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Klassenkampf Nr. 10

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Mai-Erklärung des CoReP / Kampf gegen Sparpaket in der Steiermark

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KKLLAASSSSEENNKKAAMMPPFFZZeeii ttuunngg ffüürr RRäätteemmaacchhtt uunndd RReevvoolluuttiioonnNummer 1 0 Mai 201 1 Gruppe Klassenkampf Preis 1 ,50 EUR

STEIERMARK: DENWIDERSTAND IN DIEBETRIEBE TRAGEN!

Mit der Großdemonstration vom 26. April haben die Pro-teste gegen das von der steirischen SPÖVP-Landesregierunggeplante asoziale Sparpaket einen neuen Höhepunkt er-reicht. So wichtig und richtig es ist, den Protest gegen diegeplanten Einsparungen von 900 Millionen Euro in denkommenden drei Jahren – hauptsächlich im Sozial-, Ge-sundheits- und Bildungsbereich – auf die Straße zu tragen,so wenig werden Protestversammlungen allein den Sozial-abbau verhindern können.Das Sparpaket der steirischen „Reformpartnerschaft“ (ja! So nennen die FührerIn-

nen von SPÖ und ÖVP ihre Kampffront gegen die arbeitende Bevölkerung und dieJugend des Landes!) bedeutet unter anderem: Die Wiedereinführung der Kindergar-

GLOBAL SOZIAL:KLASSENKAMPF INDER SPÖPositive Beiträge zum 1 00.Weltfrauentag sehen anders aus:Am 21 .Februar 201 1 wurden 385 Beschäftigtevon Sozial Global, eines Vereins, dessen1 00 %iger Eigentümer die SPÖWien istund die von denWiener SP Frauengegründet wurde, beim AMS zurKündigung angemeldet.

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www.klassenkampf.net

Mitglied des Kollektivs

Permanente Revolution CoReP

1 . Mai-Erklärung desKollektivs PermanenteRevolution (CoReP)

I SSN : 2220-0657

25. März 201 1 : Die erste Großdemonstration in Graz

LOBBYISMUS: HERRSTRASSER ZEIGT,WAS GESETZEKOSTEN

Kurz nach Ende der Faschingszeitl ieferte die ÖVP eine kabarettreifeEinlage. Der Anführer der ÖVP EUDelegation und ehemaligeösterreichische Innenminister ErnstStrasser wurde Mitte März 201 1vom einstigen Asylwerberjägerselbst zum Gejagten.

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KONTAKT

Die Gruppe Klassenkampf im Internet:

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Die Gruppe Klassenkampf kontaktieren:

[email protected]

Unsere Postadresse:Gruppe KLASSENKAMPFStiftgasse 8A-1 070Wien IMPRESSUM:

Eigentümer, H erausgeber, Verleger,Druck: Gruppe Klassenkampf.Druckort: Wien

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tengebühren; massive Streichungen beimPflegegeld, bis hin zu den zeitintensivstenPflegestufen; die Wiedereinführung derRückzahlung von Pflegekosten für die An-gehörigen von Menschen, die der Pflege be-dürfen; die Einführung eines Regresses fürAngehörige von Menschen, die die Min-destsicherung in Anspruch nehmen müs-

sen; massive Einschnitte bei der Kinder-und Jugendwohlfahrt und der Jugendar-beit; Kürzungen im Spitalsbereich, bis hinzur Beseitigung von 11 % der derzeit 6.900Akutbetten in den steirischen Kliniken.Und die Liste der Grausamkeiten ließe sichnoch lange fortsetzen …Während die SPÖVP-Koalition auf Bun-

desebene bisher neue frontale Angriffe aufdie Errungenschaften der arbeitenden undarbeitslosen Menschen und der Jugendtunlichst etappenweise und zeitversetztdurchgeführt hat, werden auf Länderebenedie Glacéhandschuhe abgestreift. Zugleicherhofft sich die von einer internen Krise indie nächste taumelnde Bundesregierungdurch die länderweisen Sparpakete (denndie Steiermark ist erst der Auftakt!) eineAblenkung von ihrer Verantwortung anden Angriffen – denn diese sind das Ergeb-nis einer Mitte März zwischen Bund und

Ländern getroffenen Abmachung zur Sen-kung des Länderanteils am Budgetdefizit.Erinnern wir uns: 2010 wurde den „ar-

men“ Banken mit einem 100-Milliarden-Hilfspaket unter die Arme gegriffen, damitsie die – angeblich – durch Spekulations-geschäfte drohenden „Verluste“ besserüberstünden; 35 Milliarden wurden be-

reits ausbezahlt. Im gleichen Jahr bedien-te die Republik Österreich dieZinsforderungen der gleichen Banken, die„gerettet“ werden mussten, an den Staatmit 8 Milliarden Euro!Das Gejammere der politischen Voll-

zugsausschüsse der herrschenden Klasse(Regierungen aller Ebenen) über die „Un-finanzierbarkeit“ von Sozialleistungen, Er-ziehung oder Gesundheit ist blankerHohn. Das Geld ist da, nur die, welche esin ihren Händen halten, rücken es nichtfreiwillig heraus: Die großen KapitalistIn-nen. Und derer gibt es gerade in der Stei-ermark nicht wenige. Alleine 200Privatstiftungen gibt es in dem Bundes-land, dessen Regierung nun plötzlich deralleinerziehenden Mutter eines 16jährigenschwerstbehinderten Sohnes und einessechsjährigen Buben die bisher gewährten600 Jahresstunden an „Familienentlasten-

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STEIERMARK: DENWIDERSTAND IN DIEBETRIEBE TRAGEN!

MARXISTISCHERSTUDIENZIRKEL ZURPARISER COMMUNE

Zwischen 1 8.März und 28.Mai 1 871 üb-ten erstmalsin der Ge-schichte dieArbeiterInnenselbst die

Staatsmacht aus. Allerdings: Diese"Diktatur des Proletariats" blieb aufeine Stadt (Paris) beschränkt undmusste sich gegen die Mil itärmachtder preussischen und der bürgerli-chen französischen Regierung zurWehr setzen. Welche Lehren habendie MarxistInnen aus dieser wichti-gen Erfahrung gezogen?

Samstag, 1 4. Mai 201 1 , 1 7.00Uhr, Café Sperlhof (Hinterzim-mer), Große Sperlgasse 41 ,1 020 (U-Bahn Taborstraße)

Wer wir sind

Der „Marxistische Studienzirkel“ veran-staltet in unregelmäßigen AbständenDiskussionsveranstaltungen mit Vorträ-gen zu unterschiedlichen Themen, dieallen interessierten GenossInnen offenstehen. Dabei setzten wir uns bislangmitThemen aus den Bereichen Ökono-mie, Philosophie sowie der Analyse aktu-eller Klassenkämfer auseinander.Aus der Zusammenarbeit im MSZ her-aus entstand die „Gruppe Klassen-kampf“ (GKK).

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dem Dienst“ streichen wird, da sie nichtberufstätig ist und der behinderte Sohnstundenweise in einer Einrichtung der Le-benshilfe betreut wird.Um diesen unglaublichen sozialen Kahl-

schlag durchführen zu können, bedientsich die Bourgeoisie der Hilfe der sozialde-mokratischen Führung. Wir revolutio-nären MarxistInnen und unsereVorgänger sagen seit nunmehr fast 100Jahren, dass die Sozialdemokratie zu Be-ginn des 1. Weltkrieges, als sich die meis-ten sozialdemokratischen Parteien derKriegspolitik ihrer jeweiligen Regierun-gen unterwarfen und diese mittrugen, po-litisch in das Lager der herrschendenKlasse übergegangen ist. Über ihren Ein-fluss auf die Gewerkschaften und die poli-tische Propaganda gegenüber den neuenGenerationen von ArbeiterInnen gelanges ihr, diesen historischen Verrat zu be-schönigen und ihre Politik der Klassenzu-sammenarbeit mit der Bourgeoisie als„Realpolitik“ zu verkaufen.

Auch wenn die Illusionen vieler arbei-tender Menschen in die SPÖ-Führungschwinden, kann sie immer noch – undnach wie vor über ihre Dominanz im ÖGB– die Mehrheit der arbeitenden Bevölke-rung kontrollieren. Dieser Charakter derSozialdemokratie als „bürgerlicher Arbei-terInnenpartei“ birgt aber, wie man ander aktuellen Bewegung in der Steier-mark sehen kann, auch Gefahren in sich.Denn zumindest dem Anspruch nachmuss die SP-Bürokratie ja immer noch sotun, als ob sie den ArbeiterInnen und ih-ren Interessen verpflichtet wäre. Um dieMassen dazu bewegen zu können, sichdem Diktat ihrer „FührerInnen“ zu unter-werfen, müssen ihnen in irgendeinerForm Versprechungen oder Zugeständnis-se gemacht werden. Genau diessen Spiel-raum kann und will die Bourgeoisie aberihren sozialdemokratischen HelferInnennicht mehr einräumen.Die Empörung über das drohende Spar-

paket ist so groß, dass die sozialdemokra-tische Gewerkschaftsführung gezwungenist, sich mit an die Spitze der Bewegungdagegen zu stellen, um ihr die Spitze zunehmen. Weder die Gewerkschaftsbüro-kratie noch die „zivilgesellschaftliche“Plattform 25 bieten eine wirkliche Per-spektive, die das Sparpaket zu Fall brin-gen könnte. Auf der Demonstration vom26. April gingen sowohl der steirische

ÖGB-Vorsitzende Horst Schachner alsauch die Sprecherin der Plattform, Yvon-ne Seidler, bereits davon aus, dass das Pa-ket im Landtag beschlossen und dann nurnoch „nachverhandelt“ werden könne.Das heißt – den empörten ArbeiterInnen,Arbeitslosen, Jugendlichen wird nur Hoff-nung auf ein „sozial abgefedertes“ Sparpa-ket gemacht.Die steirische SP-Führung ist wild ent-

schlossen, jede noch so wenig wahrschein-liche innerparteilichen Kritik im Keim zuersticken. Zitat ORF: „Ob bei der Bud-getabstimmung im Landtag alle Abgeord-neten der SPÖ diesen mittragen, bleibtoffen, denn auch ÖGB und Jugendvertre-ter im Landtag demonstrieren gegen dasSparpaket. Der Klubzwang werde jeden-falls nicht aufgehoben, so der SPÖ-Klu-bobmann [Walter Kröpfl]: 'Warum sicheinige Abgeordnete von einer Klientel un-ter Druck setzen lassen, weiß ich nicht.Ich kann es als Klubobmann nicht tolerie-ren, wenn jemand glaubt, er kann aus-scheren'." Im Klartext: Sollte sich widererwarten der eine oder andere SP-Abge-ordnete, der gleichzeitig Gewerkschafterist, der Basis mehr verbunden fühlen alsden Sozialrabauken in der Regierung,kann das der „Genosse“ Kröpfl nicht ver-stehen. Das kann dann nicht toleriert wer-den, in der sozial“demokratischen“Fraktion …Wie kann das Sparpaket gestoppt wer-

den?Sicher nicht durch Demonstrationen al-

lein, sondern nur durch Kampfaktionenin Betrieben, Schulen, Universitäten –

von Betriebsversammlungen bis hin zuBesetzungsstreiks (die sehr wohl mitStraßendemonstrationen kombiniertwerden müssen). In den Betrieben, Schu-len, Universitäten müssen Aktionsaus-schüsse gebildet werden, die nicht inerster Linie aus „bewährten“ Gewerk-schafterInnen bestehen sollten, sondernin die VertreterInnen gewählt gehören,die besonders energisch für die Interes-sen der KollegInnen eintreten. Die Mit-glieder dieser Aktionsausschüsse müssenden Belegschaften rechenschaftspflichtigund jederzeit abwählbar sein.Die zentrale Forderung muss lauten:

„Holen wir uns das Geld dort, wo es ist!“.Für die sofortige entschädigungslose Ent-eignung der Millionen in den Privatstif-tungen! Für die sofortige undentschädigungslose Enteignung der Ban-ken! Für die sofortige Eintreibung deraushaftenden Steuerschulden derGroßunternehmen und aus öffentlichenMitteln finanzierten Konzerne! Im Falleder angeblichen Uneinbringlichkeit –Verstaatlichung der betroffenen Betriebeunter Kontrolle der ArbeiterInnen undOffenlegung der Geschäftsbücher.Um diese Forderungen durchzusetzen

braucht es eine politische Führung. Diesegilt es im Kampf aufzubauen – eine neuerevolutionäre ArbeiterInnenpartei, dieTeil einer internationalen Bewegung – ei-ner neuen, revolutionären ArbeiterInnen-internationale – sein muss!

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SPÖ-Landeshauptmann FranzVoves (Mitte) lässt die eigenen FSGler im Regen stehen

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Positive Beiträge zum 100. Welt-frauentag sehen anders aus: Am 21.Februar 2011 wurden 385 Beschäftigtevon Sozial Global, eines Vereins, dessen100 %iger Eigentümer die SPÖ Wien istund die von den Wiener SP Frauen ge-gründet wurde, beim AMS zur Kündigungangemeldet. Geplant waren so genannteÄnderungskündigungen für die 375 Frau-en und 10 im Pflegedienst beschäftigtenMänner. Konkret lautete für die Betroffe-nen die Alternative, entweder 200 EURLohneinbuße in Kauf zu nehmen odersich einen neuen Arbeitsplatz zu suchen.Da die meisten der von der Kündigung be-drohten KollegInnen über 50 Jahre altsind, wäre der Arbeitsplatzverlust gleich-bedeutend mit Langzeitarbeitslosigkeit ge-wesen.Zusätzliche Brisanz gewann die Ausein-

andersetzung dadurch, dass die Vorsitzen-de von Sozial Global, Nicole Krotsch, alsodie Vertreterin der Unternehmerseite,gleichzeitig Frauensekretärin der WienerSPÖ ist. Die GenossInnen aus allen Eckenund Enden der Partei begannen ein bizar-res „Guter Bulle – böser Bulle“-Spiel, wel-ches die ArbeiterInnen an einenschlechten Krimi erinnern musste.Frauenstadträtin Sandra Frauenberger,

deren Eigenlob bei den rauschenden Fes-ten der SPÖ Frauen, also de facto des Un-ternehmens der 385 zur Kündigungangemeldeten PflegerInnen, deftigen Ge-stank verbreitete, verteidigte die geplan-ten Änderungskündigungen. Im Laufe

des Konflikts verstieg sich SP Frauense-kretärin und Sozial Global Vorsitzende Ni-cole Krotsch sogar zu der Aussage, dass„Relikte“ wie das 15. Monatsgehalt besei-tigt werden müssten. So blieb es ausge-rechnet den Männern in der SPÖvorbehalten, angesichts des drohendenImageverlustes für die Partei, soziale Duft-noten zu markieren.Sozialminister Hundstorfer: “Es ist für

mich nachvollziehbar, wenn diverse Ver-

eine Finanzierungsprobleme haben (An-

merkung: Und wer, wenn nicht er selbst

ist dafür verantwortlich?). Es gehe aller-

dings um Personen, die ein sehr geringes

Einkommen haben.“Gesundheitsminister Stöger wies expli-

zit darauf hin, dass es sich bei Sozial Glo-bal um einen Verein der Wiener SPÖFrauen handle und übte Kritik an Krotschund Frauenberger: “Es ist schmerzlich,

mit KollegInnen am Tisch zu sitzen, die

sagen, dass Menschen mit 1.300 Euro

Monatslohn privilegiert sind“, so Stöger.Wobei es schwer vorstellbar ist, dass sichausgerechnet Hundstorfer und Stöger,die mit ihren Ministerbezügen etwa das10-fache der Heimhilfen von Sozial Glo-bal verdienen, in deren Lage versetzenkönnen. Die Verhandlungen auf Seite derGewerkschaft Vida führte mit Landesge-schäftsführer Thomas Stöger ebenfallsein Mann.Es kam wie es kommen musste und

zeigte, wie tief die SPÖ den Klassenkampffür die Kapitalisten selbst in ihrem unmit-

telbaren Einflussbereich im Rahmen derösterreichischen Sozialpartnerschaft ver-innerlicht hat. Der Ablauf ist unabhängigvom konkreten Angriff auf die Arbeite-rInnen immer der gleiche: Zuerst werdenVerschlechterungen wie im Fall von Sozi-al Global Lohnkürzungen angekündigt.Danach wird abgewartet, um das Ausmaßdes zu erwartenden Widerstands ein-schätzen zu können. Dann tritt die sozial-demokratisch dominierte Gewerkschaftals Retterin auf. Schlussendlich kommtes zum so genannten „tragfähigen Kom-promiss“, der so aussieht, dass die ange-kündigten Verschlechterungen geringerausfallen, und sowohl Unternehmer alsauch Gewerkschaft loben ihre sozialeVerantwortung und lassen sich für an-geblich dadurch gesicherte Arbeitsplätzeauf die Schultern klopfen.Das heißt in Österreich Sozialpartner-

schaft und bedeutet nichts anderes alsKlassenkollaboration und gelebter Verratder Partei- und Gewerkschaftsbürokratie.Die aktuelle Niederlage der ArbeiterIn-nen bei Sozial Global bedeutet Lohnein-bußen von knapp 700 EUR jährlich (stattder angedrohten 2.340 EUR) brutto undStreichung der Treueprämie sowie Her-absetzung des Sonn- und Feiertagszu-schlags von 100 auf 80 %.

EIGENINITIATIVE NOTWENDIG!

Diese Niederlage war – wie so viele an-dere auch – nicht unabwendbar. Einekämpferische, auf die Interessen der Ar-beiterInnen und nicht die Sicherung dereigenen Pfründe bedachte Gewerk-schaftsführung hätte mit der Organisie-rung eines unbefristeten Streiks begleitetvon Kundgebungen vor der SPÖ Zentraleund „Besuchen“ der Parties zum Welt-frauentag einen raschen Sieg der Be-schäftigten erkämpft. Es ist eineNotwendigkeit aller österreichischen Ar-beiterInnen, mit dieser verräterischenGewerkschaftsbürokratie zu brechen, umnicht von einer Niederlage in die nächstezu taumeln.

GLOBAL SOZIAL:KLASSENKAMPF IM HAUSE SPÖ

Gewerkschaftsprotest gegen die Änderungskündigungen

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Kurz nach Ende der Faschingszeitlieferte die ÖVP eine kabarettreifeEinlage. Der Anführer der ÖVP EUDelegation und ehemalige österrei-chische Innenminister Ernst Stras-ser wurde Mitte März 2011 vomeinstigen Asylwerberjäger selbstzum Gejagten. Am Ende wurde dieBehauptung der Grünen aus demEUWahlkampf2009 „Nur Grasserist krasser als Strasser“ einer har-ten Prüfung unterzogen.EU Mandatar Strasser bot sich ver-

meintlichen Auftraggebern als Lobbyistan und erbat sich EUR 100.000 Schand-lohn jährlich, für die er die Interessen desunbekannten Auftraggebers im EU Parla-ment durchsetzen wollte. Pech nur, dasses sich um getarnte Reporter der briti-schen Zeitung Sunday Times handelte,welche eines der verhängnisvollen Gesprä-che in einem Brüsseler Cafe mitfilmten.Strasser meinte in dem Video, dass er

selbstverständlich Lobbyist sei (Anmer-kung: Das allein ist in der kapitalistischenGesellschaft nicht verboten. De facto ar-beiten ja alle PolitikerInnen für die Kapi-talisten, nur dürfen dies – um den Scheineines freien, demokratischen und gerech-ten Gesellschaftssystems zu wahren –nicht alle zugeben). Der Ex-Innenminis-ter wollte halt für sich auch ein kleinesKörberlgeld lukrieren. Im Video gab Stras-ser an, dass der neue Auftraggeber nunNr. 6 sei, welcher für seine Dienste bereitwar, jährlich EUR 100.000 auf den Tischzu blättern.Bis zuletzt stritt Ernst Strasser, für den

die Unschuldsvermutung gilt, alles abund sprach angesichts der immer lauterwerdenden Rücktrittsforderungen in den

Boulevardblättern von einer Kampagne inÖsterreich gegen ihn. Zuvor beschuldigteer auch Parteikollegen und IntimfeindOthmar Karas, welchen er zuvor vergeb-lich gedrängt hatte, im EU Parlament imSinne seines Auftraggebers abzustimmen,der Intrige gegen ihn. Nachdem Karas dieSache an die Öffentlichkeit gebracht hat-te, wollte noch wenige Tage vor dem nichtmehr zu vermeidenden Rücktritt Stras-sers die ÖVP Spitze die Causa als Animosi-tät zwischen Strasser und Karasdarstellen, die sich die beiden untereinan-der ausmachen sollten.Am Sonntag, den 20.3.2011 wurde die

Beweislast gegen Strasser nach Veröffent-lichung des Videos mit dem Gespräch mitdem Sunday Times Reporter so groß, dasssich ÖVP Parteiobmann Josef Pröll vomSpitalsbett aus genötigt sah, sein ehemali-ges Aushängeschild im EU Parlamentzum Rücktritt zu drängen. Der Aufforde-rung kam Strasser kurz darauf nach, ohnesich jedoch zu entblöden, eine weitereabenteuerliche Erklärung abzuliefern. An-geblich hätte er schon seit Juli 2010 vonden Bestechungsversuchen gewusst undnur noch auf den Erhalt eines schriftli-chen Vertrags gewartet, um die Polizei zuverständigen. Nach dem Erhalt desSchriftstücks wollte der Ex-Innenministerzwei Wochen „aus terminlichen Gründen“keine Zeit gehabt haben, die Polizei zu ver-ständigen. Es ist schlicht als grotesk zu be-zeichnen, wenn jemand, der jahrelang inder schwarzblauen Bundesregierungoberster Polizeichef war, nicht wissenwill, wie man rasch und unkompliziert ei-ne Gesetzesübertretung anzeigt.Der „Tango corrupti“ des Ernst Strasser

ist weder die persönliche Verfehlung ei-

nes Einzelnen noch kennzeichnend für ei-ne bestimmte bürgerliche Partei. Vielmehr ist er charakteristisch für das Sit-tenbild der kapitalistischen Gesellschaft.Kapitalismus und Korruption – das ge-hört zusammen wie Schnitzel und Erdäp-felsalat! Die vermeintlicheLeistungsgesellschaft, in der die Posten-besetzung per Freunderlwirtschaft funk-tioniert, produziert laufend so genannteLeistungsträger, welche sich gegenseitigdie bedeutsame Frage „Wos woa meiLeistung?“ stellen. Allen Korrumpeln ge-mein ist, dass sie im Dienst der parasitär-en Ausbeuterklasse stehen und amMehrwert mitnaschen, welcher der Kapi-talismus aus der ArbeiterInnenklasse tag-täglich herauspresst.Im Falle Strassers waren das immerhin

geschätzte Jahreseinkünfte von 1 Mio.EUR (EU Mandatarsgehalt, Aufsichtsrat-stätigkeiten in mehreren Unternehmen).Ernst Strasser ist nach der Veröffentli-chung eines entlarvenden Videos beglei-tet von gut geheucheltenEntsetzensschreien seiner Politikerkolle-gInnen zurückgetreten. Als weitere Kon-sequenz des „Lobbygates“ soll im Mai2011 als Pseudomaßnahme ein Lobbying-gesetz im Parlament zur Abstimmung ge-langen, als ob sich die Auswüchse desKapitalismus per Gesetz abschaffen lie-ßen.Der Kapitalismus wird durch kein sei-

nen menschenverachtenden Charakternoch so gut enthüllendes Video und keinnoch so gut ausgearbeitetes Gesetz vonder Bildfläche der menschlichen Entwick-lungsgeschichte verschwinden. Uns ausdem Elend zu erlösen, müssen wir schonselber tun.

NUR DERKAPITALISMUS IST

KRASSERALSSTRASSER

You know, theproblem is, alobbyist is alobbyist, yes?And a lobbyisthas some specialsmell .

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Im Zusammenhang mit der Debatte um die Abschaffung derWehrpflicht wurde immer wieder von verschiedenen Seiten dieKompetenz der österreichischen Sozialdemokratie in Militärfra-gen in Zweifel gezogen. Kein Wunder – das Offizierskorps des ös-terreichischen Bundesheeres neigt und neigte stets mehrheitlichdem christlich-konservativen Lager zu, bei den Unteroffizierenkonnte in den letzten Jahren die FPÖ Fuß fassen. Das ändertaber nichts an der historischen Tatsache, dass die österreichi-sche Nachkriegssozialdemokratie ein wesentlicher Architekt derösterreichischen Streitkräfte gewesen war.

ÖSTERREICH 1 945: KEINE „G'MAHTEWIESEN“ FÜR DASKAPITAL

Hatte der II. imperialistische Weltkrieg in Griechenland,Frankreich, Italien... durch die Aktivitäten des bewaffneten Wi-derstandes mit starker proletarischer Beteiligung tendenziell Zü-ge einer Umwandlung in eine vorrevolutionäre Situation indiesen Ländern hervorgebracht, ist weit weniger bekannt, dasses auch in Deutschland und Österreich – den Kerngebieten desNaziregimes also – bei und nach Kriegsende eine Welle vonselbsttätigen Initiativen der werktätigen Massen zur Beseitigung

der Reste des faschistischen Regimes gegeben hat, die tendenzi-ell eine antikapitalistische Stoßrichtung anzunehmen drohten.Diesen „Antifaschistischen Einheitskomitees“ traten nicht nurdie Besatzungstruppen, sondern auch die traditionellen Führun-gen – SPÖ und KPÖ – entgegen.Die SPÖ war aus der Verschmelzung der „alten“ Mitglieder

der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), die den offenreformistischen Flügel der österreichischen ArbeiterInnenbewe-gung verkörperte, und den Resten der Revolutionären Sozialis-ten (RS) im Inland und einigen ihrer aus dem Auslandzurückgekehrten VertreterInnen entstanden. Die RS, in denensich ab Mitte der 30er Jahre weitgehend der austromarxistischeFlügel durchgesetzt hatte (nach einer frühen Phase unmittelbarnach dem Bürgerkrieg des Februar 1934, als eine „Leninisie-rung“ der alten Partei möglich erschien), standen von Haus ausunter enormem Druck seitens der „Parteirechten“.Weder die SDAP - noch die RS-Tradition in der SPÖ war eine

revolutionäre. Beide Strömungen waren – bei unterschiedlichradikaler Terminologie – reformistisch.Die KPÖ war eine komplett durchstalinisierte Partei. Ihre po-

litischen Konzeptionen bewegten sich im Rahmen der in Yaltaund Potsdam zwischen der Kremlbürokratie und den imperialis-tischen Mächten Pläne zur Aufteilung der Welt in Einflußsphä-

Sozialdemokratie,bürgerlicher Staat und Militarismusnach 1 945

Von der B-Gendarmerie zumBundesheer

SPÖ-Parteitag1945 in Wien:Am RednerpultAdolf Schärf(Parteirechte).Am Mitteltisch:Paul Speiser (RS),Karl Renner(Parteirechte),Franz Popp

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ren – einer veritablen konterrevolutionären Heiligen Allianz.Strategisches Ziel der KPÖ war „die Möglichkeit, auf friedlichemWeg eine starke Demokratie“ zu errichten (KP-Führer FriedlFürnberg 1946).Unmittelbar nach Kriegsende gab es an der Basis beider (dege-

nerierter) ArbeiterInnenparteien starke Einheitstendenzen, dieaber von beiden Parteiführungen mit scheelem Blick beäugt wur-den. Einheit – ja, aber wenn, dann nur, um den „Einheitspart-ner“ schlucken zu können. Seitens der KPÖ war das eine Illusion– auch wenn viele sozialdemokratische ArbeiterInnen den größ-ten Respekt vor den Leistungen kommunistischer Kader im Wi-derstand gegen die Nazishatten, waren die Sowjetuni-on mit ihrem bizarren Stalin-kult, der bekanntenVerfolgung von Oppositionel-len, ihr System der „Diktaturüber das Proletariat“ statt ei-ner Diktatur des Proletariatsund die Erinnerung an dieSchwenks der KPÖ in derZwischenkriegszeit für dieMasse der österreichischenArbeiterInnen nach wie vorextrem abschreckend. DieSPÖ-Führung rund um AdolfSchärf und Oskar Helmer wie-derum wusste, ebenso wie ehemalige RS-Leute vom Schlage Os-car Pollaks, das die KPÖ nicht zu knacken war, solange dieKremlbürokrate hinter ihr stand.Das gemeinsame Bestreben von SPÖ und KPÖ, eine friedliche

kapitalistische Rekonstruktion in Österreich zu ermöglichen,fand in der ersten Koalitionsregierung aus ÖVP, SPÖ und KPÖihren Ausdruck.Angesichts des heraufziehenden Kalten Krieges brach der „an-

tifaschistische“ Konsens aber bald auseinander. Nachdem inner-halb der SPÖ alle Versuche, einen „linkssozialistischen“ Pol zubilden, verhindert wurden; nachdem der Parteivorstand mit un-verhohlenem Zynismus darauf verzichtete, profilierte Vertreterder RS aus dem Exil zurückzuholen; nachdem immer mehrSchlüsselpositionen in der SPÖ mit Gefolgsleuten der mit deramerikanischen Regierung und ihren Geheimdiensten packeln-den Gruppe Schärf/Helmer/Pollak besetzt worden waren, wurdeauch regierungsintern die Gangart gegen die KPÖ verschärft.

SPÖ-SPITZE: MILITARISTISCHETRÄUMEREIEN

Bereits im Sommer und Herbst 1945 begann das „Heeresamt“,der Vorläufer des heutigen Verteidigungsministeriums, das un-ter Ausschluss von KommunistInnen in den Händen von SPÖund ÖVP war, mit der Errichtung von Außenstellen in den westli-chen Besatzungszonen. Das Heeresamt ging bereits auf die vomhistorisch kompromittierten Karl Renner am 27. April 1945 ge-bildete Provisorische Regierung zurück, in deren Gründungser-klärung das Ziel einer „bescheidenen Wehrmacht“ festgehaltenwar. Allerdings stellte der Alliierte Rat am 10 Dezember 1945klar, dass die militärische Hoheit in Österreich auch weiterhin in

den Händen der Besatzungsmächte verbleiben würde und Ös-terreich jede Form von militärischer Betätigung verboten sei.Die Provisorische Regierung musste das Heeresamt auflösen, imFinanzministerium aber bestand weiter eine Abteilung, die sichmit den Vorarbeiten für die Schaffung einer österreichischenStreitmacht beschäftigte.Eine Wende brachte die Verschärfung des „Kalten Krieges“.

Nach der sogenannten „Volksdemokratisierung“ Ungarns undder CSSR 1947/48 drängten vor allem die amerikanischen Be-satzungsbehörden auf die Schaffung (para)militärischer Ver-bände als Voraussetzung für eine Unabhängigkeit Österreichs.

Als „Frontstaat“ in der Ausein-andersetzung mit der UdSSRmusste die österreichischeBourgeoisie – und die für siemitagierende sozialdemokrati-sche Führung – ihre antikom-munistische Wehrhaftigkeitunter Beweis stellen.Die Mehrheit des SP-Partei-

vorstandes, die systematischden Kampf gegen die „linksso-ziaistischen“ Strömungen inder eigenen Partei geführt hat-te, war aus ganzem Herzen fürdiese Option. Oskar Helmer alsInnenminister bot schließlich

eine halbwegs abgesicherte Lösung für das Dilemma sowohl derösterreichischen Regierung als auch der imperialistischen Be-satzungsmächte: Das Verbot, militärische Formationen aufzu-stellen, wurde durch die Stärkung bestehender und von denOkkupanten bereits zugelassener Verbände umgangen – dieGendarmerie wurde zum Sammelbecken des späteren Bundes-heeres.

SP-INNENMINISTER HELMER UND SEINE GEHEIMAR-MEE

Die rasche Reaktion Helmers auf das amerikanische Ansinnenhatte mehrere Ursachen: Bereits das erste „Lohn-Preis-Abkom-men“ vom Sommer 1947, de facto ein Lohnstopp, war auf mili-tanten Widerstand in den Betrieben gestoßen; dieSPÖ-Bürokratie warf das gesamte Gewicht der Partei in dieWaagschale, um die Proteste einzudämmen und begann, dieKampfaktionen als „Indizien für einen kommunistischenPutschversuch“ zu denunzieren. Ein militärischer „Schutz“ fürdie Regierungspolitik war daher durchaus opportun. DurchWohlverhalten gegenüber den westlichen Alliierten sollte dieErlangung der österreichischen Unabhängigkeit beschleunigtwerden – das war das zweite Motiv für das Tempo bei der Um-setzung der „Wünsche“ der US-Repräsentanten in Wien. Drit-tens wollte Helmer angesichts der bei den Kapitalistenungeliebten sowjetischen Forderungen nach Reparationsszah-lungen und der Sicherung der unter sowjetischer Verwaltungbestehenden USIA-Betriebe durch insgesamt 2.000 Männerund Frauen des „Werkschutz“ ein schlagkräftiges Instrumentzur Durchsetzung allfälliger Eigentumsansprüche zur Hand ha-ben (die „Gefahr“, die vom dämonisierten Werkschutz ausging,zeigte sich während des Oktoberstreiks 1950, als die angebliche

1946: Oskar Helmer (l.), Adolf Schärf

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kommunistische „Garde“ den gewalttätigen Angreifern der Roll-kommandos des Gewerkschaftsbonzen Olah nicht standhaltenkonnten).Auch die folgenden Lohn-Preis-Abkommen wurden von den

ArbeiterInnen nur widerstrebend hingenommen und kulminier-ten in den erwähnten Oktoberstreiks des Jahres 1950. Bereitsüber ein Jahr vorher, im März 1949, hatte Helmer dem Minister-rat einen Antrag auf zusätzliche Einstellung von 1.100 Vertrags-bediensteten für die Gendarmerie vorgelegt, der umgehendbewilligt wurde – damit war die erste Etappe auf dem Weg zurB-Gendarmerie gschafft: Die Neurekrutierten bieldeten dasRückgrat der ersten drei „Alarmabteilungen“ - je 500 Mann in je-der der westlichen Besatzungszonen.Da man die ersten Schritte Richtung eines österreichischen

Heeres vor den sowjetischen Besatzungsbehörden geheimhaltenwollte, wurde das Projekt mit dem Tarnnamen „HK II“ - „Hilfs-

körper II“ - in Angriff genommen. Die Fahrzeuge und Infanterie-waffen wurden von der US-Armee „geliehen“, die jedoch wenigerbaut darüber war, dass die Gendarmerieführung darauf be-stand, dass die neuen Vertragsbediensteten auch wirklich Gen-darmeriearbeit erledigen sollten (offenbar hatte die Regierungbei ihrer Geheimhaltung etwas übertrieben). So wurden dem„HK II“ lediglich zwei Tage militärisches Training pro Woche zu-gestanden … Dementsprechen fiel eine erste Evakuierung derSchlagkraft der Alarmabteilungen Ende 1949 eher vernichtendaus, wobei die österreichische Seite jedoch genüsslich darauf ver-weisen konnte, dass die US-Verantwortlichen nur bedingt ver-wendungsfähiges Material zur Verfügung gestellt hatten. Dasführte die US-Regierung wiederum im Sommer 1950 zu Überle-gungen, die in Österreich für ein künftiges Heer vorgesehenenLKW, Schützenpanzer und Infanteriewaffen abzuziehen und derNATO zum eventuellen Einsatz in Griechenland oder Jugoslawi-en zu übergeben.Mittlerweile hatte im Hintergrund der amerikanische Geheim-

dienst auch in Österreich mit der Vorbereitung von „stay-be-hind-Operationen“ begonnen, die heute meistens unter demNamen „Gladio“ zusammengefasst werden: Geheime Waffende-pots wurden angelegt und (hauptsächlich faschistisch orientier-

te) Kader angeworben, die im Falle einer „kommunistischenMachtergreifung“ Partisaneneinsätze organisieren oder, im Vor-feld, das Klima für rechte Machtergeifungen vorbereiten sollten(„Strategie der Spannung“). Eingebunden in diese Pläne war derantikommunistische Bau-Holz-Gewerkschafter Olah, dessenRollkommandos, gestützt auf Polizei und Gendarmerie, dieStreiks im Herbst 1950 buchstäblich niederschlugen.Da sowohl die westlichen Alliierten als auch die österreichi-

sche Regierung mittlerweile nicht mehr ernsthaft das Gespenstder drohenden österreichischen Volksdemokratie an die Wandmalen konnten (es war offensichtlich, dass die UdSSR kein In-teresse hatte, ihre Einflußsphäre auszudehnen), wurden die Ar-meepläne modifiziert, um im Falle der österreichischenUnabhängigkeit ein militärisches Vakuum vermeiden zu kön-nen.Vor allem die amerikanischen Berater sahen die Schwäche ei-

ner Verquickung von Gendarmerieaufgaben und Armeeaufbau.Kompliziert wurde die Aufrüstung der Alarmabteilungen zudemdurch die fast paranoide Geheimhaltung, mit der alle Beteiligtenden Aufbau des Militärapparates vor „den Russen“ und, mehrnoch, der KPÖ zu verstecken trachteten.

UNCLE SAM LEIHT KNARREN HER

Im Februar 1952 wurde schließlich ein Organisationsplan er-arbeitet. Der sowohl die USA wie die österreichische Regierungzufriedenstellte: Gendarmerieinheiten „neuen Typs“ ersetztendie Alarmabteilungen und stützten sich auf „das Aufgebot“,einen größeren Pool von Kriegstauglichen, der gegebenenfallsmobilisiert werden konnte. Den qualitativen Unterschied zumalten Konzept aber machte die Zusammensetzung der Komman-doebene: Alle wesentlichen Offiziersposten wurden von ehema-ligen Offizieren der Deutschen Wehrmacht übernommen.Offiziell fimierten die neuen Einheiten als „Gendarmerieschu-len“. Der Landesgendarmeriekommandant von Oberösterreich,Ernst Mayr, nannte die neue Truppe „B-Gendarmerie“, als Un-terscheidung von der „normalen“ A(llgemeinen) Gendarmerie.Die Waffen stellten wieder einmal die US-Truppen bei, pedan-

tisch wurde aber festgehalten, dass das gesamte Heeresmaterial

Innenminister Helmer (rechtsaußen) mit seiner "Geheimarmee"

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Eigentum der USA wäre und gegebenenfalls gut erhalten retour-niert werden müsse … Das sogenannte „Wiener Komitee“, eineArt Schatten-Heeresministerium, das streng proporzmäßig zwi-schen ÖVP und SPÖ aufgeteilt war, sollte auch die Auswahl derOffiziere überwachen (und auch dort für einen gewissen Proporzsorgen). Das „Salzburger Komitee“ hingegen war ein alliiertesGremium, das die „Wünsche“ der westlichen Besatzungsmächtegegenüber dem künftigen Bundesheer formulierte.Bis Ende 1953 nahm die Gestalt des späteren Bundesheeres un-

ter dem Deckmantel der B-Gendarmerie deutliche Konturen an:Mit der Schaffung einer eigenen Abteilung 5/S (Schulen) im In-nenministerium wurde eine klare Trennung von der Allgemei-nen Gendarmerie vollzogen. Gleichzeitig wurde eine einheitlicheBataillonsstruktur eingeführt und eine Gebirgsjägertruppe aufge-baut. Der personelle Bestand der B-Gendarmerie betrug Ende'53 rund 100 Offiziere und 4.000 Mann. 1954 hatte sich derMannschaftsstand auf 5.900 erhöht, 180 Offiziere und Unteroffi-ziere führten nun neun motorisierte Infanteriebataillone, dreimechanisierte Kompanien und ein Pionierbataillon. Zugleichwurden erste Schritte in Richtung der Schaffung einer Militäraka-demie gemacht.Eine Schrecksekunde gab es am 26, November 1954, als in der

231. Sitzung des Alliierten Rates der sowjetische HochkommisarIwan Iljitschew in einer ausführlichen Rede detailliert die Ge-schichte der B-Gendarmerie aufrollte und einen formellen Be-schluss zur Auflösung dieses paramilitärischen Körpers stellte,da Österreich jede militärische Aktivität verboten war. Die westli-chen Alliierten brachten diesenAntrag zu Fall, der darüberhin-aus wohl kaum ernst gemeintgewesen war. Iljitschew wolltewohl eher demonstrieren, dassdie UdSSR keineswegs so leichthinters Licht zu führen sei, wiedie Initiatoren der B-Gedarme-rie vermitteln hatten wollen(außerdem hatten die Sowjtu-nion zu diesem Zeitpunkt be-reits klar ihr Bereitschaft zueinem Staatsvertrag zum Ab-zug aus Österreich signali-siert).Damit trat dann die B-Gen-

darmere auch offiziell aus demSchatten. Ihre Existenz endeteam 27. Juli 1955 mit der Um-benennung in „ProvisorischeGrenzschutzabteilungen“.

LETZTE ZUCKUNGEN DERSP-LINKEN

Die spätere Gründung des Bundesheeres spitzte zum letztenMal in den 50er Jahren einen Konflikt zwischen der (gemäßig-ten) Parteilinken und dem Vorstand der SPÖ zu. Unter dem Ein-druck der Kriegszeit gab es in der österreichischen Jugend einebreite antimilitaristische Stimmung. Die Sozialistische Jugend,die während der gesamten Periode nach 1945 die Rolle einer

loyalen Opposition gespielt hatte, geriet nun von der Basis herunter Druck. Die Parteiführung sah in der Fomel der „immer-währenden Neutralität“ ein hervorragendes Argument, ihr Kon-zept der Konsolidierung des Staatsapparates voranzutreiben.Neutralität müsse gegebenenfalls mit der Waffe in der Handverteidigt werden; die SJ-Führung gab unter dem Druck vonoben die ursprüngliche vollkommene Ablehnung der Wiederbe-waffnung auf.Anfang Mai 1955 legte sich der SPÖ-Parteivorstand auf die

Schaffung eines Bundesheeres fest. Am 16. Mai schwenkte derSJ-Bundesvorstand – gegen teilweise massive Proteste der Mit-gliedschaft – auf diese Linie ein. Gefordert wurde neben der all-gemeinen Wehrpflicht - „um eine Durchsetzung des Heeres mitfaschistischen Elementen“ zu verhindern – eine viemonatigeWehrpflicht nach Schweizer Muster. Ein schönes Beispiel für so-zialdemokratische Realpolitik, damals wie heute, liefert folgen-des Zitat aus einer SJ-Geschichte der niederösterreichischenJungsozialdemokratInnen: „Der Parteitag im November 1955stimmte der Forderung der SJ nach einer viermonatigen Dienst-zeit nicht zu. Allerdings bewirkte die öffentliche Diskussion,dass die SPÖ eine sechsmonatige Ausbildungszeit für ausrei-chend hielt und in der Verhandlung mit der ÖVP eine neunmo-natige Präsenzdienstzeit erreicht werden konnte“. Von vierMonate Foderung auf sechs Monate Parteitagsbeschluss zuneun Monaten nach Verhandlungen mit dem schwazen Koaliti-onspartner – so sehen die „Siege“ der SPÖ aus...Wie präsentierte sich die „Demokratisierung“ des Bundes-

heers durch die allgemeine Wehrpflicht wirklich? In einer Publi-kation des Österreichischen Verlags für Militärgeschichtewerden folgende Zahlen genannt: „Liegt der Prozentsatz jenerehemaligen Ritterkreuzträger, die in der deutschen Bundeswehrin einen Generalsrang aufstiegen, bei 15 Prozent, ist der Wertbeim 2. Bundesheer mit beinahe 30 Prozent doppelt so hoch.Geht man von etwa 315 Anfang der Fünfzigerjahren noch leben-

Das Auftreten der B-Gendarmerie weckte ungute Erinnerungen an das Jahr 1934

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den ehemaligen österreichischen Ritterkreuzträgern aus,traten 13 Prozent in die Streitkräfte ein! Als letzte Trägerdes berühmtesten deutschen Tapferkeitsordens verließenGeneral Heinz Scharff 1985 und Brigadier Dr. GerhardZoppoth 1984 den aktiven Dienst“.Wenn heute in der SPÖ über Wehrpflicht versus Be-

rufsheer, Miliz versus Söldnertruppe diskutiert wird, sa-gen wir: Nein, wir wollen weder das eine noch dasandere. Weg mit der bürgerlichen Armee, Schluss mitgeistlosem Drill und Kasernenhofschikanen. Österreichi-sche ArbeiterInnen und Jugendliche sollen nie wieder fürdas Kapital in den Krieg ziehen – weder zu Hause, nochin anderen Ländern! .Mit Karl Liebknecht sagen wir: „DerHauptfeind steht im eigenen Land“.

Gruß von Uncle Sam: Bundesheer mit amerikanischem M1-Karabiner

Seit 20 Jahren ist die Sowjetunion unddamit angeblich der Kalte Krieg Geschich-te. Damals wurde uns das Ende des Wett-rüstens versprochen, da ja die vorgeblicheBedrohung durch den „Kommunismus“nicht mehr existent war.

Eine aktuelle Studie des schwedischenFriedensforschungsinstituts SIPRI zeigt,dass sich die Rüstungsindustrie im 21.Jahrhundert, also lange nach Ende der de-generierten ArbeiterInnenstaaten, sogarim Aufschwund befindet. Ausgerechnetim Jahr 2009, als sich der Kapitalismusin seiner größten Krise seit 1929/30 be-fand, erreichten die Umsätze der 100 größ-ten Waffenhersteller der Welt (davon 45aus den USA, Daten ohne China) mit295 Mrd. EUR einen neuen Rekord. Im

Jahresabstand bedeutete das einen Zu-wachs um 8 %, die Steigerung seit 2002beträgt satte 59 %.

Für MarxistInnen kommt diese Entwick-lung keineswegs überraschend. Für die Be-wältigung ihrer Krise hat dieAusbeuterklasse weltweit den Klassen-kampf verschärft. Das bedeutet sozialenKahlschlag, Arbeitsplatzvernichtung,Lohnkürzungen und Anhebung von Mas-sensteuern. Um diese Krisenstrategiedurchsetzen zu können, ist es notwendig,Streiks und Demonstrationen zu verhin-

dern bzw. in systemkonforme Bahnen zulenken. In Halbkolonien wie Tunesienoder Ägypten hatten die Imperialisten alleHände voll zu tun, um ihren politischenEinfluss und vor allem ihren Zugang zuRohstoffen abzusichern.

Die Existenz des Kapitalismus ist ohnemilitärische Unterdrückung unmöglich.Polizei und Armee sind wesentliche Ele-mente zur Durchsetzung der Macht derAusbeuterklasse. Die Bewaffnung der un-terdrückten Arbeiter- und Bauernmassen

ist daher für deren Befreiung unabding-bar. Mehr dazu in den Leitsätzen derGruppe Klassenkampf zum Militarismus.

KAPITALISTISCHERRÜSTUNGSWAHN UNDKEIN ENDE

KARL LIEBKNECHTÜBER DENMILITARISMUS (1 907)

Die besondere Gefährlichkeitdes Militarismus istdargelegt. Dem Proletariatsteht er als ein bis an dieZähne bewaffneter Räubergegenüber, dessen Ultimatumaber nicht lautet: la bourseou la vie - Geld oder Leben!sondern, die Räubermoralübertrumpfend: la bourse etla vie - Geld und Leben! Er istaußer der großen künftigeneine stets gegenwärtige,stets verwirklichte Gefahr,auch wenn er nicht geradezuschlägt.

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DERWEG DES NIEDERGEHENDENKAPITALISMUS IN DIE BARBAREI

Die letzten Jahre bestätigten etlicheAnalysen des wissenschaftlichen Sozialis-mus wie sie von Marx, Engels, Luxem-burg, Lenin und Trotzki formuliertwurden.Die Bankenkrise 2007/2008 in den

USA und Westeuropa, die Weltwirtschafts-krise 2009, die vor kurzem aufgebrocheneKrise der öffentlichen Verschuldung inmehreren europäischen Ländern sowieden USA zeigen auf, dass der Kapitalis-mus unweigerlich zu Krise und Arbeitslo-sigkeit führt.Der erneute Rücgriff auf protektionisti-

sche Maßnahmen und die Konkurrenz derimperialistischen Kräfte um Rohstoffe,fruchtbares Land und Süßwasser ver-schärft sich. Die Militäroperationen in Af-ghanistan, im Irak und jetzt in Libyen, dieBesetzung Haitis, die Blockade Kubas unddes Iran, die wiederholten Drohungen ge-gen den Iran und Nordkorea, die Invasi-on im Gazastreifen durch Israel im Jahr2008, die direkte MilitärinterventionFrankreichs in der Elfenbeinküste 2011zeigen auf, dass der Kapitalismus im Nie-dergang zu Unterdrückung und Kriegführt.Klimaerwärmung, Umweltverschmut-

zung, Entwaldung, die Ausdehnung derWüsten, die durch die Fahrlässigkeit vonBP in den USA 2010 verursachte Erdölka-tastrophe, die durch die Nachlässigkeitvon Tepco und der Komplizenschaft desjapanischen Staates mit dem AKW-Betrei-ber hervorgerufene Nuklearkatastrophezeigen, dass das streben nach Profit die

Umwelt bedroht.Der Anstieg von Militarismus, Fremden-

feindlichkeit, Klerikalismus, Rassismus,das monströse Wachstum der Repressi-onsapparate, die Angriffe auf die demokra-tischen Freiheiten, die Verfolgungreligiöser Minderheiten, die Jagd auf Mi-grantInnen, beweisen, dass der Kapitalis-mus anti-demokratisch und reaktionärgeworden ist.Nach dem Zusammenbruch der Sowje-

tunion und der Restauration des Kapitalis-mus in China bestätigen die Einsetzungeiner dynastischen Herrschaft und dieHungersnöte in Nordkorea sowie die Zer-stückelung der kollektivierten Wirtschaftauf Kuba, dass der Sozialismus in einemeinzigen Land unmöglich ist, vor allem inden Händen einer privilegierten Staatsbü-rokratie. Nur der Umsturz dieser prokapi-talistischen Kaste durch die Arbeiterkönnte die Errungenschaften der Revoluti-on bewahren und den Weg zum Sozialis-mus öffnen.Die Regulierung des Kapitalismus und

des Finanzwesens ist ein Mythos. Rettungder Banken auf der einen Seite, Sparpake-te für die Arbeiter auf der anderen bestäti-gen, dass der Staat nicht neutral ist,sondern der Bourgeoisie dient.Die Politik der neuen bürgerlichen Um-

weltparteien und der alten Arbeiterpartei-en („sozialdemokratisch“, „sozialistisch“und „kommunistisch“) beweist jedesmal,wenn diese Parteien loyal an der Verwal-tung des bürgerlichen Staates mitwirken(in einigen Ländern Amerikas, Europasund Ozeaniens) oder Mitglieder von ander Spitze internationaler Kapitalorganisa-tionen stehen (wie dem IWF oder derWTO), dass der Kapitalismus nicht refor-

mierbar ist. So wurde etwa der Fluglot-senstreik in Spanien von der Regierungder PSOE (Sozialdemokraten) durch dieMilitarisierung der Flughäfen unterbun-den - ganz nach Art eines Reagan oder ei-ner Thatcher.

IN DEN IMPERIALISTISCHEN ZEN-TREN WEHREN SICH DIE MASSEN,ABER DIE REFORMISTISCHEN FÜH-RUNGEN SABOTIEREN DIE KÄMPFE

In allen Teilen der Welt gab und gibt esWiderstand gegen die Versuche der impe-rialistischen Bourgeoisie, die Last derKrise auf die Schultern des Proletariats,der Bauern und der Jugend zu verlagern.Die imperialistischen Zentren wurdennicht verschont. In den USA haben vor al-lem Arbeiter aus Lateinamerika erneutgegen die neuen Anti-Immigranten Ge-setzte demonstriert und die öffentlich Be-diensteten in Wisconsin haben gezeigt,dass sie ihre Arbeitsplätze und die Ge-werkschaftsrechte verteidigen. In Grie-chenland streikten die Lohnabhängigen,gingen auf die Straßen und gerieten mitder Anti-Aufstandspolizei aneinander; InFrankreich leisteten die Lohnabhängigenmassenhaft Widerstand gegen die Angrif-fe auf die Pensionen; in Portugal gab esStreiks im öffentlichen Sektor; in Spanienfanden gewaltige Demonstrationen statt;in Britannien demonstrierten die Studen-ten, später die Arbeiter. In China habensich die Proteste gegen Bauträger undStreiks für Lohnerhöhungen vervielfacht.Alle diese Abwehrkämpfe der Arbeiter-

klasse und der Jugend sind nicht nur am

IN NORDAFRIKA UND IM NAHEN OSTEN ISTDIEWELTORDNUNG ERSCHÜTTERT.DIE JAGD NACH PROFITEN VERURSACHT EINENUKLEARE KATASTROPHE IN JAPAN.ÜBERALL IST DIE SOZIALISTISCHEREVOLUTION EINE DRINGLICHENOTWENDIGKEIT.

Erklärung des Kollektivs Permanente Revolution zum 1 . Mai 201 1

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entschlossenen Widerstand der Ausbeu-terklasse, des Staates und ihrer Regie-rung gescheitert. Die Führungen derArbeiterklasse und die Gewerkschaftsbü-rokraten haben, unterstützt durch die re-formistischen Parteien und ihrezentristischen Anhängsel, die „nationalenInteressen“ beschworen, angeblich mitden bürgerlichen Regierungen verhandeltund dann vor ihren Drohungen, Polizei-verbänden und Gerichten kapituliert, ha-ben den Aufruf zum Generalstreik undzur Selbstverteidigung verweigert und dieEnergie der Klasse durch symbolische„Aktionstage“ aufgesplittert oder die Pro-testierendn auf spätere Wahlen vertrös-tet.

IN NORDAFRIKA UNDWEST-ASIENWIRD DIEWELTORDNUNG ER-SCHÜTTERT

In den dominierten Ländern habenzahlreiche Arbeitskämpfe stattgefunden,wie in Bolivien, Südafrika und Bangla-desh. Speziell die Ereignisse in Nordafri-ka hatten eine weltweite Bedeutung. Dierevolutionäre Welle, die ihren AusgangEnde 2010 in Tunesien nahm und sich inder ganzen Region ausbreitete, wurdedurch die kabylische Bewegung in Algeri-en 2001, den palästinensischen Wider-stand 2008 und den Demonstrationen imIran 2009 angekündigt. Die Proteste rich-teten sich gegen die untragbaren Lebens-bedingungen aufgrund vonArbeitslosigkeit und Preissteigerungenbei Grundnahrungsmitteln, gegen die Un-fähigkeit der nationalen Bourgeoisien,die Länder zu entwickeln und gegen dendespotischen Charakter der jeweiligen Re-gime, die aus dem panarabischen Natio-nalismus (Tunesien, Ägypten, Libyen,Syrien, Westjordanien, Algerien, Jemen,...) oder aus den von den alten Kolonial-mächten Frankreich und Grossbritannieneingesetzten Monarchien hervorgegan-gen sind (Bahrein, Marokko, Saudi-Arabi-en,.. .) oder einem klerikalenNationalismus entspringen (Gaza).Der Stalinismus, die Sozialdemokratie

und die Liquidatoren der IV. Internatio-nale kapitulierten in den 60er und 70erJahren vor der angeblichen „arabischenRevolution“ und seinen ihren Diktatoren.Alle „sozialistischen“ Regimes, die vorga-

ben, die „arabische Welt“ zu vereinigenund ihre Länder zu modernisieren, habennicht nur nationale Minderheiten unter-drückt, sondern auch die kolonialen Gren-zen anerkannt und immer mehr vor derReligion kapituliert. Die Geschichte hatihr Urteil gesprochen: in Tunesien, Ägyp-ten, Libyen, Jemen und Syrien habensich die Massen zum Angriff auf die mafi-ösen Diktaturen formiert. Sie werden esfrüher oder später auch in Algerien tun.In Tunesien war der Nachfolger Bour-

guibas, Ben Ali (Mitglied der sogenann-ten „Sozialistischen Internationale“) mitdem französischen Imperialismus verbun-den. Der Nachfolger von Oberst Nasser,Mubarak, war dem amerikanischen Impe-rialismus ergeben und kollaborierte mitIsrael. In Lybien paktierte Ghaddafi seitmehr als einem Jahrzehnt mit dem Impe-rialismus: Privatisierungen von Unterneh-men, Öffnung für italienische undamerikanische Konzerne, im Sold der EUJagd auf schwarze Arbeiter, die nach Eu-ropa auswandern wollten. Seit der Errich-tung seiner Diktatur, - auch wenn er sichdem Imperialismus widersetzte - verbotOberst Ghaddafi Arbeiterorganisationen,einschliesslich Gewerkschaften. Er unter-hielt ein Stammessystem und lieferte einzahlreiches eingewandertes Proletariat(eine Million auf eine Gesamtbevölke-rung von 6,6 Millionen) der ungezügeltenAusbeutung durch das lokale Bürgertumaus. 1995 liess er 10.000 palästinensischeFlüchtlinge ausweisen.In Gaza und Westjordanien protestier-

te ein Teil der Jugend gegen die zwei Ge-sichter des palästinensischen Bürgertums- Hamas und Fatah - trotz deren Repressi-on, indem sie eine Aktionseinheit gegendie zionistische Kolonisierung forderten,die sich im Westjordanland und Jerusa-lem fortsetzt.

DIE BÜRGERLICHE ARMEE UND DIE„ÜBERGANGSREGIERUNGEN“ GE-GEN DIE MASSENBEWEGUNG

Angesichts der revolutionären Auf-schwünge in Verbindung mit Massende-monstrationen und Streiks derLohnabhängigen in Tunesien und Ägyp-ten gab der amerikanische Imperialismusdas Signal an den Generalstab der Ar-mee, die verhassten Despoten abzusetzen

und den Ausweg in Form einer Arbeiter-und Bauernregierung mittels Übergangs-regierungn aus alten Würdenträgern derRegimes, „demokratischen“ Oppositio-nellen mit Verbindungen zum Imperia-lismus, ja sogar mit zu „Gemäßigten“umbenannten Islamisten, zu blockieren.Als sich in Libyen die Massen durch

die benachbarten Revolten in Tunesienund Ägypten inspirieren ließen und sichim ganzen Land, bis hin zu den dichtbe-völkerten Stadtvierteln von Tripolis, er-hoben, setzten die französischen undbritischen Imperialisten auf eine analogeRegierung. Der 'Nationale Übergangsrat'rief die imperialistischen Mächte zu Hil-fe. Keine Organisation vertrat ein Pro-gramm, auf das die Arbeiter in Stadt undLand, ebenso wie ein Grossteil der Ju-gend, hofften: Konstituierende Ver-sammlung, Trennung von Staat undReligion, Gewerkschaftsrechte, Rückgabevon Land an die Bauern, Beschlagnahmeder Großunternehmen, Gleichstellungder Zuwanderer, Emanzipation derFrau... was nicht nur das totalitäre Re-gime, sondern auch die Überbeibesel derStammestraditionen und das kapitalisti-sche Eigentum in Frage gestellt hätte.Angesichts der Einmischung der wich-tigsten Armeen der NATO fand Ghaddafierneut Unterstützung unter den Volks-massen. Gleichzeitig stellte Saudi-Arabi-en - absolute Monarchie, islamistischesRegime und Partner der USA - inBahrein die „Ordnung“ wieder her, ohnedass von Cameron, Sarkozy oder Obamadas Völkerrecht bemüht wurde. Die ira-kische Armee massakrierte zur gleichenZeit gerade iranische Flüchtlinge im La-ger von Ashraf.

In Tunesien, Ägypten und Libyen hatsich die Theorie der permanenten Revo-lution bestätigt: Das Bürgertum ist in un-serer Epoche unfähig, eine revolutionäreRolle zu spielen. Die arbeitenden Massenin Stadt und Land, die Jugend, die für ei-ne anständige Zukunft kämpft, werdenvon bürgerlichen und kleinbürgerlichenGrossmäulern betrogen, die versuchen,ihnen die Macht vorzuenthalten und sievom Kampf abzubringen. Der Staatsap-parat im allgemeinen und die Armee imbesonderen sind nie über den Klassenangesiedelt, sondern sind Werkzeuge derherrschenden Klasse. Die Einberufenen,die Kleinbauern, der Kleinhandel und die

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Künstler schwanken zwischen den Haupt-klassen. Sie sind bereit, die Arbeiterbewe-gung zu unterstützen, wenn diese fähigist, eine Perspektive zu eröffnen und ih-nen eine revolutionäre Führung zu ge-ben.

GEGEN DIE IMPERIALISTISCHE IN-TERVENTION IN LIBYEN,AFGHANIS-TAN, IRAK, LIBANON, HAITI,ELFENBEINKÜSTE - FÜR DIE PROLE-TARISCHE REVOLUTION

Jedes unterdrückte Land hat das Rechtgegen die militärische Intervention derGroßmächte Widerstand zu leisten. Umder Jugend und den Arbeitern in Libyenzu helfen, dürfen die Arbeiter Amerikasund Westeuropas kein wie immer gearte-tes Vertrauen in ihre Regierungen setzen.Diese dienen alleine den großkapitalisti-schen Konzernen, zerstören alle früheren

sozialen Errungenschaften und unterstüt-zen weltweit die Konterrevolution, kleri-kale Monarchien und die schlimmstenDiktaturen. Sie müssen fordern, dass dieMassenorganisationen, die ihre Wurzelnim Proletariat haben - Gewerkschaftenund Parteien - , sich für die Öffnung derGrenzen für Arbeiter und Studenten ausganz Afrika, gegen jegliche militärischeIntervention in Libyen und anderen Län-dern der Region, für den sofortigen Ab-zug aus dem Irak und Afghanistan, fürdie Schließung sämtlicher amerikani-scher, französischer und britischer Mili-tärbasen im ganzen Mittelmeerraum, fürdie Aufhebung der Blockade gegen denIran, für die Zerstörung der Mauer desApartheid-Zionismus und das Rückkehr-recht für alle palästinensischen Flüchtlin-ge einsetzen. Der entschlossene Kampfder Arbeiter gegen ihre eigenen imperia-listischen Regierungen wäre die beste Hil-fe für die Arbeiter in Libyen und in derganzen Region für die Beseitigung des zio-

nistischen Kolonialstaates, für die Er-richtung der Sozialistische FöderationNordafrikas und des Nahen Ostens, woAraber, Berber, Türken, Juden, Kurden,Saharauis, Perser, etc. gemeinsam dievom Kolonialismus ererbten Grenzenniederreißen.Die Weltkrise des imperialistischen

Systems, seine Kriege, die ökologischenKatastrophen, die antidemokratischenRegime zeigen, das die Gier des Kapitalsdie Menschheit an den Rand des Abgrun-des gebracht hat. Nur die Arbeiterklassekann den Weg zur sozialistischen Revo-lution, zu einer von den Produzentenselbst geplanten Wirtschaft ebnen, diegeschichtlich überholten Grenzen über-winden. Deshalb gilt es, das für den Siegnotwendige Instrument zu schaffen: Injedem Land eine revolutionäre Arbeiter-partei, verbunden mit den revolutio-nären Parteien der anderen Länder ineiner revolutionären Arbeiterinternatio-nale.

LEST DIE PRESSE DERORGANISATIONEN DES COREP!

In Peru beteil igt sich das "KollektivPermanente Revolution in Peru" an denMobilisierungen gegen die Sparpaketeder reaktionären Regerung. In Frankreichtreten die AktivistInnen der Groupe

Bolchevik gegen die Spalterpolitikder Gewerkschaften und der

reformistischenFührerInnen aufund kämpfenentschlossen fürden unbefristetenGeneralstreik gegendie Angriffe desKapitals.Die Presse der Sektionendes CoReP kann bei denGenossen der GKK bezogenwerden.

http://www.revolution-socialiste.infohttp://luchamarxista.blogspot.com

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Die westlichen Mächte, welche die Dik-tatur Gaddafis als legitim anerkanntenund gelegentlich auch bewaffneten, stel-len seit einigen Wochen die Drohung derÜbernahme des libyschen Luftraumesdurch ihre Armeen in den Raum. Die ara-bische Liga unterstützt sie dabei, wäh-

rend das Militär ihres MitgliedslandesSaudi- Arabien den Aufstand in Bahreinniederschlägt. Frankreich und Grossbri-tannien erwägen sogar Luftschläge in Li-byen. Österreich unterstützt sie dabei.DieUS-Armee hat ihre Präsenz im östlichenMittelmeerraum verstärkt.Oberst Gaddafi verteidigte bis zuletzt

das Regime Ben Ali's gegen die Massen-aufstände in Tunesien, weil er ein Über-schwappen der Revolution fürchtete. Unddas zu Recht: seine Familie ist genausomafiös wie die Ben Ali's und seine Herr-

schaft noch totalitärer.Die Diktatur kann sich nicht mehr hin-

ter einem Anti-Imperialismus verstecken.2003 hat Gaddafi den Verzicht auf Mas-senvernichtungswaffen erklärt und Frie-den mit Bush geschlossen, indem er sichdessen Kampf gegen den 'Islamismus' an-

schloss. 2006 hat Libyen die diplomati-schen Beziehungen mit den USA wiederaufgenommen, grosse Unternehmen zuprivatisieren begonnen und das Land füramerikanische Ölfirmen geöffnet. 2007hat Gaddafi einen Vertrag mit Berlusconiunterzeichnet, um die Emigration vonSchwarzafrikanern von den libyschen Küs-ten Richtung Italien zu unterbinden. Seit-her sind Hunderte Menschen aus Eritrea,Mali, Somalia von der libyschen Polizeiim Dienste der EU misshandelt, erpresst,geschlagen und verletzt, in der Wüste aus-

gesetzt oder unter unwürdigen Bedingun-gen inhaftiert worden.Alle imperialistischen Staaten der Welt,

inklusive China, hatten Ben Ali und Mu-barak bis zum letzten Moment unter-stützt. Um die Revolution, die inNordafrika begann und sich auf den Na-

hen Osten ausweitet, zu ersticken, wasnicht nur ihre Ölvorräte, sondern auchdie regionale, ja sogar die globale Ord-nung bedroht, intervenierten die Groß-mächte mittels der ihnen verbundenenGeeralstäbe. Obama ließ Ben Ali im Jän-ner durch das tunesische Militär abset-zen. Dieses setzte eine bürgerliche'Übergangsregierung' ein. Im Februardrängte Obama den ägyptischen Militär-stab Mubarak zu entfernen, mit den Isla-misten zu verhandeln und eine'Übergangsregierung' zu installieren. Alle

Erklärung des Kollektivs Permanente Revolution zu Libyen (1 5.3.201 1 )

KEINE FLUGVERBOTSZONE,KEINE LUFTANGRIFFE! KEINEMILITÄRISCHE INTERVENTIONDER USA ODER DER EUIN LIBYEN!

Oberst Gadaffi, Silvio Berlusconi: Mehr Gemeinsames alsTrennendes?

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imperialistischen Länder fuhren fort, dieÖllieferungen Gaddafis zu begleichen, derFlugzeuge und Panzer gegen die aufständi-schen Massen schickte.Die drohende Einmischung westlicher

Armeen, die 2003 den Irak zerstörten undAfghanistan seit 2001 besetzen, hat Gadda-

fi politisch gestärkt. Nur die Aussicht auf ei-ne Arbeiter- und Bauernregierung,ernannt von Arbeiter- und Volksräten, wel-che demokratische Freiheiten, die Tren-nung von Staat und Religion, dieEmanzipation der Frauen, die kompletteGleichstellung von immigrierten Arbei-tern, die Kontrolle der Bevölkerung überdie Wirtschaft, die Enteignung der kapita-listischen Unternehmen des Gaddafi-Clans... durchsetzt, würde den Zugriff un-tergraben, den Gaddafi weiter auf einenGrossteil des Territoriums und die nationa-le libysche Ölgesellschaft hat.Um Gaddafi zu besiegen, um die feuda-

len Überbleibsel, die die Diktatur beibehal-ten hat, zu beseitigen, um das Land zu

entwickeln und es wirklich aus der imperia-listschen Dominanz zu führen, ist eine so-ziale Revolution notwendig. Um das zuerreichen brauchen die Arbeiter ihre eige-ne Partei, die unabhängig von jeglichembürgerlichen Einfluss ist (sei es „nationalis-tisch“, „demokratisch“ oder „islamis-

tisch“), eine Partei, die auf den Marxismusund im besonderen auf die Strategie derpermanenten Revolution baut (nur die Ar-beiterklasse kann die Führung einer Revo-lution im Zeitalter des Imperialismusübernehmen, die nur dann siegen kann,wenn sie sich vertieft und ausweitet), einePartei, die sich mit anderen ProletariernNordafrikas, des Nahen Ostens, Afrikassüdlich der Sahara, des gesamten Mittel-meerraumes zu einer revolutionären Arbei-terinternationale verbindet. Die Arbeiterund Jugendlichen Tunesiens und Ägyptensmüssen in ihren Ländern die Waffen ansich bringen, um ihre Brüder und Schwes-tern in Libyen zu unterstützen.Um die Jugend und die Arbeiter, die Gad-

dafi versuchen zu stürzen, zu unterstützen,können die Arbeiter Nordamerikas undWesteuropas ihren eigenen Regierungenkein wie auch immer geartetes Vertrauenentgegenbringen: sie stehen alle im Diens-te der grossen kapitalistischen Unterneh-men, die alle ihre früheren sozialenErrungenschaften zerstören und vor allemweltweit die Konterrevolution, klerikaleMonarchien und die schlimmsten Diktatu-ren unterstützen. Sie müssen fordern, dassMassenorganisationen, die aus der Ar-beiterschaft kommen, Gewerkschaften undParteien, sich für die Öffnung der Grenzenfür Arbeiter und Studenten aus ganz Afri-ka, gegen jegliche Militärintervention inLibyen und andere Länder der Region, fürden totalen Abzug aus dem Irak, für dieSchliessung amerikanischer, französischerund britischer Militärbasen im ganzenMittelmeerraum und für die Aufhebungder Blockade gegen den Iran einsetzen.Der entschlossene Kampf der Arbeiter ge-gen ihre eigenen imperialistischen Regie-rungen wäre die beste Hilfe für dieAufständischen in Libyen und die unter-drückten Völker Nordamerikas. Ebenfallsmüssen die jüdischen Arbeiter der zionis-tischen Kolonisoerung ein Ende bereitenund das Rückkehrrecht der Palästinenseranerkennen.So können die libyschen Arbeiter die

Diktatur der Bourgeoisie überwinden undzu einer sozialistischen Föderation Nord-afrikas und des Nahen Ostens beitragen,wo Araber, Berber, Türken, Juden, Kur-den, Sahrauis, Perser, etc. gemeinsam dievom Imperialismus geerbten Grenzenüberwinden.

Groupe Bolchevik (Frankreich),Kollektiv Permanente Revolution(Peru), Gruppe Klassenkampf

(Österreich)

Wir haben die oben abgedruckte Erklärung des CoReP am 8.

April bei einer Kundgebung vor der französischen Botschaft in

Wien auf deutsch und französisch verteilt. Zu der Kundgebung

hatte die IARKP aufgerufen. Auch wenn die TeilnehmerInnenzahl

gering war, handelte es sich doch um eine notwendige

internationalistische Aktion. Gerade imperialistische Kriege sind

immer ein wichtiger Test für die Organisationen der

ArbeiterInnenbewegung.

Der französische Imperialismus - in Nordafrika besoonders aggressiv

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Eine bundesweite Spitalsreformkom-mission bestehend aus Vertretern vonBund, Ländern und Krankenkassen drohtmit einem Kassasturz, um eine wirtschaft-liche Rechtfertigung für politisch motivier-te Kürzungen im Spitalswesen liefern zukönnen. Das Ergebnis dieser „Untersu-chungen“ ist durchaus vorhersehbar: Die

Spitäler arbeiten angeblich inneffizientund es können xy Mio. EUR durch Schlie-ßungen von Abteilungen, Zusammenle-gung von Krankenhäusern und vor allemdurch Personalabbau eingespart werden.Schon seit geraumer Zeit wird in Frage ge-stellt, ob z. B. in Niederösterreich alle Be-zirke ein eigenes Krankenhaus benötigen.Vor allem das Spital in Neunkirchen stehtdabei zur Diskussion, ist doch das nächs-te Krankenhaus in Wiener Neustadt nurca. 20 km entfernt.

In vorauseilendem Gehorsam kündigteWien Mitte März 2011 die Konzentrationder 12 Wiener Spitäler in 7 großen Ge-sundheitszentren bis 2030 an. Gesund-heitsstadträtin Sonja Wehsely ist alsoberste Beschwichtigungshofrätin be-müht zu versichern, dass es zu keinem

Personalabbau kommen werde und sichdie Gesundheitsleistungen der Stadt so-gar noch verbessern werden. Die Bot-schaft hören wir wohl – allein, es fehlt derGlaube, dass die völlige Neuordnung desWiener Spitalswesens zum Vorteil von Be-schäftigten und PatientInnen sein soll.

Wehsely konnte auf der Klubklausurder SPÖ Wien Mitte März 2011 die Fragenach Personalabbau und Bettenreduktionnicht konkret beantworten. O-Ton derWiener Gesundheitsstadträtin:“Kein Mit-arbeiter im Krankenanstaltenverbundmuss JETZT um seinen Arbeitsplatzfürchten.“ Wir danken für die entwaffnen-de Ehrlichkeit bei der Offenbarung derHalbwertszeit von PolitikerInnenaussa-gen. Wehsely mag recht haben, dass Kran-kenhäuser, welche über 100 Jahre altsind, trotz hoher Investitionen in Sanie-rungsmaßnahmen nicht die Qualität vonNeubauten erreichen. Die ersatzlose Strei-chung von Standorten ist jedoch die fürdie 32.000 ArbeiterInnen des WienerKrankenanstaltenverbunds und deren Pa-tientInnen die denkbar schlechteste Lö-sung.

Bereits jetzt ist das Pflegepersonal vomNeusiedler- bis zum Bodensee am Limitund Ärzte leiden mit Arbeitszeiten von80 und mehr Wochenstunden häufig amBurnout Syndrom. Wartezimmer vonAmbulanzen sind häufig überfüllt, weni-ger Standorte und damit längere und be-schwerlichere Anfahrtswege wären einehöhere Hemmschwelle, sich in ambulan-te Behandlung zu begeben.Bei Wartezeiten auf OP Termine sind

zwischen ASVG- und privat VersichertenTendenzen in Richtung Zwei-Klassen-Medizin auszumachen. Der Druck vonHandelsketten, möglichst viele Medika-mente von der Rezeptpflicht auszuneh-men und der verordnungsfreie Verkaufvon medizinischen Produkten im Inter-net sind weitere bedenkliche Entwicklun-gen im Gesundheitswesen.

Der Gegenpol zu diesen menschenver-achtenden Trends in der kapitalistischenGesellschaft bildet das Modell der Ge-sundheitsversorgung einer auf Solidaritätbasierenden Gesellschaftsordnung. Ge-sundheit ist das wichtigste Gut des Men-schen. Im Kapitalismus ist das Wohl desMenschen jedoch kein Ziel, es sei denn,es dient der Profitmaximierung. Gebets-mühlenartig wird uns das Märchen er-zählt, dass die Menschen eine immerhöhere Lebenserwartung erreichen, diemedizinische Versorgung immer teurerwird und daher das gesetzliche Kranken-versicherungssystem nicht mehr finan-zierbar sei. Tatsache ist jedoch, dass sichdie staatlichen Gesundheitsausgaben seitvielen Jahren bei 10 % des Bruttoinlands-produkts bewegen (Quelle: www.statis-tik.at). Es muss Schluss sein mitZwei-Klassen-Medizin und gewinnorien-tierter Gesundheitsversorgung! Dafür zukämpfen ist eines der lohnenden Ziele ei-ner sozialistischen Gesellschaft.

WIEN:VORLEISTUNGENFÜR BUNDESWEITESPITALSREFORMAUS 1 2 MACH 7

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KLASSENKAMPF

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Bei einer Volksbefragung im Februar 2010 votierte eine überwältigen-de Mehrheit der WienerInnen für die Einführung eines sogenanntenFührscheins für Kampfhunde. Als Kampfhunde gelten in Wien eine Rei-he von bestimmten Hunderassen wie z. B. der Rottweiler. Die Liste derals Kampfhunde definierten Rassen wurde lt. Umweltstadträtin Sima inZusammenarbeit mit Experten erstellt.Eine Studie der medizinischen Universität Graz zeigt nun auf, dass von

341 von Hundebissen verletzten Kindern unter 17 Jahren eine großeMehrheit Opfer von Vertretern beliebter Hunderassen wie Schäfer,Dackel oder Pudel wurden, welche nicht als Kampfhunde gelten. Zudemkommen Hundeführscheinkontrollen äußerst selten vor (10 im 1. Quar-tal 2011). Somit stellt sich die Sinnhaftigkeit des eben erst eingeführtenHundeführscheins in Frage.Ein schwerer Zwischenfall in Wien-Donaustadt in der Karwoche 2011,

bei dem ein Schäferhund 4 Menschen auf einem Kinderspielplatz schwerverletzte, sorgt nun für weitere Diskussionen zum Thema Schutz vonMenschen vor Hundebissen. Bei der erwähnten Attacke im 22. Bezirkverwies der Hundehalter auf die angelegte Leine und blieb völlig unein-sichtig. Während die 4 Opfer, darunter zwei 2-jährige Kinder, für ihrrestliches Leben entstellt sind, darf der Hundebesitzer seinen Hund be-halten, wenn auch die polizeiliche Anordnung der Leinen- UND Beiß-korbpflicht getroffen wurde und er die Hundeführscheinprüfung ablegenmuss.

D. h. dass der Staat damit zugibt, dass die Leinen- UND Beißkorb-pflicht in Kombination mit der Hundeführscheinprüfung der einzigwirksame Schutz vor Hundebissen ist! Doch HundehalterInnen habeneine starke Lobby, die ihnen quasi "Narrenfreiheit" verschafft. Tiernah-rungsindustrie, Handel, Tierärzte, Züchter und nicht zuletzt Staat undGemeinden (Umsatzsteuer, Hundesteuer) machen mit den Hundeliebha-berInnen ihre Geschäfte bzw. lukrieren Steuereinnahmen.Einmal mehr zeigt sich, dass gegen jede Vernunft im kapitalistischen

Gesellschafts- und Wirtschaftssystem Profite mehr als Menschen zählen.Zum besseren Schutz der Menschen vor Hundebissen fordern wir:- Leinen-, Beißkorb- und Hundeführscheinpflicht für BesitzerInnen

von Hunden ALLER Rassen!- Der Verstoß gegen diese Sicherheitsmaßnahmen darf kein Kavaliers-

delikt sein!- Schwerpunkt der Kontrollen muss auf der Einhaltung der Sicher-

heitsmaßnahmen statt auf nicht entferntem Hundekot liegen!- Hundeauslaufzonen müssen eingezäunt werden und dürfen nicht

wie bisher ganze Erholungsgebiete umfassen! Es ist deutlich auf die Ge-fahr in den Hundeauslaufzonen hinzuweisen!

Wien: DilemmaHundeführscheinES MUSS ERST ETWASPASSIEREN, BEVOR ETWASPASSIERT

Matte Performance:TSCHERNOBYL-AKTION INWIEN

Ostermontag, 25. April. Auf Initiative von GLOBAL2000 und diverser Umweltorganisationen findet amWiener Stephansplatz eine Gedenkkundgebung zum 25.Jahrestag des AKW-GAU in Tschernobyl und zurSolidarität mit den Opfern der Fukushima-Katastrophestatt. Bemerkenswert: Auch die SPÖ mit ihrenUntergliederungen hat zu dieser Kundgebungaufgerufen, ebenso wie ihr grüner Koalitionspartner inWien.Als Genossen der Gruppe Klassenkampf um 18.00 Uhr

am Stephansplatz eintreffen und beginnen, unserFlugblatt "Lügen, dass sich die Brennstäbe biegen" zuverteilen, herrscht weitgehend Leere beim Treffpunkt.Und das, obwohl Bundeskanzler Werner Faymann redenwird? Oder: Gerade deswegen?Bis 18.30 wächst die Menge auf rund 400 Personen

an. Die SPÖ ist mit vielen bekannten FunktionärInnenaller Ebenen vertreten, die Basis hingegen ist abwesend.Ein Trost für die SozialdemokratInnen: Bei den Grünenschauts nicht besser aus.Clever gewählt, dieser Kudgebungsort, stellen wir fest:

Mangelnder Zustrom lässt sich hier durch dieTouristenmassen kaschieren - und dementsprechendwerden aus dem "richtigen" Winkel Faymann-Fotosgeschossen, die Besucherhorden vortäuschen. Die"Kronen-Zeitung", politische Hebamme des SP-Kanzlers,ortet am nächsten Tag gar "tausende"Kundgebungsteilnehmer.Alles in allem: Eine matte Performance der in Wien

regierenden Parteien. Und ein Indiz, wie es mit derMobilisierungsfähigkeit der SPÖ ausschaut...

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Nach dem Ausfall des Kühlsystems in ei-nem 40 Jahre alten Atomkraftwerk im ja-panischen Fukushima ist nach einemschweren Erdbeben eine Kernschmelzeund in Folge ein sogenannter Super GAUeingetreten. Auch aus anderen japani-schen AKWs wurden Störfälle gemeldet.Seit der Atomkatastrophe von Tscherno-

byl in der damaligen Sowjetunion sind 25Jahre vergangen. Zeitzeugen erinnernsich an die damalige Informationspolitikvon Ost und West. Die stalinistische, in ih-rer Degenerationsphase befindliche Sowje-tunion übte sich in Vertuschung undSchönfärberei, schickte zeitgleich Men-schen als sogenannte Liquidatoren in densicheren Strahlentod und hat durch ver-spätete Evakuierungen und Desinformati-onspolitik weitere Menschenleben aufdem Gewissen. Heute gleicht Tschernobylimmer noch einer Geisterstadt und dieUkraine muss für die Erhaltung des denstrahlenden Reaktor abschirmenden Sar-kophags gigantische 5 % ihres Bruttoin-

landsprodukts aufwenden. Doch auch derWesten übte sich sowohl nach dem Reak-torunfall im US amerikanischen Harris-burgh als auch 1986 nach dem SuperGAU von Tschernobyl in perfekter Be-schwichtigungspolitik. Trotz vielfacherÜberschreitung der Grenzwerte behaupte-ten offizielle Stellen in Deutschland, dass

keinerlei Gefährdung besteht und dieSPÖ Wien sah keine Veranlassung, ihreMaidemonstration wenige Tage nach derNuklearkatastrophe aus Sicherheitsgrün-den abzusagen.Nach dem Störfall im japanischen Fu-

kushima gibt es ein Déjà-vu-Erlebnis fürnicht mehr ganz junge Menschen. Ähn-lich wie 1986 schwärmen Heerscharenvon PolitikerInnen und von ihnen beauf-tragte "ExpertInnen" aus. Sie alle stehenim Dienst der kapitalistischen Atomindus-trie und sind aus Leibeskräften bemüht,jeglichen Imageschaden für ihre Auftrag-geber abzuwenden. Die Situation für dieAtomlobby hat sich insofern verschärft,

als dass das Märchen von der Beherrsch-barkeit der Atomkraft nur noch schwerglaubhaft erzählt werden kann. Es wirdoffensichtlich, dass Tschernobyl kein ein-zigartiger Super GAU in einem Schrottre-aktor mit überholter Technologie war undes auch in AKWs mit westlichen Stan-dards keine absolute Sicherheit gebenkann.Und wieder werden - wie in Tscherno-

byl - Arbeiter in den sicheren Strahlentodgeschickt. Langsam mussten AKW Betrei-ber Tepco und die japanische Regierungdas wahre Ausmaß der Katastrophe zuge-ben. Ein Areal mit einem Durchmesservon 20 km rund um das AKW Fukushimawurde mittlerweile zum absoluten Sperr-gebiet erklärt. Vor allem in Japan inklusi-ve dem Ballungsraum Tokio, aber auchweltweit, hat die Strahlenbelastung zuge-nommen. Die kapitalistischen Mediensind bemüht, bei der Berichterstattungaus Fukushima eine Normalität einkeh-ren zu lassen, die es im Zusammenhangmit dem Anstieg von Krebserkrankungenoder der Tatsache, dass ganze Landstri-che unbewohnbar werden, nicht gebenkann.Vor allem nach dem Erreichen von

"Peak Oil", der größten weltweit jemalserreichten Erdölfördermenge 2006 alsWendepunkt bei der Gewinnung fossilerBrennstoffe sowie der Entlarvung von ka-lorischen Kraftwerken als eine derHauptproduzenten des Klimakillers CO²führten zu einer weltweiten Renaissanceder Kernkraft. Große Industrienationenwie Deutschland verlängerten die Lauf-zeit ihrer AKWs, andere, wie Frankreich,entschlossen sich gar zu einem weiterenAusbau der Kernkraft. Diese Entwicklungscheint nun gefährdet. Weltweit befindensich Atomgegner seit Fukushima im Auf-wind.

Harrisburgh 1 979 - Tschernobyl1 986 - Fukushima 201 1

LÜGEN, DASS SICH DIEBRENNSTÄBE BIEGEN

Tokio, MItte April: Vor der TEPCO-Zentrale fordern 5.000 den Ausstieg aus der Atomkraft

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In mehreren europäischen Länderngibt es nun auf Druck der Bevölkerungdie Aussetzung von Atomprogrammenund befristete Abschaltungen von AKWsin Kombination mit sogenannten Stress-tests. Glaubwürdige Anti-Atompolitiksieht anders aus!Als rohstoffarmes Land setzt Japan als

drittgrößte Wirtschaftsmacht der Erdevor allem auf die Atomkraft und hat 54AKWs in Betrieb. Weitere 14 sind in Baubzw. in Planung. Schon vor dem Bau der

ersten AKWs war Japan der Erdbebenfor-schung als eines der Haupterdbebengebie-te der Erde bekannt. Weiters hieltenSeismologen ein starkes Erdbeben in Ja-pan für überfällig. Trotz der nach dem ver-heerenden Erdbeben von Kobe 1995verschärften Sicherheitsstandards habendie japanischen AKWs dem jüngsten Be-ben nicht standgehalten.Auf Grund der bekannten Sicherheits-

problematik stellt sich die berechtigte Fra-ge, warum Japan nicht schon längst seineAtomstromerzeugung durch die Entwick-lung und Forcierung von Ökostrompro-duktion ersetzt hat. Die Antwort ist imkapitalistischen Wirtschafts- und Gesell-schaftssystem zu finden. Japan wurdevon der Weltwirtschaftskrise, welche2008 begonnen hat, besonders hart ge-troffen. Nach wie vor halten Deflationund hohe Schulden den Inselstaat fest im

Würgegriff.Die derzeitige Katastrophe illustriert un-

sere These auf brutale Weise: Der Betrei-ber des AKW in Fukushima ist die privateTokioter Elektrititäsgesellschaft Tepco.Das Unternehmen kann auf eine langeListe von Störfällen, Schlampereien undVertuschungen zurückblicken:2002/2003 war aufgeflogen, dass Sicher-heitsüberprüfungen vorgeschwindelt wor-den waren, die nie stattgefunden hatten.2004 kamen vier Arbeiter im Tepco-AKW

Mihama ums Leben, als Wasserdampfaustrat; über das AKW Fukushima sindseit 1994 immer wieder Störfall-Berichtevorgelegt worden - unter anderem Rissein Wasserrohren und der Reaktorumman-telung sowie Löcher in Brennstäben. Tep-co hatte noch im Herbst vergangenenJahres neue Aktienemissionen angekün-digt, um in Higashi-Dori ein weiteresAKW mit einer Leistung von 1,385 Mega-watt zu errichten, das 2017 in Betrieb ge-hen sollte. Da es in Japan ausverständlichen historischen Gründen ei-ne starke Aversion gegen die Nutzungvon Atomkraft gibt, hat Tepco gleichzeitigmit der geplanten Kapitalerhöhung eineWerbekampagne im Großraum Tokio be-gonnen, um den dort weit verbreitetenGasverbrauch zugunsten der "sauberen"Atomenergie zurückzudrängen.Wie auch die letzten Weltumweltkonfe-

renzen zeigen, lässt das profitorientierteDenken der kapitalistischen Wirtschafteine globale Ökologisierung der Energie-gewinnung nicht zu. Jede große imperia-listische Macht, welche aus demweltweiten Kampf um Absatzwärkte, Ein-fluss und Rohstoffe siegreich hervorge-hen will, kann sich eine radikaleUmstellung auf Stromgewinnung ausSonnenenergie, Windkraft etc. nicht leis-ten. Billiger sind Laufzeitverlängerungenund Neubau von AKWs und kalorischen

Kraftwerken.Erderwärmung mit verheerenden Aus-

wirkungen wie großflächigen Über-schwemmungen sowieAtomkatastrophen wie jene vom März2011 in Japan werden in den kommen-den Jahren verstärkt in den Weltnach-richten zu finden sein. Diese Entwicklungist im Rahmen des kapitalistischen Sys-tems nicht zu stoppen. Nur eine weltweitsolidarisch geplante sozialistische Wirt-schaft kann eine Ökologisierung derEnergiegewinnung ermöglichen.Angesichts der jüngsten Natur- und

Atomkatastrophe in Japan ist die von Ro-sa Luxemburg aufgestellte Alternative"Sozialismus oder Barbarei" aktuellerdenn je und wird zunehmend zu einerÜberlebensfrage für die gesamte Mensch-heit.Wien, 25. April 2011

Auswirkungen der kapitalistischen Atompolitik: Militarisierung und radioaktive Verseuchung

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