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v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie, Bd. 153, S. 188--201 (1952). Aus der Universit/~ts-Augenklinik KSln (Direktor: Prof. Dr. ~oM HorE). L~ii]t sich der Licht- und Farbensinn des gesunden Menschen durch Vitamine und ~ihnliche Stoge beeinflussen ? Von M. GLEEg, K. H. ROCHELSund W. WI~STENBERG. Mit 6 Textabbildungen. DaB das Vitamin Abei den photochemischen Umsetzungen des Sell- purpurs eine wesentliche Rolle spielt, haben die physiologischen und physiologisch-chemischen Untersuchungen yon WALD U.a. bewiesen. Die Klinik der Vitamin A-Mangelzust/~nde erbrachte die Best~tigung (WALD, JEGHERS und AI%MINIO, WAGNER, BfiSCHEIr GLEES U.a.). Es zeigte sieh dabei, dab die durch Vitamin A-Mangel herabgesetzte Dunkel- adaptation durch perorale oder auch parenterale Zufuhr yon Vita.min A wieder normalisiert werden kann, und zwar derart, daI3 eine fiir den einzelnen optimale bzw. maximale HShe erreicht wird. Von der ~berlegung ausgehend, dab die retinalen Prim/irprozesse dem Massenwirkungsgesetz unterliegen, nnd dab eine gr61]ere Zufuhr von Vitamin A in geeigneter Form zu einer stiirkeren Resorption im Darm und damit zu vermehrter Anreicherung in der Netzhaut ffihren miisse, versuchte v. STUDSlTZ durch perorale Zufuhr yon Vitamin A in emulgierter Form die normale Dunkeladaptation zu steigern. Er erzielte damit eine auffallende Wirkung derart, dab sowohl Anfangs- wie Endschwelle erheblich gesenkt wurden, wobei Maxhnalwerte yore 12--42fachen (an anderer Stelle wird das 20f~che angegeben) der Norm erzielt werden konnten. I-IAMSU~GEg konnte v. STUD~ITZS Ergebnisse im wesentlichen be- stiitigen. Aucher land eine Besserung des Anfangsteiles der Empfind- lichkeitskurven auf den ]0--20~achen Wert, w/~hrend die Wirkung auf den Endteil ,,relativ" gering war nnd stellte auBerdem fest, dab auch Vogan-01 in hohen Dosen, also die nichtemulgierte Darreiehung groBer Mengen Vitamin A, den gleichen Effekt hatte wie die emulgierte. COPI']~IaS und WAG~EI~ beobachteten eine anniihernd 3--4fache Steigerung der Dunkeladaptation, nachdem sie Vitamin A in Form der v. STUD~ITzschen Emulsion oder des synthetischen Vitamins A-Arovit zufiihrten. I)agegen sahen sie keine ~u durch reines Vogan-C)l. Nach dem Bekam~twerden der ersten v. STUDNITZSchen Versuche haben HOLZLOHI~ER, I{YialELEIS und I%osE und SCIZMIDT l~achpriifungen

Läßt sich der Licht- und Farbensinn des gesunden Menschen durch Vitamine und ähnliche Stoffe beeinflussen?

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Page 1: Läßt sich der Licht- und Farbensinn des gesunden Menschen durch Vitamine und ähnliche Stoffe beeinflussen?

v. Graefes Archiv fiir Ophthalmologie, Bd. 153, S. 188--201 (1952).

Aus der Universit/~ts-Augenklinik KSln (Direktor: Prof. Dr. ~oM HorE).

L~ii]t sich der Licht- und Farbensinn des gesunden Menschen durch Vitamine und ~ihnliche S t o g e b e e i n f l u s s e n ?

Von M. GLEEg, K. H. ROCHELS und W. WI~STENBERG.

Mit 6 Textabbildungen.

DaB das Vitamin A b e i den photochemischen Umsetzungen des Sell- purpurs eine wesentliche Rolle spielt, haben die physiologischen und physiologisch-chemischen Untersuchungen yon WALD U.a. bewiesen. Die Klinik der Vitamin A-Mangelzust/~nde erbrachte die Best~tigung (WALD, JEGHERS und AI%MINIO, WAGNER, BfiSCHEIr GLEES U.a.). Es zeigte sieh dabei, dab die durch Vitamin A-Mangel herabgesetzte Dunkel- adaptation durch perorale oder auch parenterale Zufuhr yon Vita.min A wieder normalisiert werden kann, und zwar derart, daI3 eine fiir den einzelnen optimale bzw. maximale HShe erreicht wird.

Von der ~berlegung ausgehend, dab die retinalen Prim/irprozesse dem Massenwirkungsgesetz unterliegen, nnd dab eine gr61]ere Zufuhr von Vitamin A in geeigneter Form zu einer stiirkeren Resorption im Darm und damit zu vermehrter Anreicherung in der Netzhaut ffihren miisse, versuchte v. STUDSlTZ durch perorale Zufuhr yon Vitamin A in emulgierter Form die normale Dunkeladaptation zu steigern. Er erzielte damit eine auffallende Wirkung derart, dab sowohl Anfangs- wie Endschwelle erheblich gesenkt wurden, wobei Maxhnalwerte yore 12--42fachen (an anderer Stelle wird das 20f~che angegeben) der Norm erzielt werden konnten.

I-IAMSU~GEg konnte v. STUD~ITZS Ergebnisse im wesentlichen be- stiitigen. A u c h e r land eine Besserung des Anfangsteiles der Empfind- lichkeitskurven auf den ]0--20~achen Wert, w/~hrend die Wirkung auf den Endteil ,,relativ" gering war nnd stellte auBerdem fest, dab auch Vogan-01 in hohen Dosen, also die nichtemulgierte Darreiehung groBer Mengen Vitamin A, den gleichen Effekt hatte wie die emulgierte.

COPI']~IaS und WAG~EI~ beobachteten eine anniihernd 3--4fache Steigerung der Dunkeladaptation, nachdem sie Vitamin A in Form der v. STUD~ITzschen Emulsion oder des synthetischen Vitamins A-Arovit zufiihrten. I)agegen sahen sie keine ~u durch reines Vogan-C)l.

Nach dem Bekam~twerden der ersten v. STUDNITZSchen Versuche haben HOLZLOHI~ER, I{YialELEIS und I%osE und SCIZMIDT l~achpriifungen

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Beeinflussung des Licht- und Farbensinnes des gesunden Menschen. 189

vorgenommen, die keine Beeinflussung der normalen Dunkeladaptat ion ergaben. Auch AsG~us konnte mit hohen Dosen Vitamin A die normale Dunkeladaptat ion nicht gndern.

1943 stetlten v. STUDNITZ und seine Schiller lest, dab die ocker- gelben ~lkugeln der Zapfen aus Lutein (Xanthophyll), also einem Karotinoid, bestehen, welches zudem einen wesentlichen Bestandteil der pigmentepithe]ialen 01kugeln darstellt.

Das Lutein ist nach v. ST~DmTZ eine weitere Vorstufe des Seh- purpurs. Diese Festste]lung fiihrte ihn zu gleichen Versuchen wie mit Vitamin A, n~mlich durch massive Darreichung yon Lutein in Emul- sionsform in die Netzhautprozesse fSrdernd einzugreifen. Das Lutein wurde aus den B]Otenbl~ttern der Tagetes patula flore pleno in Form des Lntein-Dipalmitinsaureesters-ttelenien gewonnen nnd in Emnlsion yon 100--600 mg tgglieh gereicht. Auch hierdurch wurde eine betr~cht- liche Senkung der Schwellen erzielt, und zwar nicht nur fiir den An- fangs-, sondern jetzt anch ffir den Endteil der Adaptation, fiir diesen um das 4fache, fiir jenen um das 10--15fache. Dariiber hinaus stellte v. STUDNITZ U. a. auch eine Beeinflussung des Farbensinnes lest, der- gestalt, dab bei den Versuchspersonen stets eine Verschiebung zur DeuteranomMie hin stattfand. HA~BU~GE~ iiberprC~ite die v. ScuDsiTz- schen Ergebnisse und konnte am Nyktometer eine betr~ehtliche Ver- besserung der Sofortadaptation feststellen. Mo~Js land bei Unter- suchungen am Nyktometer , am E~G~LXI~G-HARTU_~Gschen Adapto- meter wie am Noval~.Wettauer-Ger~t eine Verbesserung der Anfangs- adaptation, wie aueh der Endstufen um etwa das 4 8fache. Farben- sinnpriifungen unter Hdenieneinflug nahmen HA~BU~G~ und MoNz~ nieht vor. C ~ s r ~ s und WAGS~R nntersnchten die Beeinflussung der normalen Dunkeladaptat ion nnd des normalen Farbensinnes. Sie be- dienten sich abet keiner Helenienemulsion, sondern der handelsfertigen 51igen LSsung, des Adaptinols, und konnten damit eine Empfindlieh- keitssteigerung im Anfangsteil der Kurve in wesentlich hSherem Mage und im Endteil in ann~hernd gleichem Mage wie mit Vitamin A-Emul- sion und mit Arovit erzielcn. Dagegen gelang es ihnen nicht, den Farben- sinn irgendwie zu beeinflussen. Die in diesem Zusammenhang yon u STUDNITZ zitierten Arbeiten yon BEST und N I E D E R ~ E ~ beziehen sich nur auf patho]ogische Verh~tltnisse. KLAES und RI:EGEL konnten ebenfalls mit Adaptinol bei gesunden Versuchspersonen die Sofort- wie die Gesamtadaptat ion steigern.

Da das Vitamin C beim Frosch nach v. S~UDNITZ einen Einflug auf die Sehze]lenwanderung hat, versuchte er auch beim Mensehen das Verhalten der Dunkeladaptat ion unter dem Einilug hoher Gaben yon Vitamin C und erreichte damit eine betr~chtliche Beschleunignng und Steigerung des Adaptationsablaufes. Die Kombinat ion yon Vitamin A

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190 M. GLEES, K. H. RoeHE~S und W. Wi)STE~BERG:

und Vitamin C ergab ehle fiber die reine Vitamin A-Wirkung hinaus- gehende Senkung der Sehwellen.

SchlielJlich sieht v. STUI)~ITZ auch im Vitamin B~ einen Stoff, der nach den Untersuchungen seines Mitarbeiters JUNGMANN einen positiven Einfluli auf die I)unkeladaptation haben soll.

Den hier zitierten Arbeiten mfissen wit entnehmen, dab es unter besonderen Bedingungen m6glich sein soil, die dem normalen Tages- und I)~mmerungssehen zugrunde ]iegenden Prozesse in f6rderndem Sinne zu beeinflussen. Damit sind wir, die Richtigkeit dergeschilderten Ergebnisse vorausgesetzt, gezwungen, d i e bisher gfiltigen Ansichten fiber die Netzhautprozesse wie auch fiber den Vitaminhaushalt zu andern. Es erg~ben sich, wenn die Ergebnisse richtig sind, ffir die Praxis, insbesondere ffir manche Berufe, neue wesentliche Hilfsmittel. Das gesamte Problem besitzt darfiber hinaus aber vom physiologisehen Standpunkt aus dadureh bes0nderes Interesse, Ms v. S~VDNITZ seine Ergebnisse bereits bei der Darlegung seiner Ansieht fiber den Ablauf der Prim/irprozesse in der Netzhaut verwertet.

Wir haben uns deswegen seit mehreren Jahren mit systematisehen Untersuehungen zur K1/~rung dieser Frage befaBt.

Ffir die ersten Versuehe mit Helenien standen nur Helenientabletten zur Verffigung. (Der Einwand, dal3 keine Emulsion benutzt wurde, ist inzwisehen hinfiillig geworden, denn CiiPPm~s und WAGNm~ benutzten das Helenien in 61iger LSsung, n/~mlieh das Adaptinol, und auch v. STUD- NITZ selbst hat darauf hingewiesen, dab die emulgierte Darreiehungs- form beim Helenien nieht erforderlieh ist.)

1. Versuehsreihe: Prfifung der fovealen Adaptation. In Ermange- lung eines Nyktometers bedienten wit uns einer Improvisation. Vor der Frontseheibe des EI~GELKING-H~TUNCsehen Adaptometers war eine Sehprobe versehiebbar angebraeht. Die Liehtabschw~chung ge- sehah in fiblieher Weise. Abgelesen wurde naeh 10 rain langer Hell- adaptat ion am TI~ENDELEN~gl~Gschen Ausbleicher aus 1 m Entfernung.

Ffinf normale, in sinnesphysiologisehen Untersuehungen gesehulte Versuehspersonen wurden ebenso wie in sp/~ter noeh zu sehildernden Versuehen 1 Woehe mit Vitamin A z u m Ausschlug einer Avitaminose ,,vorbehandelt".

Von jeder Versuehsperson wurde in vielfaehen Kontrolluntersuehun- gen eine die physiologisehe Streuung einbeziehende und den IJbungs- faktor (van BEIJmNGE~r berfieksiehtigende Kurvenschar aufgenommen. ])ann erfolgte eine t/~gliehe Zufuhr yon 600 mg I-Ielenien, der hSehsten Dosis, die v. STUDNITZ benutzte. Vom 4. Tage der Einnahme ab wurden in regelm~il3igen Absb/inden fiber 3 Woehen jeweils 4- -6 Std naeh der Einnahme die Priifungen am Adaptometer in der oben angegebenen Weise vorgenommen. [Die Ergebnisse gehen aus den Kurven yon 3 Ver-

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Beeinflussung des Licht- und Farbensinnes des gesunden Menschen. ]91

suchspersonen hervor, die fibrigen hier wiederzugeben erfibrigt sich wegen der Gleich~rtigkeit 1. Eine weitere Kurve zeigt den gesamten Adaptationsverlauf einer der beiden anderen Versuchspersonen (Abb. 1 und 2). Sie lassen sich kurz dahin zusammenfassen, dal] in keinem Falle eine nachweisbare Beeinflussung der Dunkel- adaptation zu verzeichnen war, und zwar zu keiner Zeit ihres Ablaufs.

In der 2. Versuchsreihe wurde die Dunkeladapta- tion in ihrem gesamten Ver- ] & U f a l n E N G E L K I N G - H A R -

TUNGschen Adaptometer ~ unter dem Einflul~ yon 5~ Adaptinol gepriifl~ (WG c~o STE~B~laG 2). Aueh hier z0

75 konnte in keinem Falle eine ~ fiber das Mal3 der Streuung e

g hinausgehende Xnderung s der Adaptation hervorge- 2 rufen werden.

Sehliel31ieh wurde noeh ~ eine 3. Versuehsanordnung so getroffen. Nach den Unter- so

20 suchungen yon KOI~L- 75 RAUSCH wird beiBelichtung sfk mit reinem Rot im Sinne der Duplizit~tstheorie zu-

stadien vorwiegend der Tagesapparat erregt. Dar- aus ergab sieh eine weitere MSgliehkeit, eine etwaige

50

JO

75 70

r 3 d

] ]]

r I E I I T r I r I / s 3 ~/ 5 6 8 min 10

A b b . 1. ~ S t r e u u n g s b e r e i c h d e r L e e r v e r s u c h e ; - - 2. T a g , - - - 6. T a g , - - - 8. T a g , - - - 14. T a g d e r E i n n a h m e Yon H e l e n i e n ( t ~ g l i e h 5 9 0 - - 6 0 0 r ag ) .

Einwirkung des Adaptinols zu priifen. Zu diesem Zwecke wurde vor der Frontscheibe des ENGELKING- HAI~TU~cschen Ger~tes ein Leitzfilter GFOOH mit einer Durchl~ssigkeit fiir reines l~ot yon etwa 642 m~z und einem Durchmesser yon 34 mm in

1 Sie stehen mit anderen, hier aus Raumersparnis nicht wiedergegebene n Kur- yen und Tabellen zur Einsicht zur Verfiigung.

sWt)sT~NSERC, W.: Klin. Mbl. Augenheilk. 119, 526, 527 (1951). Auf die Wiedergabo dieser und der anderen hier besprochenen, yon ~nderen Autoren und an anderer Stelle verSffentlichten Tabellen und Abbildungen mu2 aus redaktione]- len Griinden verzichtet werden.

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192 M. GLEES, K. H. I~OCHELS und W. Wt~STEI~Et~O:

Scheibenmitte lichtdicht angebracht. Wegen der hierdurch bedingten Herabsetzung der Helligkeit muSten zur Erzielung ausreichender An- fangsleuehtdiehten das Tagesliehtfilter und 2 Mattseheiben des Gerfi.ts entfernt werden. Bei einer Beobaehtungsentfernung yon 1,5 m wurde zentral fixiert. Die Rotseheibe ersehien damit unter einer WinkelgrSl?e yon 1 ~ 18'. So wurde auf 2faehe Weise die Beliehtung des st~ibehenfreien

eoooo - Bezirks der Netzhaut (KoI~L- l~AUSCI~) bewirkt. Die 6 Versuchs-

70 000 personen erhielten tgglieh 1,0 Adap-

5000 tinol fiber 20 Tage. Die Adap- 2ooo tationsprtifungen fanden vor, am

7000 7000 r . ~

500 500 ~ ~

3OO J00 20O 2,00 750 750 i 700 7OO 80 80 6O 60 gO #o 3O d6 zo 20 15 75 7O IO 8 d g g q d 3 2 2

1 ~ 1 r I I I I I O 5 70 15 eO rain 30 O 5 70 15 20 rain 30

Abb. 2. Abb. 3. Abb. 2. Gesamtadaptation bei 600 mg Helenien. Z e i c h e n e r k l ~ r ~ wie &bb . I .

Abb. S. Dunkeladaptationskurve bei Prfifung mit totem Lieht. Leerversuch (Z~ittelwerte). Kurve i 0 bzw. 20 Tage nach Zufuhr yon 1,0 Adaptinol t~glich.

10. und am 20. Tage der Adaptinolzufuhr statt. Die dabei erzielten Resultate gehen aus der Kurve und der Tabelle' (Abb. 3 und Tabelle 1) hervor. Es ergibt sich aueh bier wiederum keine Spur einer Beein- flussung der Dunkeladaptationl

Kontrollen der yon JU~G~rA~CX angestellten Versuche mit Vitamin B2 vorzunehmen, erschien fiberflfissig. Denn JCXGMAN~r selbst fa$t seine Ergebnisse so zusammen: ,,Bei allen Versuchspersonen fgllt hauptsgeh- lieh auf, dab nicht, wie erwartet, eine Verbesserung, sondern eher eine Verschleehterung der reinen St~bchenliehtschwelle in Erseheinung tritt."

Naehdem Cf)PP~l~S und WAc~cEI~ mit dem synthetischen Vitamin A ,,Arovit" annghernd gleiche Ergebnisse wit init der yon v. S~tyI)I~ITZ angegebenen Emulsion erzielt batten, beschrgnkten wh" unsere Ver- suche mit Vitamin A auf das Arovit und benutzten dieselbe Dosierung

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Beeinflussung des Licht- und Farbensinnes des gesunden Menschen. 193

wie die genannten Auto- ren an 5 normalen Ver- suchspersonen. Die Er- gebnisse decken sich in- sofern, als in keinem Falle eine nennenswerte Xnderung der Adap- tat ionskurven erfolgte. Deswegen geniigt es, fiir alle Untersuchten die nach 30 rain Dunkelad- aptat ion erzielten End- werte (Tabelle 2) und als Beispiel eine Kurve (Abb. 4) wiederzugeben.

Dasselbe trifft iiir unsere Versuehe mit Vitamin C zu. An 8 Ver- suehspersonen wurde nach dem Vorgehen yon v. STUmgITZ 4, 6 und 8 Std naeh der Einnahme yon 150 bzw. 500 mg Cebion die Adaptation gepriift. Aueh hier zeigen Tabelle (Tabelle 3) und KurvenbeispM (Abb. 5) eindeutig, dab die Dun- keladaptation bei keiner Versuehsperson wesent- lieh geiindert wurde.

Bei 5 farbentiich- tigen und einer deuter- anomalen Versuchsper- son wurde vor, wKhrend und nach der Adaptinol- zufuhr das Verhalten am Anomaloskop gepriift. In keinem Fal!e kam es zu einer Anderung der Glei- chung bzw. Gleichungen.

Tabelle 1. 1,0 Adaptinol pro die. Mittelwerte.

N a c h 20 T a g e n

K.F.

P.G.

F . a .

~V[. a .

B.D.

W.W.

sofort 1

20 30

sofort 1 3 5 8

i0 20 30

sofort 1 3 6

10 20 3O

sofort 1 3 5 8

10 20 3O

sofort 1 3 5 8

l0 2O 3O

sofort 1 3 5

20 30

24,5 80,9

308,6 425,3 644,3 715,7

1089,9 1169,0

30,2 68,0

211,9 296,1 392,0 443,6 756,2

1089,9 30,2

120,9 200,9 296,1 392,0 483,9 583,0

11,6 68,0

129,4 174,2 183,9 231,8 308.6 31215

24,5 68,0

] 26,5 425,3 483,9 644,3 715,7 24,5 68,0

239,2 408,2 612,5 800,0 957,1

1089,9

33,9 89,0

296,1 483,9 678,7 800,0

1019,9 1255,4

24,5 80,9

254,3 312,5 425,3 506,2 678,7 847,0

24,5 80,9

189,0 263,3 408,2 530,0 644,3 12,5 80,9

100 0 156,5 200,0 231,8 296,1 308,6

30,2 80,9

153,4 349,9 408,2 583,0 644,3 24,5 80,9

263,3 425,3 583,0 678,7 800,0 957,1

27,1 89,0

272,2 392,0 555,6 715,7 900,0

1019,9 22,2 89,0

263,3 296,1 349,9 463,1 8OO,0

1019,9

38,2 89,0

211,9 272,2 443,6 506,2 555,6 14,4 68,0

106,3 174,2 225,0 254,3 296,1 296,1

20,2 89,0

135,6 308,6 443,6 612,5 756,2 30,2 50,0

-225,0 425,3 555,6 644,4 847,8

1019,9

Um die sich g~nzlich widersprechenden Ergebnisse der verschiedenen Untersuchungen zu kl~ren, empfiehlt es sich, die Ergebnisse derjenigen,

v. Graefes Archiv f;ir Ophthalmologic. Bd. 558. 13

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194 M. GLEES, K. H. ROOKELS und W . WUSTEh*BEB, G:

die eine Beeinflussung der Dunke ladap ta t i on erzielen konnten, einander gegeniiberzustellen, v. STUD~ITZ u n d ttAM]~U~O~]~ geben fiber das Helenien an, bereits am 1. Medikat ionstag einen deut l iehen Effekt be- obaehte t zu haben. An anderer Stelle erkl~rt v. STUDNITZ, daft sieh

50000 1 Tabelle 2. Arovit 1,0 pro die.

20000 ~ Mittelwerte nach 30 rain Dun]celadaptation.

7O000

50Z70

2000

7000

500 .700 20O 7,50

Vet- Leer- such8- versueh person 1

22000 26000 15500 18500 23000

die Wi rku ng

Tage

4

22500 23200 16000 19000 23000

9

21800 21800 27200 26300 14200 16000 18000 19500 23500 23250

erst naeh einigen Tagen 700 80 80 qO 30 dO 15 70

8! z/

J s

7 [ I [ i i p 0 5 lO 15 dO rain 30

z ' k b b . 4. ~ Streuungsbereich; - - 4. Tag, . . . . 9. Tag,

- - - - - - 14. Tag der Einnahme ~on 1,0 Arovit t&glich.

bemerkbar mache. COPPEI~S und WAGIgEI~

stellten den Wirkungseintritt am 8. Tage

lest, hingegen beobachtete MoNJ~ w~hrend

u n d im AnschluB an die 14t~gige Behand- ]ungszeit keine Beeinflussung, 14 Tage nach Beendigung der Helenienzufuhr den Wi rkungse in t r i t t u n d danach die Beein- f lussung der gesamten Adap ta t ion bis zu e inem Maximum, das naeh 2 - - 3 Monaten erreicht ist. Zu dieser Zeit kehren naeh v. STUDNITZ u n d LOEVENICK die Werte aber schon wieder zur Norm zuriiek. E in 2. Maximum, das v. STUDXITZ n n d

LOEVENICK 30 Tage nach dem ersten, nachdem bereits die Schwellen- werte wieder angest iegen waren, feststellten, wurde yon ke inem anderen

Tabelle 3. Vitamin C. Mittelwerte nach 30 rain Dunkeladaptation.

Ver- suehs- pos

Leer- versuch

22300 19000 24000 25000 23000 18000 19000 22300 15500

22200 19000 24700 22000 23000 18000 18500 22000 16000

Stunden

22350 18500 23000 23000 23000 19000 19000 22300 15800

22300 19000 21000 23000 21000 18000 18000 22500 16200

Nach Ein- nahme yon

mg

150

500

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Beeinflussung des Licht- und Farbensinnes des gesunden lVienschen. ]95

Untersucher beobaehtet. Das Maximum liegt nach v. STUDNITZ und LOEVE~ICH beim 7 , nach Ci2P~EI~S und WAG~EI~ beim 14. Tag. Bei KLAES und I~IEGEL t ra t die Wirkung am 3. Tage ein. Das Maximum wurde naeh 10, 20, 28, 32 und 42 Tagen bei der Untersuchung am Nykto- meter und am BmoH-HIRsCH~ELDscben Adaptometer bei 2 Versuchs- personen innerhalb der ersten 4 Wochen, bei 3 weiteren 5 Wochen nach der Verabfolgung festgestellt. Am zooooff ,=____=_~.~._. Nyktometer betrug die Dauer derWirkung ~,.nn~ 1 ,! ~ - - 13, 14 und 15, in einem Yalle sogar 16 Wochen, und am Adaptometer war nach 4 Monaten keine Wirkung mehr festzu- stellen. Das Maximum der So/ortwirkung war nach 4 Std erreicht.

W/~hrend naeh v. STUDNITZ und LOE- VENICK, MONJ~, und HA~BUl~GE~ die Helenienwirkung vorzugsweise die ersten Stadien der Adaptat ion betrifft, erstreckt sie sich in Ci~PPERs' und ~AG:NER. ~ Ver- suehen fast gleiehm~igig fiber den gesamten Adaptationsverlauf. VSllig unfibersiehtlich ist der EinfluB des Heleniens zu ver- sehiedenen Zeiten der Dunkeladaptation, wenn man z . B . die Empfindlichkeits- steigerung in der yon v. STUD~ITZ und LOEVENICI~ 1 wiedergegebenen Tabelle ver- folgt. Die Autoren wiesen selbst auf das unterschiedliche Verhalten der einzelnen Versuchspersonen bin. Wie erkl~Lrt es sieh, dab bei Versuehsperson K. (300 rag) die Steigerung naeh 10 min das 6,7-, naeh

! 500

300 f l ~ " 200 150 8O 8O I;

~ 3O 2O 75

6

4 3 s

7 r i ! I [ r 5 70 ;'5 ZO rain 3 g

A b b . 5. L e e r k u r v e ( M i t t e l - w e r t e ) . - - - K u r v e 4 S t d ,

- - - Knr~Te 6 S t d , - - - - - K n r v e 8 S t d n a c h E i n l l a h m e Yon 500 i n g

V i t a m i n C.

40rain nur das 1,6fache, bei L. (600rag) das 2,9- bzw. 5,2fache zu gleichen Zeiten betr~gt, oder bei H. (300 rag) das Maximum bei der 20. rain liegt ? Aus einer am Novak-Wettauer-Ger~t gewonnenen Beobachtung (v. STUDNITZ 2) ergibt sich, dab die mit 300 mg Helenienzufuhr erzielte Kurve in ihrem Anfangsteil mit der obersten Schwellengrenze der nor- malen, unbeeinfluBten Adaptat ion zusammenfitllt und erst im Endteil wesentlich unter der untersten Grenze ]iegt. HAMBURGER land unter 3 yon 4 Versuehspersonen einer Gruppe gleiehartige Resultate. Nur die 4 , er selbst, spraeh weniger gut an. Er ffihrt dies auf seine Myopie und mit Wahrseheinlichkeit anf sein hSheres Lebensalter zurfick.

1 STITD~XlTZ, G. v., u. H.K. LOEVENIeI~: Klin. Mbl. Augenheilk. l l l , 193 (1945/46).

STVl)NITZ, G. V.: Verh. Zool. 1949, 251.

]3*

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196 M. GLE~S, K. H. t~OOHELS und W. WOS~B~RO:

Bessere t3bereinstimmung in dieser Hinsicht trifft man bei Vitamin A an, allerdings f~llt auf, dab v. STtU)NITZ bei Anwendung yon 40 000 I E das Maximum nach 6 Tagen, bei 250000 I E nach 16 Tagen ermittelte. Widerspruchsvoll sind dagegen auch hier wieder die Ergebnisse in quan- t i ta t iver Beziehung. Bei v. STUDNITZ betr~gt die Besserung fiir den Anfangsteil das 12fache, fiir den Endteil sogar das 42fache. HAMBURGERS Werte liegen fiir den Anfangsteil beim 10--12fachen, w~hrend er im Endteil eine ,,re]ativ geringe" Besserung feststellen konnte. Und Ctfle- PERS und WAC~ER geben ffir Anfangs- und Endstrecke eine durchschnitt- liche Besserung um das 3--4fache an. Betrachten wir die yon ihnen wiedergegebenen Kurven (Ci3PpERs und WAGNER1), SO mfissen wir die Gleichm~l~igkeit in allen Stadien des Adaptationsverlaufes feststellen. HAlVIBURGER 2 zeigt dagegen Kurven, die sich nach 15 rain Adaptat ion east beriihren und nur im Anfangs- und Endteil deutlich auseinander ]iegen. Dem geringen Erfolg im Endteil der Adaptat ion entsprcchend konnte HA~B~GV,~ auch am Novalc-Wettauer-Ger~t nur eine wenig ausgesprochene Wirkung in Form yon Schwellenerniedrigung um 30% bzw. bei kleinerer Sehgr51~e auf 20% feststellen. Anderseits erg~b sich in HAMBURGERs Versuchen eine ,,viel starker ausgesproehene" Wirkung des Vitamins A am Nyktometer , fiber deren Ausmal3 HA~BtT~GER mit Rficksicht auf die den v. STUD~ITzschen Versuchen naehgeahmten Untersuchungen nicht n~her eingeht. Ct~PPERS und WAGNER stellten test, dab am Nyktometer mit Vitamin A (Arovit) eine Leistungssteige- rung nicht zu erzielen war.

Schliel31ich mu~ nochmals hervorgehoben werden, dab C~P~E~s und WAG.WE~ die yon v. STUDNITZ festgestellte Beeinflussung des Farben- sinns durch Helenien nieht best~tigen konnten.

Von einer t3bereinsthnmung der Resultate kann also auch bei denen, die yon einer Beeinflussung der Adaptat ion beriehten, keine Rede sein. Wenn aber tats~chlich das Vitamin A und das Helenien in der yon v. STUD~ITZ zuns theoretisch postulierten und dann experimentell festgestellten Art und Weise die retinalen Prim~rprozesse bei gesunden Menschen beeinflussen sollen, dann mu~ diese Wirkung unter allen Umst~nden und bei allen in der Beobachtung gefibten Versuchspersonen auftreten und nachzuweisen sein. Gewisse Untersehiede des zeitlichen wie mengenm~I~igen AusmaBes w~ren in Anbetracht der grol]en physio- logischen Schwankungsbreite der norm~len Dunkeladaptat ion (PIPER, G~EES) hierbei zuzugestehen. Diese Forderung wird abet keinesfalls er~fillt. Vielmehr ergeben sich - - wie eben gezeigt - - betr~chtliche Diskrepanzen. Sie allein erlauben schon, die MSglichkeit einer Beein- flussung der normalen Netzh~utprozesse auf dem bier beschriebenen

COP~]~s, C., u. E. W ~ a ~ : Klin. Mbl. Augenheilk. 117, 62 (1950). I-IA~BURaE~, F. A. : Das Sehen in der D~mmerung, S. 126. Wien 1949.

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Wege zu bestreiten. Vollends berechtigt ist man aber hierzu, wenn man die einwandfrei und fibereinstimmend negativen l~esultate heranzieht.

Es ergibt sich nunmehr die Frage, wie die unterschiedlichen Ergeb- nisse zustande kommen konnten. Ros~ und ScnMI~)m haben in ihrer Ver5ffentlichung bereits Grundforderun-~oooso gen fiir den Untersuchungsgang gestellt. Die d~rin enthaltenen Bedingungen licht- 200000 technischer Art darf man als yon allen 700000 Untersuchern zwar nicht gleichartig und gleichm~Big, so doch als mehr oder weniger 5oooo befriedigend ausgefiihrt bezeichnen, ]~ber 20000 die geforderte richtige Auswahl der Ver- suchspersonen kann nicht geurteilt werden. :0000 Rose und SCItMIDT fordern weiterhin 5os0 einen Fixierpunkt, wie er fiir wissenschaft- liche Arbeiten schon seit NiG~Ls Arbeiten aooo unerl~Blich ist. COrPE~s und WAG~ER, 70:0 V. 8 T U D l g I T Z , V . ~ T U D N I T Z u n d L O E V E N I C K 50t?

machen hieriiber keine Angaben. Mo~J]~ 300 schreibt selbst : , ,DieVersuchspersonlernte 2oo recht bald mit Fortschreiten der Dunkel- /50 ~npassung den Blick zu heben (oder zu ~ 80 senken) und dadurch das Bild der Scheibe

30 in die Peripherie des Gesichtsfeldes zu 20 riicken." DaB bei derartigem Vorgehen 75! mit der Belichtung verschiedener Netz- hautstellen vSllig unkontrollierbare Fehler 5] auftreten miissen, ist offensichtlich und 3:

karm durch eine eigene Beobachtung be- 2 wiesen werden: Eine unserer ersten Ver- suchspersonen, die - - ungeiibt - - bemiiht war,,,besonders gute" Angaben zu machen, wurde zu Versuchen mit Vitamin C heran- gezogen. Es ergaben sich dabei die in der

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A b b . 6. S e h e i n e r f o l g d e r V i t - a m i n C - Z u t u h r . - - L e e r k u r v e ,

- - - - - K u r v e n a c h 4: Stcl, . . . . . l~:urve n a c h 6 S t d .

Kurve (Abb. 6) ersichtlichen, yon den anderen so erheblich abweichenden Werte. Nach daraufhin angestellten, erneuten Leerversuchen zeigt sich, dab die Versuchsperson stets - - unwillkiirlich - - Blickwendungen aus- fiihrte. Sie schied fiir weitere Versuehe aus.

Ein weiterer Beweis fiir die grundsgtzliche Wichtigkeit eines Fixier- punktes diirfte auch eine Beobachtung Mo~J~s sein. Er land n~mlich, wenn er die Dunkeladapt~tionspriifung mittels einer objektiven Methode vornahm, keine Beeinflussung. Hier war offenbar die Reizfl~che zu groB, als d~s verschiedene Netzhautstellen h~tten belichtet werden

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k6nnen. Wie sollte aueh anders das Versagen der Helenienzufuhr nur bei dieser Untersuehungsteehnik in MONJ ~s F/~llen erkl~rt werden k6nnen ? Nieht umsonst hat NAGEL sehon 1907 auf die Notwendigkeit eines Fixier- punktes zur exakten Prfifung der Dunkeladaptat ion hingewiesen. Somit miissen wir annehnlen, dab im wesentliehen Beobaehtungsfehler zu den untersehiedliehen Ergebnissen gefiihrt haben.

Nun haben wit uns sehlieglieh noeh zu fragen, ob eine Beeinflnssung der normMen Dunkeladaptat ion und des normMen Farbensinnes naeh den bisher giiltigen physiologisehen Ansehauungen iiberhaupt m6glich ist und ob die Deutungsversuehe, die vor allen v. STUDSITZ gegeben hat, befriedigen k6nnen.

v. STuDNI~Z geht, wie bereits erw~hnt, yon der Erws aus, dag eine mehr oder weniger rein photoehemische, dem Massenwirkungs- gesetz unterworfene Reaktion bei den Umsetzungsprozessen in der Netz- haut vonsta t ten geht, in der das Vitamin A eine tragende Rolle spielt. Fiir die positive Wirkung des bei seinen Versuehen im Uberangebot gereiehten Vitamin A gibt er folgende Erklgrung: Dutch die Emul- gierung wird die Resorptionsf~thigkeit des Darmes erh6ht und dureh die hohe Dosierung ein ,,besonders starkes Vitamingeffi.lle zwisehen Darmlumen und Blur" erzielt, damit ein ,,l~esorptionsdruek" bewirkt. Die Wirkung der Emulsion auf das Darmepithel konnte dutch Fluores- eenzuntersuehung und die Vermehrung des Vitamin A-GehMtes in Leber und Retina dureh die Carr-Prize-I~eaktion ebenfalls im Tierversueh naehgewiesen werden. Dabei soll aber aueh hier naeh 6 Std entspre- ehend den Befunden bei der Adaptationsprfifung das Maximum liegen. Ob Mlerdings eine Differenz von 3 IE bei 2 Versuehstieren und Werten yon 15 I E mit und 12 I E ohne Emulsion als Beweis angesehen werden darf, mug im Hinbliek auf die Fehlerbreite der Methode und die geringe Zahl der Versuehstiere angezweifelt werden. Zudem liegen laut Tabelle 1 die 4 und 6 Std-Werte bei Anwendung yon Emulsion gleieh hoeh. Zu berfieksiehtigen ist hier noeh, dag die Carr-Prize-geaktion aueh noeh andere Carotinoide ohne Vitamin A-Charakter ermittelt (STEPP-Kth~NAu- SC~6DE~). Each v. STUD~ITZ haben LEwis u. a. dutch Bestimmung des SerumvitamingehMts bei Kindern die bessere }Virkung der Emul- sion zeigen kSnnen. Entspreehend konnten CttPPE~s und WAG~ER naehweisen, dab SesamS1, der Tr/tger der Voganl6sung, in Form der v. S~uD~ITzsehen Emulsion einen wesentlieh hSheren Fettspiegel im Blut bewirkt als das reine 01. Sie setzen voraus, dab die H6he der Fett- resorption gleiehbedeutend mit Vitamin A-Menge ist and sehtiegen aus ihren Ergebnissen, dag v. STVDNITZ' , ,Resorptionsdruek" mal~- geblieh ffir die verst~rkte Vitamin A-Aufnahme aus der Emulsion ist. Die in diesem Zusammenhang yon v. STUD~ITZ als weiterer Beweis ffir

1 STUD~-ITZ, G.v.: Klin. Mbl. Augenheilk. 111, 159 (1945/46),

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die Stiitze seiner Theorie herangezogene Mitteilung LAC~:~E~s bezieht sich auf Vitamin A-Mangelzust~nde. Dal~ bier eine erh6hte Vitamin A- Zufuhr besser wirkt, ist ofiensichtlich, besagt aber nichts fiir normale Zust~nde. Rose und Sc~[~IOT konnten im Gegensatz zu diesen Befunden aus ihren eigenen Untersuchungen keinen ttinweis erbringen, dal~ das Blur etwa 6 Std nach der Einnahme des Vitamins hShere Werte zeigt. Wir finden also auch hier wieder einen Widerspruch. Er ist um so ver- sti~ndlicher, als die Ansicht yon v. STUD~ITZ fiber den Resorptionsdruck den bekannten Tatsachen fiber den Vitamin A-Haushalt widerspricht. Die Leber ist das Speicherorgan fiir die Provitamine (Carotine) und das Vitamin A (STEPP-Ki2~Av-Sc~6DE~, LEItNAI%TZ). Sie gibt das Vitamin bei Bedarf an die Organe ab. Die Umwand]ung der Carotine in das Vitamin wird nicht dutch Carotinzufuhr, sondern dutch den Vitamin A-Bedarf der einze]nen Organe geregelt (LE~ARTZ). Das be- deutet aber, dai~ die Leber aueh bei vermehrter Zufuhr das gesamte Vitamin A speiehert. Wenn das nicht der Fall w~re, miil~te auch ein erhShtes Angebot yon niehtemulgiertem Vitamin A, wie es doch in Drag@e- oder ()lform~ z.B. des Vogans in beliebiger Menge verabreicht werden kann, sich aueh, wenn aueh vielleicht nur in geringerem Mal~e in Form einer Steigerung der Dunkeladaptat ion zeigen, ttAM~VRGE~ konnte dies naeh der Zufuhr yon 960000 I E je Tag dartun. Aber auch hier liegen wie bei seinen Versuchen mit Emuls ion die 15min-Werte so nahe beieinander, da]~ die daraus gef01gerte ~nderung der Adaptation wenig fiberzeugend ist. Dagegen haben FRA~I)SE~, JEGnERS, L~WlS und HAIG, HEI~SIUS, GLEES u. a. nachweisen k6nnen, daI~ eine Beein- flussung durch erhShte Vitamin A-Zufuhr nicht bzw. nut bei latenten Mangelzust~nden m6glich ist (ATzLER). DIE,ST, VA~ BE~BE]~ and GLEES zeigten schliel~lich, da{~ unter Belastung mit gr6i~eren Mengen Vitamin A 1. Dunkeladaptat ion and Vitamin A-Spiegel im Blut, 2. der Blutspiegel allein ansteigen und 3. beide unbeeinflul~t bleiben k6nnen, mit anderen Worten, dab eine Abs~ttigung der Netzhaut be- reits stattgefunden haben mul3, bevor --- bei Mangelzusti~nden - - der Blutspiegel seine normale HShe erreieht hat, dagegen eine Verbesserung der Adaptation nicht mehr stattfindet, wenn der Blutspiegel normale Werte erreieht hat.

W~hrend also die negativen Resultate yon KYnlE~EIS, Rose und SC~IDT und uns den Stoffwechselvorg~ngen entspreehen, ergibt sieh f fir die yon v. STUD~I~Z gepri~gte und yon CffPPE~s und WaG~E~ fiber- nommene Vorstellnng des Resorptionsdruckes keine Best/itigung.

In bezug auf das ttelenien stehen noeh einige Fragen offen: Nehmen wit diesen Stoff mit der Nahrung auf ? Wenn ja, warum hat man his- her keine Mangelzustgnde, vor allem in Form yon FarbensinnstSrungen, beobachtet ? t t ierzu miii~te es doeh zweifellos kommen, wenn der Stoff,

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wie v. STUDNITZ a n n i m m t , eine der Vi tamin A-Wirkung analoge Auf- gube in der Ne t zhau t hat . Wie sell m a n das y o n v. S~u~)NITZ und LOEVENIC~ 3 - - 4 Wochen nach B e e n d i g u n g der HelenienzuCuhr fest- gestellte 2. Max imum erklaren ? v. STUDNITZ' Deutungsversuch fiir die

, ,F luk tua t ion der Schwellen", dal~ es sich bei dem t te len ien ,,vielleicht um einen so speziellen re t ina len Wirkstoff handel t , da2 ein nennens- wet ter Verbrauch im aui~erretinalen Organismus n ich t erfoigt", ist rein hypothet isch.

Zusammen/assung. An gesunden, in sinnesphysiologischen Un te r suchungen geschulten

Versuchspersonen wurde vor u n d nach Helenienzufuhr das Verhal ten der D u n k e l a d a p t a t i o n un te r verschiedenen Bedingungen und des Farben- sinns gepriift. I n ke inem Falle konn te eine nennenswer te ~ n d e r u n g erzielt werden, insbesondere auch d a n n nicht , wenn die Adap ta t ion mi t Hilfe yon prakt isch d~mmerfre iem Rot geprfift wurde.

Versuche mi t synthe t i schem emuIgiertem Vi t amin A und mi t Vit- amin C ergaben ebensowenig eine Beeinflussung der normalen Dunkel- adapta t ion .

Die MSglichkeit , die no rma len Netzhautprozesse auf diesem Wege zu beeinflussen, mul~ daher bes t r i t t en werden, zumal eine physiologische Grundlage fiir e inen derar t igen Vorgang bisher n ich t gegeben ist. Gegen- teilige Ans ich ten yon Ci)~e~Rs und W ~ R , t t ~ n v n a ~ , Mo~J~,

v. S~uD~ITZ u. a. wurden einer e ingehenden Kr i t ik unterzogen.

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Beeinflussung des Lieht- und Farbensinnes des gesunden Menschen. 201

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Prof. Dr. M. GLEES, K61n, Universitgts-Augenklinik.