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Kleinere Mittheilungen VOn Dr, H, Scbwartze. (~[it, zwet l~tlaographirtea Abbildungen.) Io Totaler Verlust des Perceptionsvermi)gens FOr hohe T6ne nach hcfti~em Schalleindruck. Der beliebte und in Deutschland sehr bekannte Liederkomponlst Robert Ft. erz~hlte, dass er trotz seines musikallschen Ohres nie sin besonders scharfss Geh6r gehabt habe. Bis vor 12 Jahren sei ibm indessen niemals sine wesentliche H6rstt~rung zum Bewusstsein ge- kommen. Um die genannte Zeit (1852) wurde er Tl6tztieh dureh das schril- lernde und unvermuthete heftlge P~elfen siner Lokomotive, in deren unmittelbarer N~he er sieh befand, vSllig taub fiir die hohen Trine und zwar, wie er selbst kurze Zeit nach dem Erelgniss festste]lt% yon e an aufwiirts, wiihrend in der Mitteltaffe und im Bass jeder Tsn be- stlmrnt naeh seinem Werthe wahrgenommen wurde. Unmlttelbar naeh derEinwlrkung des heftlgen Sehalles war sine sehnell voriibergehende Beti~ubung vorhanden, jedoeh keins Bewuss~Iosigkelt, kein Sehwlndsl- geftihl, keins Blutunff aus den Ohren. Im Laufe der Jahre hat F. noeh zwei halbe Tiins mehr verlo- ~_ '-E --i ren~ niimlich es und d~ so dass er jstzt yon d an aufw~trts nur ein

Kleinere Mittheilungen

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Kleinere Mittheilungen VOn

Dr, H, Scbwartze.

(~[it, zwet l~tlaographirtea Abbi ldungen.)

Io

Totaler Verlust des Perceptionsvermi)gens FOr hohe T6ne nach hcfti~em Schalleindruck.

Der beliebte und in Deutschland sehr bekannte Liederkomponlst Robert Ft. erz~hlte, dass er trotz seines musikallschen Ohres nie sin besonders scharfss Geh6r gehabt habe. Bis vor 12 Jahren sei ibm indessen niemals sine wesentliche H6rstt~rung zum Bewusstsein ge- kommen.

Um die genannte Zeit (1852) wurde er Tl6tztieh dureh das schril- lernde und unvermuthete heftlge P~elfen siner Lokomotive, in deren unmittelbarer N~he er sieh befand, vSllig taub fiir die hohen Trine und zwar, wie er selbst kurze Zeit nach dem Erelgniss festste]lt% yon

e an aufwiirts, wiihrend in der Mitteltaffe und im Bass jeder Tsn be- stlmrnt naeh seinem Werthe wahrgenommen wurde. Unmlttelbar naeh derEinwlrkung des heftlgen Sehalles war sine sehnell voriibergehende Beti~ubung vorhanden, jedoeh keins Bewuss~Iosigkelt, kein Sehwlndsl- geftihl, keins Blutunff aus den Ohren.

Im Laufe der Jahre hat F. noeh zwei halbe Tiins mehr verlo- ~ _ '-E --i

ren~ niimlich es und d~ so dass er jstzt yon d an aufw~trts nur ein

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Geriiusch, ni~mlich die meehanische Arbeit der Hammer, das Nieder- driicken der Taste u. s. w., aber durchaus leeinen Ton htirt. Die Klangfarbe des Tons hat keinen Einfluss auf die Wahrnehmung, weder Trine yon Stretch- noeh Blaseinstrumenten slnd hiirbar.

Seit der Zei~ des ungliicklichen Ereignlsses besteht eine grosse Empfindlichkeit der Ohren gegen manehe Sehalleindriieke, z.B. gegen Geigenspiel. Diese Empfindlichkeit steigert sieh~ wenn Blutandrang zum Kopf vorhanden ist, der sieh ziemlieh hi~ufig einstellen soll. (Nach Mittheilung- des Hausarztes hat F. fr~iher mehrmals blutende Itamor- rhoidalknoten am After gehabt, und yon jeher viel tiber Kreuzsehmer- zen, Blutwalhmgen zum Kopf geklagt.) Eine Einzel-Unterhaltung kann F. fiihren, ohne merkbar im ttSren beeintr~ehtigt zu sein; spre- then dagegen mehrere Personen gleiehzeitig, so ,hSrt er, abet ver- steht niehts" und wird ,bet~ubt." Nut zeitweise und sehnell vortiber- gehend hat er sehr grelle und unharmonisehe subjective Tonempfin- dungen in beiden' Ohren. --

Die eigentliehe Veranlassung, weshatb F. grztliehe H[ilfe Nr seln Ohrleiden in Anspruch nahm, war die, dass er in letzter Zeit jeden Ton auffallend verschleiert und dumpf hSrte. Er war hierdureh sehr iingstlich geworden und braehte diese Erscheinung in Zusammenhang mit seinem frtiheren Ungltick.

AIs Ursaehe dieses ,Versehleiertseins ~ fanden sieh in beiden wei- ten Gehbrggngen sehwarze Ohrensehmalzpfr~pfe, welehe das Lumen fast vollstiindig erfiillten. Die Entfernung derselben minderte das ,Dumpfe" des Tones wesenttieh, auch sollte danaeh elne grSssere Reinheit der T6ne eingetreten sein. Die einige Tage spiiter ange- stellte Besiehtigung des Trommelfelles zeigte beiderseits eine sehwaehe, glelehm~ssig' milchige Triibung ohne Randverdlekung. Auffallend war die fast senkreehte Lage des Hammergriffes und der fast reehtwink- lige Neigungswinkel des Trommelfetls 1) zum Geh8rgang.

Beim Exp. Vals. buehte~ s~eh das reehte Trommelfell im hintern obern Quadranten bervor, bleibt bei Naehlass des Druekes yon innen in dieser vorgewSlbten Stellung und slnkt erst wieder in die frtihere Lage zuriiek, sobald dureh eine Sehlingbewegung eine Verdtinnung der Luft in der Paukenh8hle zu Stande gebracht ist. Die genannte Erseheinung sprieht ffir verminderte Ela~tlzit~t der Nembran. Das linke Trommelfell wblbt sleh bei Exp. Vals. aueh hervor~ sinkt aber sofort bei Naehlass des Druekes in seine frtihere Lage zuriick. Bei

t) AehnIiche Lage des TrommelfelIes bei Siingern und Muslkern sah B o n n a .

f o n t - - Traitg des maladies de l'oreille p. 27.

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13~ SCHWARTZE: Klelnere Mittheilunffen.

der Luf~dusche sehl~gt die Luft ohne Rasselg.er~usche~ nut sch~rfer wie normal an beiden Trommelfe]len an, ohne dass dadurch eine Ver- ~nderung in der H~rwelte hervorgerufen wiirde. Die hlntere Schlund- wand ist ausserordentlich aufgeloekert, und dunke]roth; beide Gaumen- bSgen sind verdickt.

Die genauere HSrpriffung ergab~ dass F. mitte]laut gesprochene Zah]en in 16' hSrte, links bestimmter wle rechts. Den Sch]ag einer grSsseren Spindeluhr hSrt er links beim Anlegen an die Ohrmusehel deutlich~ rechts nlcht. Von dan Kopfknochen aus hSrte er die Uhr nirffends.

Die physiologisch interessante Thatsaehe der M~gliehkeit einer partie]]en Li~hnmng des Nerven-Endapparates, die nut auf ein bestimm- ~es Tongebiet (hier die hohen TSne) besehr~nkt bleibt, spricht gewiss sehr laut fiir die Theorie yon Helmholtz fiber die Funktion des Cor- tisehen Organes. Der Pfiff der Lokomotive ist kein Ton yon be- stimmter Sch~Mngungszahl und Dauer: sondern durehl~uh elne ganze Relhe yon T~nen; so llesse sich erkl~ren~ warum nieht eine bestimmte Faser~ sondern die der Tonreihe entsprechende Reihe yon Endfasern durch die heftige Commotion gelahmt, mSgliehenfaIls g'~nzlleh zer- stSrt wurden. Jedenfalls erscheint ein derartiger totaler Ausfall der hohen TSne ohne Affektion des Nervenapparates undenkbar.

Es sind berelts mehrfach, abffesehen yon ~lteren zwelfelhaften Anffaben~ zuver]~ssiffe Beobaehtungen yon Defekten einzelner TSne publicirt. So schrieb mir aueh vor einiffer Zeit Herr Dr. Politzer~ einige Male dieselben beobachtet zu haben. 1) Derartig ausgebreitete L~hmungen; wie in dem eben besehriebenen Falle, sind: so viel ich weiss~ noeh nleht publleirt. Von besonderem Interesse ist~ class die direkte Veran]assung der H~ranomalie (heftiger Schall) ihre Analogle finder in entspreehenden Affektionen des Sehorgans, wo ebenfalls par- tie]le Defekte im Gesieh~sfelde~ hervorgerufen dureh UeberbIen- dung, d. h. p]t;tzliche und ungewShnllehe Steigerung des ad~quaten Reizes~ beobachtet sind, ohne dass man bel der ophthalmoskopisehen Untersuehung sine anatomisehe Ursaehe hierfiir immer zu entdeeken im Stande war. - -

l) Vergleiche dessert Ang~ben in Mach's Vortr~gen iiber Psychophyslk. Zeit- schrift fiir praktlsche Heilkunde. 1~62.

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S C H W A R T Z E : Kle ine re Mi t the i lungen . 139

II.

Respiratorische Bewegung des Trommelfelles.

Nach Entfernung eines Cerumenpfropfes~ der seit 5 Jahren die bekannten Druckerseheinungen unterhielt~ Waren am obern Theile des Trommelfelles: wo offenbar der Pfropf aufgetegen hatte, zwei nicht seharf umschriebene atrophische~ ungemein verdtinnte Stellen zu sehen, vor und hinter dem oberen Ende des Hammergriffes. Diese Parthieen des Trommelfelles wNbten sich nicht alleln bei Exp. Vals. auffallend stark im Verhiiltniss zum iibrigen Trommdfell hervor~ sondern liessen ausserdem elne v~illig regelmlissige respiratorisehe tlewegung erkennen, in der Art~ dass bel der Inspiration eln deut]iches Einsinken~ bei der Exspiratlon eine geringe Ausbuehtung stattfand. Bei Unterbreehung der Respiration hiirte auch die Trommelfellbewegung an den atrophi- schen Stellen auf. Beim Schlueken~ aueh ohne gersch]uss yon Mund und Nase~ wurde~ ahnlieh wie es hiiufig bei ausgedehnten gehcilten Perforationen sichtbar ist~ eine tlefe Einziehung dieser Stellen sicht- bar. - -

So viel mir bekannt ist~ ist elne derartige respiratorisc/~e Bewe- gung an a~:ophisehen Parthien des Trommelfe]les noeh niemals beob~ achtet, zum mlndesten nirgends beschrieben worden. Selbstverst~ndig ist dieselbe nur unter der Bedingung miiglich~ dass die betreffende Eustachlsche Ohrtrompete bei der Respiration nieht vStlig geschlossen blelbt.

Im vorliegenden Falle handelte es sieh nieht urn irgend eine nachwelsbare Anomalie im anatomischen Bau der Tuba; etwa um ein abnorm weites Lumen der Tuba, auffal]endes Klaffen der Pharynx- miindung oder dergl, so welt sleh wenigstens mit Hiilfe der Pharyn- goseopie und der Sondirung der Tuba beurtheilen ]less. Beide Ostia pharyngea tubae boten ein v~lllg normales und g]elehes Bild im Spiegel. Welt aber vor der Hand die Best~ttigung dieses normalen ¥erha]tens des Tubarlumens dureh die Section iehlt: will ich reich aller voreillgen Schliisse aus dieser bis jetzt vereinzelten Beobachtung enthalten. Es miiehte hiernach scheincn, als wenn die Tuba bel dcr Respiration sieh regelmiissig 5finer und schliesst, also nicht vollkommen geschlossen bleibt.

Fiir gewiihnlich wiirde am gesunden Trommelfell (noch weniger am pathologisch verdickten) keine Respirationsbewegung bei tier jetzt

Archly L Ohrertheilkunde I, Bd, 10

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140 SCHWARTZE: Kleilaer~ Mittheilungeu.

tibliehen Untersuehung, smethode desseIben siehtbar sein, ~veil der posi- tive und neg'ative Druek bei Ex- und Inspiration nicht ausreiehend sind, um an der gespannten Membran deutliehe Bewegungen und Krtimmungsiinderungen hervorzubrlngen. Ist das Gewebe des Trom- melfelles dagegen partiell sehr verdtinnt und ersehlafft, so wird der. selbe Druek ausreiehend sein, um eine bei guter Beleuehtung erkenn- bare Beweg.ung an diesen PartLien zu erzeugen.

~Iein geehrter Freund~ Dr. August L~,cae in Berlin deu~et in einer g'r~sseren gediegenen Arbeit in Vi~.ehow's ~_rehiv Bd. 29, Heft I, p. 37 g'elegentlieh an~ dass er auf Grund -+on Manometeruntersuehungen aueh der Annahme zuneigte, dass das Tubar]umen bei der Respiration nieht vbtlig gesehlossen bliebe. Sehon im August 1863 demonstrirte derselbe mir bei Gelegenheit eines Besuehes in Halle an sieh selbst einen beziigllehen Versueh. Direkt beobaehtet wurde bisher eine re- spiratorisehe Bewegung" am Trommelfell ausser dem eben mltgetheit- ten Falle nieht.

HI.

Pulsation an eincm unvcrletzten Trommelfelle.

W~hrend die Pulsation in Perforatlonen des Trommelfe]]es eine ungemein haufige und allgemein bekannte Erseheinung ist, auf die zuerst Wilde die Aufmerksamkeit der Aerzte gelenkt hat~ ist eine p~tsire~de ]3e~oegu,~g am ~ic]~t pe~fo~'i~te~ Trommelfelte bis jetzt nieht besehrieben worden, v. Tr61tsch sagt dartiber in seiner Anatomie des Ohres p. 33: ,,Aueh bei der bes~en Beleuehtung und genauesten Be- obaehtung konnte ieh nie eine veto Puls der Arterien abh~ngige Be- wegung des nieht perfbrlr~en Trommelfelles wahrnehmen."

Der ers~e Fall, in welehem ieh die Pulsation eines unverletzten Trommelfelles gesehen habe, betriff~ einen Fall ~on ~ ttypertrophie dee Pa~dcenschlei~n]~aut. Seit 12 Jahren bestand eine langsam zunehmende Sch~-erhSrigkeit~ ohne bestlmmte Ursaehe~ hie yon Sehmerzen oder Sausen im Ohr begleitet.

Nur h~ufige Sehwindelempflndungen und fast eontinu]rlieher Stirnkopfsehmerz batten den sonst sehr kr~ftigen und vbllig gesunden 20j~hrigen Mann seit vielen Jahren hartniickig betSstigt.

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Der P. hSrte die Taschenuhr gar nicht mehr yore Ohr (auch nirgends yon den Kopfknochen) a us: laut gesprochene Zahlen mit dem rechten 0 h r auf 141 nicht ganz sicher, mJt dem linken 0hr in derselben Entfernung vollkommen bestimmt.

Das reJtte Trommelfell war glelehmgsslg wclss, verdickt~ ohne Lichtkege]. Vom ttammer nichts sichtbar als dcr kurze Fortsatz. Bclm Exp. VaIs. ist ke~ne VorwStbung zu crkennen. Das linke Trom- melfeU war wenigcr intenslv weiss: abet ebenfalls ohne G]anz. Der Hammcrgriff v~llig siehtbar. An der Stelle ungcfiihr, wo dls Spitze des Lichtkegels normal hinfa]len musste, also etwss nach vorn nnd unten vom Umbo~ ~ulsi% isochronisch mit dem Radlal2uls ~ eine etwa stecknadelgrosse~ wenig g~gnzende Stelte. ~) Die Pulsation verschwand, sob~ld durch das Exp. Valsalv. das Trommelfell herausgcwSlbt wurde~ was dcm P. auf diescr Seite sehr leieht gelang. E~ne Injection am Trommelfelle war nlrgends vorhanden, noch weniger an die Gegen- wart einer Pcribration zu denken. Die Luftdusche sehlug auf der linkcn Seite stgrker und in breltercm Strome an wie rechts, blieb aber ohnc Einfluss auf Hgrweitc und Trommdfellbe£und. Auch nach der- sdben erschien die Pulsation ebenso deutlich wie vorher.

Trotz dieser star/sen~ sichtbaren Pulsation am Trommelfelle t~at P. niemals subjective Tonempfinclungen gehabt. - -

Als ich diese schr sonderbare Beobaehtung am 14. April d. J. gcmacht hatte, erhielt ich kurz darauf eine schriftliche Mittheilung yon v. Tr61tschp dass aueh er ,P~lsatlon eines unvertetzten Trommelfelles eln einzigesmal gese/~en habe und zwar ohne jede fnjection in elnem sonst diagnostisch ganz rgthselhaften Falle. ~

Naehtrag. Ende Junl d. J. kam mir in poliklinischer Praxls abcrmals eine sehr starke Pulsation des unve~.letzten Trommel£ells zur Beobachtung, diesmal zugleich mit elncr sehr hochgradigen Injegtlon des ganzcn Trommelfelh.

Der betreffende Kranke fiihltc tin rcgchn~tssiges Klopfen im Ohre und konnte durch Z~thlung dieses Klopfens scinen Puls z~thlen. Silt dem Verschwinden der Injection vcrschwand hier such die Pulsation.

Aus dicsen drei Bcobaehtungen geht vol:l~tufig nur so vleI her- vor, dass wir bei clner vorhandencn pulsirenden Bcwegung am Trom- melfell nicht mit absoluter ~Sieherl~eit au f einen bestehenden Substanz- verlust in demselben zu scl~liessen berechtlgt sind. Nach den Angaben der bisherigen Beobachter seheint es allerdiugs~ als wenn eine Pub

t) Ausser melnen allderl~ damalig'en ZuhSrern ilberzeag~en sioh yon dleser Tha t - sache die Her ren DDr. ~aehs aus Danz~g~ Wette~'n und Goldschmidt aus Hamburg' .

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142 SCHWARTZE: Kleinere Mittheilungem

satlon am unverletzten Trommelfell zu den grbssten Seltenhelten ge- h~irte; indessen tritt klar zn Tage~ dass die yon Wilde und v. Tr61tsch aufgestell~e Behaupmng, class n~imlieh eine pulsirende Bewegung am Trommelfell mit Sicherheit auf eine Continuit~tstrennung desselben sehllessen lasse, unhaltbar ist.

IV.

Ann~thernd normle H~rsch~irfe bei hoclgradiger Degeneration bdder Trommelfelle,

Eissner, Schuhmacher in Halle, 36 Jahre alt, hielt sieh kelnes- weg.~ flit schwerh~rig und konnte auch~ nach dem Auffassungsvermii- gen fiir gewShnliche Umgangsspraehe zu urtheilen, nicht dafiir gelten. Nur zufiillig sah ich an seinen beiden Trommelfellen die hoehgradig- sten Entartungcn. Beiderseits ausgedehnte Verkalkungen, deren Lage und Gestalt dutch die beigefiigte Abbildung (doppelte Vergrbsserung) verdeutlieht wird, ausserdem beiderselts anffallend grosse Narben ver- heilter Perforatlonen, yon denen die reehtseitige noeh umfangreieher ist wie die linkseitige. Der Hammergritl liegt reehts vollkommen horizonto:l und bildet die obere Grenze der Verkalkung, der Proe. brevis springt am obern Rande der geheilten Perforation scharf her- vor. tm linken Trommelfell ]iegt der Hammergriff mehr seh;-gg und zleht sleh zMsehen Verkalkung und Narbe hinunter. Belm Versu& Valsalva's legen sieh die vertieften sehr zarten Narben in zahlrelehe Falten und buehten sieh erheblieh in den gussern Gehbrgang hinein. Wird darauf bei gesehlossener Mund- und Nasenbffnnng eine Sehting- bewegung gemaeht, so vertiefen sieh diese Stellen plbtzlleh auffallend stark und werden gleiehsam mit Gewalt an die gegeniiberliegende Labyrinthwand angezogen.

Bei genauerer HSrpriifung ergab sieh~ dass E. die Uhr (normale HSrweite 5--6') reehts bis auf 3", links nur beim Anlegen an die Ohrmusehel hSrte. Die lelseste Sprac~e~ sogar Fliisterspraehe~ wurde hlngegen durch 2 Zimmer hindureh bei geSffneter Thiir in einer Ent- fernung yon etwa 30' auf das Bestimmteste geh~rt. Ein Untersehied beider Ohren (einzeln gepriift) war dabel kaum bemerkbar.

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E. erinnert sich, in der Kindheit lange Zeit eitrigen Ausfluss aus dem reehten Ohr gehabt zu haben, einmat langere Zeit hindurch sehr heftigen Schmsrz, der naeh Enffernung yon 3 ~Iaden in dlesem Ohre aufhSrte. Die Eiterung soll ohne Behandlung geblleben und spontan schon in der Kindheit auf)eh~rt haben. Als Soldat will E. noch ein- real diesen rechtseitigen Ohrenfluss bemerkt haben, aber nur auf kurze Zeit. Auch damats versehwand er wieder yon selbst.

Aus dem llnken Ohr ist angsblieh niemais (?)Eiterausfluss be- merkt warden. E. behauptet, zu keiner Zeit seines Lebens im Sprach- verstiindniss beeintrachtigt gewesen zu sein; auch soll yon seinen An- geht~rigen hie eine Spur yon Schwerht~rlgkeit an ibm bemerkt wor- den sein. Subjective Tonempfindungen hat E. gar nieht. Als Soldat (Artillerist) will er jedesmal beim Abfeuern einer Kanone fltichtigen Sehmerz in beiden Ohren geftihlt haben.

Es lehrt diese Beobaehtung, welche hochgradlgen degsnerativen Vorgiinge in den Geweben des Trommelfells Platz greifsn uncl wie tiberrasehende anat. Ver~ndcrungen in dieser Membran aufgefunden werden k~nnen, ohne dass sine merldiehe Beelntrachtigung fiir das Ht~ren der Slorache damit verbunden zu ssin braueht.

Wo also derartige Befunde - - Verkalkungen und ausgedshnte, sehlaffe Narben friiherer Perforationen - - rnit hschgradiger I-ISrst~rung zusammenfallen, werden wir die Ursaehe der letzteren in tieferen Erkrankungen zu suchen habsn, gewShnlich in Erkrankungen des Mittelohres (naeh Toynbee 5) in Anehylosis stapedis in fenestr, ovati). In solehen Fallen wird eine operative Beseitigung der vermeintlichen Schallleitungs-Hindernisse im Trommelfelle (Excision der Verkalkungen u. s. w.) offenbar sehr gerlnge £ussicht auf Besserung der HSrkraft geben, wenn wir im besehriebenen Falls sehen mtissen, class mit den- selben ein nahezu normales H~rverln~gen ftir die Sprache bestehen kann.

Partielle Verkalkungen des Trommelfells ohne sonstige Gewebs- ver'~nderungen im Trommelfell sincl bereits mehrfaeh bei Individuen gefunden, die kein Bswusstsein einer wesentlishe~ Hgrst~rung hatten. Zwei exquisite F~ille der Art hat Polltzer2) beschrieben. Die Combina-

i) Diseases of the ear p. 153. 8) Patholog. Anatomle der Trommelfell~ffbungen. Wien 18631 p. 19.

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144 SGHWARTZE: Kleinere Mittheilungen.

tion yon Kalkablagerungen und ausgedehntan Narbenbildungen an dem- selben Trommelfell~ wodureh die Sehwingbarkelt der Membran un- zweifelhaft noch mehr beeintr'~chtigt werden muss, als dureh blosse Verkatkungen~ lless dagegan viel aher die Gegenwart einer auffallen- den HSrst~rung erwarten. Beachtenswerth ist sahliesslieh das auffal- lende Missverh~ltniss im tISren der Uhr und Spraehe. Fiir erstere ersehelnt die HSrkraft sehr hoehgradlg, besonders links herabgesetzt, fiir das H8ren der Spraehe ist schwer eine Beeintr~eh6gung be- markbar. --

V.

¥~)llig schmerzlos entst~ndene Abscessbildung' in tier Paukenh~hle.

Wir slnd gewohnt, dass eitrlge Entziindungen dar Paukenhbhle stets yon heftigen Sehmerzen in der Tiefe des Ohres eingeleltet wer- den; in der Regal gesellen sieh sogar Fieberbawegungen dazu, die so lange anhalten bls tier Eiter einen Ausweg dureh Trowmelfell~ Tuba Eust. oder Warzenfortsatz gefunden hat. Es ers&eint mlr des- halb bemerkenswerth, dass in dem folgenden Fall weder Fieber, noeh irgend eine Spur yon lebhafterem Sehmerz im Ohr oder Kopf, noeh tiberhaupt die geringste Stbrung im Allgemeinbefinden dutch einen Abscess in der PaukenhShle veranlasst wurde.

H e r m a n n S t . . , 12 Jahr alt, hat vor 6 Jahren Masern gehabt. Naeh Ablauf derselben stellte sich Sehwerhgrigkelt ein, die in den letzten zwel Jahren nieht bemerkbar zugenommen hat. Lebhafte Sehmerzen hat der Patient niemals in den Ohren gehabt; nut zuwel- Ien sollen fltichtige, leieht steehende Empfindungen und Jueken im Ohre bemerkt worden sein. Ein eitrlger Ausfluss ist friiher niemds dagewesen. Der Patient leidet an einer d i~'~sen Bro~c/Titis, die sehon Jahre lang bestehen soll und auf elne Lungenentz[indung zurtiekge- ftihrt wird, die er naeh den Masern iiberstanden ha~. Ueberatl am Thorax sind gegenw~rtig pfelfende und sehnarrende RasselgerSusehe zu hgren~ nirgends bronehiales Athmen; keine Dgmpfung unter dan Schltisselbeinen. Das Aussehen ist nleht gerade kr~ftig; keine Anaemia.

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Die Hgrl)riifung ergab: Uhr wlrd geh~irt links 3", rechts 6";

leiseste Sprache und Fliistersprache auf 14' night mehr. Trommelfelle: links stark verdiekte Cutisschicht yon vielfaehen,

erweitertcn und stark gefiillten, radi~ren Gef~ssen durchzogen; nach hinten-oben erscheint dlese vcrdicktc Cu6sschicht fast halbkuglig in den Geh(~rgang vorgewSlbt. Das rec]~te Trommelfell ist weniger ver- diekt, zeigt aber ebenfalls lebhafte Injection der Cutisgefi~sse. Beim Politzer'sehen ~,rerfahren dringt die Luft subjectiv beiderseits deutlieh in jedes Ohr, ver~ndert indcssen dig H~Jrweite gar nicht. Rachen- schlehnhaut gesund.

Die VorwSlbnng am linken Trommel~ll war heir a]lerdings sehr auffallend. Doeh war bei Beri~hrung mit deal Sondenknopf keine Fluctuation bemerkbar und daehte ieh eher an eine umschriebene hochgradlge Verdiekung des Tremmelfe]les selbst~ wie ich sic in ganz ~hnlichen Bitdem schon 5fters gesehen hatte~ ats an eine Fltissigl:eits- ansammlung in der PaukenhShle. Ich leitete deshalb eine Behand- lung gegen die ehronlsche Myringitis e~n durch 2ma] w~chent]iche Bepinselungen der Trommelfe]le mit Jodglyzerln (Glycerini ~/~ Jodi puri gr. j Kalii jodat. ~/3), Eintr~ufeIungen yon verdi~inntem Bleiessig (gtt. v ad ~j) in den Zwisehentagen tntd Bepinselungen der Umge- bung tier Ohrmusehel mit Tinct. Jodi fortior. Wegen der hartnackigen Bronchitis verordnete ieh gleichzei¢ig allabendlieh Abrelbungen des Thorax mit feuchtem Handtuch und ]iess den P.~ so oft er zu mir kam~ eine schwache TanninlSsung durch den Pulverisateur einathraen. Ich hatte erst 3real die Bepinselung der Trommelfelle gemacht~ als ieh am 9. Tage nach der ersten Untersuchung sah~ dass die friiher bemerkte linkseitige Hervorw(ilbung nach hinten-oben viel betr~cht- licher geworden war, jetzt vollkommen sackartig nach unten herabhing und auch deutlich fluctuirte. Das saekartlg ausgestii]pte Trommelfell erschien sehr verdtinnt, nlcht mehr gerSthet und bei drelster Beriih- rung mit der Sonde ~icht im mgndesten empfindllch. Schmerzen wo]lte der P. auch sonst gar nicht haben, auch nicht bei starkem Druck auf die Umgebung der ©hrmusche], nut jedesmal naeh der fr~iheren Bepinselung ein leiehtes Brennen dureh 1 0 - 1 5 Minuten empfunden haben. Ein Kreuzschnitt in die blasenartige VorwSlbung entleerte einige Tropfen ge]blicher, ~usserst z~ther Fltissigkeit. Beim Exp. Valsalv. trat mehr derartige Flfissigkelt aus der Pauke hervor, sank abet bei naehlassendem Druck yon innen zum grgssten Theil wieder zurfick. Beim _Politze~'scben Versuch zischte dle Luft laut hlndurch

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146 S((..HWARTZE: Kleinere Mi~theilungen.

und trleb elne betr~ehtllche Menge ghnlieher Fltissigkelt in den Ge- h~Jrgang hinein, so dass d~esGlbe sofort an der gusseren OhrSffnung slehtbar wurde. Die Ft[isslgkeit hatte gar keinen Gerueh und zeigt bei der sGfortigen mihroskopisehen UntGrsuchung niehts wig gut er- haltene EiterzeIIen. Dieselben waren nirgends in fettigem Zerfall be- griffen. E~ne kr~ftlge Einspritzung yon Iauem Wasser in den GGhSr- gang kam sofort in Mund und Nase. Unmittelbar naeh der Entlee- rung des Eiters ftihlte der P. sie]~ im Ohr leiehter und hbrte die Uhr etwa um 1 Zoll weiter. Trotz fleissiger Injeetlonen uncl hgufigen Exp. Vats. blieb die ktinstliehe Oeffnung nut 5 Tage bestehen. Es zeigte sich dann abermals eine fluctuirende VorwSlbung des Trommel- fells nach hinten, in die wlederum ein Einsehnitt mit demselben Er- folge wig zuerst gemaehe wnrde. Na& mehrmallger Reinigung der Paukenh~ihle mittelst des Polltze/schen Verfahrens wurde eine forcirte Einsprltzung yon Solut. Zinci sulf. (gr. V ad 3j) (ifters in den i~usseren Geh(h-gang gemacht, die jedesmal in MuM und Nase kam. DiG zwelte Oeffnung zeigte slch naeh 12 Tag'ea geschlossen. Da nach den auseultatorischen Erseheinungen offenbar die Pauke wieder yell Fltissigkeit war, wurde eine dritte Punction erfGrderlieh, die nur auf 3 Tage Abfluss versehaffte. Naeh der vierten Punetion zeigte sleh die Seeretmenge in der Pauke -~iel geringer wie fa-tiher und unter Fortsetzung des PoIi~zer'sehen Verfahrens und foreirter Einspritzungen yon Soht. Zinel sulf. gelang es~ die Eiterung naeh 9wbehentlleher Behandlung ganz zu beseitigen. Die vierte Oeffnung konnte 8 Tage lang often erhalten werden.

Der P. hbrte sehliesslieh die Uhr Links: l~h t (frtiher 3"), Rechts: 1 ~ (fri~her 6");

im Spraehverstgndniss durehaus keine Beelntriiehtigung bemerkbar, er hbrte Fltistersl?raehe auf 14 ~ abgewandt. --

Lange konnte dle Eiteransammlung in der Pauke nieht bestanden haben, sonst wtirde der Eiter fettlgen Zerfall gezeigt haben, es wiir- den reiehlieh freie Fettkbrnehen, Cholestearin etc. in der Fliissigkeit gewesen sein. Sehr auffallend bleibt, dass sieh die Ansammlung ohne auffaIlende, anhaltende Sehmerzen entwiekelt hat und erinnert in so fern an die SGg. kalten Abseesse. Doeh passt dazu die Besehaffenheit des Eiters und der tibrige Krankheitsverlauf gar nleht. - - Trotz der Eiteransammlung hinter dem TrommelfeI1 zeigte dasselbe elne so hoehgradlge~ geradezu st~Jrende Regenerationskraft~ dass es ngthlg wurde, die Punction 4real zu wiederholen. - -

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SCHWARTZE: Kleinere Mittheilungen. 147

VI.

HMbseitlge L~ihmung durch Ohrpolypen.

Frau t I i l l g e r aus Halle, 30 Jahr alt~ hatte im 8. Lebensjahr Scharlach gehabt und litt seit jener Zeit an massenhafter, zuweilen stinkender Eiterung aus dcm rechten Ohr. Schon im 9. Lebensjahr soll ihr eln Sttiek eines Gew'~chses aus dem Ohre ausgerissen worden sein, wonaeh sieh hintcr dem Ohr eine Gesehwulst bildete, welcbe bel einer Incision viol Eiter entleerte. Davon herriihrend ist auf dem rechten Zitzenfortsatz eine fief eingezogene~ line,re tN'arbe sichtbar, Dieselbe Operation des Ausreissens ist im Verlauf der spi~teren Jahre sehr h~ufig wiederholt worden (angeblich jahrlieh mehrmals)~ ohne dass die Eiterung jemals geringer geworden wgre. Zeitweilig hat P. an beftlgem, rechtscltigen Kopfschmerz gelitten.

Im Juni 1863 ist P. in der hiesigen Poliklinik an febr. inCermlt- tens tertiana behandett women, welche nach Chlnin verschwand, abet am 13. Tage recidivirte und erst nach abermaliger li~ngerer Anwen- dung yon Chinin dauernd ausgeblieben ist. Im October 1863 kam sic wieder in Behandlung an acutem Bronchialcatarrh, in dessert Verlauf sich rechtseitige Kopfschmerzen, Gefiihl yon Klopfen und Schmerzen im rechten Ohr einstottfen. Gleichzeitig bemerkte die P . , dass ihr Gefiihl in des recision Seite des Gesic/~les und allm~ilig auch des gan- zen rechten K~rt)erh~ilfte sehwiicher wu'rde~ dass ihr Bewegungen der rechten L'wtremitgten mii]~samer und schwerer wurden.

It~ufige Scttwindelanfglle und wiedev]wltes Erbrechen fielen mit diesen Erscheinungen zusammen.

Die Kopfschmerzen steigerten sich bis zum Unertr~gliehen~ bc- sonders in der Umgebnng tier Ohrmuschel. Nach drei vSllig schla5 losen Ni~ehten stellte sieh die P. am 1. November in der reed. Poll- klinik des Herrn Prof. £r}~eod. Weber vor, der die Gtite hatte, mir die Kranke zur weiteren Beobachtung und Behandlung zuzuweisen.

Stat. 2rgs. vom 1. Nov. 1863.

Heftiger Schmerz in der reehten Kopflliilfte~ der auf Druck in tier Umgebung tier Ohrmuschel und dutch leichtes Ziehen an dersel- ben sieh steigert. Warzenfortsatz wenig geschwellt, stark gerSthet, auf Druck sehmerzhaft, zeigt eine tier eingezogene, striehf~irmlge Narbe. Gesichtsausdruck angstvoll, schmerztich geriithet. Puls 90, Tempera- fur fiir das Gefiihl erh~iht. Carotidenpuls stark klot)fend.

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~volllco,mme~e L¢ihmung der rechten Extremiteiten; beim Gauge sehleift dis P. miihsam den reehten Fuss nach; I t~ndedruck ist reehts sehr viel schwi¢cher als links. Unvollkommene Anaesthesie der rech- ten K~rperh~Ifte. Der rechte N. facialis ist nlcht paratytisch; dagegen ist die gauze reehte Gesiehtsh~tlftc mit Ausnahme des Gebletes, wel- ches der N. supraorbitalis ¥ersorgt, v~llig aniisthetiseh~ ebenso die reehte OhrmuseheI (vorn und hinten). Eine ganz teiehte Ptosis reehts uu- verkennbar. Sehnerven normal. Pupillen beiderseits glei& gross, yon guter Reaction. Injidrte Conjunetiva beiderseits. Ob noeh eine Spur yon H~irvermSgen reclets bestand, liess sieh nieht bestimmt ant- s&eiden, weil das linke Ohr viillig gesund war. In solehem Fall ist aueh dutch hermetisehen Versehluss des gesunden Ohres dasselbe nieht vollstgindlg bei der Hbrpriifung auszusehliessen. Beim leiehten Anziehen der Ohrmusehel sah man ohne Ililfe Yon Spitvel und Tri&ter den iiussern Gehiirgang ausgeftillt -con zwei kolbigen, hoehrothen Neu- bildungen mlt glatter Oberfl:~ehe. Sic beriihrtcn sieh gegenseitig innig und fiillten das Lumen des Geh~irganges aus, so dass der Eiter aus der Tiefe keiuen Abfluss haben konnte. Naeh Enffernung des einen Polypen mit der Wilde'sehen Drathsehlinge quoll etwas eingediekter, k~siger Eiter hervor. Blutung sehr gering. Ord.: 4 Blutegel auf Warzenfortsatz und unter das Ohr: hi~ufige Reiniguug des Ohres dutch Einspritzen mit lauem Wasser, AbNhrungen aus Calomel und Rad. Jalapae. Kalte Uebersehl~ge tiber die reehte Kopfseite mit Versehluss der Ohrbffnung. - -

Am 5. Nov. dauert die reehtseitige Parese fort~ dagegen ist die Anaesthesie des Trigeminus und der reehten Kbrperhiilfte versehwun- den; Puls 90~ etwas erhiihte Temperatur, Zunge rein. Keine Frost- anfiille, kein Erbreehen. Der Kopf~ehmerz dauert fort, in der Naeht zahlreiehe Entleerungen.

Der zweite Polyp wurde mit tier Schlinge entfernt. Ordination: Calomel (gr. fl) mit Opium (gr. Ih). 3mal tiiglicb. - -

Am 6. Nov. traten yon Neuem heftigere Sehmerzen im Ohr, hinter demselben und in der,ganzen reehten Kopfseite ein~ die abermalige Applikation yon 4 Blutegeln erforderten. Unmittetbar darnaeh grosse Erleiehterung.

Am 7. Nov. hatte sieh die reehtseitige Parese und die Anaes- thesle verloren. Die P. konnte mit beiden Hiinden gleich stark driieken, ffihlte aber im rechten Bein immer noeh sine Sehw~tehe. Schleifender Gang war nleht mehr vorhanden.

Bei der genauern Untersuchung des GehSrganges zeigt sieh das Lumen desselben noeh keineswegs frei~ obwohl jetzt wleder ein ziem-

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lleh relehlleher, s6nkender Ohrenfluss sieh eingestellt hatte, sondern es pr~senth'ten sieh noeh 2 grosse kolbige Gew~ehse in der Tiefe, ausserdem mehrfaehe Grsnulationen yon den W~uden des Geh~rgan- ges ausgehend, tgusehend ghnlleh den spltzen Condylomen. Der dritte Polyp wurde vollst~tnd~g mit der Sehllnge enffernt; den vlerten wollte die P. absolut nieht hergeben.

Unter Eintrgufelungen yon Alaun- und Zinklbsungen und zwei- real w8ehentliehen Aetzungen mit Lapis in Substanz versehwanden nach etwa 4monatlicher Behandlung die Gr.~nulationen vollstgndlg, aueh die Wurzelreste der abgesehntirten Polypen sehrumpften vSllig ein. Die Eiterung nahm an Menge und Gerueh ab.

Da sich die P. sehr vor der Enffernung ihres vierten Polypen ftirehtete, dessert Oberfli~ehe glatt, mit einer festen, weissliel~-grauen Haut tiberzogen war, leieht bewegllch und jedenfalls aus der Pauken- hghle entsprang (dureh sein kolbenf(irmlges Ende wurde der Gehbr- gang in der Tiefe noch nahezu vollst~ndig ausgefiillt), wurde die Ober- fliiehe desselben versuehsweise l~tngere Zeit mit R. Jodi, liq. ferrl ses- quiehlorati, Lapis in Substanz bestriehen, ohne dass sieh dadureh sein Volumen nur im geringsten verkleinert h~ttte. Die P. fiihl~e sieh mlt ihrem vierten Polypen im Ohr leieht im Kopfe, ohne Sehmerz. Bei Bertihrung oder leiehtem Druek der Geschwulst mlt einer Sonde wurde P. sofort sehwlndlig und war nieht im Stande aufreeht stehen zu bleiben. Uebrigens ftihlte sie sigh im Gebraueh ihrer reehten Ex- tremit~iten bis heute (Anfang Mai 1864) nie wieder beeintraehtigt. Aueh hatte sieh bis zu dieser Zeit der Polyp nieht merktieh ver- grbssert.

Schwindelzufalle, halbseitlger Kopfschmerz, Druckempfindungcn im Kopfe sind bei Ohrpolypen, wenn dleselben durch ihre Gr~sse das Lumen des ~tussern Geh~rganges verengern oder ganz aufheben und dadureh zur Retention des Eiters in der Pauke und abnormem Druek auf den Labyrinthinhalt Veranlassung geben~ sehr gew8hnliehe und allgemein bekannte Erscheinungen. Seltener sind die Symptome einer dauernden Vagusreizung zu beobaehten, als Uebelkeit, &roni- sehes Erbreehen~ besonders beim Aufriehten des Kopfes.

I-Ialbseltige L~thmungen dutch Ohrpolypen veranlasst sind nlr- gends besehrleben, wohl abet sind mehrfaeh Hemiplegien beobaehtet

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worden durch fremde K8rper im aussern Geh8rgang. Schon Fabri- cites yon Hilden heilte ein M~dchen yon einer halbseitigen Lghmung dutch Enffernung einer Glasperle aus dem Ohre. Das rasche Ein- treten und das ebenso rasehe und spurlose Versehwinden der genann- ten schweren Zuf~lle, der halbseitigen Parese, Anaesthesie, Ptosis u. s. w. in unserm Falle maehen wahrseheinlieh~ dass die durch die Retention des Eiters erregte heftige Entztindung der Paukenh~hle eine Ityperiimie des Geh6ms und seiner Hdiute an der entsprechenden Seltc bedingte, a.ls deren Symptom die paretlsehen Zust~nde zu deuten sind. - -

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