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Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9 Lernstrategien NHHL 2 33 08 06 1 Lernende reflektieren ihren Lernprozess Kersten Reichs Methodenlandschaft Joachim Stary Zusammenfassung Lehren und Lernen sind Tätigkeiten, die sich nur dann erfolgreich entwickeln, wenn sie ständig selbstkritisch reflektiert und ggf. modifiziert werden. Monitoring, Metakognition, Selbstreflexivi- tät, Beobachtungen zweiter Ordnung, dies sind Begriffe, die zwar unterschiedlichen theoretischen Konzepten bzw. pädagogischen Handlungszusammenhängen entstammen, aber im Grunde ge- nommen einen Anspruch beschreiben: Die Verbesserung des Denk-, Lern-, beruflichen Handelns. In diesem Beitrag wird ein Verfahren studentischer Selbstreflexion vorgestellt. Es wurde von Kers- ten Reich, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Pädagogik an der Universität zu Köln, entwickelt 1 und von mir in zwei Veranstaltungen in einem Seminar mit Studierenden in der Abschlussphase des Studiums Erziehungswissenschaft im WiSe 2006/07 am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin erprobt. Gliederung Seite 1. Pädagogisches Handeln aus konstruktivistischer Sicht 2 2. Die Methodenlandschaft 3 3. Inszenierung im Seminar 6 4. Anhang 8

Lernende reflektieren ihren Lernprozess · 2014. 4. 3. · Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9 Lernstrategien NHHL 2 33 08 06 1 Lernende reflektieren ihren

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Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9

Lernstrategien

NHHL 2 33 08 06 1

Lernende reflektieren ihren Lernprozess

Kersten Reichs Methodenlandschaft

Joachim Stary

Zusammenfassung

Lehren und Lernen sind Tätigkeiten, die sich nur dann erfolgreich entwickeln, wenn sie ständig selbstkritisch reflektiert und ggf. modifiziert werden. Monitoring, Metakognition, Selbstreflexivi-tät, Beobachtungen zweiter Ordnung, dies sind Begriffe, die zwar unterschiedlichen theoretischen Konzepten bzw. pädagogischen Handlungszusammenhängen entstammen, aber im Grunde ge-nommen einen Anspruch beschreiben: Die Verbesserung des Denk-, Lern-, beruflichen Handelns. In diesem Beitrag wird ein Verfahren studentischer Selbstreflexion vorgestellt. Es wurde von Kers-ten Reich, Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Pädagogik an der Universität zu Köln, entwickelt1 und von mir in zwei Veranstaltungen in einem Seminar mit Studierenden in der Abschlussphase des Studiums Erziehungswissenschaft im WiSe 2006/07 am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin erprobt.

Gliederung Seite

1. Pädagogisches Handeln aus konstruktivistischer Sicht 2

2. Die Methodenlandschaft 3

3. Inszenierung im Seminar 6

4. Anhang 8

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G 3.9 Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten

Lernstrategien

2 NHHL 2 33 08 06

1. Pädagogisches Handeln aus konstruktivistischer Sicht

Reich nennt sein Verfahren „Methodenlandschaft“. Der Zweck des Verfahrens besteht darin, Lernende anzuregen, anhand bestimmter Kriterien ihr Lernen zu reflektieren. Reich beschreibt dies wie folgt:

„Das Bild, das ich entwerfe, soll … eine Landschaft darstellen, deren Erscheinungen sich ständig ändern, obgleich es auch ei-nige über längere Zeit gleich bleibende Orte und Perspektiven gibt. Aber die Orte sind bereits von Menschen konstruierte Plät-ze und mit bestimmten Namen versehen. Diesen gegenüber ha-ben wir eine Freiheit. Die Ausblicke können uns in Stimmungen versetzen, sie können uns anregen und interessieren, aber auch flüchtig und unbestimmt bleiben. (…) Ganz gleich wie fantasie-voll in Teilen solche Landschaften ausfallen, es sind Landschaf-ten, die bereits perspektivisch festgelegt sind, kultivierte Land-schaften, die – so wie Landschaften in unseren Wirklichkeiten – von Kultur durchzogen und beschnitten sind.“ (Reich, S. 228 f.)

Der Begriff „Methodenlandschaft“ bleibt allerdings − selbst in Reichs Formulierung − missverständlich. Es geht m. E. nicht um die Vorstel-lung, Darbietung einer Landschaft voller Methoden, sondern es geht um die Vorstellung von Kriterien, anhand derer Lernende ihren Lern-prozess, ihre Lernmethoden reflektieren können. Reich bedient sich bei der Beschreibung dieser Kriterien einer Landschaftsmetaphorik. Er lädt Lernende ein, in einem Spaziergang durch diese Landschaft ihre Lernerfahrungen zu reflektieren, Lernbilanz zu ziehen.

Die Idee der Entwicklung eines solchen selbstreflexiven Verfahrens gründet auf einer konstruktivistisch-pädagogischen Sicht, die vorab in sehr groben Zügen skizziert werden soll.1

1 Reich, Kersten: Konstruktivistische Didaktik. Lehren und Lernen aus interakti-onistischer Sicht. München/Unterschleißheim 2004, 2. Aufl. Weiterführende Beiträge von Reich sind den Web-Seiten http://konstruktivismus.uni-koeln.de und http://methodenpool.uni-koeln.de zu entnehmen. 1 Grundlegend für die neuzeitliche konstruktivistische Theoriebildung ist: Ma-turana, Humberto R.; Varela, Francesco J.: Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens. Bern 1987. Für die Di-daktik/Methodik der Erwachsenenbildung sind elementar: Siebert, Horst: Di-daktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivisti-scher Sicht. 4. Aufl. München/Unterschleißheim 2003; Arnold, Rolf; Siebert, Horst: Konstruktivistische Erwachsenenbildung. Von der Deutung zur Kons-truktion der Wirklichkeit. 4. Aufl. Baltmannsweiler 2003.

Der Begriff „Methodenlandschaft“

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Lernstrategien

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In der Pädagogik beschreiben konstruktivistische Sichtweisen einen erkenntnistheoretisch begründeten Standpunkt, der dem Lernen, dem denkenden Subjekt, der Selbststeuerung, einen absoluten Vorrang gegenüber dem Lehren, der „objektiven“ Realität, der Fremdsteuerung einräumt. „Menschen sind lernfähig, aber nicht belehrbar!“, so lässt sich das Credo konstruktivistischer Pädagogik populär zusammenfas-sen. In der Theorie artikuliert sich konstruktivistische Erkenntnistheo-rie in einer Vielzahl von Theoremen (Autopoeisis, Konstrukt, Viabili-tät, Perturbation, Differenzwahrnehmung), die ein anderes Verständnis von Lernen beschreiben.

Dass diese Theoreme nicht nur eine andere Auffassung vom Lernen-den/Lernen beschreiben, sondern auch ein anderes Verständnis vom Lehren/der Rolle des Lehrenden nach sich ziehen, ist bekannt. Lehren kann aus konstruktivistischer Sicht nicht als Prozess der Wissensver-mittlung, sondern nur als Prozess der Lernermöglichung begriffen werden. Lehre bzw. Lernermöglichung muss die Autonomie des Ler-nenden Ernst nehmen und vor allem der Beziehungsseite des Unter-richts die gebührende Bedeutung widmen. Konstruktivistische Lernar-rangements sind Ermöglichungsräume, in denen Lernende weitestge-hend autonom (selbstgesteuert) Erfahrungen mit einem Lerngegen-stand machen. Reichs Methodenlandschaft ist als ein solcher Ermögli-chungsraum zu verstehen.

2. Die Methodenlandschaft2

Reichs Landschaftsmetaphern bestehen aus zwei Teilen, einer Meta-pher (Hügel, Wege, Bücken usw.), die den emotionalen Zugang zur Reflexion herstellen soll und einem Konstrukt, das sich auf den zu reflektierenden Aspekt der Lerntätigkeit bezieht. So beschreibt zum Beispiel das Landschaftselement „Klippen des Scheiterns“ metapho-risch einen geografisch beschreibbaren Abgrund, bezogen auf die Lerntätigkeit geht es freilich um interindividuell unterschiedliche Wirklichkeits-Konstruktionen (Erfahrungen) der Lernenden, die diese Abgrund-Metapher auf den eigenen Lernprozess beziehen: Erfahrun-gen des Scheiterns, des Versagens, der Resignation, des Aufgebens usw.

Reichs Landschaft ist durch 18 Elemente charakterisiert. Neun dieser Elemente beschreibe ich im Folgenden a) in ihrer doppelten Bedeu-tung von Metapher und Konstrukt und b) durch Leitfragen, die ver-

2 S. 228 – 243.

Pädagogik aus konstruktivistischer

Sicht

Lehren und Lernen aus konstruktivistischer

Sicht

Zwei Teile der Methodenlandschaft:

Metapher und Konstrukt

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G 3.9 Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten

Lernstrategien

4 NHHL 2 33 08 06

suchen, diese Doppeldeutigkeit für die Studierenden zu erschließen, um ihnen als Orientierungshilfe zu dienen, ihren Lernprozess zu reflektieren.3

• Wege der Konstruktion a) Metapher und Konstrukt: Die Wege der Konstruktion beschrei-

ben die vielfältigen Lern-/Lehrmethoden, die jedem Lernenden innerhalb seines Studiums begegnen. Auf diesen Wegen sucht er nach Erkenntnis, sie prägen unter Umständen die Organisation seiner weiteren Lernorganisation. Dabei kann man als Lernen-der verschiedene Perspektiven einnehmen. Man kann als Ak-teur, als Teilnehmer, der sich seiner eigenen Lernvoraussetzun-gen vergewissert reflektieren. Man kann aber auch die Perspek-tive des Beobachters einnehmen, der sich und andere Studie-rende lernend reflektiert.

b) Leitfragen: Welche Lernmethoden haben Sie während Ihres Studiums eingesetzt? Welche Methoden haben Sie schätzen ge-lernt und warum? Welche Methoden dominierten in Ihrer Arbeit als Student/in?

• Häuser der Rekonstruktion a) Metapher und Konstrukt: Die Häuser der Rekonstruktion sind

das im Studium erworbene Wissen (die Theorien, das empiri-sche Wissen, die Namen, Orte, Daten usw.).

b) Leitfragen: Gibt es Theorien, Ideologien, die Ihr (hier: pädago-gisches) Denken und Handeln in hohem Maße bestimmen? Konnten Sie das theoretische Wissen mit Ihrem Handeln in der Praxis verknüpfen?

• Ruinen der Dekonstruktion a) Metapher und Konstrukt: Sie sind Zeugnisse der Vergänglichkeit

von Wissen, Einstellungen, Sichtweisen. Abprüfbares Wissen, als sicher vermutetes Wissen wird hier brüchig; die Häuser der Re-konstruktion geraten ins Wanken. Solche Dekonstruktionen kön-nen aber auch die Basis, der Ausgangspunkt sein, aus dem Neues (neue Sichtweisen, Einstellungen usw.) entstehen kann.

3 Die Rückübersetzung einiger Landschaftsmetaphern in Konstrukte des Ler-nens erweist sich mitunter als schwierig, weil Reich bei der Beschreibung einiger Landschaftselemente im Metaphorischen verbleibt. Manche Land-schaftselemente sind anderen sehr ähnlich, wenig trennscharf. Die Studieren-den entschlossen sich, folgende Landschaftselemente unberücksichtigt zu lassen: 1. Die Städte der Institutionen, 2. Die Gebirge des Ungewissen, 3. das Tal der Ungewissheiten, 4. die Höhlen des Unbewussten, 5. der Horizont des Realen, 6. das Meer des Begehrens, 7. Wald der Wagnisse.

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Lernstrategien

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b) Leitfragen: Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Theorien, Leitvorstellungen, Inhalte usw., die einmal be-deutsam für Sie waren, ihren Sinn oder ihre praktische Nütz-lichkeit für Sie verloren? Wenn ja, nennen Sie diese!

• Methodische Hügel a) Metapher und Konstrukt: Sie stehen für erfolgreiche, erfolgver-

sprechende Methoden, sie bieten neue Vorgehensweisen, andere Perspektiven (des Denkens, Wahrnehmens, Beobachtens).

b) Leitfragen: Welche Lernmethoden haben Sie in Ihrem Studium als besonders erfolgreich wahrgenommen? Haben Sie in der Universität (im Vergleich zu Gymnasium) neue Methoden des Lehrens und Lernens erproben können?

• Wiesen des Ideenreichtums a) Metapher und Konstrukt: Sie regen unsere Sinne an, lassen uns

über Neues nachdenken, befördern unsere Kreativität. „Hier spüren wir nicht mehr die Suche nach einer nur rationa-len Ordnung, hier haben wir glückliche Gefühle, die unsere Wünsche und Ideen begleiten.“ (Reich, S. 233)

b) Leitfragen: Haben Sie während Ihres Studiums auch Anregun-gen erhalten, die Ihre Kreativität förderten bzw. forderten? Nennen/beschreiben Sie Beispiele?

• Felder der Routinen a) Metapher und Konstrukt: Es sind die Handlungsroutinen, die

unsere Lernpraxis erleichtern. Sie bieten uns Sicherheit und ge-lassene Entspannung. Jedoch dürfen sie uns nicht daran hindern, neue Wege zu beschreiten.

b) Leitfragen: Welche Routinen des Lernens kennen Sie? Wobei helfen sie Ihnen? Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass solche Routinen auch blockieren können?

• Wellen der Begeisterung a) Metapher und Konstrukt: Begeisterung ist ein Urquell allen

Lernens. Metaphern wie Feuer fangen, gebannt sein usw. be-schreiben diesen Zustand.

b) Leitfragen: Gab es Momente der Begeisterung in Ihrem Studi-um, die aus der Begegnung mit bestimmten Inhalten oder einer bestimmten Person oder einer bestimmten Lehr- und Lernsitua-tion resultierten? Beschreiben Sie solche Momente!

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G 3.9 Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten

Lernstrategien

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• Klippen des Scheiterns a) Metapher und Konstrukt: Es sind verschiedene Wirklichkeits-

Konstruktionen (Erfahrungen) der Lernenden: Erfahrungen des Scheiterns, des Versagens, der Resignation, des Aufgebens usw.

b) Leitfragen: Haben Sie Momente des Scheiterns in Ihrem Studi-um erlebt? Haben Sie vor einer Aufgabe resigniert? Konnten Sie aus diesen Erfahrungen positive Konsequenzen für Ihr Ler-nen ziehen? Wenn ja, welche?

• Winde der Wahrnehmung a) Metapher und Konstrukt: Wie der Wind ist die Wahrnehmung

ein unmittelbar spürbares Ereignis, dass zum Denken, Verwei-len, Unterhalten und Reflektieren anregt.

b) Leitfragen: Gab es in Ihrem Studium Situationen, die Sie inne-halten ließen; die Sie nachdenklich gemacht haben; die Sie als Störung Ihres bisherigen Denkens und Handelns empfunden haben? Wenn ja, beschreiben Sie diese!

3. Inszenierung im Seminar

Das Verfahren wurde in zwei Veranstaltungen im Rahmen meines Seminars „Bildung kommt Bild. Methoden und Verfahren des Veran-schaulichens in der politisch-kulturellen Bildungsarbeit mit Erwach-senen“ durchgeführt.4 Das handlungsorientierte Seminar setzte auf Seiten der Studierenden ein hohes Maß an Experimentierfreudigkeit voraus. Die beiden Veranstaltungen wurden von drei Studierenden geplant und moderiert. Die Planung umfasste die Formulierung von Lernzielen, Überlegungen zur didaktischen Reduktion des Gegen-stands und die Gestaltung der Lehr-, Lernsituationen.

Vorbereitung: Die neun Landschafts-Poster wurden im Seminarraum aufgehängt.

Durchführung/Einführung: Begrüßung der Teilnehmer; kurze Vorstel-lung der Grundannahmen konstruktivistischer Didaktik und Reichs Methodenlandschaft; Formulierung des Arbeitsauftrags. Die Studie-renden bildeten Vierer-Teams. Jeder Studierende erhielt einen Laufzet-tel für Notizen zu den Postern. Die Teams wanderten von Poster zu

4 Neben Reichs Methodenlandschaft wurden im Seminar sehr unterschiedliche Verfahren, Konzepte, Kriterien-Kataloge behandelt: Gisela Schmeers Reso-nanzbildmethode, Rudolf Arnheims Vorstellungsbilder, Augusto Boals Theater-formen, Edward Tuftes Kriterien zur Kritik von Zahlenbildern, u. v. a. m.

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Lernstrategien

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Poster, reflektierten zunächst die jeweiligen Leitfragen individuell, hielten diese Überlegungen auf dem Laufzettel fest, diskutierten an-schließend die individuellen Notizen im Team und dokumentierten die Ergebnisse im Team-Protokoll (Zeitaufwand pro Poster: 15 Minuten).

Auswertung: Präsentation der Team-Protokolle im Plenum. Die Prä-sentation beschränkte sich auf die Zurschaustellung der Protokolle. Eine Diskussion dieser Protokolle im Plenum fand nicht statt. Man mag dies als Versäumnis betrachten. Aus konstruktivistischer Sicht ist diese Form des Beendens des Seminars allerdings konsequent, denn die in den Protokollen dokumentierten Eindrücke und Wahrnehmun-gen sind Konstrukte, also individuelle Wahrnehmungen und Bewer-tungen. Im Grunde geht es primär darum, (auch im Gespräch mit an-deren Studierenden) den eigenen Lernprozess zu reflektieren. Dass man als Lernender in diesem Gespräch auch etwas über die Sichtwei-sen, Erfahrungen, Deutungen usw. anderer Lernender erfährt, war für die meisten Studierenden freilich ebenso spannend.

PS:

Lernende aufzufordern, über ihre Lerntätigkeit (noch dazu anhand von Kriterien) zu reflektieren, dürfte für die meisten eine irritierende Aufforderung sein; zu sehr ist das Studienhandeln auf die Erfüllung von Leistungsanforderungen konzentriert. Die Evaluation meines Se-minars hat gezeigt, dass fast alle Studierende dieses Erlebnis der Selbstreflexion als persönlich wertvoll einschätzten. Dass diese Re-flexion am Ende ihres Studiums stattfand, haben viele bedauert.

Sollten Sie, liebe Leserin, lieber Leser sich nun angeregt fühlen, die-ses Verfahren auch mit Ihren Studierenden auszuprobieren, so sollten Sie unbedingt auf den weitaus umfänglicheren Originaltext von Kers-ten Reich zurück greifen. Reich bietet nicht nur eine ausführlichere Beschreibung der Landschaftselemente an, sondern er tut dies vor allem auch in einer sehr bildhaften Weise. Diese ausgeprägte Meta-phorik mag für die studentische Selbstreflexion möglicherweise anre-gender sein als die in diesem Beitrag vorgestellte Kurzbeschreibung der Landschaftselemente (die aber aufgrund der beschränkten Zeit-rahmens (15 Minuten pro Poster) notwendig war.

Information zum Autor:

Dr. Joachim Stary ist Leiter der Pädagogischen Werkstatt am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin.

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4. Anhang

Die Wege derKonstruktion

Leitfragen: Welche Lernmethoden haben Sie während Ihres Studiums eingesetzt? Welche Methoden haben Sie schätzen gelernt und warum? Welche Methoden dominieren in Ihrer Arbeit als Student/in?

Hilfestellung: Die Wege der Konstruktion beschreiben die vielfältigen Lern-/Lehrmethoden die jedem Lernenden innerhalb seines Studiums begegnen. Auf diesen Wegen sucht er nach Erkenntnis, sie prägen unter Umständen die Organisation seiner weiteren Lernorganisation. Dabei kann man als Lernender verschiedene Perspektiven einnehmen. Man kann als Akteur, als Teilnehmer, der sich seiner eigenen Lernvoraussetzungen vergewissert reflektieren. Man kann aber auch die Perspektive des Beobachters einnehmen, der sich und andere Studierende lernend reflektiert.

Formblatt G 3.9-1 Die Wege der Konstruktion5

5 Foto: © Jochen / PIXELIO

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Die Häuser der Rekonstruktion

Hilfestellung: Die Häuser der Rekonstruktion sind das im Studium erworbene Wissen (die Theorien, das empirische Wissen, die Namen, Orte, Daten usw.)

Leitfragen: Gibt es Theorien, Ideologien, die Ihr pädagogisches Denken und Handeln in hohem Maße bestimmen? Wie lässt sich für Sie das theoretische Wissen mit Ihrem Handeln in der Praxis verknüpfen?

Formblatt G 3.9-2 Die Häuser der Rekonstruktion6

6 Foto: © Bardewyk / PIXELIO

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G 3.9 Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten

Lernstrategien

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Die Ruinen der Dekonstruktion

Hilfestellung: Sie sind Zeugnisse der Vergänglich-keit von Wissen, Einstellungen, Sichtweisen. Abprüfbares Wissen, als sicher vermutetes Wissen wird hier brüchig; die Häuser der Rekonstruktion geraten ins Wanken. Solche Dekonstruktionen können aber auch die Basis, der Ausgangspunkt sein, aus dem Neues (neue Sichtweisen, Einstellungen usw.) entstehen kann.

Leitfragen:Haben Sie schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Theorien, Leitvorstellungen, Inhalte usw., die einmal bedeutsam für Sie waren, ihren Sinn oder ihre praktische Nützlichkeit für Sie verloren? Wenn ja, nennen Sie diese!

Formblatt G 3.9-3 Die Ruinen der Dekonstruktion7

7 Foto: © C. Nöhren / PIXELIO

Page 11: Lernende reflektieren ihren Lernprozess · 2014. 4. 3. · Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9 Lernstrategien NHHL 2 33 08 06 1 Lernende reflektieren ihren

Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9

Lernstrategien

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Methodische Hügel

Hilfestellung: Sie stehen für erfolgreiche, erfolgversprechende Methoden, sie bieten neue Vorgehensweisen, andere Perspektiven (des Denkens, Wahrnehmens, Beobachtens).

Leitfragen:Welche Lernmethoden haben Sie in Ihrem Studium als besonders erfolgreich wahrgenommen? Haben Sie in der Universität (im Vergleich zum Gymnasium) neue Methoden des Lehrens und Lernens erproben können?

Formblatt G 3.9-4 Methodische Hügel8

8 Foto: © hagir25 / PIXELIO

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G 3.9 Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten

Lernstrategien

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Die Wiesen des Ideenreichtums

Hilfestellung: Sie regen unsere Sinne an, lassen uns über Neues nachdenken, befördern unsere Kreativität. „Hier spüren wir nicht mehr die Suche nach einer nur rationalen Ordnung, hier haben wir glückliche Gefühle, die unsere Wünsche und Ideen begleiten.“ (Reich, S. 233)

Leitfragen:Haben Sie während Ihres Studiums auch Anregungen erhalten, die Ihre Kreativität förderten bzw. forderten? Nennen/beschreiben Sie Beispiele!

Formblatt G 3.9-5 Die Wiesen des Ideenreichtums9

9 Foto: © Marion Schwabe / PIXELIO

Page 13: Lernende reflektieren ihren Lernprozess · 2014. 4. 3. · Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9 Lernstrategien NHHL 2 33 08 06 1 Lernende reflektieren ihren

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Lernstrategien

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Die Felder der Routinen

Hilfestellung: Es sind die Handlungsroutinen, die unsere Lernpraxis erleichtern. Sie bieten uns Sicherheit und gelassene Entspannung. Jedoch dürfen sie uns nicht daran hindern neue Wege zu beschreiten.

Leitfragen:Welche Routinen des Lernens kennen Sie? Wobei helfen sie Ihnen? Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass solche Routinen auch blockieren können?

Formblatt G 3.9-6 Die Felder der Routinen10

10 Foto: © Reinhold Stehle / PIXELIO

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Lernstrategien

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Die Wellen der Begeisterung

Hilfestellung: Begeisterung ist ein Urquell allen Lernens. Feuer fangen, gebannt sein usw. solche Metaphern beschreiben diesen Zustand.

Leitfragen:Gab es Momente der Begeisterung in Ihrem Studium, die aus der Begegnung mit bestimmten Inhalten oder einer bestimmten Person oder einer bestimmten Lehr- und Lernsituation resultierten? Beschreiben Sie solche Momente!

Formblatt G 3.9-7 Die Wellen der Begeisterung11

11 Foto: © Hans Peter Dehn / PIXELIO

Page 15: Lernende reflektieren ihren Lernprozess · 2014. 4. 3. · Schlüsselqualifikationen und wissenschaftliches Arbeiten G 3.9 Lernstrategien NHHL 2 33 08 06 1 Lernende reflektieren ihren

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Lernstrategien

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Die Klippen des Scheiterns

Hilfestellung: Es sind verschiedene Wirklichkeits-Konstruktionen (Erfahrungen) der Lernenden: Erfahrungen des Scheiterns, des Versagens, der Resignation, des Aufgebens usw.

Leitfragen:Haben Sie Momente des Scheiterns in Ihrem Studium erlebt? Haben Sie vor einer Aufgabe resigniert, eine Theorie als zu schwierig empfunden? Konnten Sie aus diesen Erfahrungen positive Konsequenzen für Ihr Lernen ziehen? Wenn ja, welche?

Formblatt G 3.9-8 Die Klippen des Scheiterns12

12 Foto: © Joachim Riedel / PIXELIO

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Lernstrategien

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Die Winde der Wahrnehmung

Hilfestellung: Wie der Wind ist die Wahrnehmung ein unmittelbar spürbares Ereignis, dass zum Denken, Verweilen, Unterhalten und Reflektieren anregt.

Leitfragen: Gab es in Ihrem Studium Situationen, die Sie innehalten ließen; die Sie nachdenklich gemacht haben; die Sie als Störung Ihres bisherigen Denkens und Handelns empfanden? Wenn ja, beschreiben Sie diese!

Formblatt G 3.9-9 Die Winde der Wahrnehmung13

13 Foto: © Cekora / PIXELIO