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Beglaubigte Abschrift t-2 0 210t19 Landgericht Bochum Urteil ln dem Rechtsstreit Prozessbevollmächtigte: Klägers, Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich, Ottostraße 12, 50859 Köln, gegen die Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertr. d Herbert Diess, Karlheinz Blessing, Jochem Heizmann, Andreas Renschler, Rupert Stadler, Frank Witter, Oliver Blume, Gunnar Kilian, Hiltrud Werner, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg, Beklagte, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte KSP.Kanzlei Dr. Seegers pp., Kaiser-Wilhelm-Sk. 40, 20355 Hamburg, hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 08.1 1 .2019 durch die Richterin am Landgericht Dr. Wappler als Einzelrichterin für Recht erkannt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.134,54 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2018, Zug- um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer sowie die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.029,35 nebst Zinsen IM NAMEN DES VOLKES

Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

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Beglaubigte Abschrift

t-2 0 210t19

Landgericht Bochum

Urteil

ln dem Rechtsstreit

Prozessbevollmächtigte:

Klägers,

Rechtsanwälte Rogert & Ulbrich, Ottostraße

12, 50859 Köln,

gegen

die Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertr. d Herbert Diess,

Karlheinz Blessing, Jochem Heizmann, Andreas Renschler, Rupert Stadler, Frank

Witter, Oliver Blume, Gunnar Kilian, Hiltrud Werner, Berliner Ring 2, 38440

Wolfsburg,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte KSP.Kanzlei Dr. Seegers pp.,

Kaiser-Wilhelm-Sk. 40, 20355 Hamburg,

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum

auf die mündliche Verhandlung vom 08.1 1 .2019

durch die Richterin am Landgericht Dr. Wappler als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.134,54 € nebst Zinsen in Höhe

von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2018, Zug-

um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges mit der

Fahrgestellnummer sowie die Kosten der

außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.029,35 nebst Zinsen

IM NAMEN DES VOLKES

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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 21.12.2018 mit der

Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeugs in

Annahmeverzug befindet.

lm Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits - mit Ausnahme der Verweisungskosten, welche

in vollem Umfang dem Kläger auferlegt werden - trägt der Kläger zu 39 % und

die Beklagte zu 61 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung

in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann

die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung

in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn

nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu

vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht mit seiner am 29,12.2018 per Fax am Landgericht Dortmund

eingegangenen Klage Ansprüche gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem

sog.,,Abgasskandal" als Herstellerin geltend.

Er erwarb im November 2014 bei der Volkswagen Gebrauchtfahrzeughandel und

Service GmbH TradePort Bochum einen VW Caddy, Fahrzeugidentifikationsnummer

, zu einem Kaufpreis von 23.600,00 € (vgl. den Kautuertrag,

Anlage K 1, s. Anlagenband zur Klageschrift). Der Kläger leistete im Autohaus eine

Baranzahlung von '14.000,00 € und finanzierte den Kaufpreis im Übrigen in Höhe von

9.600,00 € über ein Darlehen bei der VW Bank.

Der Pkw wies zum Zeitpunkt des Kaufuertragsschlusses eine Laufleistung von 4,931

km auf, Der im Fahrzeug verbaute Dieselmotor des Typs EA 1Bg war von der

Beklagten hergestellt worden.

in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21 .12.2018

zu zahlen,

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a

Aufgrund einer entsprechenden Typengenehmigung war der Pkw nach EUS

zugelassen worden. Zur Erlangung dieser Typengenehmigung sind gesetzlich

vorgeschriebene Testläufe durchzuführen und dabei gewisse Grenzwerte beim

Stickoxidausstoß einzuhalten. Das streitgegenständliche Fahrzeug war zum

Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses mit einer Software ausgestattet, die dafür

sorgte, dass bei Emissionstests im Rollenprüfstand ein anderes Verhalten und ein

anderer Schadstoffausstoß gezeigt werden als auf der Straße. So belnhaltet die

Software zwei Modi, den Modus 1 (,,testing mode") und den Modus 0 (,,driving

mode''). Wenn sich das Fahrzeug im Testzyklus (Neuer Europäischer Fahrzyklus -

NEFZ) befindet, bleibt es im Testmodus. Befindet sich das Fahrzeug auf der Straße,

wird es in den Fahrmodus geschaltet, bei dem eine wesentlich verringerte

Abgasrückführung und damit ein wesentlich höherer Abgasausstoß von Stickoxiden

stattfindet. Damit wird sichergestellt, dass bei der Prüfung der betreffenden

Fahrzeuge nach den gesetzlich vorgesehenen Maßgaben der Euro-S-Abgasnorm

geringere Stickoxid-Emissionen gemessen werden und dementsprechend die

Stickoxid-Grenzwerte im Laborbetrieb eingehalten werden.

Das Kraftfahrtbundesamt (nachfolgend: KBA) erkannte in der genannten Software

eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs.2, Art, 3 Ziff, 10 der

Verordnung (EG) Nr. 71512007 und ordnete den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge

an.

Die zuständige Behörde gab in der Folgezeit Nachbesserungsmaßnahmen für

Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs frei. Am streitgegenständlichen

Fahrzeug wurde das Update am 06.10.2016 vorgenommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.12.2018 (Bl. 108 d. Anlagenbandes zur

Klageschrift, unter K 2) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum

20.12.2018 auf, den Kaufpreis in Höhe von 23.600,00 € Zug-um-Zug gegen

Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen,

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung betrug der Kilometerstand des

Fahrzeugs 103.223 km (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 08.11.2019,

Bl.723 d. E-Akte).

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Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Pkw über eine illegale

Abschalteinrichtung verfügt habe. Die Beklagte habe zulässige Emissionswerte

vorgespiegelt, obwohl sie vollen Einblick in ihre eigene Entwicklung gehabt und von

Beginn an gewusst habe, dass eine illegale Abschalteinrichtung installiert und das

Fahrzeug nicht zulassungsfähig gewesen sei. Bereits in Ansehung der

Organisationsstruktur der Beklagten ergebe sich, dass die arglistige Täuschung nur

durch die höchsten Ebenen des Unternehmens habe veranlasst werden können. Der

Kläger habe hiervon demgegenüber keine Kenntnis gehabt. Er habe sich darauf

verlassen, ein vorschriftsmäßiges, zulassu ngsfähiges Fahrzeug zu erwerben.

Tatsächlich trage er das Risiko, dass das Fahrzeug mangels Genehmigung durch

EU-Typgenehmigung stillgelegt werde. Der Pkw habe außerdem einen erheblichen

Wertverlust erlitten. Zudem sei für ihn gerade die Werbung der Beklagten mit der

besonderen Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugtyps ern besonderes schlagendes

Kaufargument gewesen. Die Teilnahme an der Rückrufaktion sei unzumutbar, da zu

besorgen sei, dass das Fahrzeug nach Durchführung entweder noch den selben

Mangel besitze oder der Pkw nach dem Eingriff einen höheren Verbrauch und damit

auch höhere CO2-Werte aufweise, was dann seinerseits zu einem Mangel führen

würde. ln Kenntnis einer mangelnden Zulassungsfähigkeit aufgrund der

Abschalteinrichtung wären der Kauf und die Kaufpreiszahlung nicht erfolgt. Er habe

durch den Abschluss des für ihn nachteiligen Kaufuertrages einen wirtschaftlichen

Schaden erlitten, der in dem Eingehen einer ungewollten Verbindlichkeit und in dem

anzunehmenden merkantilen Minderwerts bestehe.

Der Kläger ist der Ansicht, gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche nach §§

311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 BGB §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. § 263 SIGB , §§ 823

Abs.2,31 BGB, i V. m. § 27 EG-FGV, §§ 826,31 BGB sowie § 831 BGB zu haben.

Er sei so zu stellen, als ob er den Kauf über das streitgegenständliche Fahrzeug

nicht geschlossen hätte. Eine Nutzungsentschädigung sei nicht in Abzug zu bringen;

dies würde europarechtlichen Vorgaben widersprechen und zudem die Beklagte als

Schädigerin unbillig entlasten. Soweit das Gericht dies anders sehe, richte sich die

N utzu ngsentschädig ung nach einer Gesamtfahrleistung von mindestens 450.000 km.

Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei eine 2,0

Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 23.600,00 € angefallen,

insgesamt ein Betrag von 1.899,24 €. Der Rechtsschutzversicherte habe ein

lnteresse daran, dass seine Rechtssch utzversicherung unbelastet bleibe; er sei

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regelmäßig aus dem Versicherungsvertrag ermächtigt, die

außergerichtlichen Rechtsverfolg ung an sich selbst geltend zu machen.

Kosten der

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerpartei 23.600,00 € nebst Zinsen in

Höhe von vier Prozent seit dem 14,11.2014 bis 21.12.2018 und seither fünf

Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, Zug-um-Zug gegen Rückgabe und

Rückübereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer

zu za h I e n ;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 21.12.2018 mit der

Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstandes in

Annahmeverzug befi ndet;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen

Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21 .12.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie trägt vor, dass das Fahrzeug nicht über eine unzulässige Abschalteinrichtung

verfügt habe. Der Gebrauch des Kfz sei überdies nicht beeinträchtigt gewesen, Die

Typgenehmigung sei nach wie vor wirksam und es sei damit bestandskräftig

festgestellt, dass das Fahrzeug die Grenzwerte der EU5-Abgasnorm einhalte. Es

werde mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger den Kaufuertrag nicht geschlossen

hätte, wenn er von der Existenz der Software und der vermeintlich höheren

Belastung der Luft mit NOx gewusst hätte.

Das Softwareupdate sei mit geringem Aufwand und geringen Kosten, die ohnehin

nicht vom Kläger hätten getragen werden müssen, verbunden gewesen. Es

verändere Motorleistung, Kraftstoffverbrauch und Emissionswerte nicht. Es führe

auch nicht zu negativen Auswirkungen auf Bauteile des Fahrzeuges wie etwa den

Rußpartikelfilter oder das Abgasrückführungsventil. Einen Wertverlust aufgrund der

Abgassoftware habe das Fahrzeug nicht erlitten, Die Verkaufswerte seien - mit

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Ausnahme von geringfügigen, im Rahmen des Normalen liegenden

Preisschwankungen - stabil geblieben. Eine geringere Nachfrage nach

Dieselfahrzeugen beruhe auf der öffentlichen Debatte über Dieselfahrverbote in

deutschen I nnenstädten.

Eine sittenwidrige Schädigung seitens der Beklagten sei nicht anzunehmen.

Überdies werde bestritten, dass (ehemalige) Vorstandsvorsitzende, -mitglieder oder

andere leitende Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Kaufuertragsschlusses Kenntnis von

dem Einsatz der Software und einen entsprechenden Schädigungsvorsatz gehabt

hätten. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor,

dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung beteiligt gewesen seien. Die

Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu entwickeln und zu verwenden, sei

u nterhalb der Vorstandsebene getroffen worden,

Es sei zudem mit Blick auf die anzunehmende Sicherungsübereignung des

Fahrzeugs nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger als Darlehensnehmer finanzielle

Beeinträchtigungen erlitten habe. Es sei ferner davon auszugehen, dass die

Finanzierung mittels eines sog. AutoCredits erfolgt sei, welcher ein ,,verbrieftes

Rückgaberecht" vorsehe. Der Kläger würde aufgrund dessen das sog.

Gebrauchtwagenrisiko, namentlich die Gefahr sinkender Preise, nicht tragen.

Darüber hinaus sei bei der Ermittlung eines Schadens zu berücksichtigen, dass der

Kläger, sofern er nicht den streitgegenständlichen Pkw erworben hätte, ein anderes

Fahrzeugs gekauft hätte. Dessen Wertverlust hätte der Kläger daher ebenfalls zu

tragen gehabt. Auch im Rahmen der Berechnung einer N utzungsentschädigung sei

dieser Gesichtspunkt zu berücksichtigen und führe dazu, dass eine Berechnung

anhand der linearen Amortisation nicht interessengerecht sei.

Schließlich sei es erforderlich, dass der Kläger die vollständigen Vertragsunterlagen

vorlege, da es möglich sei, dass er vorsteuerabzugsberechtigt sei und daher lediglich

der Nettokaufpreis anzusetzen sei.

Bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren bestreitet

die Beklagte, dass der Kläger die Kosten bezahlt habe. Eine 2,0-Gebühr sei nicht

gerechtfertigt.

Die Beklagte erhebt mit Schriftsatz vom 30.10.2019 die Einrede der Verjährung. Die

Klage sei erst nach Ablauf des Jahres 2018 erhoben worden.

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Das ursprünglich durch den Kläger angerufene Landgericht Dortmund hat sich mit

Beschluss vom 25.06.2019 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das

Landgericht Bochum venruiesen.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem.

§313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf die von den Parteien zur Akte gereichten

umfangreichen Schriftsätze nebst Anlagen veruuiesen,

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

t.

Die Zuständigkeit des Landgerichts Bochum ist jedenfalls aufgrund bindenden

Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Dortmund anzunehmen.

il.

1)

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 14.134,54 € Zug

um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs

der Marke \A/V Caddy, mit der Fahrzeugidentifikationsnummer

nach §§ 826,31,249 BGB.

Gemäß § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise

einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens

verpflichtet.

a)

Die Handlung, durch die die Beklagte den Kläger geschädigt hat, war das

lnverkehrbringen - unter Verschweigen der gesetzeswidrigen

Softwareprogrammierung - von Dieselmotoren zum Zweck des Weiterverkaufs u. a.

in Fahrzeugen der Marke VW, deren Motorsteuerungssoftware so programmiert war,

dass sie den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand im Neuen Europäischen

Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1

versetzte (vgl. u.a. LG Hildesheim, Urteil vom 17.1 .2017, Az. 3 O 139i16, juris). Bei

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der eingebauten Software handelt es sich - wie auch durch das KBA angenommen -um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, At1.3 Ziff . 10

der Verordnung (EG) Nr. 71512007 des europäischen Parlaments und des Rates vom

20.6.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der

Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro

6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge

(vgl, BGH, Hinweisbeschl. v. 08.01.2019, Az. Vlll 2R225117, NJW 2019, 1133; LG

Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf

der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

die entsprechende Software eingebaut worden war, unter Vorbehalt gestellt, da sich

die betroffenen Fahrzeuge aufgrund der Abschaltvorrichtung nicht in einem mit der

EG-Typengenehmigung konformen technischen Zustand befinden.

b)

Das Verhalten der Beklagten verstieß gegen die guten Sitten. Sittenwidrig ist ein

Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung

von lnhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller

billig und gerecht Denkenden verstößt; d.h. mit den grundlegenden Wertungen der

Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht,

dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletä oder bei einem

anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere

Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den

eingesetzten Mitteln, der zutage hetenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen

ergeben kann (OLG Stuttgart, Urteil vom 26.03.2015, Az. 2 U 102114). Im Falle des

lnverkehrbringens einer mangelbehafteten Sache in der Vorstellung, dass die

betreffende Sache von dem Erwerber in unverändert mangelhaftem Zustand an

einen ahnungslosen Dritten veräußert wird, der in Kenntnis der Umstände von dem

Geschäft Abstand nähme, ist von Sittenwidrigkeit auszugehen (vgl. OLG Köln,

Beschl. v.29.11.2018, Az. 18 U 70/18, BeckRs 2018 36568). So liegt der Fall

vorliegend. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass die Zweck-Mittel-Relation, die

hierbei zu Tage üetende Geschäftsmoral und das Ausmaß des schädigenden

Verhaltens einen Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen. Bei der Verwendung der

Manipulationssoftware kam es der Beklagten darauf an, ihren Umsatz und Gewinn

auf Kosten ihrer Kundschaft und der Allgemeinheit zu steigern. Die Täuschung durch

die Beklagte diente - andere Motive sind schlicht nicht ersichtlich - dem Zweck, zur

Kostensenkung rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der

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Abgasreinigung zu vermeiden und mit Hilfe der scheinbar umweltfreundlichen

Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Für sich betrachtet ist das Ziel einer

Gewinnmaximierung im Rahmen eines marktwirtschaftlichen Systems nicht zu

beanstanden. Zu beanstanden ist jedoch, dass dieses Ziel durch ein gesetzwidriges

Verhalten auf Kosten der Allgemeinheit - nämlich den heutigen

Umweltschutzinteressen der Allgemeinheit - einerseits und auf Kosten des Käufers

bzw. der übrigen Mitbewerber andererseits erreicht werden soll. Der Käufer wurde

bewusst dem Risiko ausgesetzt, dass das von ihm erworbene Fahrzeug seine

Typenzulassung verliert. Das Verhalten der Beklagten wiegt umso schwerer, als es

sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche

Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen

handelt, die durch das unredliche Verhalten der Beklagten nachteilig beeinflusst

worden ist. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zu ihrem

eigenen Vorteil ausgenutzt (vgl. hierzu OLG Köln a. a. O.; OLG Karlsruhe,

Hinweisbeschl. v. 05.03.2019, Az. 13 U 142118, ZVertriebsR 2019, 178; OLG

Koblenz, Urt. v. 12.06.2019,4a..5 U 1318/18, zitiert nach beck-online; LG

Hildesheim, Urteil vom 17.1 .2017, Az. 3 O 139/16, juris; LG Köln, Urteil vom

18.7.2017,4d.22 O 59/17, BeckRS 2017, 124393; LG Saarbrücken, Urteil vom

7 .6.2017, Az. '12 O 174116, juris). Der Einsatz einer derartigen Manipulationssoftlvare

zur Erreichung der Gewinnmaximierung ist daher verwerflich i,S.v. § 826 BGB,

insbesondere wenn man das Ausmaß der Manipulation hinzunimmt.

c)

Die Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Zwar setzt die Haftung einer juristischen

Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass ein

verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und

subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urteil vom 28.6.2016,

Az, Vl ZR 536/15).

Vorliegend ist aber von Seiten des Klägers ohne weiteres nachvollziehbar

vorgetragen, dass ein solcher verfassungsmäßig berufener Vertreter der Beklagten

Kenntnis von der manipulierenden Motorsteuerungssoftware, die zutgesetzeswidrigen EU-Bescheinigung gefuhrt hat, hatte. Auch angesichts der von

dem Kläger geschilderten konzerninternen, streng hierarchischen Skukturen bei der

Beklagten, ist es schlichtweg unvorstellbar, dass eine Manipulation dieses Ausmaßes

allein auf der operativen Ebene im unteren hierarchischen Bereich ohne Kenntnis

und zumindest Billigung des Vorstands geplant, umgesetzt und durchgeführt worden

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sein soll. Dies gilt umso mehr, als der Vorstand das Unternehmen den gesetzlichen

Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen hat (sog. Compliance). ln

diesem Zusammenhang muss davon ausgegangen werden, dass Berichtspflichten

gegenüber dem Vorstand im Hinblick auf alle wesentlichen Entscheidungen

eingerichtet sind und deren Einhaltung durch entsprechende Kontrollmaßnahmen

gewährleistet ist. lnsoweit ist es mehr als naheliegend, dass dem Vorstand oder

Teilen des Vorstandes die manipulierende Funktion der Motorsteuerung zur

Venrvendung auf dem NEFZ-Prüfstand zur Erreichung der EG-Typengenehmigung

sowie das lnverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeuges bekannt gewesen

sind. Dies auch deshalb, weil die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer

ganzen Motorenreihe für eine Melzahl von Fahrzeugen hinsichtlich ihres

Entwicklungsaufiarandes in technischer und finanzieller Hinsicht eine wesentliche vom

Vorstand zu treffende Entscheidung darstellt, zumal die Verwendung einer solchen

Software sämtliche Konzerntöchter europaweit betrifft (LG Köln, Urteil vom

18.7.2017, 42.22 Q 59/17, BeckRS 2017, 124393).

Zu all diesen internen Vorgängen kann der Kläger als Käufer ernes manipulierten

Fahrzeugs naturgemäß nicht substantiiert vortragen, so dass die Beklagte eine

sekundäre Darlegungslast zu der Frage trift, welches ihrer Organe Kenntnis von der

Manipulalion der Motorsteuerungssoftware hatte und das lnverkehrbringen

entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat (vgl. auch OLG Köln a. a. O.;

OLG Koblenz, a. a. O.; OLG Karlsruhe, a. a. O.). Denn der Gegner der (primär)

darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken,

wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden

Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen

besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.

Das ist hier der Fall: Der Kläger hat naturgemäß keinerlei Einblick in die internen

Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien

und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Er hat den ihm insoweit

zuzumutenden Vortrag erbracht. Die Beklagte hingegen hat jede Möglichkeit, die in

ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und

lmplementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und

Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem KIäger zu ermöglichen,

seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen

Beweisantritt vornehmen zu können.

Dieser Darlegungslast ist sie nicht nachgekommen. Der Vortrag der Beklagten, die

Untersuchungen dauerten an und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen

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keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung

beteiligt gewesen seien, genügt dem § 138 Abs. 1 ZPO, wonach die Parteien ihre

Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß

abzugeben haben, nicht (vgl, auch OLG Köln a. a. O.).

d)

Der klägerseits geltend gemachte Anspruch ist nicht verjährt, Denn die Verjährung

wurde durch die vorliegende Klage noch rechtzeitig gehemmt. Die Klageschrift ist per

Fax am 29.12.2018 beim Landgericht Dortmund eingegangen (vgl. das

Empfangsdatum Bl. 1 d. E-A. sowie den Sonderband ,,Ausgehobene Aktenstücke/Per

Telefax eingegangene Schriftstücke). Dass die Klage der Beklagten sodann erst am

07.02.2019 (vgl. PZU, Bl. 104 d. E-Akte) zugestellt wurde, ist gemäß § 167 ZPO

unschädlich, da die Zustellung noch als ,,demnächst" zu werten ist. Die

Vorschussrechnung datiert auf den 1 0.01 .2019 und die Zahlungsanzeige stammt

sodann vom24.01.2019 (vgl. Bl. lll und Vll des Kostenheftes). Vor Ende 2018 ist die

Verjährung des in regelmäßiger Verjährungsfrist verjährenden deliktsrechtlichen

Anspruchs keinesfalls eingetreten.

Dass die Klage zunächst beim unzuständigen Gericht anhängig gemacht wurde, und

der Rechtsstreit später verwiesen wurde, ändert an der Verjährungshemmung nichts

(vgl. Grothe in: MüKo BGB,8.Aufl,2018, § 204 Rn.25).

Die Verjährungsfrage und die maßgeblichen Daten des Klageingangs, der

Absendung der Gerichtskostenrechnung sowie des Zahlungseingangs sind mit den

Prozessbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2019 dezidiert erörtert

worden-

e)

Als Rechtsfolge der gegen die guten Sitten verstoßenden vorsätzlichen Schädigung

hat der Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz nach den Grundsätzen der §§

249 ff. BGB.

aa)

Der Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Beklagte den Kläger so stellen

muss, wie er ohne die Täuschung über die nicht gesetzeskonforme

Motorsteuerungssoftware gestanden hätte (negatives lnteresse), lnsofern ist bei

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verständiger Würdigung davon auszugehen, dass der Kläger - wie leder verständige,

Risiken vermeidende Kunde - den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn er vor dem

Kauf darauf hingewiesen worden wäre, dass die Software nicht gesetzeskonform ist

und sie deshalb jedenfalls mit Problemen fLrr den Fall der Entdeckung der

Manipulation durch das Kraftfahrtbundesamt rechnen muss. Die Beklagte muss

danach die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass

sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des PKW erstattet (vgl. OLG Köln, a. a, O.;

OLG Koblenz a. a. O. Tz.81 ; OLG Karlsruhe a. a. O. Tz. 110; LG Saarbrücken Urteil

vom 7.6.20'17, Az. 12 O 174116; LG Hildesheim, Urteil vom 17.1.2016, Az. 3 O139/16, juris).

Der Schadensentstehung steht das Vorbringen der Beklagten zu einem

möglicherweise nach dem Darlehensvertrag bestehenden ,,verbrieften

Rückgaberecht'' nicht entgegen. Ob ein solches bei der vodiegenden Teilfinanzierung

überhaupt bestand, erscheint fraglich, kann hier indes dahinstehen. Denn nach

Einschätzung der Kammer würde aber auch ein etwaiges Rückgaberecht den im

Abschluss des Vertrages liegenden Schaden des Klägers (vgl. auch OLG Hamm,

Urt. v. 10.09.2019, Az. 13 U 149118, BeckRS 2019,20495 Tz. 36, 39) nicht entfallen

lassen.

Auch der Argumentation der Beklagten, im Rahmen der Berechnung des Schadens

sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bei Nichterwerb des streitgegenständlichen

Fahrzeugs einen anderen Pkw erworben hätte, schließt sich die Kammer nicht an. lm

Rahmen der Schadensberechnung nach der Differenzhypothese ist nach

Einschätzung der Kammer auf einen Vergleich der Vermögenslage mit und ohne den

konkreten Vertragsschluss abzustellen (ebenso OLG Hamm a. a. O.). ln welcher

Weise der Käufer im Falle des Nichtwerbs des mit der Manipulationssoftware

versehenen Pkw mit den ihm zur Vefügung stehenden Mitteln verfahren wäre, ist

hierfür nicht relevant und zudem ohnehin letztlich spekulativ.

Der Kläger kann mithin Zahlung des Brutto-Kaufpreises verlangen; inwieweit der

Kläger hypothetisch möglicherweise einen anderen Pkw darlehensfinanziert

erworben hätte, muss auch an dieser Stelle nach Einschätzung der Kammer außer

Betracht bleiben.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung

im Termin vom 08.11.2019, nach dem er den Pkw als Privatmann erworben hat,

Page 13: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

13

umfasst der Ersatzanspruch auch die gezahlte Mehrwertsteuer (aus dem

Bestellformular ergibt sich im Übrigen als Beruf des Klägers ,,Beamter", vgl. Anlage K

1 im Anlagenband zur Klageschrift).

Der Kläger muss sich allerdings nach Einschätzung der Kammer einen

Nutzungsvorteil anrechnen lassen. Die gegenteilige Ansicht, nach der keine

Nutzungsentschädigung abzuziehen sei, überzeugt nicht. lhr steht das

schadensrechtliche Bereicherungsverbot entgegen (vgl. auch OLG Hamm a. a. O.;

OLG Köln a. a. O., OLG Karlsruhe a. a. O., OLG Koblenz a. a. O.).

Bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung wird der Wert des

Gebrauchsvorteils unmittelbar vom Ersatzanspruch abgezogen, ohne dass es einer

Gestaltungserklärung oder einer Einrede des Schädigers bedarf. Es handelt sich um

einen Fall der Anrechnung, nicht der Aufrechnung (BGH, Urteil vom 23.06,2015, pz..

Xl ZR 536/14, NJW 2015, 3160; auch Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Auflage,

2017, Vorb v, § 249 Rn 71),

lm Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung berechnet die Kammer auch

in der vorliegenden Konstellation den Nutzungsvorteil wie bei der Rückabwicklung

eines Fahrzeugkaufs nach einer linearen Amortisation unter Berücksichtigung der

gefahrenen Kilometer und der Restlaufleistung des Fahrzeugs, die die Parteien bei

ihrem Vertragsschluss (stillschweigend) zu Grunde gelegt haben (vgl. OLG Hamm;

OLG Koblenz, Urteil vom 1.4.2A04, Az, 5 U 1385/03; OLG Koblenz a. a. O.; OLG

Karlsruhe a. a. O.). Der Nutzungsvorteil berechnet sich damit nach folgender Formel:

Kaufpreis x gefahrene km

restl. Gesamtlaufl eistung

Das Gericht geht im Wege der Schätzung, unter Berücksichtigung vergleichbarer

Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm a. a. O.; OLG Karlsruhe, a. a. O,; OLG Stuttgart,

Urteil vom 31.07.2008, Az. 19 U 54/08; LG Wuppertal, Urteil vom 26.04.2017, Az.3

O 156i16), nach § 287 ZPO davon aus, dass für den streitgegenständlichen PKW

eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu erwarten ist. Somit betrug die

Restlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die bei Vertragsschluss

(stillschweigend) zu Grunde gelegt wurde, nach Ansicht des Gerichts 245.069 km

Page 14: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

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(250.000 km abzüglich 4.931 km). Der Nutzungsvorteil beträgt mithin 9,465,46 €

(23.600,00 € x 98.292 km/245.069 km), so dass sich ein durch die Beklagte zu

zahlender Betrag von 14.134,54 € (Bruttokaufpreis 23.600,00 € - 9,465,46 €) ergibt.

Dieser zunächst entstandene Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die

Beklagte ist auch nicht zwischenzeitlich erloschen, insbesondere auch nicht dadurch,

dass der Kläger das angebotene Software-Update durchführen ließ. Selbst wenn -was der Kläger bestreitet - das Update das Fahrzeug des Klägers in einen

ordnungsgemäßen Zustand versetzt haben sollte, liegt darin dennoch keine Erfüllung

gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch des Klägers

(vgl. auch OLG Köln, Beschl. v.03.01.2019, Az. 18 U 70/18, zitiert nach beck-online).

Denn wie dargelegt, ist der Schadensersatzanspruch nicht auf das positive lnteresse

gerichtet, also nicht darauf, das Auto in einen ordnungsgemäßen Zustand zu

versetzen, sondern vielmehr auf das negative lnteresse, was bedeutet, den

durchgeführten Vertrag rückabzuwickeln. Ebenso wenig ist durch die Durchführung

des Updates der Schadensersatzanspruch aufgrund einer Annahme an Erfüllungs

statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB erloschen. Denn die Annahme des Updates durch

den Kläger kann nicht als seine Zustimmung zu einer Annahme an Erfüllungs statt

gewertet werden (OLG Köln, Beschluss vom27.03.2018, 18 U 134117, juris Rn. 17 f.;

LG Darmstadt, Urteil vom 18.5.2018, Au..28O250117).

bb)

Die Forderung in Höhe von 14.134,54 € ist ab Verzugseintritt am 21.12.2Q18 mil 5

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.

2l

Ein weitergehender Anspruch auf die mit dem Antrag zu 1) beantragten deliktischen

Zinsen gemäß § 849 BGB steht dem Kläger hingegen nicht zu. Nach § 849 BGB

kann der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an

verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird, wenn der

Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die

Wertminderung zu ersetzen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

§ 849 BGB enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein,

Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung vom Zeitpunkt seiner

Entstehung an mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen ist. Aus § 849 BGB ergibt

sich vielmehr, dass eine solche ,,automatische" Verzinsung die Ausnahme ist und auf

Page 15: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

1J

3)

Es war zudem das Vorliegen des Annahmeverzugs festzustellen. Die Beklagte

befindet sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß § 293 BGB in Verzug. Der

Kläger hat der Beklagten schriftsätzlich Herausgabe und Übereignung des

Fahrzeugs erfolglos angeboten. Ein wörtliches Angebot genügte vorliegend gemäß §

295 BGB.

4l

Der Anspruch auf Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist als Teil

des Schadensersatzanspruchs begründet, zu dessen Geltendmachung der Kläger

aktivlegitimiert ist. Die Beklagte hat zwar pauschal bestritten, dass der Kläger die

vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bezahlt habe; dies ist allerdings auch von

Seiten des Klägers Liberhaupt nicht behauptet worden, sondern seinen

diesbezüglichen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die vorgerichtlichen

Gebühren von seiner Rechtsschutzversicherung gezahlt worden sind und hinsichtlich

des Erstattungsanspruchs eine Befugnis zur Geltendmachung auf Seiten des

Klägers als Versicherungsnehmer bestehe. Da die Beklagte hierzu nicht konkret

erwidert hat, bedurfte es einer Konkretisierung und des Beweises des ebenfalls

relativ pauschalen Vortrages des Klägers (vgl. S. 78 des. SchrS vom 24.10.2019 Bl.

438 f. d. E-Akte) diesbezüglich nicht.

Die Höhe ist aber auf die berechtigterweise anzusetzenden Anwaltskosten

beschränkt, Diese betragen 1.029,35 €,

I

die dort geregelten Fälle der Entziehung oder Beschädigung einer Sache beschränkt

bleiben muss. Das gilt auch hinsichtlich der zu verzinsenden Schadenspositionen.

Die freiwillige Überlassung von Geld (beispielsweise zu lnvestitionszwecken) genügt

dagegen für die Anwendbarkeit des § 849 BGB nicht. Die Verzinsungspflicht gilt für

die Entziehung von Geld nur, wenn diese beispielsweise in Gestalt einer

Unterschlagung oder durch die Nichtauskehrung eines Versteigerungserlöses oder

von verspäteter Auskehrung eingezogener Mandantengelder erfolgt ist, Die Zahlung

eines Kaufpreises für ein mangelbehaftetes Fahrzeug stellt keine ,,Entziehung" des

Kaufpreises nach der dargelegten Rechtsprechung dar. Ein Anspruch aufVerzinsung

der Ersatzsumme besteht daher nicht (LG Saarbrücken, Urteil vom7.6.2017, Az. 12

O 174116,juris, mwN.; a.A. LG Hamburg, Urteil vom 24.11.2017, A2.306 O 318/16,

juris, ohne nähere Begründung).

Page 16: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

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Mit Blick auf die in Abzug zu bringenden gezogenen Nutzungen (vgl. BGH, NJW

2015 3160) ist lediglich ein Gegenstandswert von bis zu 16.000,00 € anzusetzen.

Ferner sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung einer mehr als 1,3-fachen

Gebühr nicht dargetan. Eine besondere rechtliche Schwierigkeit besteht nicht. Allein

dadurch, dass bereits ein Fülle von Rechtsprechung zum vorliegenden Sachverhalt

ergangen sind und es auch zu einer Presseberichterstattung erheblichen Umfangs

gekommen ist, kann weder ein besonderer Umfang noch eine besondere

Schwierigkeit begründet werden (vgl. auch OLG Koblenz, a. a. O. Tz. 95; LG Hagen,

Urt. v. 16,06.2017, Az.8 O 218116; LG Essen, Urteil vom 4.9.2017, Az. 16 O 245116:

vgl. auch LG Köln, Urteil vom 18.7.2017, A2.22 Q 59117; LG Darmstadt, Urteil vom

18.5.2018, Az.28 O 250117, a.A. OLG Köln, Beschluss vom 28.5.2018, Aa..27 U

13t17).

Eine 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von bis zu 16.000,00 €

beläuft sich zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer auf '1 .029,35 €.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen

Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und S. 2, T0BZifter 11,711 ZPO,

Streitwert: bis 25.000,00 €

Rechtsbehelfsbelehrun g :

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der

durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellungdieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstr. 53, 59065

Hamm, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils

(Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung

gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt

werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei

Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht

Hamm zu begründen.

Page 17: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

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Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen

Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die

Berufu ngsbegründ ungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein,

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des

angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Bochum

statthaft, wenn derWert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder

das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat, Die Beschwerde ist spätestens

innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache

Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Landgericht Boch um, Josef-Neuberger-Straße 1, 447 87 Boch um, sch riftlich i n

deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle

einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines

jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. lst der Streitwert später als einen Monat vor

Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines

Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses

eingelegt werden.

Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:

Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die

elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für

die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten

elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der

verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß §

130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen

Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere

elektronische Behördenpostfach (BGBI. 2017 l, S. 3803) eingereicht werden. Weitere

lnformationen erhalten Sie auf der lnternetseite www.iustiz.de.

Dr. Wappler

Page 18: Landgericht · Hildesheim, Urteil vom 17.1.2017, Az. 3 O 139/16, luris). Das KBA hat einen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge angeordnet und die Zulassung der Fahrzeuge, in denen

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t{.2

Beglaubigt

Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle

Landgericht Bochum

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