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438 Berichte Stahlbau 73 (2004), Heft 6 Der aufgeklebte Handtuchhalter im Ba- dezimmer – unverhofft fällt er eines Tages von der Wand ab. Die geklebte Tasse des Lieblingsgeschirrs – nach dem ersten Spülen sucht man die Einzelteile aus dem Geschirrspüler. Dem Kleben wird landläufig nicht viel zugetraut; Kleben gilt als Notbehelf. Die großen Erfolge der Klebtechnik der letzten Jahr- zehnte in vielen industriellen Bereichen – speziell im Automobil- und Flugzeug- bau – werden daher kaum für die breite Öffentlichkeit publiziert. Der Einsatz von Klebnähten läßt sich schwerlich als Wettbewerbsvorteil verkaufen. So hat das Kleben in der industriellen Ferti- gung eher unbemerkt begonnen, die her- kömmlichen mechanischen Fügeverfah- ren – wie Löten, Nieten, Schrauben und Schweißen – zu verdrängen bzw. zu er- gänzen. Eine Autokarosserie weist bei- spielsweise durchschnittlich etwa 100 m Klebnaht auf, wobei damit eine nicht unerhebliche Steifigkeitserhöhung ver- bunden ist. Auch für das Bauwesen könnten mühselige Arbeiten beim In- nenausbau wie Schrauben, Bohren und Nageln bald der Vergangenheit ange- hören, wie der Klebstoffhersteller Henkel ankündigte, da ein neu entwickelter so- genannter Powerkleber künftig zuneh- mend Montagearbeit ersetzen werde [1]. Die Dynamik, mit der die Kleb- technik in der industriellen Fertigung um sich greift, steht allerdings in einem beunruhigendem Kontrast zum immer noch lückenhaften Klebstoffwissen. Der Reim „Gott gebe, daß es klebe!“ ist je- dem Klebstoffexperten bekannt. Durch die Komplexität der Einflußgrößen aus Klebschicht- und Fügeteileigenschaften sowie den Beanspruchungsbedingungen konnte bisher weder eine allgemein an- wendbare Theorie für eine umfassende Beschreibung der beim Kleben ablau- fenden Vorgänge noch ein allgemein gültiges Berechnungsverfahren zur Di- mensionierung einer Klebverbindung gefunden werden. Im Rahmen der Diplomarbeit des Verfassers [2] wird die Klebtechnik zu- nächst im Kontext zu anderen Verbin- dungsverfahren eingeordnet, die ver- wendeten Klebstoffgruppen werden vor- gestellt und die Wirkungsweise einer Klebverbindung erläutert. Aus der Wir- kungsweise ergeben sich Rückschlüsse bezüglich des Langzeitverhaltens und der klebgerechten Fugengestaltung. Letztere muß zwei wichtige Punkte re- flektieren: das Vorhandensein ausreichend großer Klebflächen und – das Vermeiden von Spannungsspit- zen. Kleben von Stahl mit Stahl und Glas mit Stahl FE-Simulationen, Anwendungen, Perspektiven Matthias Wißling Die Forderungen basieren auf den ge- genüber den metallischen Fügeteilen sehr viel geringeren Klebschichtfestig- keiten. Heute erreichen Kleber Kurz- zeitfestigkeiten in der Größenordnung von etwa 20 bis 50 N/mm 2 . Damit liegt die Festigkeit deutlich unterhalb der von Stahl. Weitere wesentliche Nach- teile der Klebtechnik sind die nötige Oberflächenvorbehandlung, die Anfäl- ligkeit gegen Schäl- und Schlagbean- spruchung sowie ein sich auf die Festig- keit negativ auswirkender Zeit- und Temperatureinfluß. Als Vorteile sind ins- besondere die Möglichkeit zum Fügen unterschiedlicher Werkstoffe, die Beibe- haltung der ursprünglichen Struktur der Fügeteile und der gleichmäßige Kraft- fluß bei flächigen Verbindungen zu nennen. Eine Kombination unterschied- licher Fügeverfahren kann durch syner- getische Nutzung der Vorteile der jewei- ligen Einzelvefahren weitere Verbesse- rungen der Eigenschaften der Gesamt- konstruktion erzielen. So ist die Kombi- nation des Punktschweißens mit Kleben im Automobil-, Waggon- und Geräte- bau inzwischen Stand der Technik [3]. 1 Anwendungen der Klebtechnik im Stahlbau Beim Studium der Berichte und Veröf- fentlichungen über das Kleben von Me- tallen fällt auf, daß in der Regel nur von Aluminium- oder Leichtmetall-Legierun- gen mit Anwendung im Automobil- und Flugzeugbau die Rede ist. Der Stahlbau, der sich als Fertigteilbauweise von Hause aus mit Verbindungselementen und -kon- struktionen zu befassen hat, übernahm aus diesen Bereichen die Idee der Kle- bung. So kam es in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahr- hunderts zum Bau von einigen Demon- strationsobjekten, die in zwei Gruppen gegliedert werden können, und zwar die reine Klebverbindung und die vorgespannte Klebverbindung (VK- Verbindung). 1.1 Die reine Klebverbindung Im Herbst 1955 entstand die erste ge- klebte Stahlbrücke [4]. Bei diesem Bau- werk handelt es sich um eine Rohrlei- tungs- und Fußgängerbrücke als Stahl- fachwerkbrücke über den Lippe-Sei- tenkanal in Marl von 55,8 m Stützweite und einer Breite von 3,25 m (Bild 1). Der Ausgangspunkt für den Ge- brauch der Klebung bestand damals in der Überlegung, anstelle des Reibungs- kontaktes der damals seit einigen Jah- ren erfolgreich eingesetzten HV-Verbin- dungen nun die Kräfte über die Haftwir- kung des Klebers überzuleiten. Aufgrund von Versuchen wurden die zulässigen Schubspannungen im Klebstoff auf 6 N/mm 2 festgelegt. Die geringe Festigkeit der Klebefuge im Ver- gleich zu den Stahlprofilen wurde be- reits damals als problematisch erkannt. Die Brücke wird noch benutzt, wobei Schäden in den Klebefugen dieser fast 50 Jahre alten, ersten geklebten Brücke bisher nicht bekannt geworden sind. 1.2 Die vorgespannte Klebverbindung Bei den Untersuchungen im Zusam- menhang mit dieser ersten geklebten Brücke wurde erkannt, daß Verbindun- gen mit HV-Schrauben und solche mit Klebern in ihrer Wirkungsweise prinzi- piell ähnlich sind. Es lag daher nahe, Bild 1. Montage der ersten „geklebten“ Brücke [5, S. 184]

Kleben von Stahl mit Stahl und Glas mit Stahl FE-Simulationen, Anwendungen, Perspektiven

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Stahlbau 73 (2004), Heft 6

Der aufgeklebte Handtuchhalter im Ba-dezimmer – unverhofft fällt er einesTages von der Wand ab. Die geklebteTasse des Lieblingsgeschirrs – nach demersten Spülen sucht man die Einzelteileaus dem Geschirrspüler. Dem Klebenwird landläufig nicht viel zugetraut;Kleben gilt als Notbehelf. Die großenErfolge der Klebtechnik der letzten Jahr-zehnte in vielen industriellen Bereichen –speziell im Automobil- und Flugzeug-bau – werden daher kaum für die breiteÖffentlichkeit publiziert. Der Einsatzvon Klebnähten läßt sich schwerlich alsWettbewerbsvorteil verkaufen. So hatdas Kleben in der industriellen Ferti-gung eher unbemerkt begonnen, die her-kömmlichen mechanischen Fügeverfah-ren – wie Löten, Nieten, Schrauben undSchweißen – zu verdrängen bzw. zu er-gänzen. Eine Autokarosserie weist bei-spielsweise durchschnittlich etwa 100 mKlebnaht auf, wobei damit eine nichtunerhebliche Steifigkeitserhöhung ver-bunden ist. Auch für das Bauwesenkönnten mühselige Arbeiten beim In-nenausbau wie Schrauben, Bohren undNageln bald der Vergangenheit ange-hören, wie der Klebstoffhersteller Henkelankündigte, da ein neu entwickelter so-genannter Powerkleber künftig zuneh-mend Montagearbeit ersetzen werde [1].

Die Dynamik, mit der die Kleb-technik in der industriellen Fertigungum sich greift, steht allerdings in einembeunruhigendem Kontrast zum immernoch lückenhaften Klebstoffwissen. DerReim „Gott gebe, daß es klebe!“ ist je-dem Klebstoffexperten bekannt. Durchdie Komplexität der Einflußgrößen ausKlebschicht- und Fügeteileigenschaftensowie den Beanspruchungsbedingungenkonnte bisher weder eine allgemein an-wendbare Theorie für eine umfassendeBeschreibung der beim Kleben ablau-fenden Vorgänge noch ein allgemeingültiges Berechnungsverfahren zur Di-mensionierung einer Klebverbindunggefunden werden.

Im Rahmen der Diplomarbeit desVerfassers [2] wird die Klebtechnik zu-nächst im Kontext zu anderen Verbin-dungsverfahren eingeordnet, die ver-wendeten Klebstoffgruppen werden vor-gestellt und die Wirkungsweise einerKlebverbindung erläutert. Aus der Wir-kungsweise ergeben sich Rückschlüssebezüglich des Langzeitverhaltens undder klebgerechten Fugengestaltung.Letztere muß zwei wichtige Punkte re-flektieren: – das Vorhandensein ausreichend großerKlebflächen und– das Vermeiden von Spannungsspit-zen.

Kleben von Stahl mit Stahl und Glas mit StahlFE-Simulationen, Anwendungen, PerspektivenMatthias Wißling

Die Forderungen basieren auf den ge-genüber den metallischen Fügeteilensehr viel geringeren Klebschichtfestig-keiten. Heute erreichen Kleber Kurz-zeitfestigkeiten in der Größenordnungvon etwa 20 bis 50 N/mm2. Damit liegtdie Festigkeit deutlich unterhalb dervon Stahl. Weitere wesentliche Nach-teile der Klebtechnik sind die nötigeOberflächenvorbehandlung, die Anfäl-ligkeit gegen Schäl- und Schlagbean-spruchung sowie ein sich auf die Festig-keit negativ auswirkender Zeit- undTemperatureinfluß. Als Vorteile sind ins-besondere die Möglichkeit zum Fügenunterschiedlicher Werkstoffe, die Beibe-haltung der ursprünglichen Struktur derFügeteile und der gleichmäßige Kraft-fluß bei flächigen Verbindungen zunennen. Eine Kombination unterschied-licher Fügeverfahren kann durch syner-getische Nutzung der Vorteile der jewei-ligen Einzelvefahren weitere Verbesse-rungen der Eigenschaften der Gesamt-konstruktion erzielen. So ist die Kombi-nation des Punktschweißens mit Klebenim Automobil-, Waggon- und Geräte-bau inzwischen Stand der Technik [3].

1 Anwendungen der Klebtechnik imStahlbau

Beim Studium der Berichte und Veröf-fentlichungen über das Kleben von Me-tallen fällt auf, daß in der Regel nur vonAluminium- oder Leichtmetall-Legierun-gen mit Anwendung im Automobil- undFlugzeugbau die Rede ist. Der Stahlbau,der sich als Fertigteilbauweise von Hauseaus mit Verbindungselementen und -kon-struktionen zu befassen hat, übernahmaus diesen Bereichen die Idee der Kle-

bung. So kam es in den fünfziger undsechziger Jahren des vergangenen Jahr-hunderts zum Bau von einigen Demon-strationsobjekten, die in zwei Gruppengegliedert werden können, und zwar– die reine Klebverbindung und– die vorgespannte Klebverbindung (VK-Verbindung).

1.1 Die reine KlebverbindungIm Herbst 1955 entstand die erste ge-klebte Stahlbrücke [4]. Bei diesem Bau-werk handelt es sich um eine Rohrlei-tungs- und Fußgängerbrücke als Stahl-fachwerkbrücke über den Lippe-Sei-tenkanal in Marl von 55,8 m Stützweiteund einer Breite von 3,25 m (Bild 1).

Der Ausgangspunkt für den Ge-brauch der Klebung bestand damals inder Überlegung, anstelle des Reibungs-kontaktes der damals seit einigen Jah-ren erfolgreich eingesetzten HV-Verbin-dungen nun die Kräfte über die Haftwir-kung des Klebers überzuleiten.

Aufgrund von Versuchen wurdendie zulässigen Schubspannungen imKlebstoff auf 6 N/mm2 festgelegt. Diegeringe Festigkeit der Klebefuge im Ver-gleich zu den Stahlprofilen wurde be-reits damals als problematisch erkannt.Die Brücke wird noch benutzt, wobeiSchäden in den Klebefugen dieser fast50 Jahre alten, ersten geklebten Brückebisher nicht bekannt geworden sind.

1.2 Die vorgespannte KlebverbindungBei den Untersuchungen im Zusam-menhang mit dieser ersten geklebtenBrücke wurde erkannt, daß Verbindun-gen mit HV-Schrauben und solche mitKlebern in ihrer Wirkungsweise prinzi-piell ähnlich sind. Es lag daher nahe,

Bild 1. Montage der ersten „geklebten“ Brücke [5, S. 184]

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durch die bisher nur als zusätzliche Si-cherung der Klebverbindung verwende-ten Schrauben gleichzeitig auch denGleitwiderstand einer geklebten Verbin-dung durch Vorspannung zu vergrößern.Dieses Fügeverfahren wird als vorge-spannte Klebverbindung (VK-Verbin-dung) bezeichnet.

Beim Bau einer weiteren Rohrlei-tungs- und Fußgängerbrücke über denLippe-Seitenkanal in Marl wurde 1963die VK-Verbindung zum ersten Mal an-gewendet [4]. Bild 2 zeigt die Brückeunmittelbar vor dem Einschieben auf dieLager.

Es handelt sich um eine Dreigurt-brücke mit 58 m Stützweite und einerBreite von 4 m.

Hauptversuche im Vorfeld des Bauskonnten der VK-Verbindung deutlichhöhere maximale Scherspannungen be-scheinigen als der nicht vorgespanntenKlebverbindung (28,0 N/mm2 im Ver-gleich zu 15,8 N/mm2 bei der reinenKlebeverbindung). Aufgrund dieser Ver-suche wurden die zulässigen Scherspan-nungen bei einem Sicherheitsfaktor von2,5 auf 10 N/mm2 festgelegt.

Im Anschluß daran wurden in densechziger Jahren noch einige weitereStahlbrücken mit Klebverbindungen rea-lisiert, s. a. [4] bis [8], wobei der VK-Verbindung in Fachaufsätzen damalsdurchaus Zukunftspotential eingeräumtwurde.

1.3 Derzeitiger StandObwohl mit diesen Demonstrationsob-jekten schon früh gezeigt werden konnte,daß der Einsatz der Klebtechnik alsstrukturelles Fügeverfahren im Stahlbauprinzipiell möglich ist, hat sich die Kleb-technik im Stahlbau letztlich nichtdurchsetzen können. Sie ist im Stahlbauheute bedeutungslos. Ursache dafür sinddie vergleichsweise geringen Klebstoffes-tigkeiten im Vergleich zum Stahl, diehochentwickelten Möglichkeiten derSchweißtechnik und ein immer nochmangelhafter Kenntnisstand auf dem Ge-biet der Klebtechnik. So liegt bis heutekein allgemeingültiges Berechnungsver-fahren zur Dimensionierung von Kleb-schichten vor; mögliche Auswirkungen

durch Zeiteffekte und schädigende Um-welteinflüsse auf die Tragfähigkeit derKlebschicht sind nur unzureichend er-forscht.

1.4 Einsatzgebiete für die ZukunftFür die Zukunft erscheint ein sinnvollerEinsatz der Klebtechnik in folgendenBereichen des Bauwesens denkbar:– Verstärkung/Sanierung bestehenderStahlbauten– Einsatz im Fassadenbereich (Structu-ral Glazing, Sandwich-Elemente etc.) – Kombination mit vorgespanntenSchrauben als VK-Verbindung.In [2] werden diese Einsatzgebiete aus-führlich dargestellt und erläutert.

2 Berechnung von Klebverbindungenmit der FEM

Die Berechnung geklebter Strukturenmit Hilfe der Methode der Finiten Ele-mente (FEM) ist möglich und sinnvoll,wird jedoch häufig als schwierig undproblematisch eingestuft [9]. Dies hatim wesentlichen zwei Ursachen: Zumeinen führen die geringe Dicke einerKlebschicht im Vergleich zur übrigenStruktur und die Bedingung, daß einbestimmtes Seitenverhältnis für dieElemente (etwa 1 : 20) möglichst nichtüberschritten werden sollte, zu sehrdichten Netzen, wobei die erforderlicheBerechnungszeit und Computerkapa-zität mit der Dichte des Netzes stark zu-nimmt. Vor dem Hintergrund dieserProblematik wird in der Arbeit ein all-gemeines Verfahren zur Abbildung vonKlebverbindungen in FE-Programmenvorgestellt. Zum anderen sind die Fest-legung verläßlicher Materialparameterund die Wahl eines geeigneten Material-gesetzes aufwendig. Anzumerken istzudem, daß bei der numerischen Simu-lation von einem Kohäsionsversagender Klebefuge auszugehen ist. Ein Ad-häsionsversagen ist numerisch zur Zeitnicht zu erfassen, da dazu nötige Kenn-werte fehlen.

Vorteilhaft bei der Berechnung ge-klebter Strukturen mit der FEM ist, daßnicht von vereinfachenden Annahmen –wie z. B. der Vernachlässigung der Schub-

verformung im Fügeteil – ausgegangenwerden muß. Speziell in dickeren Kle-beschichten lassen sich mehrachsigeSpannungszustände gut erfassen.

2.1 BerechnungsteilIm Berechnungsteil werden vier ge-klebte Verbindungen Hilfe der Methodeder Finiten Elemente (Programm:ANSYS) und mit theoretischen Verfah-ren untersucht, und zwar:1. ein Überlappungsstoß aus Stahl,2. ein Kopfplattenstoß aus Stahl3. geklebte Fassadenelemente aus Stahlund Glas (Herz-Jesu-Kirche in München)4. eine entworfene Verbundstütze ausStahl und Glas.Für diese Verbindungen werden jeweilsVerfahren zur Berechnung aufgezeigt undwesentliche Forschungsergebnisse zumFestigkeitsverhalten geklebter Verbindun-gen zusammengetragen.

Zu 1.: Für die untersuchte Überlap-pungsklebung, die die am häufigsten ein-gesetzte Klebfugengeometrie ist, wirdeine theoretische Berechnungsmethodeerläutert, die auf einem Ansatz für ge-nietete Bleche basiert [10]. Die dadurchermittelten Spannungswerte werden mitnumerisch ermittelten Werten vergli-chen. Durch durchgeführten Berech-nungen mit verschieden Klebstoffenund Verklebungsgeometrien wird einbesseres Verständnis der jeweiligenKlebverbindung erzielt. Es treten deutli-che, vom Klebstoff und von der Klebfu-gengeometrie abhängige Spannungs-spitzen auf, die oft um ein Vielfacheshöher waren als die über die Quer-schnittsfläche gemittelte Spannung unddaher die Festigkeit einer Klebung be-stimmen.

Zu 2.: Für den geklebten Kopfplat-tenstoß aus Stahl wird durch eine Para-meterstudie die Klebfugengeometrie op-timiert. Um bei der numerische Bere-chung eine möglichst feine Vernetzungder dünnen Klebschichten vernehmenzu können, ist die Approximierung derVerklebung durch ein möglichst rea-litätsnahes Ersatzmodell unter Ausnut-zung von Symmetrieeigenschaften etc.sinnvoll. Bei der Spannungsauswertunghat sich gezeigt, daß sich in Abhängig-keit der Geometrie zum Teil deutlicheSpannungskonzentrationen in der Kleb-schicht einstellen, die die aufnehmbareBelastung der Verbindung reduzieren.Daher ist eine Verklebungsgeometrie miteiner möglichst gleichmäßigen Span-nungsverteilung anzustreben. Vor die-sem Hintergrund kann zur Beurteilungder Qualität einer Verklebung der Span-nungsspitzenfaktor herangezogen wer-den, der als Quotient der maximalenzur mittleren Spannung definiert ist.

Zu 3.: Außerdem wurden die inStahlschienen geklebten Glasschwerterder Herz-Jesu-Kirche in München un-tersucht. Im Gegensatz zu den oben er-wähnten Verklebungen kam hier einsehr weicher Klebstoff (Silikon) zur An-wendung. Dieser Klebstoff verhält sichgumm-elastisch, was in der Festlegungdes Materialgesetzes entsprechend zuBild 2. Erste Brücke mit VK-Verbindung [4, S. 264]

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berücksichtigen ist. Bei der Tragfähig-keitsuntersuchung stellte sich u. a. her-aus, daß der Spannungszustand in derKlebschicht stark geometrieabhängig ist.Eine Abschätzung des Belastungszustan-des der Klebschicht unter Annahme ein-dimensionaler Spannungszustände kanndaher die Besonderheiten der Geometriemit ihrer behinderten Querkontraktionquantitativ nur unzureichend erfassen.

Zu 4.: Der entworfene Träger ausGlas und Stahl (s. Bild 3) entstand vordem Hintergrund, die Transparenz desGlases mit der Tragfähigkeit des Stahls zuverbinden. Der Einsatz von Glas als tra-gender und transparenter Baustoff hat diearchitektonische Entwicklung der letztenzwei Jahrzehnte entscheidend mitge-prägt, so daß für die Zukunft durchausein Einsatzpotential für den entworfenenTräger (s. Bild 3) vermutet werden kann.

Für die untersuchte Verbundstützewurde ein Ansatz von Pischl [11] fürmehrteilige, nachgiebig verbundene Holz-querschnitte den veränderten Randbedin-gungen der vorliegenden geklebtenStahl/Glas-Stütze angepaßt. Bild 4 unddie dazugehörige Tabelle 1 zeigen bei-spielhaft die Verteilung des Bruchmomen-tes bei einer Variation der Trägerlänge.

Im Zuge der Parameteruntersu-chungen werden zusätzlich die Spannun-gen an verschieden Querschnittsstellensowie die Durchbiegung ausgewertet. Dieauf der Grundlage des theoretischen Be-messungskonzeptes nach Pischl ermittel-ten Werte weisen dabei eine sehr guteÜbereinstimmung mit numerisch ermit-telten Ergebnissen überein. Im Rahmendes numerischen Ersatzmodells des Trä-gers wurde die Klebschicht durch Federndargestellt. Dies ist für größere geklebteStrukturen generell sinnvoll, da die ge-ringe Dicke einer Klebschicht im Ver-gleich zur übrigen Struktur und die Be-dingung, daß ein bestimmtes Seitenver-hältnis für die Elemente möglichst nichtüberschritten werden sollte, zu sehr dich-ten und entsprechend der Strukturgroßen Netzen führen, die im allgemei-nen die Programmkapazitäten über-schreiten.

Die Klebschicht wird dabei in fol-genderweise durch eine, für alle dreiRaumrichtungen aufzustellende Feder-steifigkeit ersetzt:

kF Federsteifigkeit zur Darstellung derVerklebung im FE-Programm

GK Schubmodul der VerklebunghK Höhe des Klebstreifensne Länge eines Elementes in der je-

weiligen RichtungdK Dicke der VerklebungDa mit steigender Trägerlänge das Stabi-litätsverhalten des Trägers an Bedeutunggewinnt, wurde in Anlehnung an dieStahlbau-Norm DIN 18800 das Biege-drillknickverhalten des Trägers unter-sucht und festgestellt, daß die in derDIN 18800 angegebenen Abminderungs-faktoren für Wabenträger eine brauch-

kG h n

dFK K e

K= ⋅ ⋅

bare Abschätzung des Tragverhaltens derentworfenen Verbundstütze liefern.

Insgesamt wurde deutlich, daß eseinen „Alleskleber“ nicht gibt. In Kennt-nis der zu erwartenden Beanspruchungund der jeweiligen Klebstoffeigenschaftengilt es vielmehr, den für das jeweilige Ein-satzgebiet am besten geeigneten Klebstoffauszuwählen bzw. zu entwickeln. Insge-samt besteht jedoch noch ein erheblicherForschungsbedarf, um Klebverbindungenberechenbarer und damit anwendungs-freundlicher zu machen.

Literatur

[1] Siebenlist, J.: Kleben statt Nageln. VDInachrichten (2002), Nr. 20, Düsseldorf, S. 11.

[2] Wißling, M.: Kleben von Stahl mit Stahlund Glas mit Stahl. Diplomarbeit, Lehrstuhlfür Stahlbau, Universität Dortmund 2003.*

[3] Bischoff, J., Groß, A., Hartwig, A, Henne-mann, O.-T., Krüger, G.: Fügetechniken imVergleich. kleben & dichten Adhäsion 38(1994) 4, S. 10–16.

[4] Trittler, G., Dörner,K.: Die vorgespannteKlebverbindung (VK-Verbindung), eine Wei-terentwicklung der Verbindungstechnik imStahl

[5] Dörnen, A., Trittler, G.: Neue Wege derVerbindungstechnik im Stahlbau. Der Stahl-bau 25 (1956), H. 8, S. 181–184.

[6] Dörnen, K.: Versuche und Durchführungder Klebevermörtelung an der zweigleisigenRheinbrücke Germersheim. Verein Deut-scher Ingenieure (Hrsg.): VDI Berichte:Fortschritte der Kunststoffverwendung imBauingenieurwesen, Nr. 122, Düsseldorf:VDI-Verlag GmbH, 1968, S. 21–30.

[7] Ritchie, J.: Improvements in Bolted JointEfficiency by the Addition of Cold-SettingResin Mixture. The Structural Engineer Vol.XXXVII (1959), Nr. 6, pp. 1751–77.

[8] Rössing, E.: Die Rheinbrücke Germers-heim, ein Beispiel für die Anwendung vonKlebvermörtelungen im Stahlbau. VereinDeutscher Ingenieure (Hrsg.): VDI Berichte:Fortschritte der Kunstsoffverwendung imBauingenieurwesen, Nr. 122, Düsseldorf:VDI-Verlag GmbH, 1968, S. 152–160.

[9] Welters, T., Dilger, K.: Computation anddesign of adhesive Joints with the Finite Ele-ment Method. Proceedings of the 25th An-nual Meeting of the Adhesion Society, Or-lando (USA) ,2002, pp. 77–80.

[10] Volkersen, O.: Die Nietkraftverteilung inzugbeanspruchten Nietverbindungen mitkonstanten Laschenquerschnitten. Luft-fahrtforschung 15 (1938), Lfg. 1/2, S. 41–47.

[11] Pischl, R.: Ein Beitrag zur Berechnung zu-sammengesetzter hölzerner Biegeträger. DerBauingenieur 43 (1969), H. 12, S. 448–452.

Autor dieses Beitrages: Dipl.-Ing. Matthias Wißling, Im Seebrock 80,59227 Ahlen

* Die vollständige Diplomarbeit mit demTitel „Kleben von Stahl mit Stahl und Glasmit Stahl – FE-Simulationen, Anwendun-gen, Perspektiven“ kann über den bauinge-nieur24-Informationsdienst unter Telefon+49(0)6051/8870953 bestellt werden. Dievon Prof. Dr.-Ing. Dieter Ungermann (Uni-versität Dortmund) mit der Note 1,0 bewer-tete Arbeit umfaßt 141 Seiten. Eine mehr-seitige Leseprobe und das vollständige In-haltsverzeichnis kann bei bauingenieur24angefordert werden.

Bild 3. Darstellung des geklebten Verbund-trägers aus Glas und Stahl

Tabelle 1. MBr [kNm] für Träger Nr. 1 in Abhängigkeit der Trägerlänge L

Träger Nr. 1 Trägerlänge L

1,5 m 3,0 m 4,5 m 6,0 m 7,5 m

FEM – ANSYS 134,89 151,54 171,89 194,91 218,18

Theorie Pischl 138,87 152,75 172,91 196,18 219,87

Bild 4. Bruchmomente MBr für Träger Nr. 1 (Breite Klebstreifen 2 cm)