12
Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit e.V. Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen e.V. ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOSOZIALE PRAXIS UND FORSCHUNG KLINISCHE SOZIALARBEIT 1. Jg. Heft 1 September 2005 Themenschwerpunkt: State of the Art Editorial Günter Zurhorst Soziale Benachteiligung und psychosoziale Gesundheit Albert Mühlum / Helmut Pauls Klinische Kompetenzen. Eine Ortsbestimmung der Sektion Klinische Sozialarbeit Helmut Pauls Klinische Sozialarbeit und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Redaktion und Wissenschaftlicher Beirat Kooperationspartner Impressum Klinische Sozialarbeit – Infoseite 3 4 6 10 2 2 2 12 Inhalt Herausgeber

KLINISCHE SOZIALARBEIT - dgsa.de · Das IPSG ist anerkannte wissenschaftliche Einrichtung an der Fachhochschule Coburg, Mitglied im Paritäti-schen Wohlfahrtsverband und staatlich

  • Upload
    vudang

  • View
    214

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit e.V.Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Gesundheitswesen e.V.

ZEITSCHRIFT FÜR PSYCHOSOZIALE PRAXISUND FORSCHUNG

KLINISCHE SOZIALARBEIT

1. Jg. Heft 1 September 2005

Themenschwerpunkt: State of the Art

Editorial

Günter ZurhorstSoziale Benachteiligung und psychosoziale Gesundheit

Albert Mühlum / Helmut PaulsKlinische Kompetenzen. Eine Ortsbestimmung der Sektion Klinische Sozialarbeit

Helmut PaulsKlinische Sozialarbeit und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Redaktion und Wissenschaftlicher Beirat

Kooperationspartner

Impressum

Klinische Sozialarbeit – Infoseite

3

4

6

10

2

2

2

12

Inhalt

Herausgeber

Uwe Klein (Leitung)Dipl.-Sozialpädagoge (Universität Essen), Dipl.-Sozialgerontologe (Universität Kassel), Psycho-analytischer Familientherapeut, Fachsozialarbei-ter für Klinische Sozialarbeit (ZKS). Psycho-sozialer Koordinator im Krankenhaus Hedwigs-höhe, Abt. Psychiatrie und Psychotherapie,Berlin; Lehrtätigkeiten an der Alice-Salomon-Fachhochschule und der Katholischen Hoch-schule für Sozialwesen Berlin, 1. Vorsitzenderdes Kuratoriums der Zentralstelle für KlinischeSozialarbeit ZKS, Coburg. Vorstandsmitglied imBerliner Arbeitskreis für Beziehungsanalyse e.V.und in der Arbeitsgemeinschaft Beziehungs-analyse e.V. Arbeitsschwerpunkte: Familien-beratung und -therapie, Entwicklung gemeinde-psychiatrischer Versorgungsstrukturen, Klini-sche Sozialarbeit.

Silke Birgitta GahleitnerDipl.-Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin, Fach-sozialarbeiterin für Klinische Sozialarbeit (ZKS),Psychotherapeutin (A), Promotion in KlinischerPsychologie. Professorin für Psychologie imSozial- und Gesundheitswesen und KlinischeSozialarbeit an der Evangelischen Fachhoch-schule Ludwigshafen. Mitglied des Kuratoriumsder Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit ZKS,Coburg. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte:

Psychosoziale Beratung, Psychotraumatologieund Traumatherapie, Gender, Gewalt im sozialenNahraum, qualitative Forschungsmethoden.

Norbert Gödecker-GeenenDipl.-Sozialarbeiter, Klinik Königsfeld, Mitgliedim Kuratorium der Zentralstelle für Klinische So-zialarbeit ZKS, Coburg; 1. Vorsitzender der Deut-schen Vereinigung für Sozialarbeit im Gesund-heitswesen e.V. bis 2003; zahlreiche Veröffent-lichungen, u.a. zur Sozialen Arbeit im Kranken-haus und in der Rehabilitation, zu psychosozia-ler Beratung und zu Klinischer Sozialarbeit.

Gernot HahnDipl.-Sozialpädagoge und Diplom-Sozialthera-peut (Universität Kassel), Klinikum am Europa-kanal, Erlangen, Lehrtätigkeiten u.a. an derGeorg-Simon-Ohm Fachhochschule Nürnbergund im Masterstudiengang Klinische Sozial -arbeit der FH Coburg/Alice Salomon FH, 2.Vorsitzender des Kuratoriums der Zentralstellefür Klinische Sozialarbeit ZKS, Coburg. Arbeits-gebiet Sozialtherapie von Sexual- und Gewalt-straftätern und Drogendelinquenten sowie Re -sozialisierung psychisch kranker Straftäter. Der -zeit Promotion im Forschungsbereich 'ProtektiveFaktoren rückfallfreier Sexualstraftäter' an derUniversität Kassel.

Dipl.-Soz.päd. Kirsten Becker Universitätsklinikum Heidelberg

Prof. Dr. Peter Buttner Fachhochschule München

Prof. Dr. emer. Wolf Crefeld Evangel. Fachhochschule Bochum

Prof. Dr. Heike DechEvangel. Fachhochschule Darmstadt

Prof. Dr. Peter Dentler Fachhochschule Kiel

Prof. Dr. Brigitte Geißler-PiltzAlice-Salomon-Fachhochschule Berlin

Prof. Dr. Cornelia Kling-KirchnerHTWK Leipzig, Fachbereich Sozialwesen

Prof. Dr. Albert MühlumFachhochschule für Sozialwesen Heidelberg

Prof. Dr. Helmut Pauls Fachhochschule Coburg

Prof. Dr. Ralf-Bruno ZimmermannKatholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

Prof. Dr. Dr. Günter ZurhorstHochschule Mittweida

Herausgeber:Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit im Ge-sundheitswesen e.V. (v.i.S.d.P.) in Kooperationmit der Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit,Coburg, und der Deutschen Gesellschaft fürSozialarbeit e.V., Sektion Klinische SozialarbeitRedaktionsteam:Uwe Klein (Leitung)Norbert Gödecker-GeenenSilke Birgitta GahleitnerGernot HahnAnzeigenakquise:G. HahnRobert-Koch-Str. 9, 90766 FürthTel. 0175/276 1993L. Bales - DVSG-Geschäftsstelle, Kaiserstr. 42, 55116 Mainz Tel. 06131/222 422Anschrift der Redaktion:Redaktion "Klinische Sozialarbeit"Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit Berlinc/o Uwe KleinKrankenhaus HedwigshöheAbt. Psychiatrie und PsychotherapieHöhensteig 1, 12526 BerlinTel. 030/674 13021 Fax 030/674 13002Email: [email protected]:Ilona Oestreich, BerlinDruck:GREISERDRUCK GmbH & KoKG, 76437 RastattErscheinungsweise: viermal jährlich als Einlegezeitschrift im DVSG –FORUM sozialarbeit + gesundheitISSN: 1861-2466Auflagenhöhe: 2500Copyright: Nachdruck und Vervielfältigen, auchauszugsweise, sind nur mit Genehmigung derRedaktion gestattet. Die Redaktion behält sichdas Recht vor, veröffentlichte Beiträge ins Inter-net zu stellen und zu verbreiten. Der Inhalt derBeiträge entspricht nicht unbedingt der Mei-nung der Redaktion. Für unverlangt eingesand-te Manuskripte, Fotos und Datenträger kannkeine Gewähr übernommen werden, es erfolgtkein Rückversand. Die Redaktion behält sichdas Recht vor, Artikel redaktionell zu bearbeiten.

Zentralstelle für Klinische Sozialarbeit (ZKS)

Die ZKS verfolgt mit ihren Aktivitäten die Ent-wicklung einer anerkannten Klinischen Fach-sozialarbeit in Deutschland durch:

die Bereitstellung einer Internet-Plattform füraktuelle Entwicklungen die Anerkennung als FachsozialarbeiterIn fürKlinische Sozialarbeitdie Beratung und Kooperation bei der Ent-wicklung von Weiterbildungsangeboten undMaster-Studiengängen in Klinischer Sozialar-beitdie Förderung von Sozialarbeitsforschungund Sozialarbeitswissenschaftdie Unterstützung von Kooperationsstrukturenzwischen Praxis und Hochschule

Die ZKS wird vom IPSG – Institut für Psycho-Soziale Gesundheit – getragen, einer gemein-nützigen Einrichtung der Aus-, Fort- und Weiter-bildung, der psycho-sozialen Praxis und der an-wendungsbezogenen Forschung. Das IPSG istanerkannte wissenschaftliche Einrichtung an derFachhochschule Coburg, Mitglied im Paritäti-schen Wohlfahrtsverband und staatlich aner-kannter freier Träger der Jugendhilfe.

Die Berliner Zweigstelle der ZKS ist amKrankenhaus Hedwigshöhe, einer Einrichtungder Gesellschaften der Alexianerbrüder angesie-delt.

Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit e.V.,Sektion Klinische Sozialarbeit

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialarbeit (DGS)vertritt die Sache der Sozialen Arbeit in derWissenschaft, in der Ausbildung und als Praxis;insbesondere durch:

die Verbreitung von Erkenntnissen über dieUrsachen und Folgen sozialer Probleme undüber die Möglichkeiten der Sozialarbeit zurLösung dieser Probleme

die Förderung des wissenschaftlichen Nach-wuchses in der Sozialarbeitdie Anregungen zur Schaffung und Weiterent-wicklung von Studiengängen und Inhalten imtertiären Bildungsbereichdie Pflege der internationalen Beziehungen inder Sozialarbeit.

Diese Zielsetzungen werden in Arbeitskreisenund Sektionen u.a. verwirklicht durch die Durch-führung von interdisziplinären Kolloquien, Kon-gressen und Symposien, die Entwicklung undVertiefung evaluativer Ansätze und empirischerForschung sowie die Förderung und Veröffent-lichung von eigenständigen Ansätzen und For-schungsvorhaben.

Innerhalb der genannten Zielsetzungen verstehtsich die "Sektion Klinische Sozialarbeit" als Dis -kursgemeinschaft und als Motor zur Professio -nalisierung dieser Fachsozialarbeit.

Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit imGesundheitswesen e.V.

Die Deutsche Vereinigung für Sozialarbeit imGesundheitswesen e.V. (DVSG) ist ein Fachver -band, der die Sozialarbeit im Gesundheitswesenfördert und dazu beiträgt, Soziale Arbeit in ver -schiedenen Arbeitsfeldern des Gesundheitswe-sens zu stärken und weiterzuentwickeln durch:

die stärkere Einbeziehung sozialer Aspekte indie medizinische Behandlung und Rehabili -tationdie Förderung der Qualität der Sozialarbeitdurch Richtlinien, Standards, Forschungsvor-habendie Förderung des fachlichen Austauscheszwischen Forschung, Lehre und Praxisgesundheits- und sozialpolitische Positionsbe-stimmungen und Stellungnahmen sowiePolitikberatung die Herausgabe einer Fachzeitschrift, Ausrich-ten von Fachtagungen und Kongressen, Fort-und Weiterbildungen und Öffentlichkeitsarbeit

Impressum

Redaktion

Kooperationspartner

Wissenschaftlicher Beirat

Infoseite

2 KLINISCHE SOZIALARBEIT 1(1) / 2005

Editorial

linische Sozialarbeit, verstan-den als eine in unterschiedli-

chen Feldern des Gesundheits- undSozialwesens beratende und thera-peutisch behandelnde Profession,markiert einen der Brennpunkte ge-genwärtiger professioneller Entwick-lungen von Sozialer Arbeit.

Geschichte, Begrifflichkeit undPraxis einer Klinischen Sozialarbeitumfassen dabei einen nationalen wieinternationalen Bogen, der von der„Sozialen Diagnose“ (Salomon 1926)über das „Clinical Social Work“ (Gold-stein 1996) und die „Therapeutisie-rungs-Debatte” (Neue Praxis-Sonder-heft 1978) bis hin zur „Ortsbestim-mung Klinischer Kompetenzen“ (Pauls/Mühlum, in diesem Heft) reicht.

Erklärend sei hinzugefügt, dass dergriechische Begriff „klíne“ ursprüng-lich das Lager, das Bett bezeichnete,die „klínike téchne“ bildete die „Heil-kunst für bettlägerig Kranke“. DerGebrauch des Begriffs „klinisch“erstreckte sich in Wissenschaft undHeilkunde später generell auf die the-rapeutische Behandlung von Men-schen und löste sich von dem Bild desKrankenbettes und Krankenhauses.Insofern geht es auch der KlinischenSozialarbeit um die Herausstellungeiner (Heil-) Kunst des psychosozialenHelfens, unabhängig vom Setting.

Die aktuelle Diskussion – wesentlichgeführt und getragen von der Zentral-stelle für Klinische Sozialarbeit, Co-burg, der Deutschen Gesellschaft fürSozialarbeit e.V., Sektion KlinischeSozialarbeit sowie der Deutschen Ver-einigung von Sozialarbeit im Gesund-heitswesen e.V. – setzt auf eineBegründung und Weiterentwicklungvon Praxiskompetenzen, von Sozial-arbeitsforschung und Sozialarbeits-wissenschaft.

Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Grundverständnis von Ge-sundheit, Störung und Krankheit liegtder Fokus Klinischer Sozialarbeit aufeiner differenzierten psychosozialenDiagnostik, Beratung und Behandlungim Kontext der Lebenswelt der Klien-tInnen. Die „Person-in-ihrer-Umwelt“steht im Vordergrund, Klinische So-zialarbeit vertritt einen sowohl perso-nenzentrierten wie umweltbezogenenAnsatz. Zur „Direct Social Work Prac-tice“ (Hepworth et al. 2002) zählensomit auch familien-, netzwerk- undgemeinwesenorientierte Assessmentsund Interventionen.

Klinische Sozialarbeit findet ihrenOrt in psychosozial beratenden und

soziotherapeutisch behandelnden Ar-beitsbereichen, u.a. in der Kinder-,Jugend- und Familienhilfe, im Bereichder gemeindepsychiatrischen Versor-gung, in Krankenhäusern und Fachkli-niken, in der Suchtberatung, den ver-schiedenen Bereichen der Rehabilita-tion, der Altenarbeit und in bestimm-ten Bereichen der Straffälligenhilfe.

Klinische Sozialarbeit bedarf eineskontinuierlichen Austauschs zwischenTheorie und Praxis, mithin einer pra-xeologischen Wissenschaft (Crefeld,2002; Ortmann/Schaub, 2004). Damitist eine Handlungswissenschaft ge-meint, in der vorhandene sozialarbei-terische Theorien und Modelle, Theo-rien der Bezugswissenschaften unddie Reflexion und Evaluation derPraxis in einem diskursiven Prozessder anwendungsbezogenen Theorie-entwicklung integriert werden. Kli-nisch-sozialarbeiterisches Handelnkann sodann theoretisch begründetund praktisch weiterentwickelt wer-den, theoretische Reflexionen könnenzu einer Erweiterung der Handlungs-optionen führen: „Denken heißt über-schreiten.“ (Bloch 1985: 2)

Diese Zeitschrift soll einen Beitragzum Überschreiten leisten, durchBeiträge zu einer reflexiven Praxis(Schön 1987), die sich der Notwendig-keit einer theoretischen Unterlegungbewusst ist. Der aus ökonomischenGründen zunächst begrenzte Rahmenerfordert eine Fokussierung auf jeneder Redaktion und dem Wissenschaft-lichen Beirat aktuell wichtig erschei-nenden Themen; die Resonanz auf dieZeitschrift wird auch über ihre Weite-rungsmöglichkeiten mitentscheiden.

n der ersten Ausgabe möchten wirIhnen über drei Beiträge einen Ein-

stieg in die Thematik Klinischer Sozial-arbeit vermitteln.

Günter Zurhorst fragt in seinemArtikel „Soziale Benachteiligung undpsychosoziale Gesundheit“ nach derPosition Klinischer Sozialarbeit imKontext einer Gesellschaft, die aufunterschiedlichen Ebenen sozialeUngleichheiten produziert. Mit Blickauf das Konzept der WHO-Gesund-heitsförderung teilt er KlinischerSozialarbeit die Aufgabe zu, aus eineranwendungsbezogenen Erforschungder Entstehungs- und Verlaufsbedin-gungen chronisch-degenerativer Er-krankungen angemessene, den Abbausozialer Ungleichheit befördernde per-sonen-, gruppen- und setting-zentrier-te Behandlungsformen zu entwickeln.

Albert Mühlum und Helmut Paulsbetten in ihren Text „Klinische Kompe-tenzen” die historische Chance derStudienreform vom Diplom-Abschlusszum Bachelor und Master in eineStandortbestimmung von KlinischerSozialarbeit ein, indem sie die für dieAusbildung und Praxis notwendigenKompetenzprofile beschreiben.

Helmut Pauls stellt in seinem Artikel„Klinische Sozialarbeit und Kinder-und Jugendlichenpsychotherapie“ dieBedeutung von Sozialarbeit/Sozial -pädagogik als Basisqualifikation fürdie Ausübung des Berufs des Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutenheraus. Offensichtlich ist es aber trotzaller inhaltlich-fundierten Begründun-gen notwendig, die Zugangsmöglich-keit der Berufsgruppe der Sozial-arbeiter/Sozialpädagogen zur Ausbil-dung in Kinder- und Jugendlichen -psychotherapie im Rahmen derHochschulreform zu verteidigen undbezogen auf den „Master of Arts“ – inAblösung des Diplom als Zugang –einzufordern und festzuschreiben.

Abschließend hoffen wir, mit dieserZeitschrift ein kontinuierliches Tableaufür die weitere wissenschaftliche, for-schungs-, lehre- und praxisbezogeneWeiterentwicklung einer KlinischenSozialarbeit zu schaffen und Sie mitauf den Weg kontroverser und kon-struktiver Diskussionen zu nehmen.

Für die Redaktion:Uwe Klein

Literatur:

Bloch, E. (1985). Das Prinzip Hoffnung. Frank-furt: Suhrkamp.

Crefeld, W. (2002). Klinische Sozialarbeit – nurdes Kaisers neue Kleider? In Dörr, M. (Hg.), Kli -nische Sozialarbeit – eine notwendige Kontro -verse (S. 23-28), Hohengehren: Schneider.

Goldstein, E.G. (1996). What is Clinical SocialWork? Looking back to move ahead. ClinicalSocial Work Journal 24(1), 89-103.

Hepworth, D.H., Rooney, R.H. & Larsen, J.A.(2002). Direct Social Work Practice: Theory andSkills. Pacific Grove, CA: Brooks/Cole.

Neue Praxis Sonderheft (1978). Sozialarbeit undTherapie. Neuwied: Luchterhand.

Ortmann, K.-H. & Schaub, H.-A. (2004). DieBedeutung des Zusammenwirkens von Praxis,Theorie und Forschung für eine praxeologischbegründete Sozialarbeit. Neue Praxis – Zeit-schrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik undSozialpolitik, 598-607.

Salomon, A. (1926): Soziale Diagnose. In Salo -mon, A., Ausgewählte Schriften. Bd. 3: 1919-1948 (S. 255-314), München: Wolters-Kluwer.

Schön, D.A. (1987). Educating the ReflectivePractitioner. San Francisco, CA: Wiley & Sons.

K

I

1(1) / 2005 KLINISCHE SOZIALARBEIT 3

Der gesellschaftlicheRahmen der KlinischenSozialarbeit

Die Erkenntnis, dass Gesundheit undKrankheit in einer Gesellschaft un-gleich verteilt sind und einen sozialenGradienten aufweisen, ist nicht neuund geht mindestens in das 19.Jahrhundert zurück. Was jedoch inden heutigen westlichen industriali-sierten Staaten besonders ins Gewichtfällt und starke politische Leugnungs-und Verdrängungshaltungen auslöst,ist die nicht zu bestreitende Tatsache,dass alle Anstrengungen sozialstaatli-cher Programmatik zur Realisierunggesundheitlicher Chancengleichheit(selbst in der verdünnten Variante derChancengerechtigkeit) bisher geschei-tert sind (Siegrist 1995).

Das aktuelle und skandalträchtigeProblem liegt dabei in der fortgesetz-ten Ausweitung und Steigerung dessozialen Gradienten: Längst sind nichtmehr „nur“ soziale Randgruppen(„Weil Du arm bist, musst Du frühersterben“) betroffen, sondern alle sozia-len Schichten der Gesellschaft, undzudem handelt es sich zunehmend umKrankheiten, die chronisch-degenera-tiver Natur (wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatische Erkran-kungen, psychische Störungen) undvon dem dominanten akut- und bio-medizinisch ausgerichteten Gesund-heitssystem kaum beeinflussbar sind,wenigstens nicht im Sinne einerHeilung. Einerseits wird also eine stän-dige Zunahme der sozialen Ungleich-heitsverteilung chronisch-degenerati-ver Krankheiten über alle sozialenSchichten hinweg erzeugt, und ande-rerseits wird ein massiver Ausbau desbiomedizinisch ausgerichteten Ge-sundheitssystems betrieben, das je-doch kaum etwas zur Verminderungder vorhandenen gesellschaftlich rele-vanten Krankheitslast beitragen kann.

Auf dem Hintergrund dieses Span-nungsfeldes hat sich die KlinischeSozialarbeit in den letzten Jahren inDeutschland entwickelt. Man könnteauch sagen: Sie wurde wesentlichdurch dieses Spannungsfeld als wis-senschaftliche Disziplin auf den Plangerufen und in ihrer Notwendigkeitbegründet. Sie legitimiert sich da-durch, dass sie zum einen die Reduk-tion von Gesundheit und Krankheit aufbiomedizinische Engführungen über-windet und die psychosoziale Naturvon Gesundheit und Krankheit ernstnimmt, und dass sie zum anderendaran interessiert ist, die sozial be-dingte Ungleichheit von Gesundheitund Krankheit zu vermindern. Dies giltes ein wenig genauer zu begründen.

SozialepidemiologischeArgumente für dieKlinische Sozialarbeit

Hunderte von Statistiken und For-schungsarbeiten belegen die sozialeUngleichverteilung von Morbiditäts-und Mortalitätsraten in unserer Ge-sellschaft (Mielck 2000). Der interna-tional renommierte britische Sozial-epidemiologe Richard Wilkinson hatbei seinen Studien herausgefunden,dass die Gesundheit der Bevölkerungin den westlichen Industriestaatennicht mehr von der Höhe des Pro-Kopf-Einkommens abhängt, so dassfolglich eine Erhöhung dieses Ein-kommens auch nicht mit einer weite-ren Erhöhung der Gesundheit einher-gehen würde.

Vielmehr hängt die Bevölkerungsge-sundheit seit dem „sozialepidemio-logischen Übergang“ von massenhaf-ten Infektionskrankheiten zu chro-nisch-denegerativen Erkrankungenmit dem Ausmaß der Ungleichheits-verteilung des Einkommens zusam-men: Je ungleicher die Einkommens-verteilung, desto schlechter ist der

Gesundheitszustand der Bevölkerung.Das gilt auch umgekehrt: Je besser

der Gesundheitszustand ist, umsogeringer ist die Ungleichheitsver-teilung der Einkommen. Insofernbedeutet eine Investition in Gesund-heit eine Verbesserung der Einkom-menssituation. Gesundheit erscheintdamit als eine wichtige Ressource, dieauch ökonomisch von hoher Bedeu-tung ist, ein Zusammenhang, derunmittelbar zur sozialpolitischen Fragenach der Herstellung und Gestaltungvon Gesundheit führt.

Das Problem ist nun, wie solche kor-relativen Zusammenhänge von Ein-kommen und Gesundheit erklärt wer-den können. Hier den Satz zu bemü-hen, dass Armut krank macht, hilftnicht weiter, da es in Anbetracht dessozialen Gradienten zu begreifen gilt,wieso der Besserverdienende gesund-heitlich schlechter dasteht als derNoch-Besserverdienende. Auch dieBemühung der Selektionshypothese,der zufolge der Gesunde sozial auf-und der Kranke sozial absteigt, nütztwenig, weil „Längsschnittanalysen(zeigen), dass im kausalitätsermögli-chenden Zeitablauf ursprünglich Ge-sunde mit schlechten finanziellen undanderen sozio-ökonomischen Res-sourcen krank werden und dann,wenn sie krank sind, in berufliche undgesundheitliche Labilisierungsspiralengeraten, die ihr Einkommen und ihreGesundheit weiter verschlechtern“(Behrens 2001: 254).

Auch der Weg, den gemeinten Zu-sammenhang mit Wirkmechanismendes Versorgungssystems zu erklären,dürfte wenig erfolgversprechend sein,da z.B. internationale Vergleiche zei-gen, dass Staaten (wie z.B. USA undDeutschland) mit ihren sehr unter-schiedlichen Versorgungssystemendennoch keine unterschiedlichen Mor-biditäts- und Mortalitätsraten hervor-bringen.

Aus alledem zieht Wilkinson denempirisch erhärteten Schluss, dass dieFolgen wirtschaftlicher Faktoren vorallem durch psychosoziale Wirkungs-mechanismen weitergegeben werden.„Bedenkt man, dass die wirtschaftli-chen Faktoren die Risiken psychoso-zialer Schwierigkeiten verstärken –aber keineswegs deren einzige Ur-sache sind –, ist es durchaus möglich,dass der Zusammenhang zwischen

Soziale Benachteiligungund psychosozialeGesundheitGünter Zurhorst

1

2

4 KLINISCHE SOZIALARBEIT 1(1) / 2005

psychosozialen Faktoren und Gesund-heit stärker ist als zwischen materiel-len Faktoren und Gesundheit. Dassdies tatsächlich der Fall ist, legt nahe,dass psychosoziale Faktoren das wich-tigste Verbindungsglied zwischenmaterieller Benachteiligung und Ge-sundheit sind“ (Wilkinson 2001: 200f.).Die psychosozialen Einflüsse aufGesundheit treten also nicht an dieStelle materieller und ökonomischerFaktoren. Sie stellen vielmehr einender Wirkungsmechanismen dar, dieden Einfluss materieller Faktoren aufParameter wie Gesundheit, Körper-größe und soziale Mobilität erklärenund den Zusammenhang mit dersozialen Klasse vor Augen führen.

Wilkinson zufolge muss also die„Toxizität des sozialen Umfeldes undder Muster sozialer Organisationen“(2001, S. 28) detailliert in den Blickgenommen werden. Dies bedeutetz.B. – internationalen Forschungs-ergebnissen entsprechend –, „dass dieSorgen um Geld, Arbeitsplatz undWohnung in die häusliche Konflikt-situation hineinwirken, dass die nervli-che Anspannung größer ist und Elternüber geringere Reserven an Geduldund Toleranz verfügen. Der Mangel anGeld, Alternativen, Platz zum Spielen,an ausreichender Wohnfläche, umRaum für unvereinbare Familien-aktivitäten zu schaffen – kurzum derMangel an unterschiedlichen Ressour-cen (auch an Zeit) – bedeutet, dasswidersprüchliche Bedürfnisse undAnsprüche der Menschen aufeinanderprallen. Je enger die Grenzen gesetztsind, innerhalb derer eine Familiefunktionieren muss, desto wenigerAnsprüche können befriedigt werdenund desto mehr geraten die Interessender Menschen aneinander. Je kleinerdie Reserven sind, desto wenigerMöglichkeit besteht, unvorhergesehe-ne Schwierigkeiten, Unfälle, Umbrü-che oder Verluste zu überwinden. Jegrößer potenzielle Stress- und Kon-fliktquellen sind, desto mehr werdendas Familienleben und die sozialeUnterstützung in Mitleidenschaft gezo-gen. ... Eine schwedische Unter-suchung hat gezeigt, dass Differenzeninnerhalb der Familie während derKindheit mit einer mehr als 50prozen-tigen Steigerung der Sterberate beiMännern und Frauen im Alter von 30-75 Jahren korrelierten (Lundberg

1993). Die letztgenannte Unter-suchung zeigte zudem, dass dieSterberaten im Erwachsenenalterunter Menschen, die in ihrer KindheitStreit in der Familie erlebt hatten,höher waren als bei jenen, die als Kindwirtschaftliche Härten zu spürenbekommen hatten. In ähnlicher Weiseerkannte Power bei einer Kohorte von17.000 Menschen, die von ihrerGeburt im Jahre 1958 an beobachtetworden waren, dass die besteVorhersage über deren Gesundheit imAlter von 23 Jahren eine Verhaltens-beurteilung der 16Jährigen durch ihreLehrer war. Jene Jugendlichen, derenVerhalten von den Lehrern unterVerwendung der Verhaltensskala nachRutter als ‚abweichend’ angesehenwurde – die also ‚emotionale und ver-haltensbedingte Störungen’ zeigten –,schnitten bei Gesundheitserhebungenim Alter von 23 weitaus schlechter ab,selbst dann, wenn auch andere sozia-le und wirtschaftliche Faktoren mitbe-rücksichtigt wurden (Power et al.1991). Erkenntnisse wie diese über dierelative Bedeutung materieller undpsychosozialer Faktoren können ausProblemen mit der Messmethoderesultieren, wahrscheinlich zeigen siejedoch, dass die Folgen wirtschaftli-cher Faktoren vor allem durch psycho-soziale Wirkungsmechanismen weiter-gegeben werden“ (Wilkinson 2001:200).

Und hier dürfte die Klinische Sozial-arbeit diejenige Wissenschaftsdisziplinsein, die diesen Zusammenhängenzwischen “toxischen“ sozialen Struk-turen, Organisationen und Beziehun-gen einerseits und gesundheitlichenBelastungen andererseits im Einzelnennachspürt.

Die übergeordnete Zielsetzung wärenach Wilkinson eine „gesunde“ Gesell-schaft, die nach den vorliegendeninternationalen sozialepidemiologi-schen Erkenntnissen in erster Liniegekennzeichnet ist durch einen star-ken sozialen Zusammenhalt: „Betrach-tet man eine Reihe unterschiedlicherBeispiele für gesunde, soziale ausge-wogene Gesellschaften, so scheinensie alle ein wichtiges gemeinsamesMerkmal aufzuweisen – sie alle verfü-gen über sozialen Zusammenhalt. Siehaben ein ausgeprägtes Gemein-schaftsleben.

Das soziale Leben macht nicht vor

der Haustüre Halt, der öffentlicheRaum bleibt vielmehr ein sozialerRaum. Der Individualismus und dieWerte des Marktes werden von einersozialen Ethik eingedämmt. Die Men-schen engagieren sich mit größererWahrscheinlichkeit bei sozialen undehrenamtlichen Tätigkeiten außerhalbder eigenen vier Wände. Diese Ge-sellschaften verfügen über mehr soge-nanntes ‚Sozialkapital’, das wie einSchmiermittel für das Getriebe dergesamten Gesellschaft und Wirtschaftwirkt. Es gibt weniger Anzeichen anti-sozialer Aggressivität, die Gesellschafterscheint fürsorglicher. Kurzum, sieweisen eine bessere Sozialstrukturauf“ (Wilkinson 2001: 5).

Gesundheitswissenschaft-liche Argumente für dieKlinische Sozialarbeit

Es dürfte einsichtig sein, dass diesesProgramm einer Klinischen Sozial-arbeit sich von den Engführungen bio-medizinischen Krankheitsverständ-nisses freimachen muss. Denn wederkann die Biomedizin in nennenswer-tem Umfang einen Beitrag zur Vermin-derung sozial bedingter gesundheitli-cher Ungleichheit leisten, noch kannsie chronisch-degenerative Erkrankun-gen wirksam heilen, da diese wesent-lich lebensweisenabhängig sind. Be-nötigt wird folglich ein „bio-psycho-sozial-kulturelles Paradigma“ vonGesundheit, das es gestattet, denZusammenhang von (gruppenbezoge-ner) Lebensweise und Gesundheit inaller Breite zu konzeptualisieren.

Dies meint zum einen, dass gemäßder Gesundheitsdefinition der WHO(„Gesundheit ist der Zustand vollkom-menen körperlichen, geistigen undsozialen Wohlbefindens und nicht nurdie Abwesenheit von Krankheit undGebrechen“) nicht nur das körperlicheMoment, sondern auch das seelischeund soziale Moment von Gesundheitund Krankheit in ganzem Umfangbegriffen und einbezogen werdenmuss. Gerade das soziale Momentstellt keineswegs – etwa im Sinneeines bloßen Krankheitsfolgemodells– eine lediglich abhängige Größe vonkörperlichen Krankheiten dar, sondernist selber eine unabhängige Variable,so wie es bereits im Rahmen der„International Classification of Functio-

3

1(1) / 2005 KLINISCHE SOZIALARBEIT 5

Vorbemerkung

Das Papier nimmt Bezug auf die „Posi-tionsbestimmung Sozialarbeit undGesundheit“ (1998) mit der Betonungder Gesundheitsförderung und auf das„Plädoyer für Klinische Sozialarbeit“(2001), in dem die Notwendigkeit einerbesonderen Fachlichkeit für die Arbeitmit Menschen in besonders schwieri-

gen Beziehungs- und Behandlungs-kontexten begründet wird. Profil undEntwicklungsstand des internationalenClinical Social Work sind dafür weg-weisend, auch wenn es wegen unter-schiedlicher Systemvoraussetzungennicht direkt übertragbar ist.

Vielmehr wird ein eigenes Verständ-nis von Klinischer Sozialarbeit zugrun-de gelegt, das weder mit ‘Sozialarbeit

in Kliniken’ noch mit ‘Medikalisierungdes Sozialen’ gleichgesetzt werdenkann. Klinische Sozialarbeit – verstan-den als Beratung und Behandlung –wird vor allem durch methodischeKompetenzen bestimmt, die im Fol-genden skizziert werden.

Um Missverständnisse zu vermei-den sei betont, dass die KlinischeSozialarbeit keine neue Erfindung ist.Sie steht vielmehr in der Tradition derGesundheitsfürsorge und einer Per-spektive, die als „soziale Diagnose“und „soziale Therapie“ von den Pio-nierinnen formuliert wurde und nieganz verloren ging. Es handelt sichdabei um den Anspruch der berufli-chen Sozialarbeit auf ein eigenständi-ges methodisches Inventar zur Er-mittlung des Hilfebedarfs und zu wirk-samer Hilfe in prekären Situationen.Dies wird nun – fokussiert auf psycho-soziale Komplikationen – weiterentwi-ckelt.

ning“ (ICF) konzipiert worden ist(Mühlum/Gödecker-Geenen 2003).

Kranksein umfasst dort mehr als nurkörperliche oder psychische impair-ments: „Kranksein bezeichnet genau-genommen den Ausschluss von einergewünschten und für integritätsstif-tend angesehenen Teilhabe am alltäg-lichen sozialen Leben. OrganischeSchäden sind eine, aber nur eine undkeine hinreichende, mitwirkende Ur-sache, eine der unabhängigen Varia-blen dieser Teilhabebehinderung, eineandere unabhängige Variable ist diegesellschaftliche Reaktion auf dieseorganische Schädigung“ (Behrens2001: 256).

Das genannte Paradigma bedeutetzum anderen, dass es stets nicht nurum körperlich-seelisch-soziale Krank-heiten, sondern auch um körperlich-seelisch-soziale Gesundheitspotenzia-le geht. Die körperlich-seelisch-sozialePathogenese bzw. die „Toxizität“ desPsychosozialen ist durch eine entspre-chende Salutogenese (Antonovsky1997) zu ergänzen.

Die Frage, welche Handlungs-ansätze die Klinische Sozialarbeit zurVerfügung hat, um chronisch-degene-rative Erkrankungen zu beeinflussenund deren sozial bedingte Ungleich-heitsverteilung zu vermindern, kann

mit Blick auf das Konzept der WHO-Gesundheitsförderung (Naidoo/Wills2003) beantwortet werden.

Gesundheit und Krankheit sind nachdiesem Konzept wesentlich in psycho-sozialen und kulturellen Lebensweisen/Milieus der jeweiligen sozialen Grup-pen verankert (Wenzel 1986; Novak1996) und erfordern eine (Be-)Hand-lungsstrategie auf den verschiedenenEbenen (Person-Gruppe-Milieu-Orga-nisation-Politik). Klinische Sozialarbeithat folglich die Aufgabe, handlungs-theoretische Rekonstruktionen undstrukturtheoretisch beschreibbare Be-dingungen des Entstehens und Verlau-fes chronisch-degenerativer Erkran-kungen aufzuzeigen und sowohl füreinzelne betroffene Personen undPersonengruppen wirksame Behand-lungsformen (weiter) zu entwickeln(Pauls 2004) als auch mit Hilfe vonSetting-Projekten zum Abbau sozialbedingter gesundheitlicher Ungleich-heit besonders betroffener Bevöl-kerungsgruppen beizutragen (Zur-horst 2000).

Literatur:

Antonovsky, A. (1997). Salutogenese. Tübin-gen: dgvt-Verlag.

Behrens, J. (2001). Das Soziale in der Sozial-Epidemiologie. In Mielck, A. & Bloomfield, K.

(Hg.), Sozial-Epidemiologie (S. 246-263), Wein-heim/München: Juventa.

Mielck, A. (2000). Soziale Ungleichheit undGesundheit. Bern: Huber.

Mühlum, A. & Gödecker-Geenen, N. (2003).Soziale Arbeit in der Rehabilitation. München:Reinhardt .

Naidoo, J. & Wills, J. (2003). Lehrbuch derGesundheitsförderung. Gamburg: Conrad.

Novak, P. (1996). ‚Lebensweisen und Gesund-heit’. Ein Forschungsbeitrag zur Lebensqualität.In Troschke, J.v., Reschauer, G. & Hoffman-Markwald, A. (Hg), Die Bedeutung der OttawaCharta für die Entwicklung einer New PublicHealth in Deutschland (S. 72-82), Freiburg:druckwerkstatt. (Schriftenreihe der ‘Koordina-tionsstelle Gesundheitswissenschaften/PublicHealth’ in der Abteilung für MedizinischeSoziologie der Universität Freiburg. 6)

Pauls, H. (2004). Klinische Sozialarbeit. Grund-lagen und Methoden psycho-sozialer Behand-lung. Weinheim/München: Juventa.

Siegrist, J. (1995). Soziale Ungleichheit undGesundheit. Neue Herausforderungen an diePräventionspolitik in Deutschland. Zeitschriftfür Gesundheitswissenschaften 2, Beiheft, 54-63.

Wenzel, E. (1986). Die Auswirkungen vonLebensbedingungen und Lebensweisen auf dieGesundheit. In Bundeszentrale für gesundheitli -che Aufklärung (Hg.), Lebensweisen undLebensbedingungen in ihren Auswirkungen aufdie Gesundheit (S. 1-18), Köln: BzgA. (Euro-päische Monographien zur Forschung inGesundheitserziehung. 5)

Wilkinson, R. (2001). Kranke Gesellschaften.Wien/New York: Springer.

Zurhorst, G. (2000). Armut, soziale Benach-teiligung und Gesundheit. In Sting, S. &Zurhorst, G. (Hg.), Gesundheit und SozialeArbeit (S. 41-54), Weinheim/München: Juventa.

Klinische KompetenzenEine Ortsbestimmung derSektion Klinische Sozialarbeit

Helmut PaulsAlbert Mühlum

6 KLINISCHE SOZIALARBEIT 1(1) / 2005

Die Sektion Klinische Sozialarbeitunterstützt diesen Prozess, um dasfachliche Profil zu schärfen, und zwarsowohl im Interesse der Ausbildungund der Berufspraxis als auch derMenschen, die eine solche spezifi-sche Unterstützung benötigen.

Im Sinne einer pragmatischen Fest-legung werden zunächst Aufgabenund Kompetenzen benannt, die denklinischen Anspruch der SozialenArbeit verdeutlichen. Danach folgteine erste Bestimmung von Kompe-tenzlevels und deren Zuordnung zuStudienabschnitten bzw. Abschlüssen.Ohne der präziseren Bestimmung vonModulen und Standards vorgreifen zuwollen, an denen derzeit verschiedeneklinische Studiengänge arbeiten, soll-ten nach Überzeugung der Sektions-mitglieder Lehre und Praxis künftignicht hinter die hier formuliertenGrundsätze zurückfallen.

Aufgaben undZielgruppen

Von Klinischer Sozialarbeit wird ge-sprochen, wenn die Soziale Arbeit inBehandlungskontexten erfolgt, d.h.wenn sie an Behandlungsprozessenbeteiligt ist und eigene Beratungs- undBehandlungsaufgaben wahrnimmt.Ihre wichtigsten Adressaten sindKlienten und Patienten mit psychoso-zialen Problemen, wie sie u.a. inVerbindung mit psychischen Störun-gen, Behinderungen und chronischenErkrankungen auftreten.

Klinische Aufgaben gibt es dort, woMenschen missbraucht, verwahrlost,krank, misshandelt, behindert, alters-gebrechlich, in Krisensituationen oderin anderer Weise in psychosozialerNot sind, deren Belastung reduziertund deren Problembewältigungs-verhalten durch methodisch geleiteteEinflussnahme verbessert werden soll.

Dies ist ein wichtiger Indikator dersog. direct practice. Auch wenn dieTrennschärfe gegenüber der allgemei-nen Sozialarbeit nicht immer eindeutigist, bemisst sich die Notwendigkeitund Eigenart der klinischen Inter-vention zum einen an der Indikation(z.B. schwer zugängliche Person), zumanderen an der Vorgehensweise undIntensität der personalen Einfluss-nahme (z.B. Therapieverfahren) sowieschließlich am Nutzen für die behan-

delten Patienten (z.B. verringerterLeidensdruck).

Das klinische Handeln der Sozial-arbeiterinnen und Sozialarbeiter inDeutschland erfolgt in einem breitenSpektrum von gesundheitsrelevantenBeeinträchtigungen. Was sie auszeich-net, ist ihre besondere Qualifikation,mittels methodisch reflektierter psy-chosozialer Arbeit unterstützungsbe-dürftigen Menschen, Paaren, Familienund Gruppen zu einer besseren Le-bensqualität zu verhelfen.

Ihre Klienten sind z.B. psychischKranke und Menschen mit emotiona-len Störungen, Drogen- und Alkohol-abhängige, chronisch körperlichKranke und behinderte Menschen,Menschen mit familiären Problemenund in entwicklungs- und situations-bedingten Krisen, Aidskranke und ihreFamilien, Gewaltopfer und Gewalt-täter, dissoziale und straffälligeMenschen, traumatisierte Personen(z.B. nach Gewalterfahrung oderMissbrauch) und Menschen inVerlustkrisen. Die Bedürfnisse dieserMenschen nach Zuwendung und Un-terstützung, nach Aufklärung, Beglei-tung, Beratung und Behandlung ste-hen im Zentrum der Klinischen Sozial-arbeit.

Die klinische Akzentuierung derSozialarbeit kann, je nach Problemund Kontext, ambulant, teilstationärund stationär oder auch in Übergangs-einrichtungen des Gesundheits- undSozialwesens stattfinden, sie kann füreinzelne und für Gruppen angebotenwerden. Das gilt immer mehr auch fürethnische und kulturell benachteiligteSubgruppen, für deren Hilfe- undBehandlungsbedürfnisse ebenfalls einbreites Spektrum beratender und sozi-altherapeutischer Hilfen zur Verfügungstehen.

Wichtige institutionelle Arbeitsfel-der mit klinisch-sozialarbeiterischenAufgabenstellungen sind u.a. Psychia-trie, Rehabilitation, Akutkrankenhäu-ser, Beratungsstellen, Einrichtungender Straffälligenhilfe und der Behand-lung von Abhängigkeitserkrankungen,heilpädagogische Einrichtungen, Ein-richtungen der Kinder-, Jugend- undFamilienhilfe für Personen mit beson-derem Betreuungsbedarf, geriatrischeund gerontopsychiatrische Einrichtun-gen in all ihren Differenzierungen.

Kompetenz-Profil

Klinische Sozialarbeit bedeutet dieExpertenschaft für soziale bzw. psy-cho-soziale Beratung, Behandlung undIntervention (treatment). Grundsätzlichgehören dazu klinisch-sozialarbeiteri-sches Bedingungs- und Interventions-wissen und Handlungskompetenz aufder Basis methodisch geschulterFähigkeiten und Fertigkeiten, außer-dem Forschungskompetenz und eineethisch fundierte professionelle Iden-tität. Wie für jede sozialberuflicheAusbildung sind auch hier die Dimen-sionen Wissen, Können und Haltung(Knowledge – Skills – Attitudes) vonBedeutung.

2.1 Wissen

In einem generellen Sinne umfasstdies Erklärungswissen, Veränderungs-wissen und Wertewissen, d.h. zumeinen ein reichhaltiges faktisches undtheoretisches Wissen über diemenschliche Entwicklung, die Förde-rung der Gesundheit sowie die Gene-se und den Verlauf von Erkrankungen,die Lebensführung im Alltag und dasVerhalten in Belastungssituationen,zum anderen ein ebenso fundiertesWissen über Regeln, Strategien undTechniken psycho-sozialer Interven-tion und Hilfe bei Belastungen, Stö-rungen, Erkrankungen und Behinde-rungen verbunden mit Kenntnissenüber Kontexte und Bedingungen,unter denen belastende Lebensereig-nisse auftreten (z.B. Wissen, wieBeziehungen funktionieren).

All dies unter Einbeziehung derGender-Perspektive, weil der Menschnur als Mann oder Frau Gesundheitund Krankheit, Störung und Wohl-ergehen erleben und beeinflussenkann. Dies macht deutlich, dass zur kli-nischen Kompetenz auch ein Wissenum die – oft unterschiedlichen –Werte, Ziele und Prioritäten vonMenschen gehört, die mit der Leitideeder Würde des Menschen und mit kul-turspezifischen Vorstellungen voneinem gelingenden Leben in Bezug zusetzen sind.

Die kognitive Aneignung eines defi-nierten Bestandes von Wissen ist einezwar notwendige, aber keineswegshinreichende Bedingung für die Nutz-

1

2

1(1) / 2005 KLINISCHE SOZIALARBEIT 7

anwendung. Deshalb setzt klinischesHandeln die Einübung und situations-angemessene Anwendung der Kennt-nisse voraus, also Fertigkeiten, dieeine spezifische Handlungskompetenzbegründen, z.B. Assessment undDiagnose. Klinische Sozialarbeit erfor-dert die praktische Kompetenz, ein-schlägige Wissens- und Erfahrungs-bestände in der Begegnung mit Klien-ten anzuwenden, sowie die Fähigkeit,Unsicherheit und offene bzw. unerwar-tete Situationen (an-) zu erkennen unddamit umzugehen.

2.2 Können

Die Ausbildung theoretischer undpraktischer Kompetenzen KlinischerSozialarbeit bedarf einer sorgfältigentheoretischen Synopse und einesMethodenpluralismus auf der Grund-lage pragmatischer und wissenschaft-lich fundierter Handlungskonzepte, diegeeignet sind, einen orientierendenRahmen für einen Ansatz der Verände-rung der Person-in-ihrer-Welt (person-in-environment) zu geben. KlinischeSozialarbeit bedeutet also keine medi-zinische Engführung und auch keineTherapeutisierung, sondern betont dieAlltags- und Lebensweltorientierungim Sinne der (psycho-)sozialen Bera-tung und Behandlung, d.h. in ganzheit-licher Sicht auf die personale undsoziokulturelle Situation der Klienten.Auf dieser Grundlage lassen sich dieklinischen Kompetenzen in folgendenFähigkeiten und Fertigkeiten konkreti-sieren:

1. Fähigkeit zum Aufbau einer perso-nalen Arbeitsbeziehung zu Klientenund Patienten in schwierigen Lebens-lagen – einschließlich der Herstel-lung eines „informierten Behand-lungskonsensus“ mit den Klienten alsVoraussetzung für deren selbstbe-stimmtes Mithandeln (compliance).

2. Fähigkeit zur Etablierung ange-messener Rahmenbedingungen fürdiese Arbeit: zur Konkretisierungeines für den individuellen Fall geeig-neten Rahmens oder Settings, ein-schließlich der Bedingungen Ort/Zeit/Dauer/Frequenz, einbezogene Per-sonen, Umfeld, konkrete Handlungenund Strategien, Finanzierung.

3. Fähigkeit zur Abklärung (Assess-ment, Diagnose) und differenziertenpsycho-sozialen Indikations- undPrognosestellung, einschließlich Ab-grenzung und Einleitung notwendi-ger Maßnahmen anderer Fachdiszi-plinen (wie Psychiatrie, Psychologie,Pädagogik, Medizin, Recht, Pflege) –also Kooperation im multiprofessio-nellen Team.

4. Fähigkeit zur Auswahl und Anwen-dung (ggfs. auch Vermittlung) geeig-neter Beratungs- und Therapiever-fahren im Setting psycho-sozialerAnwendungen. Das sind z.B. ein-schlägige Formen der Gesprächs-führung, Krisenintervention und län-gerfristige sozialpädagogische sowiesozialtherapeutische Beratung, Be-handlung und Begleitung von Einzel-personen, Familien, Angehörigenund Gruppen. Dazu gehört auch dieFähigkeit, mit spezifischen Störungs-bildern angemessen umgehen zukönnen.

5. Fähigkeit zur Einbeziehung dessozialen Umfeldes mittels direkterund indirekter Interventionen, zumAufbau eines Netzes sozialer Unter-stützung und zur Integration des kli-nisch-sozialarbeiterischen Beitragesin das vorhandene professionelleBehandlungsnetz – verbunden mitder Fähigkeit zur fachgerechten inter-disziplinären bzw. multiprofessionel-len Kommunikation.

6. Fähigkeit zur Nutzung des Systemssozialer Sicherung im Gesundheits-bereich mit entsprechenden rechtli-chen, ökonomischen und sozialpoliti-schen Kenntnissen und Netzwerk-kompetenzen sowie wirtschaftlichem(d.h. ressourcenschonendem) Vor-gehen.

7. Fähigkeit zur Anwendung eineskompetenten Unterstützungs- bzw.Case Managements, gesundheits-dienlichen Sozialmanagements undklienten- bzw. patientenbezogenersozialer Anwaltschaft.

8. Fähigkeit zur empirischen For-schung im Hinblick auf Grundlagen,Methodik und Wirksamkeit klinisch-sozialarbeiterischer Interventionen.

Im Handlungsfeld angesiedelte Pra-xisforschung ist die Voraussetzungder Erfassung und Systematisierungvon psychosozialen Aktivitäten, ihrenKontexten und Ergebnissen. Dazugehört die Fähigkeit der Hypothesen-bildung, Datengewinnung und sach-logischen Interpretation der For-schungsergebnisse.

9. Fähigkeit zu prozessbegleitenderEvaluation, zur Entwicklung undHandhabung von Qualitätssiche-rungsmaßnahmen sowie zur Anwen-dung statistischer Methoden bei derVeränderungsmessung.

10. Insgesamt: Die Fähigkeit zur Be-ratung, Unterstützung und Behand-lung von Menschen in krisenhaftenSituationen im Sinne einer geplan-ten, zielgerichteten, theoriegeleitetenund methodenbewussten psychoso-zialen Arbeit.

2.3 Haltung

Neben Wissen und Können ist eineprofessionelle Haltung die dritte un-verzichtbare Kompetenzdimension.Sie muss „klinisch” sein in dem Sinne,dass der „sozialpädagogische Blick”geschärft und eine diagnostisch-thera-peutische „Awareness” zum Habituswird, ohne jedoch die Person zumObjekt zu machen. Dazu gehört dieWertschätzung jedes Patienten und dieÜberzeugung, dass die Förderung sei-ner Gesundheit und seiner selbstver-antwortlichen Entscheidung das wich-tigste Orientierungsmaß für den „Klini-ker” ist.

Sich dessen bewusst zu sein undimmer wieder um die Balance vonNähe und Distanz, Fachlichkeit undMitmenschlichkeit zu ringen, ist eineHerausforderung, die vor allem Selbst-reflexion und Selbsterfahrung voraus-setzt, z.B. im Hinblick auf die eigeneLebensgeschichte, eigene Erfahrun-gen mit Gesundheit und Krankheit, ei-gene Bewältigungsversuche im Um-gang mit Leid, Beeinträchtigung, Krän-kung und Verlusten – bis hin zumUmgang mit Sterben, Tod und Trauer.Fähigkeiten also, die eigene Person alsBestandteil des therapeutischen Pro-zesses einzubringen, zu verstehen undzu reflektieren.

8 KLINISCHE SOZIALARBEIT 1(1) / 2005

Vorschläge zurLevelbestimmung

Klinische Sozialarbeit wird sich nurüber nachprüfbare Kompetenzen undverlässliche Standards etablieren kön-nen. Diese setzen unverzichtbar einegeneralistische Grundqualifikation imersten Hochschulabschluss voraus,wie es der künftige Bachelor sein wird,auf dem dann die klinische Speziali-sierung im Masterprogramm aufbau-en kann.

Insgesamt sollten in Anlehnung andie internationale Ausbildung zumClinical Social Worker und unter Bezugauf die von Roscher/Sachs (1999) vor-geschlagene Systematik folgendeKompetenzstufen (= Levels) erreichtund nachgewiesen werden:

3.1 Grundständiges Studium (bisher: Vordiplom Level)

Im Rahmen der grundständigen Aus-bildung werden bis zum Vordiplomgrundlegende Kenntnisse (Theorie,Modelle) und Fertigkeiten (basic skills)vermittelt, die zur Fallarbeit und directpratice hinführen.

Dabei handelt es sich gerade nichtum „klinische“ Lehrveranstaltungen,sondern um einen integrierten Teil derallgemeinen Handlungslehre und Me-thodenausbildung (z.B. Kennenlernenvon Aufgabenstellungen und Arbeits-feldern, Gesprächsführung, Gruppen -arbeit, gemeindeorientierte Konzepte,(sozial-) psychiatrische Grundlagen,Beratungs- und Psychotherapiekon-zepte), die Grundkenntnisse undGrundfertigkeiten für den Sozialberufvermitteln. Dazu kommen sozialar-beitswissenschaftliche Grundlagen(Fachwissenschaft Soziale Arbeit) undtheoretische Beiträge der Nachbar-disziplinen (Bezugswissenschaften),die im Grundstudium vermittelt wer-den.

Im Hinblick auf klinische Kompeten-zen wird mit dem bisherigen Vor-diplom die Fähigkeit erworben, unterAnleitung an der Arbeit mit Klientenim Sinne der direct practice mitzuwir-ken und bei klar umschriebenen Auf-gabenstellungen zu assistieren. ErsteForschungserfahrungen werden inProjekten und Forschungswerkstättengesammelt.

3.2 Bachelor Level (bisher: Diplom Level)

Die Kompetenzstufe, die mit demDiplom- bzw. Bachelor-Abschluss er-reicht wird, begründet eine Basiskom-petenz für klinische Praxis, konkret:eine grundlegende Orientierung überdie Möglichkeiten und Formen derBeratung und Hilfe professionellerSozialarbeit für die eingangs genann-ten Personen und Gruppen: beson-ders gefährdete, belastete, gestörte,kranke und behinderte Menschen.Dazu gehören die einschlägigen theo-retischen Grundlagen der patienten-zentrierten Arbeit und die Befähigungzu ihrer praktischen Umsetzung aufder Basis klassischer Arbeitsformen(Methoden) und berufsethischer Wer-te. Fachkräfte auf dieser Ebene ver-fügen über forschungsmethodischeGrundkenntnisse und sind in der Lage,empirische Daten bzw. Forschungs-ergebnisse auf die eigene Berufspraxiszu beziehen. Sie können im Rahmender Praxisevaluation auch geeigneteVorgehensweisen entwickeln und an-wenden.

Im Hinblick auf klinische Kompeten-zen vermittelt dieser Level die Basisfür die Arbeit mit weniger schwerbelasteten Klienten im Rahmen vonTeams berufserfahrener Kolleginnenund Kollegen, die fallberatend und kol-legial-supervidierend Unterstützungund Anleitung bieten können. Damitsind noch nicht die Voraussetzungenfür eine anleitungsfreie vollverant-wortliche Klinische Sozialarbeitspraxisbei Klienten mit erhöhtem Risiko undBedarf an spezialisierter psycho-sozia-ler Behandlung gegeben. (Für speziali-sierte eigenverantwortliche klinisch-soziale Fachkompetenz bedarf es sys-tematischer Fort- bzw. Weiterbildungund einschlägiger Supervision im Rah-men mehrjähriger Berufspraxis – ggf.mit Zertifizierung als Klinische Sozial-arbeiterin (ZKS) – oder eines (berufs-begleitenden) MasterstudiengangsKlinische Sozialarbeit, wie unter 3.3beschrieben).

3.3 Master Level

Die Kompetenzstufe des Masters bautauf einem ersten berufsqualifizieren-den Hochschulabschluss (Bachelor

oder Diplom) auf, der generalistischangelegt sein soll. Im Falle einesberufsbegleitenden „Weiterbildungs-masters” sind außerdem mindestenszwei Jahre einschlägige Berufspraxisnötig, bevor mit dem postgradualenMasterstudium (berufsbegleitend 5 bis6 Semester) begonnen werden kann.

Inhaltlich geht es u.a. um die wis-senschaftliche Vertiefung der sozialkli-nischen Methoden- und Forschungs-kompetenzen: Neben Theorien derSozialen Arbeit bilden sozial- undgesundheitswissenschaftliche, medizi-nische und (sozial-) psychiatrische, kli-nisch-psychologische und psychothe-rapeutische sowie medizinsoziologi-sche Theorie und Forschung die Basis.Hinzu kommen Selbstreflexion, Fall-verstehen und Selbstevaluation sowieangewandte Forschung. Sie sind –immer verknüpft mit der einschlägigenBerufspraxis – unverzichtbar Bestand-teile der Ausbildung zu einem theorie-geleiteten, methodensicheren Han-deln (Diagnostik, Therapie, Interven-tion). Ergänzt und abgerundet werdensie durch Organisationstheorie undManagementkonzepte, gesundheits-systemspezifische Rechtskenntnisseund ethische Reflexion klinischerProblemstellungen.

Im Hinblick auf klinische Kompeten-zen wird mit dem Master-Level dieFähigkeit erworben, spezialisierte kli-nisch-sozialarbeiterische Beratungund Behandlung (treatment) eigenver-antwortlich durchzuführen. Dazu ge-hört u.a., differentielles Vorgehen beispezifischen Aufgabenstellungen undZielgruppen theoretisch fundiert zubegründen und Koordinations- undLenkungsfunktionen beim KlinischenCase-Management zu übernehmen.

Klinische SozialarbeiterInnen sindauf diesem Level auch zur selbständi-gen empirischen Forschung (Beur-teilung und Durchführung von Stu-dien) i.S. eines „scientific practitio-ners“ befähigt. Die Arbeit auf dieserEbene erfordert weiterhin die beglei-tende (ggf. kollegiale) Supervision,zugleich sind die Kompetenzen diesesLevels Voraussetzung für Anleitungs-und Supervisionstätigkeit im Rahmender Ausbildung sozialarbeiterischerFachkräfte in klinischen Kontexten.

3

1(1) / 2005 KLINISCHE SOZIALARBEIT 9

ie Mehrheit der Kinder- undJugendlichenpsychothera-peutInnen hat vor ihrer Aus-

bildung in Deutschland Soziale Arbeitbzw. Sozialpädagogik studiert. Durchdas Psychotherapeutengesetz (PsychThG) von 1998 wurden zwei neue Heil-berufe (mit Approbation) geschaffen:der Psychologische Psychotherapeutund der Kinder- und Jugendlichen-psychotherapeut (KJP).

Der Heilberuf des KJP – Einschrän-kung auf den Altersbereich bis zum 21.Lebensjahr – ist für Diplom-Sozial-arbeiter/Diplom-Sozialpädagogen,Diplom-Pädagogen, Diplom-Heilpäda-gogen u.a. neben Diplom-Psycho-logen zugänglich. Mit der Konstruktiondieses gesonderten Heilberufes mitZulassung von Diplom-Sozialarbei-terInnen/Diplom-SozialpädagogInnenzur Approbation stellte der Gesetz-geber klar, dass er die lange Traditionbesonders der psychoanalytischenKinder- und Jugendlichenpsychothe-rapie („Psychagogen“), die zum über-wiegenden Teil auf der Grundlage desStudiums der Sozialarbeit/Sozialpäda-gogik etabliert worden ist, anerkenntund für unbedingt notwendig hält.Staatlich anerkannte und KV-ermäch-tigte Ausbildungsinstitute (Grundrich-tungen: Psychoanalyse, Tiefenpsy-chologie, Verhaltenstherapie) für KJPerfahren eine sehr hohe Nachfrageseitens der Diplom-Sozialpädago-gInnen – bei manchen Instituten sindes 90%.

Dies hat fachliche Gründe: Sozialpä-dagogInnen mit Hochschulabschlusswerden in ihrem Studium in großemUmfang mit Problemstellungen desKindes- und Jugendalters befasst. Sieleisten ihre Praktika oftmals in Ein-richtungen der Kinder- und Jugend-hilfe und erfahren dort u.a. die Not-wendigkeit der Integration psychoso-zialer Hilfen und psychotherapeuti-scher Behandlungen. Die im Sozialar-

beits- bzw. Sozialpädagogik-Studiumvermittelten „klinischen Kompeten -zen“ (vgl. Pauls/Mühlum, in diesemHeft; Pauls 2004) betonen die Inte-gration und Vernetzung der beraten-den, sozial- und psychotherapeuti -schen sowie pädagogischen Arbeit,die beispielsweise im Rahmen derElternberatung und Familienhilfe, derInterventionen im Alltag des Kindesbzw. Jugendlichen, der Kooperationz.B. mit Schulen und psychiatrischenEinrichtungen besondere Beachtungfinden. Heilsame Veränderung voll-zieht sich in diesem Altersbereich inbesonderes großem Ausmaß in einemfördernden Lebensfeld – eine Auf-gabenstellung Klinischer Sozialarbeit,liegen ihre spezifischen Stärken dochin der Arbeit mit besonders schwieri-gem, chronisch belasteter „hard-to-reach“-Klientel in „Multiproblemsitua-tionen“.

Psychotherapie ist offenkundig nichtDomäne einer Berufsgruppe. Bereitsdie Psychiatrie-Enquete von 1975 stell-te fest, dass nichtärztliche und nicht-psychologische Berufsgruppen, insbe-sondere die Sozialarbeiter/-innen bzw.Sozialpädagog/innen, an der psycho-therapeutischen Versorgung der Be-völkerung in Deutschland mitwirken:Sozialarbeiter/Sozialpädagogen „sindauf Grund ihrer speziellen beruflichenGrundausbildung ... sowie ihrer zu-sätzlichen berufsbegleitenden Weiter-bildung in analytischer Kinder- undJugendlichenpsychotherapie für diepsychotherapeutische Behandlungvon Kindern und Jugendlichen sowiezur Beratung von deren Eltern undanderen Beziehungspersonen qualifi-ziert“ (S. 298).

Ein integrierendes und kooperativesbio-psycho-soziales Verständnis zwi-schen Medizin, Psychologie undSozialarbeit war in Deutschland den-noch lange Zeit nicht gegeben. Seiteinigen Jahren wird erkannt, dass zum

Wohle der Betroffenen eine engeKooperation zwischen Kinder- undJugendhilfe, Kinder- und Jugend-psychiatrie und Kinder- und Jugend-lichen-Psychotherapie erforderlich ist(Fegert 2001). Dabei gewinnen sozialeDimensionen immer wieder auch pri-märe Bedeutung (Zurhorst 2000). Sowerden Maßnahmen wie intensiveEinzelfallhilfen, Beratung, Familienhilfebei schwer psychisch gestörten Kin-dern zunehmend in enger Zusammen-arbeit von sozialpädagogischen Fach-kräften, Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten und Kinder- undJugendpsychiatern durchgeführt.

Durch die Reform der deutschenHochschulen ist aber die bisherigeZugangsreglung zur Ausbildung vonKJP in Frage gestellt. Konnte sich bis-her jede SozialpädagogIn auf derGrundlage des Diploms für einenAusbildungsplatz zur KJP bewerben,wird durch Bachelor- und Master-studiengänge der Masterabschluss zurneuen Eingangsvoraussetzung für dieAusbildung werden. Hier entsteht aberangesichts der Diversifizierung sozial-arbeiterischer Masterabschlüsse dieFrage, welcher Masterabschluss mitwelcher Spezialisierung für Sozial-pädagogen maßgebend sein wird.

Für Psychologen wird im Rahmendes universitären Studiums ange-strebt, einen Master of Science (MSc.)„Klinische Psychologie/Psychothera-pie“ zu etablieren, der nach Ansichtärztlicher und psychologischer Ver-bände für die Zulassung zur Aus-bildung in Psychotherapie bei denLandesbehörden, die für die Ausbil-dung in Psychotherapie zuständigsind, verbindliche Zulassungsvoraus-setzung werden soll. Angesichts die-ser klaren und einheitlichen Positionder Psychologie sind Praxis, Verbändeund (Fach-)Hochschulen für dieSoziale Arbeit herausgefordert, derPolitik (insbesondere die zuständigenLandesbehörden) ein tragfähiges Profilder Zugangsqualifikation zu liefern,um eine Festschreibung des Uni-Masters in Klinischer Psychologie alsalleiniger Zugangsberechtigung zurAusbildung in Kinder- und Jugend-lichenpsychotherapie zu verhindern.

Das für Gleichstellung im Sinneeiner Äquivalenz mit dem „M.Sc. inKlinischer Psychologie“ notwendigeklinische Schwerpunktprofil eines

Klinische Sozialarbeitund Kinder- und Jugendlichen-psychotherapieHelmut Pauls

D

10 KLINISCHE SOZIALARBEIT 1(1) / 2005

sozialarbeiterischen Masterabschlus-ses mit den Kennzeichen Beratung/Be-handlung/Therapie in Theorie, Dia-gnostik und Interventionsmethodik,Forschung und Personaler Kompetenzwird in bereits akkreditierten und zumHöheren Dienst qualifizierenden Stu-diengängen mit dem Abschluss des„Master of Arts (M.A.)“ in „KlinischerSozialarbeit“ vermittelt (FH Coburg,ASFH-Berlin, KFH-Berlin). Weitere so-zialarbeiterische Masterstudiengängemit klinischen Schwerpunktsetzungen,auch wenn sie diese Bezeichnungnicht explizit führen (z.B. Beratung,Mental Health; z.B. FH Frankfurt, FHMünchen), könnten ggf. ebenfalls zurZugangsberechtigung führen, sofernsie die entsprechenden klinischenKenntnisse und Fähigkeiten in gefor-dertem Umfang vermitteln (u.a. Dia-

gnostik, klinische Forschungsmetho-den, Intervention, klinische Projekt-arbeit müssen voraussichtlich einenUmfang von 30 bis zu 40 ECTS haben).Die Zentralstelle für Klinische Sozial-arbeit (ZKS) arbeitet derzeit in Koope-ration mit der Sektion KlinischeSozialarbeit der Deutschen Gesell-schaft für Sozialarbeit (DGS) an inter-disziplinär anschlussfähigen Stan-dards für klinisch-sozialarbeiterischeKompetenzen auf unterschiedlichenLevels.

Kinder- und Jugendlichenpsycho-therapie würde als Profession ohne(sozial-) pädagogische und klinisch-sozialarbeiterische Kenntnisse undKompetenzen eine fachlich unvertret-bare Verkürzung erfahren. Die Klärungvon Erziehungsfragen, der Umgangmit Multiproblem-Familien, die Förde-

rung sozialer Integration und dieZusammenarbeit mit Einrichtungenund Trägern der Jugendhilfe sind drin-gende Erfordernisse in der Ausübungdes Berufes einer KJP.

Literatur:

Bundesminister für Jugend, Familie undGesundheit (1975). Bericht über die Lage derPsychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland.Zur psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Versorgung der Bevölke-rung. Bonn: Deutscher Bundestag. (Drucksache7/4200.)

Fegert, J. (2001). Ein schwieriges Verhältnis -Problemfelder in der Zusammenarbeit von Psy-chiatrie und Jugendhilfe. In 10. AGJ-Gespräch.Berlin, 15-31.

Pauls, H. (2004). Klinische Sozialarbeit. Grund-lagen und Methoden psycho-sozialer Behand-lung. Weinheim/München: Juventa.

Zurhorst, G. (2000). Armut, soziale Benachtei -ligung und Gesundheit In Sting, S. & Zurhorst,G. (Hg.), Gesundheit und Soziale Arbeit (S. 41-54), Weinheim/München: Juventa.

ANZEIGE

1(1) / 2005 KLINISCHE SOZIALARBEIT 11

Die Katholische Hochschule für Sozial-wesen Berlin bietet seit dem Sommer-semester 2004 einen postgradualen undberufsbegleitenden Studiengang der Kli-nischen Sozialarbeit an, der mit einem inter-national anerkannten Mastergrad (Master ofArts, M.A.) abgeschlossen wird. DerSchwerpunkt des Masterstudiums liegt inder kritischen Auseinandersetzung mitTheorien und Handlungskonzepten psycho-sozialer Versorgung von Menschen mit psy-chischen Erkrankungen, Behinderungenund in schweren psychosozialen Krisen. Dieinhaltliche Konzeption des Studiums orien-tiert sich an Handlungs- und Arbeitsfeldernder Sozial- und Gemeindepsychiatrie und -psychologie. Der Studiengang vermitteltein breites Methodenspektrum, das indivi-duell auf die gesundheitlich gefährdete,erkrankte oder behinderte Person in ihrerjeweiligen sozialen Lebenswelt abgestimmtwird und ist von einer engen Theorie-Praxis-Verzahnung geprägt. Der Studien-gang ist akkreditiert und berechtigt für dieLaufbahn zum Höheren Dienst.

Weitere Informationen: http://www.khsb-berlin.de/Klinische-Sozialarbeit/index.htm

Der berufsbegleitende MasterstudiengangKlinische Sozialarbeit der Alice-SalomonFachhochschule Berlin und der Fachhoch-schule Coburg befindet sich nun im 4.Durchgang. Studierende erwerben in sechsSemestern vertiefte Theoriekenntnisse,Handlungs- und Forschungsmethoden fürein komplexes Betätigungsfeld im Bereichder Beratung und Behandlung sowie psy-chopädagogischer Unterstützung in ambu-lanten, teilstationären und stationären Ein-richtungen. Zielgruppe sind vor allemschwer erreichbare, isolierte Menschen inKrisen, schweren Belastungen, psychi-schen und chronischen Erkrankungen inallen Lebensaltern. Die Absolventinnen undAbsolventen arbeiten an der Schnittstellezwischen sozialem, psychologischem, pä-dagogischem und medizinischem Bereich.Das Studium ist eingebettet in regelmäßigeForschungswerkstätten, Fachtagungen undinternationale Kooperationen, schließt mitdem akademischen Titel „Master of Arts“(M.A.) und befähigt damit auch zu qualifi-zierter Forschung, zur Promotion und zurLaufbahn für den Höheren Dienst.

Weitere Informationen: http://www.klinische-sozialarbeit.de, http://www.fh-coburg.de/sgcsw, http://www.asfh-berlin.de/index.php?id=85.

Pauls, H. & Mühlum, A. (2004). KlinischeKompetenzen. Eine Ortsbestimmung derSektion Klinische Sozialarbeit. In diesemHeft.

Geißler-Piltz, B. Mühlum, A. & Pauls, H.(2005). Klinische Sozialarbeit. München:Reinhardt - UTB. (Sozialarbeit im Gesund-heitswesen. 1.).

Pauls, H. (2004). Klinische Sozialarbeit.Grundlagen und Methoden psycho-sozia-ler Behandlung. Weinheim: Juventa.

Dörr, M. (Hrsg.). (2002). KlinischeSozialarbeit – eine notwendige Kontro-verse. Hohengehren: Schneider.

Gödecker-Geenen, N. & Nau, H.(Hg.).(2002). Klinische Sozialarbeit. Eine Posi-tionsbestimmung. Münster: Lit.

Sting, S. & Zurhorst, G. (Hg.). (2000).Gesundheit und Soziale Arbeit. Wein-heim: Juventa.

Weitere Hinweise unter: http://www.klinische-sozialarbeit.de (Rubrik: Forschung und Wissenschaft)

Studium und Ausbildung Literatur zum Einstieg

KLINISCHE SOZIALARBEIT

ANZEIGE