbrüche haben.

Innerhalb der Therapiestunden macht Frau Wirth dem jeweiligen Klienten

deutlich, dass die Stunde alleine ihm gehört, dass er sich mitteilen und erzählen

darf, was ihn bewegt und belastet. In ihrer Arbeit mit dem Klienten verwendet

die Therapeutin unterschiedliche Methoden bei Kindern und Jugendlichen.

Bei Kindern wendet Frau Wirth oft Rollenspiele an oder lässt die Kinder etwas

Malen. Dies sieht sie als geeignete Methoden an, da sich Kinder meist verbal

noch nicht richtig ausdrücken können. Durch Rollenspiele oder gestalterische

Verfahren wird deutlich, was die Kinder bewegt und wo ihre Probleme liegen.

Aber auch Erzählungen der Kinder können helfen die Dilemmata der Kinder zu

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erfahren. Diese Gespräche lösen bei den Kindern einen Prozess aus, der dabei

helfen kann das Problem zu bewältigen.

Frau Wirth arbeitet mit der Methode der Inszenierung, die besagt, dass die

Kinder ihren Gefühlen während der Therapie freien Lauf lassen können und im

Prinzip alles dürfen, jedoch ohne jemanden dabei zu verletzen. So kommt

beispielsweise ihre Wut zum Ausdruck und sie lernen im Laufe der Therapie mit

dieser umzugehen beziehungsweise sie zu regulieren. Sie lernen Erfahrungen,

zum Beispiel den Umgang mit Wut, aus der Therapie in den Alltag zu

integrieren. Diese Methode bezeichnet Frau Wirth als Integrationsarbeit.

Jugendliche hingegen lässt sie einfach nur erzählen. Hierbei hat sie die

Beobachtung gemacht, dass es diesen leichter fällt zu erzählen, wenn sie

nebenbei abgelenkt werden. Fragestellungen, denen dabei nachgegangen

werden sollen, sind: Was passiert mit mir? Wo stehe ich? Was macht mir

Probleme?

Neben der Arbeit mit dem Klienten selbst, führt Frau Wirth begleitend

Elternarbeit durch. Diese Arbeit kommt vorwiegend bei der Arbeit mit Kindern

vor, da Jugendliche oft während der Therapie keinen Kontakt ihrerseits zu den

Eltern wünschen. Während der Arbeit mit den Eltern stehen folgende Fragen im

Vordergrund: Was macht den Eltern zu schaffen und was bereitet ihnen

Sorgen? Frau Wirth betont nochmals, dass sie diese Arbeit als sehr wichtig

empfindet, da so ein vertrauensvoller Prozess sowohl mit den Kindern als auch

mit den Eltern entstehen kann.

Insgesamt vergleicht Frau Wirth ihre Arbeit mit einem Mosaik, in dem Stein für

Stein etwas zusammengebaut wird. Sowohl die Kinder und Jugendlichen als

auch der Therapeut sind bildlich gesprochen Forscher, die gemeinsam

versuchen ein bestimmtes Problem zu lösen, indem sie die verschiedenen

Steine zu einem Ganzen zusammensetzen, um so dem Problem auf die Spur

zu kommen und es zu lösen. In der Tätigkeit als Therapeut, egal welchen

Ansatz man verfolgt, ist es wichtig immer in und mit der Beziehung zu dem

Klienten zu arbeiten.

b) Herr Schlager

Ein Beispiel aus Herr Schlagers Praxis ist eine Roma Familie, die seit 8 Jahren

bei ihm in Therapie ist, allerdings nicht regelmäßig, wie zu Anfang der Therapie.

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Zu dieser Familie gehört eine dreizehnjährige Tochter bei der festgestellt wurde,

dass sie eine verminderte Intelligenz besitzt. Rein äußerlich ist dies nicht

erkennbar, jedoch neigt sie häufiger zu aggressivem Verhalten. Es kam vor,

dass Herr Schlager nachts die Familie besuchen musste, um die Tochter zu

beruhigen. Bisher ist ungeklärt, worin die Gründe für das aggressive Verhalten

des Mädchens liegen.

Eine Möglichkeit könnte sein, dass ihre Kommunikationsfähigkeit stark

eingeschränkt oder unterentwickelt ist und sich durch das auffällige Verhalten

mitteilt. Eine andere Erklärung ist im gewalttätigen Verhalten der Mutter

gegenüber ihrer Tochter zu suchen. Zudem ist bekannt, dass der Vater unter

einer Depression leidet und dies könnte die Tochter geerbt haben. Die

derzeitigen Ausbrüche könnten ein erstes Zeichen einer bevorstehenden

Depression sein. Nach Herr Schlager müssen bei Ihr weitere Tests durchgeführt

werden, um näheres zu erfahren. Er ist sich sicher, dass hier keine

Psychoanalyse weiter helfen würde, denn diese könnte sich kontraproduktiv

auswirken, indem sich das Mädchen eventuell in ihren aggressiven Handlungen

bestätigt fühlt. Außerdem findet es Herr Schlager wichtig mit der ganzen Familie

zu arbeiten, um für ein gutes Miteinander zu sorgen.

6. Fazit

Abschließend können wir festhalten, dass der Beruf des Kinder- und

Jugendpsychotherapeuten ein sehr interessanter Beruf. Zum einen weil er viel

Abwechslung bietet, zum anderen weil er spannungsvoll ist. Der Therapeut weiß nie

mit welchen Klienten, mit welchen Problemen er als nächstes konfrontiert wird und

wie der Weg hin zum vollständigen Mosaikbild aussehen wird.

Der Psychotherapeut ist in der Gestaltung seiner Arbeit frei, da er nicht an starre

Konzepte gebunden ist und er sich somit individuell auf jeden Klienten mit seinen

jeweiligen Problemen einlassen kann. Bedeutsam ist, dass es für die Behandlung in

der Psychotherapie kein Patentrezept gibt und mit der Einzigartigkeit des Klienten

gearbeitet wird. Hierbei ist es wichtig, dass der Therapeut dem Klienten offen,

handlungsorientiert und zielorientiert gegenübertritt.

Sowohl die Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als auch die

unterschiedlichsten Prozessvorgänge bewirken beim Therapeuten immer wieder

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Spaß an der Arbeit. So wird beispielsweise bei Kindern eher mit Rollenspiele

gearbeitet, um einen besseren Zugang zum ihrem innerpsychischen Erleben zu

erreichen. Jugendliche hingegen bevorzugen eher offene, lockere Gespräche.

Jedoch ist auch festzuhalten, dass es sich bei der Ausbildung zum

Psychotherapeuten um einen langen und arbeitsintensiven handelt, der eine sehr

hohe finanzielle Belastung bewirken kann. Allerdings sehen wir einen Vorteil darin,

dass der Auszubildende sehr praxisnah angelernt wird (vgl. unter Punkt2. Praktische

Ausbildung).

Unser persönliches Fazit lautet somit: „ Psychotherapeut ist ein spannender,

vielfältiger Beruf!“

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7. Quellen

Lindel, B./ Sellin, I. (2007): Survivalguide PiA. Heidelberg.

Münder, J./ Wiesner, R.(2007): Kinder- und Jugendhilferecht. Baden-Baden.

Wolfgang Schwarzer/Alexander Trost (Hrsg.): Psychiatrie und Psychotherapie.

1999. Dortmund