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Konrad Knirim 1 Eine Motorradgeschichte Konrad Knirim Mein Harley-Davidson Gespann Eine persönliche Motorrad-Geschichte um die Restaurierung eines alten Motorrades www.knirim.de

Konrad Knirim Mein Harley-Davidson Gespann · Mein Harley-Davidson Gespann Selbstverlag 2. Auflage 1986 DTP-Aufbereitung 2004 Eine persönliche Motorrad-Geschichte, die Restaurierung

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Konrad Knirim 1 Eine Motorradgeschichte

Konrad Knirim

MeinHarley-Davidson

Gespann

Eine persönliche Motorrad-Geschichteum die Restaurierung eines alten Motorrades

www.knirim.de

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Konrad Knirim 2 Eine Motorradgeschichte

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Konrad Knirim 3 Eine Motorradgeschichte

Konrad Knirim

Mein Harley-Davidson Gespann

Selbstverlag 2. Auflage 1986DTP-Aufbereitung 2004

www.knirim.de

Eine persönliche Motorrad-Geschichte,die Restaurierung eines alten Motorrades und

eine Typengeschichte Harley-Davidson

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Konrad Knirim 4 Eine Motorradgeschichte

Inhaltsverzeichnis

0 Vorwort ..................................................................... 5

1 Meine Motorradgeschichte ..................................... 61.0 Bis zum Kauf der Harley 61.1 NSU Max 61.2 BSA Thunderbolt 61.3 BMW R60/5 61.4 UT Bergmüller 91.5 Menschen und Motorräder 101.6 Kawasaki 900 121.7 Schluss damit 12

2 Die Restaurierung einer Harley-Davidson .......... 132.1 Teile Einsammeln 132.2 Teile Aufarbeiten 152.3 Bis zur Fahrtüchtigkeit 172.4 Die Zulassung 19

3 Maschinenbeschreibung ........................................ 21Harley-Davidson 34 VFD 74’’’................................. 213.1 Der Antrieb 213.2 Das Fahrgestell 223.3 Die elektrische Anlage 243.4 Details und Zubehör 25

4 Typengeschichte Harley-Davidson ....................... 284.1 Vorgänger und Schwestern 284.2 Das V-Modell von 1930 bis 1935 304.3 Die Nachfolger 314.4 Militärmaschinen 33

5 Die Gespanne und andere Dreiräder ................... 345.1 Erste Gespanne 345.2 Package Trucks 345.3 Das Servi-Car 36 5.4 Quellenverzeichnis 37

6 Anhang .................................................................... 386.1 Promotion 386.2 Odtimer Ralley 386.3 Das Dreiergespann von IBM 386.4 An- und Verkauf 396.5 Abschied 39

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Konrad Knirim 5 Eine Motorradgeschichte

Nachdem dieser Motorrad-Veteransich allmählich der Fertigstellung nä-herte, war ich schon froh, nicht mehrin Rost und Wagenschmiere zu ar-beiten, sondern mehr und mehr mitsauberen Chromteilen, Lackier-Fein-heiten und dem elektrischen Schalt-plan zu tun zu haben. Die Hände wur-den sauberer und das Objekt immerschöner. Ich war froh, als das Ganzefertig war, aber das Fotografieren,Sortieren der Unterlagen, etc. gingnoch ein bisschen weiter, und das Be-dürfnis, sich damit zu beschäftigen,war noch nicht ganz befriedigt. Soreifte die Idee, diese Erfahrungenaufzuschreiben und somit auch mei-nen interessierten Freunden zugäng-lich zu machen. Das Ergebnis liegthier vor und dient mir als Erinnerung,Fotoalbum und Adressensammlung.

Nachdem mir zunächst eine Bekann-

te den Text auf einer Schreibmaschi-ne geschrieben hatte und ich vieleKopien davon verteilt hatte, habe ichjetzt alles noch einmal auf meinemPC erfasst, um es in neuer Form, imInhalt aber gleich vorzulegen, bzw..für mich abzuheften.

Der Inhalt besteht aus drei Teilen,welche für den Leser unterschiedlichinteressant sind:

Der erste Teil ist sozusagen der Er-lebnisbericht meiner Motorrad-Ver-gangenheit und der Restaurierung.Mir selbst machen immer wieder dieMenschen und die Umstände und Zu-fälle drumherum Freude.

Der zweite Teil enthält die technischeBeschreibung dieser Maschine. Dieswird nur der mit Freude lesen, wereben an diesen technischen Details in-

teressiert ist, vielleicht weil er eineähnliche Arbeit hinter oder vor sichhat.

Der dritte Teil befasst sich mit derProduktgeschichte dieses Motorrad-Herstellers bis zum 2. Weltkrieg. Die-se ist sicherlich mehr für Freunde die-ser Marke interessant

Zu dem Briefwechsel im Anhangmuß ich wegen des Ernstes desSchreibens der TH Aachen hinzufü-gen, dass ich es so ernst auchwiederum nicht gemeint habe, fürdiese Arbeit einen Doktor-Hut zu be-kommen. Es war mehr eine Reakti-on auf Sticheleien von Freunden, obich noch in Sachen Motorrad promo-vieren möchte.

Der Leserin und dem Leser wünscheich Freude an der Lektüre und an denBildern. 1984

0 Vorwort

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Konrad Knirim 6 Eine Motorradgeschichte

1.0 Meine Motoräder

Meine Liebe zum Motorrad fing da-mit an, dass ich 1967 als Studentnicht mehr ein Auto mit einemFreund teilen wollte und mir deshalbfür 250,- DM mein erstes Motorradkaufte, eine NSU Baujahr 1955, z.T.zerlegt und mit Horex-Teilen verän-dert.

1.1 NSU Max

In dieser Zeit kam es öfter vor, dassein fein gesäuberter Max-Motor mei-nen Arbeitstisch im Studentenwohn-heim für Wochen in Beschlag nahm,weil sich mal wieder der Pleuellager-käfig aufgelöst hatte oder die Schub-stangensteuerung zu viel Spiel hat-te, so dass die Ventilsteuerzeiten ei-ner dringenden Korrektur bedurften.Als ich dieses gute Stück 1970 ver-kaufte, war es in einem Zustand, dasses heute gut in mein kleines Privat-museum gepasst hätte.

1.2 BSA Thunderbolt

Aber wie fast immer konnte ich mirmeinen nächsten Traum nur auf Kos-ten des alten als Anzahlung leisten:Ich kaufte mir eine 1-jährige BSAThunderbolt 650 ccm. Es war einwunderschönes Motorrad, aber ichentdeckte mit fortschreitender Kom-plettierung der richtigen Kleidungden Sinn für Langstreckenfahrten.Dabei holte ich mir bzw. der B S Azweimal verbrannte Ventile und ei-nen Kolbenfresser, so dass ich michnicht mehr traute, der schönen eng-lischen Lady mehr als 120 km/ Dau-ergeschwindigkeit zuzumuten. Dazubraucht man aber keine 650 ccm undnominelle 53 PS.

Also juckte mich der Hafer, und ich

1 Meine Motorradgeschichte

verkaufte meine Schönheitskönigingegen eine Gummikuh: Diese warzwar vergleichsweise hässlich undbehäbig aber zuverlässig.

1.3 BMW R60/5

Über viele Touren nach Südeuropaund Nordafrika, wie z.B. eine Fahrtmit meinem Bruder als Sozius mitvollem Gepäck nach Neapel, perFähre nach Tunesien und rund 6000km durch Nordafrika, lief das Uhr-

werk ohne irgendein Problem. Nurobendrauf ist ein Loch mit Deckel,da hinein gehört Benzin, ansonstenmuß nur rechts am Griff gedrehtwerden, und vier Hebel sowie dreiSchalter müssen je nach Verkehrsla-ge bedient werden.

Da ich nun nicht immer unterwegssein konnte und die abendlichenRundfahrten um Düsseldorf, insRuhrgebiet und an den Niederrheinsich wiederholten, merkte ich, mir

NSU Max

BSA Thunderbolt

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Konrad Knirim 7 Eine Motorradgeschichte

fehlt etwas: Bauen und Schrauben!Ich brauche wohl als Ausgleich fürdie viele Bürositzerei und Auto-fahrerei die Handarbeit zur Erholung.Aber was sollte ich denn an einer tun?Tunen? Mit schönem Zubehörschmücken? Das falsche Objekt! Wieauch sonst schon mal im Leben er-füllt eine Liebe nicht alle Träume. DieBMW ist die Vernunftlösung. Ichhabe sie auch immer noch und habeauch eine weitere große Nordafrika-reise hinter mir.

Es musste etwas Neues, Anderes her.Also lungerte ich an der Tankstelleherum, an der sich zwei Nachbarn je

eine Zündapp KS 601 herrichteten,fragte Josef Joy in Holzwickede, ober mir nicht aus England eine Vor-kriegs BSA besorgen könnte, durch-forschte die MOTORAD Kleina-nzeigen nach Gespannen, spionierteauf Reisen in Bauernscheunen undGeräteschuppen herum, bis ich durcheine Annonce auf Jack Lammel inDüsseldorf aufmerksam wurde.

Jack Lammels Vater hatte nach sei-nen Angaben schon vor dem 1. Welt-krieg Düsseldorfs größte Motorrad-werkstatt, und das hieß nicht großeSchaufenster und ein gut sortiertesLager an säuberlich verpackten Er-

satzteilen, sondern Schmiede,Schweißerei, Schlosserei, Klempne-rei etc. Hiermit wuchs Jack auf. Zwi-schen den Weltkriegen kam noch eineFahrradfabrikation unter der MarkeJLD hinzu.

Dass in solch einem Betrieb, wenner nicht nur wirtschaftlich, sondernauch mit Liebe zur Sache geführtwurde, viele interessante neue undgebrauchte Motorräder zum Verkaufstanden, defekt oder unbezahlt ste-hen blieben oder gezielt gesammeltwurden, liegt nahe.

Als der zweite Weltkrieg kam, be-gann Jack etwas, was aus damaligerSicht vielleicht klug, aus heutigerSicht aber verheerend war: Er nahmfast alle seine Motorräder aus-einander und stapelte fein säuberlichgetrennt Räder, Rahmen, Motoren,Lenker, Bleche, Zündmagnete undLichtmaschinen insgesamt, wie erselber übertreibend sagte, von ca.tausend Motorrädern. Das rettetediesen unschätzbaren Bestand vorder Rekrutierung durch NSKK bzw..Wehrmacht und z. T. vor der Zerstö-rung durch Bomben, welche Hausund Werkstattgebäude niederlegtenund ausbrennen ließen.

Während dieser Zeit war Jack Krad-Spezialist bei der Wehrmacht, ge-nauer bei GeneralfeldmarschallErwin Rommel dem Wüstenfuchs inNordafrika. Was das bedeutete, kön-nen auch wir Jüngeren uns anhandvon Bildern und alten Wochenschau-en aus dem Afrikafeldzug vorstellen.Zündapp KS 750 (Sahara) und BMWGespanne auf den wellblechartigenPisten der Rollbahnen von Tunesienund der Cyreneika, Benghazi, To-bruk, El Alamein.

Nicht zufällig bin ich mit meinemBruder von Ägypten aus dort gewe-sen. Die spannendsten Geschichten,die Jack erzählen konnte, waren aus

Konrad auf BSA

Konrad auf BMW

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Konrad Knirim 8 Eine Motorradgeschichte

dieser Zeit. Ich hätte das auf Ton-band aufnehmen sollen, denn inzwi-schen ist Jack Lammel gestorben.Damit werden auch all die zerlegtenMaschinen nicht wieder zusammen-gebaut werden können.

Jack hat erzählt, wie dick seineHandgelenke waren, als er an einemTag 1.000 km Piste auf einer R 75und mit einem Offizier im Seiten-wagen zurückgelegt hat. Diese Ent-fernung war übertrieben, denn so,wie die Wüstenpisten aussehen (s.Bild), schafft man das vielleicht heutein einer Wüstenralley.

Rommel hat ihn mal nach der Quali-tät einer Lieferung von Puch Motor-rädern gefragt. Jack hat geantwor-tet: Für Nordafrika nicht einsetzbar,worauf Rommel sie gesprengt habensoll, um sie auch nicht den Englän-dern zu überlassen. Die Meldung ansOKW lautete: Verlust durch Feind-einwirkung.

Weil mit der Dauer des Krieges nachund nach alle Bronzeteile in denMotoren durch Stahl ersetzt wurden

und immer mehr Ausschuss ausge-liefert wurde, musste aller Krad-Nachschub erst von Jack und seinenLeuten nachgearbeitet werden.

Er hat aber auch über andere Seitendes Krieges erzählt, wie sie inTunesien eine Grabhöhle entdeckthatten, den Kompaniekoch dort hin-ein schickten, weil dort Fleischvor-räte versteckt seien. Dieser soll vorWut über den makabren Scherz dieganze Ruhestätte verwüstet haben.Jack war gegen den Krieg, weil ersinnlos zerstörte und er war auch ge-gen das Regime, weil es von Groß-schnauzen geführt wurde. Er soll dasauch vor Nazi-Größen gesagt haben,aber sein dringend benötigter Sach-verstand hat ihn wohl vor Schadenbewahrt.

Als er nach Kriegsende nach Hausekam, mussten erst die Trümmer sei-nes Hauses geräumt werden. Als ichbei ihm eine Harley-Kurbelwelle mitPleueln fand, sagte Jack, die müsseneu gehärtet werden, da sie 1945 imSchuppen ausgeglüht sei. Nur weni-ge Motorräder waren in dem Schup-

pen verbrannt, da die meisten zerlegtim Keller und woanders lagerten.Zum Räumen diente ein - welch Zu-fall - Harley-Davidson Gespann. DasSeitenwagenboot war durch einenEisenkasten ersetzt, der mit Schuttund Steinen bepackt wurde. Wenndieser Lastkarren mit dem Vorwärts-gang nicht aus der Kellergrube kam,ging es mit dem Rückwärtsgang: Daswar ein Package-Truck.

Das, was dann normalerweise folgenmusste: Wiederaufbau, Neuanfang,wurde verpasst. Als die Stadt undandere Interessenten immer begehr-licher auf das große unbebaute Eck-grundstück im dicht besiedeltenDüsseldorf-Oberbilk schauten undzudem der Haussegen im Einfamili-enhaus seiner Frau schief hing, mach-te Jack auf seine Weise Nägel mitKöpfen, kaufte zwei große Wohnwa-gen, einen für sich und einen für sei-ne Sammlungen an technischen Un-terlagen, Motorradliteratur und Fahr-zeugpapieren und zog auf sein vä-terliches Eigentum ohne fließendesWasser, ohne Strom etc. Er hatte dortein Telefon, und sein Sohn versorgte

Gedenktafel in El AlameinMit meiner BMW 1978 auf einer Wüstenpiste in der Sahara

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ihn mit Frischwasser, Propangas undHeizöl. Seine vielen Katzen versorgteer väterlich, und diese hielten ihmdafür das Grundstück frei von Rat-ten.

So war Jack Lammel ein kleiner Felsin der Brandung von Grundstück-Spekulanten, Supermarktketten undWohnungsbau in einem sowiesoschon überbesiedelten Stadtgebiet.

Jack war natürlich wirtschaftlichohne einen Erfolgssinn, aber er warfleißig und ein begehrter Karosserie-schweißer in einer benachbartenLKW- Aufarbeitungswerkstatt. Erverstand was von Blecharbeiten. Ichhabe gesehen, wie er aus alten VW-Kotflügeln und -Hauben original-getreue Motorradschutzbleche zu-sammenschweißte und aus Nirosta-rohren eine Auspuffanlage formteund schweißte.

1.4 UT Bergmüller

Zu diesem Jack Lammel kam ich1975 und wollte eine 500-er Einzy-linder-Viertakt-Vorkriegsmaschine.Das war so eine Größenordnung, dieich mir arbeitsmäßig und finanziellzutraute. Die gerade von ihm wiederaufgebaute Rudge-Rennverein mit 4-Ventil-Bronzekopf war schon einSchatz, aber bei einem Preis von5000,- DM, zu dem sie dann auchmit Kusshand an einen Liebhabernach Leverkusen ging, mir zu teuer.Jack bot mir dann eine UT, Baujahr1928 mit 550 ccm JAP-Motor an.Der Preis stimmte und dies schien mirder richtige kleine Dampfhammer fürmich zu sein.

Doch die UT gehörte nicht zu denwenigen Maschinen, die komplettunter einer Plane auf dem Hof stan-den, sondern sie musste in allen Tei-len zusammengesucht werden. Diegroßen Teile, wie JAP-Motor, Hurth-Getriebe, Kotflügel, Rahmen, Tiger-

gabel und Wulsträder waren schnellbeisammen, und Jack kannte jedesDetail. Er spannte die Räder mitneuen Speichen schlagfrei, die Kur-belwelle wurde exakt fluchtend mitneuen Lagerschalen und -Rollen zu-sammengepresst und alles technischkorrekt aufgebaut.

Ich half bei allem und lernte viel. Umden Lenker mit Hebeln etc. zu su-chen, habe ich den ganzen Boden desHauses seiner Frau um- und aufge-räumt: Bündelweise Lenker, haufen-weise Lichtmaschinen und Motoren,stapelweise Rahmen und Blechteile.Am Ende war alles da, aber es hatein Jahr gedauert.

1.5 Menschen und Motorrä-der

In dieser Zeit wurde natürlich nichtnur gebaut und gesucht, sondernauch viel geredet. Ich habe viele Leu-te mit diesem Hobby kennen gelernt:Da war Heinrich Sommer, der in sei-nem Schuppen -zig komplette Spit-zenstücke hatte: AJS 1000, Panther600, 2x Indian, Harley 1200 von1928, Zündapp KS800, BMW,Norton Manx, BSA, Krupp Rollerund mehr. Ganz zu schweigen vonseinen Juwelen, die nur zeitweise anMuseen ausgeliehen waren: Hilde-brand und Wolfmüller von 1894, daserste Serienmotorrad der Welt aus

Die UT wie ich sie von Jack Lammel übernahm

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München und eine NSU 750 V-Zwei-zylinder von 1911. Nach einem Herz-infarkt hat er alles an einen Sammlermit einem privaten Motorradmuseumin Moers verkauft. Ein Menschenle-ben reicht sicher nicht aus, um diesalles aufzuarbeiten.Aber vielleicht muß man auch garnicht alles renovieren. Die Stückesind, wenn sie komplett und originalsind, interessant, so wie sie uns nunmal hinterlassen sind.

Ich lernte die Brüder Heil kennen,die ihre Vorliebe für diverse NSUhatten und neben Heinrich Sommerund mir die einzigen aus der Motor-radgilde auf Jack Lammels Beerdi-

Gespannfahrer bei Glatteis und na-türlich das Lagerleben im Schnee.Die Gespannfahrer holten das vomForstamt bereit gestellte Brennholzfestmeterweise.

Beim deutsch-amerikanischen Rok-kerclub Bones MC gab es die le-ckersten frischen Hamburger und je-des Jahr gab es eine Jahreszahl fürdie Brustspange. Neun Stück habeich von 1969 bis 1977. Danach wur-

Heinrich Sommer auf seinem Werk-statthof 1976

Haus und Flugzeug von Werner Höfft

Werner. Höfft verkauft Motorradteilebeim Elefantentreffen 1975

gung im Frühjahr 1979 waren. Jackwar an vereiterten Nieren gestorben,weil er halsstarrig sein konnte undden Ärzten nicht traute, als er imKrankenhaus lag und die dicken Pe-nicillin-Tabletten nicht durch seinHalsloch bekam und seine Katzennicht allein lassen wollte. Sein Todmit 68 Jahren musste nicht sein.Wenn ich oder ein anderer seine Kat-zen gefüttert hätte und ihm am Kran-kenbett gut zugeredet hätte, wärenseine Nieren wieder geheilt, aber dasLeben im Wohnwagen im Winterhätte dann auch nicht mehr sein dür-fen.

Ich kannte den Wolfgang Koch ausKöln, der mit seinem Freund RupertMüller in einem Werkstattschuppen2 Mercedes 170 V Kabrioletts, meh-rere Vorkriegs- Motorräder, dreiHarleys und ein wunderschön rotesGespann bearbeiteten.

Ihn habe ich natürlich auch im Schneemit seiner alten BMW beim Ele-fantentreffen am Nürburgring gese-hen. An den Nürburgring bin ich lan-ge Zeit an jedem 1. Wochenende imJanuar zum Elefantentreffen gefah-ren. Das schönste daran war die Fahrtin knackiger Kälte, wenn nach derAnkunft allmählich wieder kribbeln-des Leben in die Fingerspitzen kam,um den Flachmann mit Rum anfas-sen zu können. Zu diesem Treffen ka-men mehrere 10.000 Motorradfah-rer aus ganz Europa insbesondereauch aus Skandinavien und England,aber mitunter auch Australier. Inter-essant waren die Show-Motorräderund Veteranen, die Kunststücke der

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de das Elefantentreffen an denSalzburgring verlegt, und das gingmir dann doch etwas zu weit.

Werner Höfft mit dem chinesischenKinnbart aus Hilden kam auchmanchmal zu Jack, um zu schwatzen.Er hat vor seinem Haus ein Jagdflug-zeug stehen und hatte immer so gro-ße Pläne über Direktimporte vonMotorrädern aus Japan. Er hattewohl gute Verbindungen nach Eng-land, USA und Japan, denn er warder größte graue Kawasaki Impor-teur in der Bundesrepublik. Das sagteer jedenfalls, und sein riesigerNeumaschinen-Bestand in seinerTiefgarage machte das glaubhaft. Ersammelte u. a. D-Rad (DeutscheWerke Berlin, später zu NSU).

Als ich dann die UT in meine Werk-statt, eine größere Garage, überführthatte, wusste ich natürlich, welcherAufwand mir noch bevorstand. Die

Maschine war technisch in Ordnungund im wesentlichen komplett. Wasjetzt folgen musste, waren Detailswie Bowdenzüge, Dichtungen, Ver-kabelung, Wulstreifen, Zusammen-bau etc. und natürlich die Schönheits-arbeiten Ausbeulen, Sandstrahlen,Grundieren, Lackieren, Marken-embleme, Vernickeln - 1928 wurdenoch nicht verchromt -, etc.

Da juckte mich der Hafer, wenn dasalles schon ein so großer Aufwandfür einen Privatier ohne Betriebs-werkstatt und mit dem Hobby-Etateines Familienvaters sein sollte, dannmüsste am Ende auch etwas Spekta-kuläreres da stehen.

Jack Lammel hatte eine eigene Zweirad-Marke

Jack Lammel auf seinem Hof vor derHarley-Davidson

Wie oft war ich auf Jack LammelsHof um die wenigen kompletten Ma-schinen herumgeschlichen, die miraber zu teuer waren: Vincent HRDvon 1951, NSU 1000 von 1917,Harley-Davidson von 1928 und von1934, Indian Scout von 1928 und einpaar andere. Nun bin ich Vater einerKleinfamilie, und wenn dies Hobbyschon einiges an Geld und Freizeitkostete, sollte am Ende auch die gan-ze Familie etwas davon haben. Dashieß, ein Dreisitzer sollte es sein: Die74’“ (74 Cubik-Inch = 1184 ccm)Harley-Davidson. Ich musste mitJack handeln, überzog mein Kontound kaufte diese Maschine wie be-sichtigt.

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Konrad Knirim 1 2 Eine Motorradgeschichte

Das Original von 1973, wie ich die Kawasaki 900 bekam und der ‘Cafe-Racer’ nachdem Umbau. Alle Original-Teile habe ich dem Käufer mitgegeben.

Die UT verkaufte ich zum Selbstko-stenpreis - ein Ersatzmotor von Hein-rich Sommer war noch hinzugekom-men - an Herrn Schroll aus Regens-burg, Feinmechaniker an der dorti-gen Universität mit Sinn für Technik-geschichte, damit sein Sohn, der beieinem Unfall etwas abbekommenhatte, sich auf neue Art mit einemMotorrad beschäftigen konnte.

1.6 Kawasaki 900

Ja und dann hatte ich doch noch alsKontrast Lust, mir zusätzlich einenrichtig heißen Renner zu bauen, hierist er nun auf Basis der ersten 900-erKawasaki. Es blieb fast kein Teil imOriginal-Zustand. Damit bin ich dannwirklich sonntags früh die Autobahnrunter gedüst bis Basel und zurück.Erst als ich beim Verfolgen einesPorsche Turbo merkte, dass ich michauch in langen Autobahnkurven bei240 km/h übernehmen konnte, ließich den Quatsch sein. Aber schön istdas Ding doch, zu einer Zeit Endeder 70-er Jahre, als es solche Rennerserienmäßig noch nicht gab.

1.7 Schluss damit

Ja und dann habe ich alle Motorrä-der verkauft. Zur BMW habe ichnoch Zugang, aber ich nutze es nicht,Ende eines Lebensabschnitts, neuesSpiel, neues Glück! Aber die Lust anhistorischer Mechanik kommt wei-terhin nicht zu kurz.

Auf Reisen mit dem Fahrrad kann ichmich mit der Frau unterhalten undden Vogel singen hören, z.B. durchdie Camargue, oder Venetien und dieDonau entlang, bis zur serbischenGrenze sind wir schon gekommen,ja stückweise und mit Unterbrechun-gen und in Kurland an der Ostseeentlang, das geht auch gut!

Das Harley-Gespann, die BMW und die Kawasaki in der Werkstatt mit Fahrrad undBierkasten.

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2.1 Teile Einsammeln

Das Harley Gespann bestand aus derauf den ersten Blick relativ komplet-ten Solomaschine, eingeölt und da-mit ein wenig rostgeschützt seitKriegsende im Freien stehend unddem Seitenwagen, der ungeschütztund mit einem (falschen) Steib S 500Boot von Brennnesseln und Brom-beerranken zugewachsen war. DasBoot war nicht mehr verwendbar,durchgerostet und verrottet.

Das Originalboot war schon nach

2 Die Restaurierung einer Harley-Davidson

dem Krieg verschwunden. Seiten-wagenrahmen, Schutzblech und Radwaren zwar tief rostgenarbt, abernicht durchgerostet, das war ebennoch solides Material. 1934 war die-se Marke noch der Rolls-Royce auf2 bzw. 3 Rädern.

Die Maschine musste zunächst mitviel Dieselöl und Menschenfett,(sprich Arbeit) von der Dreck- undSchmierschicht befreit werden undaus der zunächst ganz schwarzenMaschine kamen die Zierstreifen her-vor, und die Tanks zeigten wieder

einen Anflug von olivgrün mitorangenen Streifen, wie es HarleysStandardfarben bis 1933 gewesenwaren.

Die Harley nach der Reinigung

Der Seitenwagen nach der Befreiung von Brennnesseln

Rücksitz auf einer 1928-er Harley

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Konrad Knirim 1 4 Eine Motorradgeschichte

gebracht und das nach jahrzehntelan-gem Stehen im Regen. Es zündetezwar nur ein Zylinder, doch bei demzweiten klemmte nur ein offenes Ven-til. Dies ermutigte mich, an einen be-grenzten Aufwand beim Motorher-richten zu glauben.

Ich baute jetzt die Räder ab, mon-tierte neue Schläuche, damit dieSolomaschine rollfähig wurde. DenSeitenwagen wollte ich getrennt ab-holen. Da ich nicht so lange wartenwollte, bis Werner Höfft mit seinemAbschleppwagen kommen konnte,um das Ganze in meine Werkstatt zutransportieren, habe ich eines Nachtsim Dunklen und bei Regen das Radaus Düsseldorf-Oberbilk nach hauseüber die Rheinbrücke nach Ober-kassel geschoben. Das war eine Vie-cherei die Brückenrampe hinauf, diedoch gar nicht steil aussieht, aber ichwollte keinen Tag mehr warten, dasStück auf meine Werkbank zu be-kommen.

Nun musste ich erst mal zu WolfgangKoch, um seine 1930-er in allen De-

Die Tanks waren also mindestens einJahr älter, aber Jack hatte auch nochdie original schwarzen Tanks. Nurwaren diese nicht dicht und einSchwallblech hatte sich innen gelöst.Deshalb waren diese beiden Tank-hälften in die große Lammel’scheTanksammlung eingereiht worden.

Heute weiß ich, welche Farben dieHarleys in den Jahren hatten. Aberzu der Zeit blickte ich noch nichtdurch, was echt war, und so mancher

Kenner bezweifelt noch immer, dasses schwarze Harleys gab. Nur HerrAuchhisisiger, den Jean Wentz ausStraßburg um einen Schiedsspruchbat, wusste es noch. Ich hatte es ge-prüft, der schwarze Lack war origi-nal.

Der Motor ließ sich durch den Kick-starter durchdrehen. Wir haben ihnsogar nach Anschließen einer 6V-Batterie und Benzineinfüllen ohneweitere Vorkehrungen ans Laufen

Embleme

HD-Werbung 1934

Teile der Beleuchtung

Alfred Reissaus dem Elsass auf UL

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Konrad Knirim 1 5 Eine Motorradgeschichte

tails zu besichtigen, Handbuchkopienzu kopieren usw. Damit begann einespannende Suche nach vielen fehlen-den Originalteilen und baujahr-getreuen Details. Von 1930 bis 1935,der Lebenszeit dieses Typs V in al-len Varianten hat sich nicht derGrundaufbau, aber die ganze Aus-stattung in Schritten gewandelt: Aus-puff, Werkzeugkasten, Lampe,Schutzbleche, Batteriekasten, So-ziussattel, Lenker und Griffe, Verga-ser, Ansaugrohr und Lufteinlass, Öl-pumpe, Tachoantrieb, Hupe undTankdeckel.

Die Maschine wurde natürlich foto-grafiert, vorher, nachher und in Tei-len. Motor und Getriebe, von Jackhatte ich noch ein Dreigangersatz-getriebe und den Sozius von seiner1000-er bekommen, wurde erstmalbeiseite gestellt, und alle Schrauben,Kleinteile etc. kamen baugrup-penweise in Tütchen. Darüber hin-aus traute ich mir schon zu, alleswieder richtig zusammenzubekom-men, so dass ich keine Zeichnungenund vorher leider zu wenig Detail-fotos machte. Leider deshalb, weilam Ende zu wenig von der Mühe inBildern dokumentiert ist.

2.2 Teile Aufarbeiten

Dann kamen die Teile zum Lackie-ren auf einen Haufen, die zum Ver-chromen, und die, die erstmal mecha-nisch gerichtet oder ersetzt werdenmussten.Was vor allem fehlte, waren elektri-sche Teile, wie Frontlampe, Rück-licht, Armaturenkästchen und auchder Handbremshebel. Also streckteich schon Fühler nach Teilequellenaus und kam als Gast zum Harley-Davidson- Club Deutschland zu ei-nem Treffen in Hermeskeil in derSüdeifel. Neben vielen neueren Ma-schinen sah ich dort das 1200-er Ge-

spann von 1936, Typ UL von AlfredReiss aus dem Elsass. Wer so etwashat, weiß auch was, dachte ich undfragte nach VL-Teilen. Er hatte zwarkeine, kannte aber jemanden, dervielleicht etwas haben konnte, undgab mir die Adresse von Jean Wentz.

Also schrieb ich ihm nach Straßburgund wartete. Nach drei Wochenschrieb ich noch mal und siehe, erantwortete. Das, was ich da allessuchte, hatte er nicht, aber er habenoch einen VL-Rahmen mit Vorder-rad und einige Kleinteile. Hurra ichwurde fündig!

Ich konnte es an einem der nächstenWochenenden so einrichten, dass ichFreitagmorgens in Stuttgart beruflichgebraucht wurde. Also fuhr ich mor-gens mit Frau und Kind nach Stutt-gart, die Frau mit Kind ins Schwimm-bad und ich ins Geschäft, wo der Jobbald erledigt war, so dass wir weiterin den Schwarzwald fahren konntenund dort übernachteten. Samstags-morgen ging es mit dem R4 nachStraßburg zu Jean.

Jean ist auch ein Fetischist: Ich schät-ze ca. 50 Motorräder, alt und jung,aber alles besondere Exemplare, wie

mit Maya vor Garage

Meine Werkstatt mit den Teilen vor der Lasckierung

Spachteln und Schleifen mit Tochter Maya

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z.B. eine Vorkriegs-BMW mit Len-kerschaltung. D. h. die beidenLenkerenden werden wie lockereStummel gegeneinander im Winkelbewegt und somit geschaltet: Dereinzig existierende Prototyp. Jeansagt, er sammelt alles, was ihm anMotorrädern gefällt und richtet esauch so her, ohne Rücksicht auf Ori-ginalität, aber immer originell. DerTorso, den er für mich hatte, war vomBaujahr 1935 mit schmalerem Len-ker und kürzeren Lenkergriffen. Blaumit weißem Streifen. Diese Lackie-rung taucht in keinem Handbuchoder HD-Enthusiast (der Firmen-hauszeitung) auf, muß aber die Er-stausrüstung sein.

Der Torso bestand aus Vorderrad,Gabel, Schutzblech, Bremse, Stoß-dämpfer, Lenker mit Bremshebel,Armaturenbrett mit defektem Am-peremeter und fehlenden Schalter-knebeln, Rahmen, Sattelgerippe und

hinterem Schutzblech. Das konnteich gebrauchen! Ich hatte damit nureinige der gesuchten Teile, aber auchdringend benötigte Kleinteile, wieSchmiernippel, zöllige Schraubenetc. und vor allem Ersatzteile, Rah-men, Vordergabel mit Lenker sowieein Reserverad. Die Räder sind un-tereinander austauschbar, so dass einam Seitenwagen mitgeführtes Reser-verad nicht nur schick ist, sondernauch an allen drei Rädern im Notfalleingesetzt werden kann. Das gibt esnämlich sonst bei Motorrädern nicht.Jean gab mir noch ein Getriebe ohneGehäusedeckel mit, bekam einen sehrfairen Preis, und wir verstauten dashalbe Motorrad auf und im Renault,der für solche Transporte vorzüglichgeeignet ist. Nun ging es weiter undnach dem Essen in einem ElsässerLandgasthaus und einem erfrischen-den Bad in einem Baggersee in diePfalz nach St. Martin, wo wir, nach-dem das Kind in der Pension schlief,

uns einen guten Wein über die Zun-ge gossen. Also nicht nur wegen derbeteiligten Menschen ist das Motor-radbauen kein trockenes Hobby.

Nach dieser Zeit kamen die beidenRahmen (Solo- und Seitenwagen),die drei Schutzbleche und die klei-neren Teile zum Sandstrahlen undanschließend zum Lackierer zumSpritzspachteln.

Ich habe natürlich überlegt, ob ichselbst lackieren soll, aber in meinerWerkstatt hätte ich mir doch zu vielversaut, und der Lack sollte ja aucherstklassig eingebrannt werden. DieSchleifarbeiten, die soviel Zeit kos-teten, machte ich selber, und ich habemir einen halben Sommer lang wun-de Fingerkuppen geschliffen. BeimSeitenwagen reichte wegen der tie-fen Rostnarben eine Spachtelschichtnicht.

Das Boot im UrzustandStoye Seitenwagen

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Ich hatte aber immer noch keinSeitenwagenboot. Von WolfgangKoch‘s Freund Müller hatte ich einschönes Holzboot aus den 30-er Jah-ren bekommen und ausprobiert.

Ich traute jedoch der Stabilität bei derharten Blattfederung nicht. EinOriginalboot konnte ich nicht finden,weder über den Harley-DavidsonClub noch den Antique Motor CycleClub of Amerika, noch über denHändler Maaskant in Rotterdam, derbei 750 WL Kriegsmaschinen fastimmer helfen konnte. Also schwatzteich Jack Lammel das Boot einer sei-ner beiden Stoye- Seitenwagen (ausLeipzig) ab.

Das Boot passte von Grüße undForm gut zum Gespannrahmen. Na-türlich denke ich im Hinterstübchendaran, irgendwann ein Original zufinden, aber das Leben muß solangeja weiter gehen.

Derweil habe ich den Motor aus-einander genommen, aber der Traum,dass er nur gereinigt werden müsse,war bald ausgeträumt. Es bewegtesich zwar alles, aber alle Lager wa-ren durch Kondenswasser und nichtsäurefreies Öl korrodiert. Erneuertwerden mussten die Hauptlager,Pleuellager und Kolbenbolzen. DieNockenwellen, vier an der Zahl, fürjedes Ventil eine, mussten über-schliffen werden. Jetzt musste ich fin-dig werden, denn ich wollte denMotor ja nicht einfach zur Kurbel-wellenschleiferei geben und komplettüberholen lassen. Wer würde dasauch können?

2.3 Bis zur Fahrtüchtigkeit

Ich hatte inzwischen aus Anzeigen inamerikanischen Motorradzeitungeneinen erstklassigen Laden gefunden:Antique Cycle Supply (ACS) Inc. in

Sparta Michigan, USA. Dieser La-den ist auf Teile von Harley-David-son Veteranen spezialisiert, inzwi-schen aber nach Cedar Springs um-gezogen. Dort bekam ich vor allemNachdrucke von Handbuch, Ersatz-teil-Katalog 1935, Zubehör-Katalogund einen immer weiter wachsendenLieferkatalog. Ich bekam Kurbel-undPleuelzapfen, Rollen und Lagerringeund auch alle Dichtungen.

Mit diesen Teilen habe ich die Wellemit Pleueln und Bolzen von Hoeckleüberholen lassen, und der Motorauf-bau konnte beginnen, nachdem nochTeile wie Ventilhülsen, Ölpumpen-und Lichtmaschinen-Deckel usw.verchromt waren. Dazu gehörte na-türlich das Sandstrahlen der Zylinderund Deckel, das Einschleifen derVentile und das Überholen von Zünd-anlage und Lichtmaschine.

Visitenkarte des ACS

Bild: Alu-Schild

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Von A. Samwell in Wateringen Hol-land bekam ich neue Trittbrett-gummis mit Original Harley-Muster,und Walter Waibel in Zürich hat Ab-ziehbilder für fast alle alten Motor-räder.Auf dem Hof von Jack Lammel hat-te sich inzwischen das OriginalTypenschild wiedergefunden. Da-nach ist die Maschine erstmals vonden Gebrüdern Reisdorf in Düssel-dorf 1934 ausgeliefert worden. Ichging also zu der angegebenen Adres-se und fand noch die ca 80-jährigeWitwe eines der Brüder und hörteaufmerksam der Firmengeschichtezu.

Importeur war damals die FirmaVisé‚ in Aachen, heute BMW-Händ-ler und ohne HD-Restbestände. Ei-nen Reisdorf- Sohn, Parkhaus-besitzer in Köln, habe ich natürlichauch besucht. Er wollte meine Ma-schine für viel Geld zurückkaufen,aber das war nicht mein Ziel. Er hat-te weder alte Typenschilder nochsonstige Unterlagen mehr. In den 50-er Jahren war das Geschäft eingegan-gen, und alles war abgegeben wor-den. Also ließ ich das halbverrotteteTypenschild in Messing mit den al-ten, aber falschen Gewichtsangabennachgravieren.

Allmählich kam ich vom Komplet-tieren der Einzelteile zum Wiederauf-bau. Die Tanks wurden gelötet undinnen mit Tankschutz lackiert. Zu denSattelpfannen musste ich mir Lederbesorgen und eine Negativform ausGips gießen, so dass mir ein Sattler

Werkstatt mit Tochter Maya

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das Leder in Form presste und perHand vernähte.

Ich war in vielem sehr konsequent,was die Originalität anging, aber ei-nes war klar, das Gerät musste fah-ren und durch den TÜV abgenom-men werden. Also machte es nichts,dass ich zunächst keinen Scheinwer-fer oder Spiegel bekam. Ich nahmeine sehr ähnliche deutsche Lampemit Prüfkennzeichen, ich rüste nochauf Original um, aber die Maschineist heute angemeldet.

Die Ölpumpe sah so gut aus, dass ichbis zum Einbau dachte, sie sei in Ord-nung. Vorsichtshalber habe ich siedoch geöffnet und siehe, die Taumel-scheibe, welche den Pumpenkolbenbewegt, war gebrochen. Nun war ichinzwischen über den ACS an denAntique Motor Cycle Club of Ame-rica (AMCA) gekommen und einge-treten. Über Annoncen im Club-magazin und über den Schatzmeis-ter, Bob McClean hatte ich einigeGleichgesinnte Schreibfreunde inAmerika gefunden. Der Eintritt inden englischen American MotorcycleRegister hat mir freundliche, aberkeine nützlichen Kontakte gebracht,da die Mitglieder im wesentlichenKriegsmaschinen WLA haben undbetreuen.

Über Peter Kaesmacher vom HDCDhatte ich die Adresse von HerrnDufour in Amsterdam bekommen,einen über 70- jährigen Mann, der imKeller und Schuppen noch sehr vieleHarley- und Indian-Teile hatte,allerdings in schlechtem Zustand. Ihnhatte ich mal auf der BMW in strö-mendem Regen besucht und ein paarTeile für meinen Ersatzmotor, wieZylinder und Ventile mitgenommen.Ich hatte dort eine Ölpumpe in derHand gehabt. Also schrieb ich an ihn,an Bob McClean in Iowa und BruceLinsday in Cleveland/Ohio, der mirschon mit einigen Tips und Teilen ge-

holfen hatte. So hatte er mir einTachowellenkugellager und Lenker-schloss geschickt und einen Rat, wieman das Lenkerschloss ausbaut, daich keine Schlüssel hatte.

Von Bruce kam erst eine falscheGrauguss-Ölpumpe. Nach Reklama-tion kam die richtige Leichtmetall-pumpe und von Bob kam auch eineund außerdem ein Amperemeter.Meine Teilequellen funktioniertenalso allmählich, lagen aber in USA,Holland, Frankreich und derSchweiz, und Briefwechsel ging nachEngland, Italien, Österreich und Dä-nemark.

Einen Original-Auspuff mit Schall-dämpfer habe ich neu vom ACS be-kommen: TÜV-Messung: 105 Phon.Also kam für den TÜV ein BMW-Schalldämpfer dran: Zulässige 90Phon.Das Gespann wuchs allmählich überviele Zwischenstationen, wie Trapez-gabel-Buchsen erneuern, Bowdenzü-ge aus Meterware erstellen, Kabel-baum aufbauen usw., zusammen.

2.4 Die Zulassung

Im Sommer 1978 war die Maschinefahrbereit und konnte das erste Malzum TÜV zur Grunduntersuchungfür einen neuen Brief: Gewichte,

Kopie alter und neuer Brief

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Leistung (aus altem Brief), Nenn-drehzahl (?), Mängel wie Ölfleck ander Kettenschmierung, ein fehlenderSplint am Bremsgestänge, Radlager-spiel, Auspuff undicht und (s.o.) zulaut.

Drei Anläufe habe ich mir vonvornherein zugestanden. Sie wurdenes auch zusammen mit einer Über-holung der drei Bremsen: Ausdrehenund neu belegen. Ein Prüfer hat mirRespekt abverlangt, als er das schwe-re Gespann gekonnt auf zwei Rädernüber den Hof steuerte: Geprüft undnicht zu leicht befunden! Nach derZulassung traten auf den ersten Aus-fahrten natürlich noch Mängel auf:

Verlorene Schrauben, ein ausgeschla-genes Tacholager, rupfende Hinter-radbremse, zu viel Spiel im Schalt-gestänge, das Lenkkopflager muss-te nachgestellt werden, d. h. Lenkermit Zügen und Kabeln abbauen. DerSeitenwagen bekam einen neu bezo-genen Sitz, Gepäckträger und Wind-schutzscheibe sowie ein Verdeckfolgten.

Auf dem Schnauferl-Treffen zur2000-Jahr-Feier der Stadt Neuß 1979sollte ich Streckenmarschall sein, dadie Ausschreibung für Motorrädervergessen wurde. Ich machte dasschön, bis der Motor nur noch aufeinem Zylinder lief. Die alte Zünd-

spule hatte den Geist aufgegeben. Alsich das Zündkabel aus der Spule zog,kam eine schwarze Schmiere mit:Verschmorte Isoliermasse.

Die 34-er VL von Bob McClean istseine Langstreckenmaschine. In denUSA heißt das was bei deren Entfer-nungen. Das erreiche ich auch noch.Ich bekomme laufend Einladungenzu den Meetings des AMCA z.B.nach Davenport/Iowa, South Caro-lina, Fort Mott/New Jersey, Sche-nectady/New York und Orlando/Flo-rida. Wer weiß, vielleicht bin ich nochmal dabei?

Kürzlich stand doch in der Zeitung,in Aachen sei ein Harley-Seiten-wagenboot von 1935 abzugeben.Der Anbieter hatte es für ‘nen Appelund nen Ei‘ auf einem Flohmarkt er-standen. Es war leider schon verge-ben, aber für mich kommt auch nochein Frühling! Ich tastete ich mich andie Zuverlässigkeit der Maschine he-ran, denn es ging mir noch zu viel Ölverloren (50-er Regular von ValvoHamburg in 20l-Kanistern). DieBenzinhähne waren nicht dicht unddie Lenkung musste noch stabilerwerden. Aus dem dritten Gang in denzweiten zurückzuschalten, schaffeich auch heute noch nur mit Anhal-ten. Das Getriebe ist nun mal unsyn-chronisiert.

Doch Sonntag morgens auf der Köin Düsseldorf mit blondem Kind aufdem Rücksitz und der feinen Frau imSeitenwagen rückwärts in die Park-lücke fahren, das bringt Zuschauer,Fans und Groupies.

Die Mühe der drei Jahre hat gelohnt,denn ein so schönes Dreirad hat nochkeiner weit und breit

Das Cockpit der fertigen Maschine

Gespann in historischer Umgebung