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Stand 1701 Leitlinie Diagnostik und Therapie des Descensus genitalis S2e S. Albrich, T. Aigmüller, C. Anthuber, D. Finas, T. Fink, C. Fünfgeld, B. Gabriel, F. Hetzer, K. Jundt, S. Kropshofer, M. Hübner, A. Kuhn, L. Logé, G. Naumann, U. Peschers, T. Pfiffer, O. Schwandner, A. Strauss, R. Tunn, V. Viereck Physiotherapie: U. Henscher, B. Junginger GGGB 17.05.2017 Koordination: Kaven Baeßler Keine Interessenkonflikte

Leitlinie Diagnostik und Therapie des Descensus genitalis S2eggg-b.de/_download/unprotected/baessler_k_descensus_genitalis_s2e.pdf · ICS-IUGA Prolaps- Standardisierung Stadien Stage

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01

Leitlinie Diagnostik und Therapie des Descensus genitalis

S2e

S. Albrich, T. Aigmüller, C. Anthuber, D. Finas, T. Fink, C. Fünfgeld, B. Gabriel, F. Hetzer, K. Jundt, S. Kropshofer, M. Hübner, A. Kuhn, L. Logé, G. Naumann,

U. Peschers, T. Pfiffer, O. Schwandner, A. Strauss, R. Tunn, V. Viereck

Physiotherapie: U. Henscher, B. Junginger

GGGB 17.05.2017

Koordination: Kaven Baeßler Keine Interessenkonflikte

Systematischer Review

• Höchster Level medizinischer Evidenz

• Konkrete Fragestellungen

• Ausführliche Literatursuche in Pubmed, CINAHL, Pedro, etc.;

Einschluss von Abstracts ICS/IUGA/AUGS randomisierter

Studien

• mind. 1-Jahres-Nachkontrollen, mindestens 20 Pat.

• Qualitativ: kritische Bewertung

• Quantitativ: Zusammenfassung der Daten, eventuell mit

Metaanalyse

• Anatomischer Erfolg: POPQ-Stadium 0-1

Hymenal-

saum

Introitus

Traditionelle Gradeinteilung

ICS-IUGA Prolaps- Standardisierung Stadien

Stage 1

Stage 2

Stage 3

Stage 4

2. Grades „mäßig“

4. Grades „Totalprolaps“

1. Grades „klein“

3. Grades „groß“

- 1 cm

+ 1 cm

Baden-Walker- Half-Way-System Grade

Grade 4 Maximum descent

Grade 2 „hymen“

Grade 3 „half-way beyond hymen“

Scheiden- mitte

Normal: Level Spinae ischiadicae

Grade 1 „half-way to hymen“

Die drei wichtigsten Fragen bei der

„Interpretation“ der Leitlinie

1. Was sind die Ergebnisse?

2. Sind die Ergebnisse valide/stichhaltig,

zuverlässig?

3. Sind die Ergebnisse auf meine Patientinnen

und mein Setting übertragbar?

Eigenes Können (Angebot an Therapieoptionen)

Wünsche /Erwartungen meiner Patientinnen

Oxman et al. 1994, JAMA

Die neue Deszensus - Leitlinie

Mehr

• Diagnostik

• Aufklärung

• Konservative Therapie

• Evidenz

• Empfehlungen

Diagnostik Evidenzbasierte Empfehlung 2.E6

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad 0

Ein systematischer Review von diagnostischen Tests zeigte, dass Anamnese und

klinischer Stresstest eine Belastungsinkontinenz in der Urodynamik gut

vorhersagen können (23, 24). Es fehlen Daten, die die Notwendigkeit einer

Urodynamik vor einer geplanten Deszensusoperation belegen. So kann auch eine

larvierte Belastungsinkontinenz bei ausreichend gefüllter Blase durch einen

Stresstest mit Prolapsreposition nachgewiesen werden.

P Vesical

P Abd

P Detrusor

Füllung

Husten

Evidenzbasierte Empfehlung 2.E7

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad B

Die Zystourethroskopie am Ende einer Deszensusoperation wird zum

Ausschluss von intraoperativen Blasen- und Urethraverletzungen sowie

zum Nachweis der Ureterfunktion empfohlen.

Perioperatives Management

• Auf Darmvorbereitung kann verzichtet werden

• Auf Ureterschienen kann bei unkomplizierten Fällen verzichtet werden

• postoperative lokale Östrogensierung kann die Scheidenflora verbessern und Granulationsgewebe reduzieren, der Nachweis einer Reduktion von Netzerosionen fehlt jedoch

• Ein prä- und/oder postoperatives Beckenbodentraining kann durchgeführt werden, eine Verbesserung von Inkontinenz und Deszensus ist jedoch nicht eindeutig belegt

• Nikotinabusus ist ein Risikofaktor für Beckenbodenerkrankungen und erhöht Risiko für Netzerosionen beim Einsatz von synthetischem Implantaten

Konservative Therapie

• Beckenbodentraining LoE 1

• Pessare LoE 2

Beckenbodengymnastik im Internet

Beckenbodentraining bei Deszensus

Study or Subgroup

Braekken 2010

Ghroubi 2008

Hagen 2009

Stüpp 2010

Total (95% CI)

Total events

Heterogeneity: Tau² = 0.09; Chi² = 5.19, df = 3 (P = 0.16); I² = 42%

Test for overall effect: Z = 4.47 (P < 0.00001)

Events

11

5

9

2

27

Total

43

27

19

17

106

Events

18

14

20

13

65

Total

26

20

21

14

81

Weight

32.0%

20.5%

37.0%

10.5%

100.0%

M-H, Random, 95% CI

0.37 [0.21, 0.65]

0.26 [0.11, 0.61]

0.50 [0.31, 0.81]

0.13 [0.03, 0.47]

0.34 [0.22, 0.55]

Beckenbodentraining Control Risk Ratio Risk Ratio

M-H, Random, 95% CI

0.01 0.1 1 10 100

Beckenbodentraining kein Training

Evidenzbasierte Empfehlung 4.E4

Evidenzgrad 1 Empfehlungsgrad B

Ein gezieltes Beckenbodentraining (Cave: nicht Beckenbodengymnastik) sollte

zumindest bei kleineren Prolapsstadien (Stadium I und II) angeboten werden, um

Senkungssymptome und eine gleichzeitige Belastungsinkontinenz zu reduzieren.

Pessartherapie

Evidenzbasierte Empfehlung 4.E6

Evidenzgrad 2 Empfehlungsgrad B

Die Pessartherapie ist eine gute konservative Option, die angeboten werden sollte.

Ungeklärt ist, welches Pessar für welchen Deszensus am besten geeignet ist.

Vorderes Kompartiment

Vordere Plastik vs vorderes fixiertes Netz

Study or Subgroup

1.1.1 Anteriore Plastik vs anteriores Polypropylene-Netz

Altman 2011

Delroy 2013

Menefee 2011

Nguyen 2008

Nieminen 2008

Sivaslioglu 2008

Turgal 2013

Vollebregt 2011

Subtotal (95% CI)

Total events

Heterogeneity: Chi² = 3.97, df = 7 (P = 0.78); I² = 0%

Test for overall effect: Z = 10.41 (P < 0.00001)

Total (95% CI)

Total events

Heterogeneity: Chi² = 3.97, df = 7 (P = 0.78); I² = 0%

Test for overall effect: Z = 10.41 (P < 0.00001)

Test for subgroup differences: Not applicable

Events

96

17

14

20

40

12

5

33

237

237

Total

183

39

24

38

97

42

20

51

494

494

Events

33

4

5

5

14

4

1

5

71

71

Total

186

40

28

38

104

43

20

53

512

512

Weight

47.0%

5.7%

6.6%

7.2%

19.4%

5.7%

1.4%

7.0%

100.0%

100.0%

M-H, Fixed, 95% CI

2.96 [2.11, 4.15]

4.36 [1.61, 11.80]

3.27 [1.38, 7.75]

4.00 [1.67, 9.55]

3.06 [1.78, 5.27]

3.07 [1.08, 8.77]

5.00 [0.64, 39.06]

6.86 [2.91, 16.18]

3.46 [2.74, 4.37]

3.46 [2.74, 4.37]

OP mit Eigengewebe OP mit synthetischem Netz Risk Ratio Risk Ratio

M-H, Fixed, 95% CI

0.01 0.1 1 10 100

Favours vordere Plastik Favours Netz

Analyse mit selbst zugeschnittenen

Netzen

Re-Operationen

De novo Belastungsinkontinenz

8% 13%

De-novo Dyspareunie

Zystozelen meist mit apikalem

Aufhängungsdefekt verbunden

Bessere Ergebnisse mit Fixation im mittleren Kompartiment • Vordere Plastik+OP mittleres Kompartiment

• Vorderes Netz mit apikaler Fixierung

Evidenzbasierte Empfehlung 5.E1

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad B

Wird eine vordere Scheidenplastik durchgeführt, scheint eine

gleichzeitige apikale Fixation das Rezidivrisiko deutlich zu senken.

Es sollte somit geprüft werden, ob ein gleichzeitiger Deszensus im

vorderen und mittleren Kompartiment vorliegt, um die anteriore

Scheidenplastik mit einer apikalen Fixation zu kombinieren.

Evidenzbasierte Empfehlung 5.E4

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad 0

Auch beim Einsatz von synthetischen Netzen im vorderen

Kompartiment sollte eine gleichzeitige apikale Netzfixierung oder

Operation zur Sicherung des mittleren Kompartimentes erwogen

werden.

OR 0,68; 95%CI 0,54-0,85

OR 0,4; 95%CI 0,3- 0,6

Mehr Rezidive bei Levatordefekten

Evidenzbasierte Empfehlung 5.E2

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad 0

Bei vorhandenen Levatordefekten (Avulsionen) scheint das Risiko für

eine Rezidivzystozele nach vorderer Plastik erhöht, so dass eine

vordere Netzeinlage diskutiert werden kann (70).

Hinteres Kompartiment

Vorderes Kompartiment

Evidenzbasierte Empfehlung 5.E8

Evidenzgrad 1a Empfehlungsgrad A

Der Einsatz von synthetischen Netzen im vorderen Kompartiment verringert die

anatomischen und subjektiven Deszensus-Rezidivraten, allerdings ohne positive

Wirkung auf die Lebensqualität. De novo Dyspareunie und Re-Operationen wegen

Netzkomplikationen und Belastungsinkontinenz sind jedoch häufiger im

Vergleich zur vorderen Scheidenplastik, so dass die Aufklärung insbesondere Re-

Operationen, chronische Schmerzsyndrome und Dyspareunie beinhalten soll.

Hintere Scheidenplastik

Evidenzbasierte Empfehlung 6.E2

Evidenzgrad 2 Empfehlungsgrad B

Die hintere Scheidenplastik als mediane Fasziennaht führt zu besseren

Erfolgsraten als die defekt-spezifische Faszienkorrektur und sollte bei

primärer Rektozelenkorrektur bevorzugt durchgeführt werden.

Hintere Scheidenplastik

Evidenzbasierte Empfehlung 6.E3

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad 0

Auf die Vereinigung der Levatorenschenkel bei der hinteren Plastik

kann verzichtet werden, da sie nicht die Erfolgsrate im Vergleich zur

medianen Fasziennaht erhöht und hohe Dyspareunieraten

beschriebenen wurden.

Hinteres Kompartiment: Implantate

Evidenzbasierte Empfehlung 6.E4

Evidenzgrad 1b Empfehlungsgrad A

Auf den Einsatz von Xenograften (biologische Implantate) soll im

hinteren Kompartiment aufgrund fehlender Vorteile verzichtet

werden.

Evidenzbasierte Empfehlung 6.E5

Evidenzgrad 3 Empfehlungsgrad 0

Deshalb gibt es derzeit keinen Anlass, synthetische Netze

routinemäßig bei primären vaginalen Deszensusoperationen am

hinteren Kompartiment zu verwenden.

Mittleres Kompartiment

Sakrospinale Kolpopexie, vaginale oder laparoskopische Fixation an den Sakrouterinligamenten und die offene oder laparoskopische Sakrokolpopexie

• gute Evidenz mit Erfolgsraten in der Literatur von über 90%

• Entscheidung unter Beachtung der Befunde und Symptome, Comorbiditäten, Risikofaktoren, gleichzeitig geplanter totaler Hysterektomie, Wünsche der Patientin und Expertise der Abteilung

Mittleres Kompartiment

Evidenzbasierte Empfehlung 7.E8

Evidenzgrad 2 Empfehlungsgrad B

Der Uteruserhalt sollte bei entsprechender Indikationsstellung erwogen

werden. Insbesondere die vaginale sakrospinale Hysteropexie ist eine gute

Option, für die Sakrohysteropexie mit Netzinterposition und die Fixation an

den Sakrouterinligamenten liegen keine ausreichenden Langzeitdaten vor.

Descensus genitalis

mit und ohne Belastungsinkontinenz

International Consultation on Incontinence Tokyo 2016

Committee 15: Pelvic Organ Prolapse Surgery

Deszensus und symptomatische

Belastungsinkontinenz

Vordere Scheidenplastik

Kumulative Erfolgsrate für Belastungsinkontinenz: 48% Colombo 2000, Hviid 2010

Vordere Scheidenplastik und

suburethrales Band

• Erfolgsrate Belastungsinkontinenz: 95% (83/87)

• Erfolgsrate bei zweizeitigem Vorgehen: 89% (47/53)

Borstad 2010, RCT

Empfehlung Deszensus und

symptomatische Belastungsinkontinenz

Evidenzbasierte Empfehlung 8.E5

Evidenzgrad 2 Empfehlungsgrad B

Frauen mit symptomatischer Belastungsinkontinenz und Deszensus kann eine

gleichzeitige Operation gegen die Belastungsinkontinenz angeboten werden.

Deszensus und

larvierte Belastungsinkontinenz

Vordere Scheidenplastik bei larvierter Belastungsinkontinenz

• Postoperative Kontinenz: 49% • 3 RCTs

Schierlitz et al. , Meschia et al., Wei et al.

Larvierte Stressinkontinenz- prophylaktische suburethrale Bandeinlage

bei vaginaler Deszensusoperation

• Postoperative Kontinenz: 82% • 3 RCTs

Schierlitz et al., Meschia et al., Wei et al.

Larvierte Belastungsinkontinenz-

+ suburethrale Bandeinlange

Erfolgsrate 49% (61/125) 82% (95/116)

Evidenzbasierte Empfehlung 8.E3

Evidenzgrad 1a Empfehlungsgrad A

Bei larvierter Belastungsinkontinenz sollte über die Möglichkeit

einer gleichzeitigen suburethralen Bandeinlage im Rahmen der

vaginalen Deszensuschirurgie gesprochen werden.

Larvierte Belastungsinkontinenz

Einzeitiges vs zweizeitiges Vorgehen

Einzeitig

• Plastiken + TVT: 83/87, 95%

Zweizeitig

• nach 3 Monaten TVT: 47/53, 89%

• 27/94 (29%) waren kontinent nach vorderer Plastik

und lehnten TVT ab

Borstad et al. 2010

Kontinente Frauen

mit Descensus genitalis

De novo Belastungsinkontinenz

8% 13%

Belastungsinkontinenz objektiv:

9/134 (7%) ohne Burch 11/116 (9%) + Burch

Belastungsinkontinenz subjektiv:

63/155 (41%) ohne Burch 38/147 (26%) + Burch

Brubaker et al. 2008, Care Studie

Study or Subgroup

Brubaker 2008

Costantini 2010

Total (95% CI)

Total events

Heterogeneity: Tau² = 0.41; Chi² = 3.94, df = 1 (P = 0.05); I² = 75%

Test for overall effect: Z = 0.07 (P = 0.94)

Events

38

9

47

Total

147

31

178

Events

63

5

68

Total

155

31

186

Weight

60.0%

40.0%

100.0%

M-H, Random, 95% CI

0.64 [0.46, 0.89]

1.80 [0.68, 4.76]

0.96 [0.35, 2.62]

SCP+Burch SCP Risk Ratio Risk Ratio

M-H, Random, 95% CI

0.01 0.1 1 10 100

Favours experimental Favours control

Evidenzbasierte Empfehlung 8.E2

Evidenzgrad 2 Empfehlungsgrad B

Eine gleichzeitige Burch-Kolposuspension kann bei Sakrokolpopexie zur Prophylaxe einer

postoperativen Belastungsinkontinenz zusätzlich angeboten werden.

Sakrokolpopexie

De novo Belastungsinkontinenz

Shared decision making

„Partizipative Entscheidungsfindung“

• +- Inkontinenz

• +- Uterus +- Adnexe

• +- Netzaugmentation

• Optionen

• Erfolgsraten

• Individuelle Faktoren

• Risikofaktoren Rauchen, Adipositas, Voroperationen,

Arbeit, Levatordefekte

• Wünsche, Prioritäten, Ziele der Patientin

Fragen, Anmerkungen

[email protected]

[email protected]