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Kunstkatalog, Kunst in der Osterather Kirche in Meerbusch
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Kunst in der Apsis
KIRCHE
KU
NS
TKunst in der
ApsisEvangelische Kirche in Meerbusch-Osterath
22
Liturg_Kal_07_Karte_Layout 2 25.03.11 12:21 Seite 1
© Liturgischer Kirchenkalender Kulturforum im FFFZ Düsseldorf
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... dokumentiert das Projekt „Kunst in der Apsis“ der Evangelischen
Kirchengemeinde Osterath anhand ausgewählter Kunstwerke
... zeigt, wie Künstlerinnen und Künstler gestalterisch mit den
thematischen Vorgaben des Kirchenjahres umgehen
... lädt ein, sich anhand der gezeigten Kunstwerke mit dem
Verhältnis von Kunst und Kirche zu befassen
... regt an zum Nachdenken und Gespräch über die Botschaften
des Kirchenjahres
... will Appetit auf mehr machen
... ermuntert zu einem Besuch von „Kunst in der Apsis“, bei uns
vor Ort oder über das Internet
... will ermutigen, in Ihrer Gemeinde eine ähnliche Aktion ins Leben
zu rufen.
Für das Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde
Osterath
Dr. Wolrad Rube
Dieses Kunstbuch ...
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Seit jeher ist das Christentum von einer engen Verbindung von Kunst und
Kultur geprägt. Beiden ist es ein Anliegen, Orientierung zu geben. Mit
der Ausstellungsreihe „Kunst in der Apsis“ fördert die Evangelische Kir-
chengemeinde Osterath mit großer ehrenamtlicher Unterstützung nun
schon seit Jahren die zeitgenössische Kunst im Kontext mit Kirche. In
mehr als 60 Wechselausstellungen haben Künstlerinnen und Künstler
aus Meerbusch und anderen Städten in der Vergangenheit Gelegenheit
genommen, die Apsis und den Kirchenraum künstlerisch zu gestalten.
Die mittlerweile weit über die Grenzen Meerbuschs hinaus bekannten
Ausstellungen laden die Besucher zum gemeinsamen Schauen, Fragen
und Suchen ein, sie fördern den Dialog von Kunst und Religion.
Der Bitte, die Herausgabe dieses Kunstbuches finanziell zu fördern, ist
die Stadt Meerbusch gerne nachgekommen. Ich wünsche den Akteuren
weiterhin viel Erfolg und den Lesern geistiges und visuelles Vergnügen.
Angelika Mielke-Westerlage
Grußwort der ersten Beigeordneten und Kulturdezernentin der Stadt Meerbusch
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Menschen machen immer wieder die Er-
fahrung: Gott ist in unseren menschlichen
Gedanken, Vorstellungen und Bildern nicht
zu fassen. Das festzuhalten ist schon der Sinn des Bilderverbots im
Alten Testament. Aber dennoch gibt es zwischen Gottes Welt und
unserem Leben vielfältige Berührungen. Und es gibt Orte und Zeiten,
die in besonderer Weise Raum schaffen für solche Berührung und
Begegnung.
Die Apsis im Kirchraum ist seit alters her der Ort, der diesen Raum
„ausmalt“ oder auch „frei hält“. Es ist ein meist halbrunder, mitunter
nischenförmiger Abschluss des Längsschiffs. In den frühchristlichen
Kirchen enthält die Apsis oft in kostbaren Mosaiken ausgeführte Bilder,
die Christus zeigen und vor Augen führen, wie Gott uns Menschen
nahegekommen ist. In neueren Kirchen sammelt hier häufig auch
ein Kreuz die Blicke. In der Regel ist die Apsis zudem der Ort für den
Altartisch – den Ort, wo Christus im Abendmahl in seiner Gemeinde
gegenwärtig ist.
In unserer Osterather Kirche nimmt der Altar die Gestaltung der
neuen Apsis auf, eine klare Formensprache aus Glas und Metall.
Zugleich schafft die Apsis mit ihrer weißen Wand einen Frei-Raum,
der offen bleibt für immer wieder andere Ausgestaltung.
Kunst in der Apsis – im KirchenjahrGerhard Saß – Pfarrer in Osterath seit 2010
Es heißt, ›du sollst dir kein Bild machen‹; ich male mir aus, was es heißt. (Elazar Benyoëtz)
Das Kirchenjahr mit seinen Festen schafft im Rhythmus unseres
Lebens besondere Zeiten, an denen wir Gottes Wirken in unserer Welt
feiern und so unseren Glauben wahrnehmen. Weihnachten, Ostern
und Pfingsten mit ihren Liedern und Bräuchen und auch die Vorbe-
reitung auf diese Feste prägen Erinnerungen und Erleben und haben
ihre je eigene Färbung. Aber auch jeder Sonntag hat seinen eigenen
Namen und Charakter – und seine bestimmte liturgische Farbe.
Apsis, Kirchenjahr und – wechselnde – Kunst: die Kombination dieser
drei schafft für unsere Gemeinde und alle Besucher unserer Kirche
immer neu Kontaktflächen und Zeiten für die Begegnung zwischen
Gottes Welt und unserem Leben. Dazu will auch die Auswahl der
Bilder, Texte und Gesangbuchverse in diesem Buch anregen.
Dr. Gerhard Saß
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Kirchbau ist Zweckbau und den Zeitläufen unter-
worfen. Die Aufbruchstimmung Anfang der 70er
Jahre führte zur Umgestaltung der erst 1960
gebauten evangelischen Kirche in Osterath. Quer
wurde sie jetzt eingerichtet, Stühle statt Bänke
im Halbkreis, einfache Klapptische ersetzten den
Altar. Der Boden wurde nivelliert, die Pfarrer sollten
auf Augenhöhe mit der Gemeinde agieren, direkte
Kommunikation war Ziel und wurde angenommen.
Nach gut zwei Jahrzehnten setzte ein Umdenken ein. So viel Alltag
in der Kirche war auf Dauer doch zu viel, der Sonntag kam zu kurz,
die Auszeit, die auch verzaubern kann. Die entrückt und konzen-
triert, die entführt und doch zu sich selbst führt. Die spüren lässt,
dass zu Kommunikation und Aktion auch Kontemplation gehört. Die
Raum schafft für „den ganz anderen“, der eben nicht nur erfahrbar
ist durch sein Wort.
2001 entschloss sich das Presbyterium deshalb erneut zu einer
Umgestaltung. Der Architekt Karlhans Pfleiderer, Neuss, ließ die
Längsausrichtung der Kirche wieder zur Geltung kommen, durch-
brach die Giebelwand, baute eine Apsis an aus Stahl und Glas, die
Licht in den Kirchraum bringt. Doch, huch, an der Stelle des Kreuzes
gähnte jetzt eine leere Fläche. Was tun? Wieder ein Kreuz aufhängen,
ein Bild oder eine Plastik aufstellen? Und welches christliche Motiv?
Der Künstler Gilbert Scheuss, Kempen, entwarf die neuen, konstruk-
tivistisch anmutenden Prinzipalstücke und riet, die Apsis als sakralen
Ausstellungsraum zu nutzen.
Die EKD hatte gerade mit einem Impulspapier zur positiveren Ge-
staltung des Verhältnisses zwischen Protestantismus und Kultur
aufgerufen und geraten, die Distanz zu den bildenden Künsten in der
Moderne aufzugeben. So fiel Scheuss’ Vorschlag auf guten Boden.
Und die Erfahrungen mit verschiedenen Kunstwerken seitdem zei-
gen, dass es Sinn macht, nichts Statisches zu installieren, sondern
Besucherinnen und Besucher immer wieder neuen Eindrücken aus-
zusetzen. Kunst in der Apsis war etabliert.
Wir Pfarrerinnen und Pfarrer sind Nützlichkeitsfanatiker. Wir halten
immer wieder nach dem Ausschau, was der Glaubensvermittlung
dienen kann, und bedienen uns bei Lyrik und Belletristik, Psychologie
und Soziologie, Musik und auch Kunst. So war es nur folgerichtig,
Kunst in der Apsis in Unterricht, Gottesdienst und Gemeindeveran-
staltungen einzubinden.
Zur Eröffnung einer Ausstellung laden wir die Künstler zur Teilnahme
am Gottesdienst ein, greifen in Predigt und nach Möglichkeit in der
Liturgie die Ausstellung auf. Da sich die Ausstellungen thematisch
nach den Kirchenjahreszeiten richten, ergibt sich die Nähe zwischen
Kunst und kirchlichem Anliegen. Ob wir dabei stets den Künstlerinnen
und Künstlern gerecht werden, mag dahingestellt bleiben.
Kunst in der GemeindearbeitFalk Neefken – Pfarrer in Osterath von 1973 bis 2009
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Protestiert gegen die theologischen Interpretationsversuche haben
noch keine Ausstellenden. Im Gegenteil, oft genug kommt man mit-
einander ins Gespräch. Den Rahmen dafür bieten die Vernissagen
nach den Gottesdiensten, in deren Verlauf die Kunstschaffenden auf
Fragen der Anwesenden zu Technik, Motivauswahl und Bedeutung
der Kunstwerke bereitwillig eingehen.
„Protestantische Bildungsbürger“ haben die Ausstellungen sofort
akzeptiert, bei den kunstferneren Gemeindemitgliedern sind Unver-
ständnis bis Ablehnung weitgehend Neugierde und Offenheit gewichen –
Ergebnis von Gesprächen, die wir führen. Verschiedene Stunden der
Frauenhilfe befassten sich mit Ausstellungen. Die Frauen konnten ihr
Unverständnis artikulieren. Behutsames, verständnisvolles Aufgreifen
ermöglichte es ihnen, sich einzulassen auf ihnen fremde Kunstvor-
stellungen. Besonders gut gelingt dies mit abstrakter Malerei, lenkt
sie doch Gedanken und Gefühle nicht gleich in eine bestimmte Rich-
tung, sondern bietet Raum für ein Sich-Einfühlen, lässt Chancen,
seine eigenen Deutungen in die Kunstwerke zu tragen und so Bezüge
herzustellen mit eigenem Erleben und eigener Sinnsuche.
Ähnlich in Unterricht und in Schulgottesdiensten. Mit Kindern und
Jugendlichen kommen wir, oft genug durch einfache Fragen angeregt,
erstaunlich schnell ins Gespräch. Dass sie sich in Malworkshops an
Kunst in der Apsis engagieren, ist nur folgerichtig.
Kunst und Kirche, beide mühen sich, vordergründige Realitäten zu
transzendieren und zu hinterfragen. Kunstwerke kommen dabei
unserem menschlichen Grundbedürfnis besser nach, sich mit den
Augen zu orientieren. Qualitätvolle Kunst öffnet gleichzeitig eine wei-
tere Erfahrungsebene, die auch religiöse Dimensionen hat, weil sie
Formen bietet, die sich nur über das Gefühl erschließen lassen. Dass
Kunst dabei nicht nur dem Wohlfühlen dient, sondern auch provo-
ziert und anregt, liegt in der Natur der Sache.
Und das Kreuz? Ein dezentes schmiedeeisernes steht auf dem Altar.
Daneben – das hat Kunst in der Apsis uns gelehrt – gibt es vielfältige
andere künstlerische Gestaltungsmöglichkeiten, Glauben und (Glau-
bens-) Zweifel auszudrücken, in Wort und Bild, in Skulptur und Musik,
in Installation und Performance. Ein Wagnis, sicher, aber ein lohnendes.
Ihr
Falk Neefken
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a d V E n ta d V E n tEin Engel verkündet die Geburt Johannes des Täufers.
Ein Engel verkündet Maria die Ankunft (lateinisch: Advent) des Christus.
Die Adventszeit ist eine Zeit der Vorbereitung.
Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. Und auf das Kommen Gottes zu uns.
Die Farbe der Vorbereitung, auch der Umkehr und Buße, ist das Violett.
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Holger RungeMeerbusch
Engel
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Engel gehören zum Inventar fast aller Religionen. Ein Engel in der Bibel, das kann ein Mensch sein, ein überirdisches Wesen, ein
mit Gottes Ich verwechselbarer Sprecher. Wichtig sind der Empfänger und die Botschaft. Aussagen über das Wesen der
Boten werden nicht getroffen, auch mit Flügeln hat erst das Abendland Engel versehen. Engel entstehen mit ihrer Aufgabe
und verschwinden wieder, wenn ihre Aufgabe erfüllt ist.
Holger Runges aus „Schrott“ entstandene Materialbilder zeugen von Dynamik, Energie, Handeln, sind so Momentaufnahmen
engelhaften Handelns. Nicht objektiv darstellbar, aber von dem wahrnehmbar, dem das engelische Handeln gilt. „Es gibt sie.
Ohne sie hätte ich nicht überlebt“, bekennt Holger Runge.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungsworten in der Vernissage
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Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all,
zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude uns macht.
(Christoph von Schmid - EG 43,1)
W E i h n a C h t E nW E i h n a C h t E nW E i h n a C h t E n
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Tanja KolinkoKöln
Und der Engel sprach zu ihr
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Gabriele WalterEmmerich
Hildegard ZieglerAachen
Licht der Welt
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4. Klasse derErwin-Heerich-GrundschuleBovert
Weihnachtsbilder
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Helmut KrügerInken Kuntze-OsterwindMeerbusch
Kinder der Welt
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E p i p h a n i a sE p i p h a n i a s
Epiphanias (griechisch: Erscheinung des Herrn) wird am 6. Januar gefeiert.
In den westlichen Kirchen stehen an diesem Tag die Weisen aus dem Morgenland im Mittelpunkt.
In den östlichen Kirchen wurde dieser Tag als Tag der Taufe Christi begangen.
Die liturgische Farbe der Epiphaniaszeit (2-5 Sonntage) ist grün, die Farbe des Wachstums.
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Erika A. SchäferCastrop-Rauxel
Licht-Bilder
... Fotoarbeiten, die unter dem Aspekt Licht und Reflexion
stehen. Helle und lichte Motive, ein Wettbewerb zwischen
dem Dunkel und dem Hellen.
In unserer technologisch rhythmisierten und durchleuchte-
ten Welt haben wir durch unseren übermäßigen Gebrauch
von künstlichem Licht die Zwischenphase, die Dämmerung,
fast schon abgeschafft. Damit gehen nicht nur äußerliche
Qualitäten verloren, sondern ganze Existenzweisen. Es lohnt
sich, ihnen einen Teil der Wachheit unseres wahrnehmenden
Daseins zu widmen. Erika Schäfer zeigt viel Aufmerksamkeit
und hält die unterschiedlichen Zustände von Licht, Dämme-
rung und Finsternis fest.
Lichtüberflutungen bringen uns nicht wirklich Aufklärung,
Erhellung und Frieden. Für uns entscheidend ist, dass Christus
uns das Licht bringt. Er – mit seinem Leben, mit seiner Pre-
digt – spart nichts aus. Ihm ist nichts fremd. Unser Leben
bleibt von Absurditäten bedroht. Es wird weiter großen Un-
frieden auf der Welt und abgründigen Kummer geben. Auch
in Zukunft werden Menschen anderen Menschen Leid zufü-
gen, und das Dunkel wird mehr als einmal siegen.
Gerade weil unser Leben so ist, bringt das Licht Christi eine
Helligkeit von Gott mit, die einen Frieden eröffnet mitten unter
uns. Dass wir Frieden finden mitten unter uns, obwohl es
nicht gerecht und gut zugeht, das ist die Aufklärung im Lichte
Christi.
Christi Licht enthält eine doppelte Aufklärung: Es zerrt die
Dunkelheiten ans Licht und erhellt damit ihr wahres Gesicht.
Und Christi Licht wirkt jene Helligkeit aus Sinn und Güte, die
eine Versöhnung mit diesen Dunkelheiten ermöglicht.
Auszug aus der Predigt von Pastor Marc-Albrecht Harms zur Eröffnung der Ausstellung
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Barbara Schulte-ZurhausenAachen
Farbbänder
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Ingrid KreytenbergDorsten
Durch der Strahlen klaren Schein
„Das Bild kann erst beurteilt werden, wenn es fertig ist, weil
die meisten Farbflächen nicht durch Mischung auf der Palette,
sondern durch Farbschichtung entstehen. Mit Ausnahme der
Vielzahl der Grautöne benutze ich die Farben meist unge-
mischt. Mit einem breiten Pinsel und mit viel Kraft vertreibe
ich die Farbe zu einer dünnen, transparenten und damit
leuchtenden Farbschicht von ganz eigenem Klang. Dadurch
erhalten die Bilder zu der intendierten Räumlichkeit Leucht-
kraft und Licht.
Ich möchte, dass meine Bilder über die Sinne die Seele an-
sprechen, sie durch Miterleben der Schwingungen im Gefüge
von Formen und Farben in Bewegung setzen. Ich möchte
Ahnung von hinter den Dingen liegenden Bereichen ermögli-
chen. Die Ausdeutung der Komposition bietet dem Betrachter
ein weites Feld entsprechend seiner Seherfahrung.“
Ingrid Kreytenberg, Auszug aus dem Text der Künstlerin
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Magdalena HellströmZimmermannDortmund
Licht und Materie
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Roul SchneiderDortmund
Vom Kreuz auf Erden
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p a s s i o np a s s i o n
O Welt, sieh hier dein Leben
am Stamm des Kreuzes schweben,
dein Heil sinkt in den Tod.
Der große Fürst der Ehren
läßt willig sich beschweren
mit Schlägen, Hohn und großem Spott.
(Paul Gerhard - EG 84,1)
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Helmut Martin-Myren †Meerbusch
Frieden?März 2003
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Über Jahrhunderte hinweg lernten des Lesens Unkundige
biblische Geschichten durch Bilder und Plastiken kennen.
Sahen Kreuzigung und Auferstehung, Jesu Himmelfahrt und
sich öffnende Gräber am Jüngsten Tag, sahen Gottes Heils-
handeln und gingen getröstet nach Hause.
Doch in der Passionszeit verwehrten Tücher den Blick auf
das Altarbild, Hungertücher, die mit dem Antlitz des leidenden
Christus oder mit den Marterwerkzeugen Jesu zeigten, was
Menschen einander antun. Erst Ostern wurden die Tücher
entfernt, konnte Lebensmut und Lebenszuversicht neu getankt
werden.
Leid und Zuversicht finden sich wieder im Kreuz von Helmut
Martin-Myren. Mit der Verwendung von Granate und Maschi-
nengewehrgurt weist er ganz realistisch darauf hin, wie Men-
schen Leid zugefügt wird und Existenzen zerbrechen.
Doch sein Kreuz drückt keine Verzweiflung aus. Von den
Kreuzesbalken geht ein kleiner, heller Schein aus und strahlt
in die Farbflächen hinein, hellt die Rottöne auf, drängt sie
zurück. Der rechte Kreuzesbalken ist viel zu lang und ragt
über das Kreuz hinaus, weist damit in die Zukunft. Ist wie eine
Lebenslinie, die nicht einfach abbricht. Es gibt ein Leben jen-
seits des Kreuzes, zeigt Martin-Myren an. Es gibt ein Leben
nach dem Tod.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus der Predigt zur Eröffnung der Ausstellung
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Christine WingelsMönchengladbach
Kreuzinstallation
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Mechthild SeckAachen
Anke Wolf Stolberg
Vom Schatten zum Licht
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Hilde Birkhölzer-Dehnert Wuppertal
Von der Vergänglichkeit des Gedenkens
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Wolfgang SchmöldersKrefeld
Perspektiven
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Vier Spiegel aus beschichtetem Kunst-
stoff sind streng auf die Architektur der
Apsis bezogen und verändern Perspektive
und Raumeindruck der Kirche. Der freie
Raum zwischen den Spiegeln ergibt die
Form eines großen Kreuzes. Ein illusions-
loser Bereich, eine gesichtslose Fläche.
Aber auch Raum, der gefüllt werden kann
mit unseren Vorstellungen.
Nicht jeder sieht das Kreuz. Der Blick vieler
geht auf die Spiegel. Sie sehen sich,
sie sehen die Wiese, die Autos, die sich
durch die Verglasung der Apsis spiegeln.
Sie sehen einen Teil ihrer selbst, aber
das Kreuz übersehen sie. Hinweis darauf,
dass unsere Glitzerwelt die Kreuze un-
seres Alltags überspiegelt, überglitzert,
ins falsche Licht rückt?
Nichts wird aufgedrängt durch die freie
Fläche, aber der Fantasie auch keine
Grenze gesetzt. Und doch ein Kreuz, in
das jeder seine Vorstellung vom Leid in
unserer Welt einbringen kann. Die Kreuze,
die Menschen einander aufbürden, sind
nicht immer zu sehen. Aber wer mit dafür
sorgt, dass Gesichter sichtbar werden,
der steht den Gesichtslosen schon bei.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus der Predigt zur Eröffnung der Ausstellung
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Inez WagnerBonn
Lebenswege – Bilder zur Passion
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o s t E r n
h i m m E l f a h r tDer schöne Ostertag!
Ihr Menschen, kommt ins Helle!
Christ, der begraben lag,
brach heut aus seiner Zelle.
Wär vorm Gefängnis noch
der schwere Stein vorhanden,
so glaubten wir umsonst.
Doch nun ist er erstanden,
erstanden, erstanden, erstanden.
(Jürgen Henkys - EG 117,1)
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o s t E r n
h i m m E l f a h r tDer schöne Ostertag!
Ihr Menschen, kommt ins Helle!
Christ, der begraben lag,
brach heut aus seiner Zelle.
Wär vorm Gefängnis noch
der schwere Stein vorhanden,
so glaubten wir umsonst.
Doch nun ist er erstanden,
erstanden, erstanden, erstanden.
(Jürgen Henkys - EG 117,1)
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Monika NellesKrefeld
Die Saat des Fischers
Unter der Altarplatte befinden sich in kleinen Bassins Kronen untergegangener
Herrschergestalten und Gewalthaber, von farbigem Wasser überflutet. Kronen,
deren Edelmetall zu Blech und deren Edelsteine zu Rheinsteinen wurden. Zeichen
der Vergänglichkeit und des Verfalls irdischer Macht. Fürsten sind Menschen vom
Weibe geboren / und kehren um zu ihrem Staub, heißt es in einem Gesangbuchlied.
Und Maria singt im Magnificat: Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die
Niedrigen.
Kronen als Zeichen untergegangener Herrscher. Aber darüber Brot und Wein, das
Kreuz und die Bibel, die Zeichen, die uns an den Auferstandenen erinnern. Die uns
ermuntern, darauf zu vertrauen, dass Gott dereinst alle Tränen abwischen wird
von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid und Geschrei noch
Schmerz wird mehr sein. Hinter Karfreitag leuchtet Ostern auf.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus der Predigt zur Eröffnung der Ausstellung
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Gisela BretzHans-Dieter Matthey † Meerbusch
Herbert HaasNeuss
Anne KurthKrefeld
Die Farbe Weiß
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Verhangen ist das Objekt, verhangen wie früher die Altarbilder in der Passionszeit. Doch der transparente
Vorhang lässt erahnen, was sich dahinter verbirgt, macht neugierig, weckt Fragen und sucht Antworten.
Was ist das: ein Kreuz oder ein Kleidungsstück? Leiden oder Segnen? Die Antwort bleibt offen.
Auch die auf grundiertem Packpapier entstandenen Kreide-Bleistift-Zeichnungen zur Passionsgeschichte
bleiben im Doppeldeutigen, sollen auf Erde und Himmel hinweisen. Ist es nun ein rein irdisches
Geschehen, was da auf und um Golgatha geschah, oder doch ein heilsgeschichtliches Handeln Gottes,
nicht der Ratio, aber dem Glauben erkennbar?
Kreuze aus Stein und auf Bildern ergänzen die Ausstellung. Das Kreuz als Monogramm Christi, als
christliches Symbol, aber auch als Sinnbild der Einheit von Extremen, in dem sich Raum und Zeit verknüpfen.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungsworten in der Vernissage
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Maritta MüllerKrefeld
Lebensspuren
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Johannes BirkhölzerWuppertal
Fragmente
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p f i n g s t E nDu Heilger Geist, bereite
ein Pfingstfest nah und fern;
mit deiner Kraft begleite
das Zeugnis von dem Herrn.
O öffne du die Herzen
der Welt und uns den Mund,
daß wir in Freud und Schmerzen
das Heil ihr machen kund.
(Philipp Spitta - EG 136,7)
p f i n g s t E n
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Rainer TillmannGelsenkirchen
Farbraumkissen und Leuchtkörper
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Das obere Bild ist in klaren Blautönen gestaltet, sie erinnern
unweigerlich an den Himmel. Doch die blaue Fläche symbo-
lisiert nicht nur den Ort, in dem Gott wohnt, sondern auch
eine gewisse kühle Distanziertheit. Der Himmel, die Region
Gottes ist uns Menschen nicht zugänglich. Seine Ordnung
strahlt zwar auf unser Leben, aber es ist eine überirdische
Ordnung.
Kontrapunkt der blauen Fläche ist das gleichgroße violette
untere Quadrat. Die irdische Existenz, sagt der Künstler, ist
eine Mischung aus Ordnung und Chaos, Ewigkeit und Ver-
gänglichkeit, Kühle und Glut.
Die drei kleineren Quadrate befinden sich „zwischen Himmel
und Erde“. Zwei nehmen vor allem die Farbe des Irdischen
wieder auf, sind jedoch weiß umrandet. Das mittlere Quadrat
enthält als Hauptfarbe die Farbe Weiß.
Weiß überstrahlt in seiner Reinheit alle anderen Farben, es
ist aber selber keine Farbe. Ihm haftet nicht nur die Klar-
heit und Reinheit an, sondern auch etwas Unantastbares und
Unberührtes. Das Weiß auf unserem Bild ist nicht strahlend
weiß, sondern mit Schlieren durchzogen. Die reine göttliche
Klarheit ist uns Menschen im Irdischen nicht gegeben.
Mich erinnert das mittlere Quadrat an das Licht am Ende des
Tunnels, den Hoffnungsschimmer, auf den wir zugehen, den
Lichtschein, der unseren Weg erhellt. Die äußeren Quadrate
erinnern mich daran, dass die Gegenwart Gottes unser Leben
umschließt.
Pastor Ralf Berger, aus der Predigt zur Eröffnung der Ausstellung
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Johanna SandauBochum
Sören SchmittDortmund
Die Farbe Rot
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Georg OpdenbergKrefeld
Archetypen – Rufer und Splitterrichter
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60
Kinder-Kunstworkshop
Feuer-Farben
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Inge Heinicke-BaldaufUlrike SchornWuppertal
Assoziationen zu Pfingsten
Kirchliche Feste erfreuen sich nicht alle gleich großer Beliebt-
heit. Die Abstimmung mit den Füßen gewinnen Ostern und
mit riesigem Vorsprung Weihnachten. Pfingsten rangiert
ganz hinten.
Pfingsten, von pentekoste, 50 Tage nach dem Passahfest, war
als Fest der Weizenernte im ländlichen Bereich angesiedelt.
Später wurde es verbunden mit der Erinnerung an die Gabe
der zehn Gebote am Sinai. An die Wegweisung, die Gott sei-
nem Volk mitgibt.
Diesen Gedanken griff man im 4. Jahrhundert auf und fei-
ert seitdem zu Pfingsten die Gabe des Heiligen Geistes, der
ja auch Menschen beseelt und stärkt, tröstet und leitet. Der
Menschen, der Gemeinden verhilft, ein Gott wohlgefälliges
Leben zu führen.
Dennoch bleibt Pfingsten irgendwie vage. Im katholischen
Bereich gilt es heute eher als Abschluss des Osterfestkreises
denn als eigenes Fest. In den Evangelischen Kirchen wird die
Farbe Rot nur an sieben Tagen verwendet – als wäre sie zu
revolutionär!
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungsworten in der Vernissage
62
t r i n i t a t i s
Mit dem Sonntag Trinitatis (lateinisch zusammengesetzt aus ‚Drei‘ und ‚Einigkeit‘ – nämlich Vater,
Sohn und Heiliger Geist) beginnt die zweite Hälfte des Kirchenjahres. An den über 20 Sonntagen nach
Trinitatis wird in den Gottesdiensten thematisiert, was zum Glauben gehört und wie Christinnen und
Christen handeln. Die liturgische Farbe ist grün – für das Wachsen und Reifen im Glauben.
t r i n i t a t i s
63
64
Dietlinde AssmusDüsseldorf
Nach Trinitatis
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Die Bilder von Dietlinde Assmus hier in der Apsis sind durch-
drungen und geprägt von den Grundgedanken der ökume-
nischen Fokolarbewegung. Deren Leitfrage lautet: Was dient
der Gemeinschaft und der Verständigung – zwischen den Kir-
chen und in der Welt? Auf allen drei Bildern sehen wir Men-
schen in Gemeinschaft.
Im Zentrum des mittleren Bildes: das Kreuz. Vom Bildrand
unten finden Menschen im Gegenüber zueinander und ge-
meinsam den Zugang zur Mitte. Hin zur Kraft des Lebens, zur
Kraft des Geistes. Wer mag, könnte sich erinnern lassen an
die Himmelsleiter aus der Geschichte Jakobs, in der Jakob
begreift, wie nahe Gott ihm kommt. Oder auch an den Zugang
zum Tisch des Herrn, an den wir alle eingeladen sind.
Das Bild über dem Taufbecken möchte die Bitte Jesu in sei-
nem Abschiedsgebet in Johannes 17 ausdrücken „Dass alle
eins seien“.
Und das Bild über der Kanzel zeigt uns Maria, die in ihrer Mitte
das Bild Jesu für uns trägt. Maria, die hier nicht zu sehen
ist als anzubetende Gottesmutter, sondern in erster Linie als
Vorbild für uns selbst. Wie sie es mit ihrem Leben gezeigt
hat, können und sollen wir Jesus in uns selbst entdecken und
durch uns hindurch der Welt schenken und damit unseren
Teil tun.
Aus der Predigt von Pfarrer Gerhard Saß zur Eröffnung der Ausstellung
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Barbara HeldWuppertal
Schrift-Tafeln
Mit Barbara Held begegnet uns eine
Künstlerin, die auch Theologin ist und
die als Geistliche gearbeitet hat. Theolo-
gisches Denken und Reflektieren ist ihr
genauso wenig fremd wie das Aufspüren
historischer Zusammenhänge. Und sie
nutzt das.
Mit hebräischen Schriftzeichen weist sie
auf die gewaltsam abgebrochene jüdi-
sche Traditionslinie unserer Kultur in
Deutschland hin. Auch auf das Gemein-
same zwischen Kirche und Judentum.
Spät, sehr spät, aber immerhin schon 1950
hat die Evangelische Kirche in Deutschland
erklärt, dass die Erwählung Israels nicht,
wie bisher gelehrt, durch die Erwählung
der Kirche abgelöst worden ist.
Die bleibende Erwählung Israels ist so
in den letzten Jahren allgemeine christ-
liche Überzeugung geworden. In der Kir-
chenordnung heißt es deshalb: „Wir sind
mit Israel in der Wurzel verbunden.“
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungswor-ten in der Vernissage
6767
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Elke HergertOsnabrück
Unter der Oberfläche
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Die Bilder von Elke Hergert verändern den Kirchenraum. Sie
besetzen ob ihrer Dimensionen die Wände, verkürzen den
Raum, bilden einen Kontrapunkt zur weißen Fläche der Apsis-
rückwand, laden auf der unruhigen Klinkerwand zum Verwei-
len, aber auch zum Spazierengehen ein.
Zeit ist nötig, um die Dynamik in den Bildern wahrzunehmen,
die Umkehrung von Tiefe und Nähe, das Lichtspiel. Diese Bilder
sind keine Abbildung von Wasser, sondern drücken eher etwas
von der existentiellen Erfahrung mit Wasser aus.
Unter der Oberfläche – so lautet der Titel, den Elke Hergert ihren
Bildern gegeben hat. Ja, darum geht es: unter die Oberfläche,
hinter das Vordergründige zu dringen. Hier haben Kunst und
Religion starke Berührungspunkte.
„Kirchliche Räume“, sagt Elke Hergert, „sind mit geistigen
Energien besetzt, deren Wirkungen deutlich spürbar sind.
Auch in meinen Bildern suche ich den Ausdruck der Konzen-
tration und Kontemplation. Der Kirchenraum ist für mich eine
große Herausforderung, geistige, vielleicht auch geistliche
Bezüge sichtbar zu machen, den Blick zu erneuern.“
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungsworten in der Vernissage
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Elisabeth LeydeBerlin
Geh aus mein Herz – Naturfacetten
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Geh aus, mein Herz, und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben.
Die Bäume stehen voller Laub, das Erdreich decket seinen Staub mit einem grünen Kleide; Narzissen und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide. Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein fliegt aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder; die hochbegabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall Berg, Hügel, Tal und Felder. Die Glucke führt ihr Völklein aus, der Storch baut und bewohnt sein Haus, das Schwälblein speist die Jungen, der schnelle Hirsch, das leichte Reh ist froh und kommt aus seiner Höh ins tiefe Gras gesprungen. Die Bächlein rauschen in dem Sand und malen sich und ihren Rand mit schattenreichen Myrten; die Wiesen liegen hart dabei und klingen ganz vom Luftgeschrei der Schaf und ihrer Hirten. Ich selber kann und mag nicht ruhn, des großen Gottes großes Tun erweckt mir alle Sinnen; ich singe mit, wenn alles singt, und lasse, was dem Höchsten klingt, aus meinem Herzen rinnen.
Ach, denk ich, bist du hier so schön und läßt du´s uns so lieblich gehn auf dieser armen Erden, was will doch wohl nach dieser Welt dort in dem festen Himmelszelt und güldnen Schlosse werden! Welch hohe Lust, welch heller Schein wird wohl in Christi Garten sein! Wie muß es da wohl klingen, da so viel tausend Seraphim mit unverdroßnem Mund und Stimm ihr Hallelujah singen! Doch gleichwohl will ich, weil ich noch hier trage dieses Leibes Joch, auch nicht gar stille schweigen; mein Herze soll sich fort und fort an diesem und an allem Ort zu deinem Lobe neigen. Hilf mir und segne meinen Geist mit Segen, der vom Himmel fleußt, daß ich dir stetig blühe; gib, daß der Sommer deiner Gnad in meiner Seele früh und spat viel Glaubensfrücht erziehe. Mach in mir deinem Geiste Raum, daß ich dir werd ein guter Baum, und laß mich Wurzel treiben; verleihe daß zu deinem Ruhm ich deines Gartens schöne Blum und Pflanze möge bleiben. Erwähle mich zum Paradeis und laß mich bis zur letzten Reis an Leib und Seele grünen; so will ich dir und deiner Ehr allein und sonsten keinem mehr hier und dort ewig dienen.
(Paul Gerhardt 1607-1676)
72
Kerstin PotthoffRatingen
Dauer – Raum – Zeit
„Ich tausche den Pinsel mit dem Sucher einer Kamera. Auch
hier ist für mich die Bewegung im Bild bedeutungsvoll. Der
Raum löst sich auf, Farbfelder verbinden sich, schaffen neue
Strukturen. Es ist die Arbeit eines Moments.
Unschärfe bedeutet Verzicht auf Details zugunsten einer
neuen Verdichtung. Die Aufmerksamkeit wird auf eine neue
Bildkomposition gelenkt.
Ein Erforschen des Zeitflusses und des Momenthaften, dabei
gleichzeitig die Lebendigkeit der verlorenen Zeit. Die Zeitzo-
nen verlaufen und fließen zu einem privilegierten Moment
des kurzen Innehaltens.
Die visuelle Wirklichkeit verändern – Weg in eine andere
Wahrnehmung.“
Kerstin Potthoff, Auszug aus dem Text der Künstlerin
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Marlies BlauthMeerbusch
Inge Heinicke-BaldaufWuppertal
Lebensfarbe Grün
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Säkulare Kunst befriedigt keine nostalgischen Bedürfnisse. Sie fordert den Glauben eher heraus, als dass sie ihn bestätigte. Sie zwingt dazu,
die Augen aufzumachen und Gefühle erwachen zu lassen. Säkulare Kunst kann aufrühren und provozieren, manche Reaktionen unserer
Kirchenbesucher sind beredtes Beispiel dafür.
„Lebensfarbe Grün“ allerdings wird kaum provozieren. Denn diese Bilder rühren an die Sehnsucht nach dem Paradies. Nach Grün sehnen wir
uns, auch wenn wir grünes Unkraut ausmerzen. Grün ist wie Licht und Sonne Zeichen für Lebendigkeit. Ja, Grün ist die Farbe der Hoffnung.
Grün steht für die Üppigkeit der Natur.
Es dürfte deshalb nicht von ungefähr kommen, dass Grün die Hauptfarbe des Kirchenjahres ist, zumindest quantitativ. Dahinter steht wohl auch
„der starke Wunsch nach einem Alltagsgrün, das einem das Wachsen und Gedeihen vor Augen führt – und damit verbunden die Hoffnung, die
erst das innere Überleben sichert“ (M. Blauth).
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus den Einleitungsworten in der Vernissage
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Klaus WissingKrefeld
Die 10 Gebote
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1. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir
2. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben
3. Halte den Sonntag in Ehren, er ist heiliger Tag des Herrn
4. Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Du sollst nicht töten
6. Du sollst nicht ehebrechen
7. Du sollst nicht stehlen
8. Du sollst nicht Unwahres über deinen Mitmenschen sagen
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut
10. Du sollst nicht versuchen, etwas an dich zu bringen, das deinem Mitmenschen gehört
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Marlies BlauthIlse Petry-AmbrosiusLore Schneider-PohrtMeerbusch
Menschenbilder
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E r n t E d a n k
Brich mit den Hungrigen dein Brot,
sprich mit den Sprachlosen ein Wort,
sing mit den Traurigen ein Lied,
teil mit den Einsamen dein Haus.
Such mit den Fertigen ein Ziel [...]
(Friedrich Karl Barth - EG 420)
E r n t E d a n k
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Petra Göbel Essen
Dietmar WehrWuppertal
Brotzeit
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Arno Mair-GrünekleeMeerbusch
Pavel MartinekMonika NellesKlaus Peter VogelKrefeld
Unser täglich Brot(Nacht der offenen Kirchen)
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Georg OpdenbergKrefeld
Unser tägliches Brot Die Kumpanen
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Ulli KöppenKirsten MazathJanine RuppStudierende der Universität Wuppertal
Erntedank
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t o d & l E B E n
Du kannst nicht tiefer fallen
als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen
barmherzig ausgespannt.
Es münden alle Pfade
durch Schicksal, Schuld und Tod
doch ein in Gottes Gnade
trotz aller unsrer Not.
Wir sind von Gott umgeben
auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben
und sein in Ewigkeit.
(Arno Pötzsch - EG 533)
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Studierende der Universität WuppertalSintflut und Arche
Der meisterzählte Mythos der Menschheit ist der von Sint-
flut und Arche. Mythen werden nicht erzählt und tradiert, um
das Destruktive zu feiern, sondern um Mut zu machen, sein
Leben dennoch zu wagen. Auf einem unserer Bilder taucht
die Arche am Horizont auf, klein, aber doch nicht überseh-
bar. Glutrot und gleißend gelb erscheint auf einem anderen
Bild schon vor dem Ende der Sintflut der Regenbogen, so,
als könne man das Verderben nur mit diesem Schimmer der
Hoffnung überstehen.
Superintendent Pfarrer Falk Neefken, aus der Predigt zur Eröffnung der Ausstellung
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Irmgard KramerDüsseldorf
Stille
In ihren Arbeiten transponiert Irmgard Kramer Sand oder
Erde, mitgebracht von ihren Reisen, auf eine fast unstoffliche
Ebene, es wird zu hingehauchten Rasterpünktchen, zu einer
Momentaufnahme, die auf die Vergangenheit hinweist. Jedes
einzelne Körnchen scheint von anderen Zeiten zu berichten,
von Umschichtung, von Verwitterung und erneuter Verfesti-
gung. Solche natürlichen Prozesse nimmt Irmgard Kramer
als Vorlage; der Acrylbinder ist ihr Zeitraffer, der die Sedi-
mente zu einem Ganzen zusammenfügt.
Das Ende des Kirchenjahres beherbergt einige betont stille
Tage, aber man muss nicht gleich büßen und beten, um bei
der Frage nach den Ursprüngen oder nach dem Wohin an-
zukommen. „Guter Durchblick“ nennt Irmgard Kramer denn
auch ihr Apsis-Bild, sie wünscht uns Betrachtenden damit
einen guten Anfang und ein gutes Ende bei allem, was wir
tun, und natürlich den Blick dafür.
Marlies Blauth, Erläuterungen zur Ausstellung
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Ingeborg Hartmann-Keller †Meerbusch
Buße
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Manfred KassnerLünen
Auf der Flucht
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Vielleicht wird in den sechs Wochen dieser Ausstellung unser Blick für Menschen in Flüchtlings-
situationen geschärft, vielleicht nehmen wir auch neu wahr, wie viele Menschen in ihrem Alltag ständig
mit Flucht- und Auswegen ringen, weil so manches in ihrem Leben unerträglich geworden ist.
Der Gott Saras, Abrahams und Hagars,
der Gott Jesu, Marias und des Paulus,
unser Gott – er ist „ein Gott, der dich sieht“.
Aus der Predigt von Susanne Koschmider, Pfarrerin
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Kirche öffnet sich: Das war im Jahr 2001 der Leitgedanke der
Umgestaltungsmaßnahmen, denen der damals 40 Jahre alte Kirch-
raum unterzogen wurde.
In diesen vier Jahrzehnten hatte er schon ein paar Veränderungen
erlebt. Seine hermetische Kühle, typisch für die beginnenden 60er
Jahre, war später einer fast plüschigen Gemütlichkeit mit Teppich-
boden gewichen, außerdem hatte man den Altar an eine Seitenwand
platziert, damit sich die Gemeinde im Halbkreis versammeln konnte.
Auf diese Weise war allerdings die ursprüngliche Architektur des
Langhauses kaum noch nachvollziehbar.
Das sollte sich also kurz nach der Jahrtausendwende noch einmal
ändern, denn von da an wurde der Charakter eines Sakralraums wieder
betont. Man wollte, dass eine lichte Leichtigkeit die Strenge und
Schwere der Errichtungszeit ablöst. Die undurchdringliche riesige
Ziegelwand wurde durch eine Apsis aufgebrochen, die oben und an
den Seiten ein stahlgefasstes Glasband hat und sich außerdem durch
eine helle, fünf mal drei Meter messende Wand auszeichnet. Ein
gläsernes Portal gibt seitdem den Blick in den Kirchraum frei, der
im Übrigen auch regelmäßig zugänglich ist, und zwar außer für die
Gottesdienste werktags an den Vormittagen. Der neue Altar aus Metall
und Glas, also korrespondierend mit den neuen architektonischen
Details, kam an die ursprüngliche Stelle und wurde ergänzt durch
eine passende Taufstele und ein Lesepult (Gestaltung und Ausfüh-
rung der Prinzipalstücke: Gilbert Scheuss; Antependien: Christine
Wingels). Der Künstler Horst Lerche gab der dunklen, erdrückend
wirkenden Holzdecke des Kirchraums einen neuen Anstrich; durch
verschiedene Blaunuancen erzielte er einen lichten, himmelwärts
strebenden Eindruck. Terracottafliesen, deren Farbton eine irdene
Wärme vermitteln, ersetzten den abgenutzten dunkelgrünen Teppich-
boden.
Kunst in der Apsis Marlies Blauth, Organisatorin
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Die Apsiswand mit ihrem Weiß hob sich deutlich von den Ziegel-
wänden ab, die man in ihrer ursprünglichen Erscheinung beließ; die
Wand wurde also zum „Hingucker“, unterstützt durch ihre mittige,
zentrale Positionierung. Ohne jede Gestaltung wirkte die Wandfläche
zu leer. Zwar fallen unter bestimmten Bedingungen – Tageszeiten,
entsprechendes Wetter – Sonnenstrahlen durch die Buntglasfenster
(von Will Brüll; noch ursprüngliche Ausstattung), was manchmal ein
interessantes Farbenspiel ergibt, dennoch kam bald die Frage auf,
was mit der Fläche geschehen soll. Da ein Altarkreuz vorhanden
war, wollte man dahinter kein zweites Kreuz. Ein Bild oder Objekt
würde also besser passen, was bei einem Ankauf allerdings auch
eine Festlegung auf eine bestimmte Thematik bedeutet.
Um also zu testen, wie eine Gestaltung der Apsis aussehen könnte,
sprach man verschiedene Künstler aus der Region an, die mit einer
Arbeit – oder auch mehreren, sich ergänzenden – die Wand bestückten.
Diese ersten Ausstellungen waren eher unspektakulär, schon allein
deswegen, weil es sich im Prinzip um eine Arbeit oder ein Ensemble
handelte und die Berichterstattung in der Presse etwas darunter
litt, dass die Kirchenumgestaltung schon des öfteren besprochen
worden war. Ferner waren sie als Probehängung konzipiert, nann-
ten sich also gar nicht „Ausstellung“, und wechselten im übrigen mit
langen, leeren Phasen ab. Diese ersten Schritte waren aber doch
notwendig, denn daraus wuchs allmählich der Gedanke, regelmäßig
Wechselausstellungen zu machen. Man ahnte, dass es eine span-
nende Sache werden könnte, da sich ja die kirchlichen Jahreszeiten
und Festtagszyklen auch deutlich voneinander unterscheiden, was,
eine sensible Auswahl vorausgesetzt, durch Kunst sichtbar gemacht
werden kann.
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Um Wechselausstellungen zeigen zu können, braucht man aller-
dings mehr als nur eine große leere Wand; die Öffentlichkeitsarbeit
muss stimmen (Einladungskarten, Pressearbeit), die Künstler sollten
die Möglichkeit haben, ein etwas umfangreicheres Spektrum ihrer
Arbeit zu präsentieren, damit sich möglicherweise auch Verkäufe
ergeben, Vernissage-Termine müssen eingerichtet werden, am besten
mit einem guten Einführungsredner oder einem Musikprogramm,
außerdem muss technische Unterstützung seitens der Gemeinde
angeboten werden, weil nicht jeder auf eine Fünfmeterleiter steigen
kann (an dieser Stelle möchte ich den Küster, Klaus Graf, dankend
erwähnen, der den Künstlern immer hilfsbereit und ideenreich zur
Seite stand).
Die bereitgestellte Geldsumme war knapp bemessen. Als ich gebeten
wurde, bei dem Projekt die künstlerische Seite zu vertreten, hatte
ich das Ziel, das wenige Geld möglichst vernünftig einzusetzen;
einerseits für Attraktivität des Ausstellungsortes zu sorgen, mich
andererseits aber nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass ein „neben-
sächliches“ Gemeindeprojekt zu viel Geld verschluckt. Ich verteilte
die Ausgaben auf etwa sechs Ausstellungen pro Jahr, nachdem
Galerieschienen an geeigneten Wänden angebracht und andere
technische Ergänzungen vorgenommen waren. Bald bekam das Pro-
jekt auch einen Namen: Kunst in der Apsis. Denn auch wenn es nun
einige Wandmeter mehr zu bespielen gab, so dass eine veritable
Ausstellung mit zehn bis zwanzig Arbeiten möglich war, stand die
Apsis nach wie vor im Mittelpunkt, vor allem thematisch.
Die Themen orientieren sich zyklisch am Kirchenjahr; darüber
bestand schon gleich Konsens. Dass der Raum durch jede neue Aus-
stellung wieder verändert wird, war hingegen für manche Gottes-
dienstbesucher zu neu und zu ungewohnt. Andere aus der Gemeinde
fanden den Wechsel aber auch gut, sie wussten schnell zu schätzen,
dass hier die traditionenerfüllte Beständigkeit, beispielsweise in
Gestalt Jahrhunderte alter Elemente im Gottesdienst, auf kulturelle
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Äußerungen der Gegenwart trifft (und umgekehrt). Von Beginn an
haben wir vermieden, kirchliche Kunst zu zeigen; vielmehr haben
wir sie „aus dem Leben gegriffen“, um zwei Ansätze oder Aspekte
(den religösen und den nicht-religiösen) in dem Sinne zu verbinden,
dass sie sich gegenseitig beeinflussen und in manchen Fällen sogar
gegenseitig (ver-)stärken. Wenn das so auskommt, sind beide Seiten
– Künstler und Gemeinde – bereichert.
„Farbige Zeiten“ wechseln mit zurückhaltenden Ausstellungen, bei-
spielsweise in der Passionszeit und im November mit seinen Toten-
gedenktagen; gegenständliche Arbeiten lösen ungegenständliche ab,
festgelegte Themen fordern in der Folge wiederum offene, meditativ
wirkende Arbeiten. Jeder Besucher bringt andere Vorausset-
zungen mit, die seine Interpretation beeinflussen. So gibt es
mitunter auch Missverständnisse, die aber nötig sind, will man
Kirche tatsächlich dauerhaft öffnen: Die Gemeinde ist ange-
halten, sich mit etwas auseinanderzusetzen, das über Gottes-
dienst und andere Amtshandlungen hinausgeht, gleichzeitig
aber auch darauf zurückzeigt. Traditionelle Inhalte haben ja
gerade dann Bestand, wenn sie unter verschiedenen gesell-
schaftlichen Bedingungen immer wieder neu abgefragt werden
können, was bedeutet, dass sämtliche Veränderungen mit ein-
fließen, manchmal störend, manchmal erneuernd, meistens
anregend. Solches Geschehen vor die Kirchentür zu verbannen,
wäre kurzsichtig. Kulturelle Arbeit und deren Ergebnisse sind
fähig, Veränderungen jenseits von Modeströmungen anzutip-
pen, ahnen zu lassen oder auch deutlich anzuzeigen. Daher
ist es eine Chance, sie in die Kirche zu lassen. Das Glasportal,
das auch bei geschlossener Kirche einen Blick ins Innere
erlaubt, während der Abendstunden sogar in eine beleuchtete
Apsis, ist ein Symbol für die Öffnung eines sakralen Raums ins
ganz normale Leben.
Marlies Blauth
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Moderne Kunst irritiert. Sie lässt die Welt für einen Moment anders
sehen. Sie lässt erkennen, wie voraussetzungsreich und unwahr-
scheinlich ist, was als ganz normal genommen wird. Hierin macht
die Kunst erfahrbar, dass die Welt anders sein könnte.
Kunst erreicht dies, indem sie dekomponiert und abstrahiert und
doch zugleich rekombiniert und konkretisiert: durch das Hervorhe-
ben von Formen, durch die Konzentration auf die Farblichkeit, durch
ungewohnte Materialen und durch unerwartete Kombinationen der
Elemente. Welche Ordnungsmuster unsere Welt hat, wird in der
Kunst auch deutlich, wenn ganz alltägliche Dinge in einen neuen
Kontext gestellt werden. Jede Betrachtung der Kunst spielt dann
mit einer Verdoppelung: Direkt erfahrbar ist das Kunstwerk in seiner
physischen Präsenz – und zugleich eröffnet es eine andere, eine neue
Sicht auf die Welt.
Religion und Kunst haben sich über die Jahrhunderte hinweg in einem
oft nicht konfliktfreien Prozess aus ihren engen Bindungen gelöst.
Kunst dient nicht mehr per se der Religion, d. h. sie zeigt nicht mehr,
wie geordnet die Welt ist, wie vertrauenswürdig und schön. Sie macht
nicht mehr eine religiöse Dimension in allem Sichtbaren sichtbar,
und sie repräsentiert nicht mehr ein aller Welt Transzendentes.
Kurz: Kunst stützt nicht mehr die Religion, auch nicht die Politik,
auch nicht Moral und Recht. Das Wahre, Schöne und Gute tritt nicht
mehr im „Dreierpack“ auf – und wie die Einzelelemente auftreten, ist
überhaupt zur Frage geworden.
Das Interessante ist nun, dass gerade es eine ihre Freiheit praktizie-
rende Kunst ist, die in neuer Weise eine Ähnlichkeit mit Religion hat.
Diese Ähnlichkeit ist es, die religiöse Kunst so schwer macht.
Die Ähnlichkeit besteht darin, dass auch die Religion, auch der christ-
liche Glaube die Welt neu sehen lässt. Die Welt erscheint als Drama
Gottes, das sich von der Schöpfung über Christus bis zu einer Neu-
schöpfung spannt. In jedem Gottesdienst feiern die Christinnen und
Christen eine „andere“ Sicht auf die Welt. Glaube, Liebe und Hoff-
nung sind wirkmächtige Verfremdungen der Wirklichkeit, ganz eigene
Weisen, die Wirklichkeit zu dekomponieren und zu rekombinieren.
Hierin spielen sie dieser Welt ganz eigene Möglichkeiten zu – wobei
die Pointe des Glaubens ist, dass er seine Wirklichkeit letztlich nicht
nur für eine interessante, anregende, „andere“ Möglichkeit, sondern
in allem Zweifel doch für die „wirkliche Wirklichkeit“ hält.
An dieser Stelle wird das Prekäre, wird das Schwierige, ja die Unmög-
lichkeit moderner religiöser Kunst sichtbar. Was wird in der moder-
nen religiösen Kunst dekomponiert und rekombiniert? Was wird in
der religiösen Kunst verdoppelt? Die Welt (wie in der Religion) oder
die eigene Wirklichkeit der Religion? Wird die Welt, wie sie ist, oder
die Art und Weise, wie die Religion die Welt verdoppelt, in der religiösen
Kunst verdoppelt? Wird die Welt oder die religiöse Welt „Gegenstand“
der künstlerischen Verarbeitung? Anders formuliert: Möchte die
religiöse Kunst der Religion in ihrer Sicht auf die Welt dienen, oder
macht sie die Religion zum „Gegenstand“ der Dekomposition und
Warum ist moderne religiöse Kunst (un)möglich?Günter Thomas / Bielefeld
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Rekomposition und lässt darum nicht die Welt, sondern die Religion
neu sehen? Die künstlerische Verarbeitung setzt ihren Gegenstand als
„wirklich, aber auch anders möglich“. Indem sie damit Selbstverständ-
lichkeiten und Gewissheiten auflöst, lässt sie diesen Gegenstand neu
sehen. Wenn nun in religiöser Kunst religiöse Sachverhalte, Motive,
Praktiken und Äußerungen Gegenstand künstlicher Verarbeitung
werden, dann löst sie religiöse Gewissheiten auf und irritiert diese.
Dann wird das, was für die Glaubenden die „wirkliche Wirklichkeit“ ist,
plötzlich anders gesehen und in gewisser Weise künstlerisch „zer-
setzt“.
An diesem Punkt eröffnet sich für die moderne religiöse Kunst eine
Alternative: Die religiöse Kunst kann die in der Neuzeit gewonnene
Freiheit zugunsten der Religion aufgeben und Kommunikationsme-
dium der Religion werden. Sie dient dann der Dekomposition und
Rekombination, die der Religion eigen ist. Sie macht sich hierin die
Sache der Religion zu ihrer eigenen. Die Kunst kann aber auch ihre
Freiheit in Anspruch nehmen und die Religion selbst, deren Symbole,
Vollzüge, Vorstellungen und Praktiken zum Gegenstand der künstle-
rischen Verarbeitung machen. Die Dekomposition und Rekombination
der Religion wird darin stets religions-distanzierend, wenn nicht gar
– gewollt oder ungewollt – religionskritisch sein. Die Gefahr im
ersteren Fall ist sicherlich dies, dass die religiöse Kunst in den Kitsch
abgleitet (was nicht heißt, dass sie dabei nicht wirtschaftlich überaus
erfolgreich sein kann). Im zweiten Fall kann die künstlerische Auf-
lösung der religiösen Selbstverständlichkeiten in offene Religions-
kritik umschlagen. Vor diesem Hintergrund wird es nachvollziehbar,
warum nicht wenige religiöse Menschen den religiösen Kitsch lieben
und darüber, dass religiöse Kunst auch ein neues, anderes Sehen von
Religion ermöglichen kann, „not
amused“ sind.
Im Raum der Kirchen eine die
eigene künstlerische Freiheit
nutzende Kunst zu fördern, ist
daher ein Zeichen der religiö-
sen, einer wirklich evangeli-
schen Freiheit. In einer sol-
chen Kunst riskiert der Glaube,
sich selbst nochmals „über die
Schulter schauen“ zu lassen.
Der Weg zwischen den erwähn-
ten Extremlagen, d. h. der Weg
einer religiösen Kunst, die pro-
duktiv respektlos und in künst-
lerischer Freiheit doch auch
eine Wertschätzung der Reli-
gion mitträgt, ist nicht leicht zu
finden. Religiöse Kunst in der Moderne arbeitet sich an dieser (Un)Mög-
lichkeit ab. Eine Kirche, die weiß, dass sich ihr Glaube nicht ihren
Bemühungen, Traditionen, Sicherheiten und Gewissheiten, sondern
der immer wieder sich durchsetzenden Treue Gottes verdankt, wird
sich die Freiheit moderner Kunst gefallen lassen. Sie wird durch diese
andere Freiheit begeistert ihre eigene Freiheit entdecken.
„ohne Titel (13 Säcke) 2010“ setzt sich in der Gestalt einer künstlerischen Verarbeitung des Abendmahlbildes von Leonardo da Vinci mit dem Motivkreis des Abendmahls auseinander. Über den Umweg des Verweises auf das Gemälde Leonardos wird die religiöse Praxis selbst „Gegen- stand“ der künstlerischen Dekomposition und Rekombination.
Günter Thomas ist Professor für Evangelische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum und selbst künstlerisch tätig. Er wird im Herbst 2011 in der Apsis mit einer Installation zum Thema Taufe präsent sein.
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Adressen Dietlinde Assmus, Herzogstraße 18, 40217 Düsseldorf Tel. 0211 372914 [email protected] Birkhölzer-Dehnert, Ravensberger Straße 182, 42117 Wuppertal Tel. 0202 430295 Johannes Birkhölzer, Ravensberger Straße 182, 42117 Wuppertal Tel. 0202 430295Marlies Blauth, Schiefelberg 8, 40670 Meerbusch Tel. 02159 50442 [email protected] Bretz, Veilchenweg 23, 40670 Meerbusch Tel. 02159 8588Petra Göbel, Paulinenstr. 69, 45130 Essen Tel. 0201 787922 [email protected] Haas, Mühlenstraße 51, 41460 Neuss Tel. 02131 2913849 [email protected] Heinicke-Baldauf, Ferdinand-Lassalle-Straße 62, 42369 Wuppertal Tel. 0202 464393 [email protected] Barbara Held, Borner Straße 8, 42349 Wuppertal Tel. 0202 475098 Magdalena Hellström Zimmermann, Atelier, Mergelteichstraße 83, 44225 Dortmund Tel. 0231 716512 [email protected] Hergert, Lange Straße 20, 24399 Arnis Tel. 04642 923853 [email protected] Kassner, Dortmunder Straße 1, 44532 Lünen Tel. 02306 13036 [email protected] Kolinko, Hyazinthenweg 6-8, 51069 Köln Tel. 0221 2977917 [email protected] Kramer, Florastraße 39, 40217 Düsseldorf Tel. 0211 378547 [email protected] Kreytenberg, Duesbergs Kamp 4, 46284 Dorsten Tel. 02362 81025 [email protected] Krüger, Am Striebruch 31, 40668 Meerbusch Tel. 02150 1226 [email protected] Kuntze-Osterwind, Kaustinenweg 2, 40670 Meerbusch Tel. 02159 819228 [email protected] Kurth, Bismarckstraße 19, 47799 Krefeld Tel. 02151 503636 [email protected] Leyde, Weinheimer Straße 7, 14199 Berlin Tel. 0151 42621348 [email protected] Mair-Grüneklee, Pannebäckerstraße 6, 40668 Meerbusch Tel. 0178 8602666 [email protected] Martinek, Stephanstraße 66, 47798 Krefeld Tel. 02151 803846 [email protected] Mazath, Schloßstraße 32, 42719 Solingen Tel. 0212 2308824 [email protected] Müller, Hans-Willy-Mertens-Straße 14, 41749 Viersen Tel. 02162 1027873 [email protected] Nelles, Burgstraße 9 a, 47829 Krefeld Tel. 02151 46210 [email protected] Opdenberg, Dionysiusstraße 163, 47798 Krefeld Tel. 02151 771514 [email protected] Petry-Ambrosius, Zeisigweg 12, 40668 Meerbusch Tel. 02150 7132 [email protected] Potthoff, Atelier, Bahnhofstraße 160, 40883 Ratingen Tel 02102 709585 www.kerstinpotthoff.deHolger Runge, Am Mühlenbach 7, 40670 Meerbusch Tel. 02159 2136Johanna Sandau, Bergstraße 125, 44791 Bochum Tel. 0234 3696600 [email protected] Schäfer, Herner Straße 81, 44575 Castrop-Rauxel Tel. 02305 22321 [email protected]. Wolfgang Schmölders, Stadtgarten 4, 47798 Krefeld Tel. 02151 778708 [email protected] Schneider, Leierweg 23, 44137 Dortmund Tel. 0231 105621 [email protected] Schneider-Pohrt, Mendelssohnstraße 11, 40670 Meerbusch Tel. 02159 7300 [email protected] Schulte-Zurhausen, Erlenweg 11, 52074 Aachen Tel. 0241 85175 [email protected] Seck, Nordstraße 73, 52134 Herzogenrath Tel. 02407 5568468 [email protected] Rainer Tillmann, Atelier, Hauptstraße 9, 45879 Gelsenkirchen Tel. 02 09 15279 [email protected] Peter Vogel, Voßdyk 21, 47803 Krefeld Tel. 02151 753967Inez Wagner, Parkstraße 15, 65779 Kelkheim [email protected] Gabriele Walter, Lohmannhof 5, 46446 Emmerich Tel. 02822 94450 [email protected] Wehr, Klingelholl 95, 42281 Wuppertal Tel. 0202 2602388 [email protected] Wingels, Ingenhovenweg 20, 41334 Nettetal Tel. 02153 9561940 [email protected] Wissing, Winnertzweg 30 e, 47803 Krefeld Tel. 02151 561703Anke Wolf, Hostetstraße 142, 52223 Stolberg Tel. 02402 763830 [email protected] Zieger, Rottstraße 3, 52068 Aachen Tel. 0241 502188 [email protected]
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Roul Schneider – Atelier
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Hilde Birkhölzer-Dehnert – Atelier
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Kunst in der Apsis Evangelische Kirche in Meerbusch-Osterath