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FRILO-Magazin 2006 Friedrich + Lochner GmbH Software für Statik + Tragwerksplanung ein Unternehmen der Nemetschek Gruppe Fachthemen - Alternativen zum Modellstützenverfahren - DIN 1055: Neue Lastannahmen - Neue Holzbaunorm FRIL O MAGAZIN 2006

MAGAZIN 2006 FRIL...Geschichte der Baustatik Glas im Konstruktiven Ingenieurbau Karl Culmann und die graphische Statik Bauingenieure und ihr Werk Energieeinsparverordnung EnEV –

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    006

    Friedrich + Lochner GmbHSoftware für Statik + Tragwerksplanungein Unternehmen der Nemetschek Gruppe

    Fachthemen

    - Alternativen zum Modellstützenverfahren

    - DIN 1055: Neue Lastannahmen

    - Neue Holzbaunorm

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  • Fachliteratur für Bauingenieure

    Stahlbau-Kalender 2006 Beton-Kalender 2006Turmbauwerke -Industriebauten

    Bauphysik-Kalender 2006Beton-Kalender 2005Fertigteile -Tunnelbauwerke

    Kohlenstofffasern imKonstruktivenIngenieurbau

    Grundbau-TaschenbuchTeil 1: GeotechnischeGrundlagen

    Handbuch des Gerüstbau

    Spannbetonbauwerke

    Mauerwerk-Kalender 2006

    Holzbau-TaschenbuchWerkstoffe, Bemessung,Bauphysik

    Geschichte der Baustatik

    Glas im KonstruktivenIngenieurbau

    Karl Culmann und die graphische Statik

    Bauingenieureund ihr Werk

    EnergieeinsparverordnungEnEV – für die Praxis kommentiert

    Zeitschrift Bautechnik Zeitschrift Beton- und Stahlbetonbau

    Zeitschrift Stahlbau Zeitschrift Mauerwerk Zeitschrift Bauphysik

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    Fax-Anforderung +49(0)30/47031-240Bitte senden Sie Informationen zu den Titeln an:

    Ernst & SohnVerlag für Architektur undtechnische Wissenschaften GmbH & Co. KG

    Für Bestellungen und Kundenservice:Verlag Wiley-VCHBoschstraße 1269469 WeinheimDeutschlandTelefon: +49(0) 6201 / 606-400Telefax: +49(0) 6201 / 606-184E-Mail: [email protected]

    www.ernst-und-sohn.de

    Seite_U2_Anzeige_Ernst-u-Sohn.in1 1Seite_U2_Anzeige_Ernst-u-Sohn.in1 1 06.10.2006 11:03:0806.10.2006 11:03:08

  • FRILO-Magazin 3

    Editorial

    Eine runde Sache ...

    … ist die Erweiterung der Nemetschek Gruppe mit der Mehr-heitsbeteiligung an SCIA international.

    … ist der Aufbau einer Nemetschek Ingenieurbau Gruppe zur Bündelung aller Aktivitäten und Schaffung von neuen Möglichkeiten zum Vorteil der Anwender verschiedenster Produkte.

    … ist die Weiterentwicklung des FRILO Gebäudemodells zu einer zentralen Schaltstation innerhalb der FRILO Produkt-familie.

    Nemetschek Ingenieurbau GruppeNemetschek Ingenieurbau GruppeFriedrich+Lochner ist seit über 8 Jahren ein Unterneh-men der Nemetschek Gruppe. Zusammen mit der Firma Glaser -isb cad- und dem Nemetschek Ingenieurbau, vertre-ten durch das Produkt ALLPLAN, war die Gruppe seit Jahren ein hervorragender Partner für den Ingenieur, da fast alle Bereiche, mit denen Bauingenieure zu tun haben, sehr gut abgedeckt wurden.

    Mit der Mehrheitsbeteiligung an SCIA international wurde eine Lücke geschlossen, die im Bereich der komplexen Berech-nungsverfahren noch vorhanden war. SCIA ist als internati-onales Unternehmen in insgesamt 15 Ländern vertreten und im Bereich der „engineering software“ Marktführer in Belgien, Holland und Tschechien.

    SCIA und FRILO ergänzen sich in idealer Weise und werden in den folgenden Jahren durch eine intensive Zusammenarbeit die Leistungsfähigkeit der Berechnungssoftware weiter voran bringen.

    Das FRILO-Konzept der einfachen Einzelprogramme bleibt natürlich in vollem Umfang erhalten, die Verwendung der FRILO-Produkte als Komponenten durch die anderen Partner der Nemetschek Ingenieurbau Gruppe liefert Synergien bei der Entwicklung und der Anwendung.

    Software-ServiceSoftware-ServiceDas Konzept des Software-Service ist eine ideale Lösung sowohl für den Anwender als auch den Hersteller und erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Dabei ist besonders hervorzu-heben, dass bei Friedrich + Lochner auch die Einarbeitung neuer Normen und Normänderungen in bestehende Pro-gramme im Software-Service enthalten sind.

    Frühzeitig kann man sich mit neuen Entwicklungen ver-traut machen, ist immer auf dem aktuellen Stand bei den Normen. Die finanzielle Belastung wird durch einen angemes-senen Monatsbeitrag auf der Zeitachse verteilt.Die neuen Normen bei den Lastannahmen, dem Grundbau

    und dem Holzbau – DIN 1055, DIN 1054, DIN 1052 – sind in den Programmen von Friedrich+Lochner weitestgehend eingearbeitet und stehen den Kunden mit Software-Service-Vertrag kostenlos zur Verfügung.

    EntwicklungEntwicklungDie Entwicklung bei Friedrich+Lochner hat außer den umfang-reichen Erweiterungen der vorhandenen Programme durch die Anpassung an neue Normen auch noch einige interessante andere Projekte in Arbeit bzw. schon abgeschlossen. Ein Entwick-lungsschwerpunkt liegt auf den ebenen und räumlichen Stabwer-ken, die vollständig überarbeitet werden und in Kürze mit einem neuen Modul zur dynamischen Berechnung das vorhandene System ergänzen.

    Der Holzbau ist durch die neue Norm in vielen Bereichen kom-plexer geworden, neue Software wird erforderlich sein, wo früher der Ingenieur mit einer Überschlagsrechnung schnell zum Ergeb-nis kam. Im Bereich der Verbindungen und Verbindungsmittel ist dies besonders deutlich geworden. Ein neues Produkt zur Berech-nung von Verbindungen wird die Reihe der Holzbauprogramme als HO13 ergänzen.

    Die Entwicklung eines Moduls zur Bemessung von polygona-len Querschnitten bei zweiachsiger Biegung sowie die korrekte zweiachsige Bemessung für Querkraftbeanspruchung ergänzen die bereits umfangreichen Möglichkeiten im komplexen Umfeld der Stahlbetonbemessung.

    Das neue Verfahren des „live update“ ist seit ein paar Monaten erfolgreich im Einsatz. Jeder Anwender kann entscheiden, ob er eine automatische Versionsprüfung aktiviert oder ob er die Aktu-alisierung selbst in der Hand behalten will. Eine besondere Option ist bei diesem „live-update“ das „rollback“ zur vorherigen Version.

    Wir wünschen Ihnen allen einen erfolgreichen Abschluss des Jahres 2006 und einen guten Start in das neue Geschäftsjahr 2007.

    Ihr SoftwarepartnerFriedrich+Lochner Gmbh

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  • 4 FRILO-Magazin

    Inhalt

    InhaltEditorial 3FRILO-Service 5

    KundenprojektVerwaltungsgebäude Unternehmensgruppe Unger 6

    FachartikelAlternativen zum Modellstützenverfahren? 8Ulrich QuastMöglichkeiten und Regelungen der neuen Holzbaunorm 18Kai HaaseNeue Lastannahmen 23Kai Haase/Bert Ziems

    Die Friedrich+Lochner-SoftwareNeue Programme - Entwicklung - Kurzbeschreibungen 29Programmübersicht 30Der F+L Manager 32Building: Das FRILO Gebäudemodell 34Träger 36Stabwerke ESK/RS/TRK 37Baudynamische Untersuchungen und Nachweise mit F+L-Software 38Platten und Scheiben 40Stahlbeton 42Zusatzmodul B2: Bemessung polygonaler Querschnitte 43Brandschutz DIN 1045-1/DIN 4102-4/DIN 4102-22 48Stahlbau 50Unterschiede zwischen den Programmen ST8 und ST9 55Die Komponentenmethode 57Grundbau 59Hausdächer 62Die neue Lastnorm DIN 1055 in den Dachprogrammen 64Holzbau 66Mauerwerk 70Verbundbau 71Verschiedene F+L-Programme 72

    ProduktinformationenKERN ingenieurkonzepteBauphysik-Software DÄMMWERK 2007 75Schöck Bauteile GmbHSchöck ComBAR® 76Glaser -isb cad- Programmsysteme GmbHStatik und CAD rücken noch enger zusammen 78Stahl-3D - der neue CAD-Stahlbau Modellierer 80Bau-Software-Haus Veit Christoph GmbHHerstellerübergreifende digitale Dokumente 82

    Impressum:Das FRILO Magazin ist eine Kundenzeitschrift für Bau-statiker und Tragwerksplaner mit jährlicher Erscheinungs-weise.

    Herausgeber Friedrich + Lochner GmbH Stuttgarter Straße 36 70469 Stuttgart Tel: 0711/ 810020 Fax: 0711/858020 Email: [email protected] Online: www.frilo.de

    Redaktion, Layout, Anzeigen Technische Dokumentation

    der Friedrich+Lochner GmbH Dieter Ziegler Email: [email protected]

    Vertrieb Ingo Wagner Friedrich+Lochner GmbH Email: [email protected]

    Druck Sprint-Digital-Druck GmbH Stuttgart

    Ust.-Ident.-Nr DE 185 284 657

    Die in dieser Zeitschrift enthaltenen Beiträge sind urhe-berrechtlich geschützt. Verwertungen des Inhalts, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Genehmigung des Herausgebers bzw. der Autoren selbst.

    BildnachweisTitelbild: ZieglerWeitere Bilder: zur Verfügung gestellt von den jeweiligen Autoren der Beiträge oder separat aufgeführt. Alle anderen Bilder: Friedrich + Lochner GmbH.

    © 2006 Friedrich+Lochner GmbH

    Für eventuelle Fehler im Inhalt der Zeitschrift können wir keine Haftung übernehmen. Änderungen an den beschrie-benen Produkten liegen in der Natur der Sache.

    ISSN 1439-1015

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  • FRILO-Magazin 5

    FRILO-Service

    Veranstaltungen/Termine

    Ob Statik Infotage, Ingenieurbautage, Workshops oder Schulungen - alle FRILO-Veranstaltungen und auch die Veranstaltungen unserer Partner in der Nemetschek Ingenieurbau Gruppe können nun über unsere Homepage angezeigt werden. Auch das Anmel-den zu den einzelnen Veranstaltungen funktioniert bequem online per Maus-klick.

    SSV-Newsletter

    SSV-Kunden, die sich für den Release-Download angemeldet haben, werden automatisch per SSV-Newsletter über jedes neue Release informiert, das wir zum Download bereitstellen.

    Update-Info

    Programmänderungen und Erwei-terungen dokumentieren wir in der Update-Info, die bei jedem Programm-start automatisch eingeblendet wird (diese Funktion ist natürlich jeder-zeit an- und abschaltbar). Weiterhin können Sie die aktuellen Update-Infos für jedes Programm auf unserer Home-page ansehen (Service-Center - Down-loadbereich - Update-Info-Release).

    FRILO-Service

    Live Update

    Das Programm Durchlaufträger DLT10 verfügt als erstes FRILO-Programm über die Funktion „Live-Update“. Über diese Funktion können Sie über das Internet per Knopfdruck nach einer neuen DLT10-Version suchen und diese bei Bedarf herunterladen. Im Unterschied zum Herunterladen eines kompletten Release lädt „Live-Update“ nur die jeweilige Programmversion auf Ihren Rechner. Zusätzlich können Sie mit der Funktion „Rollback“ bei Bedarf auf die vorherige Version des Pro-grammes zurückschalten.

    Mitte 2007 werden weitere Programme mit „Live-Update“ lieferbar sein.

    Aufruf des Live-UpdateIm Programm DLT10 klicken Sie auf den Menüpunkt Hilfe, dann auf „Info über DLT10“ und auf den Button „Auf neue Versionen prüfen...“. Nach der Versionsprüfung können Sie auf denselben Button, der nun die Bezeichnung „Herunterladen und installieren...“ trägt, klicken. Folgen Sie nun den Anweisungen zur Installation.

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  • 6 FRILO-Magazin

    Kundenprojekt

    Das Verwaltungsgebäude der Unternehmensgruppe Unger in Weiden besteht aus einem Untergeschoss mit integrierter Tiefgarage, einem Erdgeschoss und drei Obergeschossen. Im Hinblick auf die Variabilität der Grundrisse war in den oberen Geschossen eine Flachdeckenkonstruktion ohne Unterzüge gefordert. Dabei wurden die sehr schlanken Stüt-zen mit hochfestem Beton hergestellt.

    Zur Berechnung des Gebäudes wurden neben dem Pro-gramm Building unter anderem die Bemessungsprogramme Platten mit finiten Elementen PLT zur Berechnung der Flach-decken und das Stahlbetonstützenprogramm B5 eingesetzt.

    Der Vorteil durch die Anwendung des Gebäudemodells bestand neben der schnellen Lastberechnung in der Ver-knüpfung von Vordimensionierung und Ausführungsstatik.

    Schal- und Bewehrungspläne wurden mit Nemetschek- Allplan gezeichnet. Dabei wurde für weite Teile der Beweh-rung der Flachdecken BAMTEC verwendet. Aufgrund dessen mussten die Stützen mit möglichst kurzer Einbindung und dadurch bedingt enger Verbügelung in die Decke konzi-piert werden, um einen möglichst reibungslosen Einbau des BAMTEC- Bewehrungsteppichs zu gewährleisten.

    Verwaltungsgebäude Unternehmensgruppe Unger

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  • FRILO-Magazin 7

    Kundenprojekt

    Das Ingenieurbüro Bodensteiner in Weiden

    Das Ingenieurbüro Bodensteiner wurde im Jahr 1961 von Dipl.-Ing. Herbert Bodensteiner gegründet und im Jahr 1992 in das Ingenieurbüro Bodensteiner + Partner umstrukturiert. Die Geschäftsführung teilen sich heute sein Sohn Arne und dessen Partner Gerd Zuleger. Der Bürogründer selbst schied im Jahre 2003 aus Altersgründen aus.Das Leistungsspektrum des Ingenieurbüros erstreckt sich speziell auf das Fachgebiet der Tragwerksplanung für den Bereich Hoch- und Tiefbau mit sämtliche Leistungsphasen und den bauphysikalischen Sonderleistungen.Um Termine zuverlässig zu überwachen und flexibel auf Bauabläufe reagieren zu können, koordinieren im Büro drei Bauingenieure, zwei Bautechniker, vier Bauzeichner und eine Sekretärin die gestellten Aufgaben.Dabei werden acht vernetzte CAD-Arbeitsplätze sowie vier Arbeitsplätze Tragwerksplanung eingesetzt.

    Ingenieurbüro Bodensteiner GBRStadtmühlweg 1992637 Weiden i. d. OPf.Tel. 0961 / 48197-0 Fax 0961 / [email protected]

    Am vorgestellten Projekt waren die ArchitekturbürosRicci Architekten AGRhonesandstrasse 7CH-3900 Brig

    undKreatives Bau ZentrumGesellschaft für Hochbau und IngenieurbauUnterer Markt 1892637 Weiden

    beteiligt.

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  • 8 FRILO-Magazin

    Fachthema Stützenberechnung

    Alternativen zum Modellstützenverfahren?

    Ulrich Quast

    1 Einleitung

    Das nichtlineare Tragverhalten schlanker Druckglieder ist durch viele Versuche und rechnerisch-theoretische Unter-suchungen erforscht. Die Berechnungsgrundlagen sind in technischen Regelwerken anwendungsgerecht genormt [1, 2]. Ob auch vereinfachte Verfahren genormt sein sollen, kann unterschiedlich beurteilt werden. Verbesserte Verfahren können sich gegen genormte Verfahren kaum durchsetzen. Stützen werden in der Ingenieurpraxis fast ausschließlich mit kommerziellen Programmen bemessen. Solche Programme können sich hinsichtlich der Rechenver-fahren unterscheiden. Die Schnittgrößenberechnung kann nach einem nichtlinearen Verfahren ohne Vereinfachungen erfolgen oder es werden vereinfachte Nachweisverfahren angewendet, beispielsweise das Modellstützenverfahren. Für die Anwender ist dies weniger von Interesse. Allein entschei-dend ist für sie häufig nur noch, dass die nach der Norm erforderliche Bewehrung bequem und richtig ermittelt wird.

    Ohne Programmunterstützung und mit grafischen Bemessungshilfsmitteln werden Nachweise nach dem Modellstützenverfahren wohl nur in der Lehre und in Lehrbüchern geführt. Für das Verstehen mancher Zusam-menhänge sind solche Berechnungen sehr förderlich. Dass Vereinfachungen mehr oder weniger große Abweichungen bedingen, sollte nicht verwundern [3]. Kleine Abwei-

    chungen bezüglich der zulässigen Beanspruchung können erheblich größere Abweichungen bezüglich der erforderlichen Bewehrung bedeuten. Die Grundlagen der nichtlinearen Berechnungsverfahren für Stahl- oder Spannbeton werden weder in Mechanik- noch in Statikvorlesungen vermittelt. Nicht selten wenden sich Interessierte an den Autor, um Hin-weise auf grundlegende Algorithmen zum nichtlinearen Berechnen von Druckgliedern zu erfragen [4].

    Die im Bild 1 mit den Bemessungswerten der Einwir-kungen gezeigte Stütze wurde ohne Vereinfachung nichtli-near berechnet. Ihre Tragfähigkeit ist mit der Bewehrung in Bild 9 ausreichend groß. Die Ergebnisse werden im Abschnitt 3 erläutert. Zunächst wird im Abschnitt 2 die Bemessung nach dem Modellstützenverfahren gezeigt, das bei diesem Beispiel besonders große Unterschiede gegenüber einer nicht vereinfachten Berechnung ergibt. Nachfolgend wird dann auf die alternative Berechnung von Einzelstützen nach Theorie 2. Ordnung mit Ersatzbiegesteifigkeiten nach Eurocode 2, 5.8.7, eingegangen und eine alternative Stützenbemessung durch Bemessung des maßgebenden Querschnitts mit einem erweiterten Bemessungsverfahren erläutert.

    2 Bemessung nach dem Modellstützenverfahren

    Das Modellstützenverfahren nach DIN 1045-1, 8.6.5, ist nicht für schiefe Biegung vorgesehen. Hier soll die Bemes-sung lediglich informativ für die Biegung allein um die y-Achse und für die Biegung allein um die z-Achse erfolgen. Auf die Voraussetzungen für getrennte Nachweise nach DIN 1045-1, 8.6.6, wird nicht eingegangen. Sie bleiben unbeachtet, weil hier lediglich die ungefähren Unterschiede bezüglich der erforderlichen Bewehrungsmenge gegenüber einer nicht vereinfachten Berechnung aufgezeigt werden sollen. Die in den Bildern 3 und 4 gezeigten Ergebnisse wurden mit den Spannungs-Dehnungs-Linien im Bild 2 mit dem Mathematikprogramm EULER, © René Grothmann, berechnet, das dem Programm MatLab ähnlich ist [4].

    Die Längskraft NEd = -1780 kN ist betragsmäßig nur gering-fügig größer als Nbal = -0,4 · 0,85 · 50000 / 1,5 · 0,3 · 0,5 = -1700 kN. Der Beiwert nach DIN 1045-1 (40) ist K2 = 0,98. Mit der Schiefstellung gemäß (4), αa1 = 0,01 · hges-1/2 = 1/224, und der zusätzlichen Lastausmitte aus der Verformung nach Theorie 2. Ordnung entsprechend (38), e2 = 0,1 · l0

    2 / 207 / (0,5 - 0,052) = 0,1078 m, wird der Bemessungswert des Biegemoments My,totd = 30 + 45 · 5 + 1780 (5,0 / 224 + K2 · 0,1078) = 482,91 kNm.

    Bild 1 Stützensystem, Bemessungswerte

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  • FRILO-Magazin 9

    Fachthema Stützenberechnung

    Die vorhandene Bewehrung aus 10 Ø 25 = 49,09 cm2 ist nach der nichtlinearen Berechnung für die sich auch seitlich in y-Richtung verschiebende Stütze ohne große Reserven ausreichend. Für Biegung allein um die y-Achse erfordert die Bemessung nach dem Modellstützenverfahren nur die 0,679-fache vorhandene Bewehrung.

    Das Bemessungsmoment für Biegung allein um die z-Achse entsteht aus der Schiefstellung und aus der zusätz-lichen Lastausmitte infolge der Verformung nach Theorie 2. Ordnung. Es wird Mz,totd = 1780 (5,00 / 224 + 0,1 K2 · l0

    2 / 207 / (0,3 – 0,052)) = 381,94 kNm. Die erforderliche Beweh-rung ergibt sich nach Bild 4 als 1,630-fache vorhandene Bewehrung. Auf der unsicheren Seite liegend wurde zur Ver-einfachung sogar auf das Ansetzen einer verringerten Breite hred nach DIN 1045-1 (43) verzichtet.

    3 Stützenberechnung nach Theorie 2. Ordnung

    3.1 Verkrümmung und ErsatzbiegesteifigkeitBereits mit DIN 1045:1972-01 wurde die baustoff- und systembedingt nichtlineare Berechnung nach Theorie 2. Ordnung für den Stabilitätsnachweis schlanker Druckglieder eingeführt. Es erwies sich als geeigneter, die Verkrümmung nicht in der bis dahin ausschließlich verwendeten Defini-tion, k = 1 / r = M / EI, zu verstehen, sondern sich an die ursprüngliche Definition, k = 1 / r = dε / dz, zu erinnern. Die für die Verformungen benötigten Verkrümmungen k werden also nicht aus Querschnittswerten berechnet son-dern unmittelbar aus den Verzerrungen des Querschnitts. Bei zweiachsiger Beanspruchung müssen die Verzerrungen {ε0, ky, kz} des Querschnitts iterativ so ermittelt werden, dass die inneren Schnittgrößen R = {NR, My,R, Mz,R}

    Bild 2 Bemessungswerte der Spannungs-Dehnungs-Linie SDL2 für Beton C 50/60 und für Be-tonstahl BSt 500 zur Berechnung der Quer-schnittstragfähigkeit und zur Querschnittsbe-messung.

    Bild 3 Bemessung für Biegung allein um die y-Achse.

    Bild 4 Bemessung für Biegung um die z-Achse.

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  • 10 FRILO-Magazin

    Fachthema Stützenberechnung

    als Spannungsresultanten der zur Dehnungsebene ε(y, z) = ε0 + ky · y + kz · z gehörenden Spannungen σ(y, z) = f [ε(y, z)] mit den Einwirkungen E = {NE, My,E, Mz,E} im Gleichgewicht stehen [4]. Die Bezeichnung der Zustands-größen ist aus Bild 5 zu ersehen.

    Bei einachsiger Biegung und normgemäßen Span-nungs-Dehnungs-Linien hat sich ein einfacheres Vorgehen bewährt. Die beanspruchungsbedingte Steifigkeitsabnahme aller Querschnitte eines Druckstabes mit konstanter Längs-kraft NE und einheitlich bewehrtem Querschnitt kann durch eine einzige nichtlineare Moment-Verkrümmungs-Linie veranschaulicht werden. Für eine gewisse Anzahl von Ver-krümmungswerten k werden zum Beispiel die Dehnungen ε0 im Bezugspunkt der Schnittgrößen iterativ so ermittelt, dass die zum Dehnungszustand ε(z) = ε0 + k · z gehörende Spannungsresultante NR gleich der einwirkenden Längskraft NE ist. Die zum Dehnungszustand gehörende Spannungsre-sultante MR ergibt dann mit dem Verkrümmungswert k ein Wertepaar der gesuchten M-k-Linie.

    Manchmal wird angesichts der verbreiteten FEM-Anwen-dung gemeint, M-k-Linien seien nicht mehr „zeitgemäß“. Solange Stabwerke mit der Bernoulli-Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte berechnet werden, können die Spannungsresultanten R durch Integration der Span-nungen gebildet werden. Dies wird immer „zeitgemäß“ sein, und auch in FEM-Programmen wird es grundsätzlich nicht anders gemacht. In der nichtlinearen Berechnung werden die Verkrümmungen k(M) bei Vermeidung unnötiger Iterati-onen unmittelbar aus den Wertepaaren M und k der M-k-Linie interpoliert. Besonders effizient sind nichtlineare Stab-werksberechnungen außerdem dann, wenn sie stabweise durch numerisches Lösen des Systems der Differentialglei-chungen oder nach dem Übertragungsverfahren erfolgen, weil die Anzahl der iterativ zu ermittelnden unbekannten Verschiebungsgrößen der Knoten minimal ist [4, 5, 6, 7, 8].

    Weil in Mechanik- und Statikvorlesungen nur die Grund-lagen der linearen Elastizitätstheorie oder der Fließgelenk-theorie gelehrt werden, verwundern Versuche nicht, das baustoffbedingte nichtlinear elastische Verhalten durch Ersatzbiegesteifigkeiten erfassen zu wollen [2]. Alle Berech-nungsverfahren der linearen Elastizitätstheorie könnten weiterhin angewendet werden. Das wäre von sehr großem Vorteil. Um befriedigende Ergebnisse zu erhalten, muss die Ersatzbiegesteifigkeit allerdings in Abhängigkeit der Bewehrung definiert werden. Dies ist für Bemessungsauf-gaben von sehr großem Nachteil. Die Bewehrung kann nur iterativ bestimmt werden. Mit Programmunterstützung bemerkt der Anwender diesen Nachteil nicht unmittel-bar. Mit Programmunterstützung stört ihn aber auch eine nichtlineare Berechnung ohne Vereinfachung nicht. Nach DIN 1045-1:2001-07 werden Ersatzbiegesteifigkeiten nur für Nachweise am Gesamttragwerk für sinnvoll gehalten [9]. Dies entspricht DIN 1045:1972-01. Im Unterschied hierzu gibt Eurocode 2 auch Ersatzbiegesteifigkeiten für Berechnungen von Einzeldruckgliedern nach Theorie 2. Ordnung an. Können solche Berechnungen eine Alternative zum Modellstützenverfahren sein, das bekanntlich bei sehr schlanken Druckgliedern mit kleinen bezogenen Lastaus-mitten, wie auch im Abschnitt 2 gezeigt, sehr unwirtschaft-liche Ergebnisse liefert [3]? Diese Frage wird im Abschnitt 4 beantwortet.

    3.2 Nichtlineare Berechnung mit zweiachsiger Biegung

    In der nichtlinearen Berechnung wird die Wirkung der Imperfektion gemäß DIN 1045-1, 8.6.4 (1), in ungünstigs-ter Richtung berücksichtigt. Die ungünstigste Richtung, die Richtung des kleinsten Verformungswiderstandes, ist die y-Richtung. Die Schiefstellung wird durch die Drehung ϕz = αa1 = 0,01 · 5,00-1/2 = 1 / 224 des Stützenfußes um

    Bild 5 Bezeichnungen des zweiachsig beanspruchten Stabes.

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  • FRILO-Magazin 11

    Fachthema Stützenberechnung

    die z-Achse berücksichtigt, wie im Bild 1 gezeigt. Die Span-nungs-Dehnungs-Linien zur Berechnung der Schnittgrößen und Verformungen sind im Bild 6 dargestellt.

    Um die unterschiedlich großen Zustandsgrößen gemein-sam darstellen zu können, werden in den Bildern 7 und 8 die auf ihre jeweiligen Größtwerte bezogenen Werte gezeigt. Die Zustandsgrößen gehören zu einem stabilen Gleichgewichtszustand. Die Determinante der Jacobimatrix zur Berechnung der vier unbekannten Anfangswerte, der Stützgrößen am Stützenfuß, Hy = 0 kN, Hz = -45 kN, My = 319,83 kNm und Mz = 139,66 kNm, ist positiv, D = 0,029196. Sie ist gegenüber D = 0,33015 bei Ansetzen der ideellen Steifigkeiten nach der linearen Elastizitätsthe-orie auf 9 % abgefallen. Dies deutet auf ein Versagen durch Stabilitätsverlust infolge beanspruchungsbedingter Stei-

    figkeitsabnahme bei Erreichen von D = 0 hin [3, 5, 12]. Ein zweiter, instabiler Gleichgewichtszustand mit D = -0,02812 ergibt sich für die nur wenig größeren Stützmomente My = 323,95 kNm und Mz = 159,33 kNm. Die zulässige Stüt-zenbeanspruchung kann praktisch als ausgenutzt angesehen werden.

    Bei Ansetzen der ideellen Steifigkeiten nach der linearen Elastizitätstheorie ohne Berücksichtigung der beanspruchungsbedingten Steifigkeitsminderung sind My = 299,78 kNm und Mz = 76,69 kNm. My vergrößert sich nur um den Faktor 1,067, Mz aber um den Faktor 1,821. Dass die Verkrümmungen k wegen des Aufreißens nicht mehr proportional zu den Momenten M sind, ist aus dem Verlauf von ky und kz gegenüber My und Mz zu ersehen. Entspre-chend nehmen die Sekanten-Biegesteifigkeiten EI = M / k

    Bild 6 Bemessungswerte der Spannungs-Dehnungs-Linie SDL1 für Beton C 50/60 und für Betonstahl BSt 500 zur nichtlinearen Schnittgrößenermittlung und Verformungsberech-nung. Die Spannungs-Dehnungs-Linie SDL2 aus Bild 2 ist zum Vergleich in grau eingetragen.

    Bild 7 Zustandsgrößen der Stütze infolge Biegung um die y-Achse.

    Bild 8 Zustandsgrößen der Stütze infolge Biegung um die z-Achse.

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  • 12 FRILO-Magazin

    Fachthema Stützenberechnung

    im Bereich größerer Momente auf ungefähr 2/3 ab. Für die Biegung um die z-Achse wird mit den Werten aus Bild 8 EIz,x=0 / EIz,max = Mz / -kz / EIz,max = 140 / 0,00688 / 316000 = 0,64. Der Dehnungszustand des Einspannquerschnitts im sta-bilen Gleichgewichtszustand ist im Bild 9 dargestellt. Kein Bewehrungsstab hat den Fließzustand |εyd| ≥ 2,174 mm/m erreicht. Das wäre auch für die etwas größeren Schnittgrö-ßen im instabilen Gleichgewichtszustand so.

    Im Bild 10 wird das Ergebnis für die berechnete Sicher-heit gegenüber Erreichen des Grenzzustandes der Quer-schnittstragfähigkeit für N = NEd veranschaulicht. Sie ist mit γ = Ru (My,u, Mz,u ) / E (My,Ed, Mz,Ed ) = {1,134; 1,134} ≥ 1 größer als gefordert. Die zur Berechnung der Querschnitt-stragfähigkeit verwendeten Spannungs-Dehnungs-Linien sind im Bild 2 dargestellt. Wird die Sicherheit auf alle drei Schnittgrößen bezogen, dann ergibt sich γ = 1,121.

    Zur Kontrolle der Ergebnisse in den Bildern 7 und 8 werden die Integrationsbeiwerte Krz und Kry zur Berechnung der Stützenverformungen aus den Verkrümmungen und die Einspannmomente berechnet. Biegung um die y-Achse:

    ky = 4,55 · 10-3 1/m

    wz = -3,64 · 10-2 m

    ez,a = 0

    Krz = (-wz – ez,a) / l0z2 / kz = 0,0364 / 10,02 / 0,00455

    = 1 / 12,50 My,0 = 30 + 45 · 5,0 = 255 kNmMy,a = -Nd · ez,a = -1780 · 0 = 0 kNm (1)My,2 = -Nd · Krz · kz · l0z

    2 = 1780 / 12,50 · 0,00455 · 10,02 = 64,8 kNm (2)

    My,tot= 255 + 0 + 64,8 = 319.8 kNm

    Biegung um die z-Achse:kz = -6,88 · 10

    -3 1/mwy = 7,85 · 10

    -2 mey,a = ϕz · lcol = 1 / 224 · 5,0 = 0,0224 mKry = (-wy – ey,a) / l0y

    2 / ky = (0,0785 – 0,0224) / 10,02 / 0,00688 = 1 / 12,26 Mz,0 = 0 = 0 kNmMz,a = -Nd · ey,a = -1780 · 0,0224 = 39,8 kNm (3)Mz,2 = -Nd · Kry · ky · l0y

    2 = 1780 / 12,26 · 0,00688 · 10,02 = 99,9 kNm (4)

    Mz,tot = 0 + 39,8 + 99,9 = 139,7 kNm

    Die kontrollierten Gesamtmomente My,tot und Mz,tot stimmen mit den in den Bildern 7 bis 10 angegebenen Momenten überein.

    Bild 9 Dehnungen im Einspannquer-schnitt der Stütze im Zustand nahe des Stabilitätsver-sagens.

    Bild 10 Sicherheit der Stüt-ze gegen Erreichen des Grenzzustandes der Querschnitts-tragfähigkeit Ru(NEd = const) im Zustand nahe des Stabilitätsversa-gens.

    Quast_2006.indd 5Quast_2006.indd 5 06.10.2006 11:07:5106.10.2006 11:07:51

  • FRILO-Magazin 13

    Fachthema Stützenberechnung

    4 Berechnung mit Ersatzbiegesteifigkeiten nach Eurocode 2

    Die Berechnung nach Theorie 2. Ordnung besteht darin, den Bemessungswert des einwirkenden Moments M0d, das nach Eurocode 2 gegebenenfalls auch die Auswirkung von Imperfektionen enthält, nach Glei-chung (5.28) entsprechend bekannten Ansätzen aus der Elastizitätstheorie zu vergrößern. Hier sind die beiden Momente My,0d = 30 + 45 · 5,0 = 255 kNm und Mz,0d = 1780 · 0,0224 = 39,87 kNm zu vergrößern.

    M MK

    N Nd dr

    B d

    = +−

    LNMM

    OQPP0

    2

    11

    π/b g EC2 (5.28)

    Die Knicklast NB wird mit der Ersatzbiegesteifigkeit EI = Kc EcdIc + EsIs nach Gleichung (5.21) berechnet. Für den Beiwert Kc gilt:

    K

    f MPaN

    A fc

    ckd

    c cd

    ef

    =

    FHG

    IKJ

    +

    [ ]/ min . ;20 0 2170

    1

    λ

    ϕb g EC2 (5.23, 5.24)

    In y-Richtung ist λ = 120,5 · 10,00 / 0,30 = 115. Ohne Kriechen, ϕef = 0, wird Kc = 0,32 und mit EcdIc = 9,5 · 10

    6 · (50+8)1/3 / 1,5 · 0,303 · 0,50 / 12 = 27580 kNm2 wird die Ersatzbiegesteifigkeit EIz = 0,32 · 27580 + 6350 = 15180 kNm

    2 und die Knicklast NB = 15180 · π2 / 10,02 = 1498 kN. Der Betrag der Knicklast NB ist in diesem Beispiel kleiner als der Betrag der Stüt-zenlängskraft Nd = -1780 kN. Deshalb kann dieses Beispiel nicht nach diesem Verfahren mit der Ersatzbiegesteifigkeit berechnet werden. Nach (5.28) wird das Gesamtmoment negativ, Mz,d = - 4,22 Mz,0d. Die Berechnung muss an dieser Stelle abgebrochen werden. Die Berechnung in z-Richtung erübrigt sich. Zur Information wird die Abminderung der Biegesteifigkeit EIz in Bezug auf die ideelle Biegesteifigkeit EcdIc + EsIs angegeben. Sie ist 15180 / (27580 + 6350) = 0,45.

    Für sehr schlanke Einzeldruckglieder ist die Berech-nung mit Ersatzbiegesteifigkeiten nach Eurocode 2 offen-sichtlich keine Alternative zum Modellstützenverfahren. Der Abminderungsbeiwert Kc = 0,32 ist hier zu klein. Mit EsIs = 6350 kNm

    2 ist er hier mit den Werten aus Bild 8 Kc,x=0 = (140/0,00688 – 6350) / (31600 – 6350) = 0,55.

    5 Die Stützenberechnung als Querschnittsbemessung

    Der wesentliche Vorteil des Modellstützenverfahrens ist, dass es die Stützenberechnung nach Theorie 2. Ordnung in eine Bemessung des am meisten beanspruchten Quer-schnitts überführt. Die Bemessungswerte der einzelnen Einwirkungen können einzeln ermittelt und superponiert werden. Bemessungsformeln für symmetrisch bewehrte Rechteckquerschnitte mit Längskräften im Zugbruchbereich, |Nd| ≤ Nbal , machen grafische Bemessungshilfsmittel ent-behrlich [3, 10, 11].

    Allgemein formulierte Algorithmen zur Querschnitts-bemessung gelten auch für beliebige Spannungs-Deh-nungs-Linien und Grenzdehnungswerte, nicht nur für die Spannungs-Dehnungs-Linie SDL2 im Bild 2 und mit üblicherweise εcu = -3,5 mm/m für Betonfestigkeitsklas-sen bis C 50/60 oder mit εsu = 25 mm/m. Weil der Verlust des stabilen Gleichgewichts schlanker Einzeldruckglieder häufig bei Erreichen des Fließzustandes in der Bewehrung eintritt, ist es sinnvoll, den Grenzdehnungswert εyd für die Zugbewehrung oder -εyd für die Druckbewehrung vorgeben zu können. Um auch für Stabilitätsversagen vor Erreichen des Fließzustandes bemessen zu können, wie es in diesem Beispiel auftritt, muss es möglich sein, auch noch kleinere Beträge für die Grenzdehnungswerte vorzugeben. Dies wurde für die in Tabelle 1 aufgeführten Ergebnisse gemacht. Es ist zu ersehen, dass die Bewehrungsfaktoren As,erf / As,vorh mit betragsmäßig abnehmenden Grenzdehnungen zunächst ebenfalls abnehmen, einen Minimalwert erreichen und danach wieder ansteigen. Zunächst ist die Verkleinerung der Verkrümmung maßgebend, was zu kleineren Momenten nach Theorie 2. Ordnung führt, bis schließlich die Verkleine-rung der aufnehmbaren Momente maßgebend wird.

    Bei programmgestützter Querschnittsbemessung wird die Dehnungsebene mit den Verkrümmungen ky und kz iterativ ermittelt [4]. Mit Vorgabe geeigneter Werte für die Beiwerte Kry und Krz kann die Berechnung der zusätzlichen Momente entsprechend den Gleichungen (1) bis (4) in den Bemes-sungsalgorithmus eingefügt werden. Wenn Verformungen einer Richtung ausgeschlossen werden sollen, ist die Ersatz-länge l0y oder l0z = 0 zu definieren; hier ist l0y = l0z = 10 m. Mit ey,a oder ez,a > 0 wird festgelegt, welches die ungüns-tigste Richtung für das Wirksamwerden der Imperfektion sein soll; hier ist ey,a = 0,0224 m.

    Das Ergebnis der alternativen Querschnittsbemessung mit der Spannungs-Dehnungs-Linie SDL2 nach Bild 2, dem Inte-grationsbeiwert Kr = Kry = Krz = 1/10 und der für die Beweh-rung vorgegebenen Grenzdehnung εsu = -1,709 mm/m ist

    Quast_2006.indd 6Quast_2006.indd 6 06.10.2006 11:07:5106.10.2006 11:07:51

  • 14 FRILO-Magazin

    Fachthema Stützenberechnung

    aus Bild 11 zu ersehen. Es ist die 1,653-fache Fläche der vorgegebenen und ausreichend großen Bewehrung aus 10 Ø 25 erforderlich.Zur Kontrolle wird die betragsmäßig größte Betondehnung εc2 in der Druckzone aus der im Bild 11 angegebenen Deh-nungsebene,

    ε(y, z) = ε0 + ky · z + kz · y = -0,222 + 3,828 z – 7,443 y bestimmt.

    Es wird wie in Bild 11εc2 = -0,222 + 3,828 · (-0,25) – 7,443 · 0,15

    = -2,295 mm/m.Die Kontrolle der Momente ergibt in Übereinstimmung mit Bild 11:

    My,tot = My,0 + My,a + My,2 = 255 + 0 + 1780 · 1/10 · 10,02 · 3,828 / 1000 = 255 + 0 + 68,1 = 323,1 kNm undMz,tot = Mz,0 + Mz,a + Mz,2 = 0 + 1780 / 224 · 5,0

    + 1780 · 1/10 · 10,02 · 7,443 / 1000 = 0 + 39,8 + 132,5 = 172,3 kNm.

    Weil der Verlauf der Verkrümmung hier in guter Nähe-rung dreieckförmig ist, wie dies auch aus den Bildern 7 und 8 zu ersehen ist, wird die erweiterte Querschnittsbemessung auch mit dem Integrationsbeiwert Kr = 1/12 durchgeführt. Die kleinste Bewehrungsmenge ergibt sich für die Grenz-dehnung εsu = -1,902 mm/m als 1,289-fache vorhandene Bewehrungsmenge. Das Ergebnis ist aus Bild 12 zu ersehen.

    Weil die Betonranddehnungen in den Bildern 11 und 12 mit -2,295 und -2,549 mm/m betragsmäßig deutlich kleiner als der zulässige Wert von -3,5 mm/m sind und das Aus-nutzen der Querschnittstragfähigkeit offensichtlich nicht maßgebend ist, wird die erweiterte Querschnittsbemessung auch für die Spannungs-Dehnungs-Linie SDL1 nach Bild 6 mit dem Integrationsbeiwert Kr = 1/12 entsprechend Bild 13 gezeigt. Es ist die 1,038fache vorhandene Bewehrung erfor-derlich. Dieses Ergebnis ist sehr zufriedenstellend.

    Im Bild 14 wird das Ergebnis für die berechnete Sicher-heit gegenüber Erreichen des Grenzzustandes der Quer-

    SDL1, Bild 6 SDL2, Bild 2

    Grenzdehnungεlim in mm/m

    Integrationsbeiwerte Kr = Kry = Krz1/12 1/10 1/12 1/10

    εc = εcu = -3,5 1,27 1,75 1,46 1,93εs = εyd = 2,174 1,18 1,61 1,44 1,88εs = -εyd = -2,174 1,09 1,54 1,32 1,76εs = -2,00 1,05 1,46 1,29 1,70-1,90 1,04 1,43 1,29 1,68

    -1,80 1,04 1,41 1,29 1,66

    -1,70 1,06 1,40 1,31 1,65

    -1,60 1,10 1,42 1,34 1,66

    -1,50 1,15 1,45 1,38 1,69

    Tabelle 1: Bewehrungen As,erf / As,vorh bei Bemessungen mit unterschiedlichen Spannungs-Dehnungs-Linien, Integra-tionsbeiwerten Kr und Grenzdehnungen εcu oder εsu

    Bild 11: Querschnittsbemessung mit vereinfachter Berechnung der Verformung nach Theorie 2. Ordnung, Spannungs-Deh-nungs-Linie SDL2 nach Bild 2 und Integrationsbeiwert Kr = 1/10. Vorgegeben wurden die planmäßigen Momente My,0 = 30 + 45 · 5,0 = 255 kNm und Mz,0 = 0 kNm.

    Quast_2006.indd 7Quast_2006.indd 7 06.10.2006 11:07:5106.10.2006 11:07:51

  • FRILO-Magazin 15

    Fachthema Stützenberechnung

    schnittstragfähigkeit für N = NEd veranschaulicht. Sie ist mit γ = Ru (My,u, Mz,u ) / E (My,Ed, Mz,Ed ) = {1,107, 1,107} ≥ 1 größer als gefordert. Die zur Berechnung der Querschnitt-stragfähigkeit verwendeten Spannungs-Dehnungs-Linien sind im Bild 2 dargestellt.

    Das hier beschriebene Verfahren entspricht Eurocode 2, 5.8.6 (6), wonach in einer nichtlinearen Berechnung die Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbedingungen verein-facht nur im maßgebenden Querschnitt erfüllt werden und ein geeigneter Verlauf der Verkrümmungen angenommen wird, beispielsweise den Momenten nach Theorie 1. Ordnung ähnlich oder auch in geeigneter Weise anders vereinfacht. Der Unterschied zum Modellstützenverfahren besteht darin, dass bei diesem Verfahren nicht nur die Gleichgewichts-bedingung sondern auch die Verträglichkeitsbedingung im Bemessungsquerschnitt erfüllt wird.

    Die praktische Anwendung dieses Verfahrens setzt Kennt-nisse über das Tragverhalten schlanker Druckglieder voraus und macht auch das Mitdenken nicht entbehrlich, um immer richtige und gute Ergebnisse zu erhalten. Die Wahl des Integrationsbeiwertes Kr ist knifflig und entscheidend.

    Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, dass er bei der hier berechne-ten sehr schlanken Stütze einen bedeutenden Einfluss hat. Ungefähre Angaben für unterschiedliche Stützenschlank-heiten l / h und unterschiedliche Verhältnisse von Horizontal und Vertikallast H / V sind für die auskragende Stütze im Bild 15 dargestellt.

    Wird mit der Spannungs-Dehnungs-Linie SDL2, dem Parabel-Rechteck-Diagramm, bemessen, dann ist die zusätz-liche Bestimmung der Sicherheit gegen Erreichen der Quer-schnittstragfähigkeit nicht erforderlich, weil der zulässige Grenzdehnungszustand nicht ausgenutzt wird. Ob aber das Ergebnis wegen der 1,29-fachen erforderliche Bewehrung befriedigt, kann unterschiedlich beurteilt werden.

    Die erweiterte Querschnittsbemessung ist programmun-terstützt wenig aufwendig. Sie erfordert es nicht, zur Ver-einfachung getrennte Nachweise mit Verformungen jeweils nur in Richtung einer der beiden Hauptachsen und gege-benenfalls mit reduzierten Querschnittsabmessungen zu führen. Der im Druckbruchbereich von der zunächst unbe-kannten Bewehrung abhängende Beiwert K2 = f [Nud (As)] nach DIN 1045-1 (40) wird auch nicht benötigt. Dies sind

    Bild 12: Querschnittsbemessung mit vereinfachter Berechnung der Verformung nach Theorie 2. Ordnung, Spannungs-Deh-nungs-Linie SDL2 nach Bild 2 und Integrationsbeiwert Kr = 1/12. Vorgegeben wurden die planmäßigen Momente My,0 = 30 + 45 · 5,0 = 255 kNm und Mz,0 = 0 kNm.

    Bild 13: Querschnittsbemessung mit vereinfachter Berechnung der Verformung nach Theorie 2. Ordnung, Spannungs-Deh-nungs-Linie SDL1 nach Bild 6 und Integrationsbeiwert Kr = 1/12. Vorgegeben wurden die planmäßigen Momente My,0 = 30 + 45 · 5,0 = 255 kNm und Mz,0 = 0 kNm.

    Quast_2006.indd 8Quast_2006.indd 8 06.10.2006 11:07:5106.10.2006 11:07:51

  • 16 FRILO-Magazin

    Fachthema Stützenberechnung

    Vorteile dieses Verfahrens. Man erhält das Ergebnis im Bildschirmdialog auf Tastendruck. Die Rechenzeit beträgt für eine Bemessung mit vorgegebener Grenzdehnung oder für eine Berechnung des Dehnungszustandes oder einer Sicherheit ein bis zwei Zehntelsekunden. Die nichtlinear elastische Berechnung des zweiachsig ausmittig gedrückten Stabes in 3.2 nach Theorie 2. Ordnung dauert zweihundert bis dreihundertmal länger. Dies folgt aus den ungefähr 8 bis 10 Gesamtiterationen und wegen der 32 gewählten Schnitte längs der x-Achse. Die Stützenberechnung nach Theorie 2. Ordnung mit konstanten Biegesteifigkeiten erfordert keine Iterationen und dauert auch nur zwei bis drei Zehntelsekun-den.

    Ob die erweiterte Querschnittsbemessung eine Alterna-tive zu einer programmunterstützten nichtlinearen Berech-nung ohne Vereinfachung ist, hängt von der Beurteilung des Anwenders ab.

    6 ZusammenfassungDie nichtlineare Berechnung von Einzelstützen nach Theorie 2. Ordnung mit Ersatzbiegesteifigkeiten nach Eurocode 2, 5.8.7.2, kann nicht für sehr schlanke Stützen durchgeführt werden. Sie ist in diesem Bereich keine Alternative zum Modellstützenverfahren. Sie versagt beispielsweise für das hier behandelte Beispiel einer auskragenden 5 m langen Stütze mit dem Querschnitt b / h = 30 / 50 cm, weil die mit der Ersatzbiegesteifigkeit berechnete Knicklast betragsmä-ßig kleiner als die Stützenlängskraft ist.

    Bild 16 zeigt, dass die Abminderungsbeiwerte für die Ersatzbiegesteifigkeiten zwischen 0,2 und 0,8 variieren. Sie können mit einfachen Formeln nicht zutreffend erfasst werden. Dies ist keine neue Erkenntnis. Das Bild 16 ist der Dissertation [14, S. 117] entnommen und war auch schon 1967 auf dem Deutschen Betontag gezeigt worden [13].

    Die hier gezeigte erweiterte Querschnittsbemessung mit kleineren Grenzdehnungen und mit den zusätzlichen Momenten aus vereinfacht berechneten Stützenverfor-mungen erfüllt die Gleichgewichts- und Verträglichkeitsbe-dingungen nur im maßgebenden Querschnitt, wie dies im Eurocode 2, 5.8.6 (6), zur Vereinfachung einer nichtlinearen Berechnung vorgesehen ist. Nicht so informativ wie diese Alternative aber bequemer ist und bleibt die Bemessung schlanker Druckglieder mit kommerziellen Programmen, weil sie beim Anwender so gut wie keine speziellen Kennt-nisse über das Tragverhalten schlanker Druckglieder vor-aussetzen. Das ist einerseits bequem und andererseits aber auch schade, weil es nicht zur Gewinnung grundlegender Erkenntnissen und nicht zur Wissensvermehrung beiträgt.

    Bild 14: Sicherheit der Stütze gegen Erreichen des Grenzzustandes der Querschnittstragfähigkeit Ru(NEd = const) mit der 1,038-fachen Bewehrung entsprechend der vereinfachten Bemessung.

    Bild 15: Verkrümmungsdiagramme und Integrationsbeiwerte Kr

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  • FRILO-Magazin 17

    Fachthema Stützenberechnung

    Literatur

    [1] DIN 1045-1:2001-07, Tragwerke aus Beton, Stahlbe-ton und Spannbeton. Teil 1: Bemessung und Kons-truktion. Normenausschuss Bauwesen (NABau) im Deutschen Institut für Normung e. V.

    [2] DIN EN 1992-1-1:2005-10, Eurocode 2: Bemessung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbeton-tragwerken. Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau. Normenausschuss Bau-wesen (NABau) im Deutschen Institut für Normung e. V.

    [3] Quast, U.: Stützenbemessung. Beton-Kalender 2004, Bd. 2, 375-448. Berlin: Ernst & Sohn, 2004.

    [4] Quast, U.: Elementare Stahlbetonberechnungen mit Euler, Gauß und Broyden. Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), H. 10, 536-543.

    [5] Quast, U.: Nichtlineare Stabwerksstatik mit dem Weggrößenverfahren. Beton- und Stahlbetonbau 100 (2005), H. 8, 728-734.

    [6] Ehrigsen, O.: Ein allgemeines Berechnungsverfah-ren für Stäbe und seine Anwendung auf Stäbe des Massivbaus. Dissertation TU Hamburg-Harburg, 2003. Göttingen: Cuvillier, 2003. ISBN 3-89873-755-1.

    [7] Pfeiffer, U. und Quast, U.: Nichtlineares Berechnen stabförmiger Bauteile. Beton- und Stahlbetonbau 98 (2003), H. 9, 529-538,

    [8] Pfeiffer, U.: Die nichtlineare Berechnung ebener Rahmen aus Stahl- oder Spannbeton mit Berücksich-tigung der durch das Aufreißen bedingten Achsen-dehnung. Dissertation TU Hamburg-Harburg, 2004. Göttingen: Cuvillier, 2004. ISBN 3-86537-298-8.

    [9] Erläuterungen zu DIN 1045-1:2003-09, Heft 525, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb), Fach-bereich 07 des NA Bau im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2003.

    [10] Quast, U.: Neues Sicherheitskonzept überflüssig? Deutsches Ingenieurblatt (2001), H. 4, DiB Spezial BETON April 2001, S15-S17.

    [11] Quast, U.: Neue Bemessungskonzepte mit alten Ver-fahren? Beton- und Stahlbetonbau 97 (2002), H. 11, 576-583.

    [12] Quast, U.: Bei welcher Höhe versagt eine Stütze? Beton- und Stahlbetonbau 99 (2004), H. 8, 662-669.

    [13] Kordina, K.: Die Grundlagen des Knicksicherheits-nachweises im Stahlbetonbau. Deutscher Beton-Verein e.V., Vorträge auf dem Betontag 1967, 245-274.

    [14] Quast, U.: Geeignete Vereinfachungen für die Lösung des Traglastproblems der ausmittig gedrückten prismatischen Stahlbetonstütze mit Rechteckquer-schnitt. Dissertation, 1970, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig.

    Bild 16: Abminderungsbeiwerte für die Ersatzbiegesteifigkeiten

    Der Autor:Univ.-Prof. i.R. Dr.-Ing. Ulrich QuastImmenweg 2321220 Seevetal (OT Horst)vormals Arbeitsbereich Massivbau der TU Hamburg-Harburg

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  • 18 FRILO-Magazin

    Neue Holzbaunorm

    Möglichkeiten und Regelungen der neuen Holzbaunorm: Querzugproblematik und mögliche VerstärkungenKai Haase

    Die neue DIN 1052(08/04) bietet dem Holzbau eine Reihe von neuen Möglichkeiten und sehr nützlichen Regelungen. Im Rahmen dieses Artikels soll ein Einblick in die Querzugproblematik und die Möglichkeiten der Bemessung von Verstär-kungen gegeben werden.

    EinführungHolz ist ein Baustoff, der im Verhältnis zu seinem geringen Eigengewicht große Festigkeiten in Faserrichtung aufweist. Leider ist er im Vergleich zu Stahl ein sehr anisotroper Baustoff, wie seine äußerst geringe Festigkeit senkrecht zur Faser zeigt. Diese Schwäche schließt eine gewollte Auf-nahme von Spannungen senkrecht zur Faser, so genannten Querzugspannungen, fast völlig aus.

    Nun rufen eine Reihe von Konstruktionen leider „unge-wollt“ Belastungen senkrecht zur Faser hervor: Ausgeklinkte Trägerauflager leiten die Auflagerkräfte in die Mitte des Querschnittes senkrecht zur Faser ein, die meist scharfen Ecken der Ausklinkung rufen zusätzlich Spannungskon-zentrationen hervor. Bei Durchbrüchen ruft die erzwungene Kraftumleitung um das Loch herum Spannungsumlage-rungen und damit ebenso Spannungskonzentrationen und Querzugspannungen hervor. Bei Gekrümmten Trägern und Satteldachträgern führt allein schon die geometrische Form der Träger lokal zu Spannungen senkrecht zur Faser.

    In all diesen Fällen kann mit Verstärkungen versucht werden, das Holz von dieser ungünstigen Belastung zu befreien. Schon seit langem werden von nahezu allen Brettschichtholzherstellern versteckt Gewindestangen zur Verstärkung bei sehr hohen Trägern eingebaut, um keine Schäden zuzulassen. Dieses Vorgehen sowie das Aufbrin-gen von – optisch meist abzulehnenden – außen liegenden Verstärkungen ist nun in der DIN 1052 (08/04) vernünftig geregelt. Zusammen mit den Möglichkeiten von Vollgewin-deschrauben, für die im Gegensatz zu eingeklebten Gewin-destangen keinerlei Leimgenehmigung erforderlich ist, hat der Ingenieur viele Möglichkeiten, die Querzugschwäche des Holzes auszugleichen ohne das optische Erscheinungsbild zu beeinträchtigen.

    Anhand von ausgeklinkten Trägerauflagern soll das Vor-gehen exemplarisch gezeigt werden.

    AusklinkungenBei ausgeklinkten Trägerauflagern wird durch die einsprin-gende Ecke der Ausklinkung der Spannungsverlauf stark gestört. Daher muss neben der durch die Ausklinkung reduzierten Höhe auch die Spannungskonzentration an der einspringenden Ecke beim Nachweis berücksichtigt werden. Dies geschieht respektive dadurch, dass der Schubspan-nungsnachweis auf die reduzierte Höhe he bezogen wird und die Schubfestigkeit des Holzes durch einen Beiwert kv reduziert wird. Der Nachweis lautet damit:

    ⋅≤

    d

    e

    v v,d

    V1,5

    b h1

    k f (1)

    mit

    ε= ⋅ ≤v 90k k k 1

    ( )

    =⎛ ⎞

    ⋅ α ⋅ − α + ⋅ ⋅ − α⎜ ⎟⎜ ⎟α⎝ ⎠

    n90

    2

    kk

    c 1h 1 0,8

    h

    ε = +

    ε ⋅ ⋅ ε

    1,1k 1

    tan h tan

    ⎧⎪= ⎨⎪⎩

    n

    5 für Vollholz und Balkenschichtholz

    k 6,5 für Brettschichtholz

    4,5 für Furnierschichtholz

    Darin sind Vd der Bemessungswert der Querkraft, b die Trägerbreite, h die Trägerhöhe im unausgeklinkten und he im ausgeklinkten Bereich, c der Abstand zwischen Auflager-

    Haase_Neue Holzbaunorm.indd 1Haase_Neue Holzbaunorm.indd 1 06.10.2006 11:09:0406.10.2006 11:09:04

  • FRILO-Magazin 19

    DIN 1052 (08/04)

    kraft und Beginn der Ausklinkung sowie α das Verhältnis he/h (Abbildung 1). Zu beachten ist, dass die Formel für k90 nicht einheitentreu ist, sondern die Höhe h in mm einzu-setzen ist – man führe den gesamten Nachweis daher am Besten in N und mm.

    Damit der Nachweis nicht missbraucht werden kann, gelten die geometrischen Forderungen α ≥ 0,5 und c/h ≤ 0,4 . Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für kurze Lasteinwirkungsdauer und nicht für verstärkte Ausklinkungen. Für Träger mit Ausklinkungen auf der unbe-lasteten Seite, also im Normalfall oben, darf kv = 1 gesetzt werden.

    Kann der Nachweis (1) nicht erfüllt werden oder soll der Träger in Nutzungsklasse 3 eingesetzt werden, ist der Träger zu verstärken.

    Verstärkungen

    Soll die Tragfähigkeit von Bauteilen durch eine oder meh-rere Verstärkungen rechtwinklig zur Faserrichtung des Holzes zur Aufnahme von Querzugbeanspruchungen erhöht werden, gibt die Norm nun für eine Reihe von Problem-stellungen Nachweise vor. Dabei wird die Zugfestigkeit des Holzes rechtwinklig zur Faserrichtung bei der Ermittlung der Beanspruchungen der Verstärkungen nicht berücksichtigt.

    Als außen liegende Verstärkungen dürfen gemäß Norm verwendet werden:

    � aufgeklebtes Sperrholz,� aufgeklebtes Furnierschichtholz,� aufgeklebte Bretter,� eingepresste Nagelplatten.

    Optisch besser sind innen liegende Verstärkungen, wobei die folgenden Stahlstäbe verwendet werden dürfen:

    � eingeklebte Gewindebolzen nach DIN 976-1,� eingeklebte Betonrippenstähle nach DIN 488-1,� Holzschrauben mit einem Gewinde über die

    gesamte Schaftlänge.Die Querschnittsschwächung durch solche innen liegenden Verstärkungen ist in zugbeanspruchten Querschnittsteilen zu berücksichtigen. Die Zugbeanspruchung der Stahlstäbe ist nach DIN 18800 nachzuweisen, wobei der Spannungs-querschnitt zu verwenden ist.

    Neu ist, dass auch Verstärkungen mit Schrauben mit einem Gewinde über die gesamte Schaftlänge zulässig sind, diese sind sinngemäß wie Verstärkungen mit eingeklebten Gewindebolzen nachzuweisen. Da sie jedoch nicht einge-klebt werden müssen und somit keine Leimgenehmigung erforderlich ist, eröffnen solche Schrauben z.B. der Firma ABC Verbindungstechnik (Spax) völlig neue Einsatzgebiete.

    Bemessung

    Das Vorgehen bei der Bemessung von Verstärkungen sei hier wiederum exemplarisch für Ausklinkungen gezeigt.

    Die Verstärkung ist generell für eine aus der Querzug-spannung berechneten Querzugkraft Ft,90,d zu bemessen. Für eine rechtwinklige Ausklinkung auf der belasteten Seite eines Trägerauflagers darf diese Zugkraft wie folgt bestimmt werden:

    ( ) ( )⎡ ⎤= ⋅ ⋅ ⋅ − α − ⋅ − α⎢ ⎥⎣ ⎦2 3

    t,90,d dF 1,3 V 3 1 2 1

    Nachzuweisen ist dann einerseits die Klebfugenspannung zur Überleitung der Kraft in die Verstärkung. Bei außen auf-geklebten Verstärkungen verteilt sich die Querzugkraft auf die zur Verfügung stehende verklebte Fläche unterhalb (und respektive oberhalb) der einspringenden Ecke. Der so ermit-telten Klebfugenspannung ist dann eine Klebfugenfestigkeit gegenüberzustellen:

    ( )

    τ =⋅ − ⋅

    t,90,def,d

    e r

    F

    2 h h l

    τ≤ef,d

    k2,d

    1f

    Ist die Querzugkraft über den Leim in die Verstärkung eingeleitet, so muss andererseits noch die Zugspannung in der Verstärkung nachgewiesen werden:

    σ =⋅ ⋅t,90,d

    t,dr r

    F

    2 t l

    σ⋅ ≤t,dk

    t,d

    k 1f

    Abbildung 1: Ausklinkung

    Haase_Neue Holzbaunorm.indd 2Haase_Neue Holzbaunorm.indd 2 06.10.2006 11:09:0506.10.2006 11:09:05

  • 20 FRILO-Magazin

    Neue Holzbaunorm

    Dabei ist lr die Breite und tr die Dicke der Verstärkungs-platte (Abbildung 2). Die ungleichmäßig verteilte Klebfu-genspannung darf ohne genaueren Nachweis durch einen Faktor kk = 2,0 berücksichtigt werden. Da sich die Querzug-spannungen auf einen relativ kleinen Bereich an der ein-springenden Ecke konzentrieren, darf sich die Verstärkung nicht zu weit von dort entfernen, weshalb die folgende geometrische Bedingung einzuhalten ist:

    ≤ ≤−

    r

    e

    l0,25 0,50

    h h

    Für innen liegende Verstärkungen mit eingeklebten Stahlstäben verteilt sich die Querzugkraft einfach auf die mit Leim benetzte Mantelfläche des Stahlstabes und die resultierende Klebfugenspannung ist wieder der Klebfugen-festigkeit gegenüberzustellen.

    τ =⋅ ⋅ π ⋅

    t,90,def,d

    r ad

    F

    n d l

    τ≤ef,d

    k1,d

    1f

    Dabei ist lad die wirksame Verankerungslänge, n die Anzahl der Stahlstäbe, wobei in Trägerlängsrichtung nur ein Stab in Rechnung gestellt werden darf, und dr der Stahls-tabaußendurchmesser, der auf maximal 20 mm begrenzt ist (Abbildung 2).

    Die Tragfähigkeit des Stahlstabes selber ist mit Hilfe der DIN 18800 nachzuweisen:

    ⎧⋅⎪

    ⋅ γ⎪= ⎨⎪ ⋅⎪ ⋅ γ⎩

    y,b,k

    spM

    ax,du,b,k

    spM

    fA

    1,1R min

    fA

    1,25

    Werden anstelle von eingeklebten Stahlstäben Vollge-windeschrauben verwendet, so ist die Tragfähigkeit der Schraube gemäß Zulassung zu ermitteln.

    40%

    60%

    80%

    100%

    120%

    140%

    160%

    200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000

    Höhe Satteldachträger, Trägermitte [mm]

    glic

    he

    Las

    t n

    ach

    neu

    er D

    IN /

    glic

    he

    Las

    t n

    ach

    alt

    er D

    IN

    mit Verstärkungen

    ohne Verstärkungen

    Brettschichtholzkmod = 0,8

    Abbildung 2: Verstärkungen einer Ausklinkung mit außen liegenden Laschen (oben) oder innen liegenden Stahlstäben (unten)

    Abbildung 3: Vergleich der Tragfähig-keit eines Satteldachträ-gers nach alter und neuer DIN 1052

    Haase_Neue Holzbaunorm.indd 3Haase_Neue Holzbaunorm.indd 3 06.10.2006 11:09:0506.10.2006 11:09:05

  • FRILO-Magazin 21

    DIN 1052 (08/04)

    Das Programm HO12Das Programm „Holzbaudetails HO12“ widmet sich der Pro-blematik von Ausklinkungen und Durchbrüchen. Für Aus-klinkungen und deren mögliche Verstärkungen mit Laschen, eingeleimten Gewindestangen oder Vollgewindeschrauben werden alle oben erwähnten Nachweise (Abbildung 4) geführt und die geometrischen Anforderungen überprüft.

    Zusätzlich können mit HO12 auch die in DIN 1052 sowie in den Veröffentlichungen von Blaß und Steck angegebenen Nachweise für runde oder eckige Durchbrüche geführt werden. Auch für diese Konstruktionen stehen alle genann-ten Verstärkungsarten zur Verfügung.

    Andere Querzugprobleme

    Auch bei Queranschlüssen, gekrümmten Trägern, Sattel-dachträgern und Durchbrüchen treten Querzugprobleme auf. Für all diese Fälle stellt die DIN 1052 Bemessungsfor-meln für die auf das spezielle Problem angepasste Berech-nung der Querzugkraft zur Verfügung, wobei die jeweilige Verteilung der Querzugspannung berücksichtigt wird. Als Verstärkungen können dann wieder alle genannten Verstär-

    kungsarten mit den angegebenen Nachweisen verwendet werden.

    Von großem Interesse ist hierbei auch die Berücksichti-gung der Querzugproblematik bei großen Satteldachträgern. Schon lange ist bekannt, dass die an kleinen Versuchskör-pern ermittelten Querzugfestigkeiten sich leider nicht auf große Satteldachträger übertragen lassen, die problemlos Spannweiten von über 30 m und Trägerhöhen im First von mehr als zwei Metern erreichen können. Als Ergebnis waren immer wieder Schäden an solchen Trägern zu beklagen. Als Konsequenz wurde schon im Eurocode 5 vorschlagen, die Querzugfestigkeit abhängig vom querzugbeanspruchten Volumen zu berechnen. Damit sollte berücksichtigt werden, dass es bei großen auf Querzug beanspruchten Bereichen mit einer sehr viel größeren Wahrscheinlichkeit Fehlstellen (z.B. Äste) gibt, die zu einer Reduzierung der Querzugfestig-keit führen, als bei den kleinen Versuchkörpern.

    Diesem Ansatz folgt nun auch die DIN 1052, indem sie die Trägerhöhe mit in die Betrachtung einfließen lässt und diese einer Referenzhöhe von h0 = 600 mm gegenüberstellt. Zusätzlich wird auch die Verteilung der Querzugspan-nung, die bei Satteldachträgern etwas günstiger ist als bei

    Abbildung 4: Das Programm HO12

    Haase_Neue Holzbaunorm.indd 4Haase_Neue Holzbaunorm.indd 4 06.10.2006 11:09:0506.10.2006 11:09:05

  • 22 FRILO-Magazin

    Neue Holzbaunorm

    gekrümmten Trägern, durch einen Beiwert kdis berücksich-tigt und eine mögliche Schubspannung in die Auslastung mit einbezogen. Der Nachweis liest sich dann wie folgt:

    ⎛ ⎞σ τ+ ≤⎜ ⎟⎜ ⎟⎛ ⎞ ⎝ ⎠

    ⋅ ⋅⎜ ⎟⎜ ⎟⎝ ⎠

    2

    t,90,d d

    0,3v,d

    0dis t,90,d

    ap

    1f

    hk f

    h

    Kann dieser Nachweis, der bei vielen Trägergeomet-rien bemessungsmaßgebend wird, nicht erfüllt werden, so müssen oben erwähnte Verstärkungen angebracht werden. Die Bestimmung der aus der Querzugspannung resultie-renden Querzugkraft Ft,90,d sowie die notwendigen Nach-weise der Verstärkungen erfolgen in Analogie zu Ausklin-kungen nach den in der Norm angegebenen Formeln.

    Zusätzlich zu den aus der äußeren Last auftretenden Querzugspannungen kommt es auch aus Änderungen des umgebenden Klimas zu sogenannten „klimatisch bedingten“ Querzugspannungen. Um zu verhindern, dass die Überlage-rung dieser beider Querzugspannungen zu Schäden führt, ist bei einer Auslastung der Querzugfestigkeit aus äußerer Last von mehr als 60%

    σ≤

    ⎛ ⎞⋅ ⋅ ⋅⎜ ⎟⎜ ⎟⎝ ⎠

    t,90,d

    0,3

    0dis t,90,d

    ap

    1

    hk 0,6 f

    h

    schon eine konstruktive Verstärkung notwendig. Details zu deren Bemessung finden sich ebenso in der Norm.

    Vergleicht man die möglichen Lasten eines Satteldachträ-gers nach neuer und alter Norm (Abbildung 3), so stellt man fest, dass hohe, verstärkte Träger ungefähr die gleiche Last wie früher tragen können, verstärkte Träger mit geringer Trägerhöhe aber deutlich mehr. Unverstärkte Träger werden vor allem bei hohen Trägerquerschnitten nun aber lastmäßig drastisch beschränkt, was den Erfahrungen aus den früher aufgetretenen Schadensfällen entspricht!

    Fazit

    Die Regeln der neuen DIN 1052 zur Begrenzung bzw. Ver-meidung von Querzugbelastungen bei Holzbauteilen sind sehr homogen aufgebaut und helfen bei einer Reihe von Konstruktionen, die in der Vergangenheit schadensträchtig waren. In Kombination mit den einfachen Regeln für mög-liche Verstärkungen solcher querzugbeanspruchter Bereiche lassen sich nun mit vernünftigem Aufwand auch solche Holzbaukonstruktionen ästhetisch realisieren.

    Autor dieses BeitragsProf. Dr.-Ing. Kai HaaseFachhochschule Deggendorf

    Abb.: Holz-Glas-Konstruktion der Galleria Messe FrankfurtFotos: Holzleimbau Derix

    Abb.: Räumliches Holzfachwerk des Cosima-Bades in München

    Haase_Neue Holzbaunorm.indd 5Haase_Neue Holzbaunorm.indd 5 06.10.2006 11:09:0606.10.2006 11:09:06

  • FRILO-Magazin 23

    DIN 1055

    Neue Lastannahmen: Windige und kalte, aber leichtere Zeiten?Kai Haase, Bert Ziems

    Seit Jahren erscheinen Entwürfe zu geänderten Teilen der DIN 1055, ab Januar 2007 soll es nun Ernst mit der Umsetzung werden. Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Überblick über einige ausgewählte Änderungen bei Nutzlasten, Windlasten sowie Schneelasten gegeben.

    EinführungSeit Jahren arbeiten die verantwortlichen Normenaus-schüsse an einer Neufassung der Normenreihe DIN 1055. Dies erfolgt einerseits, um offensichtlich überalterte Rege-lungen dem fortgeschrittenen anerkannten Stand der Technik anzupassen und andererseits, um der Umsetzung der entsprechenden Europäischen Vornormen der Reihe ENV 1991 in die praktische Anwendung Vorschub zu leisten. Wesentliches Ziel der neuen Normengeneration ist es, ein gleichmäßigeres Zuverlässigkeitsniveau bei der Bemessung zu erreichen.

    Eine direkte Übernahme der Europäischen Vornormen der Reihe ENV 1991 erschien den zuständigen deutschen Fachkreisen nicht sinnvoll, da zu dieser Reihe Einsprüche verschiedener Mitglieder vorlagen. So entsprechen viele Abweichungen der aktualisierten Teile der DIN 1055 von der DIN V ENV 1991 auch deutschen Einsprüchen gegen den europäischen Normentwurf und beinhalten darüber hinaus Änderungen und Ergänzungen, die nach Auffassung des zuständigen Arbeitsausschusses den Anforderungen der deutschen Bemessungspraxis genügen und die den allge-mein anerkannten Stand der Technik wiedergeben.

    Seit diesem Jahr liegen mit Ausnahme des Teil 2, der nur als Entwurf vorliegt, alle Teile als Weißdruck vor. In vielen Bereichen haben sich grundlegende Änderungen ergeben, die den praktisch tätigen Ingenieur zu einer intensiven Aus-einandersetzung mit den neuen Normenteilen nötigen.

    FristenDen aktuellen Stand der Normenausgaben zeigt Tabelle 1. Über den Zeitpunkt der bauaufsichtlichen Einführung wurde lange spekuliert und es fanden sich in verschiedenen Fach-artikeln unterschiedliche Termine der geplanten Einführung.

    Allgemein ist aber immer darauf hinzuweisen, dass schon mit der Veröffentlichung der neuen Normenteile der DIN 1055 ein neuer Stand der Technik gilt. Dies wird unabhängig davon angenommen, ob diese technischen Regeln schon

    bauaufsichtlich eingeführt sind oder nicht. Ein nach „alten“ Bedingungen geplantes und gebautes Bauwerk kann daher hinter dem Stand der Technik zurückbleiben, wie speziell die erhöhten Wind- und Schneelasten der „neuen“ Normteile belegen – mit all den rechtlichen Problemen im Schadens-falle.

    Folgt man der „Muster-Liste der technischen Baubestim-mungen“ des DIBt, so stellt man fest, dass ab der Muster-liste vom Februar 2006 die „alten“ Teile der DIN 1055 nur noch bis 31.12.2006 gelten sollen und die neuen Ausgaben (zumindest für die Teile 1, 3-6, 9 und 100) in ihren Versi-onen gemäß Tabelle 1 ab 1.1.2007 Gültigkeit erlangen – und zwar ohne Übergangsfrist. Auf die entsprechenden Erlasse der einzelnen Bundesländer sollte man daher regional sehr genau achten, vor allem, da die Musterliste des DIBt auf-grund notwendiger Notifizierung nach EU-Richtlinien erst Ende 2006 von den Ländern umgesetzt werden sollte. Dass die Einführung sehr schnell kommen kann, zeigt das Bei-

    Normenteil Bezeichnung Erschienen

    Teil 1 Wichten und Flächenlasten von Baustoffen, Bauteilen und Lagerstoffen

    06/2002

    Teil 2 (Entwurf) Bodenkenngrößen 02/2003

    Teil 3 Eigen- und Nutzlasten für Hochbauten

    03/2006

    Teil 4 Wind 03/2005

    Teil 5 Schnee- und Eislasten 07/2005

    Teil 6 Einwirkungen auf Silos 03/2005

    Teil 7 Temperatureinwirkungen 11/2002

    Teil 8 Einwirkungen während der Bauausführung

    01/2003

    Teil 9 Außergewöhnliche Einwirkungen 08/2003

    Teil 10 Einwirkungen infolge von Kranen und Maschinen

    07/2004

    Teil 100 Grundlagen 03/2001

    Tabelle 1: Die aktuellen Ausgaben der Normenteile der DIN 1055

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 1Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 1 06.10.2006 11:11:0506.10.2006 11:11:05

  • 24 FRILO-Magazin

    Neue Lastannahmen

    spiel Sachsen: Dort wurden in der „Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Liste der eingeführten Technischen Baubestimmungen (LTB)“ vom 31. Mai 2006 die neuen Normenteile zum 1. Juli 2006 einge-führt – und sind somit schon anzuwenden.

    Zusätzlich sollte man beim Einsatz der neuen Normen-teile aber beachten, dass es für die Teile 4 und 6 schon mehrseitige Berichtigungen gibt, deren Lektüre aufgrund der sonst sinnentstellten Texte oder fehlerhaften Formeln dringend geraten ist.

    Im Folgenden soll nun auf ausgewählte Änderungen in drei dieser Normenteile, nämlich Nutzlasten nach Teil 3, Windlasten nach Teil 4 sowie Schneelasten nach Teil 5 intensiver eingegangen werden.

    Nutzlasten (DIN 1055-3)

    Aufgabe der Vorschriften für die Nutzlastannahmen ist die Festlegung charakteristischer Einwirkungsgrößen, die zu Bemessungswerten weiterverarbeitet werden. Wesentliche Neuerungen der neuen DIN 1055-3 bestehen in der Einfüh-rung von Kategorien und der Möglichkeit der Abminderung der Nutzlasten bei der Weiterleitung der Lasten auf vertikale Tragglieder sowie bei großen Einzugsflächen.

    Die Einführung von Kategorien und die Zuordnung aller Nutzlasten in diese Kategorien (Abbildung 1) führt zu einer besseren Strukturierung der vielen möglichen Nutzlasten und vereinfacht schriftliche und mündliche Festlegungen in Statik und Konstruktion zwischen den Baubeteiligten.

    Die Abminderungsmöglichkeiten der zur Lastweiterlei-tung anzusetzenden Nutzlasten findet man derzeit schon

    in nahezu allen europäischen Einwirkungsnormen, während mit der Möglichkeit, die Nutzlasten in Abhängigkeit von der Größe des sekundären Traggliedes zu bestimmen, die Norm Neuland betritt. Untersuchungen zeigen, dass die Abminde-rungsfaktoren nach DIN 1055-3 hervorragend geeignet sind, um die in einem Gebäude auftretenden Nutzlasten auf Basis der Auftretenswahrscheinlichkeiten realistisch zu erfassen.

    Die zu berücksichtigenden Abhängigkeiten führen zwar zu einer Erhöhung des Berechnungsaufwandes bei der Schnittgrößenermittlung, ermöglichen in vielen Fällen jedoch die Ausführung wirtschaftlicherer Konstruktionen. So lassen sich zum Beispiel die Nutzlasten für die Lastweiterlei-tung auf sekundäre Tragglieder (Unterzüge, Stützen, Wände) in Abhängigkeit der Einzugfläche dieses Traggliedes bei Wohn- und Büroflächen um bis zu 50% und bei Versamm-lungs- und Verkaufsräumen um bis zu 30% reduzieren.

    Windlasten (DIN 1055-4)

    Betrachtet man die über einen längeren Zeitraum gemes-senen Windgeschwindigkeiten in den letzten Jahrzehnten, so stellt man fest, dass eine reale Erhöhung im Mittel sta-tistisch nicht nachgewiesen werden kann. Die Gründe für eine gewachsene Schadensbilanz durch Windeinwirkung sind daher eher in einer immer schlankeren und das Mate-rial immer mehr ausnutzenden Bauweise sowie den unter-schiedlichen Topographien in Deutschland zu suchen.

    Es stellte sich somit die Frage, ob die pauschalen Wind-lastansätze der alten Norm noch ausreichend sicher sind. Betrachtet man die auftretenden Staudrücke regional genauer, so stellt man fest, dass die bislang vorgegebenen Staudrücke in den nördlichen Teilen Deutschlands in der Praxis mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit über-troffen wurden als in den südlichen Teilen (50-jährlich gegenüber 10-jährlich, auf den Inseln sogar teilweise jähr-lich).

    Diesen Problemen wurde nun durch Einführung von Windzonen – analog zu den bekannten Schneelastzonen – sowie durch eine teilweise stark erhöhte Belastung von Einzelbauteilen in der neuen Norm Rechnung getragen.

    Auch in der neuen Norm ergibt sich die Windlast Fw auf einen Baukörper in Abhängigkeit von einem Geschwindig-keitsdruck q, einem aerodynamischen Kraftbeiwert cf und einer Bezugsfläche Aref :

    F c q Aw f ref= ⋅ ⋅ (1)

    Bei hohen sowie langen Bauwerken darf die Windkraft abschnittsweise berechnet werden, wobei die Beiwerte dann für die einzelnen Teilabschnitte zu ermitteln sind. Durch Abbildung 1: Verkehrslasten nach DIN 1055-3

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 2Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 2 06.10.2006 11:11:0606.10.2006 11:11:06

  • FRILO-Magazin 25

    DIN 1055

    die räumlich unterschiedliche Intensität des Windes ist wie bisher eine Ausmitte zu berücksichtigen.

    GeschwindigkeitsdruckAls Geschwindigkeitsdruck darf für niedrige Bauwerke bis 25 m weiterhin ein vereinfachter, über die Höhe konstan-ter Geschwindigkeitsdruck q benutzt werden. Bei höheren Gebäuden muss das Anwachsen des Geschwindigkeitsdru-ckes mit der Höhe auf der Basis eines Referenzdruckes qref in 10 m Höhe ermittelt werden:

    a

    ref

    zq k q

    10

    ⎛ ⎞= ⋅ ⋅ ⎜ ⎟⎝ ⎠

    (2)

    Die Faktoren k und a hängen von der Höhe über Grund ab. Für die Ermittlung von qref ist der Standort des Gebäudes in eine von vier neu geschaffenen Windzonen einzuordnen – eine entsprechende Windzonenkarte findet sich in der Norm (Abb. 4). Damit wird der bisher nicht berücksichtigten Tatsache Rechnung getragen, dass Windstärke und Häufig-keit keineswegs gleichmäßig über Deutschland verteilt sind.

    Basis für die Referenzwerte des Geschwindigkeitsdruckes qref bzw. der Windgeschwindigkeit vref der einzelnen Wind-zonen ist ein maximaler Wind, wie er im Mittel in 50 Jahren einmal auftritt. Dabei wird nicht der Mittelwert der Mes-sung sondern der obere Böenwert berücksichtigt.

    Die Windgeschwindigkeit und der daraus resultierende Böengeschwindigkeitsdruck in Windzone 3 und 4 an den Küsten von Nord- und Ostsee liegen dabei deutlich höher als nach alter Windlastnorm. Nach Windzone 2 ergeben sich geringfügig höhere, für Windzone 1 sogar geringere Werte (Abbildung 2).

    Der Zunahme des Windes in Gebirgsregionen wird bei Bauwerksstandorten oberhalb einer Meereshöhe von 800 m über NN über einen höhenabhängigen Erhöhungsfaktor Rechnung getragen.

    Die Profile der mittleren Windgeschwindigkeit und der zugehörigen Turbulenzintensität hängen von der Boden-rauigkeit und der Topografie in der Umgebung des Bau-werksstandortes ab. Besitzt man genaueres Wissen über die Rauigkeit des Geländes – und kann sicherstellen, dass sich die Topographie im Laufe der Lebensdauer des Bauwerkes nicht negativ ändert – darf man den Einfluss entsprechend Anhang B der Norm genauer untersuchen.

    Dazu wird die weite Spanne von in der Natur vorkom-menden Bodenrauigkeiten in vier Geländekategorien zusam-mengefasst. Die ungünstigste Geländekategorie I ist die für glattes Land bzw. offene See, hier kann sich das Windprofil ungestört ausbreiten, d.h. seinen Maximalwert schon bei geringen Höhen erreichen. Bei städtischer Bebauung ent-sprechend Geländekategorie IV ist die Störung am größ-

    ten, d.h. das Druckmaximum wird erst in größeren Höhen erreicht. Dem entsprechend gelten für jede Geländekatego-rie bestimmte Faktoren k und Exponenten a in Formel (2).

    Für Übergangsbereiche zwischen den vier Geländekate-gorien gelten die so genannten Mischkategorien Binnenland und Küste mit entsprechenden Winddruckverteilungen. Über einen Topografiebeiwert ct nach Anhang B kann auch der Einfluss von Geländesprüngen und isolierten Hügeln berücksichtigt werden.

    Aerodynamische BeiwerteDie neue Norm unterscheidet eine Reihe von aerodyna-mischen Beiwerten: - Außendruckbeiwerte cpe, - Innendruckbeiwerte cpi, - Kraftbeiwerte cf und - Reibungsbeiwerte cfr.

    Bei der Ermittlung von Windlasten für rechteckige Gebäude und Dächer ist zunächst die Verwendung von Außendruck-beiwerten cpe bei Einhaltung definierter Bedingungen üblich. Diese Außendruckbeiwerte hängen von der Größe der Lasteinzugsfläche ab. Im Normalfall werden die in den Tabellen angegebenen Werte für Lasteinzugsflächen von mehr als 10 m2 Verwendung finden (cpe,10). Die ebenfalls in den Tabellen zu findenden Werte für Flächen von weni-ger als 1 m2 (cpe,1) sind ausschließlich für die Berechnung der Ankerkräfte von unmittelbar durch Windeinwirkungen belasteten Bauteilen, den Nachweis der Verankerungen und ihrer Unterkonstruktion zu verwenden.

    Für schlanke Gebäude mit h/d > 5 sind gegebenenfalls höhere Kraftbeiwerte zu verwenden. Diese gelten auch für ausgewählte Einzelbauteile wie Anzeigetafeln und sind für unterschiedlichste Gebäudegrundrisse bzw. Querschnitts-formen angegeben.

    0,400

    0,500

    0,600

    0,700

    0,800

    0,900

    1,000

    1,100

    0 5 10 15 20 25

    Gebäudehöhe [m]

    Ges

    chw

    ind

    igke

    itsd

    ruck

    [kN

    /m²]

    Staudruck nach alter Norm

    Vereinfachter Ansatz für Gebäude mit h < 10 m

    Vereinfachter Ansatz für Gebäude mit h < 18 m

    Vereinfachter Ansatz für Gebäude mit h < 25 m

    Genaues Verfahren für Windzone 1, Binnenland

    Abbildung 2: Vergleich der Geschwindigkeitsdrücke in Windlastzone 1

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 3Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 3 06.10.2006 11:11:0606.10.2006 11:11:06

  • 26 FRILO-Magazin

    Neue Lastannahmen

    Enthalten Gebäude Öffnungen, die bei Sturm notwendi-gerweise geöffnet bleiben müssen, muss auch ein Gebäu-deinnendruck berücksichtigt werden. Dieser ergibt sich aus der auf die Summe der Öffnungsflächen bezogenen Fläche der windparallelen und leeseitigen Öffnungen. Entlastender Innendruck ist wie immer bei der Lastkombination nicht zu berücksichtigen.

    Zusätzlich weist die Norm auf die Notwendigkeit der eventuellen Berücksichtigung eines Winddruckanteiles aus Reibung insbesondere bei großen Dachflächen hin.

    SchwingungsanfälligkeitOhne besonderen Nachweis dürfen in der Regel Wohn-, Büro- und lndustriegebäude mit einer Höhe bis zu 25 m und ihnen in Form oder Konstruktion ähnliche Gebäude als nicht schwingungsanfällig im Sinne der DIN 1055 angenommen werden. Für andere Baukonstruktionen lässt sich, wenn sie als Kragträger wirken, auf Basis der Gebäudehöhe, der Grundrissgeometrie, der von der Bauweise abhängenden Dämpfung und des Verformungsverhaltens abschätzen, ob die Konstruktion als schwingungsanfällig gilt.

    Für schwingungsanfällige Gebäude steht im Anhang der Norm ein Verfahren auf Basis einer Vergrößerung der statischen Windlast durch einen Böenreaktionsfaktor zur Verfügung.

    Praktische AnwendungDie neue Windlastnorm erlaubt es dem Nutzer, die Windlas-termittlung mit einem seinem Projekt angemessenen Auf-wand zu betreiben:

    Für Gebäude mit einer Höhe bis 25 m kann ein konstan-ter Winddruck angenommen werden, der mit zunehmender Gebäudehöhe jedoch auch zunehmend auf der sicheren Seite liegt. Die Alternative ist eine genauere Berücksichti-gung des Winddruckverlaufes nach Gleichung (2) (Abbil-dung 2).

    Bei exponierten Gebäuden ist es möglich, den Refe-renzwinddruck auf der Basis statistischer Daten des Stand-ortes explizit zu ermitteln und sogar den Einfluss der Wind-richtung zu berücksichtigen.

    Die Zuordnung zu einer Geländerauigkeit bei Verwen-dung der Mischprofile kann ohne großen Aufwand erfolgen, die ermittelten Werte liegen aber z.B. für städtische Bebau-ung stark auf der sicheren Seite. Eine genauere Zuordnung über Geländekategorien nach Anhang B erlaubt es, zum Teil erheblich günstigere Werte zu ermitteln, bedeutet aber auch einen größeren Aufwand bei der Untersuchung der Entfer-nungen zum nächsten Rauigkeitswechsel.

    Ein Problem stellt die große Anzahl von Bereichen dar, in die Dächer bei der Lastaufteilung einzuteilen sind: Gab

    es bislang selten mehr als drei verschiedene Teilbereiche zu untersuchen (mittig, Rand- und Eckbereiche), so müssen nun schon beim Satteldach fünf und beim Walmdach neun Teilbereiche mit unterschiedlichen Druckbeiwerten unter-schieden werden.

    Schneelasten (DIN 1055-5)

    Auch die Neufassung der Lastannahmen für Schnee wurde auf Grundlage des europäischen Normentwurfes ENV 1991 erstellt, womit nun das europäische Konzept der Vorgabe einer Bodenschneelast verwendet wird. Die Schneelast-zonenkarten wurden unter Berücksichtigung aktueller Messdaten des Meteorologischen Dienstes überarbeitet und beinhalten jetzt fünf statt bisher vier Schneelastzonen.

    Zusätzlich wurden allgemeine Regelungen für Schnee-sackbildung aufgenommen sowie den Schneeüberhängen an Traufen und den zusätzlichen Schneelasten an Schneefang-gittern Rechnung getragen. Auch wird ausdrücklich auf die Beachtung von künstlich veränderten Schneeanhäufungen verwiesen, die häufig beim teilweisen oder vollständigen Räumen der Dachflächen auftreten.

    SchneelastenDie in der Norm angegebenen Schneelasten gelten für alle Orte, die maximal 1500 Meter über NN liegen und in denen keine gesonderten Vorschriften für die Schneelast existieren. Diese Bodenschneelast sk ist nun formelmäßig in Abhängig-keit der Schneelastzone und der Geländehöhe A über NN angegeben, z.B. für die Schneelastzone 2:

    22

    k

    A 140s 0,25 1,91 0,85 kN/m

    760

    +⎛ ⎞= + ⋅ ≥⎜ ⎟⎝ ⎠

    (3)

    Die Schneelast si auf dem Dach ergibt sich dann durch Multiplikation mit einem Formbeiwert µ, der die Möglich-keit des Abrutschens oder die Gefahr der Schneeanhäufung berücksichtigt:

    i i ks s= µ ⋅

    Der Formbeiwert µ ist für die verschiedensten Dachgeomet-rien und –anordnungen in der Norm aufgeführt.

    Die bislang bekannten Lastfälle „w+s/2“ oder s+w/2“ sind aufgrund der zu untersuchenden Einwirkungskombinati-onen nach DIN 1055-100 nicht mehr von Interesse, jedoch finden sich zusätzliche Vorgaben über ungleichmäßige Schneeverteilungen auf gegenüberliegenden Dachseiten aufgrund von Verwehungs- und Abtaueinflüssen, die zu untersuchen sind.

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 4Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 4 06.10.2006 11:11:0606.10.2006 11:11:06

  • FRILO-Magazin 27

    DIN 1055

    SchneelastzonenDie Schneelastzonen der neuen Norm sind mit denen der alten Norm nur schwer zu vergleichen, da anstelle von vier Schneezonen I – IV nunmehr fünf Zonen bestehen: Die drei Grundzonen 1 – 3 sowie die Zonen 1a und 2a, bei denen die Schneelasten um 25% gegenüber den Zonen 1 respektive 2 zu erhöhen sind. Die Schneelastzonenkarte in der Norm zeigt die genaue Verteilung (Abb. 5).

    Anwendung in den Programmen

    Die meisten Programme unterstützen den Anwender schon bei der Lasteingabe, wenn die Werte auf Basis der DIN 1055 bestimmt werden müssen. Anhand der notwendigen Para-meter werden dann die entsprechenden Lasten berechnet – ein Suchen in den Tabellenwerken entfällt.

    So bieten z.B. die Dachprogramme schon Hilfe bei der Ermittlung der Nutzlasten (Abb. 1) sowie der Wind- und Schneelasten (Abb. 3 - 5), wobei die berechneten Werte manuell geändert werden können, um regionale Vor-schriften zu berücksichtigen (siehe „Die neue Lastnorm DIN 1055 in den Dachprogrammen“ auf Seite 64).

    Auch im Gebäudemodell FLGEO und dem Programm zur Windlastermittlung FLWL kann die Windlast bereits entspre-chend neuer DIN 1055-4 für nicht schwingungsanfällige Gebäude ermittelt werden (Abb. 6). Über einen entspre-chend erweiterten Gebäudegrunddatendialog werden die Windzone, Geländekategorie und Höhe des Gebäudestand-ortes über NN erfasst. Eine nutzerdefinierte Eingabe des Referenzwinddruckes qref und des Höhenfaktors nach Anhang der Norm ist möglich.Der vereinfachte Nachweis für die Nichtanfälligkeit des Gebäudes auf Schwingungen wird für regelmäßige Gebäude

    Abbildung 3: Dachlastdialog zur Bestimmung der Wind- und Schneelasten

    Abbildung 4: Windlastzonenkarte nach DIN 1055-4 Abbildung 5: Schneelastzonenkarte nach DIN 1055-5

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 5Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 5 06.10.2006 11:11:0606.10.2006 11:11:06

  • 28 FRILO-Magazin

    Neue Lastannahmen

    in Kürze neu in die Programme aufgenommen. Ebenso werden die anderen Programme wie Hallenrahmen S7 oder die Lastzusammenstellung in Kürze die neuen Lastannah-men anbieten.

    Literaturhinweise

    [1] Tagungsunterlagen zum Praxisseminar 2006 „Die neue DIN 1055-4 Windlasten, Hintergründe und Anwen-dungen“, Institut für Stahlbau der TU Braunschweig

    [2] Rundschreiben des Deutschen Betonvereins, März 2006[3] Deutscher Betonverein „Beispiele zur Bemessung nach

    DIN 1045-1“, Band 2, Beispiel 20[4] Schmidt, Holger; Cornelius, Volker: „Hintergründe zur

    Nutzlastabminderung nach DIN 1055-3“ in „Beton- und Stahlbetonbau“, Jg. 99 (2004), Nr.1, S.16-22

    [5] Niemann, Hans Jürgen: „Anwendungsbereich und Hin-tergrund der neuen DIN 1055 Tl.4“ in „Der Prüfingeni-eur“, (2002), Nr.21, S.35-45

    [6] Kasper, Peter: „In vielen Gebieten ... zunehmender Wind“ in „bauen mit holz“, Jg. 108 (2006), Nr.3, S.30-33

    [7] Kasper, Peter: „Veränderliche Schneehöhen“ in „bauen mit holz“, Jg. 108 (2006), Nr.4, S.32-35

    Autoren dieses Beitrags Prof. Dr.-Ing. Kai Haase, Fachhochschule DeggendorfDipl.-Ing. Bert Ziems, Friedrich + Lochner GmbH

    Windlastermittlung

    Die Windlast auf eine Decke wird aus jeweils einem halben Geschoss entsprechenden Abschnitten über und unter der Decke ermittelt.

    Windlast im Abschnitt j:Fwj = cfj ⋅ qzej ⋅ Ajcfj aerodynamischer Beiwert entsprechend Eingabeqzej Winddruckordinate an der Abschnittsoberkante, siehe

    untenAj Windfläche des Abschnittes

    Ermittlung der Winddruckordinate qzejBöengeschwindigkeitsdruckq = k ⋅ qref ⋅ (z/10)a

    z Abstand der Ordinate von Unterkante Windangriffqref Referenzwinddruck entsprechend der Windzone

    (Anhang A, Bild A1)k Beiwert in Abhängigkeit von der Geländekategorie

    (Anhang B, Tabelle B2 und 10.3 (4) Gl. 10 –17)a Exponent in Abhängigkeit von der Geländekategorie

    (Anhang B, Tabelle B2 und 10.3 (4) Gl. 10 –17), Berich-tigung 1 zur Norm vom März 2006 bzgl. Gl. 17 wird berücksichtigt.

    Entsprechend Bild 3 gilt folgender qualitativer Verlauf für Gebäude mit rechteckigen Grundrissen:Gebäude mit h ≤ b q=q(z=h) const.Gebäude mit b < h ≤ 2b z > b q=q(z=h) const. z ≤ b q=q(z=b) const.Gebäude mit h > 2b z > h – b q=q(z=h) const. z ≤ b q=q(z=b) const. b < z < h-b q=q(z=zj) const. je Teilrecht-

    eck

    Im Bereich z > b wird der Winddruckverlauf über Teil-rechtecke angenähert, deren Oberkanten den Abstand zj von Unterkante Windangriff haben. Als ausreichend genau hat sich eine Unterteilung in Rechtecke mit hj von ca. 5 m erwiesen.

    Die Breite b wird aus der Ausdehnung der Außenkontur des untersten Geschosses in Windrichtung ermittelt.Dies stellt für Gebäude mit vom Rechteck abweichenden Grundrissen oder mit von Geschoss zu Geschoss veränder-lichen Grundrissen eine Näherung dar.

    Abbildung 6:Windlastermitt-lung entspre-chend neuer DIN 1055-4 in den Programmen GEO und WL

    Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 6Haase_Ziems_Lastannahmen.indd 6 06.10.2006 11:11:0706.10.2006 11:11:07

  • FRILO-Magazin 29

    Programminformationen

    Die folgenden Seiten geben einen Ein-blick in unser umfassendes Produkt-portfolio. Weitere Informationen zu den einzelnen Programmen finden Sie auf unserer Homepage www.frilo.de

    Programmentwicklung 2006

    Polygonale Bemessung imPolygonale Bemessung imStahlbetonStahlbetonEin neues Zusatzmodul zum Programm B2 erlaubt für polygonal begrenzte Querschnitte eine Bemessung für zweiachsige Biegung mit Längskraft. Die effektive Steifigkeit kann für die weitere Verwendung in anderen Pro-grammen ebenfalls ermittelt werden.→ Seite 43

    Querkraftbemessung imQuerkraftbemessung imStahlbetonStahlbetonMit einer Erweiterung des Programms B2 zur korrekten Querkraftbemessung für zweiachsige Biegung können auch alle anderen Programme auf diese Option zugreifen. Stützenprogramm (B5) und Plattenprogramm (PLT) werden mit dieser neuen Option in Kürze verfügbar sein.

    FRILO-Controlcenter FRILO-Controlcenter Der FL-Manager vereint in einem Fenster die Verwaltungs- und Bearbei-tungsfunktionen für das Dokument. Projekt- und Positionsverwaltung sowie die Dokumentbearbeitung werden in zwei Module getrennt, die beide eigenständig lauffähig sind. Die Projektverwaltung wird unter dem neuen Begriff „FRILO-Controlcenter“ eingeführt, die Dokumentenbear-beitung unter dem Namen FRILO-DocMan. Beides zusammen bildet den FL-Manager.

    Die Friedrich+Lochner-SoftwareNeue Programme - Entwicklung - Kurzbeschreibungen

    Erweiterung in den Erweiterung in den StabwerksprogrammenStabwerksprogrammenEin umfangreiches Entwicklungspro-jekt ist derzeit die Überarbeitung der Stabwerksmodule. Als erstes neues Modul wird die Berechnung der Eigenfrequenzen und Eigenformen die bisherige Produktfamilie ESK und RS ergänzen. Damit verbunden ist auch eine vollständig neue grafische Oberfläche mit vielen interessanten Möglichkeiten zur Dateneingabe und Ergebnisdarstellung, die im Zuge der weiteren Entwicklung später für das gesamte Umfeld der Stabwerke zur Verfügung stehen wird. → Seite 38

    Holz- und DachprogrammeHolz- und DachprogrammeDIN 1052:2004DIN 1052:2004Die für die Umstellung unserer Holz-bauprogramme notwendigen Vorar-beiten zur Bemessung nach der neuen DIN 1052:2004 sind abgeschlossen. Die Programme werden sukzessive überar-beitet und stehen bereits zum Teil mit neuer Norm zur Verfügung.

    Wind- und SchneelastenWind- und SchneelastenDIN 1055:2004DIN 1055:2004Die neuen Lastwerte der Teile -1 bis -5 der DIN 1055, insbesondere die Wind- und Schneelasten, sind jetzt aufwändiger und bezogen auf die Lage des Bauteils zu bestimmen. Die neuen Lastannahmen sind bereits in einem Bundesland baurechtlich eingeführt und sollen ab Januar 2007 flächende-ckend baurechtlich verbindlich vorge-schrieben sein.Alle FRILO-Programme, die mit einer direkten Eingabe von Schnee- und Windlasten arbeiten, insbesondere die Dachprogramme D9, D11 und D12 sind bis zum Jahreswechsel mit einer

    ergänzenden alternativen Schnee- und Windlasteingabe ausgestattet. Die erste Auslieferung erfolgt bereits im November 2006. → Seite 64: „Die neue Lastnorm DIN 1055 in den Dachprogrammen“

    Neues Programm: HO13Neues Programm: HO13Als neues Programm für den Holzbau entwickeln wir derzeit die Nachweise von Knotenverbindungen. Die neue Norm hat für Verbindungen neue Anfor-derungen aufgestellt, die eine Über-schlagsrechnung nicht mehr zulassen. Eine erste Auslieferung ist für Anfang Q2/2007 vorgesehen. → Seite 69

    Neue EingabeNeue EingabeDie Standardisierung der Eingabe ist bei der Vielzahl der Programme im FRILO-Portfolio eine wichtige Aufgabe. Die Zusammenfassung aller Daten zur Bearbeitung an einer einzigen Stelle wird dem Anwender mehr Transparenz und Übersicht geben. Diese Entwick-lung stellt neue Möglichkeiten zur Ver-fügung, mit dem Ziel, die Eingabedaten immer dort ändern zu können, wo man sich gerade befindet: in der Grafik, in der Ergebnisliste, im Dialog – überall sind die Eingabewerte änderbar, ohne den Dialog suchen zu müssen, in dem eine Änderung möglich ist.

    Grundbau DIN 1054:2005 Grundbau DIN 1054:2005 Zu den Unterschieden zwischen neuer und alter Norm in den Grundbaupro-grammen lesen Sie bitte ab Seite 59.

    BrandschutzBrandschutzLesen Sie ab Seite 48: Brandschutz nach DIN 1045-1/DIN 4102-4/DIN 4102-22 und die Umsetzung in den FRILO-Programmen.

    Die neuen Normen in

    den F+L-Programmen !

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  • 30 FRILO-Magazin

    F+L-Software

    Das GebäudemodellDas GebäudemodellGEO Building BasisGEO-HL Building Standard

    TrägerTrägerDLT10 Durchlaufträger

    � Bewehrungsführung zu DLT10� zweiachsige Beanspruchung

    ELI Einflusslinien für Durchlaufträger (Kran)

    StabwerkeStabwerkeESK Allgemeines Ebenes StabwerkRS Räumliches StabwerkTRK TrägerrostZusatzmodul für Stabwerke:

    � Bemessung Stabwerke

    Platten + Scheiben Platten + Scheiben PL5 Durchlaufplatten nach Pieper/MartensPLT Platten mit Finiten Elementen, beliebig SC7 Scheiben mit finiten Elementen, rechteckig

    StahlbetonStahlbetonB2 Stahlbetonbemessung - einachsig/zweiachsig

    � Polygonale Bemessung zweiachsig neu!� Querkraft zweiachsig neu!

    B5 Stahlbetonstütze ein- und zweiachsigB6 Nachweis auf Durchstanzen

    B7 TreppenlaufB8 Spannbettbinder B9 StahlbetonkonsoleB10 Ausgeklinktes AuflagerB11 RissbreitenBHA Rotationssymmetrischer BehälterBX Dauerhaftigkeit und Brandschutz

    StahlbauStahlbauATB Antennenberechnung nach DIN 4131BTII Biegetorsionstheorie II. OrdnungPLII PlattenbeulenQ3 Polygonale Querschnitte für zusammengesetzte

    Profile des Stahlbaus S7 Hallenrahmen mit Spannungsnachweis

    inkl. DIN 1055 neuS8 Schornsteine aus Stahl DIN 4133S9 Kranbah