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Beglaubigte Abschrift
t-2 0 210t19
Landgericht Bochum
Urteil
ln dem Rechtsstreit
Prozessbevollmächtigte:
Klägers,
Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich, Ottostraße
12, 50859 Köln,
gegen
die Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertr. d Herbert Diess,
Karlheinz Blessing, Jochem Heizmann, Andreas Renschler, Rupert Stadler, Frank
Witter, Oliver Blume, Gunnar Kilian, Hiltrud Werner, Berliner Ring 2, 38440
Wolfsburg,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte KSP.Kanzlei Dr. Seegers pp.,
Kaiser-Wilhelm-Sk. 40, 20355 Hamburg,
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum
auf die mündliche Verhandlung vom 08.1 1 .2019
durch die Richterin am Landgericht Dr. Wappler als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.134,54 € nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2018, Zug-
um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges mit der
Fahrgestellnummer sowie die Kosten der
außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.029,35 nebst Zinsen
IM NAMEN DES VOLKES
2
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 21.12.2018 mit der
Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeugs in
Annahmeverzug befindet.
lm Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der Verweisungskosten, welche
in vollem Umfang dem Kläger auferlegt werden - trägt der Kläger zu 39 % und
die Beklagte zu 61 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann
die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung
in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht mit seiner am 29,12.2018 per Fax am Landgericht Dortmund
eingegangenen Klage Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem
sog.,,Abgasskandal" als Herstellerin geltend.
Er erwarb im November 2014 bei der Volkswagen Gebrauchtfahrzeughandel und
Service GmbH TradePort Bochum einen VW Caddy, Fahrzeugidentifikationsnummer
, zu einem Kaufpreis von 23.600,00 € (vgl. den Kautuertrag,
Anlage K 1, s. Anlagenband zur Klageschrift). Der Kläger leistete im Autohaus eine
Baranzahlung von '14.000,00 € und finanzierte den Kaufpreis im Übrigen in Höhe von
9.600,00 € über ein Darlehen bei der VW Bank.
Der Pkw wies zum Zeitpunkt des Kaufuertragsschlusses eine Laufleistung von 4,931
km auf, Der im Fahrzeug verbaute Dieselmotor des Typs EA 1Bg war von der
Beklagten hergestellt worden.
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21 .12.2018
zu zahlen,
a
Aufgrund einer entsprechenden Typengenehmigung war der Pkw nach EUS
zugelassen worden. Zur Erlangung dieser Typengenehmigung sind gesetzlich
vorgeschriebene Testläufe durchzuführen und dabei gewisse Grenzwerte beim
Stickoxidausstoß einzuhalten. Das streitgegenständliche Fahrzeug war zum
Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit einer Software ausgestattet, die dafür
sorgte, dass bei Emissionstests im Rollenprüfstand ein anderes Verhalten und ein
anderer Schadstoffausstoß gezeigt werden als auf der Straße. So belnhaltet die
Software zwei Modi, den Modus 1 (,,testing mode") und den Modus 0 (,,driving
mode''). Wenn sich das Fahrzeug im Testzyklus (Neuer Europäischer Fahrzyklus -
NEFZ) befindet, bleibt es im Testmodus. Befindet sich das Fahrzeug auf der Straße,
wird es in den Fahrmodus geschaltet, bei dem eine wesentlich verringerte
Abgasrückführung und damit ein wesentlich höherer Abgasausstoß von Stickoxiden
stattfindet. Damit wird sichergestellt, dass bei der Prüfung der betreffenden
Fahrzeuge nach den gesetzlich vorgesehenen Maßgaben der Euro-S-Abgasnorm
geringere Stickoxid-Emissionen gemessen werden und dementsprechend die
Stickoxid-Grenzwerte im Laborbetrieb eingehalten werden.
Das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) erkannte in der genannten Software
eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs.2, Art, 3 Ziff, 10 der
Verordnung (EG) Nr. 71512007 und ordnete den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge
an.
Die zuständige Behörde gab in der Folgezeit Nachbesserungsmaßnahmen für
Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs frei. Am streitgegenständlichen
Fahrzeug wurde das Update am 06.10.2016 vorgenommen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2018 (Bl. 108 d. Anlagenbandes zur
Klageschrift, unter K 2) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum
20.12.2018 auf, den Kaufpreis in Höhe von 23.600,00 € Zug-um-Zug gegen
Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen,
Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand des
Fahrzeugs 103.223 km (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.11.2019,
Bl.723 d. E-Akte).
4
Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Pkw über eine illegale
Abschalteinrichtung verfügt habe. Die Beklagte habe zulässige Emissionswerte
vorgespiegelt, obwohl sie vollen Einblick in ihre eigene Entwicklung gehabt und von
Beginn an gewusst habe, dass eine illegale Abschalteinrichtung installiert und das
Fahrzeug nicht zulassungsfähig gewesen sei. Bereits in Ansehung der
Organisationsstruktur der Beklagten ergebe sich, dass die arglistige Täuschung nur
durch die höchsten Ebenen des Unternehmens habe veranlasst werden können. Der
Kläger habe hiervon demgegenüber keine Kenntnis gehabt. Er habe sich darauf
verlassen, ein vorschriftsmäßiges, zulassu ngsfähiges Fahrzeug zu erwerben.
Tatsächlich trage er das Risiko, dass das Fahrzeug mangels Genehmigung durch
EU-Typgenehmigung stillgelegt werde. Der Pkw habe außerdem einen erheblichen
Wertverlust erlitten. Zudem sei für ihn gerade die Werbung der Beklagten mit der
besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugtyps ern besonderes schlagendes
Kaufargument gewesen. Die Teilnahme an der Rückrufaktion sei unzumutbar, da zu
besorgen sei, dass das Fahrzeug nach Durchführung entweder noch den selben
Mangel besitze oder der Pkw nach dem Eingriff einen höheren Verbrauch und damit
auch höhere CO2-Werte aufweise, was dann seinerseits zu einem Mangel führen
würde. ln Kenntnis einer mangelnden Zulassungsfähigkeit aufgrund der
Abschalteinrichtung wären der Kauf und die Kaufpreiszahlung nicht erfolgt. Er habe
durch den Abschluss des für ihn nachteiligen Kaufuertrages einen wirtschaftlichen
Schaden erlitten, der in dem Eingehen einer ungewollten Verbindlichkeit und in dem
anzunehmenden merkantilen Minderwerts bestehe.
Der Kläger ist der Ansicht, gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach §§
311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. § 263 SIGB , §§ 823
Abs.2,31 BGB, i V. m. § 27 EG-FGV, §§ 826,31 BGB sowie § 831 BGB zu haben.
Er sei so zu stellen, als ob er den Kauf über das streitgegenständliche Fahrzeug
nicht geschlossen hätte. Eine Nutzungsentschädigung sei nicht in Abzug zu bringen;
dies würde europarechtlichen Vorgaben widersprechen und zudem die Beklagte als
Schädigerin unbillig entlasten. Soweit das Gericht dies anders sehe, richte sich die
N utzu ngsentschädig ung nach einer Gesamtfahrleistung von mindestens 450.000 km.
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei eine 2,0
Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 23.600,00 € angefallen,
insgesamt ein Betrag von 1.899,24 €. Der Rechtsschutzversicherte habe ein
lnteresse daran, dass seine Rechtssch utzversicherung unbelastet bleibe; er sei
E
regelmäßig aus dem Versicherungsvertrag ermächtigt, die
außergerichtlichen Rechtsverfolg ung an sich selbst geltend zu machen.
Kosten der
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei 23.600,00 € nebst Zinsen in
Höhe von vier Prozent seit dem 14,11.2014 bis 21.12.2018 und seither fünf
Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, Zug-um-Zug gegen Rückgabe und
Rückübereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer
zu za h I e n ;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 21.12.2018 mit der
Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstandes in
Annahmeverzug befi ndet;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen
Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21 .12.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie trägt vor, dass das Fahrzeug nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung
verfügt habe. Der Gebrauch des Kfz sei überdies nicht beeinträchtigt gewesen, Die
Typgenehmigung sei nach wie vor wirksam und es sei damit bestandskräftig
festgestellt, dass das Fahrzeug die Grenzwerte der EU5-Abgasnorm einhalte. Es
werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger den Kaufuertrag nicht geschlossen
hätte, wenn er von der Existenz der Software und der vermeintlich höheren
Belastung der Luft mit NOx gewusst hätte.
Das Softwareupdate sei mit geringem Aufwand und geringen Kosten, die ohnehin
nicht vom Kläger hätten getragen werden müssen, verbunden gewesen. Es
verändere Motorleistung, Kraftstoffverbrauch und Emissionswerte nicht. Es führe
auch nicht zu negativen Auswirkungen auf Bauteile des Fahrzeuges wie etwa den
Rußpartikelfilter oder das Abgasrückführungsventil. Einen Wertverlust aufgrund der
Abgassoftware habe das Fahrzeug nicht erlitten, Die Verkaufswerte seien - mit
6
Ausnahme von geringfügigen, im Rahmen des Normalen liegenden
Preisschwankungen - stabil geblieben. Eine geringere Nachfrage nach
Dieselfahrzeugen beruhe auf der öffentlichen Debatte über Dieselfahrverbote in
deutschen I nnenstädten.
Eine sittenwidrige Schädigung seitens der Beklagten sei nicht anzunehmen.
Überdies werde bestritten, dass (ehemalige) Vorstandsvorsitzende, -mitglieder oder
andere leitende Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Kaufuertragsschlusses Kenntnis von
dem Einsatz der Software und einen entsprechenden Schädigungsvorsatz gehabt
hätten. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor,
dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung beteiligt gewesen seien. Die
Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu entwickeln und zu verwenden, sei
u nterhalb der Vorstandsebene getroffen worden,
Es sei zudem mit Blick auf die anzunehmende Sicherungsübereignung des
Fahrzeugs nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger als Darlehensnehmer finanzielle
Beeinträchtigungen erlitten habe. Es sei ferner davon auszugehen, dass die
Finanzierung mittels eines sog. AutoCredits erfolgt sei, welcher ein ,,verbrieftes
Rückgaberecht" vorsehe. Der Kläger würde aufgrund dessen das sog.
Gebrauchtwagenrisiko, namentlich die Gefahr sinkender Preise, nicht tragen.
Darüber hinaus sei bei der Ermittlung eines Schadens zu berücksichtigen, dass der
Kläger, sofern er nicht den streitgegenständlichen Pkw erworben hätte, ein anderes
Fahrzeugs gekauft hätte. Dessen Wertverlust hätte der Kläger daher ebenfalls zu
tragen gehabt. Auch im Rahmen der Berechnung einer N utzungsentschädigung sei
dieser Gesichtspunkt zu berücksichtigen und führe dazu, dass eine Berechnung
anhand der linearen Amortisation nicht interessengerecht sei.
Schließlich sei es erforderlich, dass der Kläger die vollständigen Vertragsunterlagen
vorlege, da es möglich sei, dass er vorsteuerabzugsberechtigt sei und daher lediglich
der Nettokaufpreis anzusetzen sei.
Bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren bestreitet
die Beklagte, dass der Kläger die Kosten bezahlt habe. Eine 2,0-Gebühr sei nicht
gerechtfertigt.
Die Beklagte erhebt mit Schriftsatz vom 30.10.2019 die Einrede der Verjährung. Die
Klage sei erst nach Ablauf des Jahres 2018 erhoben worden.
7
Das ursprünglich durch den Kläger angerufene Landgericht Dortmund hat sich mit
Beschluss vom 25.06.2019 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das
Landgericht Bochum venruiesen.
Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem.
§313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die von den Parteien zur Akte gereichten
umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen veruuiesen,
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
t.
Die Zuständigkeit des Landgerichts Bochum ist jedenfalls aufgrund bindenden
Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Dortmund anzunehmen.
il.
1)
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 14.134,54 € Zug
um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs
der Marke \A/V Caddy, mit der Fahrzeugidentifikationsnummer
nach §§ 826,31,249 BGB.
Gemäß § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise
einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens
verpflichtet.
a)
Die Handlung, durch die die Beklagte den Kläger geschädigt hat, war das
lnverkehrbringen - unter Verschweigen der gesetzeswidrigen
Softwareprogrammierung - von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs u. a.
in Fahrzeugen der Marke VW, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war,
dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen
Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1
versetzte (vgl. u.a. LG Hildesheim, Urteil vom 17.1 .2017, Az. 3 O 139i16, juris). Bei
B
der eingebauten Software handelt es sich - wie auch durch das KBA angenommen -um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, At1.3 Ziff . 10
der Verordnung (EG) Nr. 71512007 des europäischen Parlaments und des Rates vom
20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der
Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro
6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge
(vgl, BGH, Hinweisbeschl. v. 08.01.2019, Az. Vlll 2R225117, NJW 2019, 1133; LG
Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf
der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen
die entsprechende Software eingebaut worden war, unter Vorbehalt gestellt, da sich
die betroffenen Fahrzeuge aufgrund der Abschaltvorrichtung nicht in einem mit der
EG-Typengenehmigung konformen technischen Zustand befinden.
b)
Das Verhalten der Beklagten verstieß gegen die guten Sitten. Sittenwidrig ist ein
Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung
von lnhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller
billig und gerecht Denkenden verstößt; d.h. mit den grundlegenden Wertungen der
Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht,
dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletä oder bei einem
anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere
Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den
eingesetzten Mitteln, der zutage hetenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen
ergeben kann (OLG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2015, Az. 2 U 102114). Im Falle des
lnverkehrbringens einer mangelbehafteten Sache in der Vorstellung, dass die
betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an
einen ahnungslosen Dritten veräußert wird, der in Kenntnis der Umstände von dem
Geschäft Abstand nähme, ist von Sittenwidrigkeit auszugehen (vgl. OLG Köln,
Beschl. v.29.11.2018, Az. 18 U 70/18, BeckRs 2018 36568). So liegt der Fall
vorliegend. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass die Zweck-Mittel-Relation, die
hierbei zu Tage üetende Geschäftsmoral und das Ausmaß des schädigenden
Verhaltens einen Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen. Bei der Verwendung der
Manipulationssoftware kam es der Beklagten darauf an, ihren Umsatz und Gewinn
auf Kosten ihrer Kundschaft und der Allgemeinheit zu steigern. Die Täuschung durch
die Beklagte diente - andere Motive sind schlicht nicht ersichtlich - dem Zweck, zur
Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der
I
Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen
Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Für sich betrachtet ist das Ziel einer
Gewinnmaximierung im Rahmen eines marktwirtschaftlichen Systems nicht zu
beanstanden. Zu beanstanden ist jedoch, dass dieses Ziel durch ein gesetzwidriges
Verhalten auf Kosten der Allgemeinheit - nämlich den heutigen
Umweltschutzinteressen der Allgemeinheit - einerseits und auf Kosten des Käufers
bzw. der übrigen Mitbewerber andererseits erreicht werden soll. Der Käufer wurde
bewusst dem Risiko ausgesetzt, dass das von ihm erworbene Fahrzeug seine
Typenzulassung verliert. Das Verhalten der Beklagten wiegt umso schwerer, als es
sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche
Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen
handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten nachteilig beeinflusst
worden ist. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu ihrem
eigenen Vorteil ausgenutzt (vgl. hierzu OLG Köln a. a. O.; OLG Karlsruhe,
Hinweisbeschl. v. 05.03.2019, Az. 13 U 142118, ZVertriebsR 2019, 178; OLG
Koblenz, Urt. v. 12.06.2019,4a..5 U 1318/18, zitiert nach beck-online; LG
Hildesheim, Urteil vom 17.1 .2017, Az. 3 O 139/16, juris; LG Köln, Urteil vom
18.7.2017,4d.22 O 59/17, BeckRS 2017, 124393; LG Saarbrücken, Urteil vom
7 .6.2017, Az. '12 O 174116, juris). Der Einsatz einer derartigen Manipulationssoftlvare
zur Erreichung der Gewinnmaximierung ist daher verwerflich i,S.v. § 826 BGB,
insbesondere wenn man das Ausmaß der Manipulation hinzunimmt.
c)
Die Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Zwar setzt die Haftung einer juristischen
Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass ein
verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und
subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016,
Az, Vl ZR 536/15).
Vorliegend ist aber von Seiten des Klägers ohne weiteres nachvollziehbar
vorgetragen, dass ein solcher verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten
Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware, die zutgesetzeswidrigen EU-Bescheinigung gefuhrt hat, hatte. Auch angesichts der von
dem Kläger geschilderten konzerninternen, streng hierarchischen Skukturen bei der
Beklagten, ist es schlichtweg unvorstellbar, dass eine Manipulation dieses Ausmaßes
allein auf der operativen Ebene im unteren hierarchischen Bereich ohne Kenntnis
und zumindest Billigung des Vorstands geplant, umgesetzt und durchgeführt worden
'10
sein soll. Dies gilt umso mehr, als der Vorstand das Unternehmen den gesetzlichen
Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen hat (sog. Compliance). ln
diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten
gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen
eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen
gewährleistet ist. lnsoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder
Teilen des Vorstandes die manipulierende Funktion der Motorsteuerung zur
Venrvendung auf dem NEFZ-Prüfstand zur Erreichung der EG-Typengenehmigung
sowie das lnverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen
sind. Dies auch deshalb, weil die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer
ganzen Motorenreihe für eine Melzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres
Entwicklungsaufiarandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom
Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt, zumal die Verwendung einer solchen
Software sämtliche Konzerntöchter europaweit betrifft (LG Köln, Urteil vom
18.7.2017, 42.22 Q 59/17, BeckRS 2017, 124393).
Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer ernes manipulierten
Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine
sekundäre Darlegungslast zu der Frage trift, welches ihrer Organe Kenntnis von der
Manipulalion der Motorsteuerungssoftware hatte und das lnverkehrbringen
entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat (vgl. auch OLG Köln a. a. O.;
OLG Koblenz, a. a. O.; OLG Karlsruhe, a. a. O.). Denn der Gegner der (primär)
darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken,
wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden
Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen
besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
Das ist hier der Fall: Der Kläger hat naturgemäß keinerlei Einblick in die internen
Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien
und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Er hat den ihm insoweit
zuzumutenden Vortrag erbracht. Die Beklagte hingegen hat jede Möglichkeit, die in
ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und
lmplementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und
Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem KIäger zu ermöglichen,
seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen
Beweisantritt vornehmen zu können.
Dieser Darlegungslast ist sie nicht nachgekommen. Der Vortrag der Beklagten, die
Untersuchungen dauerten an und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen
'11
keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung
beteiligt gewesen seien, genügt dem § 138 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien ihre
Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß
abzugeben haben, nicht (vgl, auch OLG Köln a. a. O.).
d)
Der klägerseits geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt, Denn die Verjährung
wurde durch die vorliegende Klage noch rechtzeitig gehemmt. Die Klageschrift ist per
Fax am 29.12.2018 beim Landgericht Dortmund eingegangen (vgl. das
Empfangsdatum Bl. 1 d. E-A. sowie den Sonderband ,,Ausgehobene Aktenstücke/Per
Telefax eingegangene Schriftstücke). Dass die Klage der Beklagten sodann erst am
07.02.2019 (vgl. PZU, Bl. 104 d. E-Akte) zugestellt wurde, ist gemäß § 167 ZPO
unschädlich, da die Zustellung noch als ,,demnächst" zu werten ist. Die
Vorschussrechnung datiert auf den 1 0.01 .2019 und die Zahlungsanzeige stammt
sodann vom24.01.2019 (vgl. Bl. lll und Vll des Kostenheftes). Vor Ende 2018 ist die
Verjährung des in regelmäßiger Verjährungsfrist verjährenden deliktsrechtlichen
Anspruchs keinesfalls eingetreten.
Dass die Klage zunächst beim unzuständigen Gericht anhängig gemacht wurde, und
der Rechtsstreit später verwiesen wurde, ändert an der Verjährungshemmung nichts
(vgl. Grothe in: MüKo BGB,8.Aufl,2018, § 204 Rn.25).
Die Verjährungsfrage und die maßgeblichen Daten des Klageingangs, der
Absendung der Gerichtskostenrechnung sowie des Zahlungseingangs sind mit den
Prozessbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2019 dezidiert erörtert
worden-
e)
Als Rechtsfolge der gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlichen Schädigung
hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der §§
249 ff. BGB.
aa)
Der Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Beklagte den Kläger so stellen
muss, wie er ohne die Täuschung über die nicht gesetzeskonforme
Motorsteuerungssoftware gestanden hätte (negatives lnteresse), lnsofern ist bei
12
verständiger Würdigung davon auszugehen, dass der Kläger - wie leder verständige,
Risiken vermeidende Kunde - den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn er vor dem
Kauf darauf hingewiesen worden wäre, dass die Software nicht gesetzeskonform ist
und sie deshalb jedenfalls mit Problemen fLrr den Fall der Entdeckung der
Manipulation durch das Kraftfahrtbundesamt rechnen muss. Die Beklagte muss
danach die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass
sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des PKW erstattet (vgl. OLG Köln, a. a, O.;
OLG Koblenz a. a. O. Tz.81 ; OLG Karlsruhe a. a. O. Tz. 110; LG Saarbrücken Urteil
vom 7.6.20'17, Az. 12 O 174116; LG Hildesheim, Urteil vom 17.1.2016, Az. 3 O139/16, juris).
Der Schadensentstehung steht das Vorbringen der Beklagten zu einem
möglicherweise nach dem Darlehensvertrag bestehenden ,,verbrieften
Rückgaberecht'' nicht entgegen. Ob ein solches bei der vodiegenden Teilfinanzierung
überhaupt bestand, erscheint fraglich, kann hier indes dahinstehen. Denn nach
Einschätzung der Kammer würde aber auch ein etwaiges Rückgaberecht den im
Abschluss des Vertrages liegenden Schaden des Klägers (vgl. auch OLG Hamm,
Urt. v. 10.09.2019, Az. 13 U 149118, BeckRS 2019,20495 Tz. 36, 39) nicht entfallen
lassen.
Auch der Argumentation der Beklagten, im Rahmen der Berechnung des Schadens
sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei Nichterwerb des streitgegenständlichen
Fahrzeugs einen anderen Pkw erworben hätte, schließt sich die Kammer nicht an. lm
Rahmen der Schadensberechnung nach der Differenzhypothese ist nach
Einschätzung der Kammer auf einen Vergleich der Vermögenslage mit und ohne den
konkreten Vertragsschluss abzustellen (ebenso OLG Hamm a. a. O.). ln welcher
Weise der Käufer im Falle des Nichtwerbs des mit der Manipulationssoftware
versehenen Pkw mit den ihm zur Vefügung stehenden Mitteln verfahren wäre, ist
hierfür nicht relevant und zudem ohnehin letztlich spekulativ.
Der Kläger kann mithin Zahlung des Brutto-Kaufpreises verlangen; inwieweit der
Kläger hypothetisch möglicherweise einen anderen Pkw darlehensfinanziert
erworben hätte, muss auch an dieser Stelle nach Einschätzung der Kammer außer
Betracht bleiben.
Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung
im Termin vom 08.11.2019, nach dem er den Pkw als Privatmann erworben hat,
13
umfasst der Ersatzanspruch auch die gezahlte Mehrwertsteuer (aus dem
Bestellformular ergibt sich im Übrigen als Beruf des Klägers ,,Beamter", vgl. Anlage K
1 im Anlagenband zur Klageschrift).
Der Kläger muss sich allerdings nach Einschätzung der Kammer einen
Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Die gegenteilige Ansicht, nach der keine
Nutzungsentschädigung abzuziehen sei, überzeugt nicht. lhr steht das
schadensrechtliche Bereicherungsverbot entgegen (vgl. auch OLG Hamm a. a. O.;
OLG Köln a. a. O., OLG Karlsruhe a. a. O., OLG Koblenz a. a. O.).
Bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung wird der Wert des
Gebrauchsvorteils unmittelbar vom Ersatzanspruch abgezogen, ohne dass es einer
Gestaltungserklärung oder einer Einrede des Schädigers bedarf. Es handelt sich um
einen Fall der Anrechnung, nicht der Aufrechnung (BGH, Urteil vom 23.06,2015, pz..
Xl ZR 536/14, NJW 2015, 3160; auch Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage,
2017, Vorb v, § 249 Rn 71),
lm Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung berechnet die Kammer auch
in der vorliegenden Konstellation den Nutzungsvorteil wie bei der Rückabwicklung
eines Fahrzeugkaufs nach einer linearen Amortisation unter Berücksichtigung der
gefahrenen Kilometer und der Restlaufleistung des Fahrzeugs, die die Parteien bei
ihrem Vertragsschluss (stillschweigend) zu Grunde gelegt haben (vgl. OLG Hamm;
OLG Koblenz, Urteil vom 1.4.2A04, Az, 5 U 1385/03; OLG Koblenz a. a. O.; OLG
Karlsruhe a. a. O.). Der Nutzungsvorteil berechnet sich damit nach folgender Formel:
Kaufpreis x gefahrene km
restl. Gesamtlaufl eistung
Das Gericht geht im Wege der Schätzung, unter Berücksichtigung vergleichbarer
Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Karlsruhe, a. a. O,; OLG Stuttgart,
Urteil vom 31.07.2008, Az. 19 U 54/08; LG Wuppertal, Urteil vom 26.04.2017, Az.3
O 156i16), nach § 287 ZPO davon aus, dass für den streitgegenständlichen PKW
eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu erwarten ist. Somit betrug die
Restlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die bei Vertragsschluss
(stillschweigend) zu Grunde gelegt wurde, nach Ansicht des Gerichts 245.069 km
14
(250.000 km abzüglich 4.931 km). Der Nutzungsvorteil beträgt mithin 9,465,46 €
(23.600,00 € x 98.292 km/245.069 km), so dass sich ein durch die Beklagte zu
zahlender Betrag von 14.134,54 € (Bruttokaufpreis 23.600,00 € - 9,465,46 €) ergibt.
Dieser zunächst entstandene Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die
Beklagte ist auch nicht zwischenzeitlich erloschen, insbesondere auch nicht dadurch,
dass der Kläger das angebotene Software-Update durchführen ließ. Selbst wenn -was der Kläger bestreitet - das Update das Fahrzeug des Klägers in einen
ordnungsgemäßen Zustand versetzt haben sollte, liegt darin dennoch keine Erfüllung
gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch des Klägers
(vgl. auch OLG Köln, Beschl. v.03.01.2019, Az. 18 U 70/18, zitiert nach beck-online).
Denn wie dargelegt, ist der Schadensersatzanspruch nicht auf das positive lnteresse
gerichtet, also nicht darauf, das Auto in einen ordnungsgemäßen Zustand zu
versetzen, sondern vielmehr auf das negative lnteresse, was bedeutet, den
durchgeführten Vertrag rückabzuwickeln. Ebenso wenig ist durch die Durchführung
des Updates der Schadensersatzanspruch aufgrund einer Annahme an Erfüllungs
statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB erloschen. Denn die Annahme des Updates durch
den Kläger kann nicht als seine Zustimmung zu einer Annahme an Erfüllungs statt
gewertet werden (OLG Köln, Beschluss vom27.03.2018, 18 U 134117, juris Rn. 17 f.;
LG Darmstadt, Urteil vom 18.5.2018, Au..28O250117).
bb)
Die Forderung in Höhe von 14.134,54 € ist ab Verzugseintritt am 21.12.2Q18 mil 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.
2l
Ein weitergehender Anspruch auf die mit dem Antrag zu 1) beantragten deliktischen
Zinsen gemäß § 849 BGB steht dem Kläger hingegen nicht zu. Nach § 849 BGB
kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an
verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird, wenn der
Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die
Wertminderung zu ersetzen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
§ 849 BGB enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein,
Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt seiner
Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist. Aus § 849 BGB ergibt
sich vielmehr, dass eine solche ,,automatische" Verzinsung die Ausnahme ist und auf
1J
3)
Es war zudem das Vorliegen des Annahmeverzugs festzustellen. Die Beklagte
befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß § 293 BGB in Verzug. Der
Kläger hat der Beklagten schriftsätzlich Herausgabe und Übereignung des
Fahrzeugs erfolglos angeboten. Ein wörtliches Angebot genügte vorliegend gemäß §
295 BGB.
4l
Der Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist als Teil
des Schadensersatzanspruchs begründet, zu dessen Geltendmachung der Kläger
aktivlegitimiert ist. Die Beklagte hat zwar pauschal bestritten, dass der Kläger die
vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt habe; dies ist allerdings auch von
Seiten des Klägers Liberhaupt nicht behauptet worden, sondern seinen
diesbezüglichen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die vorgerichtlichen
Gebühren von seiner Rechtsschutzversicherung gezahlt worden sind und hinsichtlich
des Erstattungsanspruchs eine Befugnis zur Geltendmachung auf Seiten des
Klägers als Versicherungsnehmer bestehe. Da die Beklagte hierzu nicht konkret
erwidert hat, bedurfte es einer Konkretisierung und des Beweises des ebenfalls
relativ pauschalen Vortrages des Klägers (vgl. S. 78 des. SchrS vom 24.10.2019 Bl.
438 f. d. E-Akte) diesbezüglich nicht.
Die Höhe ist aber auf die berechtigterweise anzusetzenden Anwaltskosten
beschränkt, Diese betragen 1.029,35 €,
I
die dort geregelten Fälle der Entziehung oder Beschädigung einer Sache beschränkt
bleiben muss. Das gilt auch hinsichtlich der zu verzinsenden Schadenspositionen.
Die freiwillige Überlassung von Geld (beispielsweise zu lnvestitionszwecken) genügt
dagegen für die Anwendbarkeit des § 849 BGB nicht. Die Verzinsungspflicht gilt für
die Entziehung von Geld nur, wenn diese beispielsweise in Gestalt einer
Unterschlagung oder durch die Nichtauskehrung eines Versteigerungserlöses oder
von verspäteter Auskehrung eingezogener Mandantengelder erfolgt ist, Die Zahlung
eines Kaufpreises für ein mangelbehaftetes Fahrzeug stellt keine ,,Entziehung" des
Kaufpreises nach der dargelegten Rechtsprechung dar. Ein Anspruch aufVerzinsung
der Ersatzsumme besteht daher nicht (LG Saarbrücken, Urteil vom7.6.2017, Az. 12
O 174116,juris, mwN.; a.A. LG Hamburg, Urteil vom 24.11.2017, A2.306 O 318/16,
juris, ohne nähere Begründung).
16
Mit Blick auf die in Abzug zu bringenden gezogenen Nutzungen (vgl. BGH, NJW
2015 3160) ist lediglich ein Gegenstandswert von bis zu 16.000,00 € anzusetzen.
Ferner sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer mehr als 1,3-fachen
Gebühr nicht dargetan. Eine besondere rechtliche Schwierigkeit besteht nicht. Allein
dadurch, dass bereits ein Fülle von Rechtsprechung zum vorliegenden Sachverhalt
ergangen sind und es auch zu einer Presseberichterstattung erheblichen Umfangs
gekommen ist, kann weder ein besonderer Umfang noch eine besondere
Schwierigkeit begründet werden (vgl. auch OLG Koblenz, a. a. O. Tz. 95; LG Hagen,
Urt. v. 16,06.2017, Az.8 O 218116; LG Essen, Urteil vom 4.9.2017, Az. 16 O 245116:
vgl. auch LG Köln, Urteil vom 18.7.2017, A2.22 Q 59117; LG Darmstadt, Urteil vom
18.5.2018, Az.28 O 250117, a.A. OLG Köln, Beschluss vom 28.5.2018, Aa..27 U
13t17).
Eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 16.000,00 €
beläuft sich zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer auf '1 .029,35 €.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und S. 2, T0BZifter 11,711 ZPO,
Streitwert: bis 25.000,00 €
Rechtsbehelfsbelehrun g :
A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der
durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellungdieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065
Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils
(Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt
werde, enthalten.
Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei
Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht
Hamm zu begründen.
17
Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen
Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die
Berufu ngsbegründ ungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein,
Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des
angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bochum
statthaft, wenn derWert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder
das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat, Die Beschwerde ist spätestens
innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache
Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem
Landgericht Boch um, Josef-Neuberger-Straße 1, 447 87 Boch um, sch riftlich i n
deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines
jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. lst der Streitwert später als einen Monat vor
Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines
Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses
eingelegt werden.
Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die
elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für
die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten
elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der
verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß §
130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen
Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere
elektronische Behördenpostfach (BGBI. 2017 l, S. 3803) eingereicht werden. Weitere
lnformationen erhalten Sie auf der lnternetseite www.iustiz.de.
Dr. Wappler
18
t{.2
Beglaubigt
Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Landgericht Bochum
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