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KLIMA –KÜSTE –GESELLSCHAFT Erkenntnisstand und Perspektiven der Klimafolgenforschung im Forschungsprogramm „Klimaänderung und Küste“ (K&K) Achim Daschkeit & Horst Sterr, Kiel

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KLIMA – KÜSTE – GESELLSCHAFT

Erkenntnisstand und Perspektiven der Klimafolgenforschung

im Forschungsprogramm „Klimaänderung und Küste“ (K&K)

Achim Daschkeit & Horst Sterr, Kiel

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A. Daschkeit & H. Sterr Klima – Küste – Gesellschaft

Gliederung

Seite

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungen

Einleitung............................................................................................................... 1

1 Entwicklung der Klimafolgenforschung............................................................. 2

2 Entwicklung des Forschungsprogramms „Klimaänderung

und Küste“ (K&K).................................................................................................. 7

2.1 Klimafolgenforschung und Sozialwissenschaften........................................ 10

2.2 Ergebnisse in der Klimafolgenforschung und abgeschlossener

Vorhaben in K&K......................................................................................... 13

2.3 Die IPCC-Case-Study für den deutschen Küstenraum............................... 14

2.4 Gefährdungsabschätzung für die Küsten Schleswig-Holsteins................... 20

2.5 Projektverbünde in K&K.............................................................................. 21

3 Zwischenbilanz...................................................................................................... 23

4 Fallstudie Sylt – Ansatz und Vorgehensweise................................................... 28

4.1 Allgemeine Struktur..................................................................................... 28

4.2 Konzeptioneller Ansatz und Umsetzung...................................................... 29

5 Die Ergebnisse aus K&K als Basis für ein Integriertes

Küstenzonenmanagement (ICZM)....................................................................... 38

5.1 Ziele, Aufgaben und Struktur eines ICZM................................................... 40

5.2 ICZM auf EU-Ebene.................................................................................... 43

5.3 ICZM im Programm K&K............................................................................. 48

6 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................ 49

7 Literatur.................................................................................................................. 52

Bearbeitungsstand: September 1999

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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Seite

Abbildung 1: Funktionen der Küstenlandschaft und ihrer Teilsysteme(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 5)

3

Abbildung 2: Inhaltlich-methodischer Ansatz der Klimafolgenforschung,hier spezifiziert für das ForschugnsprogrammKlimaänderung und Küste(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 11)

9

Abbildung 3: Ökonomisch orientierte Studien in derKlimafolgenforschung und Methoden(Quelle: Knogge 1998a, S. 20)

12

Abbildung 4: Übersichtsmatrix zu den klimabedingten Auswirkungen aufSektoren der Küstennutzung(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 60)

16

Abbildung 5: Sozio-ökonomische Vulnerabilität Deutschland(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 66)

17

Abbildung 6: Mögliche Betroffenheit der deutschen Küste bei einem 1m-Meeresspiegelanstiegsszenario(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 71)

18

Abbildung 7: Gesamtwerte der wichtigsten Bewertungskategorien in denpotentiell überflutungsgefährdeten Gebieten(Quelle: Hamann 1998, S. 172)

20

Abbildung 8: Niederschlagsentwicklung für Station List/Sylt 1865-2098(Quelle: v. Storch et al. 1998a)

25

Abbildung 9: Konzept Metadaten & Beziehungsgeflecht MeBez(Quelle: A. Daschkeit & P. Schottes – eigener Entwurf 1999)

31

Abbildung 10: Beziehungsgeflecht – Bearbeitungsmaske(Quelle: A. Daschkeit & P. Schottes – eigener Entwurf 1999)

34

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Abkürzungen

AFFORD Abteilung für Forschungs- und Datenintegration im Verbundvorhaben

Klimaänderung und Küste

BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung

(vormals BMFT – Bundesministerium für Forschung und Technologie)

DKRZ Deutsches Klimarechenzentrum

DWD Deutscher Wetterdienst

EPA Environmental Protection Agency

EU Europäische Union

FAO Food and Agricultural Organization

GCM Global Circulation Model

GIS Geographisches Informationssystem

ICZM Integrated Coastal Zone Management

IGBP International Geosphere-Biosphere-Program

IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change

K&K Klimaänderung und Küste

LOICZ Land-Ocean-Interaction in the Coastal Zone

MAB Man and the Biosphere

MLR Ministerium für ländliche Räume Schleswig-Holstein

MPI Max-Planck-Institut für Meteorologie

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

ppm parts per million

SAR Second Assessment Report

SWAP Sylter Wattenmeer Austauschprozesse

UMK Umweltministerkonferenz Nord

UNDP United Nations Development Program

WBGU Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen

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A. Daschkeit & H. Sterr Klima – Küste – Gesellschaft

1

Einleitung

Die Folgen eines möglichen Klimawandels werden in den letzten Jahren nicht mehr so intensiv disku-

tiert wie noch beispielsweise in den 80-er Jahren. Allerdings nimmt die Diskussion über einen mögli-

chen Klimawandel ereignisbezogen zu: Z.B. im hiesigen Winterhalbjahr, wenn die zu der Zeit üblichen

Herbst- bzw. Frühjahrsstürme die Nordseeinsel Sylt in zwei Teile zu zerbrechen drohen; oder wenn

anläßlich der regelmäßig stattfindenden klimapolitischen Verhandlungen auf internationaler Bühne

über CO2-Reduktionsszenarien und deren Vor- und Nachteile gestritten wird; oder wenn plötzlich klei-

ne Inseln im Indischen Ozean aufgrund eines steigenden Meeresspiegels versinken. Ansonsten aber

ist es um Klimafolgen(forschung) relativ ruhig(er) geworden – jedenfalls im Verhältnis zum Zeitraum

Ende der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre.

Ein Grund für die hierzulande nicht mehr so intensiv geführte Diskussion über einen möglichen Kli-

mawandel ist sicherlich die Tatsache, daß aus den meist für die globale Ebene konzipierten „Globalen

Zirkulationsmodellen“ (GCM) nicht ohne weiteres auf Entwicklungen für Deutschland geschlossen

werden kann. Wird beispielsweise eine Erhöhung der durchschnittlichen globalen Temperatur in Bo-

dennähe prognostiziert, heißt das noch nicht zwingend, daß dies auch in einzelnen Regionen beo-

bachtet werden kann.

Dies allein ist Anlaß genug, einige der bisher durchgeführten Untersuchungen zu resümieren, denn

Anfang der 1990er Jahre wurden in Deutschland immerhin zwei umfängliche Forschungsinitiativen im

Bereich Klimafolgenforschung begonnen:

• Zum einen die Gründung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) als Institut der

Blauen Liste und

• zum anderen das als Bund-Länder-Vorhaben geplante Forschungsprogramm „Klimaänderung und

Küste“ (K&K), das für die Küsten-Bundesländer große Bedeutung hat.

Die nachfolgende Übersicht, die sich überwiegend mit der küstenbezogenen Klimafolgenforschung

auseinandersetzt, orientiert sich dabei an folgenden Fragestellungen:

• Was sind die wesentlichen Ergebnisse der mittlerweile abgeschlossenen Einzel- und Verbundpro-

jekte?

• Wie sind diese Erkenntnisse angesichts der zwischenzeitlich erzielten Fortschritte in der Klimafor-

schung (i.S. der Klimamodellierung) einzuschätzen?

• Welche Aussagen lassen sich über den Komplex „Klima – Küste – Gesellschaft“ ableiten?

• Welche Relevanz haben die Ergebnisse im Programm K&K für die Umwelt- und Klimapolitik?

• Welche Relevanz können die Ergebnisse aus K&K für ein sog. „Integriertes Küstenzonenmana-

gement“ (ICZM) haben?

• Welche Ergebnisse können in den nächsten Jahren noch erwartet werden, wenn die laufenden

Vorhaben abgeschlossen sind?

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2

Um diese Fragen im Ansatz beantworten zu können, wird nachfolgend

• die Entwicklung der Klimafolgenforschung, insb. des Programms K&K dargestellt (Kapitel 1 und

2). Hierbei interessieren vorrangig

• die Positionierung der Sozialwissenschaften (Kapitel 2.1), die Ergebnisse abgeschlossener Vor-

haben (Kapitel 2.2) sowie die detaillierten Untersuchungen zur Gefährdungsproblematik bei einem

steigenden Meeresspiegel (Kapitel 2.3 und 2.4). Die Darstellung wird konkretisiert mit einer

• Schilderung der noch laufenden Projektverbünde in K&K (Kapitel 2.5).

• Nach einer Zwischenbilanz (Kapitel 3) wird

• in Kapitel 4 etwas näher auf die Fallstudie Sylt eingegangen.

• Im fünften Kapitel werden die zuvor präsentierten (Zwischen-)Ergebnisse im Hinblick auf die zu-

künftige Ausgestaltung eines ICZM betrachtet, wobei (grundlegend) erläutert wird, was in dieser

Übersicht und in anderen Zusammenhängen (EU, global) darunter verstanden wird.

• Abschließend wird in Kapitel 6 Bezug genommen auf die Ausgangsfragestellungen, bspw. ob der

an das Programm K&K gestellte Anspruch erfüllt wurde bzw. überhaupt erfüllt werden konnte. Da-

bei zeigt sich, daß es nach wie vor große Erkenntnislücken gibt, die aber durchaus in einer zu-

künftig engeren und besser aufeinander abgestimmten Kooperation verschiedener Forschungs-

einrichtungen verringert werden können.

Da diese Arbeit im Rahmen der „Fallstudie Sylt“ erstellt wurde, wird auch bei Abschnitten mit räumlich

übergeordnetem Bezug immer wieder versucht, die Ebene der Insel Sylt angemessen zu berücksich-

tigen. Die Übersicht richtet sich in erster Linie an diejenigen, die einen allgemeinen Überblick über die

küstenbezogene Klimafolgenforschung erhalten möchten, also gleichermaßen an Vertreter von Politik

und Administration wie auch an am Thema interessierte Wissenschaftler und Studenten. Der Über-

blick kann aber nicht die intensive Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden Untersuchungen

ersetzen.

1 Entwicklung der Klimafolgenforschung

Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich die Funktionen der Küstenlandschaft und ihrer Teilsysteme zu

vergegenwärtigen (vgl. Abbildung 1auf der nächsten Seite): Zum einen ist auf den ersten Blick ersicht-

lich, daß die aufgeführten Funktionen untereinander zusammenhängen; zum anderen muß festgehal-

ten werden, daß gesellschaftliche genauso wie ökologische Belange berührt sind. Die deutschen Küs-

tenregionen ingesamt sind sich – trotz der Vielfältigkeit in ihrem biologischen und geologischen Inven-

tar und ihren Besiedlungs- und Nutzungsstrukturen – in ihren Funktionen und letztlich ihrer Vulnerabili-

tät bei Klimaänderungen ähnlich. Wichtige Funktionen, die von Klimaänderungen in noch zu klären-

dem Ausmaß betroffen sein werden, sind zum einen ökologisch bedeutsame Aspekte bei der Modera-

tion des Stoff- und Energieaustauschs zwischen Land und Meer, bei der Regulation von Nahrungs-

netzen und dem Umsatz von Nähr- und Schadstoffen sowie letztlich bei dem Erhalt der Artenvielfalt.

Zum anderen sind Nutzungsfunktionen gefährdet wie z. B. die Trinkwasser- und Rohstoffgewinnung,

die Nahrungsmittelproduktion, die Besiedlung und die industrielle Produktion sowie der Tourismus.

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3

Regulationsfuktionen Produktions- und Nutzungs-funktionen

Informationsfunktionen

• Regulation der lokalen E-nergie und Stoffbilanz

• Regulation der chemischenZusammensetzung vonWasser und Sediment

• Regulation des Wasseraus-tausches zwischen Land undMeer

• Speicherung bzw. Verteilungvon Nährstoffen und organi-scher Substanz

• Regulation der biotischenNahrungsnetze

• Nähr- und Schadstoff-Filterung

• Erhaltung von Lebens- undAufwuchsräumen

• Erhaltung der Artenvielfalt

• Produktion von Trink- undBrauchwasser

• Produktion pflanzlicher undtierischer Nahrung

• Produktion von Rohstoffen,Baumaterial etc.

• Produktion biologisch-genetischer Ressourcen

• Raum- und Ressourcenan-gebot für menschliches Le-ben und Wohnen- Fischerei und Aquakultur- Energienutzung- Tourismus und Erholung- Naturschutz

• ästhetische Information• historisch-kulturelle Informa-

tion• erzieherische und wissen-

schaftliche Funktion

Abbildung 1: Funktionen der Küstenlandschaft und ihrer Teilsysteme(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 5)

Vor dem Hintergrund der potentiellen Gefährdung von Küstenregionen ist es nur folgerichtig, wenn die

Frage nach den Folgen möglicher Klimaänderungen Mitte der 80er Jahre u.a. durch eine entspre-

chende Medienberichterstattung zum öffentlichen Thema wurde: Der Spiegel-Titel vom August 1986

wird wohl noch lange in Verbindung mit der Klima(folgen)forschung gebracht werden, denn schließlich

ist die Projektion – der Kölner Dom zur Hälfte im Wasser – fürwahr nicht gerade beruhigend; aber es

war eben nur eine Projektion, und eine unrealistische dazu. Gerne wird in diesem Zusammenhang

vergessen (mitunter auch unterschlagen), daß zwar die Deutsche Physikalische Gesellschaft mit ei-

nem horrorartigen Memorandum an die Öffentlichkeit trat, die eigentlichen Experten (Klimatologen und

Meteorologen) für dieses Thema aber umgehend dieses schiefe Bild zurecht rückten (vgl. auch En-

gels & Weingart 1997; Graßl 1999; Umbach 1999).

Die seit Ende der 80er Jahre eingesetzten Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestages zum

Thema „Schutz der Erdatmosphäre“ sorgten dann für eine Versachlichung der Diskussion. Entspre-

chend positiv war die nationale und internationale Resonanz auf die vielfältigen und umfangreichen

Berichte. Erwähnt werden muß der zu diesem Zeitpunkt relativ große Einfluß der wissenschaftlichen

Aktivitäten auf die Ausgestaltung einer Klimapolitik. Diese mußte ja bekanntermaßen aufgrund des

globalen Charakters einer möglichen Klimaänderung international ausgerichtet sein, um überhaupt

wirksame Vereinbarungen erzielen zu können. Von daher müssen auch die deutschen Forschungsan-

strengungen im internationalen Rahmen gesehen werden (vgl. Brauch [Hrsg.] 1996). Ende der 80er

Jahre wurde das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) als zwischenstaatliches Gremi-

um gegründet, das die Grundlagen für die Verabschiedung der Klimarahmenkonvention während des

sog. „Erdgipfels“ in Rio 1992 gelegt hat. Ein erster Sachstandsbericht erschien Anfang der 90er Jahre,

der Second Assessment Report erschien Anfang 1996, der dritte (Third Assessment Report) ist für

das Jahr 2000 angekündigt (vgl. Bruce et al. [Eds.] 1996; Houghton et al. [Eds.) 1996; Watson et al.

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[Eds.] 1996, 1998). Für den Küstenbereich sowie die Inseln wurde eine eigene Arbeitsgruppe einge-

richtet, in der schon frühzeitig die besondere Gefährdung dieser Räume aufgezeigt und deshalb ein

Integriertes Küstenzonenmanagement (ICZM) gefordert wurde.

Nun wird aber Klima(folgen)forschung nicht nur im Küstenbereich betrieben, sondern sehr viel umfas-

sender in allgemein klimasensitiven Regionen (Küstengebiete, Gebirgsregionen) sowie ökologisch

und auch ökonomisch sensiblen Bereiche wie Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft o.ä.

Ökologische Belastungen sind bspw. für die Alpenregion insbesondere durch die Tempera-

turerhöhung zu erwarten, aufgrund derer sich die bisherige Höhenverteilung der Vegetations-

typen in höhere Regionen verlagern würde. Anhaltende ökologische Instabilitäten der Wald-

ökosysteme im alpinen Bereich wären mit zunehmender Bodenerosion und evtl. gleichzeitig

stärkerer Lawinengefährdung verbunden. Negative ökonomische Auswirkungen würden sich

weiterhin aufgrund der besonders im Winter auftretenden Temperaturerhöhung für die vom

Wintersport abhängigen Gemeinden sowie wegen des geringeren Schmelzwasseraufkom-

mens auch für die Wasserkraftwerke ergeben. Schon heute lassen sich eine Reihe von „An-

passungsmaßnahmen“ in alpinen Skigebieten beobachten, deren „Schneesicherheit“ in den

letzten Jahren deutlich geschwunden ist – unabhängig davon, ob bereits erwiesen ist, daß

dies Ausdruck eines Klimawandels ist: Es werden nicht nur vermehrt sog. „Schneekanonen“

eingesetzt, sondern ebenfalls Marketingstrategien entwickelt (und teilweise schon umgesetzt),

die auf einen klimaunabhängigen Tourismus abzielen (vgl. Bader & Kunz 1998; Bloetzer et al.

1998).

Auch agrarisch genutzte Ökosysteme weisen eine gewisse Anfälligkeit gegenüber Klimaän-

derungen auf. Diese kann sich in veränderten physiologischen Prozessen und daraus resultie-

renden Wirkungen auf andere, angrenzende (Agrar-)Ökosysteme ausdrücken; bei einem nicht

unwahrscheinlichen, häufigeren Auftreten von Extremsituationen (evtl. stärkere Kontinentali-

sierung von Teilen Mitteleuropas) wäre darüber hinaus für diese stark anthropogen beeinfluß-

ten und gesteuerten Ökosysteme auch mit strukturellen Veränderungen zu rechnen. Mögliche

Auswirkungen von Klimaveränderungen können in bezug auf (i) die zeitliche Entwicklung der

Agrarvegetation (Vegetationszeitverschiebungen und veränderter Ablauf phänologischer Sta-

dien) bzw. die Häufigkeit und Stärke von Schaderregern durch Temperaturveränderungen, (ii)

die Stoff- und Wasserdynamik der Bestände sowie (iii) im Ertragsverhalten und in der Wirt-

schaftlichkeit bzw. Ertragswürdigkeit erwartet werden. Gleichzeitig wird aber die Anfälligkeit

gegenüber Klimaänderungen wiederum reduziert durch die Bewirtschaftungsform und –

intensität moderner agrarwirtschaftlicher Techniken (vgl. auch Hörmann & Chmielewski 1998).

Es kann andererseits von einer stimulierenden Wirkung der ansteigenden atmosphärischen

CO2-Konzentrationen auf Photosynthese, Stoffbindung und Erträge in Abhängigkeit von der

Kulturart und anderen Faktoren (Bodengüte, Witterungsverlauf) ausgegangen werden. Erste

modellgestützte regionale Abschätzungen für den Nordosten Deutschlands ergaben maximale

Ertragzuwächse bei Wintergetreide von 20 bis 30% unter einer angenommenen verdoppelten

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vorindustriellen atmosphärischen CO2-Konzentration (550 ppm gegenüber gegenwärtig 350-

370 ppm). Bei diesen Befunden muß aber nach wie vor bedacht werden, daß die entweder im

Labor oder modellgestützt erzielten Ergebnisse nicht ohne weiteres auf Freilandbedingungen

übertragen werden können.

Auch Wälder sind mittel- und langfristigen Klimaänderungen in unterschiedlichem Maß ausge-

setzt. Das Anpassungsvermögen der heutigen Waldbestände droht besonders an den ökolo-

gischen Grenzen der Baumartenverbreitung durch die Geschwindigkeit möglicher Klimaverän-

derungen überfordert zu werden. Dies gilt vor allem für Nadelholzreinbestände in Risikogebie-

ten wie z.B. den niederschlagsarmen Standorten Nord- und Nordostdeutschlands. Ein erhöh-

tes Risiko besteht für durch Luft- und Bodenbelastungen bereits vorgeschädigte Wälder. Als

Folge des Klimawandels verstärkt auftretende Extremereignisse – wie Stürme, Dürreperioden,

Waldbrände oder Schaderregerepidemien – könnten dort die Schäden verschärfen. Für ex-

trem schadstoffbelastete und empfindliche Regionen (z.B. solche mit nährstoffarmen Böden,

unzureichendem Wasserdargebot) sind Zusammenbrüche von Ökosystemen nicht auszu-

schließen. Für die Forstwirtschaft können sich dadurch ökologische und ökonomische Proble-

me ergeben. Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang die Gefahr einer Beeinträch-

tigung oder des völligen Verlustes der Funktionsfähigkeit von Schutzwäldern. Für die Biodiver-

sität ergeben sich Gefahren aus der wahrscheinlichen Verlagerung der Vegetationszonen bzw.

der Höhenstufen im Bergland. Arten oder Teilpopulationen, deren natürliche Wanderungs- o-

der Ausbreitungsgeschwindigkeit mit einem möglichen raschen Klimawandel nicht Schritt hal-

ten können, drohen auszusterben, bevor sie klimatisch günstige, neue Areale besetzen kön-

nen. Vor allem in Gebirgsregionen kann es zur Verinselung von Populationen auf wenigen kli-

matisch vorteilhaften Reliktstandorten kommen, zwischen denen wegen klimatischer und to-

pographischer Barrieren kein genetischer Austausch mehr möglich ist. Deratige Vorgänge

führten in Europa während des Wechsels von Eis- und Warmzeiten zum Verlust von Arten und

genetischer Vielfalt. Umso beunruhigender ist es, daß als Folge des anthropogenen Treib-

hauseffekts eine Erwärmung prognostiziert wird, die um den Faktor 10 schneller vonstatten

gehen könnte als die Erwärmung nach der letzten Eiszeit.

Die Auswirkungen eines Klimawandels auf Niederschlagsverteilungen und –intensitäten

bzw. Abflußregime und allgemeine Veränderungen der Wasserhaushaltskomponenten sind

bislang nur mit großen Unsicherheiten abzuschätzen. Obwohl in Klimamodellen zunehmend

mehr Kompartimente der Ökosphäre einbezogen werden (Biosphäre, Kryosphäre, etc.) und

gleichzeitig eine immer kleinräumigere Betrachtung möglich wird, ist es bislang für ein „klei-

nes“ Gebiet wie Norddeutschland kaum möglich, belastbare Prognosen zu erstellen. Dabei

spielt die raum-zeitliche Verteilung der einzelnen Prozesse eine entscheidende Rolle für das

Ausmaß klimabedingter hydrologischer Veränderungen der Wasserverfügbarkeit. So ist bei im

Mittelwert unveränderten, in den Extremen aber ausgeprägteren Niederschlagsabfolgen eine

Zunahme von Ausmaß und Häufigkeit für Hochwasserereignisse zu erwarten. Da der Zusam-

menhang zwischen Niederschlag und Gewässerabfluß stark nichtlinear ist, können veränderte

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Niederschläge bei den Abflüssen zu wesentlich signifikanteren relativen Änderungen führen.

Aussagen über eine Änderung des Hochwassergeschehens sind grundsätzlich nur bedingt

verallgemeinerungsfähig, da es sich bei Flußeinzugsgebieten um hochgradig nichtlineare Sys-

teme handelt, welche den hohen natürlichen raum-zeitlichen Variabilitäten der treibenden Kräf-

te und Randbedingungen wie Topographie, Boden, Vegetation, Klima, Grundwasserverhält-

nisse und Gewässerzustand ausgesetzt sind (vgl. als Fallstudie: Caspary & Haeberli 1999). Im

Bereich der Auswirkungen möglicher Klimaänderungen auf das Hochwasserabflußgeschehen

sind deshalb quantitative Aussagen mit großen Unsicherheiten behaftet. Daneben können bei

Witterungsabläufen, in denen der Niederschlag zu einem sehr hohen Anteil den Boden infilt-

riert und anschließend wieder verdunstet, bereits geringe Niederschlagsverminderungen in der

Hauptvegetationszeit regionale Abflüsse stark verringern. Auswirkungen auf die Wasserver-

fügbarkeit können insbesondere die Bereiche Trinkwasserversorgung, Binnenschiffahrt,

Kühlwasserversorgung und zu einem ökonomisch geringeren Teil die Energieerzeugung durch

Wasserkraft betreffen. Verwertbare Analysen der Wasserverfügbarkeit sollten deshalb im regi-

onalen bzw. lokalen Maßstab erfolgen. Bei einem denkbaren Rückgang des mittleren, langjäh-

rigen Niederschlagsdargebots (bei einem tendenziell weiter steigenden Bedarf) wären negati-

ve Wirkungen auf die Wasserwirtschaft zu erwarten. Gegenwärtig sind solche Effekte einer

Klimaänderung in der Bundesrepublik noch nicht offensichtlich. Daneben überlagern die kurz-

fristigen natürlichen Schwankungen des Wasserdargebots sowie andere ökonomische und

technische Faktoren der Wasserverfügbarkeit bislang diese längerfristige Tendenz. Im Rah-

men eines Klimawandels sind bisher nur selten aufgetretene negative Auswirkungen lang an-

haltender Trockenheits- bzw. Frostperioden auf die Schiffbarkeit der Binnenwasserstraßen

und Küstengewässer vorstellbar. Derartige Beeinträchtigungen der küstennahen und Binnen-

Schiffahrt könnten bei gehäuftem Auftreten weitgehende ökonomische Konsequenzen für die-

sen Wirtschaftszweig haben. Eine Gefährdung bzw. deutliche Beeinträchtigung der Versor-

gung der Industrie und privater Verbraucher ist jedoch aufgrund der in Deutschland bestehen-

den Infrastruktur und der daraus resultierenden Flexibilität des Gesamtverkehrs nicht zu er-

warten.

Von der Klimafolgenforschung als relativ jungem, eigenständigem Forschungsbereich wird nun erwar-

tet, daß die bislang vorliegenden sowie die weiterhin erzielten Resultate nicht isoliert voneinander

betrachtet werden, sondern daß sie in einer umfassenden „integrativen“ Perspektive miteinander in

Beziehung gesetzt werden, so daß die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und

Phänomenen in Natur- und Anthroposphäre sichtbar werden. Für eine solche Aufgabe gab es Anfang

der 90er Jahre relativ wenig gut erprobte Modelle. Selbstverständlich wurden bspw. im Rahmen des

UNESCO-Programms „Man and the Biosphere“ (MAB) schon Ansätze erprobt, die einer übergreifen-

den Sichtweise in interdisziplinären Projektverbünden Rechnung getragen haben. Es zeigte sich aber,

daß es aufgrund konzeptioneller und methodischer Schwierigkeiten meistens doch zu einer Gewich-

tung bestimmter Bereiche kam und so letztlich eine fachübergreifende, integrative Perspektive kaum

realisiert wurde (vgl. Becker et al. 1998; Fränzle & Daschkeit 1997).

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Vor diesem Hintergrund wurden hohe Erwartungen an die Entwicklung entsprechender Modelle bzw.

Modellvorstellungen insbesondere an das PIK gerichtet. Diese Erwartungen konnten zu einem großen

Teil nach unserer Einschätzung erfüllt werden, wenn man den Zusammenhang zwischen dem PIK auf

der einen Seite und der Einrichtung des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale

Umweltveränderungen“ (WBGU) im Jahre 1992 auf der anderen Seite sieht. In den seit 1993 jährlich

erscheinenden Gutachten wird – wie selten zuvor – eine konsequent interdisziplinäre Perspektive

eingenommen, und es werden auf dieser Basis mit hohem Personalaufwand auch neue Methoden

entwickelt, insbes. der sog. „Syndrom-Ansatz“ (vgl. hierzu WBGU 1993, 1996, 1998 sowie Questions-

Autorenteam 1998). Da wir in Kapitel 4 ausführlich auf diesen Ansatz eingehen, erübrigt sich eine

vertiefte Darstellung an dieser Stelle. Festgehalten werden muß, daß von diesem Ansatz wesentliche

Impulse für die Klimafolgen- und auch für die allgemeine Umweltforschung ausgehen. Diese Impulse

beziehen sich nicht nur auf die Konzeption und Organisation interdisziplinärer Verbundprojekte, son-

dern gleichsam auf die Konzeption ganzer Forschungsschwerpunkte: Es ist bspw. aus Österreich und

der Schweiz bekannt, daß dieser Ansatz zumindest als Heuristik die Integration unterschiedlicher

Wissensbestände unterstützen soll (zur Funktion solcher Heuristiken vgl. auch Tetens 1999). Darin

liegt aber auch ein Problem: Will man möglichst viel vom „Charme“ des Ansatzes nutzen, ist es not-

wendig, die Instrumentarien und Techniken der Modellierung (insb. „Qualitative Modellierung“ mit GIS-

Unterstützung) anzuwenden. Für eine solche Modellierung bedarf es aber spezifischer Formen der

Datenakquisition bzw. –erhebung; diese Voraussetzung zu erfüllen, ist wiederum sehr vorausset-

zungsreich und bedarf einer nur hierauf abzielenden Vorbereitung.

2 Entwicklung des Forschungsprogramms „Klimaänderung und Küste“ (K&K)

Parallel zu den in Kapitel 1 erwähnten Entwicklungen wurde auf bundesdeutscher Ebene die Klimafol-

genforschung in zweierlei Form verankert:

• Im Jahr 1992 wurde das PIK gegründet (vgl. zu den derzeitigen Arbeitsschwerpunkten: PIK 1997).

• Es wurden entsprechende Forschungsprogramme initiiert (K&K) bzw. konzipiert: Das ursprünglich

vorgesehene Programm „Klimaänderung und Alpen“ wurde aufgrund der schweizerischen Aktivi-

täten nicht realisiert, die Problematik „Klimaänderung und Landwirtschaft“ sollte nicht mehr als ei-

genständiges Programm, sondern im Rahmen der PIK-Aktivitäten mitbearbeitet werden.

In Deutschland wurde die globale Relevanz, aber auch die regionale Bedeutung der Klimafolgen-

Thematik erstmals 1990 umfassend zur Kenntnis genommen, als die vom Bundesforschungsministe-

rium (vormals BMFT, heute BMBF) getragene Klimaforschung (DKRZ, MPI für Meteorologie etc.) so-

wie ein wissenschaftlicher Klimabeirat und die Enquete-Kommission „Schutz der Erdatmosphäre“

schon einige Jahre existierten. Auf einem vom BMFT einberufenen Workshop in Bonn wurde erstmals

in einem breiten interdisziplinären Forum nicht nur die ökologische, sondern auch die gesellschaftliche

Tragweite der Klimaproblematik diskutiert. Eine Fülle offener Fragen nach Zeit, Art und Folgewirkun-

gen eines (als hinreichend wahrscheinlich angenommenen) Klimawandels führten zum Beschluß ei-

nes nationalen „Förderschwerpunktes Klimafolgenforschung“ (vgl. Fischer & Stein [Hrsg.] 1991). Ent-

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gegen der sonstigen politischen Gepflogenheiten zeigten auch fünf Bundesländer (Niedersachsen,

Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) an dieser Bundesinitiative großes

Interesse. Ob man auf Länderseite vor allem einen vermehrten Zustrom von Forschungsmitteln im

Auge hatte oder tatsächlich die Ergründung von vermeintlich negativen Effekten von Klimaänderungen

bzw. Meeresspiegelanstieg auf den Küstenraum, bleibt bis heute im Dunkeln. Tatsache ist aber, daß

in einem Beschluß der Umweltministerkonferenz Norddeutschland (UMK Nord) vom März 1991 der

BMFT gebeten wurde, einen thematischen Förderschwerpunkt „Klimaänderung und Küste“ einzurich-

ten. Der Förderschwerpunkt war als sog. „Bund-Länder-Vorhaben“ geplant, weil seitens der fünf bun-

desdeutschen Küstenländer eine Beteiligung an einer Projektförderung prinzipiell in Aussicht gestellt

wurde – im Nachhinein muß dieses als Modellversuch verstandene Förderkonzept leider als Totgeburt

angesehen werden, weil trotz mehrjähriger Verhandlungen keine Einigung über einen Finanzierungs-

schlüssel erreicht werden konnte, so daß der BMBF als (bis auf eine Ausnahme) alleiniger Förderer

des Schwerpunktes fungiert.

Was waren bzw. sind die Ziele, Merkmale und auch die Ansprüche, die mit dem Programm K&K ver-

bunden wurden? Zunächst einmal wurde in einem mit Wissenschaftlern und Behördenvertretern be-

setzten Gremium ein sog. „Forschungsleitplan“ entwickelt, so daß auf dieser Grundlage eine Aus-

schreibung im Frühjahr 1994 stattfand. Die hierfür notwendigen organisatorischen, aber auch inhaltli-

chen Aufgaben wurden vom „Wissenschaftlichen Sekretariat K&K“, das später in „Abteilung für For-

schungs- und Datenintegration im Verbundvorhaben Klimaänderung und Küste – AFFORD“ umbe-

nannt wurde, übernommen. Folgende Merkmale des Programms, die sich auch im Forschungsleitplan

wiederfinden, sind charakteristisch:

• Es sollte eine Schwerpunktverlagerung von den naturwissenschaftlichen Fragestellungen hin zu

den gesellschaftswissenschaftlichen Aspekten stattfinden; erstere haben in den letzten Jahren

und Jahrzehnten eindeutig dominiert.

• Dies implizierte auch, daß Behörden, Entscheidungsträger sowie die Bevölkerung in die For-

schung einbezogen werden sollten.

• Es wurde ein sog. „top down“-Ansatz favorisiert, d.h.: Forschungspolitische Ziele werden relativ

klar vorgegeben, Forschungsnehmer werden entsprechend den Zielen ausgesucht. Ein „bottom

up“-Ansatz wurde bewußt verworfen, um eine klare Zielerfüllung erreichen zu können und um die

inhaltliche Synthese zu erleichtern.

• Die Untersuchungen sollten querschnittsorientiert statt sektoral sein, d.h. u.a. umweltmedienüber-

greifend.

• Der Anwendungsbezug und die Entwicklung von Entscheidungshilfen stand im Vordergrund.

• Im Mittelpunkt der Untersuchungen sollte die Integration bzw. Synthese vorhandener Daten (und

vorhandenen Wissens) stehen und nicht die Primärdatenerhebung – dies wurde auch explizit als

Anspruch an die Projekte im Programm K&K formuliert.

Abbildung 2 zeigt die Struktur des inhaltlich-methodischen Ansatzes der Klimafolgenforschung im

Programm K&K im Überblick:

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Definition der Ursachen, Auslösefaktoren(Realereignisse oder Szenarien)

Identifizierung betroffener Teilsysteme und Prozeßbereiche(Hydrographie, Morphodynamik, Biologie, Sozioökonomie)

Analyse wesentlicher Prozeßreaktionen:hydrodynamische, morphodynamische, ökologische Rückkopplung

Darstellen von gesamt-systemaren Wirkungen(einschließlich der Auswirkungen im gesellschaftlichen Bereich)

Darstellung und Bewertung der Sensibilität bzw. Vulnerabilität des Küstenraumes

Analyse der Impaktwahrnehmung Analyse derund des Konfliktpotentials Risiko-Wahrnehmung

Vorbereitung von Entscheidungshilfen(Reaktions- und Anpassungsstrategien)

Analyse derKostenakzeptanz

Beeinflussung relevanter Planung:Schadenminimierung; Vorsorge; Vermeidung

Abbildung 2: Inhaltlich-methodischer Ansatz der Klimafolgenforschung, hier spezifiziert für das For-schungsprogramm Klimaänderung und Küste(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 11)

Es sei an dieser Stelle vorweggenommen: Eine Integration / Synthese der Einzel- und Verbundprojek-

te in K&K konnte nur in ersten Ansätzen geleistet werden, weil die hierfür vorgesehene und extra ein-

gerichtete Instanz (AFFORD) seit 1996 nicht mehr besteht. Hinzu kommt, daß die Klimafolgenfor-

schung seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr in dem Maße wie zuvor politisch gewollt wird. Dies wie-

derum lag nicht zuletzt an der Interpretation der IPCC-Ergebnisse von 1996: Dort wurden u.a. Szena-

rien für Temperaturentwicklung und Meeresspiegelanstieg nach unten korrigiert (um ca. 25-30%), so

daß diese „neuesten“ Erkenntnisse eine willkommene Argumentation für diejenigen darstellten, die die

potentiellen Folgen eines Klimawandels ohnehin für übertrieben hielten.

2.1 Klimafolgenforschung und Sozialwissenschaften

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Aus Abbildung 2 geht auch hervor, daß den Sozialwissenschaften im Prinzip ein recht großer Raum

gewährt wurde; es sollten bewußt sozialwissenschaftliche Projekte gefördert werden, um den „histori-

schen Vorsprung“ der Naturwissenschaften ein wenig zu verringern. Tatsächlich aber haben auch in

diesem Forschungsprogramm die naturwissenschaftlich ausgerichteten Untersuchungen ein deutli-

ches Übergewicht. Dies mag im übrigen auch an der spezifischen Zugangsweise der Sozialwissen-

schaften zur Klimafolgenproblematik liegen (vgl. Stehr & v. Storch 1999). Die vielgestaltigen Ansätze

können hier nicht dargestellt, sondern es sollen lediglich exemplarisch einige hiermit verbundenen

Aspekte ausgeführt werden:

• Die Suche nach Kausalbeziehungen zwischen Klima und Gesellschaft gestaltet sich schwierig.

Und es wird auch die Meinung vertreten, daß man solche Bezüge gar nicht finden könne, sondern

damit eher noch einer einer Art klimadeterministischer Perspektive Genüge tun würde. „Um es auf

den Punkt zu bringen: Die sozialen, politischen, ökonomischen Bedingungen sind nicht nur in der

gegenwärtigen Welt so komplex, fragil und widersprüchlich, daß jede globale kausale Beziehung

zwischen Klima und tatsächlichen Lebensbedingungen und kulturellen Mustern als rein spekulativ

angesehen werden muß, daß auf Grund der unzähligen Variablen wissenschaftlich keine Regel-

haftigkeit belegt werden kann“ (Stehr & v. Storch 1997, S. 562).

• Genauso wie man in den Naturwissenschaften zwischen verschiedenen Scales und Maßstäben

unterscheiden muß, so müssen auch unterschiedliche gesellschaftliche Ebenen betrachtet wer-

den: Individuen, Gruppen, Verbände, gesamtgesellschaftliche Ebene u.a.m.

• Soziales Handeln besteht aus formellem und informellem Handeln, und letzteres ist zwar von gro-

ßer Bedeutung, aber nur sehr umständlich erfaßbar.

• Die Wahrnehmung und Einschätzung bestimmter Sachverhalte erfolgt entlang bestimmter Filter

und verschiedener Dimensionen, z.B. ästhetisch, ökonomisch, politisch etc. Gelegentlich wird in

diesem Zusammenhang auch von der „sozialen Konstruktion Klima“ gesprochen.

• Die sozialen Folgen möglicher Klimaänderungen sind nur unter großen Unsicherheiten bestimm-

bar, wobei die Verbindung der Zeitskalen von natürlichen und sozialen Phänomenen nur schwer

in Einklang zu bringen ist.

Insgesamt betrachtet ist deutlich geworden, daß sozialwissenschaftlichen (sozio-ökonomischen) Un-

tersuchungen ein hoher Stellenwert in der küstenbezogenen Klimafolgenforschung beigemessen wur-

de; gleichzeitig mußte erkannt werden, daß die Voraussage gesellschaftlicher Vorgänge meist nur

über kurze Zeiträume gedacht werden kann – ganz im Gegensatz zu Klimamodellen, die meist einen

Prognosezeitraum bis zum Jahr 2050 bzw. 2100 umfassen. In den Sozialwissenschaften ist die Prog-

noseproblematik schon lange bekannt, so daß die Erwartungen in diesem Punkt u.E. ein wenig miß-

verständlich waren (vgl. auch Stiens 1996).

Ein eindeutiger Fokus auch in den umfänglichen Untersuchungen des IPCC stellen die ökonomischen

Analysen dar. Dabei geht es schwerpunktmäßig um die Ermittlung sog. „Anpassungskosten“ („Welche

Kosten entstünden, wenn bestimmte Auswirkungen eines Klimawandels eintreten?“) einerseits und

Vermeidungskosten andererseits („Welche Kosten entstünden, wenn wir präventiv schon heute Ab-

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schwächungsmaßnahmen einleiten, die die Folgen eines möglichen Klimwandels erst gar nicht ent-

stehen lassen bzw. nur in deutlich geringerem Ausmaß?“).

Derartige Analysen, die an ungleich differenzierteren Ausgangsfragestellungen ansetzen und hierfür

eine Vielzahl verschiedener Modelle bzw. Methoden einsetzen, sind meistens auf eine globale Ebene

bezogen. Regionale – z.B. subnationale – Studien liegen hingegen nur selten vor, da die hierfür benö-

tigten Klimaänderungsprognosen nicht in einer angemessenen räumlichen Auflösung vorliegen. Au-

ßerdem existieren derzeit nicht die geeigneten ökonometrischen Modelle mit einem regionalen Bezug

und für Fragestellungen der Klimafolgenforschung, so daß Neuentwicklungen notwendig sind (vgl.

Knogge 1998, S. 11).

Nicht zuletzt aus politischem Interesse heraus nehmen – wie erwähnt – ökonomische Studien den

breitesten Raum im Bereich der Sozialwissenschaften ein. Längerfristige Betrachtungen finden sich

dabei wiederum nur vereinzelt, wohl auch aufgrund der grundsätzlichen Prognoseschwierigkeiten im

gesellschaftlichen Bereich. Die vorliegenden Studien sind zum einen qualitative Beschreibungen ein-

zelner Sektoren (Landwirtschaft, Gesundheit o.ä.), wobei die Interdependenzen zwischen den Sekto-

ren meist nicht betrachtet werden. Zum anderen wurden quantitative Studien durchgeführt, deren Er-

gebnisse

a) abhängig von den jeweiligen Methoden und

b) abhängig von den jeweils ausgewählten Annahmen sind,

wodurch eine Vergleichbarkeit bzw. Verallgemeinerbarkeit eingeschränkt ist. Von daher sind die Er-

gebnisse für regionale Betrachtungen nur bedingt aussagekräftig, zumal auch die potentiellen Klima-

änderungsfolgen regional differenziert sein werden.

Die nachfolgende Abbildung 3 zeigt nochmals synoptisch, daß aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht

viele Defizite bestehen und regionale Studien notwendig sind: „Der direkte Übergang vom globalen

Klimaszenario hin zu ökonomischen Folgen überspringt die tatsächlichen regionalen klimatischen

Änderungen und deren Folgen für die ökologischen, hydrologischen und geographischen Begebenhei-

ten. Erst nach Analyse dieser Zwischenschritte sind sinnvolle Aussagen zu sozioökonomischen Fol-

gen des globalen Klimawandels möglich“ (Knogge 1998, S. 21).

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* Die Studien entsprechen folgenden Fallstudien: Qualitative Analyse einzelner Betroffenheitsbereiche (Qual.),Quantitative Analyse globaler Folgekosten (Quant.), Extremer Nordsommer 1992 im Norddeutschen Raum (ND),Klimaänderung in Brandenburg (BB), Bewertungsgutachten für die potentiell überflutungsgefährdeten Gebiete anden Küsten Schleswig-Holsteins (S.-H.), Bewertungsgutachten für Deichbauvorhaben an der Festlandküste –Modellgebiet Wesermarsch (W.-M.), Klimafolgenbewertung der deutschen Nord- und Ostseeküste (N./O.)

Abbildung 3: Ökonomisch orientierte Studien in der Klimafolgenforschung und Methoden(Quelle: Knogge 1998a, S. 20)

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Im Sinne der o.g. Ausführungen ist auch bei der interdisziplinär bzw. integrativ angelegten MINK-

Studie (= Missouri, Iowa, Nebraska, Kansas) erkennbar, daß lediglich geringe Effekte eines regiona-

len Klimawandels gesehen werden. Diese betreffen zudem Sektoren, deren Anteil an der Wertschöp-

fung relativ gering ist: Landwirtschaft, Forstwirtschaft; Wasserwirtschaft und der Energiesektor haben

indes eine relativ gesehen größere Bedeutung.

2.2 Ergebnisse in der Klimafolgenforschung und abgeschlossener Vorhaben in K&K

Welche Untersuchungen sind nun für Deutschland bzw. den deutschen Küstenraum durchgeführt

worden, und welche Ergebnisse konnten erzielt werden?

In der sog. „Nordsommer ´92“-Untersuchung des PIK wurden sowohl quantifizierende (modellgestütz-

te) Analysen als auch qualitative Betrachtungen vorgenommen (für eine Kurzdarstellung siehe Kart-

schall & Flechsig 1998). Für einzelne Sektoren konnten dabei sowohl stark positive als auch stark

negative Folgen ermittelt werden. Quantifiziert wurden bspw. die Auswirkungen in Bezug auf die

Forstwirtschaft. Ingesamt gesehen waren die Auswirkungen dieser ungewöhnlich lang andauernden

Trocken- und Hitzeperiode nicht so einschneidend wie anfangs vermutet – und wie es auch entspre-

chend in den Medien (regional und überregional) beschrieben wurde. Mindestens ebenso bedeutend

war der seinerzeit fundamentale Strukturwandel der Landwirtschaft in den Neuen Bundesländern. Der

Klimaimpakt kam hier als zusätzliche, erschwerende Randbedingung hinzu. Die Auswirkungen gene-

rell trafen aber größtenteils auf eine Gesellschaft, die einen derartigen Impakt vergleichsweise „gut“

verarbeiten konnte, d.h., es gab eine Reihe von bestehenden Institutionen, die negative Folgen zu-

mindest teilweise ausgleichen konnten. Eine solche Einschätzung wurde auch angesichts der unter-

suchten norddeutschen Bevölkerung nahegelegt, die keineswegs eine besondere Bedrohung durch

eine Klimakatastrophe sah. Und auch aus den Medien war das Thema mit Einsetzen der ersten Nie-

derschlagsereignisse „weggeschwemmt“.

Die Studie über das Bundesland Brandenburg (auch am PIK angesiedelt) war rein qualitativ orientiert

und diente als Vorbereitungsstudie für eine größere Untersuchung auf der Basis von Simulationsmo-

dellen. An dieser Stelle wird hierauf nicht weiter eingegangen (vgl. Stock & Tóth [Hrsg.] 1996).

Für den Raum Weser-Marsch wurde in anderem Zusammenhang untersucht, welche Vermögens- und

Wertschöpfungsverluste zu erwarten sind, wenn bestimmte Deichvorhaben durchgeführt werden (die-

se Untersuchung ist zwar nicht klimafolgenbezogen, dennoch wird sie hier erwähnt, weil die ange-

wandte Methodik für klimafolgenbezogene Studien als Basis diente; siehe Kapitel 2.3 und 2.4). Auf

der Grundlage der Daten der amtlichen Statistik wurden daher entsprechende Berechnungen vorge-

nommen. Für diesen Kontext ist relevant, daß alles jenseits einer ökonomischen Betrachtungsweise

ausgeklammert wurde, mithin nicht zum Gegenstand einer Analyse und Bewertung werden konnte.

Ökologische Verluste bspw. spielten somit keine Rolle – für eine Betrachtung der Auswirkungen eines

möglichen Klimawandels wäre diese Einschränkung unvorteilhaft.

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Relativ frühzeitig wurden im Programm K&K zwei Pilotprojekte gestartet, die sich mit sozialwissen-

schaftlichen Ansätzen in der Klimafolgenforschung auseinandersetzen bzw. die methodischen Mög-

lichkeiten für interdisziplinäre Analysen (exemplarisch) untersuchen sollten. Die Absicht des erstge-

nannten Projektes war es (vgl. Bechmann et al. 1996), auf der Basis der existierenden sozialwissen-

schaftlichen Ansätze in der Umweltforschung einen konzeptionellen Rahmen für eine gesellschaftsbe-

zogene Klimafolgenforschung zu entwickeln. Weil dieses Projekt schon an anderer Stelle umfassend

resümiert wurde (Daschkeit 1997; Sterr & Simmering 1997), soll an dieser Stelle nur darauf hingewie-

sen werden, daß in erster Linie ein ungenügender Bezug zur Situation im deutschen Küstenraum

konstatiert werden mußte – es muß allerdings gesehen werden, daß es im Küstenraum kaum (empiri-

sche) sozialwissenschaftliche Umweltforschung gibt. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Projektes (eine

detaillierte Schilderung der Prognose-, Erkenntnis- und Unsicherheitsbedingungen im Bereich der

Klima- und Klimafolgenforschung) wurde vielerorts als zu abstrakt empfunden, obwohl natürlich dieser

Aspekt eine bedeutende Rolle auch in der politischen Diskussion spielt. Das zweitgenannte Projekt

zielte ebenfalls auf die „Formulierung eines konzeptionellen und methodischen Rahmens für eine ge-

sellschaftsbezogene Klimafolgenforschung“ ab (Krupp & Blank 1995, S. 6), aber mit spezifischem

Blick auf Methodenentwicklung und einer exemplarischen Betrachtung des norddeutschen Küsten-

raumes (vgl. auch Krupp 1995). Abgesehen davon, daß man mit einem solchen Anspruch in gewis-

sem Sinne die ganze Palette der in K&K vorgesehenen Forschungen „erschlägt“, sollten in einer ex-

emplarischen, empirisch angelegten Studie Methoden für interdisziplinäre Projekte ausprobiert und

weiterentwickelt werden. Ähnlich wie in der zuvor erwähnten Studie nimmt die Diskussion von Unsi-

cherheiten eine breiten Raum ein. Ein naiver Klimadeterminismus sei völlig unangebracht und ver-

nächlässige die eigendynamische, interpretations- und bewertungsabhängige Dimension von Klima-

ereignissen und Klimaentwicklungen durch die Gesellschaft (vgl. auch Stehr & v. Storch 1999). An

zwei Beispielen (Fremdenverkehr in Schleswig-Holstein einerseits und Unsicherheit im Politikfeld

Hochwasserschutz in Hamburg andererseits) wird folgerichtig ein Mix aus qualitativ und quantitativ

orientierten Methoden gewählt. Auch diese Studie wurde bereits an anderer Stelle ausführlich resü-

miert, so daß sich abschließend die Frage stellt: Haben diese Pilotprojekte zu einer Stärkung der So-

zialwissenschaften in der Klimafolgenforschung geführt? Aus unserer Sicht wurde diese Intention nur

teilweise erfüllt, da die Untersuchungen z.T. zu abstrakt angelegt waren, z.T. aber auch überzogene

Erwartungen an sie gestellt wurden.

In den beiden folgenden Kapiteln werden zwei Untersuchungen dargestellt, die unmittelbare Relevanz

für die Thematik K&K haben: 1. Die IPCC-Case-Study für den deutschen Küstenraum (Kapitel 2.3)

und 2. das Bewertungsgutachten für die Küsten Schleswig-Holsteins (Kapitel 2.4).

2.3 Die IPCC-Case-Study für den deutschen Küstenraum

Als Basis dieser Vulnerabilitäts- bzw. Gefährdungsanalyse für den gesamten deutschen Küstenraum

wurden aus Vergleichbarkeitsgründen mit anderen Küstenregionen die Szenarien und Annahmen des

IPCC zugrundegelegt. Daraus ergibt sich ein angenommener Meeresspiegelanstieg von 1 m bis zum

Jahr 2100 sowie eine Verkürzung des Wiederkehrintervalls von Sturmfluten von 1x in 100 Jahren auf

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1x in 7 Jahren. Um auf dieser Grundlage eine Abschätzung der Vulnerabilität anhand einer internatio-

nal standardisierten Methode (Common Methodoly) vornehmen zu können, mußte

• eine GIS-gestützte Inventarisierung des Küstenraumes (im Maßstab 1:5.000 bis 1:250.000),

• eine Bestimmung der Anfälligkeit gegenüber Sturmfluten (rascher Meeresspiegelanstieg: 1 m /

Jh.; moderater Anstieg: 30 cm / Jh.),

• eine Aufnahme des Küsten- bzw. küstennahen Reliefs und

• eine Inventarisierung der Küstenschutzanlagen erfolgen sowie

• die Bestimmung der Auswirkungen (bzgl. Menschenleben, materieller Werte, ökologisch wertvoller

Lebensräume),

• die Erstellung eines Vulnerabilitätsprofils und letztlich

• der Vergleich zu anderen Küstenregionen

vorgenommen werden. In Abbildung 4 (auf der folgenden Seite) sind die untersuchten Impakts auf die

einzelnen Sektoren in qualitativer Weise aufgeführt. Besonders deutlich wird hierbei, daß das Sturm-

flutgeschehen und die dadurch bedingte Überflutung von Küstenräumen alle Sektoren beeinflußt; die

Küsten-Ökosysteme wiederum werden von allen hier aufgeführten Impakt-Parametern beeinflußt.

Daraus folgt, daß eine Bewertung im Hinblick auf Ökosysteme bzw. die daraus resultierenden Beein-

trächtigungen der Funktionen dieser Systeme (siehe auch Abbildung 1) unumgänglich ist, obwohl hier

die Bewertungsproblematik nur in Ansätzen bearbeitet ist. Letztlich sind es die bei extremen Wetterla-

gen auflaufenden Höchstwasserstände, viel mehr als der mittlere Pegelanstieg, die für Bewohner und

Sachwerte an der Küste eine Gefährdung darstellen und die Grundlage für Küstenschutzbauten und -

investitionen bilden. Nachweisbar haben sich an der Nordseeküste die Maximalwasserstände in den

letzten drei Jahrzehnten (seit der für die Küstenschutzplanung maßgeblichen „Jahrhundertflut" von

1962) signifkant erhöht. Die Häufigkeit betreffend läßt sich inzwischen eine Zunahme der leichteren

Sturmfluten für Nord- und Ostsee statistisch nachweisen, für mittlere und schwere Sturmfluten sind

(z.T. mangels genügend langer Datenreihen) signifikante Trends derzeit nicht ableitbar.

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Abbildung 4: Übersichtsmatrix zu den klimabedingten Auswirkungen auf Sektoren der Küstennutzung(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 60)

Anhand eines nach pragmatischen Gesichtspunkten sowie unter Berücksichtigung der Datenverfüg-

barkeit entworfenen Kapitalisierungsschemas (vgl. Sterr & Simmering 1997, S. 63 nach Behnen 1996)

konnte so die sozio-ökonomische Vulnerabilität der Küstenräume in den betroffenen Bundesländern

abgeleitet werden (vgl. Abbildung 5).

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Datenbestand:1992Forschungsstand16.4.1997

Schleswig-Holstein

Nieder-sachsen

Mecklenburg-Vorpommern

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Maximalszenario

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227

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1 726 6974,38%

15 860

Einwohner(abs./in %)

Maximalszenario

Realszenario

Gefährdet

632 92123%

470 91217%

5 634

1 460 79519%

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319 14817%

1 277

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6 290

3 223 9843,95%

29 609

Arbeitsplätze(abs./in %)

Maximalszenario

Realszenario

Gefährdet

188 45822%

143 40117%

1 617

410 37716%

306 98612%

4104

154 17518%

617

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1 400

270 00092%

234 77280%

3 238

1 163 0103,86%

10 976

Gesamtsum-me(in Mio. DM/ in %)

Maximalszenario

Realszenario

Gefährdet

165 24224%

124 88018%

1 463

331 43618%

244 16513%

3 314

75 18917%

301

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754

174 20692%

151 48380%

1 742

821 4614,43%

7 574

Erläuterung:

Maximalszenario = betroffene Werte im Bereich unter 10m an der Nordsee oder 5m an der OstseeRealszenario = betroffene Werte im Bereich unter 5m an der Nordsee und unter 5m an der OstseeGefährdet = Produkt von „Maximalszenario“ und Überflutungswahrscheinlichkeit (Nordsee 1:1005, Ostsee 1:2506

2: unter Verwendung von Gefährdungsdaten der Baubehörde Hamburg3: alle Arbeitsplätze4: Gesamtsumme alle immobilen Werte (Fläche, Wohnungen, Öffentlicher Tiefbau, Sachvermögen aller Wirtschaftsbereiche)5: allgemein anerkannter, langfristiger Wert für die Deichsicherheit6: geschätzter Wert (schwer definierbar wegen zu geringer Datenreihe, liegt vermutlich zwischen 1:200 und 1:300)

T. Behnen

Abbildung 5: Sozio-ökonomische Vulnerabilität Deutschland(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 66)

Es zeigt sich, daß zwischen den Auswirkungen bei Annahme des sog. „Maximal“-Szenarios und den-

jenigen bei Annahme des sog. „Real“-Szenarios keine sehr großen Abweichungen festzustellen sind.

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Eine weitergehende Betrachtung (Abbildung 6) zeigt, daß auch die ökologischen Folgen, die sich –

bislang – einer Monetarisierung entziehen, konkretisiert werden können:

Es ist zu erwarten, daß die Probleme der binnenseitigen Entwässerung zunehmen werden und daß es

zu einem verstärkten Eindringen von Salzwasser in Bereiche des Grundwassers bzw. von Böden

kommen wird. Auch ist eine dauerhafte Überflutung amphibischer Uferzonen und Feuchtgebiete sowie

eine Reduzierung sandiger Strand- und Dünenökosysteme durch Erosion zu erwarten. Insgesamt

gesehen, können durch diese Folgen im Bereich Küstenschutz möglicherweise hohe zusätzliche Kos-

ten entstehen, die sogar noch höher ausfallen können, wenn in größerem Umfang Entwässerungs-

maßnahmen vorgenommen werden müssen. Daß heißt, daß die möglichen Schäden höher zu veran-

schlagen sind, als das bislang angenommen wurde. Deutlich wird daraus, daß hinsichtlich der mögli-

chen Betroffenheit von Flächen, Bevölkerung und Sachwerten die Folgen eines solchen Szenarios

über das gemeinhin angenommene Maß hinausgehen würden, wobei die fünf deutschen Küstenlän-

der unterschiedlich stark gefährdet sind. Selbst unter der Annahme, daß durch umfängliche Küsten-

schutzanstrengungen die tatsächlichen Risiken auch künftig nicht die dargestellten erreichen werden,

zeigt die Berechnung große ökonomische und ökologische Wirkungen auf. So könnten an der Nord-

see 50% oder mehr der Außendeichsflächen (Salzwiesen und Wattflächen) langfristig verloren gehen.

Für eine Erhöhung bzw. Verstärkung der Deiche sowie für die zusätzlich erforderlichen technischen

Aufwendungen, die zur Entwässerung des Deichrücklandes notwendig werden könnten, müßten wohl

künftig Kosten bis zum doppelten der bisherigen Summe (250 Mio DM/a) veranschlagt werden. Die

ökologische wie ökonomische Bedrohung scheint somit zu rechtfertigen, daß rasche Schritte zu einem

'integrated coastal zone management' eingeleitet werden, wie dies von IPCC angemahnt wird.

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45.000

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)

15.650

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)

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1.710(45,4%

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309.000

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0,05%

3%

4,5%

0,04

0,3%

0,03%

4%

3,8%

4,2%

23%

100%

BR

D

Abbildung 6: Mögliche Betroffenheit der deutschen Küste bei einem 1m-Meeresspiegelanstiegsszenario(Quelle: Sterr & Simmering 1997, S. 71)

Dennoch darf nicht übersehen werden, daß trotz aller Gefährdungen die Situation im deutschen Küs-

tenraum im Vergleich zu anderen Regionen relativ günstiger ist, was nicht zuletzt daran liegt, daß in

Deutschland entsprechende Kapazitäten zur Gefahrenabwehr bzw. –vorsorge grundsätzlich zur Ver-

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fügung stehen. Dies betrifft nicht nur die finanzielle, sondern ebenso die Seite des küstenschutztech-

nischen Wissens sowie der planerischen Möglichkeiten (vgl. auch MLR [Hrsg.] 1998).

2.4 Gefährdungsabschätzung für die Küsten Schleswig-Holsteins

Während die in Kapitel 2.3 in knapper Form dargestellte IPCC-Studie den gesamten deutschen Küs-

tenraum untersuchte und von daher keine allzu differenzierten Aussagen möglich sind, wurde im Auf-

trag des schleswig-holsteinischen Ministeriums für ländliche Räume (MLR) mit einer ähnlichen Heran-

gehensweise eine Gefährdungsabschätzung für die Küsten des Landes durchgeführt. Auf Einzelheiten

kann (und soll) an dieser Stelle nicht eingegangen werden (vgl. dazu Hamann 1998), es geht hier

vorrangig um die Vorgehensweise und die grundsätzlichen Ergebnisse.

Auf der Basis verschiedener analoger und digitaler Kartenwerke wurden zunächst die überflutungsge-

fährdeten Gebiete (Köge und Niederungen) ausgewiesen sowie im Anschluß daran die Infrastruktur

und die Gewässer identifiziert, die in diesen Gebieten liegen. Zudem wurde die (aktuelle) Landnutzung

dieser gefährdeten Regionen berücksichtigt. Die Ermittlung eines Schadenspotentials wurde dann

unter Berücksichtigung weiterer Informationen (u.a. Bodengüteinformationen, Einwohnerzahlen, sozio-

ökonomische Kennwerte) vorgenommen und differenziert nach den Überflutungsräumen vorgenom-

men, so daß letztlich das Schadenspotential differenziert nach Höhenschichten ausgewiesen werden

konnte.

Die Gesamtwerte der wichtigsten Bewertungskategorien sind in der nachfolgenden Abbildung 7 aufge-

führt; sie sollten allerdings nur unter Kenntnis der verwendeten Methodik interpretiert werden.

Westküste Ostküste Gesamt

Fäche in km² 1.516 461 1.977

Einwohner 141.766 178.555 320.321

Wohnungsbauver-

mögen in Mrd. DM

(Gebäudewerte)

13.286 16.977 30.263

Hausrat in Mrd. DM 5.314 6.791 12.105

Kapitalstock in Mrd.

DM (Bruttoanlage-

vermögen)

12.328 36.366 48.694

Vorratsvermögen 0.818 2.415 3.233

Summe in Mrd. DM 31.746 62.549 94.295

Abbildung 7: Gesamtwerte der wichtigsten Bewertungskategorien in den potentiell überflutungsgefährde-ten Gebieten(Quelle: Hamann 1998, S. 172)

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In diesem Kontext sind nicht die einzelnen Werte von vorrangigem Interesse, sondern die folgenden

Sachverhalte: Zum einen ist hervorzuheben, daß die Ergebnisse mit denen der bundesweiten Studie

für den Raum Schleswig-Holstein relativ gut übereinstimmen. Das war nicht unbedingt zu erwarten,

denn eine detailliertere und kleinräumigere Betrachtung berücksichtigt lokale Verhältnisse überpropor-

tional. Zum anderen ist aufgrund der gewählten Vorgehensweise in Anlehnung an die IPCC-Studie

sowie das Weser-Marsch-Gutachten (siehe Kapitel 2.2) auch hier keine Betrachtung der ökologischen

Gefährdungen erfolgt, die aber für eine gesamthafte Einschätzung möglicher Klimafolgen durchaus

bedeutsam ist. Hinzu kommt, daß die überwiegend ökonomisch ausgerichteten Bewertungsmaßstäbe

zwar pragmatisch an den vorhandenen Daten der amtlichen Statistik ausgerichtet waren, es wäre

aber möglicherweise weiterführend gewesen, sich des Methodeninventars ökonomischer Ansätze

(i.e.S.) zu bedienen (vgl. weiter oben das Zitat von Knogge). Diese „kritischen“ Anmerkungen sollen

aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die erarbeitete Datengrundlage sowie die Bewertung eine für

viele Belange wertvolle Basis sind. Aus diesem Grund werden nachfolgend einige Ergebnisse ange-

führt, die gewissermaßen im Vorgriff auf Kapitel 3 (Fallstudie Sylt) zu sehen sind.

Die Insel Sylt bzw. die Teile der Insel, die unterhalb der 5m-Höhenschicht liegen, gehören zu den

zehn größten potentiell überflutungsgefährdeten Bereichen an der Westküste Schleswig-Holsteins.

Diese Tatsache ist vor allem deshalb relevant, weil in diesen Bereichen eine nennenswerte Bevölke-

rungsdichte festzustellen ist: Sylt gehört zu den zehn bevölkerungsreichsten Räumen an der Westküs-

te des Bundeslandes, die potentiell überflutungsgefährdet sind. Von noch größerer Bedeutung ist der

Sachverhalt, daß die Insel zu den zehn potentiell überflutungsgefährdeten Bereichen mit den größten

Sachwerten gehört (Sachwerte sind als das Gesamtrealvermögen in DM definiert).

2.5 Projektverbünde in K&K

Bislang wurden überwiegend Ergebnisse von Vorhaben ausgeführt, die bereits abgeschlossen sind.

Nach wie vor aber sind im Forschungsprogramm K&K Vorhaben angesiedelt, die noch andauern und

(überwiegend) im Jahr 2000 abgeschlossen sein werden. Der Vollständigkeit halber wird in diesem

Kapitel auf die noch laufenden Verbundprojekte eingegangen – ausgenommen die Fallstudie Sylt, die

in Kapitel 3 etwas ausführlicher dargestellt wird. Am Rande sei darauf hingewiesen, daß diese Ver-

bundprojekte zu einem Zeitpunkt gestartet sind, als die potentielle Integrationsabteilung AFFORD

aufgelöst wurde (Ende 1996 bzw. Anfang 1997). Anders – nicht ohne Ironie – formuliert: Als das Pro-

gramm K&K „so richtig mit Leben gefüllt wurde“, fiel die Instanz weg, die für eine übergreifende Zu-

sammenarbeit und den verbundprojektübergreifenden Informationsaustausch sorgen sollte (vgl. auch

Sterr 1998). Von daher gab und gibt es auch niemanden, der die Ergebnisse für wissenschaftsinterne

wie –externe Zwecke (z.B. Politikberatung) synthetisiert und aufbereitet. Dies betrifft im übrigen auch

die GIS-gestützte Datenzusammenführung bzw. –verwaltung: Es zeichnet sich ab, daß auch hier

(wieder einmal) ein weiterer Datenfriedhof geschaffen wird, obwohl zu Beginn des Programms explizi-

te Vorkehrungen getroffen wurden, um dem entgegenzuwirken. Man hatte nämlich durchaus die Er-

fahrungen aus anderen Forschungsprogrammen (z.B. zum Thema Waldsterben) berücksichtigt und

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die entsprechenden Vorkehrungen getroffen, um die Ergebnisse und Daten für weitere Forschungs-

und Anwendungszwecke zur Verfügung zu stellen.

Im Vorhaben Klimawandel und Tourismus (abgeschlossen seit September 1998; vgl. Feige et al.

1999) wurde flächendeckend für den deutschen Küstenraum der Frage nachgegangen, wie sich der

Tourismus angesichts eines Klimawandels entwickeln könnte. Das Deutsche Wirtschaftswissenschaft-

liche Institut für Fremdenverkehr (dwif) hat zusammen mit dem Nordeuropäischen Institut für Touris-

musforschung (N.I.T.) und einem Teilprojekt des Meteorologischen Instituts in Hamburg (z.T. auch

des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg) mögliche Entwicklungspfade des Tourismus

entwickelt und diese u.a. mit Tourismusmanagern, Behördenvertretern und anderen „Akteuren“

„durchgespielt“. Gesamtziel des Vorhabens war die „Beschreibung der Sensibilität des Tourismussek-

tors im norddeutschen Küstenbereich gegenüber einem möglichen Klimawandel, die Abschätzung des

möglichen Ausmaßes der Betroffenheit und die Bereitstellung von handlungsleitendem und entschei-

dungsrelevantem Orientierungswissen“. Es wurden zunächst Entwicklungspfade des Tourismus, dann

solche des Klimawandels und dann solche des Tourismus unter Einfluß des Klimawandels erarbeitet.

Als Methoden wurden eingesetzt:

• Expertenrunden (Gruppendiskussionen, schriftliche und mündliche Befragungen),

• interne Workshops im Projektteam und

• Workshops mit einem wissenschaftlichen Projektbeirat (Klima-, Tourismus- und Sozialforscher).

Darüber hinaus wurden Auswertungen der amtlichen Statistik vorgenommen und in sog. „Strukturda-

tenblättern“ zusammengefaßt, die allerdings auf relativ große Gebiete bezogen sind. Beispielsweise

wird die gesamte schleswig-holsteinische Westküste als ein homogener Bereich behandelt.

Im Projektverbund KLIMU (Klimaänderung und Unterweserregion) wird in einem überwiegend na-

turwissenschaftlich ausgerichteten Vorhaben der genannte Raum untersucht. Im Mittelpunkt der Un-

tersuchungen steht die Ermittlung der Empfindlichkeit hydrologischer, ökologischer und sozio-

ökonomischer Systeme gegenüber einem möglichen Klimawandel. Von Interesse sind dabei naturge-

mäß bestehende und potentielle Konfliktfelder, wenn man von bestimmten Annahmen über die klima-

tische Entwicklung in den nächsten (ca.) 50 Jahren ausgeht. In naturräumlicher Hinsicht sind die Aus-

wirkungen im Bereich Wasserwirtschaft bzw. Grundwasser prioritär, insbesondere bei einem Anstieg

des Meeresspiegels (vgl. Reinke 1998; Schirmer 1998). Über den Stand der Arbeiten können hier nur

wenige Aussagen gemacht werden, da es sich um ein laufendes Vorhaben handelt.

Die Zusammenführung (Integration) der verschiedenen (Zwischen-)Ergebnisse der Teilvorhaben wird

auf mehreren Ebenen vorgenommen, u.a. werden

• Flächen- und Stoffbilanzen erstellt,

• Wirkungsgeflechte zwischen anthropogenen und naturräumlichen Phänomenen ermittelt und

• synoptische Bewertungen vorgenommen.

Das dritte umfangreiche Verbundvorhaben, daß sich mit den Auswirkungen eines Klimawandels auf

biologische Systeme am Beispiel von Salzwiesen und Dünen beschäftigt, ist rein naturwissenschaft-

lich / ökologisch ausgerichtet. Anhand ihrer indikativen Funktionen wurden einige Arten aus Fauna

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und Flora ausgewählt und untersucht, um Auswirkungen von Klimaänderungen auf diesen empfindli-

chen Lebensraum (siehe IPCC-Studie) zu beschreiben. „Von besonderem Interesse ist die Frage,

inwieweit sich die Artenzusammensetzung dieser Lebensräume verändern wird und inwiefern die Le-

bensräume in ihrer Existenz lokal oder großflächig gefährdet sind“. Beteiligt sind Teilvorhaben aus den

Bereichen Botanik, Bodenökologie und Zoologie. Vorgenommen werden sowohl arealgeographische

Untersuchungen als auch experimentell-ökologische Analysen in Salzwiesen und Dünen:

• Arealgeographisch wird ein Vergleich aktueller Daten anhand eines Klimagradienten in Ost-West-

Richtung einerseits und historischen Daten andererseits vorgenommen.

• Im experimentell-ökologischen Schwerpunkt werden Reaktionen von Tier- und Pflanzenpopulatio-

nen sowie Vegetationsausschnitten (in Abhängigkeit vom Meeresspiegelanstieg, von der Zunah-

me der Extremereignisse und einem Temperaturanstieg) untersucht.

Bei den Untersuchungen spielen ebenfalls Aspekte des Küstenschutzes und der derzeitigen Nut-

zungsverteilungen sowie der ästhetischen Funktion des Küstenraumes eine Rolle (Reinke 1998, S. 15

f.).

3 Zwischenbilanz

Wie sind die bisher dargestellten (Zwischen-)Ergebnisse einzuschätzen, wenn man dabei die neueren

Untersuchungen zum Klimawandel berücksichtigt?

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Szenarien des IPCC im SAR im Verhältnis zu den Aus-

sagen im ersten Report um ca. 25-30% nach unten korrigiert wurden, wenn die zukünftige Tempera-

turentwicklung sowie der Meeresspiegelanstieg betrachtet werden. Nun ist diese Korrektur im wesent-

lichen auf verbesserte Modelle der Klimaforschung und die Kopplung verschiedener Modelle (für Oze-

an, Atmosphäre, Kryosphäre, Aerosole etc.) zurückzuführen. M.a.W.: Die Modelle wurden „besser“ in

dem Sinne, daß die Realität exakter erfaßt werden konnte. Im Zuge dieser Entwicklung konnten eben-

falls Verbesserungen im Hinblick auf die regionale Auflösung der Modelle erzielt werden. Dennoch ist

eine Betrachtung bspw. der Deutschen Bucht nach wie vor schwierig, denn dieses Gebiet ist für glo-

bale Klimamodelle mit einer Gitternetzweite von 100x100km gewissermaßen „zu klein“, d.h., die regi-

onalen Prozesse können nicht hinreichend differenziert abgebildet werden. Deswegen gibt es neben

diesem „top down“-Verfahren als alternative Vorgehensweise eine „bottom up“-Strategie, die an den

regionalen / lokalen Beobachtungsdaten ansetzt und diese mit Hilfe statistischer Verfahren zur Grund-

lage von Szenarien macht. Eine solche Vorgehensweise ist regionalen Analysen sicherlich besser

angepaßt, da die Prozesse auf diesen Maßstabsebenen angemessen berücksichtigt werden.

Im Rahmen des Programms K&K wurde eigens ein Forschungsprojekt durchgeführt, das explizit zur

Aufgabe hatte, Klimaszenarien für den betrachteten Untersuchungsraum zu erstellen und anwen-

dungsorientiert für die anderen Forschungsvorhaben im Programm aufzubereiten und zur Verfügung

zu stellen. Verbunden damit war eine Beratungstätigkeit in diesen Fragen. Aufgrund der Aktualität der

Ergebnisse wird hierauf im folgenden (etwas ausführlicher) Bezug genommen (vgl. v. Storch et al.

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1998a). Unter Zugrundelegung der (globalen) IPCC-Szenarien wird mittels der Methode des „statisti-

schen downscaling“ (ebd., S. 7) versucht, regional angemessen aufgelöste Daten zu generieren. Als

Datengrundlage wurden verwendet:

• Monatliche Felder des Drucks auf Meereshöhe und bodennahe Lufttemperatur für den Zeitraum

1958 – 1997 auf einem 2,5 x 2,50-Gitter für 300W-300O und 400N-700N

• Tägliche Meßwerte für den Zeitraum 1961-1990 von 26 DWD-Klimastationen in Norddeutschland

(vorwiegend Nord- und Ostseeküste) für die Parameter: Tagesminimum, Tagesmittel und Tages-

maximum der Temperatur sowie Niederschlag, Bodendruck, Windgeschwindigkeit, Wolkenbede-

ckungsgrad und Sonnenscheindauer

• Tägliche Zeitserien von Windrichtung und –stärke für die Ostsee vor Boltenhagen

• Tägliche Scheitelwerte der Pegel Borkum, Bremen, Bremerhaven, Hemden, Husum und Wil-

helmshaven für den Zeitraum 1950 – 1994

• Tägliche Scheitelwerte des Pegels Cuxhaven für den Zeitraum 1843 – 1992

• Tägliche (7:00) Wasserstände am Pegel Greifswald-Wiek für 1946-1994

• Simulationen von Bodendruck und bodennaher Lufttemperatur für 1860-2100 mit dem Klimamo-

dell ECHAM4/OPYC3 des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (bis 1990 beobachtete Konzent-

rationen äquivalenter Treibhausgase, dannch steigenden Konzentrationen gemäß IPCC Szenario

IS92a (=„business as usal“ best estimate) bei einer räumlichen Auflösung von etwas 250x250km)

• Simulationen von Bodendruck aus vier Zeitscheibenexperimenten des DKRZ mit dem atmosphäri-

schen Zirkulationsmodell ECHAM3, jeweils zwei Simulationen für 1xCO2- und 2xCO2-

Bedingungen, räumliche Auflösung ca. 250x250km (T42) bzw. 100x100km (T106).

Als Ergebnis der auf dieser Basis durchgeführten Berechnungen ist folgendes stichwortartig festzu-

stellen:

• Die Zunahme von Hochdruckgebieten über Nordeuropa, verbunden mit einem Temperaturmaxi-

mum über Zentraleuropa bewirken positive Niederschlagsanomalien im deutschen Küstengebiet

(größerer Effekt an der Nordsee als an der Ostsee).

• Langsame Erhöhung des langjährigen mittleren Niederschlags (nach 1990), ausgenommen Juni-

Juli-August. Aus der Abbildung 8 (Station List/Sylt) ist ebenfalls ersichtlich, daß die Variabilität der

Niederschlagsentwicklung erhalten bleibt.

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Abbildung 8: Niederschlagsentwicklung für Station List/Sylt 1865-2098 [Abweichungen in mm/Tag] (11-

jährige gleitende Mittel, bis 1990 Beobachtungsdaten, danach IPCC-Szenario IS92a; DJF=Dezember-

Januar-Februar; MAM=März-April-Mai; JJA=Juni-Juli-August; SON=September-Oktober-November; weite-

re Erläuterungen siehe Text).

(Quelle: v. Storch et al. 1998a)

• Für die zusätzlich untersuchten Parameter ergeben sich für die Station List/Sylt folgende Entwick-

lungen (hier nicht als Grafiken widergegeben): leichte Zunahme der Windgeschwindigkeit (ausge-

nommen Juni-Juli-August); Erhöhung der Temperatur (durchschnittliche, maximale und minimale);

leichte Abnahme der Sonnenscheindauer; Wolkenbedeckung: Abnahme für Juni-Juli-August,

gleichbleibend für September-Oktober-November, sehr leichter Anstieg für Dezember-Januar-

Februar und März-April-Mai.

• Eine Analyse der zukünftigen Windentwicklungen für den Ostseebereich (Station Boltenhagen)

ergab eine leichte Verstärkung der Windgeschwindigkeit um bis zu 5%, wobei für den Zeitraum

Winter und Frühjahr eine Zunahme der Winde aus West-Südwest prognostiziert wird. Im Sommer

wird eine Zuahme der Ostwinde, im Herbst eine Zunahme der Winde aus Süden vermutet. Aller-

dings sind diese berechneten Änderungen statistisch nicht signifikant, liegen also aller Voraussicht

nach im Bereich natürlicher Schwankungen.

• Für die Frage nach den zukünftigen Wasserständen wurde festgestellt, daß der vermutete Anstieg

des Meeresspiegels vermutlich keine Auswirkungen auf die Änderung des Tidenhubs hat.

Diese Ergebnisse werden im folgenden um Befunde aus weiteren Analysen ergänzt. Immer wieder

kann dabei festgestellt werden, daß die Aussagen z.T. (erheblich) voneinander differieren (je nach

verwendeter Methode), so daß nur teilweise eine einheitliche Grundtendenz ableitbar ist. Ebenfalls ist

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zu bedenken, daß einige der vermuteten Tendenzen durchaus noch im Bereich natürlicher Klima-

schwankungen liegen (können), mithin von signifikanten Änderungen (noch) nicht durchgängig ge-

sprochen werden kann.

In Bezug auf die Häufigkeit und Intensität von Sturmereignissen, die wichtige Parameter für die küs-

tenbezogene Klimafolgenforschung sind, wurde 1997 festgestellt: „Während in den letzten zwei bis

drei Jahrzehnten in der Tat die Häufigkeit und Stärke schwerer Stürme im Gebiet der Nordsee und

Deutschen Bucht einen positiven Trend aufweist, so daß bei einer isolierten Betrachtung dieses Zeit-

raumes der Eindruck eines klimaänderungsbedingten Effektes entstehen könnte, relativiert sich dieses

Ergebnis bei der Betrachtung längerer Zeitskalen. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sind Trends in

der Größenordnung des neuerdings beobachteten durchaus bereits vorgekommen. Ein anthropogener

Einfluß durch erhöhte Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre läßt sich hier also zumindest

nicht festmachen“ (Deutsches IDNDR-Komitee für Katastrophenvorbeugung [Hrsg.] 1997, S. 1). Ana-

lysen der Beobachtungsdaten für den Nordatlantik zeigen, daß sich die Veränderungen des Sturmkli-

mas wahrscheinlich noch im Rahmen der natürlichen Variabilität bewegen (v. Storch et al. 1998, S.

183). Die Entwicklung der Sturmfluthäufigkeiten und –intensitäten erscheint anhand der beobachteten

Daten ebenfalls noch im Rahmen natürlicher Schwankungen zu liegen (ebd., S. 186).

Der Anstieg des mittleren Hochwassers (Pegel Cuxhaven stellvertretend für die Deutsche Bucht) be-

trägt 30 cm/Jh., wobei dieser Anstieg nicht nur auf Klimaschwankungen / -wandel zurückführbar ist,

sondern auch auf lokale Faktoren wie Baumaßnahmen oder Landsenkung (ebd.: 186). Mit Hilfe von

Modellrechnungen kann man den klimaänderungsbedingten Anteil hieran auf 10-20 cm/Jh. identifizie-

ren (für die Deutsche Bucht insgesamt; vgl. dazu auch Langenberg et al. 1997). Berechnet man –

wiederum auf modelltheoretischer Basis – Szenarien für den 2xCO2-Fall, so kann man folgendes fest-

halten (v. Storch et al. 1998: 187 ff.): Die Zunahme der Sturmtätigkeit (anhand der Windstärke) im

Winter ist eher gering, wobei die berechneten Änderungen auch hier noch im Bereich natürlicher

Schwankungen zu liegen scheinen; ähnliche Einschätzungen ergeben sich auch für die Wind- und

Seegangsverhältnisse (Wellenhöhen).

Siefert (1997, S. 16) geht davon aus, daß für den Bereich der Deutschen Bucht „der Wind mit hohen

Windgeschwindigkeiten und langer Dauer zugenommen haben“ müßte. Modellgestützte Berechnun-

gen für den 3xCO2-Fall (!) lassen – ebenfalls für den Bereich der Deutschen Bucht – (noch) keine

Aussagen zu über die Zu- bzw. Abnahme der Gefährdung der Küste durch Stürme (Nielinger 1997, S.

29). Wiederum andere, ebenfalls modellgestützte Untersuchungen zeigen „eine bemerkenswerte Ab-

nahme von Sturmwetterlagen in der Deutschen Bucht mit Großwetterlage NWZ [Nordwest-Zyklonal,

hauptsächlich verantwortlich für hohe Windgeschwindigkeiten; A.D. & H.S.] in einer Atmosphäre mit

zwei- und dreifacher CO2-Konzentration“ (Busch 1997, S. 44; eigene Hervorhebung).

Auswertungen von Beobachtungsdaten an vier Pegeln in der Deutschen Bucht (Amrum, Helgoland,

Cuxhaven und Norderney) mit Hilfe statistischer Methoden haben folgende Ergebnisse hervorge-

bracht (Gönnert & Ferk 1996): Für den Zeitraum von 1850 bis 1995 ist nur ein geringer Trend in der

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Auftretenshäufigkeit von Sturmflutscheiteln (n größer/gleich 5) auszumachen; betrachtet man den

Zeitraum 1950-1995, ist ein gehäuftes Auftreten erkennbar. Differenziert in verschiedene Sturmflutty-

pen, ist folgendes beobachtbar: „Während bei schweren Sturmfluten und sehr schweren Sturmfluten

keinerlei Anstieg zu verzeichnen ist, liegt eine deutliche Zunahme der Anzahl der niedrigen Sturmflu-

ten vor. Dies trifft in erster Linie auf den Zeitraum von 1950 bis 1995 zu, der sich auch im Gesamtzeit-

raum durch eine Zunahme von Sturmfluthäufigkeiten auszeichnet“ (ebd., S. 18). Das heißt, es ist eine

Zunahme der mittleren Starkwindwetterlagen auszumachen. Betrachtet man als weiteren Parameter

den sog. „Windstau“ (hierfür sind Winddauer und –geschwindigkeit maßgeblich), ist festzuhalten, daß

„Windstaukurven, die mehr als einen Sturmflutscheitel umfassen, zugenommen haben müssen, dem-

entsprechend also jene Sturmtiden, die dicht aufeinander folgen“ (ebd., S. 20). Daraus ist abzuleiten,

daß bei der Betrachtung einzelner Sturmereignisse die Dauer des Windes zugenommen hat. Konkret

bedeutet dies, daß „Wind mit hohen Windgeschwindigkeiten und langer Dauer zugenommen haben“

(ebd.. S. 20). Analysiert man die Entwicklung der Scheitelentwicklungen der Sturmtiden in der Nord-

see für die letzten 200 Jahre, so ist kein signifikanter Anstieg zu erkennen (ebd., S. 22). Zusammen-

gefaßt: „Die Sturmflutentwicklung seit 1901 in der Nordsee weist hinsichtlich Anzahl und Höhe keinen

nennenswerten Anstieg auf. Dagegen ist erkennbar, daß die Windstaukurven, die mehr als zwei

Scheitel aufweisen, in den letzten 50 Jahren leicht zugenommen haben; dies ist ein Hinweis auf eine

Zunahme der Dauer der Windgeschwindigkeit“ (ebd., S. 30).

Das alles bedeutet keineswegs „Entwarnung“, denn diese sehr stark relativierenden regionalen Unter-

suchungen können nicht darüber hinwegsehen helfen, daß der Ozean als „träges System“ zeitverzö-

gert auf einen Klimawandel (Temperaturerhöhung) reagiert, heißt: Ein Meeresspiegelanstieg ist auch

dann noch zu erwarten, wenn sich die atmosphärischen CO2-Konzentrationen stabilisiert haben (was

allerdings nur dann der Fall wäre, wenn sich die CO2-Emissionen drastisch verringern). Von daher ist

es sehr weitsichtig, wenn die Folgen eines Klimawandels trotz korrigierter Prognosen berücksichtigt

werden, wie es z.B. im Generalplan Küstenschutz für Schleswig-Holstein, dessen Neuauflage bekann-

termaßen für das Jahr 2000 vorgesehen ist, geschieht (vgl. Probst 1998, 1998a).

Wie lassen sich vor diesem Hintergrund die bisherigen Untersuchungen im Programm K&K einschät-

zen?

Sicherlich konnten nicht alle vormals aufgestellten Ansprüche erfüllt werden, wie sie z.B. im For-

schungsleitplan aufgeführt sind. Beispielsweise wurden ja an die Sozialwissenschaften hohe Erwar-

tungen geknüpft. Daß diese Erwartungen nicht erfüllt wurden, lag teilweise an den zu hohen Ansprü-

chen, teilweise aber ebenso an den Zugangsweisen der Sozialwissenschaften zur Thematik selbst.

Das Unverständnis, das sozial- bzw. naturwissenschaftlichen Ansätzen und Vorgehensweisen entge-

gengebracht wird, verringert sich (nach unserer Erfassung) erst dann, wenn Vertreter sozial- und na-

turwissenschaftlicher Disziplinen in einem Verbundprojekt zusammenarbeiten (müssen). Erst dann

wird in oft mühseliger Kleinarbeit richtig verstanden, wo Annahmen gesetzt, Restriktionen gemacht

und Vereinfachungen notwendigerweise gemacht werden müssen. Erst dann ist auch die gegenseiti-

ge Einsicht in die Tücken des jeweiligen Forschungsgegenstandes möglich. Ein solches Verständnis

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ist aber grundlegend, denn die in K&K zu untersuchenden Forschungsgegenstände sind schwer zu

fassende Objekte für natur- und sozialwissenschaftlich übergreifende Forschung (Sterr 1998).

Trotzdessen sind im Rahmen von K&K mittlerweile eine ganze Reihe von interessanten Teilprojekt-

Ergebnissen produziert worden. Das eigentliche Manko für die Verbreitung dieser Ergebnisse liegt im

mittlerweile gesunkenen Interesse an Klima- und Klimafolgenforschung. Im Hinblick auf den Titel die-

ser Übersicht muß man festhalten, daß man zwar eine Menge über Klima und Küste erfahren kann –

über Gesellschaft allerdings nur relativ wenig. So wurde von anderer Seite bereits festgestellt, daß

Studien zur Überflutungsgefährdung und zur Landwirtschaft zwar relativ gesehen häufig sind, im Ver-

hältnis dazu unterrepräsentiert sind Analysen zur Energie- und Wasserversorgung, zum Verkehr, zum

Kredit- und Versicherungswesen. Auch entspricht die verwendete Methodik (vgl. Kapitel 2.3 und 2.4)

nicht unbedingt dem, was sinnvoll, angemessen und für grundlegende Einsichten nötig wäre. Bei-

spielsweise werden die Veränderungen gesellschaftlicher bzw. sozioökonomischer Randbedingungen

weitgehend vernachlässigt – für die Abschätzung von Adaptation und/oder Prävention sind solche

Informationen aber unverzichtbar (vgl. Knogge 1998).

Im folgenden Kapitel 4 wird etwas ausführlicher dargestellt, wie das Verbundprojekt „Fallstudie Sylt“

im Programm K&K strukturiert ist und welche Erfahrungen im Hinblick auf die fachübergreifende Zu-

sammenarbeit bislang gemacht wurden.

4 Fallstudie Sylt – Ansatz und Vorgehensweise

4.1 Allgemeine Struktur

Im Frühjahr 1997 wurde im Rahmen des o.g. Forschungsprogramms K&K das interdisziplinäre Ver-

bundprojekt Fallstudie Sylt gestartet, das sich mit den Folgen eines möglichen Klimawandels für die

Insel Sylt auseinandersetzt. An dem Projekt sind insgesamt acht Teilvorhaben aus den Disziplinen

Geologie, Wasserbau, Ökologie, Psychologie, Soziologie, Ökonomie und Geographie (2 Teilvorha-

ben) beteiligt. Zum einen wird der naturräumliche Aspekt eingehend untersucht, u.a. zukünftige Insel-

fläche und –gestalt, der möglicherweise sich ändernde seeseitige Energieeintrag, Strandfauna an

einem Depositions- und einem Expositionsstrand. Zum anderen wird ein Defizit aufgegriffen, das wei-

ter oben auch schon angsprochen wurde, indem detaillierte gesellschaftswissenschaftliche Untersu-

chungen zur Umwelt- und Klimafolgenproblematik vorgenommen werden. Dabei werden verschiedene

Methoden verwendet, u.a. standardisierte / halbstandardisierte schriftliche und mündliche Befragun-

gen, detaillierte Interviews mit Sylter Funktionsträgern sowie eine sog. Planungszelle (als Instrument

der Bürgerbeteiligung).

Die Ausgangsfragestellung läßt sich in Kurzform folgendermaßen formulieren: Welche Auswirkungen

kann ein möglicher Klimawandel auf die Insel haben, und wie stellt sich diese potentielle Gefährdung

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aus gesellschaftlicher Perspektive dar? Mit letzterem Teilaspekt ist in gewissem Sinne die Frage nach

der Wahrnehmung und Bewertung angesprochen.

Als Randbedingung für die Fallstudie Sylt ist zu erwähnen, daß dieser Fragestellung nicht mittels um-

fangreicher Meßprogramme nachgegangen wird, sondern daß in erster Linie der Versuch unternom-

men wird, auf der Basis vorhandener Informationen und Daten Erkenntnisse abzuleiten. Dies gilt in

besonderem Maße für die naturwissenschaftlich ausgerichteten Teilvorhaben, die auf umfangreiche

Voruntersuchungen der letzten Jahre (z.T. Jahrzehnte) aufbauen können (z.B. SWAP – Sylter Wat-

tenmeer Austauschprozesse: Gätje & Reise [Hrsg.] 1998). Im sozialwissenschaftlichen Bereich ist die

Datenlage hingegen weniger umfangreich, weil es hier kaum Primärerhebungen gibt. Beispielsweise

lassen sich zu umwelt- oder klimabezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen keine Aussagen

auf empirischer Basis machen. Auf Bundesebene sind ähnliche Erhebungen bereits durchgeführt

worden, allerdings kann man diese Ergebnisse keinesfalls „regionalisieren“.

Unabhängig davon setzen alle Untersuchungen zur Klimafolgenproblematik voraus, daß bestimmte

Annahmen in Form von Klimaszenarien festgelegt werden. Im Lichte der in Kapitel 3 getroffenen Aus-

sagen müßte man in diesem Bereich umsichtig sein und feststellen, daß durch die Korrektur der Kli-

ma(folgen)prognosen (Meeresspiegelanstieg usw.) die besondere Gefährdungssituation nicht mehr

ganz so akut erscheint; aber das ist nicht der entscheidende Punkt, denn: Es geht nicht nur um das

Identifizieren direkter „klimaabhäniger Entwicklungen“, sondern auch um das Aufzeigen der Klimare-

levanz gesellschaftlicher Vorgänge in Verbindung mit anderweitigen sozialen Prozessen und Vorgän-

gen in der menschlichen Umwelt. M.a.W.: Würde man in der Klimafolgenforschung ausschließlich

direkt klimabhängige Prozesse zu beschreiben versuchen, würde man einem der Sache nach unan-

gemessenen Reduktionismus erliegen. Das wiederum heißt, daß es auch in der Klimafolgenforschung

um die Interdependenzen zwischen Natur- und Anthroposphäre generell gehen muß (siehe nochmals

Abbildung 1).

In der Fallstudie Sylt wurden die beiden Teilvorhaben aus dem Bereich Geographie in gewissem Sin-

ne als Zentrum eingerichtet. Zum einen wird über das Teilvorhaben, das den Aufbau und die Führung

eines Geographischen Informationssystems betreibt (= Sylt-GIS), der Datenaustausch in wesentli-

chem Umfang betrieben. Zum anderen ist das zweite Teilvorhaben im geographischen Bereich für die

Koordination (in technisch-organisatorischer Hinsicht) des Verbundprojektes zuständig. Entscheiden-

der ist aber, daß die inhaltliche Integration der Teilvorhabensergebnisse in enger Zusammenarbeit

dem Teilvorhaben Sylt-GIS vorgenommen wird.

4.2 Konzeptioneller Ansatz und Umsetzung

Im Sinne eines im gesamten Programm K&K verfolgten top down-Ansatzes wurden bereits in der Vor-

bereitungsphase die generellen Leitlinien für die Integration festgelegt. Zu diesem Zweck wurde die

Adaptierung des sog. WBGU-Ansatzes gewählt, der ursprünglich für eine globale Betrachtungsweise

gewählt wurde, aber auch für ein interdisziplinäres Verbundprojekt auf lokaler Ebene einige Vorteile

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bietet. Der Ansatz kann an dieser Stelle nicht umfassend erörtert werden (vgl. dazu Daschkeit &

Hartmuth 1998); zum besseren Verständnis seien nur einige Aspekte angeführt (vgl. auch zur Vorge-

hensweise: Fränzle & Daschkeit 1999):

Ein wesentlicher Grund für die Anknüpfung an den WBGU-Ansatz ist die Tatsache, daß eine konse-

quent fachübergreifende Perspektive grundlegend ist (Einzelheiten des Ansatzes sollen hier aus

Platzgründen nicht erläutert werden; vgl. dazu: Questions-Autorenteam 1998; Schellnhuber et al.

1997; Schellnhuber & Wenzel [Eds.] 1998; WBGU 1993, 1996, 1998).

Im Gegensatz zum WBGU-Ansatz wird in der „Fallstudie Sylt“ nicht der Anspruch erhoben, in letzter

Konsequenz ein Simulationsmodell der Wechselwirkungen zwischen Natur- und Anthroposphäre zu

entwickeln. Ein integrativer Ansatz soll in diesem Fall vielmehr folgendes leisten:

• Die Kommunikation und Kooperation zwischen den Teilvorhaben unterstützen.

• Die Nachvollziehbarkeit bzw. Transparenz der interdisziplinären Arbeit gewährleisten.

• Eine Verbindung herstellen zwischen dem oft in qualitativer Form vorliegenden Expertenwissen

einerseits und den vorhandenen bzw. in der Projektlaufzeit erhobenen Daten andererseits.

• Die Daten der Teilvorhaben zentral vorhalten und verwalten.

• Alle Daten sind in geeigneter Weise in einem Metadateninformationssystem zu erfassen, um so-

wohl für die Teilvorhaben als auch (informationshalber) für Externe zugänglich zu sein (letzteres

bedeutet nicht, daß auf die Daten zugegriffen werden kann, sondern lediglich, daß ein Überblick

gewährt wird, welche Daten im Rahmen der „Fallstudie Sylt“ verwendet werden!).

• Letztlich soll der Ansatz zwischen der deskriptiven Ebene einerseits (Was läßt sich mit hinrei-

chender Genauigkeit zum Klimawandel und dessen Folgen aussagen? Wie lassen sich Beziehun-

gen zwischen verschiedenen Phänomenen in der Natur- und Anthroposphäre beschreiben?) und

der bewertenden Ebene andererseits (Wie werden der Klimawandel und dessen Folgen einge-

schätzt bzw. bewertet?) unterscheiden können.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien wurde ein Programm – „Metadaten & Beziehungsgeflecht

MeBez“ – entwickelt, das sowohl das meist in qualitativer Form vorliegende Expertenwissen als auch

konkrete Daten im GIS zusammenzuführen gestattet. Das Konzept, das dem Programm zugrunde-

liegt, wird anhand der nachfolgenden Abbildung 9 kurz und im Anschluß daran umfassender erläutert

(Darstellung der Komponenten „Erfassung von Metadaten“ sowie „Beziehungsgeflecht“).

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Auf der linken Seite der vorstehenden Abbildung ist symbolisch dargestellt, daß in der „Fallstudie Sylt“

sog. „Trends“ eine zentrale Rolle spielen. In Anlehnung an den WBGU verstehen wir unter Trends

„Phänomene in Gesellschaft und Natur“, die für die Entwicklung Sylts relevant sind. Trends sind ver-

änderbare bzw. prozeßhafte Größen, die zunächst qualitativ beschrieben werden und ggf. quantifiziert

werden können (WBGU 1996, S. 185 ff.). Zu jedem dieser Trends wurde eine eigene Beschreibung

(Semantik) angelegt. Auf der Grundlage von Expertenwissen werden Beziehungen zwischen den

Trends (vorläufig) festgelegt. Unter einem Beziehungsgeflecht ist ein Netzwerk aus den erfaßten

Trends und ihren Wechselwirkungen zu verstehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß sowohl

die Trends als auch deren Beziehungen untereinander in einem diskursiven Prozeß ermittelt werden.

Diese Beziehungen zwischen Trends lassen sich auch als Hypothesen auffassen, die empirisch über-

prüft werden können. Diese hypothesengenerierende Funktion der Arbeit am Beziehungsgeflecht Sylt

ist deswegen bedeutsam, weil empirisch gesicherte (Kausal-)Zusammenhänge der Mensch-Umwelt-

Wechselwirkungen nicht bzw. in nur sehr geringem Umfang vorliegen. Diesen Teil der Arbeit bezeich-

nen wir als „deduktive Modellbildung“. Um dieses „Modell von Sylt“ mit entsprechenden Daten (sofern

vorhanden) zu hinterlegen, ist eine Verbindung zum Bereich GIS hergestellt (diese Verbindung wird

weiter unten im Text noch eingehender beschrieben). In das GIS gehen Daten auch unabhängig von

der Arbeit am Beziehungsgeflecht ein (zentrale Funktion des Teilvorhabens Sylt-GIS als Daten- und

Informationsplattform). In der Metadatenbank wiederum sind auch Informationen über Daten ohne

Raumbezug (z.B. Befragungsergebnisse) enthalten, die im GIS nicht abgelegt werden können. Durch

gegenseitige Verweise der Programmteile kann aufeinander Bezug genommen werden (s.u.).

Wenn neue Informationen (= Daten) in das GIS aufgenommen werden, kann über eine „induktive Mo-

dellbildung“ wiederum zum Beziehungsgeflecht rückgekoppelt werden (oberer Pfeil). Zusätzlich be-

steht die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen den Trends, also Phänomenen in Natur- und Anthro-

posphäre und deren Wechselwirkungen, graphisch darstellen zu lassen (diese Beziehungen zwischen

Trends entsprechen sinngemäß gerichteten Graphen in Ökosystem-Modellen).

Diese Modellstrategie erlaubt es, den WBGU-Ansatz in eine nachvollziehbare und flexibel handhabba-

re Prozedur interdisziplinären Arbeitens zu übersetzen und somit den fachübergreifenden Diskurs auf

instrumenteller Ebene zu unterstützen. Zentral ist dabei bislang der Diskussionsprozeß innerhalb der

an der „Fallstudie Sylt“ Beteiligten. Gleichzeitig ist sichergestellt, daß ein Abgleich mit konkret vorlie-

genden Daten erfolgen kann bzw. Datenlücken identifiziert werden können.

Metadatenerfassung

Metadaten dienen der Beschreibung vorhandener Daten („Daten über Daten"). Zu den Informationen,

die in Metadaten abgelegt werden, gehören die Angabe der Datenart, des Formats, der Herkunft und

vieler weiterer Parameter sowie eine Verschlagwortung der Daten, damit diese über eine Suchfunktion

schnell und umfassend recherchiert werden können.

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Im Rahmen der Fallstudie Sylt erfüllt die Erfassung von Metadaten (a) vorrangig einen projektinternen

und (b) nachrangig einen projektexternen Zweck: Der projektinterne Zweck besteht hauptsächlich

darin, alle im Verbundprojekt vorhandenen bzw. neu erhobenen Daten für alle Teilvorhaben zugäng-

lich zu machen, um somit die integrativen und die disziplinären Arbeiten zu unterstützen. Der projekt-

externe Zweck besteht überwiegend darin, für Dritte (z.B. anderen Forschungsvorhaben im Programm

„Klimaänderung und Küste“ sowie weiteren Forschungseinrichtungen oder auch Ämtern und Behör-

den) nachvollziehbar zu dokumentieren, welche Daten bzw. Informationen bearbeitet und ausgewertet

wurden. Zusätzlich zu der rein (daten-)beschreibenden Funktion ist es in diesem Programmteil mög-

lich, sog. Trendrelevanzen zu editieren, d.h. anzugeben, ob ein Datensatz oder eine GIS-Karte für

einen Trend des Beziehungsgeflechtes Sylt relevant ist. Im Teil Beziehungsgeflecht ist die Arbeit an

und mit den Trends des Beziehungsgeflechtes Sylt möglich.

Beziehungsgeflecht

Angelehnt an den Ansatz des WGBU wird im Rahmen der Fallstudie Sylt ein sog. „Beziehungsgeflecht

Sylt“ konstruiert. In ihm finden sich die (im Rahmen der Projekttreffen intensiv diskutierten) zentralen

Entwicklungstrends, die zusammengenommen ein funktionales Muster (Beziehungsgeflecht) ergeben,

durch das die Insel Sylt in ihren wichtigsten naturräumlichen und sozioökonomischen Ausprägungen

beschrieben wird. Um die Arbeit am Beziehungsgeflecht technisch handhabbar zu gestalten, wurde im

Programm MeBez der Programmteil „Beziehungsgeflecht“ realisiert: Hier besteht die Möglichkeit,

Trends sowie deren Beziehungen untereinander festzulegen und eine Übersicht über die Daten zu

erhalten, die die jeweiligen Trends ggf. belegen.

Aus Abbildung 10 ist ersichtlich, daß von der Darstellung her in drei Blöcke differenziert wird: Im mitt-

leren Block ist der jeweils bearbeitete Trend angegeben (markiert durch den schwarzen Pfeil); im obe-

ren Block sind diejenigen Trends angezeigt, die auf den gerade bearbeiteten einwirken, im unteren

Block sind diejenigen Trends angezeigt, die von dem gerade bearbeiteten Trend beeinflußt werden. In

der Hauptsache wird dabei unterschieden in eine verstärkende Wirkart („+“ = Trend A wirkt verstär-

kend auf Trend B) und eine abschwächende Wirkart („-" = Trend A wirkt abschwächend auf Trend B).

Neben den „üblichen“ Möglichkeiten zum Editieren, Löschen, Drucken usw. erscheinen hier Angaben

zu den verfügbaren Daten („Karten“ bzw. „Sonstige“). Programmtechnisch realisiert ist zusätzlich, daß

durch einen Doppelklick auf eines der Felder unmittelbar in den Programmteil Metadaten gewechselt

werden kann. Dort werden dann die Datensätze angezeigt, die für den entsprechenden Trend relevant

sind. Ansonsten findet man die zugehörige Information über (GIS-)Daten, die einen Trend belegen,

durch eine Suche im Bereich Metadateninformation. Außerdem findet sich im Fenster „Beschreibung

von [Trendnummer] [Trendname]“ eine semantische Beschreibung dessen, was unter dem jeweiligen

Trend zu verstehen ist. Zusätzlich lassen sich die Trends sowie deren Beziehungen untereinander in

Matrixform anzeigen, jeweils mit Angabe der Wirkart.

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Abbildung 10: Beziehungsgeflecht – BearbeitungsmaskeQuelle: A. Daschkeit & P. Schottes – eigener Entwurf 1999

Grundsätzlich ist es somit möglich, bei einem veränderten Kenntnisstand neue Trends hinzuzufügen

oder aber auch Trends zu löschen, die sich nicht mit Daten bzw. anderen Informationen belegen las-

sen oder aber sich als nicht primär relevant erwiesen haben. Zudem ist das Programm so ausgelegt,

daß verschiedene Bearbeiter („User“) ihre jeweilige Sicht der Zusammenhänge zwischen den Trends

(= ihr jeweiliges Gedankenmodell vom System Sylt) eingeben und speichern können.

Die Funktionsweisen und Möglichkeiten des Programms MeBez wurden der Übersicht halber an die-

ser Stelle lediglich in der gebotenen Kürze dargestellt. Für eine umfassende Darstellung sei auf die

eigens erstellte Dokumentation verwiesen.

Wie wird nun das Instrument MeBez im Rahmen der „Fallstudie Sylt“ eingesetzt?

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In einem ersten Schritt sind wir von den Trends des WBGU ausgegangen, die sich auf die globale

Ebene beziehen (WBGU 1996). Erwartungsgemäß sind von diesen Trends nur einige auch für die

Entwicklung Sylts potentiell relevant, u.a. GLOBALER UND REGIONALER KLIMAWANDEL, MEERESSPIEGEL-

ANSTIEG, DEGRADATION NATÜRLICHER ÖKOSYSTEME. Im zweiten Schritt wurde die Perspektive auf Sylt

eingeengt. Dieser Arbeitsschritt der Reduktion und Veränderung von ursprünglich 80 globalen Trends

auf derzeit 22 Trends erscheint im ersten Moment als einfacher Prozeß. Tatsächlich ist er langwierig,

aber in positiver Weise mit einem hohen Lerneffekt für die Beteiligten und dem Verständnis für An-

nahmen und Denkweisen anderer Disziplinen verbunden. Genau an diesen Stellen wurde intensiv

(und zum Teil mehrfach) über disziplinäre Vorgehensweisen und Zwischenergebnisse diskutiert.

Nachfolgend findet sich eine Auflistung der 22 Trends, die nach unserer Einschätzung (vorläufig) die

wichtigsten Prozesse in Natur und Gesellschaft qualitativ darstellen und die vergangene und zukünfti-

ge Entwicklung Sylts maßgeblich bestimm(t)en:

BEZIEHUNGSGEFLECHT SYLT

- TRENDLISTE

Biosphäre

ZUNEHMENDE ÜBERNUTZUNG BIOLOGISCHER RESSOURCEN

DEGRADATION NATÜRLICHER ÖKOSYSTEME

ZUNAHME VON NATURSCHUTZFLÄCHEN

Atmosphäre

GLOBALER UND REGIONALER KLIMAWANDEL

Hydrosphäre

MEERESSPIEGELANSTIEG

SÜßWASSERVERKNAPPUNG

ZUNAHME DES ENERGIEEINTRAGS DURCH WIND UND SEEGANG

Bevölkerung

MIGRATION

ZERSIEDELUNG

Pedosphäre

MORPHOLOGISCHE ÄNDERUNGEN

ZUNAHME VON KÜSTENSCHUTZMAßNAHMEN

WIRTSCHAFT

ZUNAHME DER MIET- UND IMMOBILIENPREISE

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ZUNAHME UND AUSDIFFERENZIERUNG DES TOURISMUS

WACHSENDES VERKEHRSAUFKOMMEN

Psychosoziale Sphäre

VERÄNDERUNG DES SYLT-IMAGE

ANSPRUCHSSTEIGERUNG

ZUNEHMENDE WAHRUNG VON GRUPPENINTERESSEN

ZUNEHMENDE BEREITSCHAFT ZU UMWELTSCHONENDEM HANDELN

PERSPEKTIVLOSIGKEIT FÜR JUGENDLICHE

Gesellschaftliche Organisation

ZUNAHME DER KOSTEN FÜR KÜSTENSCHUTZMAßNAHMEN

ABNEHMENDE ZAHLUNGSBEREITSCHAFT DES LANDES FÜR KÜSTENSCHUTZ

VERSTÄRKUNG DES UMWELT- UND NATURSCHUTZES

Ausführungen dazu, wie wir diese Trends zu definieren versuchen, finden sich – wie angedeutet – im

Programm MeBez und zusätzlich in einer eigenen Dokumentation inkl. der verwendeten Literatur. Es

sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß diese Zusammenstellung bislang auf der Einschätzung

der an der „Fallstudie Sylt“ Beteiligten beruht. Selbstverständlich werden andere (Sylter Bevölkerung

oder Unternehmer, Gemeindevertreter Sylts, Nicht-Sylter etc.) zu anderen Einschätzungen gelangen

bzw. bestimmte Aspekte als hochrelevant und zentral bestimmen und entsprechend gewichten. Im

Teilvorhaben Psychologie beispielsweise werden u.a. Untersuchungen zu den individuellen „Model-

len“ der Befragten durchgeführt.

Aus dieser umfassenden Perspektive wurden im dritten Schritt nochmalige Reduktionen (in diesem

Falle von Beziehungen) vorgenommen, die auf bestimmte Fragestellungen fokussieren. Eine Redukti-

on bspw. stellt die grundlegende Fragestellung der „Fallstudie Sylt“ in den Mittelpunkt und bezieht sich

auf die wichtigsten Ein- und Auswirkungen hinsichtlich des GLOBALEN UND REGIONALEN KLIMAWANDELS.

An diesem Punkt werden dann auch die entsprechenden Indikatoren für die einzelnen Trends benannt

(vierter Schritt). Zwischenergebnisse wurden bereits an anderer Stelle beschrieben, vornehmlich in

einem Bericht an den sog. „Projektbegleitenden Beirat“, in dem Vertreter aus Wissenschaft, Öffent-

lichkeit, Administration und Verbänden die Fallstudie fachlich begleiten und unterstützen.

Es hat sich bei den bislang durchgeführten Arbeiten gezeigt, daß der WBGU-Ansatz bzw. die realisier-

te Adaptierung nicht durchgängig problemlos ist:

1. Das hohe Aggregationsniveau der Trends sowie das Verfahren zur qualitativen Beschreibung

führt mitunter dazu, daß die (reale) Komplexität der Problematik nicht angemessen wiedergege-

ben werden kann (vgl. dazu Reusswig 1997, S. 74).

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2. Die Identifizierung und Formulierung von Trends und deren Interaktionen ist stark betrachterab-

hängig. Dieses Defizit kann nur bedingt durch die Frage nach der Datenverfügbarkeit kompensiert

werden.

3. Die Betrachtung von Zustandsvariablen (z.B. politische Rahmenbedingungen) tritt in den Hinter-

grund, weil zeitliche Entwicklungen vorrangig betrachtet werden. Deswegen wird in der „Fallstudie

Sylt“ unterschieden zwischen Trends im engeren Sinne und Prozessen im Sinne von Randbedin-

gungen: Trends sind durch eine (entweder historische und/oder zukünftige) Entwicklung be-

schreibbar, Randbedingungen hingegen weisen diese gerichtete Entwicklung nicht (unbedingt)

auf, stellen aber dennoch eine wichtige Größe im Hinblick auf die Gesamt-Entwicklung Sylts dar.

4. Akteure werden prinzipiell kaum betrachtet.

Der Übersicht halber wird nachfolgend die realisierte Vorgehensweise stichwortartig zusammenge-

faßt:

1. Ausgangspunkt: Trends des Globalen Wandels (WBGU)

2. Interdisziplinärer Diskurs: Identifizierung von Trends und Spezifizierung für Sylt (nach Möglichkeit)

3. Interdisziplinärer Diskurs: Reduktion der Trends

4. Semantische Beschreibung der Trends (vorläufig)

5. Interdisziplinärer Diskurs: Reduktion der Trends & Überarbeitung Trend-Interaktionen

6. Entwicklung MeBez (parallel zu 3.-5.)

7. Interdisziplinärer Diskurs: Reduktion der Trends & Überarbeitung Trend-Interaktionen

8. Interdisziplinärer Diskurs: Identifikation spezifischer Beziehungsgeflechte

Aus verschiedenen Gründen war es zu Beginn der Fallstudie Sylt notwendig, zwischenzeitlich einen

modifizierten Fokus der Arbeiten zu wählen. Hierzu wurde an die sowohl in der allgmeinen Öffentlich-

keit als auch im Bereich Wissenschaft z.T. intensiv geführte Diskussion um die Thematik einer nach-

haltigen Entwicklung (auch: dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung) angeknüpft. Um der spezifischen

Maßstabsebene der „Fallstudie Sylt“ zu entsprechen, wurde ein Indikatorenkonzept zugrundegelegt,

das bereits an anderer Stelle erprobt wurde (vgl. Diefenbacher et al. 1997). Dies erhöht prinzipiell die

Möglichkeit der Vergleichbarkeit mit anderen Regionen. Zudem erhält man auf diese Weise einen

fundierten Eindruck von der Datenverfügbarkeit, denn Grundlage des Indikatorensystems sind zum

überwiegenden Teil die im Rahmen der amtlichen Statistik erhobenen Daten.

Aus Praktikabilitätsgründen wurde als Untersuchungsraum zunächst der Kreis Nordfriesland gewählt,

um zu prüfen, ob eine Detail-Untersuchung auf der Ebene der Sylter Gemeinden sinnvoll ist. Daten-

quellen sind das Statistische Landesamt Schleswig-Holstein, verschiedene Ministerien in Schleswig-

Holstein sowie Ämter und Behörden des Kreises Nordfriesland.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung können (und sollen) an dieser Stelle nicht im Detail dargestellt

werden; der resultierende Bericht ist für die an der „Fallstudie Sylt“ Beteiligten über den „internen“

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Bereich der homepage abrufbar. Außerdem wird diese Arbeit (Jacoby 1998) in einer Schriftenreihe

des Statistischen Landesamtes Schleswig-Holstein veröffentlicht und somit allgemein verfügbar.

Nachfolgend wird in knapper Form ein Fazit dieses Arbeitsschwerpunktes gezogen:

Von den insgesamt 60 zugrundegelegten Indikatoren konnten trotz intensiver Recherchen weniger als

die Hälfte mit entsprechenden Daten „gefüllt“ werden. Für 9 Indikatoren konnten nur Schätzungen

erfolgen, oder es mußte auf Ersatzindikatoren ausgewichen werden. Bei 7 Indikatoren mußte als Be-

zugsraum das Bundesland Schleswig-Holstein bzw. die Bundesrepublik dienen. Insgesamt mußte

mithin eine ungenügende Datenverfügbarkeit bzw. unzureichende Datenqualität festgestellt werden.

Hinzu kommt, daß nur in seltenen Fällen die – angestrebte – Darstellung einer zeitlichen Entwicklung

(idealiter von 1962 bis 1997) erreicht werden konnte. Die Interpretation der Daten erwies sich zudem

als schwierig, wenn auf der Grundlage der Indikatoren und deren zeitlicher Entwicklung die Erfüllung

von Zielerreichungsgraden angegeben werden sollte – jeweils 3 Indikatoren sollen eine Aussage hin-

sichtlich der Erfüllung eines Teilzieles zulassen. Es zeigte sich, daß manche Teilziele nicht präzise

genug dargestellt bzw. manche Indikatoren untereinander widersprüchlich sind.

Inbesondere aufgrund der unzureichenden Datenlage bereits auf Kreisebene erwies es sich als nicht

lohnend, entsprechende Untersuchungen auf der Ebene der Sylter Gemeinden vorzunehmen.

5 Die Ergebnisse aus K&K als Basis für ein

Integriertes Küstenzonenmanagement (ICZM)

Im Forschungsleitplan für das Programm K&K wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Anwen-

dungsbezug eine wichtige Rolle bei der Konzeptionierung und Ausgestaltung der Forschungen spielt.

In diesem Bereich der Umweltforschung geht es dabei nicht vorrangig um die Entwicklung von „Pro-

dukten“ im technischen Sinne, vielmehr werden Produkte im Sinne von Wissensbeständen, die für die

Politikberatung genutzt werden können und mitunter auch in Form von Software-Entwicklungen er-

bracht. Für die küstenbezogene Klimafolgenforschung heißt das in erster Linie, Grundlagen- und Be-

ratungswissen für Politik, Behörden, Öffentlichkeit, Verbände etc. zu erarbeiten. Im Mittelpunkt steht

dabei die Erprobung bzw. Ausgestaltung eines Integrierten Küstenzonenmanagements (ICZM). Was

darunter zu verstehen ist und ob die Ergebnisse aus K&K hierfür eine geeignete Basis bilden, wird im

folgenden dargelegt.

Die Notwendigkeit, Küstenräume gerade angesichts der Folgen eines möglichen Klimawandels zu

betrachten, rührt zum einen aus der dichten Besiedlung und intensiven Nutzung dieser Gebiete her,

zum anderen aus der ökologischen Stellung, denn Küstenräume reagieren mitunter empfindlich auf

Änderungen in den see- und landseitigen Bedingungen. Die nachfolgend aufgelisteten Merkmale um-

schreiben die zentrale Stellung von Küstenlebensräumen im Land-Meer-Übergang:

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• Ihre hydrologischen, chemischen, biologischen und geologischen Teilsysteme unterliegen einer hohen

Dynamik, die sowohl von externen Faktoren als auch von internen Wechselwirkungen gesteuert wird;

• ihre hochproduktiven Ökosysteme und Lebensräume zeichnen sich einerseits durch eine große Arten-

vielfalt, andererseits durch hohe Empfindlichkeit gegenüber äußeren Störungen (Klimawandel, Ver-

schmutzung o.ä.) aus;

• entlang der Küsten liegen die Laich- und Aufwuchsgebiete der meisten marinen Organismen und die

Brut- bzw. Rastgebiete zahlloser Vogelarten;

• Strukturen wie Inseln, Strände, Sandbänke, Watten, Dünen, Kliffs (in den Tropen v.a. Korallenriffe

oder Mangrovenwälder) dienen als natürliche Schutzsysteme gegenüber Überflutung des Hinterlan-

des, Ufererosion oder Sturmeinwirkung;

• Küstengewässer (z. B. Ästuare) und Küstenökosysteme (z. B. Watten und Salzwiesen) üben wichtige

Reinigungsfunktionen aus durch Aufnahme größerer Mengen der von Landseite her eingetragenen

Nähr- und Schadstoffe;

• als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum bietet die Küste vielfältige Nutzungsmöglichkeiten, Res-

sourcen und landschaftliche Attraktivität für die Küstenbevölkerung.

Schon aus dieser Übersicht geht hervor, daß die hiermit verbundenen Nutzungen und Interessen im

Widerspruch miteinander stehen (können). Angesichts eines Klimawandels ist zudem davon auszu-

gehen, daß es eher zu einer Konfliktverschärfung denn zu einer –minimierung kommen wird. Umso

dringlicher ist es, zukünftig diese verschiedenartigen Interessen miteinander in Einklang zu bringen,

und unter den Bedingungen eines Globalen Wandels eine langfristige und ökologisch sinnvolle Nut-

zung der vorhandenen Ressourcen zu gewährleisten. In diesem Sinne kann man gleichsam von einer

nachhaltigen Nutzung der Küstenlebensräume sprechen.

Auf internationaler und europäischer Ebene wird daher seit einigen Jahren die Notwendigkeit unterstri-

chen, mit Hilfe von Integriertem Küstenzonenmanagement (ICZM) ökonomisch wie ökologisch tragfä-

hige Problemlösungsansätze auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu entwickeln. Neuer-

dings bemühen sich auch politische und administrative Institutionen (Ministerien, Landesämter, Bundes-

behörden etc.) in Deutschland zunehmend um die Erarbeitung abgestimmter Handlungskonzepte für

Planungen im Küstenraum, und auch Wissenschaftler bieten ihre Unterstützung bei der Formulierung von

Küstenmanagement-Konzepten an. Zu den politischen und wissenschaftlichen Initiativen in diese Rich-

tung gehören u.a. die Aufrufe und Arbeitspläne von

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• OECD , FAO und Weltbank,

• UNEP, UNDP (UNCED Konferenz vom Juli 1992 in Rio, Kap. 17 der AGENDA 21),

• IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change; Subgroup on ICZM; World Coast Conference

vom Nov. 1993 in Den Haag),

• EU-Kommission (z.B. ICZM Demonstration Programme & Programm INTERREG IIC),

• IGBP (=International Geosphere-Biosphere-Programme), Kernprojekt LOICZ (= Land-Ocean-

Interaction in the Coastal Zone),

• Trilaterale Wattenmeer-Kooperation im Nordseeraum und

• HELCOM- Konvention im Ostseeraum

„Integriertes Management" heißt, daß nicht eindimensionale sektorale Maßnahmen getroffen werden

sollen. Integration im Sinne eines Gesamtkonzepts für Küstenmanagement bedeutet also idealerweise:

− Integration der verschiedenen Aufgaben des Managementprozesses,

− Integration der Behörden und Institutionen die – auf allen politischen Ebenen – am Küstenmanage-

ment beteiligt sind bzw. sein sollen,

− Integration von Entscheidungen des öffentlichen und des privaten Sektors,

− Integration der wirtschaftlichen, technischen, wissenschaftlichen und institutionellen Bereiche,

− Integration der Zielsetzungen einzelner Wirtschaftssektoren sowie

− Integration der verfügbaren wissenschaftlichen und finanziellen Kapazitäten, d.h. Expertenwissen,

Datenbanken, Fördermittel etc.

5.1 Ziele, Aufgaben und Struktur eines ICZM

Legt man den o.g. Gesamtanspruch zugrunde, dann beinhaltet integriertes Küstenmanagement die um-

fassende Beschreibung und Bewertung von Küstensystemen sowie die Formulierung von Ziel-

vorstellungen bezüglich des Schutzes und der Bewirtschaftung bzw. Verwaltung (= Management)

der dort vorhandenen Ressourcen. In diesen Prozeß sind traditionelle, kulturelle und historische As-

pekte spezifischer Küstengebiete ebenso einzubeziehen wie die dort auftretenden Interessenslagen,

Nutzungskonflikte und rechtlich-administrativen Strukturen.

Wegen der Komplexität der gegebenen Zusammenhänge bedarf effektives Küstenmanagement einer

gründlichen wissenschaftlichen Analyse der Prozesse und Wechselwirkungen im natürlichen und

zivilisatorischen Küstensystem sowie eines Transfers dieses Expertenwissens in ein Handlungs-

konzept. Von einem solchen Konzept wird erwartet, daß es die Erkenntnisse der Systemanalyse mit den

gesellschaftlichen Nutzungs- und Schutzinteressen verbindet, denn nur wenn die im Küstenraum agie-

renden gesellschaftlichen Gruppen (Küstenbevölkerung, Politik, Behörden, Wirtschaftsunternehmer, Na-

tur-/Umweltschützer) auf der Grundlage einer fundierten Handlungsstrategie kooperieren, ist ICZM im

obigen Sinn realisierbar.

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Die prioritären Zielsetzungen (z.B. Hochwasserschutz, Erhaltung wertvoller Ökosysteme, touristische

Entwicklung o.ä.) richten sich dabei nach den regional-spezifischen Besonderheiten einzelner Küstenab-

schnitte und ihrer Nutzerinteressen. Die Teilziele und -aufgaben sind in Textbox 1 beispielhaft erläutert.

Auf diese Inhalte wirken die gesellschaftlichen und politischen Wahrnehmungs- und Meinungsbildungs-

prozesse ebenso ein wie die ökonomische Entwicklung einer Küstenregion. Die Einflußgrößen des Kli-

mawandels können diese Komponenten - wie erwähnt - lokal oder regional überlagern und tun dies in

vielen Küstenländern bereits massiv

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Textbox 1

Teilziele und -aufgaben von

Küstenmanagement

Risikoverminderung

⇒ Schutz vor Überflutung

⇒ Schutz vor Wellen, Seegang⇒ Schutz vor Sturmeinwirkung und Sturmfluten⇒ Kontrolle der Erosion und ungünstiger morphologischer Veränderungen

⇒ Schutz vor gesundheitsgefährdender Verschmutzung

Wirtschaftliche Nutzung vorhandener Ressourcen

⇒ Ausbeutung vorhandener Nahrungsquellen (Fische, Schalentiere, Seetang)⇒ Gewinnung von Rohstoffen (Erdöl/-gas, Sand, Kalk, Salz, Holz u.a.)⇒ Nutzung der Transport- und Verkehrsmöglichkeiten (Schiffahrt, Häfen, Industriean-

lagen, Besiedlung)

⇒ Nutzung der Küstengewässer zu Entsorgungszwecken (Abwasser-, Schadstoff-und Müllbeseitigung)

⇒ Nutzung der Küstengewässer für Aquakultur

⇒ Nutzung der Strände, Küstenlandschaften und Inseln für Tourismus & Erholung⇒ Nutzung küstennaher Süßwasser- und Grundwasservorräte

Schutz der ökologischen Ressourcen, Natur- und Arten-

schutz

⇒ Überwachung wertvoller Ökosysteme und Habitate (Salzwiesen, Marschen Wat-ten, Dünen, Ästuare, Seegraswiesen, Muschelbänke u.v.a.m)

⇒ Reduzierung von Nähr- und Schadstoffeinträgen⇒ Überprüfung/Monitoring der Fließ- und Küstengewässerqualität

⇒ Ausweisung von Schutzgebieten (Nutzungsverbote bzw. -einschränkungen)⇒ Festlegung von Fangquoten⇒ Unterschutzstellung gefährdeter Spezies, Ökosysteme

⇒ Einrichtung von Nationalparks

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Ein integriertes Küstenzonenmanagement darf dabei nicht nur auf aktuelle Entwicklungsvorhaben

reagieren, sondern es muß auch vorausschauende Konzepte entwickeln. Die Vorgaben der Manage-

mentkonzepte müssen wissenschaftlich begleitet werden, damit deren Auswirkungen und Effekte auf

die Umwelt beurteilt und bei Bedarf sachlich begründet geändert werden können. ICZM hat also eine

Reihe von Kriterien zu erfüllen:

• Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen unter besonderer Berücksichtigung des Erhaltes der

Biodiversität und eine

• ökologisch vertretbare Nutzung der natürlichen Ressourcen (z. B. Fischerei) wie auch der Rohstoff-

reserven (Öl, Kies, Mineralien) in einer Art und Weise, daß die menschliche Aktivität weder die Ö-

kosysteme als Ganzes noch einzelne Arten derart beeinträchtigt, daß sie zukünftigen Generationen

nicht mehr zur Verfügung stehen.

5.2 ICZM auf EU-Ebene

Auf dieser überstaatlichen Ebene wurde insbesondere seit 1996 die besondere Bedeutung der Küs-

tenlebensräume erkannt. Daraufhin wurde auf der wissenschaftlichen Ebene im Sinne einer Be-

standsaufnahme ein sog. „Demonstrationsprogramm zum Integrierten Küstenmanagement (ICZM)“

gestartet, um Stärken und Schwächen der bisherigen Problembewältigung zu dokumentieren. Es stell-

te sich heraus, daß folgende Tendenzen als Hauptursachen für küstenspezifische Probleme angese-

hen werden können:

Die zunehmende Urbanisierung und veränderte Bodennutzung, verbunden mit einer intensiven

Nutzung der natürlichen Ressourcen haben dazu geführt, daß eine Verringerung der natürlichen Le-

bensräume festzustellen ist. Infolgedessen muß man bereits von einer ökologischen, aber auch von

einer kulturhistorischen „Degradation“ der Küstengebiete sprechen. Gleichzeitig wächst der Nut-

zungsdruck auf die Küstengebiete, so daß die oft auf engem Raum miteinander konkurrierenden

Aktivitäten (Schiffahrt, Hafenwirtschaft, Industrie, Erholung, Fischerei, Aquakultur, Landwirtschaft,

Energienutzung, Entsorgung etc.) eine weitere Degradation bewirken und somit potentiell konflikt-

steigernd sind. Unter diesen Bedingungen wirken klimabedingte Risiken, wie sie in den nächsten

Jahren und Jahrzehnten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind, konfliktsteigernd. Den jüngs-

ten Forschungen zufolge werden die Klimaveränderungen ein Ansteigen des Meeresspiegels um eini-

ge Millimeter pro Jahr (zusätzlich) sowie eine Zunahme der Häufigkeit und Stärke von Küstenstürmen

bewirken. Diese beiden Erscheinungen werden je nach lokalen Bedingungen unterschiedlich starke

Auswirkungen haben, doch wächst generell das Risiko von Sturmfluten bzw. immer höheren Sturm-

flutwasserständen. Die füher als „Jahrhundertfluten" angesehenen Pegelstände treten seit den 80er

Jahren in kurzen Abständen von nur wenigen Jahren auf. Dies gilt in ähnlicher Weise für die

Abflußspitzen vieler Flüsse, die in den Mündungsgebieten zusätzlich Überschwemmungsgefahren

hervorrufen. Für eine Analyse und Bewertung möglicher Risiken ist zudem von Bedeutung, daß spe-

ziell in Küstengebieten Prozesse vielfach ohne räumlich und zeitlich exakt angebbare Grenzen verlau-

fen. So können die im Schlamm von Mündungsgebieten eingelagerten Schadstoffe Jahre später aus-

gewaschen und über weite Entfernungen transportiert werden. Andererseits sind ökologische Schä-

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den oder Probleme, wie z.B. Verschmutzungen oder Rückgang der Artenvielfalt u.a. häufig Ergebnis

verschiedener Einflußfaktoren, z.B. aus Schiffahrt, Tourismus, Landwirtschaft etc. Das heißt, das Zu-

sammenspiel von Ursache und Wirkung ist nicht immer einfach und eindeutig nachzuvollziehen.

Aber es sind nicht nur Prozesse in der Ökosphäre von Bedeutung; ebenso spielen Sachverhalte in der

Anthroposphäre eine bedeutende Rolle. Hierzu gehört mit Sicherheit der in den letzten Jahren und

Jahrzehnten zu beobachtende Wandel der Einstellungen gegenüber der menschlichen Umwelt

(Umweltbewußtsein). Obwohl von dieser geänderten Einstellung zwar noch keineswegs auf ein ver-

ändertes Handeln geschlossen werden kann, schlägt sich diese veränderte Sicht bereits jetzt in inter-

nationalen und nationalen Gesetzen und Empfehlungen nieder und ist somit zumindest indirekt hand-

lungswirksam. Es soll an dieser Stelle nur exemplarisch auf die Empfehlung der Helsinki-Kommission

verwiesen werden:

„Bei der Planung des Küstenschutzes sind die Dynamik und die ununterbrochene Entwicklung

der Küste anzuerkennen und als natürlicher Prozeß zu akzeptieren und nur dann Küsten-

schutzmaßnahmen außerhalb von urbanisierten Gebieten durchzuführen, soweit Pläne für das

integrierte Management der Küstengebiete keine anderen Maßnahmen vorsehen (...), und (...)

überall dort, wo dies möglich ist, nicht urbanisierte Küstengebiete, die, bevor Dämme zur Land-

gewinnung errichtet wurden, regelmäßig überschwemmt wurden, durch den Rückbau der

Dämme oder durch Versetzung der Dämme ins Landesinnere wieder zu küstennahen Feucht-

gebieten zu renaturalisieren”.

Trotz dieser vielfältigen politischen wie administrativen Bemühungen werden „in der Praxis“ des Küs-

tenmanagements noch vielfältige Defizite bei der Umsetzung konstatiert. Einschlägige Studien, die

unlängst durchgeführt wurden, kommen zu folgender Schlußfolgerung: Die bestehenden Rechtsvor-

schriften und Instrumente sind zwar prinzipiell zufriedenstellend, jedoch weit davon entfernt, ihre volle

Wirksamkeit zu entfalten, da es zwischen den zahlreichen Akteuren, die einen Einfluß auf die Entwick-

lung der Küstengebiete haben, an Koordinierung fehlt.

Angesichts dieser skizzierten Problematik ist leicht nachzuvollziehen, daß sich seit kurzem auf euro-

päischer Ebene Bemühungen abzeichnen, das starke öffentliche Interesse am Schutz der Küstenge-

biete in die politischen Zielsetzungen zu integrieren und regionale bzw. nationale Planungsansätze im

Sinne einer nachhaltigen und gleichberechtigten Entwicklung dieser Räume abzustimmen. In mehre-

ren EU-Programmen (Umwelt- bzw. Forschungsprogramme wie LIFE, TERRA oder Regionalentwick-

lungsprogramme wie INTERREG IIC) werden Kooperationen angestrebt, um die gemeinsamen Prob-

leme der Küstengebiete (Schadstoffverbreitung, Touristenströme, Schiffssicherheit, Überfischung)

grenzübergreifend zu analysieren und Lösungswege zu finden.

Allerdings haben Erfahrungen aus den Umweltprogrammen sowie die Arbeiten im Bereich der Raum-

planung gezeigt, daß die nachhaltige Entwicklung im Verhältnis zur Tragweite und Komplexität der

Probleme in den Küstengebieten zu langsam vonstatten geht. Es bedarf also einer besonderen ge-

meinsamen Anstrengung der Union bzw. ihrer Mitgliedstaaten, um die Wirksamkeit der gesetzgeberi-

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schen Maßnahmen sowie der bestehenden Finanz- und Planungsinstrumente zu verbessern. Ein

erster Schritt in diese Richtung ist das „Europäische Demonstrationsprogramm ICZM“, dem drei Kern-

gedanken zugrundeliegen:

• Eine bessere Konzertierung der Akteure ist die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung. Sie

trägt zur Aufdeckung der Synergien oder Widersprüche bei, die sich aus den unterschiedlichen

politischen Maßnahmen ergeben und erleichtert die Akzeptanz erforderlicher Schlichtungsverfah-

ren. Kurz gesagt, sie stärkt das Verantwortungsbewußtsein der Akteure.

• Die Konzertierung selbst kann nur dann zustande kommen, wenn alle Beteiligten vollständige und

verständliche Informationen über den Zustand der Umwelt, die Ursachen von Umwelt-

veränderungen, die Auswirkungen der Strategien und Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen

sowie die bestehenden Optionen erhalten.

• Konzertierung muß in strukturierter und kontinuierlicher Weise erfolgen. Hierzu sind Instrumente

und Arbeitsmethoden unerläßlich, die den Dialog zwischen den Akteuren der unterschiedlichen

Sektoren sowie den ständigen Informationsaustausch zwischen den jeweils für ein Gebiet zustän-

digen Stellen, d.h. von der lokalen Ebene zur Gemeinschaftsebene und umgekehrt, gewährleis-

ten.

Was folgt aus diesen Überlegungen für die Konzeptionierung eines ICZM?

1. Beteiligung aller relevanten Entscheidungsträger bzw. Behörden auf nationaler, regionaler und

ggf. kommunaler Ebene, also aus den Bereichen

• Raum- und Regionalplanung,

• Wasser- und Abfallwirtschaft,

• Umwelt- und Naturschutz,

• Fischereiwirtschaft,

• Hafenwirtschaft,

• Seeverkehr,

• Tourismus und

• Energie.

2. Einrichtung eines Gremiums, welches die Interessen der bei einzelnen Fragestellungen betroffe-

nen Behörden und Interessensgruppen prüft und die Erörterung sowie Formulierung von Lö-

sungswegen vornimmt. Wir schlagen vor, dieses Gremium – hier als Küsten-Forum bezeichnet –

vornehmlich mit integrativen Aufgaben zu versehen und mit entsprechenden Kompetenzen aus-

zustatten.

Aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellung und der bislang nur vereinzelt vorliegenden Erfahrun-

gen gibt es für ICZM kein allgemein gültiges Konzept, zumal auch die regionalen bzw. kommunalen

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Besonderheiten angemessen berücksichtigt werden müssen. Dies betrifft sowohl die naturräumlichen

Bedingungen als auch die sozioökonomische bzw. –kulturelle Situation bzw. Tradition.

Als Voraussetzungen lassen sich dennoch einige Aspekte benennen:

• Bündelung vorhandener Kapazitäten und Ressourcen (personell, finanziell und politisch), um Ana-

lysen, Planungen und Monitoring von Management-Strategien durchzuführen,

• Einbinden von Öffentlichkeit, Industrie und Interessengruppen in die Vorbereitung und Durchfüh-

rung von Küstenmanagement-Prozessen,

• ICZM muß übergreifend im Hinblick auf administrative Grenzen ausgerichtet sein und das Küs-

tenhinterland sowie die Territorialgewässer (ggf. bis zur Grenze der ausschließlichen Wirtschafts-

zone) einschließen,

• Zuteilung von Ressourcen sowie Kontrolle von Verschmutzungen (Überlaufeffekte),

• Kompetenz, sich mit besonders schwierigen oder wichtigen Bereichen der Integration zu befas-

sen, z.B. Integration zwischen

• Küstenentwicklung und Küstenumweltschutz,

• Küstengewässer und Binnengewässer,

• Küstenland und Küstengewässer,

• Küstenmanagement und Fischereimanagement und

• nationalen, regionalen und lokalen Entscheidungsebenen.

• Es muß die Möglichkeit gewährt werden, finanzielle Mittel zu beschaffen und zu verteilen.

Hieraus wiederum lassen sich Arbeitsschritte sowie Informationen ableiten, die idealerweise für ein

ICZM benötigt werden (vgl. OECD 1993):

Analyse der natürlichen Raummerkmale und Prozessabläufe

− Fläche und Grenzen des betroffenen bzw. betrachteten Gebiets,

− hydro- und morphodynamische Küstenprozesse,

− Einflüsse und Einträge aus Flüssen und Einzugsgebieten,

− marine Ressourcen incl. Fauna und Flora (Arten, Species, Bioproduktion),

− Ressourcen für Erholung und Tourismus (Strände, Buchten etc.),

− geeignetes Land für industrielle und urbane Entwicklung und

− Trinkwasser-Ressourcen.

Analyse der Küsten-Ressourcen und deren Nutzung

− unbesiedeltes Land, einschließlich landwirtschaftlicher Flächen,

− natürliche Lebensräume (nach Typ und Ausdehnung) incl. Feuchtgebiete,

− Waldökosysteme und deren Nutzung,

− Nutzung von Wasser-Ressourcen (Oberflächen- und Grundwasser),

− Nutzung von Flüssen mit Erholungswert,

− kultur-historische und archäologische Stätten bzw. Einrichtungen,

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− Nutzung der Küstengewässer für Schiffahrt, Erholung, Abfallentsorgung fester und flüssiger

Stoffe und

− Kühlwasser industrieller Anlagen, Fischerei, Ölbohrungen etc.

Analyse der Impakts von wirtschaftlichen Aktivitäten

− Abfälle aus Produktionsprozessen,

− Siedlungsabfälle verursacht durch die Bevölkerung,

− Eintrag von Luftschadstoffen auf Küstengebiete und –gewässer,

− Abfälle von Verkehr und Schifffahrt,

− Abfälle aus der Fischerei sowie

− Impakts auf Lebensräume und Küstenprozesse als Ergebnis von Bebauung und Küsten-

schutzaktivitäten (Drainage von Feuchtgebieten, Buhnenbau etc.).

Wirtschaftliche Auswirkungen der Küstenzonenentwicklung

− Ökonomische Vorteile der Nutzung der Küstenzonen,

− Kosten von Infrastrukturinvestitionen,

− Kosten von Entwicklungsprojekten,

− laufende Kosten (Küstenschutz, Entwässerung, Naßbaggern, Säuberung von Ölverunreini-

gungen, Bergungs- und Abpumpeinrichtungen).

Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen ist das sog. „NORCOAST“-Projekt (im Rahmen des EU-

INTERREG IIC-Programms) zu erwähnen, in dem seit September 1998 die Nordsee-Anrainerstaaten

versuchen, ein entsprechendes ICZM-Konzept zu entwickeln. Hierbei werden der status quo des Küs-

tenmanagements und die positiven bzw. negativen Erfahrungen hiermit vergleichend beschrieben und

bewertet. Während in Europa die länderübergreifenden Bemühungen in Richtung ICZM langsam aber

stetig voranschreiten, können die USA und Kanada bereits konkrete Erfolge bei der Planung und Um-

setzung integrierter Strategien vorweisen. Die Bestandsaufnahme der OECD nennt stellvertretend für

die in Nordamerika erfolgreich durchgeführten Projekte die Fraser River Estuary Study sowie das

Chesapeake Bay Program (OECD 1993). Letzteres ist ein gelungenes Beispiel für die frühzeitige Ent-

wicklung eines integrierten Konzepts, in welchem Umweltschutz- und Nutzungsinteressen im größten

Ästuar Nordamerikas erfolgreich harmonisiert und realisiert werden konnten. Als Ende der 70er Jahre

diesem großen Brackwasser-Ökosystem und wichtigem Fischereigebiet wegen der hohen Schadstoff-

und Nährstoffeinträge der ökologische Kollaps drohte, wurde die Notwendigkeit einer regionalen Ko-

operation aller Anrainerstaaten und auch derer im Einzugsgebiet rasch erkannt. Auf Betreiben der

nationalen Umweltschutzbehörde (EPA) wurden entsprechende Gremien etabliert, denen es im Ver-

lauf von 12 Jahren gelang, einen tragfähigen Zustand der Chesapeake Bay wiederherzustellen, ohne

daß dauerhaft tiefgreifende Nutzungsbeschränkungen auferlegt werden mußten. Hieran wird gleich-

sam deutlich, daß ICZM eine „Politik des langen Atems“ erfordert.

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5.3 ICZM im Programm K&K

Angesichts der vielfältigen Bemühungen auf internationaler Ebene, die hier nur sehr verkürzt wieder-

gegeben werden konnten, scheint es in Bezug auf den deutschen Küstenraum durchaus einigen

Nachholbedarf zu geben. Betrachtet man vor dem Hintergrund der EU-Anforderungen die Ansätze

und Erfahrungen, die im Programm K&K gesammelt wurde, bleibt folgendes festzuhalten:

• Eine Analyse der natürlichen Raummerkmale und Prozeßabläufe wurde in mehreren Vorhaben

realisiert, meist in räumlicher und inhaltlicher Spezifikation und mit deutlichem Fokus auf die zu-

künftige klimatische Entwickung und deren Folgen. Eine umfassendere Analyse dieser Sachver-

halte war aber auch nicht intendiert, nicht zuletzt aufgrund der umfangreichen Untersuchungen

bspw. der Ökosystemforschung im Niedersächsischen und Schleswig-Holsteinischen Watten-

meer. Hier ist eine (mehr oder minder) geeignete umfassende Datenbasis vorhanden.

• Ähnliches gilt für die Analyse der Küsten-Ressourcen und deren Nutzung. Die bereits anderweitig

vorliegenden bzw. derzeit in Durchführung befindlichen Untersuchungen konnten fallweise durch

Vorhaben in K&K ergänzt werden.

• Gerade weil es im Bereich der naturwissenschaftlich-ökologischen Forschung eine Reihe von

Vorläuferuntersuchungen gegeben hat, wurde in K&K bwußt ein Schwerpunkt im Bereich der Ana-

lyse der Impakts von wirtschaftlichen Aktivitäten untersucht, wobei hier das Zusammenspiel mit

Auswirkungen eines Klimwandels im Vordergrund stand. Die Untersuchungen der IPCC-Case-

Study für den deutschen Küstenraum könnten hier eine sinnvolle Ergänzung erfahren, indem die

weiter oben genannten Sachverhalte nicht als gewissermaßen „abhängige Variablen“ (von einem

Klimawandel) aufgefaßt würden, sondern als „unabhängige Variablen“ für einen Impakt auf die

Küstenzonen angesehen werden.

• In ähnlicher Form wurden auch nicht die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Küstenzonenent-

wicklung (an sich) betrachtet, sondern die Konsequenzen eines Klimawandels für die wirtschaftli-

che Entwicklung. Die Ergebnisse der Verbundvorhaben in K&K (vgl. Kapitel 2.5) lassen in der

Hinsicht noch am ehesten Aussagen zu.

• Zusammengenommen wurden aber dennoch im Zuge der Arbeiten eine ganze Reihe von Infor-

mationen und Daten erhoben (vgl. die GIS-gestützte Datenbasis von AFFORD), die in aufbereite-

ter Form durchaus eine angemessene Basis für ein ICZM darstellen können. Konkrete Erfahrun-

gen allerdings mit ICZM-Prozessen – bspw. exemplarisch an einigen Standorten – wurden nicht

gesammelt; auch hier aber lassen die Ergebnisse der Verbundvorhaben KLIMU und „Fallstudie

Sylt“ relevante Einsichten erwarten. Im Verbundvorhaben „Klimawandel und Tourismus“ hingegen

konnten eine Reihe direkt verwertbarer Ergebnisse erzielt werden.

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6 Zusammenfassung und Ausblick

Wir kommen an dieser Stelle auf die eingangs („Einleitung“) aufgeworfenen Fragen zurück und versu-

chen ansatzweise, sie in möglichst knapper Form zu beantworten.

Die wesentlichen Ergebnisse des gesamten Programms können hier natürlich nicht wiederholt wer-

den, in seiner Gesamtheit betrachtet bleibt jedoch festzustellen, daß die Frage nach den möglichen

Folgen eines Klimawandels „regionalisiert“ wurde, und dies in mehrfacher Hinsicht. Zum einen wurden

wesentliche Verbesserungen in der regionalisierend verfahrenden Klimamodellierung erzielt, so daß

nun regionale bzw. kommunale Entscheidungen auf einer wesentlich verläßlicheren Basis erfolgen

können. Es hat sich auf der anderen Seite aber auch die Vermutung bestätigt, daß es auf regionaler

bzw. lokaler Ebene enorm schwierig ist, ein „Klimasignal“ von anderweitigen natürlichen und anthro-

pogenen Effekten abzugrenzen. Vertiefte Einsichten konnten darüber hinaus im Hinblick auf einzelne

Ökosystemkomplexe (Boddenküsten, Salzwiesen) gewonnen werden. Im Rahmen umfänglicher Meß-

programme (die allerdings nicht unbedingt in K&K intendiert waren) und Auswertungen wurden auf

diese Weise grundlegende Daten erhoben sowie Aussagen zu Klimaempfindlichkeit dieser Räume

abgeleitet. Auf diese Weise können die Ergebnisse der IPCC-Case-Study für die deutschen Küsten

(räumlich) spezifiziert werden. Die Fallstudien (Klimu, Fallstudie Sylt) sind zwar noch nicht abge-

schlossen, zeigen aber schon jetzt auf, daß die ökologischen und morphodynamischen Auswirkungen

erstens nicht so tiefgreifend wie angenommen erscheinen und zweitens in der öffentlichen Wahrneh-

mung und Diskussion von anderen gesellschaftlichen Themenfeldern schnell und umfassend überla-

gert werden. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die „Unsichtbarkeit“ eines Klimawandels bzw. die lang-

fristige Perspektive, in der klimatische Änderungen – und entsprechende Folgen – manifest werden.

In Kapitel 1 wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Prognosen des IPCC (globale Durchschnitts-

temperatur, Meeresspiegelanstieg usw.) in den letzten zehn Jahren modifiziert wurden. Grundsätzlich

kam es dabei zu einer Korrektur „nach unten“, d.h. die Folgen eines Klimawandels werden möglicher-

weise als nicht mehr so gravierend eingeschätzt. Die zunehmend bessere Qualität der (globalen) Kli-

mamodelle, bei denen z.B. der Einfluß der Aerosole auf die Temperaturentwicklung angemessener

berücksichtigt werden kann, ist hier als einer der maßgeblichen Gründe anzuführen. Keineswegs kann

allerdings von einer grundsätzlichen „Entwarnung“ gesprochen werden, denn die Ergebnisse der im-

mer weiter verfeinerten Klimamodelle können auch wieder in eine andere Richtung weisen, so daß

eine Korrektur „nach oben“ eigentlich nicht weiter erstaunen könnte. Erst kürzlich wurde in diesem

Sinne bekannt, daß Aerosole zwar grundsätzlich dämpfend auf die anthropogene Verstärkung des

natürlichen Treibhauseffektes wirken; wenn aber gleichzeitig der Aerosolgehalt der Atmosphäre auf-

grund neuerer Messungen gar nicht so hoch ist wie ursprünglich angenommen, ist die Wirkung dieses

physikalischen Effektes ebenfalls deutlich geringer. Aufgrund der Tatsache, daß – etwas überspitzt

formuliert – „täglich“ neue Ergebnisse bekannt werden (und dies lediglich Ausdruck „normaler“ wis-

senschaftlicher Entwicklung ist), ist man gut beraten, nicht nur den Abwieglern, sondern auch den

Warnern Glauben zu schenken. Dennoch ist auch bei den Vorhaben in K&K deutlich geworden, daß

erstens der Klimawandel auf der regionalen Ebene vermutlich nicht ganz so stark ausgeprägt sein

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wird wie zunächst vermutet. Die Untersuchungen der regionalen Luftdruckbedingungen und Windver-

hältnisse unter Annahme entsprechender CO2-Emissionsszenarien sowie die Entwicklung des Mee-

resspiegelanstiegs werden zwar aller Voraussicht nach außerhalb der natürlichen Entwicklung liegen,

allerdings ist es nach wie vor schwierig, natürliche und anthropogen bedingte Veränderungen diffe-

renzieren zu können. Auch hier spielt der Langfristaspekt sowie der Vorsorgegedanke eine bedeuten-

de Rolle, die es angezeigt erscheinen lassen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von signifikanten

Änderungen auszugehen. Zweitens ist es auf einer solchen Grundlage natürlich nicht einfach, die

möglichen Folgen von Klimaänderungen eindeutig zu bestimmen, zumal sich bekanntermaßen allge-

meine gesellschaftliche Entwicklungen und potentielle klimatische Veränderungen überlagern. Hier

also setzen sich die Fehlermargen der Klimaforschung bzw. –modellierung in der Klimafolgenfor-

schung fort, so daß lediglich die Zugrundelegung von bestimmten Annahmen und Szenarien sinnvoll

ist.

Welche Aussagen sind nun auf dieser Grundlage über den Komplex „Klima – Küste – Gesellschaft“

möglich? Das Aufzeigen der Interdependenz von Natur- und Anthroposphäre im Küstenbereich ist ja

Ziel des Programms K&K (gewesen), so daß an dieser Stelle die Ergebnisse der sozialwissenschaft-

lich orientierten Projekte resümiert werden. Man kommt nicht umhin festzustellen, daß zunächst na-

turwissenschaftliche Vorhaben und sozialwissenschaftliche Vorhaben voneinander isoliert durchge-

führt wurden. Dieses Vorgehen war insofern zielführend, weil bezüglich des Untersuchungsgegens-

tandes ein sehr unterschiedlicher Bearbeitungsstand vorauszusetzen ist: Während in den Naturwis-

senschaften eine recht lange Tradition in der küstenbezogenen Forschung festzustellen ist, die sich

u.a. in einer Vielzahl von Daten, Modellen und gesetzesartigem Wissen ausdrückt, ist dies bei den

Sozialwissenschaften nicht der Fall, denn diese haben sich erst spät (Mitte bis Ende der 80er) dem

Forschungsgegenstand „Umwelt“ überhaupt angenommen. U.a. aus diesem Grund ist der unter-

schiedliche Konkretisierungsgrad sozial- und naturwissenschaftlicher Resultate nicht verwunderlich,

und meistens mündete er in dem – nicht unberechtigten – Vorwurf der Unkonkretheit sozialwissen-

schaftlicher Forschungsbemühungen. Von daher hat man sich nach der vorgenommenen Be-

standsaufnahme (Bechmann et al. 1996) von den empirisch angelegten (Teil-)Vorhaben in der Ver-

bundprojekten weiterführende Erkenntnisse versprochen, die aber bislang nur in ersten Ansätzen

vorliegen.

Die eingangs gestellte Frage nach der Relevanz der Ergebnisse im Programm K&K für Umwelt- und

Klimapolitik erweist sich in dieser Form als nicht angemessen: Erstens sind im Programm K&K keine

klimapolitischen Aussagen angestrebt worden, weil der Forschungsraum sowie die dort lebende Be-

völkerung nicht der geeignete Bezugsmaßstab für Klimapolitik ist. Der Einfluß dieser Bevölkerungs-

gruppe auf das Ansteigen der CO2-Emissionen ist als marginal zu bezeichnen, weswegen für diese

Fragen eine internationale Perspektive sinnvoll ist. Aber unabhängig davon sind natürlich auch für den

norddeutschen Küstenraum Maßnahmen zum Umwelt- und Ressourcenschutz sinnvoll und aus all-

gemeinen ethischen Überlegungen heraus angebracht – nur läßt sich eine Engführung von Maßnah-

men auf den Klimaschutz schlecht mit den Zielen des Programms K&K verbinden. Zweitens ist es

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daher naheliegender, den Nutzen von K&K für die Gesellschaft eher im Bereich Küstenzonenmana-

gement zu sehen (vgl. Kapitel 4 bzw. den nachfolgenden Absatz).

Auch wenn keines der Vorhaben in K&K explizit auf die Erprobung und Weiterentwicklung eines

ICZM-Konzeptes ausgerichtet war, ist dies eine sinnvolle inhaltliche Perspektive im Hinblick auf eine

übergreifende Programmsynthese; aus diesem Grund wurde in Kapitel 4 auch relativ ausführlich auf

Grundlagen und Voraussetzungen eingegangen. Wenn man als Kernelemente eines ICZM-Prozesses

eine (a) umfassende, nach Möglichkeit GIS-gestützte Datengrundlage und (b) die Einbindung der

Öffentlichkeit (Bürger, Politik, Verbände, Administration etc.) in welcher Form auch immer (vgl. Beck-

mann & Keck 1999; Dienel 1992; Riesen et al. 1999) ansieht, wurden eine Reihe interessanter Ergeb-

nisse erzielt. Von Vorteil ist es nach unserer Auffassung, die Einbindung der Öffentlichkeit mit der

Durchführung empirisch orientierter Erhebungen sozialwissenschaftlicher Natur zu verbinden sowie

die Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeiten durch öffentliche und offizielle Stellen zu gewähr-

leisten (bspw. über einen begleitenden Forschungsbeirat). Gleichwohl sind aus unserer Sicht (mindes-

tens) drei Aspekte für die weitere Ausgestaltung bzw. Grundlegung von ICZM notwendig und daher in

nächster Zeit forschungsseitig zu bearbeiten:

1. Zielgerichtete und benutzerfreundliche Aufbereitung der in K&K erhobenen Daten und Informatio-

nen für die Zwecke eines ICZM.

2. Damit eng verbunden ist die Weiterentwicklung und Modifizierung eines hierfür notwendigen Me-

tadaten-Informationssystems um bspw. rechtliche und landesplanerische Aspekte (z.T. wurde mit

der übergreifenden Metadatenerfassung bereits begonnen).

3. Systematische Analyse und Aufbereitung der ICZM-Erfahrungen in Deutschland vor dem Hinter-

grund der europäischen und außereuropäischen Ansätze und Erfahrungen. Relevant ist in diesem

Zusammenhang die spezifisch deutsche Ausprägung von ICZM, die sich nur sehr zögerlich parti-

zipativen Ansätzen öffnet, obwohl im Ausland mit diesem Instrument bereits positive Erfahrungen

gesammelt werden konnten.

Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, daß im Programm K&K einige größere Verbundvorha-

ben noch nicht abgeschlossen sind bzw. die Ergebnisse noch nicht verfügbar sind. Da es sich hierbei

um insgesamt 4 umfangreichere Vorhaben handelt, ist ein endgültiges Programmfazit derzeit noch

nicht möglich (es handelt sich dabei um die Vorhaben: KLIMU, Salzwiesen & Dünen, Fallstudie Sylt

sowie – vor kurzem abgeschlossen – Klimawandel & Tourismus). Im Sinne eines Zwischenfazits soll

zumindest ansatzweise darauf hingewiesen werden, was für Ergebnisse prinizpiell zu erwarten sind:

In der Fallstudie Sylt sind zum einen fachspezifische Ergebnisse zu erwarten z.B. hinsichtlich der zu-

künftigen morphodynamischen Verhältnisse sowie der Wahrnehmung einer möglichen Klimaände-

rung. Zum anderen ist auf der Grundlage des WBGU-Ansatzes eine interdisziplinäre Vorgehensweise

weiterentwickelt worden, die sich auch für andere Zusammenhänge prinzipiell eignet. Schwerpunkt-

mäßig geht es dabei um die Entwicklung von Instrumenten, die die interdisziplinäre Arbeit wirkungsvoll

unterstützen und gleichzeitig eine systematische Datenrecherche und –verarbeitung ermöglichen. Im

Verbundvorhaben KLIMU steht die Analyse und Bewertung in erster Linie wasserwirtschaftlicher Aus-

wirkungen eines Klimawandels im Mittelpunkt sowie die damit verbundene zukünftige Regionalent-

wicklung. Auf dieser Grundlage ist die Ableitung einer Reihe von praktischen Maßnahmen möglich.

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Eher grundlagenorientiert ist die Ausrichtung des Verbundvorhabens Salzwiesen & Dünen. Hier wer-

den auf der Basis umfangreicher Meßkampagnen und Experimente Aussagen über die zukünftige

Ausdehnung und Struktur von Salzwiesen-Gesellschaften unter veränderten Klimabedingungen mög-

lich. Mit Sicherheit ist es auf dieser Grundlage denkbar, auch Hinweise für das Management von

Salzwiesen (Stichwort Vorlandmanagement) abzuleiten.

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