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Seite 11.2.1.2-1 Die Sicherheit von Flugtriebwerken Komponenten: Verdichter Schäden 11.2.1.2 Schäden im Verdichterbereich Die Vielzahl von Schadensmechanismen und Schäden, die in Verdichtern vorkommen können, wurden bereits in Band 1 und Band 2 behandelt oder Kapitel 12 dieses Bands. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht gegeben werden. - Fremdpartikel, Fremdkörperschäden (Band 1, Kapitel 5.2) · angesaugte anorganische Fremdkörper (Band 1, Kapitel 5.2.1) · Vogelschlag (Band 1, Kapitel 5.2.2) · Erosion (Band 1, Kapitel 5.3) · Korrosion (Band 1, Kapitel 5.4) - Wettereinflüsse (Hagel, Regen, Blitzschlag, Band 1, Kapitel 5.1) - Schwingverschleiß (Fretting, Band 2 Kapitel 6) - Spitzenspalte und Anstreifprobleme (Band 2, Kapitel 7) - Containment (Band 2, Kapitel 8) - Titanfeuer (Band 2, Kapitel 9) -Staubexplosion (Band 2, Kapitel 9) - Schwingermüdung (Schaufel- und Scheibenschwingungen, Kapitel 12.6.3) Dieses Kapitel betrachtet in erster Linie Schäden im Verdichterbereich, die im Zusammenhang mit Strömungsproblemen stehen bzw. gesehen werden können.

Komponenten: Verdichter Schäden - Turbo Consult · 2014. 2. 14. · Komponenten: Verdichter Schäden 11.2.1.2 Schäden im Verdichterbereich Die Vielzahl von Schadensmechanismen und

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  • Seite 11.2.1.2-1

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    11.2.1.2 Schäden im Verdichterbereich

    Die Vielzahl von Schadensmechanismen und Schäden, die in Verdichtern vorkommen können, wurdenbereits in Band 1 und Band 2 behandelt oder Kapitel 12 dieses Bands. Im Folgenden soll eine kurzeÜbersicht gegeben werden.

    - Fremdpartikel, Fremdkörperschäden (Band 1, Kapitel 5.2)· angesaugte anorganische Fremdkörper (Band 1, Kapitel 5.2.1)· Vogelschlag (Band 1, Kapitel 5.2.2)· Erosion (Band 1, Kapitel 5.3)· Korrosion (Band 1, Kapitel 5.4)

    - Wettereinflüsse (Hagel, Regen, Blitzschlag, Band 1, Kapitel 5.1)- Schwingverschleiß (Fretting, Band 2 Kapitel 6)- Spitzenspalte und Anstreifprobleme (Band 2, Kapitel 7)- Containment (Band 2, Kapitel 8)- Titanfeuer (Band 2, Kapitel 9)-Staubexplosion (Band 2, Kapitel 9)- Schwingermüdung (Schaufel- und Scheibenschwingungen, Kapitel 12.6.3)

    Dieses Kapitel betrachtet in erster Linie Schäden im Verdichterbereich, die im Zusammenhang mitStrömungsproblemen stehen bzw. gesehen werden können.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-1: Vedichterpumpen (Surge) undbegrenzte Verdichterbereiche mit Strö-mungsabriss (Stall) können zu einer Vielzahl vonSchäden im gesamten Maschinenbereich führen.Dieses Bild zeigt Orte typischer Probleme.

    Überhitzungen:

    Expandieren die Heißgase aus der Brennkam-mer in den hinteren Verdichterbereich(Bild11.2.1.2-2 und Bild 11.2.1.2-5) können dieVerdichterschaufeln der hinteren Stufen über-hitzt werden.

    Eine besondere Form der Überhitzung vonVerdichterrotor-Schaufeln tritt beim Pumpenein, wenn auf Grund der fehlenden Verdichter-strömung die eingebrachte Antriebsleistung vonder Turbine in den Verdichter nicht mehr konti-nuierlich aus dem Rotor abgeführt wird. “Quirl-verlust” und Reibungswärme heizen die Schau-feln auf (Lit 11.2.1.2-3). Die dünnen Profile undHinterkanten moderner Verdichterschaufeln zu-sammen mit Werkstoffen die eine schlechte Wär-meleitfähigkeit aufweisen (Titanlegierungen,Nickellegierungen) begünstigen Überhitzungenmit bleibendem Festigkeitsabfall. Die Bauteil-temperaturen können örtlich um mehrere hun-dert °C über die normalen Betriebstempe-raturen ansteigen. Bei Titanlegierungen musszusätzlich mit Versprödung durch Sauerstoff-aufnahme gerechnet werden.Für solche Überhitzungen sind erfahrungs-gemäß Versuchsverdichter besonders gefährdet.Diese erfahren entsprechend ihrer Aufgabe häu-figer Strömungsstörungen. Ihr Fremdantrieb(E-Motor oder Gasturbine) speist auch bei ei-nem Strömungsabriss weiter die volle Dreh-energie ein (Lit 11.2.1.2-3).

    Strömungsablösungen im Verdichter entstehen nicht nur ursächlich in diesem selbst, sondern werdenauch davor und danach ausgelöst. Hierzu gehören die vielen Effekte von Störungen in der Ansaug-strömung (siehe auch Kapitel 11.2.1.1) und Auswirkungen einer Druckerhöhung im hinterenTriebwerksteil (Brennkammer, Turbine, Nachbrenner, Schubumkehrer).

    Beispiel 11.2.1.2-1.1 (Lit 11.2.1.2-14):

    Zitat: „...(the OEM) is introducing hardwareand software modifications affecting almost1000...(big fan-) engines in service, in anattempt to cure a sporadic surge problem.

    In some cases, the problem has caused highpressure (HP) compressor blade fractures andwas implicated in the grounding oftwo...(aircraft)...the surges ...were the latest ina series of about 20 incidents affecting ...(dif-ferent aircraft types)...The initial fix restrictsthe opening of the variable inlet guide vanes by5°, to counteract a delay in vane closure duringengine deceleration at top climb. A longer-termsolution involves software changes to theelectronic engine control.

    According to an all-operators bulletin from...(the OEM)...the delay in closing the vanes isbeing caused by mechanical hysteresis in thevane-positioning system. Apart from an airflowsurge when the vanes are open further thanintended, resonance can occur in the fifth-stageblades at between 92% and 96.5% N2 (HPspool speed).

    Kommentar: Auf das Ausmaß dieses Problemsweist die große Anzahl der betroffenen Triebwer-ke hin. Aus den Angaben ist nicht klar, ob dieSchaufelblätter direkt vom Strömungsabriss zuderart großen Schwingamplituden angeregt wur-den, dass Schwingbrüche auftraten oder ob dieSchaufelbrüche als Folge der erwähnten Reso-nanz mit den Leitschaufeln zu sehen sind.

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    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Verdichter: - Kontakt Rotor/Stator - Schwingüberlastung der Schaufeln - Überhitzung der Rotorschaufeln durch "Quirlverluste" und/oder expandierende Heißgase aus dem Brennkammerbereich-Erosion durch abgelöste Partikel aus Verdichter und Brennkammer

    Hinterer Verdichterbereich: -Überhitzung der Beschaufelung durch nach vorn expandierende Heißgase aus der Brennkammer-Erosion durch abgelöste Partikel aus Verdichter und Brennkammer

    Turbine/Heißteile: - Überhitzung durch zu hohe TET und fehlende Kühlluft

    Ölsystem, Lagerung: - Ölfeuer durch Druck- stöße und erhöhte Lagertemperaturen

    Schaufeln, Gehäuse, Labyrinthe: - axialer und radialer Rotorversatz durch Druckstöße und fehlenden Achsschubausgleich

    Gehäuse/Schaufeln: - Gehäuseschwingungen mit Rotoranlauf - Ausbruch spröder Einlauf- und Wärmedämmschichten

    Hauptlager: _ Überlastung durch erhöhte Axial- und Radiallasten

    Schadensmechanismen durch "Verdichterpumpen"

    Überschall-Einlaufkanälekönnen durch einen vomPumpen ausgelösten"Hammershock" beschädigt werden (Bild 11.2.1.1-17) Bild 11.2.1.2-1

    Heißteile sind beim Verdichterpumpenbesonders überhitzungsgefährdet. Dabei ist dieÜberhitzungsgefahr während eines rotatingstall deutlich geringer als bei Pumpvorgängen.Wegen des extrem geringen Luftdurchsatzessteigt das Kraftstoff-Luft-Verhältnis extrem an.Zusätzlich erhalten die Heißteile weniger Kühl-luft. Entsprechend hoch sind die zu erwarten-den Übertemperaturen in Brennkammer undTurbine.Um den Überhitzungseffekt besser zuverstehen, kann man sich vor Augen halten,dass jeder Gewichtseinheit Luft, die amVerbrennungsvorgang teilnimmt, ca. 3 Ge-wichtsteile gegenüberstehen die nicht an derVerbrennung teilnehmen. Diese Luftmenge wirdfür ein zulässiges Temperaturniveau und einemöglichst gleichmässige Temperaturverteilungdes Heißgasstroms vor der Turbine und dieKühlung der Heißteile benötigt. Im Falle des

    Pumpens reicht die Luft gerade für die Verbren-nung.Nicht selten zeigt der HDT-Leitapparat direkthinter der Brennkammer kaum Überhitzungs-spuren. Dahinter ist aber die gesamteTurbinenbeschaufelung von extremer Überhit-zung zerstört (abgeschmolzen, Beispiel 11.2.1.2-1.2).

    Schwingbrüche der Beschaufelung:

    Während eines „rotating stalls“ oder einer ro-tierenden Instabilität (Bild 11.2.1.1-1) laufenSchaufeln durch die Störungszonen und wer-den zu hochfrequenten Schwingungen angeregt.Im Resonanzfall besteht dann die Gefahr vonSchwingbrüchen.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Die auslenkenden Kräfte bei Pumpstößen kön-nen so hoch sein, dass relativ wenige Last-wechsel LCF-Brüche der Beschaufelung aus-lösen. Typisch ist der Anriss mehrerer Schau-feln weil die extrem hohe dynamische Belas-tung zum sofortigen Anriss auch ohne beson-dere Schwachstellen führt (Bild 12.5.1-6, Bei-spiel 11.2.1.2-1.2).

    Erosion der Beschaufelung:

    Bei einem Pumpvorgang können Staubab-lagerungen, abplatzende Patikel von Einlauf-belägen und Oxide aus der expandierendenBrennkammer zu ungewöhnlicher Erosion füh-ren. Dies betrifft sowohl die Lage (z.B. Saug-seite und/oder in Fußplattformnähe) als auchdie Stärke des Abtrags.

    Kontakt von Rotorschaufeln und Leitappa-rat:

    Die Druckstöße können sowohl den Rotor alsauch die Schaufeln so weit axial auslenken, dasses zur „Interferenz“ der Stufen kommt (Beispiel11.2.1.2-3). Denkbare Folgen sind Anstreif-schäden, Kerben, Schaufelbruch und Titan-feuer.

    Biegeschwingungen des Rotors:

    Beim Pumpen kann die unsymmetrische Druck-verteilung am Rotorumfang zur Auslenkungund zu Schwingungen führen. Dabei sind hef-tige Anstreifvorgänge zu erwarten. Leitschau-feln können dabei die Rotortrommel schädi-gen (z.B. örtlich überhitzen; Band 2, Bild 7.1.3-5 und Bild 7.1.3-6), Rotorschaufeln können un-zulässigen Gehäuseausrieb (große Spalte) er-zeugen (Beispiel 11.2.1.2-1und Beispiel11.2.1.2-1.2 )

    Lagerschäden:

    Die extremen radialen und axialen Kräfte aufden Verdichterrotor bei den Pumpstößen so-

    wie Druckänderungen, die den erforderlichenAchsschubausgleich verhindern (fehlendeBelüftung), können Lagerüberlastungen indu-zieren. Zu erwarten sind z.B. Gewaltbrüche anHaltenasen der Lagerringe oder eine Schädi-gung der Laufbahn, die später zu Ermüdungs-ausbrüchen führt.

    Labyrinthschäden:

    Die Rotorauslenkung kann, ähnlich wie an denSchaufelspitzen, zu exzessivem Labyrinthaus-rieb führen. Typische Folgen sind Deteriorati-on (SFC-Erhöhung; Band 2,Kapitel 7.0 ) undschadensrelevant veränderte Lagerbelastung-en im Zusammenhang mit veränderten Drü-cken in den für die Axialkräfte des Rotors ver-antwortlichen Ringräumen.

    Ölfeuer (Band 2, Kapitel 9.2):

    Die während der Pumpstöße elastischen Ro-tor- und Gehäuseverformungen sowieUndichtigkeiten von Lagerkammerdichtungen(Labyrinthausrieb) können zu Ölaustritt füh-ren und so zur Gefahr eines Ölfeuers. Druck-stöße, wie sie bei Pumpvorgängen zu erwartensind, stehen im Verdacht Ölfeuer in Lager-kammern zu zünden.

    Ausbrechen von Beschichtungen in Gehäu-sen:

    Spröde Schichten (z.B. keramische Schichten)und/oder Schichten mit geringer Eigen- undHaftfestigkeit (z.B. Ni-Grafit-Einlaufschichten)können bei den elastischen Verformungen derGehäuse unter den Druckstößen ausplatzen.

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    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Abgeschmolzene HDT-Laufschaufeln und alle NDT- Lauf- und Leitschaufeln.

    nur leichtüberhitzteHDT-Leitschaufel

    Biegewechsel-Schwingbrüche in den Füßen einer Vielzahl von Verdichterschaufeln.

    Typische Folgen intensiven Pumpens.

    Beispiel 11.2.1.2-2.2 (Lit 11.2.1.2-13):

    Zitat: „...(The OEM) is modifying ...itspowerplants manufactured with reducedclearances in the rear stages of the high-pressurecompressor after finding that the newclearances could cause compressor stabilityproblems...powerplants manufactured withreduced clearances...are affected by themodification...the compressor problem hasbeen resolved by changing the clearances backto a previous clearance standard. The reducedcompressor clearances, which were based onsimulation and field data, were introduced intothe engine design earlier this year as onemodification in...an improvement package. Thereduced clearances were found to be the po-tential problem in May, when a ...(engine)

    incorporating the new clearances stalled duringground acceptance test...Subsequent tests andevaluations determined that the stall wascaused by compressor clearances that weretoo tight.“

    Kommentar: Erstaunlich ist, dass offenbar eineSpaltverkleinerung zur Strömungsinstabilität desVerdichters führte. Angenommen, der OEM stelltdiesen Vorgang nicht bewusst missverständlich dar,ließe er sich wie folgt interpretieren. Eigentlich wäredas Gegenteil zu erwarten. Es kann spekuliertwerden, dass die engen Toleranzen zu extremenselbstverstärkenden Anstreifvorgängen(Band 2, Bild 7.1.2-5) mit großem Abrieb undSchädigungen der Beschaufelung führten, die dannerst einen Strömungsabriss begünstigten.

    Beispiel 11.2.1.2-2.1 (Lit 11.2.1.2-19):Während des Steigflugs trat ein lauter Knall auf.Das Wartungspersonal fand lediglich

    Überhitzungsanzeichen an den HDT-Leitschaufeln(Nozzle). Die dahinter liegenden HDT-Rotor-schaufeln und alle NDT-Schaufeln warenteilweise abgeschmolzen. Schmelze afand sichin der Austrittsdüse. Eine große Zahl vonVerdichterschaufeln wies Schwingbrüche

    durch Biegewechselbeanspruchung auf. Diessind typische Merkmale für eine Kurzzeit-überlastung durch mehrere Pumpstöße (Bild12.2-18). Nach Protokollen waren diese bereitsam Tag vorher beim Hochfahren undBeschleuinigen auf Leerlauf aufgetreten. Danachwurde die vorgeschriebene Inspektion des Ver-dichters nicht durchgeführt.

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

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    Bild 11.2.1.2-2

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-2 (Lit 11.2.1.2-1, Lit 11.2.1.2-2):Beim “Verdichterpumpen” (engl. surge, sie-he auch Seite 11.2.1.1-5) handelt es sich umdie bekannteste Verdichterinstabilität. Es istein sehr energiereicher, nicht rotations-symmetrischer Vorgang (Lit 11.2.1.2-2) und alsniedrigfrequente Schwingung (5-30 Hz) wahr-nehmbar (Bild 11.2.1.3-3). Ursache ist ein sichmehrfach wiederholender Strömungsabrissauf dem gesamten Umfang. Typisch sinddetonationsartige Geräusche mit stoßartigenVibrationen der Maschine. Dieser Vorgang trittbeim Überschreiten der Pumpgrenze (Abreiß-grenze) ein. Der Mechanismus erklärt sich wiefolgt:Ähnlich wie beim rotierenden Strömungsabriss(engl. stall) entsteht eine örtliche Ablösezone,die sich jedoch über den gesamten Umfang aus-breitet und nicht umläuft. Kann der notwen-dige Verdichteraustrittsdruck nicht mehr er-reicht werden, ist die Folge ein Strömungsab-riss im gesamten Verdichter. Es entsteht eineDruckwelle, die mit Schallgeschwindigkeitzum Einlass läuft (Bild 11.2.1.2-3 und Bild11.2.1.2-4), wobei entweder kein Luftdurchsatzmehr stattfindet oder sogar eine Strömung zumEinlaß hin erfolgt,weil sich die Brennkammerdurch den Verdichter “stromauf” entleert (imExtremfall mit Flammenaustritt). Der nunabgefallene Druck bewirkt ein Anlegen derStrömung, sodass der Verdichter wieder för-dert. Ist ein Enddruck erreicht, der oberhalbder Pumpgrenze liegt, wiederholt sich der be-schriebene Vorgang so lange bis die Ursachefür die Strömungsablösung beseitigt ist.Es gibt jedoch auch den gefürchteten Fall ei-nes nicht auflösbaren Pumpvorganges, des so-genannten “Lock-in surge” (Bild 11.2.1.2-14).Dieser kann z.B. die Folge einer schwerenVerdichterbeschädigung durch einen Fremdkör-per oder durch den Ermüdungsbruch einerSchaufel sein. Aber auch eine fehlerhafte Re-gelung, die auf Druckschwankungen des Stallsfalsch reagiert, kommt als Ursache in Frage.Im Fall des Lock-in surge bei Rotating Stallim tiefen Drehzahlbereich, kann eine Unter-

    brechung der Kraftstoffzufuhr für zumindest1-2 Sekunden (“fuel blipping”) helfen. Reichtdies nicht aus, muss das Triebwerk abgeschal-tet und neu gestartet werden.Bei höheren Drehzahlen muss die äußere Um-gebung geändert werden. Typische Maßnahmensind änderungen der Schubdüsenposition oderdas Vermeiden einer Eintrittsstörung.Verständlicherweise führt ein lock-in surge zuextremen dynamischen Belastungen mit unter-schiedlichen Folgen:

    - Auslenkungen der Beschaufelung mit Gefahrder Interferenz von Rotor- und Statorschaufeln(„1“).

    - Schwingungsanregung der Schaufeln mitSchaufelbrüchen („2“).

    - Schwingungen des Rotors infolge unsy-metrischer Druckverteilung (Bild 11.2.1.2-3)mit gefährlichen Anstreifvorgängen.

    - Hohe Lagerkräfte in axialer Richtung durchden pulsierenden Druckabfall und Druckauf-bau (Bild 11.2.1.2-3).

    - Hohe Belastung der Triebwerksaufhängungdurch stoßartige Kräfte und Torsionsmomente(Bild 11.2.1.2-3).

    - Spaltveränderungen an Schaufelspitzen undDichtungen. Pulsierende Kräfte auf Rotor undGehäuse führen zu gefährlichen Anstreifvor-gängen. Entstehen große Radialspalte („3“)auf Grund des Ausriebs, wird die Pumpgrenzebleibend abgesenkt.

    - Überhitzung und Erosion der Schaufelhinter-kanten als Folge eines aus der Brennkammernach vorne expandierenden Gasstroms und/oder einer „Quirlströmung“ (Bild 11.2.1.2-5), die Antriebsleistung der Turbine in sehr in-effektiver Weise in Wärme umgesetzt.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-3 (Lit 11.2.1.2-2): Wie bereits inBild 11.2.1.2-2 beschrieben, geht Verdichter-pumpen mit starken Druckstößen einher. Die-se wirken in radialer und axialer Richtung aufRotor, Leitapparate und Gehäuse.Die Skizze oben zeigt typische Bauteile, die vonPumpstößen mechanisch hoch belastet werden:

    - Gehäuse

    - Verdichterbeschaufelung

    - Triebwerksaufhängung

    - Hauptlager

    Die Schockwelle bei der Entwicklung der Rück-strömung zum Verdichtereintritt beginnt in ei-nem Sektor,(Bild 11.2.1.2-4) der sich sehrschnell auf den ganzen Umfang ausdehnt. DemVorgang „Surge“ wird damit ein eindimensio-naler Charakter verliehen. Die Kräfte auf dieBauteile entstehen durch die anfängliche un-symmetrisch Verteilung zur Rotorachse.

    Die Diagramme zeigen Messdaten aus demHochdruckverdichter eines großen Fantrieb-werks.In Diagramm „1“ ist der statische örtlicheDruck im Verhältnis zum Gesamtdruck (statisch+ dynamisch) am Eintritt über der jeweiligenaxialen Position (Verdichterstufe) aufgetragen.Die durchgezogene Kurve repräsentiert den ty-pischen axialen Druckverlauf. Die gestrichel-te Linie kennzeichnet den Druckverlauf in dernach vorne sich ausbreitenden Schockwelle(Druckwelle). Der Druckverlauf nach demStrömungsabriss ist nahezu linear. Man er-kennt, dass z.B. in der 5.Stufe der Druck in derDruckwelle ca. doppelt so hoch ist wie derVerdichterdruck vor dem Strömungsabriss. Die-ser Druckunterschied ergibt in Abhängigkeitvon der Größe und Verteilung der Druckwelleam Umfang eine hohe Radialkraft, die denRotor auf Biegung belastet. Am Verdichter-

    eintritt ist der relative Druckanstieg (nicht derabsolute Druck) am größten (vergleiche auchunteres Diagramm).Das Diagramm „2“ zeigt den Druckverlaufwährend der „blow down“ Phase über der axi-alen Position (Bild 11.2.1.2-2). Nach ca. 5 Mil-lisekunden ist der Druckanstieg durch dieSchockwelle am höchsten und fällt dann schnellab. Bei 50 Millisekunden liegt der Druck in derSchockwelle bereits nahezu auf der gesamtenAxiallänge des Verdichters unterhalb der Drü-cke bei normalem Betrieb. Daraus erkenntman, dass die eigentlichen gefährlich starkenDruckstöße einen Zeitraum von 10 Millise-kunden überdecken.Aus dem Diagramm „3“ ist zu entnehmen, dassder Druckanstieg im Vergleich zum normalenBetriebsdruck am Eintritt besonders schnell ist.Mit diesen Angaben lässt sich grob auch aufmechanische Pumpbelastungen betroffenerKomponenten rückschließen.

    Bild 11.2.1.2-4: Entsprechend der Literatur11.2.1.2-2 werden Hinweise zur Abschätzungder Belastungen von Komponenten währendeines Pumpstoßes gegeben. Wer sich intensi-ver mit der Belastungsermittlung für einen kon-kreten Fall beschäftigen muss, dem wird emp-fohlen die angegebene Literatur zurate zu zie-hen.

    Gehäusebelastungen:

    Der Druckanstieg in der Schockwelle kann dieVerdichtergehäuse gefährlich hoch belasten. Erlässt sich grob aus den mittleren Diagrammenabschätzen. Dabei ist die Kraftverteilung (auchauf den Rotor) entsprechend der Ausbildungder Druckwelle komplex. Die Druckverteilunghängt von Einflüssen wie dem Oberflächenzu-stand der Schaufelblätter (Erosion), Spitzen-spaltgröße und -verteilung und dem „Muster“von Strömungsstörungen am Verdichtereintrittab. Allgemein kann festgehalten werden, dasseine gefährlich hohe unsymmetrische Kraftein-wirkung typischerweise bei Verdichtern großer

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    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Dru

    ck

    Zeit

    Verdichteraustritt

    Rückströmung

    erneuterDruckaufbau

    "Blowdown"

    Verdichtereintritt

    Verdichtermitte

    6

    axiale PositionAustritt der Stufe

    Einlass

    vor demStrömungsabriss

    Ort des aktuellenStrömungsabriss

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    nach demStrömungsabriss

    1 2

    Dru

    ck

    axiale PositionEinlass Austritt

    t = 5 mst = 25 ms

    t = 50 ms

    Strömungsabriss ("Stall")

    vor dem Strömungsabriss

    Axialkraft beiStrömungsabriss

    Schub

    Belastung derTriebwerksaufhängung

    Belastung derHauptlager

    Die Druckstöße beim Pumpen des Verdichters können zur mechanischen Überlastung von Triebwerkskomponenten führen.

    Verdichterbeschaufelung

    3

    Bild 11.2.1.2-3

    Fan-Triebwerke etwa während zwei Rotorum-drehungen anhält. Damit überschreitet sie deut-lich die Zeitspanne welche die Schockwellebenötigt, um sich nach vorne zum Verdichter-eintritt auszubreiten (Bild 11.2.1.2-2).

    Die Gehäusebelastung unter der Schockwelleist von der Gehäusegeometrie und dem zeitli-chen Anstieg des Schockimpulses abhängig.Die Impulszeit wird von der Ausbreitungs-

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Es wird empfohlen das Überdruckverhältnisam Splitter ohne Fan (Bypassverhältnis Null)zu ermitteln. Die Fortschrittsgeschwindigkeitim Fan kann über das Nebenstromverhältnis(engl. bypass ratio) ermittelt werden. Die so er-haltene Ausbreitungsgeschwindigkeit im Fanliegt etwas tief, weil die Schockwelle Zeit be-nötigt um aus dem Verdichter des Kerntrieb-werks ganz in den Fan zu expandieren. Die Kür-ze des Fan erlaubt es im Fan eine konstanteExpansionsgeschwindigkeit zum Eintritt hinanzunehmen.

    Auslenkung der Rotorschaufeln:

    Die zur Auslenkung der Rotorschaufeln (Bei-spiel 11.2.1.2-1 und Beispiel 11.2.1.2-2.1) wirk-same Kraft entsteht aus einem Zusammenspielvon Schockwelle und Rückströmung amSchaufelgitter. Eine exakte Berechnung derKräfte ist wegen der komplexen Vorgänge of-fenbar nicht möglich, so dass es gewöhnlichbei qualitativen Abschätzungen bleiben muss.Die Schockwelle wird teilweise an den Hinter-kanten der Rotorschaufeln reflektiert. Der an-dere Teil tritt durch das Gitter. Die Rotations-geschwindigkeit der Schaufeln verstärkt dieReflexion des Schocks. Die Reflexion ist weni-ger vom auftreffenden Schock selbst als vonden Geschwindigkeitsdreiecken an derSchaufelhinterkante abhängig. Typische Um-fangsgeschwindigkeiten moderner Verdichterliegen am Verdichtereintritt im Bereich derSchallgrenze. Damit sind Verstärkungsfaktorenvon 2,5 bis 3,0 denkbar. Bei modernen Trieb-werken liegen die Umfangsgeschwindigkeitenzum teil deutlich über der Schallgeschwindig-keit (450-480 m/s). Zu solche Bedingungenwerden in der bereits älteren Literatur (Anfangder 80er-Jahre) keine Angaben gemacht.

    Triebwerksaufhängung:

    Als Folge der Asymmetrie der Strömung be-lasten axiale Kräfte und Torsionsmomente dieTriebwerksaufhängung. Die Axialkraft desPumpvorgangs Fsurge (siehe hierzu Diagramm

    geschwindigkeit der Schockwelle und derVerdichterlänge beeinflusst. Obwohl der Surgegewöhnlich nicht von der letzten Stufe ausgeht,bezieht man die Kraftwirkung auf die gesamteVerdichterlänge. Der dadurch zu erwartendeFehler bei der Abschätzung der Impulszeit liegterfahrungsgemäß bei ca. 10%. Für die Kraft-wirkung beträgt der relevante Weg der Schock-welle maximal ca. 20-30% der Axiallänge desVerdichters. Dieser Weg hängt mit dem unter-schiedlichen Staffelwinkel (engl. stagger) vonRotor- und Statorschaufeln der Stufen zusam-men.Eine Abschätzung der Gehäusebelastung erfor-dert auch die Kenntnis der Fortschritts-geschwindigkeit der Schockwelle. Die Schock-Machzahl (relativ zur Machzahl des normalenLuftstroms) ist eine Funktion der Schockstärke.Diese wird vom lokalen Überdruck repräsen-tiert (Diagramm „4“). Diagramm „5“ gibt ei-nen Eindruck von der Ausbreitungs-geschwindigkeit der Schockwelle zumVerdichtereintritt. Die relative Machzahl liegtam Verdichteraustritt bei 1 und erreicht am Ein-tritt ein Maximum.Aus Diagramm „5“ lässt sich ersehen wie sichdie Machzahl („M“) der Schock-Fortschritts-geschwindigkeit über die Axiallänge des Ver-dichters ändert. So ist die Schock-Ausbreitungs-Geschwindigkeit vschock für jede axiale Positi-on mit der Beziehung

    vschock=( Mschock Rel-MFlow ). clokal

    abschätzbar. Weil die Schock-Machzahl etwaim gleichen Mass abfällt wie die Schallge-schwindigkeit (clokal = lokale Schallgeschwin-digkeit) nach hinten auf Grund der Temperatur-erhöhung ansteigt, ist vschock über die gesamteVerdichterlänge nahezu konstant gleich demWert am Eintritt. Daraus ergibt sich für die Zeitdes von der Schockwelle ausgelösten Druck-stoßes für jede axiale Verdichterposition

    tbelastung= Verdichterlänge/vschock einlass.

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    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    axiale Position im Verdichter (Austritt der Stufe)Eintritt Austritt

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    gsge

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    indi

    gkei

    t

    1,8

    1,6

    1,4

    1,2

    1,0

    axialer Verlauf der Mach Zahl

    Sch

    ock

    Mac

    h Z

    ahl

    norm

    alen

    Str

    ömun

    gsge

    schw

    indi

    gkei

    t

    Eintritts Überdruck ~p

    p

    2,2

    2,0

    1,8

    1,6

    1,4

    1,2

    1,00 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0

    Machzahl der Schockwelle am Verdichtereintritt

    Diagramme zur Abschätzung der mechanischen Triebwerksbelastung beim Verdichterpumpen.

    4 5

    Einlass-Überdruckparameterp

    p . M Einl1,28~

    FS

    urge

    c Ein

    l . m

    preS

    2,5

    2,0

    1,5

    1,0

    0,5

    00 1 2 3 4 5

    Axialkraft infolge Strömungsumkehr Fsurge

    Schallgeschwindigkeit am Einlauf cEin Massenfluss vor dem Pumpen mpreS

    6Bild 11.2.1.2-4

    „6“) berechnet sich aus den MasseströmenmpostS (nach dem Pumpvorgang, engl.postsurge), mpreS (vor dem Pumpvorgang, engl.presurge) und der mittleren Schallgeschwindigkeitc entsprechend der Beziehung

    FSurge = m preS . c (1- mpost S / mpreS )

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-12

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Schaufelspitzenmit Anlauffarben

    Boroskopunter-suchung einesVerdichters im

    Anlaufspur auf demRotor

    FSurge ist entgegengesetzt zur Reaktionskraft desSchubs nach hinten gerichtet. Es genügt einkonservativer Ansatz um das, aus der Asym-metrie des Pumpvorgangs entstehende Momentauf die Triebwerksaufhängung, abzuschätzen.Angenommen wird dafür, dass sich die Schock-welle auf dem halben Umfang verteilt hat. Soergibt sich ein Moment aus der halben KraftFsurge das im Mittelpunkt des Kerntriebwerksangreift.

    Hauptlager:

    In erster Linie werden die Festlager (Schub-lager) des Triebwerks von den Pumpstößenbelastet. Die auslegungsgemäßen Lagerkräfteergeben sich aus den Kolbenkräften auf Grundder Druckunterschiede an den Scheibenflächenund den Schaufelblättern (Band 2, Kapitel7.2.1). Ein Pumpvorgang bedeutet in erster Li-nie schnelle Druckunterschiede an denVerdichterschaufeln. Die Turbine ist durch diedämpfende Wirkung des Brennkammer-volumens weniger betroffen. Die Schockwelleist zu schnell, um durch die Dichtspalte hindurch(Labyrinthe) Drücke in den Ringräumen deut-lich zu verändern. Die resultierende Kraft er-gibt sich aus der Wirkung der Schockwelle aufdie Ringflächen und die Rotor- und Stator-schaufeln (Projektions-Querschnitte). Die soabgeschätzte, nach hinten wirkende, stoßartigeLast auf den Rotor entspricht etwa der halbenGesamt-Axialkraft aus dem Pumpvorgang.Diese Gesamtkraft ist deutlich höher als dieEinzelkraft von der Reflexion der Schockwellean einem einzelnen Schaufelgitter.

    Bild 11.2.1.2-5(Lit 11.2.1.2-2): Im Ablauf desVerdichterpumpens (Bild 11.2.1.2-2) kann eszur Rückströmung der heißen Brennkammer-gase in den Verdichter kommen. Damit ist eineÜberhitzung der Verdichterbeschaufelungwahrscheinlich. Die dünnen Kanten undQuerschnitte der Schaufeln moderner Ver-dichter zusammen mit der schlechten Wärme-leitung von Titanlegierungen und der auch

    Beispiel 11.2.1.2-3 (Lit 11.2.1.2-15):

    Zitat: „In a second emergency AD, anyengine surge from a ....(business jet engine)series must be followed up by an inspectionbefore the next flight....If the inspection revealsevidence of rubbing between the compressorrotor and the second stage stator vanes, theengine must be replaced.“

    Kommentar: Der Kontakt zwischen Verdich-ter-Rotorschaufeln und dem benachbarten Leitap-parat bei einem surge ist durch axiales Auslenkender Schaufeln und/oder des Rotors infolge derDruckstöße zu erklären.

    nicht besonders guten von Nickellegierungen(in den hintersten Stufen) begünstigt eine ge-fährliche örtliche Temperaturerhöhung. Beibesonders hohen Temperaturen sindGefügeveränderungen mit einem Festigkeits-abfall zu erwarten. Titanlegierungen könnenzusätzlich eine Versprödung durch Sauerstoff-aufnahme erleiden, was einen gefährlichen Ab-fall der Schwingfestigkeit erwarten lässt(insbesondere bei Fremdkörpereinwirkung).

  • Seite 11.2.1.2-13

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    lokale Abreißzone

    Druckwelle aus derBrennkammer nach vorne

    unsymmetrische Druckverteilungam Umfang (Pfeil)

    Betriebsbelastungen auf die Triebwerks-komponenten durch Verdichterpumpen

    Sehr energiereiche, niederfrequente, nicht rotationssymmetrische Impulse verursachen:

    Dynamische Belastungen auf Schaufeln, Wellen und Lager mit der Gefahr von Schäden durch Schwingermüdung und Interferenz der Schaufelreihen.

    Gehäuseverformungen

    Verformungen der Gehäuse und Rotorschwingungen lösen heftige Anstreifvorgänge aus. Der Aus- und Abrieb führt zu großen Spalten mit hohen Leckverlusten, was die Pumpneigungdes Verdichters weiter erhöht.

    Überhitzung der Verdichterbeschaufelung:

    Aufheizung durch Quirlverluste

    Aufheizung durch Expansion der Brennkammergase in den Verdichter

    Weitere Schädigungen:

    Erosion und Aufrauung der Schaufeln durch Verunreinigungen in den rückströmenden Gasen

    Brennkammerbereichwirkt als Druckspeicher

    Die Abreißzone breitet sich sehr schnell über den Umfang aus.

    Bild 11.2.1.2-5

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-14

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-6 (Lit 11.2.1.2-1): Als Folge derverringerten Wirkungsgrade in Gebieten mit ro-tierender Ablösung verschlechtert sich der ther-modynamische Kreisprozess einer Gasturbineunter Umständen gefährlich. In einem solchenFall lässt sich das Triebwerk nach dem Anlas-sen (siehe auch Bild 11.1-16) nicht mehr be-schleunigen, die Drehzahl stagniert (sog. „hän-gen bleiben“, engl. hang up, stall stagnation,stagnation stall). Gerät der Verdichter nachÜberschreiten der Abreißgrenze in den Bereichtertiärer Charakteristiken (Bild 11.2.1.1-6),verschlechtert sich der Kreisprozess des Trieb-werks extrem. Es kommt, unter Absinken derDrehzahl, zu einem rapiden Anstieg derTurbineneintrittstemperatur mit den entspre-chenden Überhitzungsproblemen. Moderne,schnell ansprechende (elektronischebzw.digitale) Regler können einen Über-hitzungsschaden abfangen indem sie denKraftstofffluss ausreichend und schnell genugreduzieren. Nun besteht die Möglichkeit, dassder Verdichter nach der Entdrosselung auf diePrimärcharakteristik zurückkehrt und dasTriebwerk kann normal beschleunigt werden.Falls jedoch der Verdichter in der tertiärenCharakteristik verbleibt, d.h. die Drehzahl solange absinkt bis ein neuer, sehr ineffizienterGleichgewichtszustand eintritt, muss das Trieb-werk abgestellt werden.Jede rotierende Ablösung bewirkt, dass dieSchaufeln eine leichte periodische Schwankungdes statischen und besonders des dynamischenDrucks beim Durchlaufen der Ablösezellenwahrnehmen. Die Frequenz dieser periodi-schen Druckstöße hängt von der Umlauf-frequenz des Rotors und der Ablösezellen so-wie der Zellenzahl (Skizzen oben) ab. DieDruckstöße verlaufen rechteckig BIS DREIE-CKIG (Skizze unten links) und enthalten des-wegen viele harmonische Anteile ihrer Grund-frequenz. Damit besteht eine erhöhte Wahr-scheinlichkeit, dass die Schaufeln in eine Reso-nanz mit einer ihrer Biege- oder Torsions-Eigenfrequenzen geraten. Als Folge sindSchwingbrüche im Blatt oder im Schaufelfußzu erwarten (Skizze unten rechts).

    Auswirkungen des rotierenden Strömungsab-risses:

    Begrenzte Strömungsablösungen und im Ex-tremfall ein Strömungsabriss des gesamtenLuftstroms können umfangreiche Schäden nichtnur im Verdichter selbst, sondern auch in vie-len anderen Bereichen des Triebwerks (z.B.Heißteile, und Lager) direkt und indirektauslösen.(Bild 11.2.1.2-1).Eine rotierende Strömungsablösung kannsich, wenn nur kleine Verdichterbereiche be-troffen sind, lediglich in einer geringen Ab-nahme des Luftdurchsatzes äußern. In die-sem Fall erfolgt kein merklicher schnellerTemperaturanstieg im Heißteil (Mild Stall,Cold Stall). Wirkt eine rotierende Strömungs-ablösung ausreichend lange auf dieVerdichterbeschaufelung ein, kann es zu einerunbemerkten Schädigung kommen. Im späte-ren betrieb kann dies zu spontanem, katastro-phahlen Versagen durch einen Schwingbrucheiner Verdichterschaufel führen.Beim Deep Stall liegt eine so große Ablöse-zelle vor, dass sich die Gasturbine nach demAnlassen nicht mehr beschleunigen läßt (hangup, Bild 11.2.1.2-7). Eine Drehzahlerhöhungist nicht mehr möglich, die Maschine bleibt“hängen”. Die Leistungsbilanz Verdichter-Tur-bine wird so schlecht, dass die Turbine keineausreichende Beschleunigungsenergie zuführenkann. Im Extremfall führt der Regler so vielKraftstoff zu, dass es zu unzulässigen Tempe-raturen am Turbineneintritt mit der unmit-telbaren Gefahr umfangreicher Überhitzungs-schäden kommt.Rotierende Ablösungen können zu Biege- undTorsionsschwingungen der Beschaufelungführen (Bild 11.2.1.2-10). Weil kleinere Ablöse-zungen bisher äußerlich nicht zu erkennen sind,können unbemerkt Resonanzschwingungenauftreten, die an den Bauteilen Ermüdungs-schäden (Schaufelbruch) auslösen.

  • Seite 11.2.1.2-15

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

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    Bild 11.2.1.2-6

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-16

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    PRÜFSTAND

    Für Besucher kein Eintritt während eines Laufs!

    Bild 11.2.1.2-7: Ältere Triebwerkstypen sindmit mechanisch/hydraulischen Kraftstoff-reglern ausgerüstet. Kommt es hier in der Start-phase oder im Zuge einer Betriebsbesonderheitwie ungünstiger Einlassströmung oder FODzum Verdichterstall sind die Heißteile,insbesondere die Turbinenbeschaufelungüberhitzungsgefährdet.Im dargestellten Fall wurde das Personal amPrüfstand bei einem Abnahmelauf abgelenkt,so dass eine zu schnelle Beschleunigung ein-geleitet wurde. Es kam zum Stall mit Strö-mungsablösung an ausreichend vielen Schau-feln (siehe Bild 11.2.1.2-6). Bei diesem, als„hang up“ bezeichneten Vorgang (DiagrammMitte links, siehe auch Bild 11.2.1.1-6) handeltes sich nicht um ein ausgeprägtes Pumpen mittypischen Druckstößen. Das liegt an der rela-tiv geringen Strömungsenergie bei niedrigenDrehzahlen.Der Regler war nicht in der Lage schnell genugden Kraftstoff entsprechend der geringen Luft-menge zu drosseln. Innerhalb von Sekundenwurden die Turbinenschaufeln entsprechendder untersten Skizze extrem überhitzt. Die ent-standene Schadenssumme entsprach einemhohen Anteil des Werts des Gesamttriebwerks.

    Merksatz:

    Die Ablenkung des Prüfstandspersonals wäh-rend eines Prüflaufs, z.B. durch Besucher, ist un-bedingt zu vermeiden!

    Weitere typische Schadensbilder überhitzterTurbinen sowie Überhitzungsmerkmale anHeißteilen bei denen Überhitzungsverdachtvorliegt sind in Kapitel 11.2.3.2 und Kapitel12.4 dargestellt.Die Identifikation und Bewertung von Über-hitzungen ist von erheblicher Bedeutung, weilin vielen Fällen Angaben in den Wartungs-handbüchern vorliegen, welche die weitere Nut-zung bestimmter Heißteile vom Ausmaß einermöglichen Schädigung abhängig machen. We-gen ungerechtfertigter Verschrottung verwend-

    barer Teile oder der Weiterverwendung unzu-lässig geschädigter Teile können Fehlinterpre-tationen teuer und/oder gefährlich werden.Bei modernen Triebwerkstypen mit elektroni-schen Reglern (digitale Regler) ist dieÜberhitzungsgefahr bei einem Verdichterstallerfahrungsgemäß deutlich zurück gegangen.Diese Systeme reagieren offenbar ausreichendschnell und in geeigneter Weise.

    Bild 11.2.1.2-8: Die normale Strömung in ei-nem Verdichter führt über Wärmezufuhr undWärmeabfuhr zu Schaufeltemperaturen, diesich in der Nähe der örtlichen Kompressions-temperatur stabilisieren. Die kurzzeitig unter-brochene Luftströmung beim Pumpen (Bild11.2.1.2-1 und folgende) heizt sich und dieBeschaufelung durch Reibung undVerwirbelung auf (Quirlverluste), weil siekeine Wärme abführt. Die Folge können sehrhohe örtliche Bauteiltemperaturen sein.Diese Temperaturen können, je nach Werkstoff,unzulässige Schädigungen der Verdichter-schaufeln durch Gefügeveränderungen,Festigkeitsabfall und Versprödung erzeugen(Lit 11.2.1.2-3).

    Fortsetzung von Seite 17

    Fortsetzung auf Seite 19

  • Seite 11.2.1.2-17

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Rotor der Hochdruckturbinenach der Überhitzung alsFolge eines schweren Stalls

    Dru

    ckve

    rhäl

    tnis

    Durchsatz*)*) korrigiert

    Bereiche rotierender Ablösungbei niedriger Drehzahl

    Überhitzte Beschaufelung

    mit Rotorscheibe dargestellte Beschaufelung

    ursprünglicheSchaufellänge

    Bei dem Hängenbleiben während eines missglücktenStartvorgangs schwer überhitzter Hochdruckturbinenrotor.

    Bild 11.2.1.2-7

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-18

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Überhitzungsmerkmalean den Hinterkanten vonVerdichterrotorschaufeln: Verfärbung spröde Kantenausbrüche

    Quirlverluste können beim Verdichterpumpen und in Schleuderständen zu gefährlicher Überhitzung von Verdichterschaufeln führen.

    Schleuderstand

    niedriges VakuumRotor heizt sich durch die Luft-reibung auf

    AntriebsmotorVerdichter

    Bei einem Stall läuft derVerdichter, anders als im Triebwerk,durch den Motor angetrieben weiter.

    u

    C

    w

    M ca.=1

    Überhitzung der Hinterkante der Rotor-schaufel wird von der besonderen Anströmung begünstigt. Die Folge isteine sehr hohe Relativtemperatur.

    Rotor Stator

    normaleStrömungs-richtung

    Strömungs-richtung beiSurge

    Bild 11.2.1.2-8

  • Seite 11.2.1.2-19

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-9 (Lit 11.2.1.2-16): Flatter-schwingungen (Bild 11.2.1.1-3 und Bild11.2.1.1-4) können innerhalb von Sekundenzum Schaufelbruch führen. In diesem Fall han-delt es sich um den ungewöhnlichen Fall vonLCF-Brüchen infolge einer hochfrequentenSchwingung (Bild 12.6.1-17). Diese Belastun-gen treten spontan auf, sind extrem hoch undlassen sich infolge ihres Erregungs-mechanismus, anders als bei einer Resonanz,nicht durch eine Drehzahländerung ausreichendschnell abfangen. Es kann erfahrungsgemäßzu einer Schwingüberlastung mehrererSchaufelblätter kommen.

    Mehrere Schaufelbrüche mit vergleichbarerSchwingbruchlage, Schwingbruchgröße undhoher stetiger Rissfortschrittsgeschwindigkeit(LCF-Bereich) sind ein Hinweis auf Flatternals Schadensmechanismus.Besonders gefährdet für diesen Schadens-mechanismus sind große schlanke Schaufelnmit dünnen Profilen wie man sie im Fanbereichvon Kampfflugzeug-Triebwerken und vorderenHDV-Stufen findet.Das Bild zeigt einen solchen Fall. In einem Zwei-wellentriebwerk (Skizzen oben) kam es trotzClapper in 65 % der Blatthöhe, zu Schwing-rissen in den Fan-Blättern der ersten Rotor-stufe (Skizze unten links). Risse oberhalb derClapper wurden nach Prüfstandsläufen bei si-mulierten hohen Flugmachzahlen beobach-tet. Das Schaufelprofil war für hohe Spitzen-Umfangsgeschwindigkeiten konstruiert. ImFlightenvelope traten bei Flugbetrieb stattdessen die Schäden bei Unterschall (Flug-!)Machzahlen auf. In diesem Betriebszustandlagen offenbar wegen der Flughöhe und An-strömbedingungen am Verdichtereintritt, imGegensatz zum Prüfstandsbetrieb, hoheMachzahlen an den Schaufelspitzen (Dia-gramm unten rechts) vor. Die Anströmwinkeldes Blattprofils befanden sich dabei im Ab-rissbereich (Bild 11.2.1.1-3). Wider Erwartenwurde das Flattern auch vom Eintrittsdruckam Verdichter beeinflusst. Die Betriebsbedin-gungen und das Schadensbild wiesen entspre-chend den dargestellten Überlegungen auf„Stall-Flattern“ als Schadensmechanismushin. Es handelte sich in erster Linie um um eineTorsionsschwingung mit großen Amplituden.Interessanterweise hatten Berechnungen undfrühere Prüfläufe kein aeroelastisches Problemerkennen lassen. Das Flattern konnte durchVerkleinerung des Anströmwinkels und Absen-kung der reduzierten Anströmgeschwindigkeitvermieden werden. Zusätzlich wurde die Ei-genfrequenz des Blattes mit einer Profiloptimie-rung und Veränderung der Clapper-Position soangehobern, dass eine auslösende Resonanznicht mehr eintrat (Bild 12.2.1.3-11).

    Fortsetzung von Seite 17

    Besonders gefährdet sind erfahrungsgemäß diedünnen (Hinter-) Kanten der Rotorschaufeln(Skizze oben links). Verfärbungen und/oder Ver-änderungen des Oberflächenglanzes (matt) sindMerkmale von Überhitzungszonen.Schäden dieser Art werden besonders an fremdangetriebenen Verdichtern in Industriean-wendungen oder bei fremd angetriebenenVersuchsverdichtern beobachtet (Skizzeunten). Der Fremdantrieb sorgt für die Ein-speisung ausreichend hoher Antriebsenergie,unabhängig vom gelieferten Luftstrom.Quirlverluste treten auch in Ringkanälen, dievon rotierenden Flächen wie Scheiben,Zwischenstufenringen und Labyrinthen be-grenzt sind, auf (Lit 11.2.1.2-18). Dabei kön-nen sich die Bauteile merklich aufheizen.Besonders in Labrinthdichtungen mit unge-nügend starker Leckströmung kann es so zueiner gefährlichen Aufheizung kommen. EineTemperaturerhöhung von über 100°C ist un-ter ungünstigen Bedingungen durchaus mög-lich.Ein ähnlicher Effekt kann in Vakuum-Schleuderständen auftreten, wenn während desAbstellens bei noch zu hohen Drehzahlen bereitsLuft eingelassen wird (Skizze oben rechts).Ein ähnlicher, jedoch nicht mit Quirlverlustenzu verwechselnder, Überhitzungseffekt derHinterkanten ist durch eine Heißgasrück-strömung aus der Brennkammer bei einemSurge denkbar.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-20

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Stall-Flatterbereichunter Flugbedingungen

    Pumpgrenze

    steige

    nde F

    lugma

    chza

    hl Betriebslinie für mittlere Leistung

    maximale Machzahl

    Relativer korrigierter Massendurchsatz

    Dru

    ckve

    rhäl

    tnis

    im F

    an

    Drehzahlkennlinie

    ca. 10 cm

    Austrittskante

    Schwingriss

    Schaden an einer Rotorschaufel der ersten Fanstufe

    Flatterproblem in der Entwicklungsphase des Fans eines Kampfflugzeugtriebwerks.

    Bild 11.2.1.2-9

    Bildbeschreibung vorhergehende Seite.

  • Seite 11.2.1.2-21

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Triebwerk

    30 mm Kanone mit rotierenden Läufen

    Beispiel für Verdichterpumpen durch Einflüsseder Kanone.

    Besondere Einflüsse der Kanone auf die Neigung des Verdichters zum Strömungsabriss (Stall):

    1. Verringerung des Pumpgrenzenabstands durchAblagerungen aus den Verbrennungsrückständender Munition auf der FAN- und Verdichterbeschaufelungführt zu Rauigkeitserhöhung und Profiländerungen.

    2. Hohe Temperatur der Verbrennungsgase ergibteine erhöhte Ansaugtemperatur und ungleichmäßigeTemperaturverteilung im Eintritt.

    3. Druckwellen beeinflussen die Druckverteilung im Verdichtereintritt.

    Bild 11.2.1.2-10

    Bild 11.2.1.2-10 (Beispiel 11.2.1.2-3, Lit.11.2.1.2-9 und 11.2.1.2-10): Bordwaffen undRaketen können die Ansaugströmung einesTriebwerks kurzzeitig durch Temperatur- undDruckänderungen so ungünstig beeinflussen,dass es zu einem gefährlichen Verdichter-pumpen kommt (Bild 11.2.1.3-2.1). Außerdemsteigt die Pumpgefahr deutlich, wenn sichRückstände in den Abgasen auf denVerdichterschaufeln ablagern. Die Ablagerun-gen können Rauigkeit und die Profile unzuläs-sig verändern und damit die Aerodynamik der

    Beschaufelung verschlechtern (siehe Bild11.2.1.1-9). Natürlich wird ein Stall durch wei-tere Einflüsse begünstigt. Hierzu gehört eineerhöhte Umgebungstemperatur und ein nied-riger Ansaugdruck (größere Höhen). Dies soll-te in der Auslegung des Triebwerks durch ei-nen ausreichend großen Pumpgrenzenabstandberücksichtigt sein. Wesentlich ist die richtigePositionierung der Kanone relativ zum Luft-einlauf, da eine ungehinderte ansaugung derHeißgaswolke unvermeidlich zum Pumpenführt,

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-22

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Beispiel 11.2.1.2-4 (Bild 11.2.1.2-10):

    Lit. 11.2.1.2-4, Zitat: „U.S. Air force isinvestigating several new instances ofcompressor stalls and flame outs of ... turbofanengines on ... attack aircraft during gunnery runsusing the ... GAU-8-mm, cannon. The incidentsthus far have been encountered only by unitsoperating the aircraft from Davis-MonthanAFB, Ariz. Hot weather conditions, possiblevariations in ammunition and characteristics ofindividual batches of engines are all beingexaminated as possible causes. No aircraft havebeen lost because of the incidents.“

    Kommentar: Die an der an der Rumpfspitzeangeordnete Maschinenkanone hat mehrere ro-tierende Läufe.

    Lit. 11.2.1.2-5, Zitat: „U.S. Airforce and ...(theaircraft manufacturer) are flight testing severalpossible modifications... in an attempt to eliminatea gun gas ingestion problem that continues toplague the aircraft. Modifications being evaluatedinvolve the nose configuration...as well as theaircraft’s... turbofan engines and the nose mounted30 mm ...cannon. The gas generated by thecannon’s ammunition has been blamed for anincreasing number of engine stalls, particularlyduring gun firing at higher altitudes.

    The gas has been leaving a residue on the fanand compressor blades...This residueaccumulates, gradually reducing the stallmargin of the engines until additional gun firingcauses full stalls to develop on the engines.

    ...tests generally indicated that engine compressordisturbances, or spikes, occurred during the gunfiring but were normally self-recovering at lowaltitude.

    In the summer..., however, the Air Forceencountered an increased frequency of enginedisturbances during gun firing that did not recoverand resulted in hard engine stalls.

    ...Further flight testing...suggested the problemwas related to ambient temperature, but therelationship could not be quantified...but the tests

    did indicate a direct correlation of the disturbanceswith increased altitudes.

    (The Air Force said)’...We could not correlatethe frequency of the disturbances with a singlefactor or a group of factors.’

    ...For the intermediate term, a modified guidevane „twitcher“ that partially closes the engineinlet guide vanes during gun firing has beeninstalled and tested...The tests showed areduction but not elimination of gun fireinduced engine stalls.

    One disadvantage of the inlet guide vaneclosure solution is that there is anaccompanying thrust loss during the period thevanes are closed.

    ...Several other alternatives are beingexamined... One of the devices, a muzzle brake,...is similar to those used on large-caliber fieldweapons...“

    ...In the meantime, the... engines... are washedevery 100 hr. with soap and water, the fan bladesby hand and the compressor blades with a specialspray system in the engine nacelle.

    Kommentar: Interessant ist, dass in diesem Falloffenbar durch die Pulvergase ein „Verdichter-fouling“ ausgelöst wird, das die Pumpgrenze so-weit absenkt, dass relativ geringe Einflüsse wieerhöhte Umgebungstemperaturen und niedrigerEintrittsdruck (größere Höhe) zu einem gefährlich„stabilen“ Strömungsabriss im Verdichter führen.

    Offenbar genügte das übliche Zudrehen der Ver-dichter-Eintrittsleitschaufeln nicht, um beim Abfeu-ern der Kanone einen Stall sicher zu vermeiden.

    Anscheinend wurden deswegen viele Abhilfe-maßnahmen diskutiert. Hierzu gehören Verände-rungen im Bereich der Flugzeugnase, wo sich dieMündung der Kanone befindet, der Einsatz vonMunition mit weniger ablagerungsbildendem Rauchund Mündungsbremsen oder „Gasverteiler“(„stripper“) um die Temperatur und Drücke derPulvergase bessser zu verteilen. Als Zwischenlö-sung wird ein Verdichterwaschen durchgeführt,ähnlich wie bei Industrie Gasturbinen..

  • Seite 11.2.1.2-23

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

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    Bild 11.2.1.2-11

    Bild 11.2.1.2-11: Die Rezirkulation von Trieb-werks-Heißgasen ist besonders bei senkrechtstartenden Flugzeugen (Skizze oben) von gro-ßer Bedeutung (Lit 11.2.1.2-7). Das Design desFlugzeugs muss dieses Problem berücksichti-gen. Die Eintrittstemperatur in den Verdichterkann entsprechend den Literaturangaben aufca. 15 % der Gasaustrittstemperatur ansteigen,

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-24

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-12: Die Skizze unten zeigt einvierstrahliges Verkehrsflugzeug mit großenFan-Triebwerken der ersten Generation. Hiertrat bei einer Betätigung der SchubumkehrerVerdichterpumpen an den Außentriebwerkenauf (siehe auch Bild 11.2.1.2-15). Diese saug-ten Heißgase der Innentriebwerke an, die ausderen Schubumkehrern austraten (Lit 11.2.1.2-8).In der oberen Skizze ist ein großerHubschraubertyp zu erkennen. Während dieTriebwerke bei zu starkem Rückenwind amBoden hochgefahren wurden, konnten derenHeißgase und die der APU in unzulässigerMenge angesaugt werden.

    d.h. für ein typisches Einkreis-Hubtriebwerk(Turbojet) um über 140 °C, dagegen nur umetwa 30 °C bei einem Turbofan-Hub-triebwerk. Diese Werte sind erst richtig einzu-schätzen wenn man bedenkt, dass eine Erhö-hung der Eintrittstemperatur um ca. 7°C ei-nen Schubverlust von 3- 4 % auslöst.Aber auch bei Verkehrsflugzeugen und Hub-schraubern kann es unter besonderen Betriebs-bedingungen wie Schubumkehrer-Betätigungoder ungünstigen Windverhältnissen (sieheBild 11.2.1.2-12) zum Ansaugen eigener Heiß-gase kommen.Kampfflugzeuge können während des Kata-pultstarts auf Flugzeugträgern heißen Wasser-dampf ansaugen. Dies führt zu instabilemVerdichterverhalten und „surge“ (Lit 11.2.1.2-6). Drei Effekte sind in diesem Fall von beson-derem Einfluss:

    - die Störung der Verteilung der Eintritts-temperatur am Verdichter (mittlere Skizze)

    - Ungleichmäßige Verteilung der physikali-schen Gaseigenschaften am Verdichtereintritt(Gaskonstante „R“, spezifische Wärme)

    - Ansaugen flüssigen Kondensats.

    Eine stallauslösende Druckverteilung wurdebei Messungen während Katapultstarts mitDampfansaugung nicht gefunden. Zur Auslö-sung eines Stalls kann eine ungünstige Verän-derung der Verdichterspalte auf Grund derhohen „g-Lasten“ bei Katapultstart beitragen(siehe Band 2 Kapitel 7).Ein weiterer, einen Surge begünstigender Ein-fluss scheint mit der Ausbildung einer Boden-vortex in Zusammenhang zu stehen (siehe Band1 Kapitel 5.2 und Bild 11.2.1.1-16).Abhilfe brachte die Betätigung des Abblas-ventils im Hochdruckverdichter das beim un-tersuchten Triebwerkstyp normalerweise beimStart des Triebwerks und schnellen Beschleu-nigungen zur Vermeidung eines Stalls benutztwird.

  • Seite 11.2.1.2-25

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

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    Bild 11.2.1.2-12

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

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    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Eine Strömungsstörung kann sich sehr weit gegen die Strömung auswirken.

    ca. 1m

    Pylon

    Strömungstörung vom Pylonkann nach vorne in den Gaserzeuger wirken

    Fanaustrittsleitschaufeln

    "Druckberg"

    Pylon

    Druck

    Luftaustrittswinkel Luftaustrittswinkel

    Umfang180° 260° 340° 60° 140°

    1,6

    1,4

    1,2

    1,0

    Dru

    ckve

    rhäl

    tnis

    vor der Korrekturnach der Korrektur

    Verteilung des statischen Drucks

    axial +7° +15° -15° -7° axial

    90° Bogen 90° Bogen

    120° 80° 40° 0° 40° 80° 120°

    Pylon Splitter

    Pylon Splitter

    Entwicklung Standard

    statischer Druck amRotoraustritt

    Ver

    größ

    erun

    g de

    r A

    bstä

    nde

    Bild 11.2.1.2-13

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    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-13: In der Entwicklungsphase dergroßen Fantriebwerke der ersten Generationstörte an allen drei konkurrierenden Trieb-werkstypen der Pylon die Fanströmung. Dabeiwurden die Fan-Schaufeln zu gefährlichenSchwingungen angeregt (Lit 11.2.1.2-9).DerDruckanstieg vor dem Pylon reichte in einemFall weit genug nach vorne, dass er über denSplitter in das Kerntriebwerk, d.h. denHochdruckverdichter hineinwirkte. Dies be-günstigte Verdichterstalls.Bei anderen Triebwerkstypen wurden die Fan-schaufeln zu gefährlichen Schwingungen an-geregt.Abhilfe wurde auf unterschiedliche Weise er-reicht:Die Strömungsstörung wurde, zur Verbesse-rung der Betriebsstabilität des Verdichters, mitHilfe unterschiedlicher Austrittswinkel derFan-Austrittsleitschaufeln im Bereich desPylons gemildert (Skizze unten rechts, Lit.11.2.1.2-9). Eine alternative Lösung zeigt dielinke Skizze. In diesem Fall wurde der axialeAbstand des störenden Pylonquerschnitts zumFan Rotor und den Austrittsleitschaufeln ver-größert.Zusätzlich dürfte eine günstigere Formgebungdes Pylonquerschnitts hilfreich gewesen sein.

    Bild 11.2.1.2-14 (Lit. 11.2.1.2-11): Die Nach-brenner der ersten Serien eines Kampfflugzeug-triebwerks der 80-er Jahre (Entwicklung 70-er Jahre) hatten wegen nicht ausreichenderLuftzufuhr Probleme in großen Höhen (ca. 13000 m) bei Geschwindigkeiten von ca. 830 km/h zu zünden und/oder einen stabilen Betrieb auf-recht zu erhalten (Beispiel 11.2.4-2). Den „kri-tischen“ Bereich zeigt der „Flight Envelope“(Diagramm unten).Bei einer verzögerten oder erneuten Zündungdes Nachbrenners wurde die entstandeneKraftstoffwolke im Nachbrenner gezündet. Eskam zu einer Verpuffung deren Druckwelle beinoch geschlossener Schubdüse besonders in-tensiv ist. Die Druckwelle breitete sich nachvorne bis in den Fan aus (mittlere Skizze).

    Dies löste einen Strömungsabriss im Fan undim Hochdruckverdichter aus, der nicht ausrei-chend schnell auf übliche Weise durch geeig-nete Leistungsrücknahme beendet werdenkonnte („stall stagnation“ = „hung stall“, Bild11.2.1.1-6). Die ungenügende Luftzufuhr beieinem Surge lässt den Nachbrenner erneut ver-löschen. Die sich nun bildende Kraftstoffwolkeentzündet sich in dem Augenblick wenn derVerdichter wieder arbeitet und ausreichendLuft in den Nachbrenner strömt. Dieser Vor-gang kann sich mehrfach wiederholen. Es kamzu schweren Verbrennungen im Heißteil-bereich. Offenbar war in einigen Fällen einerneutes Hochfahren des Triebwerks, nachdemes aus dem Surge heraus kam, nicht mehr mög-lich. Diese besondere und „hartnäckige Formeines Strömungsabrisses wurde besonders beimÜbergang von militärischen Einwellen-maschinen (Turbojet) zu Fantriebwerken(turbofan) beobachtet. Der Stall wird durchden Raum zwischen Fan, Kerntriebwerk undBypass begünstigt. Anscheinend spielt es eineRolle, wenn Fan und Hochdruckverdichter zuungünstigen Zeitpunkten aus dem Stall heraus-kommen. Dies ist im Zusammenhang mit denDruckwellen beim Pumpen des Hochdruck-verdichters (Bild 11.2.1.2-2 und Bild 11.2.1.2-3) zu sehen. Es entsteht ein Unterdruckimpulsder einen rotating stall im Hochdruckverdichterauslöst. Erst ein Absenken der Drehzahl unterden Leerlauf löst diesen Stall auf.Interessant ist, dass dieses Phänomen zwarbereits in der Entwicklungsphase auftrat, dortaber in seiner Gefährlichkeit für den Serien-betrieb nicht richtig eingeschätzt wurde.

    Die folgenden Maßnahmen scheinen Abhilfegebracht zu haben:

    - („1“) Verlängerung des „Splitters“ nachvorne, um den Eintritt der Druckwelle aus demNachbrenner über den Bypass-Kanal in denHochdruckverdichter zu erschweren.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-28

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Ein Strömungsabriss im Verdichter ist auch heute noch ein ernstes Problem.

    ca. 10 cm

    Stallbereich

    Fluggeschwindigkeit (Machzahl)

    Flu

    ghöh

    e

    kritis

    cher

    Berei

    ch "flight envelope"(Flugbereich)

    1 2 3

    ca. 13 000 m

    ca. 830 km/h

    Bild 11.2.1.2-14

    - („2“) Einstellung des Nachbrennerkraftstoff-reglers, dass im Fall einer Fehlzündung desNachbrenners der Kraftstoffzufluss, selbstwenn der Pilot den Leistungshebel auf Vol-leistung geschoben hat, minimiert wird.

    - („3“) Einstellung des elektronischen Schub-düsenreglers, dass sich die Schubdüse bei ei-ner missglückten Nachbrennerzündung öff-net.In wie weit eine Alternative besteht, die Schub-düse kurz vor der Zündung des Nachbrennerszu öffen, ist der vorliegenden, älteren Litera-tur nicht zu entnehmen.Heute geht man entsprechend vor. Bei höherenNebenstromverhältnissen entsteht jedoch beidieser Vorgehensweise das Problem, dass da-mit der Druck im Nachbrenner sinkt und dieVerbrennung erschwert wird.

  • Seite 11.2.1.2-29

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Vortexbildung kann das Ansaugen von Fremdkörpernund Schwingungen der Fanschaufeln begünstigen.

    Vortex

    1,0

    0,95

    0,90

    0,85

    Plokal

    Pmittel

    Verteilung des Gesamtdrucks um eine Bodenvortex

    Bild 11.2.1.2-15

    Bild 11.2.1.2-15 (Lit 11.2.1.2-12): Abhängigvon Seitenwind, Rollgeschwindigkeit desFlugzeugs,Betätigung des Schubumkehrers(Bild 11.2.1.1-16) und Leistung des Triebwerks(siehe Band 1, Kapitel 5.2.1.2) kann sich einBodenwirbel ausbilden (Skizze rechts, Lit.11.2.1.2-17). Entscheidend sind das Verhältnisvon Triebwerksdurchmesser zu Bodenabstandund die Einsauggeschwindigkeit (siehe Band 1,Bilder 5.2.1.2-5 bis -7)

    Eine Bodenvortex kann auf mehrfache Weiseeinen Verdichter gefährden:

    - Auslösung eines Pumpvorgangs (Surge)durch eine örtliche Druckstörung der Eintritts-strömung.- Die Unförmigkeit der Ansaugströmung im Be-reich einer Bodenvortex (Skizze rechts) kanndie Fanschaufeln und die ersten HDV-Rotor-schaufelstufen zu gefährlichen Schwingungenanregen.- Eine Bodenvortex ist in der Lage massiveFremdkörper vom Boden anzusaugen.Aus diesen Gründen kann ein gewisser Auf-wand zur Vermeidung einer Bodenvortex ge-rechtfertigt sein (Band 1, Bild 5.2.1.2-9).

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-30

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Wird ein Einlauftrichter ("Bellmouth") nicht montiert, sind schwere Verdichterschäden durch Schaufelschwingungen zu erwarten.

    Mit einem Stroboskopwar zu sehen, dass dieRotorschaufeln derersten Verdichterstufederartig in Schwingungengerieten, dass sich ihreSpitzen nahezu berührten.

    Triebwerk zur Start-bahnenteisung ohneBellmouth.

    schwingendeRotorschaufel

    An der Gehäusekanteverwirbelte Eintritts-strömung.

    Startbahnenteisung mit dem Triebwerks-Abgasstrahl

    Bild 11.2.1.2-16

  • Seite 11.2.1.2-31

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Bild 11.2.1.2-16: An Turbojet-Triebwerken äl-terer Bauart, die zur Startbahnenteisung ver-wendet wurden (Skizze oben) traten ungewöhn-lich häufig schwere Verdichterschäden auf, dievon einem Schwingbruch einer Schaufel derersten Rotorstufe ausgingen. Eine Recherchezeigte, dass die betroffenen Triebwerke ohneEinlauftrichter (engl. „Bellmouth“) betriebenwurden. Im Rahmen einer Schadensanalysewurde ein Triebwerk auf dem Prüfstandebenfalls ohne Bellmouth betrieben. Dabeizeigte sich, dass offenbar die scharfe Gehäuse-kante am Verdichtereintritt eine starke Strö-mungsablösung mit Verwirbelung der Ansaug-strömung hervorrief (Skizze unten). Die Beob-achtung des Triebwerkseinlasses mit einemStroboskop zeigte, dass dabei die Verdichter-Rotorschaufeln der ersten Stufe so stark zuSchwingungen angeregt wurden, dass sich ihreSpitzen zu berühren schienen. Bei einer derartstarken Schwingbeanspruchung war einSchwingbruch der Schaufeln nach wenigenMinuten zu erwarten.

    Daraus folgt: Niemals ein Triebwerk am Prüf-stand (z.B. einem Feldprüfstand) betreiben,wenn kein oder nicht das zugehörige,„Bellmouth“ angebracht ist.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-32

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

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    Bild 11.2.1.2-17

    Bild 11.2.1.2-17: Bei einem schwerenVerdichterschaden kann der Bruch der gesam-ten Beschaufelung derart spontan auftreten,dass die entspannenden Gase der Brenn-kammer Schaufelbruchstücke nach vorne ausdem Triebwerk herausschleudern. In diesemFall eines Eisschlags an einem Hubschrauber-triebwerk wurde dieses Phänomen beobachtet(Band 1, Bild 5.1.4-5).Mehrere Einflüsse die zur Erklärung für diesesPhänomens dienen können zusammenwirken:

    - Die Schaufeln erzeugen eine nach vorne ge-richtete Auftriebskraft, welche sie nach vornezieht.- Der nach hinten ansteigende Druck im Ver-dichter wirft die Schaufeln nach vorne.- Es kommt durch die Zerstörung derVerdichterbeschaufelung zu einer Expansiondes Brennkammervolumens nach vorne.

  • Seite 11.2.1.2-33

    Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    Literatur zu Kapitel 11.2.1.2

    11.2.1.2-1 A.Schäffler, „Einfluss des Grenzschichtzustandes der Schaufelgitterströmung auf dasBetriebsverhalten mehrstufiger Axialverdichter“, Seminarvortrag an der TU-München vom17. Januar 1978.

    11.2.1.2-2 R.S.Mazzawy, „Surge-Induced Structural Loads in Gas Turbines“, Zeitschrift „Journalof Engineering for Power“, January 1980, Vo, 102, Seite 162-168.

    11.2.1.2-3 „Handbuch der Schadenverhütung“, Allianz Versicherungs-AG München undBerlin 1772, Bestell-Nr. TV fb 6, Seite 230.

    11.2.1.2-4 Zeitschrift „Aviation Week & Space Technology“, „Industry Observer“, September17, 1979, Seite 11.

    11.2.1.2-5 R.R. Ropelewski, „A-10 Engine, Gun Tested in Gas Ingestion“, Zeitschrift „AviationWeek & Space Technology“, February 25, 1980, Seite 40.

    11.2.1.2-6 N.R. Tomassetti, „Steam Ingestion by Aircraft Gas Turbine Engines“, Proceedings ofthe Seventh Annual National Conference on Environmental Effects on Aircraft and Pro-pulsion Systems, Nr. 67-ENV-12, Seite 93 bis 105.

    11.2.1.2-7 A.E.Harris, J.A. Marbert, J.W. Tatom, „“VTOL Transport Exhaust Gas Ingestion ModelTests“, Proceedings of the Seventh Annual National Conference on Environmental Effects onAircraft and Propulsion Systems, Nr. 67-ENV-17, Seite 145 und folgende.

    11.2.1.2-8 „Interavia Luftpost“, Nr. 7077, 27 August 1970-B.

    11.2.1.2-9 J.M.S.Keen, „Development of the Rolls-Royce RB.211 turbofan for airline operation“,SAE Proceeding 700292 vom „National Air Transportation Meeting, New York,N.Y. April20-23, 1979, Seite 7.

    11.2.1.2-10 M.C.Hemsworth, „TF39, das erste Triebwerk mit hohem Bypass-Verhältnis, Ent-wicklung und Erfahrungen“, Zeitschrift „Luftfahrttechnik Raumfahrttechnik“ (LRT), VDI-VerlagGmbH Düsseldorf, Band 16 (1970) Nr.2 Februar, Seite 33.

    11.2.1.2-11 Zeitschrift „Aircraft Engineering“, „Goodbye Stagnation: America’s Finest FighterEngine Outgrows a Childhood Ailment“, November 1979, Seite 15 und folgende.

    11.2.1.2-12 D.L.Motycka, „Ground Vortex- Limit to Engine/Reverser Operation“, Zeitschrift „Jour-nal of Engineering for Power“, Transactions of the ASME, April 1976, Seite 258-264.

    11.2.1.2-13 „Pratt & Whitney Recalls 38 PW4000 Engines for High-Pressure CompressorModifications“, Zeitschrift „Aviation Week & Space Technology“ July 2, 1990, Seite 58.

  • Die Sicherheit von Flugtriebwerken

    Seite 11.2.1.2-34

    Komponenten: Verdichter

    Schäden

    11.2.1.2-14 G.Norris, J. Bailey, „P&W tries PW4000 surge cure“, Zeitschrift „Flight International“J10-18 March, 1993, Seite 13.

    11.2.1.2-15 „Engine surges trigger directives from FAA“, Zeitschrift „Flight International“ 28. October-3.November, 1998, Seite 20.

    11.2.1.2-16 J.F. Jeffers II, C.E. Meers Jr. „F100 Stall Flutter Problem Review and Solution“,Zeitschrift „Journal of Aircraft“, April 1975, Vol. 12, No. 4, Seite 350 - 357.

    11.2.1.2-17 J.L. Colehour, B.W. Farquhar, „Inlet Vortex“, Zeitschrift „Journal of Aircraft“, January1971, Vol. 8, No. 1, Seite 39-43.

    11.2.1.2-18 C. Lechner, J. Seume, „Stationäre Gasturbinen“, Springer- Verlag Heidelberg NewYork, 2003, ISBN 3-540-42831-3, Seite 592-595.

    11.2.1.2-19 Service Difficulty Advisory AV 2004-05 vom 1. Dezember 2004, „Pratt & WhitneyCanada, JT8D-17 Series Engine Compressor Failures“, Seite 1.