49
KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010 Buchvorstellungen Tagungsbeiträge Geistreich Service Kirchentage Katholische Kirchenreform Gemeinwesendiakonie 1 Dieses Jahr war und ist für das Netzwerk Kirchen- reform vor allem dadurch geprägt, dass wir die Formen der vielfältigen Kooperationen noch wei- ter ausbauen konnten. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München haben wir zusammen mit Basisbewegungen und Reformgruppen wie „Wir sind Kirche“, der „Initiative Kirche von unten“, der Laienbewegung Regensburg u.a. interessante und ebenso stark besuchte Kirchentagsprogramman- gebote veranstalten können. Im Rahmen des KVI- Kongresses haben wir vom Landeskirchenamt bis zum Dietrich-Bonhoeffer-Verein sehr verschiedene Ansätze zur zukünftigen Kirchenfinanzierung an einen Tisch bringen können und eine ebenso leb- hafte wie auch erkenntnisreiche Diskussion erleben dürfen. Und bei der diesjährigen Jahrestagung lei- sten wir einen Beitrag zum Brückenschlag zwischen Mission, Diakonie und verfasster Kirche, indem wir vom 26. bis zum 27. November den Chancen der Gemeinwesendiakonie und den missionarischen Perspektiven für Stadt und Region auf den Grund gehen und im gemeinsamen Austausch Win-Win- Situationen für Diakonie und Kirche sichtbar wer- den lassen. Neben vielen positiven Stimmen gibt es aber auch kritische Rückmeldungen. Arbeiten wir mit der römisch-katholischen Kirchenvolksbewegung zusam- men, wird dem Netzwerk revolutionäres Rebellentum Editorial von Stefan Bölts unterstellt – veranstalten wir Fachtagungen im KVI- Kontext, wird die kommerziell ausgerichtete Anbieter- messe skeptisch beäugt. Berichten wir im Newsletter über Willow-Creek-Studien, verorten Kritiker die He- rausgeber in eine evangelikalen Frömmigkeitskultur – veranstalten wir Tagungen mit offiziellen EKD-In- stitutionen, wird der Vorwurf erhoben, das Netzwerk ließe sich vom Kirchenamt vereinnahmen. Solche Kri- tik nehmen wir konstruktiv auf und durchaus ernst, können diese aber genauso von unserer eigenen Arbeit überzeugt zurückweisen. Ich persönlich sehe den be- sonderen Charme in unserem Netzwerk darin, dass wir themenbezogen mal mit den einen und mal mit den anderen Trägern und Projektpartner zusammenar- beiten können. Austausch und Dialogbereitschaſt Zu vielen Sparten- und Nischenthemen gibt es kirchliche Initiativen und Netzwerke – von Citykir- chenprojekten über die Stadtkirchenarbeit bis hin zu Profilgemeinden wie Jugend- oder Diakoniekirchen, von der charismatischen oder geistlichen Gemeinde- erneuerung bis zum basisorientierten Kirchenvolksbe- gehren, von institutionellen Gemeindeberatern bis hin zu freien Fundraisingverbänden oder den Netzwerken der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste. Ich werte es als fruchtbaren Gewinn für alle Beteiligten, wenn wir auch streitbare Positionen unterschiedlicher Herkunft oder Prägung zusammenbringen und einen konfessionsübergreifenden Lernprozess ermöglichen – von einander wissen und lernen heißt nicht, das je- weils eigene Profil aufgeben zu müssen. Aber genau das heißt auch Ökumene: Streitbare Positionen ne- beneinander stehen lassen – und dennoch die Suche nach dem gemeinsamen Fortschritt nicht aufgeben. Sowie Toleranz und Dialogbereitschaft zur modernen Gesellschaft gehören, kann auch nur die Kirche der Zukunft im Dialog gestaltet werden. Wer sich in den Editorial kirche b ewegen Wir vernetzen Wissen und Ideen Ausgabe 2 / 2010 Das Netzwerk Kirchenreform versteht sich als ökumenische Lerngemeinschaft, die mit Ta- gungen und Workshops die Qualität von Lernprozessen, den interdisziplinären Fach- austausch und die Kooperati- on zwischen Wissenschaft und Praxiserfahrungen in kirch- lichen Reformbewegungen fördert und begleitet. Infor- mationen im Internet unter: www.kirchenreform.de

Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Ausgabe 2/2010 Magazin Kirchenreform mit Beitragen zur Gemeindwesendiakonie, zur KirchenVolksBewegung, zu Kirchentagen und Kirchenmanagement

Citation preview

Page 1: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Gemeinwesendiakonie

1

Dieses Jahr war und ist für das Netzwerk Kirchen-reform vor allem dadurch geprägt, dass wir die Formen der vielfältigen Kooperationen noch wei-ter ausbauen konnten. Auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München haben wir zusammen mit Basisbewegungen und Reformgruppen wie „Wir

sind Kirche“, der „Initiative Kirche von unten“, der Laienbewegung Regensburg u.a. interessante und ebenso stark besuchte Kirchentagsprogramman-gebote veranstalten können. Im Rahmen des KVI-Kongresses haben wir vom Landeskirchenamt bis zum Dietrich-Bonhoeffer-Verein sehr verschiedene Ansätze zur zukünftigen Kirchenfinanzierung an einen Tisch bringen können und eine ebenso leb-hafte wie auch erkenntnisreiche Diskussion erleben dürfen. Und bei der diesjährigen Jahrestagung lei-sten wir einen Beitrag zum Brückenschlag zwischen Mission, Diakonie und verfasster Kirche, indem wir vom 26. bis zum 27. November den Chancen der Gemeinwesendiakonie und den missionarischen Perspektiven für Stadt und Region auf den Grund gehen und im gemeinsamen Austausch Win-Win-Situationen für Diakonie und Kirche sichtbar wer-den lassen.

Neben vielen positiven Stimmen gibt es aber auch kritische Rückmeldungen. Arbeiten wir mit der römisch-katholischen Kirchenvolksbewegung zusam-men, wird dem Netzwerk revolutionäres Rebellentum

Editorialvon Stefan Bölts unterstellt – veranstalten wir Fachtagungen im KVI-

Kontext, wird die kommerziell ausgerichtete Anbieter-messe skeptisch beäugt. Berichten wir im Newsletter über Willow-Creek-Studien, verorten Kritiker die He-rausgeber in eine evangelikalen Frömmigkeitskultur – veranstalten wir Tagungen mit offiziellen EKD-In-stitutionen, wird der Vorwurf erhoben, das Netzwerk ließe sich vom Kirchenamt vereinnahmen. Solche Kri-tik nehmen wir konstruktiv auf und durchaus ernst, können diese aber genauso von unserer eigenen Arbeit überzeugt zurückweisen. Ich persönlich sehe den be-sonderen Charme in unserem Netzwerk darin, dass wir themenbezogen mal mit den einen und mal mit den anderen Trägern und Projektpartner zusammenar-beiten können.

Austausch und Dialogbereitschaft

Zu vielen Sparten- und Nischenthemen gibt es kirchliche Initiativen und Netzwerke – von Citykir-chenprojekten über die Stadtkirchenarbeit bis hin zu Profilgemeinden wie Jugend- oder Diakoniekirchen, von der charismatischen oder geistlichen Gemeinde-erneuerung bis zum basisorientierten Kirchenvolksbe-gehren, von institutionellen Gemeindeberatern bis hin zu freien Fundraisingverbänden oder den Netzwerken der Arbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste. Ich werte es als fruchtbaren Gewinn für alle Beteiligten, wenn wir auch streitbare Positionen unterschiedlicher Herkunft oder Prägung zusammenbringen und einen konfessionsübergreifenden Lernprozess ermöglichen – von einander wissen und lernen heißt nicht, das je-weils eigene Profil aufgeben zu müssen. Aber genau das heißt auch Ökumene: Streitbare Positionen ne-beneinander stehen lassen – und dennoch die Suche nach dem gemeinsamen Fortschritt nicht aufgeben. Sowie Toleranz und Dialogbereitschaft zur modernen Gesellschaft gehören, kann auch nur die Kirche der Zukunft im Dialog gestaltet werden. Wer sich in den

EditorialkirchebewegenWir vernetzen Wissen und Ideen

Ausgabe 2 / 2010

Das Netzwerk Kirchenreform versteht sich als ökumenische Lerngemeinschaft, die mit Ta-gungen und Workshops die Qualität von Lernprozessen, den interdisziplinären Fach-austausch und die Kooperati-on zwischen Wissenschaft und Praxiserfahrungen in kirch-lichen Reformbewegungen fördert und begleitet. Infor-mationen im Internet unter: www.kirchenreform.de

Page 2: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

2

Elfenbeinturm der Vergangenheit zurückzieht und sich diesem Dia-log verweigert, kann für die Kirche von morgen kein relevanter Part-ner sein. Die Zukunft kann nur in konstruktiver Gesprächsbe-reitschaft gestaltet werden. Gera-de auch aus diesem Grund wurde 2001 das Netzwerk Kirchenreform gegründet. Und um die Idee eines „Netzwerks der Netzwerke“ auf-zugreifen, wurden Plattformen zur übergreifenden Vernetzung in Form von Netzwerktagungen, Publikationen und Internetpor-talen ins Leben gerufen. Für viele Plattformnutzerinnen und Ta-gungsteilnehmer ist dabei insbe-sondere der interdisziplinäre Aus-tausch zwischen Theologinnen, Soziologen, Juristinnen und ande-ren Fachvertretern aus Verwaltung und Wirtschaft reizvoll und die Inszenierung gemeinsamer Lern-prozesse gewinnbringend – gerade auch gemeinsam mit den Experten aus Wissenschaft und Kirchen-leitung wie auch den Experten aus der Praxis, den Akteuren und Praktikern an der Basis.

Jubiläum des Netzwerks

Vor diesem Hintergrund ist es um so bedeutsamer, dass das ge-meinsame Engagement im näch-sten Jahr bereits sein zehnjähriges Bestehen feiern kann – dieses Jubiläum wollen wir ganz bewusst mit ganz unterschiedlichen Pro-jekt- und Kooperationspartner während der Frankfurter Buch-messe durch ein Tagungsformat begehen, das individuelle Mitge-staltungsmöglichkeiten eröffnet. Dabei hoffen wir insbesondere auch in unseren eigenen öku-menischen Zielsetzungen weiter voranschreiten zu können.

Selbstverständnis Beispiel EKD

Interessant sind auf evange-lischer Seite die Beobachtungen, das von hierarchischen Strukturen bewusst losgelöste Netzwerk Kir-chenreform werde zunehmend als

Konkurrenz zum EKD-Reformbüro in Hannover gesehen. Zum einen ist dies eine Bestätigung, dass unsere Tagungsergebnisse und die gemein-same Reflexion von Reformprozessen wahr- und ernstgenommen werden. Zum anderen wirft dies notwendi-gerweise Fragen auf, warum hier nicht die Chancen eines fruchtbaren gemeinsamen Weiterdenkens an Re-formthemen gesehen werden: Durch die strukturelle Einbindung kann die „Kirche im Aufbruch“ konkrete Reformprojekte durch die Nutzung von Haushaltsmitteln und anderen strukturellen Ressourcen begleiten. Das Netzwerk Kirchenreform bie-tet hingegen jenen Rahmen, in dem Presbyteriumsvorsitzende und Bi-schöfe gleichermaßen Zukunftsmo-delle weiterspinnen und Modellbei-spiele reflektieren können, ohne dass aus jeder Äußerung gleich strukturelle Verpflichtungen abgeleitet werden. Hier ist jenes freie Denken möglich, das schon „per Definition“ nicht im Rahmen der EKD möglich ist. Dort muss die Institution fast notwendig ihren Schatten auf den Inhalt der De-batten werfen.

Es ist so signifikant wie proble-matisch, dass Impulse schon allein deshalb nicht aufgenommen werden, wenn der Absender ein EKD-Label besitzt. Auch wenn sich so manche Landessynode selbst genug sein mag oder so mancher landeskirchliche Haushalt deutlich größer als der ge-samte EKD-Haushalt: Große Reform-herausforderungen lassen sich nur in gemeinsamer Kraftanstrengung mei-stern und unter einem gemeinsamen Reformkurs verstehe ich persönlich mehr als „Wir beklatschen uns selbst“ -Veranstaltungen wie zuletzt in Kassel. Hier sind alle Ebenen gefragt, denn ich sehe es als ebenso problematisch an, wenn „die EKD“ auf das Kirchenamt in Hannover oder auf ausgewählte Gremien reduziert wird. Ich rufe an dieser Stelle gern den Alternativvor-schlag zum Synodenthema „evange-lisch Kirche sein“ in Erinnerung: Für die evangelischen Akteure unter uns gilt eben nicht nur „Wir sind Papst“, sondern auch „Wir sind EKD.“ Was unter diesem Label gestaltet und um-

gesetzt wird, liegt in der Verant-wortung vieler und darf nicht von wenigen vorgegeben werden. Was im kleinen ABC der Kirchenre-form im Kapitel „Kirchenreform – eine Bewegung von unten?“ noch diplomatisch als rhetorische Frage entfaltet wird, hat Isolde Karle in ihrer jüngsten Publikation „Kirche im Reformstress“ in der ersten ihrer „Zwölf Thesen zur Kirchenreform“ prägnant auf den Punkt gebracht:

„Tendenzen innerhalb der EKD und mancher Kirchenlei-tungen, die Kirche von oben her, top down, zu steuern, widerspre-chen dem Wesen des Protestantis-mus. Evangelische Kirchenleitung ist herausgefordert [statt] von oben von unten her zu denken. Reformvorschläge der Kirchen-leitung müssen deshalb dem of-fenen Diskurs ausgesetzt werden und können nur gelingen, wenn sie von einer breiten Basis un-terstützt, mitgetragen und befür-wortet werden.“

Die schon länger diskutierte Auslotung der Machtverteilung zwischen den EKD-Gremien und die Rolle der Kirchenbündnisse, die von einzelnen noch nicht ein-mal als Kirche verstanden werden, sind meiner Meinung nach ebenso zu diskutieren wie unser Verständ-nis und Selbstverständnis „der EKD“ als Ganzes. Denn der Streit und die Blockadehaltung zwischen den Ebenen behindern nicht nur ein notwendiges gemeinsames Weiterdenken, sondern verkennen auch die Außenwahrnehmung: Von der Kirchenmitgliedschafts-untersuchung bis zu anderen nach außen gerichteten Studien gibt es eine wesentliche Erkenntnis: Nur für die stark kirchlich verwurzelten Menschen ist die Gemeinde vor Ort „die Kirche“ – im Sinne einer Clubmentalität, in der es mitun-ter schwer fällt, über den eigenen Kirchturm hinauszuschauen. Für die in unterschiedlichen Graden distanzierten Glieder und darü-ber hinaus muss schon als Erfolg der „Markensetzung“ angesehen

2011: 10 Jahre Netzwerk KirchenreformIm nächsten Jahr werden wir anlässlich des zehnjährigen Ju-biläums eine Tagung im Kon-text der Buchmesse in Frank-furt am Main veranstalten. Merken Sie sich daher schon einmal vor: 12. - 16. Oktober 2011! Infos in Kürze unter: http://10jahre.kirchenreform.de

Editorial

Page 3: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

3

werden, wenn überhaupt noch der Unterschied zwischen den Konfes-sionen bekannt ist. In der Praxis kommt eben so manches fernste-hende Kirchenmitglied schnell in Verlegenheit, sucht in einschlä-gigen Internetsuchmaschinen nach „seiner“ evangelischen Kirche und meldet sich mit seinen Anliegen im Kirchenamt der EKD, anstatt bei der nicht selten unbekannten Pfar-rerin vor Ort.

Wie geht‘s der Kirchengemeinde

Um so wichtiger ist, dass die Kirche vor Ort, die wie auch im-mer profilierte Gemeinde, auch als gleichwertiges Glied im großen Puzzle der EKD gesehen wird – und vor allem: dass sie (wieder) als „Kirche für andere“ in der Gesell-schaft wahrgenommen wird. Diese Notwendigkeit rückt das aktuelle Forschungsprojekt des Sozialwis-senschaftlichen Instituts der EKD (SI) besonders in den Focus. In den Kirchen gab es schon zu vielerlei Themen Studien und Befragungen, aber noch nie wurde in einer Studie erhoben: „Wie geht’s der Kirchen-gemeinde?“ Die diesjährige Jahres-tagung des SI stand ganz im Zei-chen dieser Gemeindebefragung und hat wertvolle Impulse zusam-mengetragen. Im Februar werden Ergebnisse erster Pilotbefragungen vorliegen. Insgesamt können die in Zukunft in regelmäßigen Zy-klen geplanten Befragungen als wertvolles Instrument dienen, so wie es für die Interessensvertre-tung und Personalentwicklung im Pfarramt die Pastorinnen- und Pastorenbefragungen waren und sind, zu denen in diesem Jahr ein neuer Sammelband mit dem Titel „Pfarrberuf heute“ erschienen ist.

Katholische Kirchenreform

Große Reformbestrebungen stehen nun auch auf dem Banner der deutschen Bischofskonfe-renz. Dies überrascht und kommt dennoch nicht ganz unerwartet angesichts der Tatsache, dass die

römische Schwesterkirche in einer ihrer größten Krisen steckt. Auch wenn die Debatten zum sexuel-len Missbrauch nicht nur in der römischen Kirche zu dem Thema schlechthin geworden sind, trifft es sie insbesondere von einem fast existentiellen Ausmaße. Was nicht verwundert, werden bei ihr der eklatante Widerspruch zwischen moralischem Anspruch und „ge-lebter Praxis“ in besonderer Weise von Medien und Öffentlichkeit wahrgenommen. Der Umgang mit den Opfern sexueller Übergriffe und die Erfolgsaussichten neuer Reformschritte wird freilich unter-schiedlich bewertet, was aber vor allem deutlich vor Augen hält, wie wertvoll eine kritische Begleitung kirchenleitendes Handeln durch die Kirchenbasis ist. Deren Kirchen-VolksBewegung „Wir sind Kirche“ feierte in diesem Jahr das 15-jährige Bestehen. Neben den Berichten sei vor allem die in der Internet-Mediathek des ZDF abrufbare Dokumentation empfohlen, die eines deutlich unterstrichen hat: Es geht längst nicht mehr nur um die Strukturkritik einzelner Idealisten, sondern um den inzwischen bun-desweit in unzähligen Pfarrgemein-deräten verankerten Wunsch nach Erneuerung und der Hoffnung, dass endlich auch umgesetzt wird, was schon im 2. Vaticanum ange-legt worden ist.

Ökumenisches Lernen

Wie die Reformschritte von Erzbischof Zollitsch auch immer ausgehen werden: Hier bietet sich ein ökumenischer Lernprozess. Denn auch für die evangelischen Kirchen können die Debatten zwi-schen Kirchensteuer und Alterna-tivmodellen nur ein Seitenthema sein. Nicht erst Isolde Karle hat festgestellt: „Die eigentliche Krise der Kirche ist nicht eine Finanz-, sondern eine theologische Orientie-rungskrise.“ Damit verwoben sind Erkenntnisse, dass Volkskirchen ebenso wie auch Volksparteien im klassischen Sinne ein Auslaufmo-

dell sind, weil allein schon der An-spruch einer Volksidentität bei der jüngeren Generation, die sich meist als europäische Weltbürger ver-stehen, in Frage gestellt wird. Die Skepsis gegen das Flaggenmeer in den Farben des Hambacher Fests zur Fußball-WM zeigte dies deut-lich.

Der Inhalt von Thilo Sarrazins neuestem Buch ist mit so viel Un-sinn bestückt, so dass es nicht ein-mal im Genre der Phantasy-Litera-tur ernstgenommen werden kann. Doch sein Haupttitel wirft eine Per-spektive auf: Deutschland schafft sich ab. Sarrazin freilich sieht es als Bedrohung, ich will es mal als ge-meinsame Aufgabe verstehen, das Nationaldenken der Ewiggestri-gen zu überwinden. Dieser Ansatz sollte auch für die Reflexion von Kirchenreformdebatten fruchtbar gemacht werden. Bei allem Fort-schritt, diese Themen stärker in einem ökumenischen Kontext zu beleuchten; unser gemeinsamer Austausch greift noch zu kurz:

Die zurückliegende Struktur deutscher Wohlstandskirchen ist sowohl kirchenhistorisch wie auch weltweit eine Ausnahmesi-tuation. Eine so hohe Dichte an Versorgung mit Pfarrstellen oder kirchlichen Einrichtungen hat es nirgends in der Welt jemals zuvor gegeben und wird es in abseh-barer Zeit auch nicht mehr geben können. Wenn sich die beiden Großkirchen in Deutschland vom Überfluss einer Wohlstandskirche zu einer Art „Normalzustand“ zurück entwickeln, mag dies bei den Betroffenen Frustration oder Resignation auslösen; aber es ist nicht der viel beschworene Unter-gang des christlichen Abendlandes. Übrigens auch nicht die Äußerung des Bundespräsidenten, dass die dritte abrahamietische Weltreligi-on selbstverständlich auch längst zu Deutschland gehört, losgelöst von der Debatte unserer jüdisch-christlichen Wurzeln (die nebenbei bemerkt unübersehbar selbst auch zu den Wurzeln des Religionsstif-ters des Islams gehörten).

Editorial

Wie geht‘s der Kirchenge-meinde? Quantitative Befra-gung von Kirchenvorständen und Pastoren (SI - Panel)Ziel der Beragung ist, Er-kenntnisse über die aktuelle Situation in Kirchengemein-den zu gewinnen. Wo drückt der Schuh? Was sollte getan - oder vielleicht auch besser gelassen werden? Was stärkt Initiativen und Engagement - und was behindert sie eher? Mehr zum Projekt im Web:www.ekd.de/si/projekte/15175.html

oder unter: www.si-ekd.de

Page 4: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

4

Kirchenreform weltweit

Wir kommen nicht umhin den Blick noch weiter nach außen zu öffnen und den Horizont noch weiter zu strapazieren: Warum wächst der Katholizismus auf der Südhalbkugel, während er auf der Nordhalbkugel auf dem Rück-marsch ist? Warum haben vor allem evangelikale Bewegungen im Fernen Osten den größten Zulauf? Und was lernen wir strukturell von dem Phänomen, dass die Pfingst-

bewegung die weltweit am stärkten wachsende religiöse Bewegung ist? Charisma ist keine Bedrohung – Vo-kabel und Inhalt lassen sich modifi-ziert füllen. Ebenfalls ist klar: Beiden deutschen Großkirchen fehlt unver-kennbar das authentische Charisma. Ob Bill Hybels oder Desmond Tutu – wir müssen uns die Inspiration von außen einfliegen. Wir sind bei Barth, Bultmann und Bonhoeffer stehen geblieben – auch in punkto Innova-tion sind wir ein Einwanderungsland, da helfen uns auch keine Denkmäler

an Johann Wolfgang von Goe-the oder Johann Sebastian Bach. Reformerfahrungen im interna-tionalen Kontext zu reflektieren geht über ein „Kirche der Freiheit weltweit“ weit hinaus. Praxisbei-spiele aus der Anglikanischen Kir-che aufzuarbeiten, wie es das In-stitut für Gemeindeentwicklung und Evangelisation in Greifswald vorgenommen hat, sind weiter-führende Schritte. Aber der Weg ist noch lang und der Schritte noch viele zu tun.

In alle Welt – mit aller Welt ? Gemeinwesendiakonie und missionarische Perspektiven für Stadt und RegionJahrestagung des Netzwerks Kirchenreform in Kooperation mit dem Zentrum „Mission in der Region“ der EKD und der Initiativgruppe Gemeinwesendia-konie von EKD/ DWEKD vom 26. - 27. November 2010 in Wiesbaden

Gesellschaftliche Veränderungen haben Auswirkung auf die Neu-gestaltung städtischer und länd-licher Räume. Sie bestimmen den Diskurs von Stadt- und Regionalentwicklung auch in so-zial-kultureller Dimension. Das stellt auch Kirche und Diakonie im lokalen Gemeinwesen – im Kiez, Quartier und Viertel oder in dörflichen Gemeinden – vor neue Herausforderungen.

Für die Öffentlichkeit legiti-miert sich Kirche – wenn es gut geht – durch Diakonie; Mission nimmt sie als Ärgernis wahr. Die Kirche sieht sich selbst vor allem als Ortsgemeinde. Wo Diakonie als professionelle Unternehmensdiakonie erlebt wird und Mission an missiona-rische Werke ausgelagert zu sein scheint, verblassen sie als eigene Handlungsfelder.

Tatsächlich fordern gesell-schaftliche Veränderungen die Kirche als Teil der Zivilgesell-schaft im Ganzen heraus. Der Rückzug aus der Fläche oder aus Problemvierteln ist keine Alter-

native. Wo sich Diakonie und Kir-che sowie weitere zivilgesellschaft-liche Akteure zurückziehen, füllen andere die Lücken – nicht selten Gruppierungen mit extremistischen Weltanschauungen. So wächst der Anspruch an die Kirchen, den Zu-sammenhalt zu gestalten.

Spielt der Gedanke der „inneren Mission“ dabei noch eine Rolle, und was könnte es heißen, gemeinsam mit Wort und Tat für das Evange-lium einzutreten und Gott in der Stadt zu bezeugen? Wie kann da-bei der Brückenschlag zwischen professioneller Diakonie und ver-fasster Kirche gelingen? Lassen sich gemeinsame Handlungsoptionen entwickeln, die Gemeinwesendia-konie mit „Mission in der Region“ verbinden?

Wir wollen diesen Fragen auf der Tagung nachgehen, indem wir im Vorfeld der diesjährigen „Brot für die Welt“ - Eröffnungsveranstal-tung von Erfahrungen und gelun-genen Beispielen ein gemeinsames Lernen ermöglichen und dabei Denkgrenzen überschreiten – zwi-schen Kirche und Diakonie, zwi-

schen Mission und Weltverant-wortung, zwischen Ökonomie und Zivilengagement.

Unsere gemeinsame Tagung - setzt die Konsultationen

zum Themenfeld Gemeinwe-sendiakonie fort und greift dabei auf Beratungsergebnisse zurück, die seit zwei Jahren unter dem Motto „Kirche findet Stadt“ zu-sammen getragen werden.

- Unter der Perspektive ak-tueller Reformdiskussionen geht es um die Frage, wie sich eine missionarische „Theologie der Region“ entwickeln lässt, um den notwendigen Mentalitäts-wechsel innerhalb der Kirche zu gestalten.

- Damit verbindet sich der Fachaustausch zum Thema „Regionalisierung“ im Reform-netzwerk, der die Ergebnisse der Netzwerktagung zur kirchlichen Finanzierung in der Region auf-greift.

Informationen zur Anmel-dung und Anreise sind im Web unter www.netzwerktagung.de abrufbar.

Der interdisziplinäre Aus-tausch während der Jahres-tagung 2010 soll nicht nur Praxis und Wissenschaft ins Gespräch bringen, sondern will auch selbst ein gemein-samer Lernprozess sein, in dem wir zusammen mit un-seren Kooperationspartnern Win-Win-Situationen für Diakonie und Kirche sicht-bar werden lassen.

weitere Informationenzur Jahrestagung im Web unter: www.netzwerktagung.de

Editorial

Page 5: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

5

Impressum

Redaktion (ViSdP): Stefan Bölts <stefan.boelts(at)netzwerkkirchenreform.de>

Redaktionsadresse: NWKR, Stefan Bölts, Auf‘m Hennekamp 4, 40225 Düsseldorf

Autoren dieser Ausgabe: Leonardo Boff, Stefan Bölts, Gernot Facius, Bernd-Michael Haese, Dietgard Heine, Martin Horstmann, Isolde Karle, Monika Schulz-Linkholt, Christina Matschke, Wolfgang Nethöfel, Elke Neuhausen, Uwe-Karsten Plisch, Ralf Peter Reimann, Uta Pohl-Patalong, Claudia Pfrang, Susanne Reuter, Christoph Römhild, Johannes Röser, Anna-Konstanze Schröder, Till Schümmer, Alexander Stock, Christian Weisner, Thomas Wystrach.

Vertrieb: Sie können dieses Magazin auf der Internetseite des Netzwerks Kirchenreform online abonnieren und auch wieder abbestellen: www.kirche-bewegen.de

Spendenkonto: Netzwerk Kirchenreform, Kto.-Nr. 100 5800 964 Stadtsparkasse Düsseldorf, BLZ: 300 501 10 Verwendungszweck: „Spende Magazin Kirchenreform“

InhaltIn dieser Ausgabe lesen Sie...

Editorial

Editorial von Stefan Bölts ............................................................................S. 1In alle Welt – mit aller Welt ? .......................................................................S. 4Stichwort Gemeinwesendiakonie - ein Beitrag von Martin Horstmann ....S. 6Mutig mittendrin. Gemeinwesendiakonie in Deutschland .....................S. 8Deutsche Bischöfe wollen Reformen in der Kirche ................................S.9Die Angst der Kirche vor der Erneuerung ...................................................S.11Wo liegt die wahre Krise der Kirche? - von Leonardo Boff .....................S.1315 Jahre die Kirche bewegt und weiter auf Konzilskurs: Jubiläum ........ S.14Wir hatten Hoffnung – ein Rückblick auf den 2. ÖKT .........................S.16Kontrollierte Ökumene ohne Hoffnung – doch der Geist weht, wo er will..S.18Kein „Zentrum Gemeinde“ in Dresden ..............................................S.21Kein gemeinsames Forum für Reform-Gruppen auf dem Kirchentag 2011.S. 22Wir brauchen mehr Dialog und Mut zur Debatte ........................................S.23Zwischen den Kirchentagen: Zeit zur Besinnung? ......................................S.24Fragen eines lesenden Katholikentagsbesuchers ........................................S.25Fachworkshop Kirchenmanagement ..........................................................S.26Bonhoeffer: Bis heute eine Herausforderung für die Kirche .................S.27Reform-Aktions-Tag in Hammelburg ..................................................S.28Neuer Beratungsansatz: Zentrum für Systemisches Fundraising ............S.29„Die Bischöfe müssen mit uns rechnen“ ......................................................S.30Der Essener Hahnenschrei ...........................................................................S.31Die Praxis-Plattform „geistreich“ der EKD ...........................................S.32Das kleine ABC der Kirchenreform. Eine Einführung ............................S. 34Zwölf Thesen zur Kirchenreform von Isolde Karle .....................................S.35Kirche im Reformstress - Eine Buchvorstellung ........................................S.37Volkskirche weiterdenken - Eine Buchvorstellung ........................................S.43Literaturhinweise ....................................................................................S. 44Erwachsene glauben – Kirche kann das fördern – aber wie !? ...........S.46 Wie finden Erwachsene zum Glauben? - Eine Buchvorstellung ..............S.47Pfarrerinnen- & Pfarrerbefragungen als Tool ...............................................S.48Veranstaltungshinweise .................................................................................S.49

Helfen Sie mit! Vernetzung und der gemein-same gewinnbringende Aus-tausch von Ideen ist eine der Zielsetzungen, die das ökumenische Netzwerk Kir-chenreform seit nun mehr als neun Jahren verfolgt. Helfen Sie mit und weisen Sie andere Interessenten auf unsere Netz-werkarbeit und Tagungen hin! Beteiligen Sie sich mit eigenen Beiträgen und Rezensionen oder schlagen Sie Literatur-, Material- oder Veranstaltungs-hinweise vor. Weitere Infos fin-den Sie im Internet unter: www.kirchenreform.de

Page 6: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

6

GemeinwesendiakonieStichwort Gemeinwesendiakonievon Martin Horstmann

Der Begriff Gemeinwesendiakonie wird zunehmend verwendet – aber was meint Gemeinwesendiakonie genau? Dieser Beitrag zielt auf eine Vergegenwärtigung und Präzisierung des Begriffs der Gemeinwesen-diakonie: Was wird unter dem Begriff Gemeinwesendiakonie verstanden? Welche Entwicklungen führen zur Konjunktur der Gemeinwesendiakonie? Welche Akteure – Menschen, Organisationen, Institutionen – sind bei gemeinwesendiakonischem Engagement wesentlich beteiligt? Welche aktuellen (diakonischen) Fachkonzepte haben eine Nähe zum Ansatz der Gemeinwesendiakonie? Welche Punkte müssen reflektiert werden, wenn gemeinwesendiakonisches Handeln als kirchlich-diakonisch Strategie verstanden werden soll?

1. Definition und Grundverständnis

Gemeinwesendiakonie beschreibt „eine Gestalt kirchlich-diakonischer Arbeit, die von Kirchenge-meinden und Kirchenkreisen, von diakonischen Diensten und Einrichtungen gemeinsam getragen wird und in der mit weiteren Akteuren kooperiert wird. Sie nimmt den Stadtteil in den Blick, orientiert sich an den Lebenslagen der Stadtteilbewohner und öffnet sich so zum Gemeinwesen hin. Gemeinsames Handeln von verfasster Kirche und organisierter Diakonie setzt eine strategische Zusammenarbeit voraus, um Klienten-, Mitglieder und Gemeinwe-senorientierung in Balance zu bringen“.

Der Begriff Gemeinwesendiakonie ist neu. Von der Sache her gibt es bereits vielfältige gemeinwe-sendiakonische Aktivitäten und Erfahrungen, ohne sie explizit als Gemeinwesendiakonie zu bezeich-nen. So wird zum Beispiel im Diakonischen Werk Hamburg bereits seit über zehn Jahren nach dem dort entwickeltem Konzept der Stadtteildiakonie gearbeitet, das genau dem gemeinwesendiako-nischen Ansatz entspricht .

Zum ersten Mal tauchte der Begriff Gemeinwe-sendiakonie 2007 in dem Diakonie-Text Handlungs-option Gemeinwesendiakonie auf. Seitdem hat er eine rasche Verbreitung in Diakonie und Kirche erfahren. Im September 2008 fand in Hannover eine „Konsul-tation Gemeinwesendiakonie“ statt, im Herbst 2009 wurden auf der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel 12 Thesen zur Gemeinwesendiakonie vorgestellt. Im Januar 2010 befasste sich die Tagung „Kirche findet Stadt“ in der Evangelischen Akademie Hofgeismar mit den Chancen und Möglichkeiten der Gemein-wesendiakonie. Auf dem zweiten Ökumenischen Kirchentag in München im Mai 2010 luden die neu eingerichtetw Netzwerkstelle Gemeinwesen-diakonie und das Referat Sozialräumlicher Arbeit des Deutschen Caritasverbandes zur Veranstaltung „Kirche Mittendrin – Von der Gemeinwesendiako-nie zum Community Organizing“ ein.

Der Diakonie-Text Handlungsoption Gemein-wesendiakonie sieht in der Diakonie nicht nur einen sozialen Dienstleistungsanbieter, sondern einen Ak-

teur, der soziale und kulturelle Verantwortung für die Stadt übernimmt: Diakonie soll sich aktiv als Partner mit anderen Trägern an der sozialen Stadt-entwicklung beteiligen und so zum Mitgestalter des Sozialraums werden. Denn Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen „stellen ein Potenzial zur Verfügung, das die soziale Infrastruktur einer Stadt stärkt und das nachbarschaftliche Miteinander in den Wohnquartieren ausbildet“. Den Anlass für diese Betrachtungsweise hat vor allem das Bund-/Länderprogramm „Soziale Stadt“ gegeben, das so-zialraumorientierte Maßnahmen im nicht-baulichen Bereich fördert. Gemeinwesendiakonie will nicht erst auf soziale Notlagen reagieren, „sondern ak-tiv daran mitarbeiten, funktionierende Sozialräume zu gestalten und Notlagen zu verhindern“. Mitwir-kungs-, Selbsthilfe und Teilhabechancen sollen ge-fördert werden.

Die Ausrichtung der kirchlich-diakonischen Akteure auf das Gemeinwesen will sowohl die Ressourcen des Gemeinwesens nutzen, als sie auch stärken und ausbauen helfen. Das Quartier bietet einen Nutzen für die diakonischen und kirchlichen Einrichtungen im Stadtteil – und umgekehrt bieten diese Einrichtungen wiederum einen Gewinn für das Quartier und seine Bewohner. Das Gemein-wesen ist Belastung und Chance zugleich, der So-zialraum ist sowohl „Kulisse wie Ressource“. Der Stadtteil muss daher einerseits befähigt werden und andererseits wirkt er selbst befähigend. Ziel ist es, Quartierseffekte zu erzielen. Dabei sind Kirche und Diakonie auf die Kooperation mit nicht- und an-derskonfessionellen Akteuren angewiesen.

Gemeinwesendiakonie beschreibt eine gemein-same Strategie von verfasster Kirche und organi-sierter Diakonie, bei der kirchliche und diakonische Einrichtungen „eng miteinander und mit anderen Akteuren im Stadtteil kooperieren“. Das Zusam-menspiel von diakonischer Gemeinde und gemein-wesenorientierter Diakonie bildet so Gemeinwe-sendiakonie. Bereits in der EKD-Denkschrift Herz und Mund und Tat und Leben, 1998 zum 150-jährigen Diakonie-Jubiläum veröffentlicht, sind deutliche Anklänge an die Idee der Gemeinwesendiakonie zu

Martin Horstmann ist nach seinen Tätigkeiten als Wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Di-akoniewissenschaftlichen Insti-tut der Universität Heidelberg, als Mitarbeiter in der Suchthilfe im Diakonischen Werk Herford und als Dozent für Diakonik in Bielefeld seit 2008 im Sozial-wissenschaftlichen Institut der EKD in Hannover tätig.

Page 7: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

7

erkennen. Die Denkschrift ermutigt, Innovationen zu wagen und neue Modelle zu erproben. In die-sem Sinne sollen die Distanz zwischen Kirchenge-meinden und diakonischen Handlungsfeldern über-wunden, der unmittelbare Kontakt zu den von Not Betroffenen verbessert, die diakonischen Organisa-tionen besser an den Bedürfnissen der Betroffenen ausgerichtet und die Vernetzung mit außerkirch-lichen Initiativen gefördert werden. Dies entspricht dem Ansatz der Gemeinwesendiakonie.

Während Gemeinwesenorientierung ein be-schreibender Begriff ist – er bezeichnet schlicht und einfach die „Öffnung einer Institution zum Stadtteil hin, um deren Arbeit effektiver zu machen“ – ist Gemeinwesendiakonie ein programmatischer Be-griff, der von der Gemeinwesenorientierung als Basisannahme ausgeht, diese aber als kirchlich-di-akonische Strategie versteht. Gemeinwesendiakonie ist somit weniger ein konkreter Handlungsansatz als vielmehr ein Diakonieverständnis. Gemeinwesendi-akonie ist anschlussfähig an Handlungskonzepte, die sich auf den Stadtteil beziehen und von kirch-lich-diakonischen Akteuren übernommen werden. Gemeinwesendiakonie schließt an die Tradition der Gemeinwesenarbeit an, die Begriffe sind aber nicht kongruent.

Gemeinwesendiakonisches Handeln kann somit als gemeinwesenorientiertes Handeln, als gemeinsames Handeln von verfasster Kirche und organisierter Diakonie und als strategisches Handeln der beteili-gten Akteure verstanden werden.

Den Paradigmenwechsel in Richtung Sozial-raumorientierung, stärkerer Berücksichtigung der lebensweltlichen Kontexte, der Einbezug von in-

formellen Netzwerken, von Selbsthilfe und bür-gerschaftlichem Engagement und die Suche nach neuen Kooperationspartnern, die auch über die Grenzen der kirchlichen und diakonischen In-stitutionen hinausreichen, bezeichnete Theodor Strohm 1998 mit der Programmformel „Wichern drei“. Wolfgang Huber (Das Profil der Diakonie im gesellschaftlichen Umbruch. Zehn Thesen, Berlin 2000) greift diesen Gedanken auf: „‚Wichern III‘ bedeutet im Kern eine neue Verhältnisbestimmung zwischen Diakonie und Gemeinde. Die Einbindung diako-nischer Einrichtungen in den kirchlichen Lebens-zusammenhang der Region, in der sie beheimatet sind, sollte eine neue Priorität erhalten“. Strohms Ansatz entspricht inhaltlich in weiten Teilen der Idee der Gemeinwesendiakonie; der bereits er-wähnte Diakonie-Text Handlungsoption Gemeinwe-sendiakonie bezieht sich dann auch explizit hierauf. Das von Strohm Ende der 1990er Jahre beschrie-bene Grundverständnis organisierter Diakonie setzt sich de fato erst allmählich durch, auch wenn alle „Ideen-Bausteine“ spätestens seit den 1970er Jahren vorliegen.

2. Entwicklungen und Bezüge3. Akteure4. Bezüge zu aktuellen Fachprogrammatiken im

Bereich der Diakonie5. Gemeinwesendiakonie als stratgeischer Ansatz

Fortsetzung und Literaturhinweise im vollständigen Beitrag als PDF-Dokument unter: http://diakonisch.files.wordpress.com/2010/06/stichwort-gemeinwesendiakonie.pdf

Gemeinwesendiakonie

Dossier Gemeinwesendiakonie:Stadtteildiakonie baut Mauern ab (2005), Handlungsoption Gemeinwesendiakonie (2007), Konsultation Gemeinwesen-diakonie (2008), Kirche mit-tendrin (2009), Kirche findet Stadt (2010) - Dokumente und Beiträge im Dossier Ge-meinwesendiakonie im Blog von Martin Horstmann: www.diakonisch.de

Diakonie dürfe nicht bei Nächstenliebe stehen bleiben, sie müsse sich auch sozialpolitisch engagieren, so ließe sich das Programm »Wichern zwei« von Eugen Gerstenmaier aus der Zeit nach 1945 kurz charakterisieren. Ein Jahrhundert zuvor hatte Johann Hin-rich Wichern den Protestantismus auf die Notwendigkeit und Dimensionen der „rettenden Liebe“ (quasi „Wichern eins“) hin-gewiesen. Beiden gemeinsam war der Ansatz, diakonische Arbeit weiter zu entwickeln im Hinblick auf die Gegebenheiten und He-rausforderungen ihrer jeweiligen Gegenwart. Aus diesem Impuls entsprang 50 Jahre später die Programmformel »Wichern drei«, die Theodor Strohm 1998 skizzierte, ein Diakonieverständnis, das den Sozialraum in den Mittelpunkt der Reflexion rückt. Es geht dabei um die stärkere Berücksichtigung der lebensweltlichen Kontexte, den Einbezug von informellen Netzwerken, von Selbsthilfe und bürgerschaftlichem Engagement und die Suche nach neuen Kooperationspartnern, die auch über die Grenzen der kirchlichen und diakonischen Institutionen hinausreichen. Dieses Buch verknüpft die gemeinsamen Linien von »Wichern

drei« und »Gemeinwesendiakonie« miteinander und fördert die gemeinwesendiakonische Praxis. Volker Herrmann / Martin Horstmann (Hg.): Wichern drei - gemeinwesendiakonische Impulse;Neukirchener Verlagsgesellschaft, 240 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-7887-2457-3, 29,90 EUR

Page 8: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

8

Mutig mittendrinGemeinwesendiakonie in Deutschlandvon Martin Horstmann und Elke Neuhausen

Bei gemeinwesendiakonischen Aktivitäten rücken Stadtviertel, Quartier und Kiez ins Interesse von Di-akonie und Kirche. Die unterschiedlichsten Akteure im Stadtteil vernetzen sich dabei miteinander und stärken die Ressourcen des Stadtteils und seiner Bewohner. Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD (SI) hat von Sommer 2008 bis Ende 2009 sechs gemeinwesendiakonische Standorte in Deutschland unter-sucht (siehe http://www.lit-verlag.de/isbn/3-643-10750-3 ). Die Ergebnisse werden in sieben Abschnit-ten präsentiert: Gemeinwesenorientierung und Stadtteilbezug, Entstehung und Entwicklung, Gestaltung der Kooperationen, kirchliche und diakonische Akteure, Vielfalt an Ressourcen, Prozessqualitäten der Gemeinwesendiakonie und das Selbstverständnis der Gemeinwesendiakonie. kirche bewegen druckt die abschließenden „Empfehlungen an Kirche und Diakonie“ (S. 43-45) leicht gekürzt ab:

Empfehlungen aus der Studie „Mutig mittendrin“ an Kirche und Diakonie zur Gemeinwesendiakonie

Empfehlung 1: Personen und Gestalter

Die Menschen, die sich in gemeinwesendiako-nischen Initiativen engagieren und diese vorantrei-ben, prägen die Gemeinwesendiakonie nachhaltig. Dem gestaltenden Potenzial dieser „En-trepreneur-Persönlich-keiten“ muss Raum ge-geben werden. Kirche und Diakonie müssen diesen Menschen die Türen öffnen und sich auf sie einlassen.

Empfehlung 2: Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter

Bei der Ausbildung kirchlicher Mitarbeiter sollte das Gemeinwesen und eine Sozialraumori-entierung (wieder?) stärker in den Blick genommen werden. Zur Grundausstattung dieser Mitarbeiter – in der Regel Pfarrer/innen und Sozialarbeiter/innen – muss das Einmaleins der klassischen Gemeinwe-senarbeit zählen. Darüber hinaus müssen sie auch die Besonderheiten kirchlicher Kontexte kennen, wie beispielsweise die Nutzung des sozialen Kapi-tals in kirchlichen und diakonischen Netzwerken.

Empfehlung 3: Kooperationsfähigkeit von Kirche und Diakonie

Der Blick für das Gemeinwesen bedeutet für Kirche und Diakonie, dass sie ihre Mitglieder- und Klien-

tenorientierung um eine Gemeinwesenorientierung ergänzen. Dazu sollten sich Kirche und Diakonie auch weiteren Akteuren im Stadtteil öffnen. Diako-nie und Kirche müssen stärker kooperationsfähig werden – sowohl gemeinsam miteinander, als auch mit anderen im Sozialraum.

Empfehlung 4: Gemeinwesendiakonie braucht (auch) eigene Mittel

Um Gemeinwesendiako-nie als langfristige Strategie zu etablieren, ist es wich-tig, die Abhängigkeit von Drittmitteln zu reduzieren. Projekt- und Fördermittel werden vor allem für An-schubfinanzierungen be-nötigt. Gleichzeitig sollten sich Diakonie und Kirche bemühen, Eigenmittel be-reitzustellen. Gerade wenn die Gemeinwesendiakonie

als ein strategischer Prozess verstanden wird, sollte es nicht eine zu starke Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln geben.

Empfehlung 5: Strukturen bewahren und ausbauen

Gemeinwesendiakonie will keine bestehenden fach-lichen Strukturen ersetzen. Diese müssen erhalten bleiben. Die Gemeinwesendiakonie kann zum Teil auf bereits bestehende kirchlich-diakonische Struk-turen zurückgreifen (wie beispielsweise die Kirchen-kreissozialarbeit). Diese sollten mehr geschätzt und gefördert werden.

Martin Horstmann, Elke NeuhausenMutig mittendrin. Gemein-wesendiakonie in Deutschland. Eine Studie des Sozialwissen-schaftlichen Instituts der EKDDas Buch ist 2010 als 2. Band der Reihe: SI Konkret im LIT Verlag erschienen: 72 Seiten, broschiert, 12,90 EUR (D), ISBN 978-3-643-10750-3.

Gemeinwesendiakonie

Page 9: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

9

Deutsche Bischöfe wollen Reformen in der KircheAus dem Herbst der Kirche 2010 soll ein neuer Frühling werden 2012

von Johannes Röser

Was folgt aus der tiefen Vertrau-enskrise der katholischen Kirche? Thomas Assheuer befürchtet in

der „Zeit“ (16. September) eine römische Verfestigung des An-timodernismus. Zwar hat Papst Benedikt XVI. betont, dass die jüngsten Skandale - insbesonde-re der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Priester - aus der Kirche selbst kommen. Dennoch sehe er die geistesgeschichtlichen Ursachen in einer zu starken An-passung an den Zeitgeist, an die säkulare Gesellschaft, ihren Libe-ralismus und moralischen Verfall, ihre gottlose Verkommenheit. „Die Zeichen stehen erneut auf Rückzug vom ‚Geschwätz‘ der heillosen Welt“, vermutet Ass-heuer und nennt als Beleg viele Entscheidungen des Vatikans, die ausschließlich den beharrenden, traditionalistischen Kräften ent-gegenkommen, während die seit

Jahrzehnten vom Kirchenvolk angemahnten Reformbestre-bungen anhaltend ignoriert und

blockiert werden. „All dies spricht für eine Strate-gie der machtge-schützten Weltver-neinung, für den Exodus aus dem ‚Ägypten‘ der Mo-derne, der Epoche von ‚Verirrung und Verwirrung‘.“

Ganz andere - überraschende, ja außerordentlich positive - Signale kommen dagegen von der jüngsten Vollversammlung der deutschen Bi-schofskonferenz. Die Katholische Nachrichten-A-

gentur meldet: „Der Ruf nach Reformen in der katholischen Kirche wird auch im Kreis der deutschen Bischöfe lauter … Intern und auch in Interviews werden ‚heiße Eisen‘ angespro-chen.“ Der gastgebende Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermis-sen sprach von einer „Stau-Situ-ation“. Es gebe viele Fragen, die schon lange reif seien, diskutiert zu werden - von der Sexualmoral über die nur im lateinischen Teil der katholischen Kirche geltende Verpflichtung von Gemeinde-priestern zur Ehelosigkeit bis hin zum Umgang mit wiederver-heirateten Geschiedenen. Diese Probleme kämen jetzt geradezu eruptiv zur Sprache.

Kardinal Karl Lehmann von Mainz nannte in einem Inter-

view ebenfalls diese Themenblö-cke. Sie seien zwar auseinander zu halten, aber zugleich müsse man schauen, „dass man sie mutig und offen angeht“. Die Antworten wisse man nicht von vornherein. „Aber es muss eine verlässliche und überzeugende Antwort sein.“ Lehmann gab zu erkennen, dass man dafür das Gespräch mit Rom braucht und offenbar suchen will.

Robert Zollitschs Fuldaer Rede

Die Initialzündung für die plötzliche Bewegung innerhalb der Bischofskonferenz ging von dem sehr beachtenswerten Er-öffnungsreferat des Vorsitzenden Robert Zollitsch aus. Seltsamer-weise hat diese richtungswei-sende, geradezu wie ein Befrei-ungsschlag wirkende Rede des Freiburger Erzbischofs in den Medien bisher noch kein größe-res Echo gefunden. Sie verdient es aber, in der Breite des Gottes-volkes aufgenommen zu werden, auch wenn sie sich zunächst ein-mal als eine Art Gewissenserfor-schung an die bischöflichen Kol-legen wendet. Der Titel lautet: „Zukunft der Kirche - Kirche für die Zukunft. Plädoyer für eine pilgernde, hörende, dienende Kirche“.

Gleich zu Beginn erklärt Zollitsch, dass das Evangelium Jesu Christi in den Dingen dieser Welt zwar nicht aufgeht und dass die Kirche in unserer Gesellschaft manchmal wie fremd erscheint. Doch sei den Glaubenden aufge-tragen, „in dieser Welt zu wirken und so in ihr auch ein Stück weit heimisch zu werden“. Entschie-den betont der Erzbischof die

Katholische Kirchenreform

Johannes Röser, geboren 1956, studierte Theologie in Freiburg und Tübingen, ist seit 1995 Chefredakteur der Zeitschrift Christ in der Gegenwart und Herausge-ber zahlreicher Bücher. Seine Schwerpunkte sind Religion, Theologie, Gesellschaft, Na-turwissenschaften, Lateina-merika und Afrika. Informati-onen im Internet unter: www.christ-in-der-gegenwart.de

Page 10: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

10

Katholische Kirchenreform

Impulsreferat des Vorsitzen-den der Deutschen Bischofs-konferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, Dokumente und Pressemitteilungen zum Abschluss der Herbstvollver-sammlung unter www.dbk.de

Geschichtlichkeit: „Christlicher Glaube ist Pilgerschaft. Dazu gehört Aufbruch. Pilgerschaft und Aufbruch vertragen sich nicht mit Sesshaftigkeit … Dem Leben der Kirche sollen wir ein neues Gesicht geben. Stagnation wäre Verrat. Nicht wir dürfen auf die Welt warten, als müsse diese zu uns kommen. Vielmehr müssen wir zur Welt gehen: zum Menschen von heute.“ Zollitsch verweist auf das bahnbrechende Zweite Vatikanische Konzil, an dessen Eröffnung vor einem halben Jahrhundert 2012 erin-nert wird: „Das Reich Gottes gewinnt Realität im Gang durch die Geschichte und beim Zug in die immer neue Fremde.“ Die Glaubensgemeinschaft dür-fe stolz sein auf ihre Tradition, auf gefestigte Überzeugungen und Orientierungen. „Und doch dürfen wir uns nicht einrichten in ihnen.“

Energisch ruft Zollitsch die Kollegen im Bischofsamt auf, al-les zu tun, um wieder Vertrauen zu gewinnen. „Wir haben Zwei-fel aufkommen lassen an der Ernsthaftigkeit und Lauterkeit unseres Redens und Tuns.“ Man habe „noch mehr zu lernen, eine Kirche des Hörens zu sein“. Die bohrenden Zweifel an verschie-denen Lehren der Kirche seien aufrichtig zu bedenken, etwa im Bereich der menschlichen Sexu-alität. Viele Katholiken stellten die Ehelosigkeit der Priester in der lateinischen Kirche massiv in Frage, sie nähmen Anstoß an manchen Positionen in der Öku-mene. Über all das könne und dürfe die Kirchenleitung nicht hinweggehen, auch nicht über manchen Vorwurf, dass „unse-re eigene Lebenswelt“ zu weit entfernt sei „von der Lebenswelt der Menschen“. Verschlossen-heit und Realitätsferne führten zu Hartherzigkeit. Dann leidet darunter auch der Kern des Religiösen, das Geheimnis des Glaubens, der Bezug zu Gott. „Vielleicht vergessen wir die

transzendenten Quellen, aus denen die Kirche lebt. Es wäre eine Selbst-säkularisierung, würden wir in der Kirche vor allem ihren Einsatz für die Gerechtigkeit und die effiziente Organisation der Pastoral hervorhe-ben und dabei das göttliche Licht unter den Scheffel stellen, das darin leuchtet. Denn Gebet und Liturgie, Verkündigung des Glaubens und Zuwendung zu den Menschen in Not offenbaren nicht nur Mensch-liches, sondern Göttliches.“

Nicht Rückzug aus der Moder-ne, sondern Hinwendung zu den Zeichen der Zeit sei notwendig. Zollitsch ermuntert: „Die Wahr-heit des anderen aufnehmen und sie vom anderen hören: Vielleicht müssen wir die Chance und Heraus-forderung des Dialogs noch stärker wahrnehmen und schätzen. Um so weit und weltoffen zu werden…“

Gewissenserforschung

Die Fuldaer Rede schlägt der Kirchenleitung wie der Kirche ins-gesamt einen „Reflexionsprozess“, einen „neuen, gemeinsamen und zielgerichteten Gesprächsprozess“ vor. Er werde gelingen, wenn man offen und angstfrei miteinander spricht. Den Amtsbrüdern redete Zollitsch freimütig ins Gewissen: „Der neue Aufbruch, den wir su-chen, beginnt bei uns selbst! Wir brauchen eine vertiefte Selbstver-gewisserung über uns selbst, beson-ders darüber, was wir als Bischöfe zu tun haben: im eigenen Bistum, in der Bischofskonferenz und in der Weltkirche, auch in Bezug auf die Einheit mit unserem Heiligen Vater. Wir haben diese Reflexion über uns selbst bislang eher selten angestellt. Auch nicht über unser Kommunika-tionsverhalten. Unsere öffentliche wie auch die interne Kommunikati-on war nach meinem Eindruck im ersten Halbjahr nicht gerade vom Gedanken der Communio geleitet.“

Mehr als nur Reparaturen

In den Gesprächsprozess sollen die Laien intensiv eingebunden wer-

den, insbesondere über das Zen-tralkomitee der deutschen Ka-tholiken, über die Diözesanräte und Verbände. Zollitsch bejaht damit den schon seit längerem vorgetragenen Wunsch der Lai-engremien, dass es ein kirchliches wie religiöses Zukunftsgespräch geben muss. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz bestätigt ebenfalls, dass sich im Lauf der Jahre enorme Unruhe, Unmut, ja Zorn in Kirchenvolk wie Klerus aufgestaut haben. „Wir spüren in vielen Zuschriften, Leserbriefen, Artikeln und noch mehr in den persönlichen Gesprächen, dass viele Priester, Diakone, Ordens-leute und Laien unsicher gewor-den sind. Wir machen aber auch die Erfahrung, dass viele von ihnen mit großem Ernst und - um es mit diesem etwas aus der Mode gekommenen Wort zu sa-gen - in Liebe zur Kirche nach Wegen suchen, wie die Kirche ihrer Sendung auch in gewan-delter Zeit gerecht werden kann … Warum sollten wir nicht dazu einladen, dass sich viele in Wahr-haftigkeit, Mut und Klugheit an diesem Nachdenken beteiligen - und zwar die Priester, Diakone, Ordensleute und die ‚Laien‘, die oft Experten sind.“

Wie genau der Gesprächs-prozess, der der Entscheidungs-findung dienen soll, auf der Ebene der Bistümer und der Bischofskonferenz ausgestaltet wird, darüber müssen sich die leitend Beteiligten noch ver-ständigen. Es gibt allerdings schon Vorüberlegungen. Die Vollversammlung der Bischofs-konferenz jedenfalls hat trotz unterschiedlicher Auffassungen Zollitschs Vorschlag zuge-stimmt. Bei dem bundesweiten Dialog sollen strukturiert Glau-bensfragen wie gesellschaftliche Themen behandelt werden. Die Ergebnisse sind mit Blick auf das Konzilsgedächtnis in den nächsten zwei Jahren bei der Bi-schofskonferenz zusammenzu-tragen. Dass das darüber hinaus

Page 11: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

11

Katholische Kirchenreform

in einen synodalen Prozess wie in den siebziger Jahren mündet, er-scheint momentan eher unwahr-scheinlich, weil - so Zollitsch - ein solches Unternehmen sehr aufwendig wäre. Doch sollen die Ergebnisse nicht nur unver-bindliche Meinungsäußerungen bleiben, sondern für Vorschläge, Initiativen und Beschlüsse die Grundlage bilden. Die Initiative soll in die Tiefe, ins Substanzielle führen: „Es geht um mehr als bloß Reparaturen. Es geht um die Verlebendigung des kirch-lichen Lebens.“ Der Bischofs-konferenz-Vorsitzende sagt klar, dass die Bischöfe „für Form und Gestalt und Konsequenzen dieses Prozesses“ die Verantwor-tung übernehmen müssen. Das bedeutet letztlich auch, dass die Ergebnisse in einen weltkirch-lichen Prozess eingebracht und gegenüber Rom und vor dem Papst vertreten werden müssen.

„Agenda 2012“

Robert Zollitsch ermutigt mit seinem offenen, aufrechten Wort, eine neue Balance zwi-schen Tradition und Zukunftso-rientierung zu suchen. Sein Auf-ruf richtet sich einladend unter anderem an jene, die meinen, „Gottes Geist wirke immer nur in den altbekannten Formen und

Formeln. Als ob nicht die gan-ze Geschichte des Christentums eine Geschichte voller Dynamik, eine Geschichte immer wieder neuer Übersetzungsleistungen gewesen wäre.“ Tradition sei als ein Prozess der Weitergabe des Glaubens keineswegs etwas Sta-tisches, das an einem bestimmten Punkt der Geschichte aufhört - weder beim Ersten noch beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Zollitsch spricht aber auch die an, die meinen, ohne die Reich-tümer der Tradition vorangehen zu müssen. Jetzt sei es an der Zeit, dass im Sinne der Com-munio, der Gemeinschaft der Glaubenden, die „verschiedenen Vorlieben und Herzensanliegen“ in der Kirche zusammenwirken. Zollitschs aufrüttelnder Text endet mit einem Appell an Rea-litätssinn und Zuversicht: „Nicht Angst und Verzagtheit, nicht eine Flucht nach vorn und nicht der Traum von gestern sollen uns bestimmen und beseelen, son-dern das Heil der Welt: fremde Heimat, aber eben Heimat in der Gefährtenschaft dessen, der alle Tage bei uns bleibt, bis zum Ende der Welt. Der christliche Glaube ist mitnichten ein Über-bleibsel aus längst vergangener Zeit. Er ist eine prägende Kraft für die Gegenwart. Er wirkt für eine menschenfreundliche Ge-

sellschaft - auch in Zukunft.“Die Fuldaer Bischofsvollver-

sammlung des Herbstes 2010 könnte mit ihrer „Agenda 2012“ tatsächlich eine bedeutende Wen-de hin zu religiöser Erneuerung einleiten und beflügeln, zunächst für dieses Land. Doch kann dies helfen, dann ebenso auf europä-ischer sowie transkontinentaler Ebene neue Fäden bischöflicher und universalkirchlicher Verstän-digung zu knüpfen, um aus dem bleiernen Reformstau herauszu-finden. In vielen Bischofskon-ferenzen weltweit erheben sich zunehmend in diesem Sinne Stimmen. Nun kommt es darauf an, in der Not miteinander über Notwendigkeiten zu beraten. Es ist ein froh machendes Zeichen, wenn sich das kirchliche Lehr-amt die Unruhe der Glaubenden über die Zukunft des geliebten christlichen Glaubens im Hori-zont unserer modernen Welter-fahrung zu eigen macht und zu Herzen nimmt. Denn die großen Entscheidungen kann und muss das Lehramt in möglichst weitem konziliarem Konsens, unterstützt von bester Gegenwartstheologie, fällen. Der Weg vom Gespräch zu Reformbeschlüssen mag weit sein, aber die ersten Schritte sind getan. Unsere Hoffnung lernt wieder atmen.

aus: CIG 40/2010.

CHRIST IN DER GEGENWART:Eine Gratisausgabe der Wo-chenzeitschrift schickt Ihnen gern zu: Verlag Herder, Kun-denservice, D-79080 FreiburgFax 0761/2717-222, Telefon 0761/2717-200, kundenservice @ herder.de,www.christ-in-der-gegenwart.de

Die Angst der Kirche vor der Erneuerungvon Gernot Facius

Robert Zollitsch ist der Vater eines ambitiösen Projekts zur Stärkung des Vertrauens in die katholische Kirche: Im Internet startete der Freiburger Erzbischof eine Um-frage zur Dialoginitiative, die der Episkopat unter seinem Vorsitz Ende September in Fulda be-schlossen hat. Die Gläubigen im deutschen Südwesten können Themen vorschlagen, die nach ihrer Meinung auf die Dialog-Agenda gehören, damit auf den

Schock der Missbrauchsskandale und Personalaffären die kirch-liche „Erneuerung“ folgt. Von den Dekanen seiner Erzdiözese bekam Zollitsch Unterstützung signalisiert, sie stehen hinter seiner Warnung vor einer „Ver-schlossenheit und Realitätsferne“ der Kirche.

Rückenstärkung kann der Vorsitzende der Deutschen Bi-schofskonferenz (DBK) in die-sen Tagen gut brauchen. Er hat sich auf ein schwieriges Terrain begeben. Der von ihm angesto-

ßene, auf zwei Jahre angelegte Diskussionsprozess trifft auf Vorbehalte bei „Reformern“ wie „Bewahrern“ gleichermaßen, bei-de Seiten geben sich skeptisch. Die basisorientierte Gruppierung „Wir sind Kirche“ hat zwar die Botschaft von Fulda grundsätz-lich begrüßt, aber sogleich hin-zugefügt: „Es ist zu hoffen, dass jetzt wirklich alle Bischöfe den Mut finden, der Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils gemäß das ganze ‚Volk Gottes‘ in einen strukturierten Dialog

Page 12: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

12

einzubinden.“ Offen und ohne Denkverbote solle miteinander geredet werden. Das klingt nach einer Mahnung. Denn bei „Wir sind Kirche“ hat man nicht ver-gessen, wie vergleichbare Initiati-ven beispielsweise in Österreich verlaufen sind. Im Nachbarland hatte der Episkopat nach um-strittenen Bischofsernennungen und Sexskandalen Mitte der 90er-Jahre versucht, zusammen mit Vertretern der Laien die Kri-se zu überwinden - allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Die deut-schen Bischöfe, so der Appell der Reformgruppe, dürften sich nicht wie ihre österreichischen Amtsbrüder von Rom ausbrem-sen lassen. Sie sollten sich von der großen Mehrheit der Gläu-bigen ermutigt fühlen, die aufge-stauten Fragen auch im Vatikan in aller Deutlichkeit zur Sprache zu bringen.

Gemeint sind, neben der Missbrauchsfrage, die be-kannten Reizthemen: Sexual-lehre, Zölibat, Rolle der Frau, Kommunionempfang von wie-derverheirateten Geschiedenen, Gemeindeleitung durch Laien. In den Fokus rückte auch die Frage nach der Kontrolle und Legitimation innerkirchlicher Machtausübung. Und neuerdings wird zudem lebhaft darüber de-battiert, ob schon der vor einer staatlichen Behörde erklärte Kir-chenaustritt die Trennung von der Glaubensgemeinschaft be-deutet und automatisch die Ex-kommunikation nach sich zieht. Hier driften die Vorstellungen

weit auseinander.Zollitsch hat bereits in Fulda

inhaltliche Leitplanken aufgestellt: Eine zweite „deutsche Synode“, nach der von Würzburg 1972 bis 1975, soll es nicht geben, und die Dialog-Regie ist Sache der Bischöfe. Wie der betont konservative Teil der Hirten der Kirche denkt, erschließt sich aus der ersten Stellungnahme des Regensburger Bischofs Gerhard Ludwig Müller. Der Papst-Vertraute Müller sagt es knallhart: „Unser Di-alog ist kein Nachgeben gegenüber dem Druck der Straße, die sich blas-phemisch für die Basis der Kirche ausgibt.“ Für ihn ist das Funda-ment der Kirche Jesus Christus und nicht die „Wanderdüne wechselnder Meinungen“. Mit „Straße“ meint Müller die 15 Jahre alte Bewegung „Wir sind Kirche“. Er sieht Nutz-nießer einer hausgemachten Krise am Werk, denen es mitnichten um die Missbrauchsopfer gehe, son-dern „die nur daraus Kapital schla-gen wollen für ihre sogenannten Reformen“. Dabei verweisen längst auch Bischöfe auf einen Problem-stau: zum Beispiel Heinz Josef Al-germissen in Fulda und Franz-Josef Bode (Osnabrück), der Vorsitzende der Pastoralkommission der DBK. Doch die Mehrheit der Mitra-Träger scheint eher nicht gewillt, „heiße Ei-sen“ anzupacken.

Neben Kardinal Joachim Meis-ner (Köln) sind es vor allem Erz-bischof Reinhard Marx (München) und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (Essen), die sich gegen eine Zölibatsdebatte sperren; Marx und Overbeck gehören zum Kreis junger Oberhirten, mit denen zu

rechnen ist, wenn die „alte Gar-de“ - die Kardinäle Meisner, Karl Lehmann (Mainz) und Georg Sterzinsky (Berlin) sowie Erzbischof Zollitsch - in den nächsten Jahren abtritt. Mit Blick in Richtung Tiber werden sie da-rauf bedacht sein, dem „Dialog“ frühzeitig Grenzen zu setzen. Marx und Overbeck bilden zu-sammen mit Bode, der für Ver-änderungen aufgeschlossen ist, die „Steuerungsgruppe“ für den Dialog. Das heißt, der konserva-tive Flügel gibt den Ton an.

Diese Tatsache reduziert die Reformhoffnungen der „Libe-ralen“. Sie fragen schon heute: Wenn am Ende dieser zweijäh-rigen Diskussionsphase, in deren Verlauf Bischöfe, Priester und Laien gemeinsam die „Mitte zwi-schen einer ängstlichen Abson-derung von der Welt und einer sendungsvergessenen Anpas-sung an die Welt“ (Erzbischof Robert Zollitsch) finden sollen, nur die Bekräftigung von Zölibat und starrer Sexualmoral der Kir-che stehen darf, warum dann der ganze Aufwand?

Der DBK-Vorsitzende Zollitsch jedenfalls hat noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, damit ein „Ruck“ durch die Kir-che geht. „Aufbruch, aber die Truppe grummelt“ titelte dieser Tage schon besorgt der Infor-mationsdienst der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Erstveröffentlichung: DIE WELT 07.10.2010www.welt.de

Katholische Kirchenreform

Einladung zur 29. öffentlichen Bundesversammlung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

„Menschenrechte in der Kirche“

25. - 27. März 2011 in Fulda

mit Prof. Dr. Dr. Gotthold Hasenhüttl und Prof. Dr. Heribert Frank Köck

Page 13: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

13

Wo liegt die wahre Krise der Kirche?von Leonardo Boff

Die durch die Fälle von Kindes-missbrauch ausgelöste Krise in der römisch-katholischen Kir-che ist nichts im Vergleich zu der wahren Krise, die tatsächlich strukturell ist und die Kirche als geschichtlich-gesellschaftliche Institution be-trifft. Ich beziehe mich nicht auf die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. Die bleibt trotz der Krise lebendig und organisiert sich in kommu-nitärer Form und nicht hierarchisch-pyramidal wie die Kirche der Tradi-tion. Die Frage ist: Welcher Art ist die Institution, die di-ese Gemeinschaft des Glaubens re-präsentiert? Wie ist sie organisiert? Momentan zeigt sich die Kirche von der zeitge-nössischen Kultur abgekoppelt und in krassem Wi-derspruch zum Traum Jesu, wie er von Gemeinschaften wahrge-nommen wird, die es gewohnt sind, in Gruppen die Evangelien zu lesen und zu analysieren.

Kurz aber ohne Übertrei-bung gesagt: Die Institution Kir-che baut auf zwei Formen der Macht auf: zum einen die säku-lare, organisatorische, rechtliche und hierarchische Gewalt, ererbt vom Römischen Reich, und zum anderen die geistliche Vollmacht, begründet in der politischen The-ologie des Augustinus über die „Stadt Gottes“ (Civitas Dei), die er mit der Kirche als Institution identifizierte. In deren konkreter

Ausformung zählen weniger das Evangelium oder der christliche Glaube, sondern vielmehr diese Gewalten, die ihren Anspruch auf alleinige Vollmacht oder „Heilige Gewalt“ (potestas sacra) zum Ausdruck bringen, bis hin

zur absolutistischen Machtvoll-kommenheit (plenitudo potesta-tis) im römisch-imperialen Stil der absoluten Monarchie. Der Caesar besaß die Fülle der Macht: politisch, militärisch, rechtlich und religiös. In ähnlicher Weise besitzt auch der Papst eine durch-aus vergleichbare Machtfülle: „höchste, volle, unmittelbare und universale ordentliche Gewalt“ (Can. 331 CIC). Attribute, die eigentlich nur Gott zukommen. Als Institution betrachtet ist der Papst ein getaufter Caesar.

Dieses Machtprinzip, das die Struktur der Kirche als Institu-tion bestimmt, begann sich im

Jahre 325 mit Kaiser Konstantin auszubilden und wurde 392 of-fiziell verankert, als Theodosius der Große (+395) das Christen-tum zur einzigen Religion des Staates erhob. Die Institution Kirche übernahm diese Macht

mit all den Titeln, Ehren und Palastsit-ten, wie sie im Le-bensstil von Bischö-fen, Kardinälen und Päpsten bis auf den heutigen Tag über-dauern.

Mit der Zeit nahm diese Macht immer totalitärere und bisweilen ty-rannische Züge an, besonders nach dem Pontifikat Gregors VII., der sich 1075 selbst zum absoluten Herrn der Kirche und der Welt pro-klamierte. Radikaler noch als jener, be-zeichnete sich In-nozenz III. (+1216) nicht allein als Nach-folger Petri, sondern als Stellvertreter Christi. Sein Nach-

folger Innozenz IV. (+1254) tat den letzten Schritt und erklärte sich zum Stellvertreter Gottes und damit zum universalen Herr-scher der Erde, der deren Teilge-biete nach eigenem Gutdünken an wen auch immer verteilen durfte, wie es der Papst dann später im 16. Jahrhundert auch tat, als er die Neue Welt unter den Königen von Spanien und Portugal aufteilte. Jetzt fehlte nur noch, den Papst für unfehlbar zu erklären, was 1870 unter Pius IX. geschah. Damit schloss sich der Kreis.

Nun befindet sich diese Art Institution heute in einem tief

Katholische Kirchenreform

Page 14: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

14

greifenden Erosionsprozess. Nach mehr als 40-jährigem Studium und Nachdenken über die Kirche (mein Spezialgebiet) drängt sich mir der Verdacht auf, für sie ist jetzt der entscheidende Moment gekommen: Entweder ändert sie sich mutig und findet damit ihren Platz in der moder-nen Welt und wirkt verändernd auf den Prozess der beschleu-nigten Globalisierung ein – und da hat sie eine Menge zu sagen –, oder sie verdammt sich selbst zu einem Dasein als immer un-bedeutendere westliche Sekte, der die Gläubigen abhanden kommen.

Das derzeit von Benedikt XVI. verfolgte Projekt einer „Reconquista“ zur Rückgewin-nung der Sichtbarkeit der Kirche als Gegenbild zur säkularisierten Welt ist zum Scheitern verurteilt, wenn auf institutioneller Ebene kein Wandel erfolgt. Die Men-schen von heute akzeptieren keine autoritäre und deprimierte

Kirche mehr, in der eine Stimmung wie auf der eigenen Beerdigung herrscht. Aber sie sind offen für die Erzählung von Jesus, für seinen Traum und für die Werte des Evan-geliums.

Ein solches Hineinsteigern in den Willen zur Macht, in der trüge-rischen Vorstellung, sie komme un-mittelbar von Christus, verhindert jede Reform der Institution Kirche, denn alles an ihr hätte als göttlich und unantastbar zu gelten. Hier tritt vollends die Logik der Macht zuta-ge, wie sie Hobbes in seinem Levi-athan beschreibt: Macht strebt nach immer mehr Macht, denn Macht lässt sich nur sichern, indem man sich mehr und mehr Macht ver-schafft. Eine kirchliche Institution, die auf diese Weise nach absoluter Macht strebt, verschließt der Liebe die Türen und distanziert sich von den Machtlosen, den Armen. Die Institution verliert ihr menschliches Gesicht und wird unempfindlich für existenzielle Probleme, etwa die der Familie und der Sexualität.

Das II. Vatikanische Konzil (1965) versuchte, dieser Fehlent-wicklung mithilfe der Begriffe Gottesvolk, Communio und Kollegialität entgegenzuwirken. Doch dieser Versuch wurde von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. zunichte gemacht, die auf der Rückkehr zum römischen Zentralismus beharrten und die Krise damit verschärften.

Was aber an einem Tag er-richtet wurde, kann an einem anderen wieder zurückgebaut werden. Der christliche Glaube besitzt aus sich heraus die Kraft, in diesem globalen Zeitalter eine institutionelle Form zu finden, die dem Traum seines Stifters eher gerecht wird und besser im Einklang mit unserer Zeit steht.

Diese Übersetzung wurde zur Verfügung gestellt von: Wir sind Kirche: www.wir-sind-kirche.de

15 Jahre die Kirche bewegt und weiter aufKonzilskurs: Jubiläum der KirchenVolks- Bewegung „Wir sind Kirche“von Christian Weisner, Dietgard Heine und Monika Schulz-Linkholt

Mit einer Schiffstour auf dem Rhein feierte die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ am Sonn-tag, 12. September 2010, ihr 15-jähriges Bestehen in Deutschland. Unter dem Motto „Gegen den Strom von Rom“ nahmen mehr als 150 Menschen bei sonnigem Wetter an der abwechslungsreichen Fahrt von Bingen über die Bischofsstadt Mainz nach Mannheim teil, wo im Jahr 2012 der nächste Katholikentag stattfinden wird.

„Oft schien es ja in den vergangenen Jahren, wir Reformer seien angesichts der hierarchischen Macht ohne Chancen“, ermutigte der weltberühmte Theologe Prof. Dr. Hans Küng, der die Schirmherrschaft über-nommen hatte, in seinem Grußwort. „Aber nun hat gerade der Restaurationskurs der römischen Hierarchie das Volk aufgerüttelt, das sich nicht in eine mittelalterliche-barocke Kirche, Liturgie und Theologie zurück-zwingen lässt. ... Die Kritik am restaurativen kirchenpolitischen Kurs findet immer mehr Zustimmung. Was wir schon so lange sagen, ist weithin Konsens geworden.“

Der französische Bischof Jacques Gaillot, der einen Tag zuvor, am 11. September 2010 in Paris seinen 75. Geburtstag feierte, hatte in seinem Grußwort erklärt: „Ihr habt den Mut gehabt, mit Tiefgründigkeit das Verhältnis der katholischen Kirche zur modernen Gesellschaft aufzuzeigen. Ihr habt es verstanden, auf ihre Moral und auf schwerwiegende Probleme hinzuweisen und einen offenen und realistischen Dialog vorzu-schlagen. ... Danke und Bravo für Eure Existenz und Euer Durchhalten.“

Des Ziel eines Begehrens, Themen in die Diskussion zu bringen, ist auch nach Ansicht von Eva-Maria Kiklas aus Dresden und Christian Weisner aus Dachau viel umfassender gelungen, als man damals zu hof-fen gewagt habe. „Damit haben wir in der Kirche viel bewegt.“ Beide gehören zu denen, die 1995 das in

Katholische Kirchenreform

Page 15: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

15

Österreich gestartete KirchenVolksBegehren in Deutschland initiiert hatten. Wenn sich mittlerweile viele katholische Verbände, allen voran das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, sowie in vielen Ländern sogar Bischöfe und Kardinäle dafür aussprechen, über den Pflichtzölibat nachzudenken, und wenn selbst im Vatikan geäußert wird, dass Frauen mehr Macht erhalten sollten, so seien das doch wahrlich Zeichen einer „Kultur des Wandels“, selbst wenn die Umsetzung derzeit noch auf sich warten lässt. Dies bekräfti-gten auch Dr. Martha Heizer, die 1995 in Österreich die fünf Forderungen nach mehr Mitbestimmung in der Kirche, der Gleichberechtigung der Frau, der Freistellung des Zölibates, einer positiven Bewertung der Sexualität und der Verkündigung als Frohbotschaft mitformuliert hatte, sowie Brigitte Durrer, Präsidentin der Schweizer Tagsatzung, die ebenfalls mit an Bord des Rheinschiffes waren.

Bei dem Zwischenstopp in Mainz ließen die mitfahrenden Kinder Papierschiffchen zu Wasser, auf denen im Gottesdienst die Dinge notiert worden waren, von denen sich die männerdominierte ängstliche und ängstigende Kirche verabschieden muss, damit die befreiende Botschaft Jesu wieder ins Zentrum rückt. Musik, Kabarett und eine Videoschau zeigten, was Wir sind Kirche in den vergangenen Jahren alles bewegt hat und was für die Zukunft geplant ist. Kurz vor der Ankunft in Mannheim wurde besonders Dietgard Heine aus Mainz und Monika Schulz-Linkholt aus Mannheim, aber auch allen anderen, die zur äußerst gelungenen Schiffstour auf der MS „Europa“ beigetragen hatten, herzlich gedankt.

Vom KirchenVolksBegehren...

In der Zeit vom 16. September bis 12. November 1995 hatten 1.845.141 Menschen, von denen sich 1.483.340 ausdrücklich als römisch-katholisch bekannten, haben allein in Deutschland die fünf Forde-rungen des KirchenVolksBegehrens unterschrieben. Sie taten dies auf der Grundlage der dogmatischen Konzils-Konstitution „Lumen Gentium“, Art. 37, und des Can. 212 § 3. des Kirchenrechts. Danach haben die Gläubigen „das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“

Zu den Erstunterzeichnenden in Deutschland gehörten unter anderen: Sr. Dr. Lea Ackermann, Dr. Franz Alt, Pfr. Roland Breitenbach, Dr. Magdalene Bußmann, PD Dr. Eugen Drewermann, Prof. Dr. Peter Eicher, Prof. Dr. Norbert Greinacher, Prof. Dr. Bernhard Häring †, Prof. Dr. Gotthold Hasenhüttl, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach, Hanns Dieter Hüsch, Pfr. Dr. Ferdinand Kerstiens, Prof. Dr. Hans Küng, Dieter Kürten, Prof. Dr. Norbert Mette, Christa Nickels MdB, Norbert Piechotta, P. Dr. Wolfgang Seibel SJ, Bun-destagspräsidentin Prof‘in Dr. Rita Süßmuth, Ministerpräsident Erwin Teufel, Wolfgang Thierse MdB.

... zur KirchenVolksBewegung und Konzilsbewegung

In den vergangenen 15 Jahren hat Wir sind Kirche – unterstützt von konzilsorientierten TheologInnen – in vielen Bereichen konstruktive Wege zur Bewältigung der gegenwärtigen Kirchen(leitungs)krise aufge-zeigt. Wir sind Kirche hat sich an allen Katholiken- und Kirchentagen intensiv beteiligt und als unabhängige Kraft in zahlreichen Stellungnahmen die „Stimme des Kirchenvolks“ zum Ausdruck gebracht. Wie zuletzt der von der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene „Trendmonitor Religiöse Kommunikation 2010“ (www.mdg-online.de) deutlich machte, werden die von Wir sind Kirche vorgebrachten Reformanlie-gen von der großen Mehrheit der noch der Kirche Verbundenen unterstützt.

1998 wurde nach dem von Rom erzwungenen Ausstieg der Bischöfe aus der Konfliktberatung aus der KirchenVolksBewegung heraus der Verein „Frauenwürde e.V.“ gegründet, der mittlerweile sechs Schwan-gerschaftskonfliktberatungsstellen betreibt. Schon 2002 richtete Wir sind Kirche einen unabhängigen Not-ruf (Tel: 0180-3000862, E-Mail: [email protected]) für Opfer von sexualisierter Gewalt durch Priester und Ordensleute ein, der seitdem insgesamt 400 Betroffene begleitet hat.

Im Selbstverständnis der KirchenVolksBewegung ist der Platz für Kritik nicht außerhalb, sondern inner-halb der römisch-katholischen Kirche, weil man sich nicht der gemeinschaftlichen Verantwortung entziehen will. Wir sind Kirche orientiert sich damit am Grund-gedanken der „Communio“ (Gemeinschaft aller Gläu-bigen) des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und ist somit gerade im Hinblick auf das kommende Konzilsjubiläum zu einer Konzilsbewegung geworden.

Katholische Kirchenreform

15 Jahre KirchenVolksBe-wegung „Wir sind Kirche“Grußworte von Hans Küng, Bischof Gaillot und zahl-reichen weiteren prominenten Persönlichkeiten; (vorläufige) Kurzchronik 1995 - 2010, Fo-tos, Presse-Echo und weitere Dokumente im Dossier unter:www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=596

Page 16: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

16

Wir hatten Hoffnung –ein Rückblick auf den 2. Ökumenischen Kirchentag von Uwe-Karsten Plisch

Einige Tage nach dem Münchner ÖKT musste ich gemeinsam mit zwei Kolleginnen zur Vorbereitung einer Veranstaltung nach Verden an der Aller reisen und in diesem Zusammenhang auch die dortige Kir-che der selbständigen evangelisch-lutherischen Kir-che (SELK) aufsuchen. Der Ortspfarrer führte uns durch die Kirche und ermunterte uns mehrfach, Fra-gen zu stellen. Also meinte ich, ich käme gerade vom ÖKT und wie es die SELK denn mit der Abend-mahlsgemeinschaft mit den übrigen evangelischen Kirchen hielte. Im allerfreundlichsten Ton bekamen wir Bescheid: Nein, die hätten sie nicht, denn wir hät-ten ja eine andere Auffassung vom Abendmahl (die falsche natürlich) und schließlich ginge es dabei ja nicht um billige Gnade. Nach glaubhafter Versiche-rung meiner Kolleginnen muss ich kurz etwas blass geworden sein, unterdrückte aber mit Rücksicht auf die drängende Zeit den Impuls, eine Grundsatzdis-kussion anzuzetteln.

Nach dieser kurzen Vorführung protestantischer Engherzigkeit und theologischer Armseligkeit kamen mir alle katholischen Würdenträger, die mir auf dem ÖKT begegnet waren, unheimlich relaxt vor. Die größte Enttäuschung auf dem ÖKT ging ohnehin von den Orthodoxen aus, aber der Reihe nach.

Was man von einem Kirchentag mit nach Hau-se nimmt, hängt natürlich stark davon ab, in welche der unzähligen Veranstaltungen man absichtlich oder zufällig geraten ist, welche Wege man dabei gehen musste und ob man dabei nass wurde oder nicht. Bei mir waren die Baustellen, im Wesentlichen drei, schon vorab dienstlich festgelegt und mein privater Spielraum für weitere Aktivitäten ziemlich gering. Zuerst war natürlich der ESG-Stand auf der Agora zu organisieren, der aber bei Lisa Korte vom Rat und dem bewährten Team aus der ESG Halle in guten Händen war. Wir hatten uns diesmal bei der Gestaltung auf kurze, auch von Ferne lesbare Botschaften kon-zentriert, weshalb der Stand ein wenig textlastig und preußisch karg ausfiel. Kontrastreich bunt war dagegen der Stand unseres katholischen Schwesterverbandes gleich nebenan – die Nachbar-schaft hatten wir bereits im Vor-feld verabredet und vor Ort dann eine – im wörtlichen wie übertra-genen Sinne – konstruktive Ein-

heit der Stände hergestellt. Wir hatten den Strom, die Katholiken den Kaffee, da konnte eigentlich nichts schief gehen. Unser Nachbar zur Linken (oder Rech-ten, je nachdem, von wo man schaut) war der WSCF, so ergab sich eine geschlossene Front dreier Stände studentischer Verbände, die nur schwer zu übersehen und fast immer gut besucht war.

Leichtsinnigerweise hatte ich mich im Vorfeld des ÖKT in eine Projektkommission berufen lassen, die drei Großveranstaltungen zu den ökumenischen Brennpunkten Taufe, Abendmahl und Amt vorbe-reiten sollte. Am wenigsten spektakulär, dafür am lehrreichsten war die Veranstaltung zur Taufe. Durch die gemeinsame Magdeburger Erklärung zur Taufe von 2007, die die wechselseitige Anerkennung der Taufe beinhaltet, hat es tatsächlich in letzter Zeit – kaum wahrgenommene – ökumenische Fortschritte gegeben. Angesprochen auf die gelegentlich immer noch vorkommende Praxis der Wiedertaufe anderer Christen durch Orthodoxe, gab es nur die lapidare Auskunft, sie hätten eben keine zentrale Autorität, die die Taufanerkennung durchsetzen könne und die Gemeinden seien eben selbständig. Wirklich är-gerlich war bei dieser Veranstaltung allerdings die musikalische Untermalung durch Andy Lang (des-sen missa popularis sich auch im Anhang des ESG-Gesangbuches findet), der wohl dachte, die Leute seien seinetwegen gekommen und sich aufführte wie ein Rockstar, vom weichgespülten Keltenpop des Ensembles ganz zu schweigen. Beim nächsten Re-genkirchentag offene Bühne unter freiem Himmel in einem Zwischengang, damit es mal ordentlich auf die Harfe regnet!

Wirklich voll wurde es in der 6000er Halle beim zweiten Podium zum Thema Abendmahl. Hier

Dr. Uwe-Karsten Plisch ist Referent für Theologie, Hoch-schul- und Genderpolitik im Bundesteam der Evangelische StudentInnengemeinde in der Bundesrepublik Deutschland (ESG) und ist im Leitungsteam des Ökumenischen Netzwerks „Initiative Kirche von unten“ (IKvu) engagiert. Informationen unter www.bundes-esg.de und www.ikvu.de

Kirchentage

Page 17: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

17

tauschten vor allem die üblichen Verdächtigen die üblichen Argumente aus, immerhin zeichnet sich bei konfessionsverbindenden Ehen, wo die Not am größten ist, eine Lockerung der Praxis ab. Mit meinem Kurzstatement, das etwas Schärfe in die Veranstaltung bringen sollte, habe ich es immer-hin bis in idea spektrum geschafft! [siehe Kasten]. Beim dritten Podium – zum eigentlichen Reizthe-ma Amt – hatte ich die Veranstaltungsleitung und musste erstmal verdauen, dass der angekündigte orthodoxe Bischof wenige Stunden vor der Veran-staltung krankheitshalber absagte. Als Vertretung schickte er Erzpriester Miron, der prompt zu spät kam. Er hatte allerdings eine charmante Entschuldi-gung parat: Er sei erst in einer Halle gewesen, in der lauter schwarz gekleidete Herren auf dem Podium saßen und gedacht, hier sei er richtig. Als er dann in die richtige Halle kam, geriet er in den Auftritt der Clownin Gisela Matthiae und wusste: hier ist er richtig. Das war sein erster Lacher. Der zweite ging dann allerdings auf seine Kosten. Als Frau Caspari, die altkatholische Priesterin auf dem Podium, im Zusammenhang mit dem Amt endlich einmal die Machtfrage stellte, äußerte Erzpriester Miron nur seine Verwunderung: Was denn die Ausübung eines kirchlichen Amtes mit Macht zu tun habe? Hör-bares Kopfschütteln im Saal.

Neben all dem Trubel auf der Agora habe ich dann abends noch ab und zu in den Münchner ESGn vorbeigeschaut. Ein echter Höhepunkt war dabei der internationale Empfang der ESG, bei dem wirklich zu spüren war, dass es eine weltweite christ-liche StudentInnenbewegung gibt und dass wir ein

Teil von ihr sind.Will man – bei aller Subjektivität der Eindrücke

– einen Blick aufs Ganze wagen, fällt die Bilanz eher nüchtern aus. Der zweite ÖKT war nur etwa halb so gut besucht wie der erste in Berlin, im Grunde nur ein großer evangelischer Kirchentag mit öku-menischen Gästen, dafür aber um einiges teurer. Bezeichnend auch, dass der bayrische Papst zum ökumenischen Kirchentag in seiner Heimat lieber im portugiesischen Fatima weilte, wo eine Form der Marienfrömmigkeit geübt wird, von der Benedikt XVI. nachweislich nicht viel hält – von Ökumene aber offenbar noch weniger. Die Verheißungen des ersten ÖKT mit seinen Aufbrüchen, die es freilich schon damals vor allem außerhalb des offiziellen Programms und gegen den Widerstand von Lan-deskirche und Bistum gegeben hatte, konnte und wollte der Münchner ÖKT nicht einlösen. Den aktuellen Erschütterungen der römischen Kirche konnte sich indes auch der ÖKT nicht entziehen. Die Hauptveranstaltung zum Thema sexualisierter Gewalt in der Kirche geriet dann aber zur denkbar größten Peinlichkeit: Die Täterseite blieb unter sich, um ungestört über die Opfer reden zu können. Der unvermeidliche Norbert Denef, der das wichtigste Netzwerk der von sexualisierter Gewalt in der Kir-che Betroffenen koordiniert, tat also ganz recht daran, diese Veranstaltung zu „stören“. Eine Ver-anstaltung mit den Opfern gab es auch – außerhalb des offiziellen Programms. Das Beste am 2. ÖKT war sicher, dass er überhaupt stattgefunden hat – und vielleicht wird 2017 ja alles besser.

Ökumenische Brennpunkte – EucharistieKurzstatement von Uwe-Karsten Plisch, ESG

Jedes Jahr im Januar beginne ich das Arbeitsjahr mit einem Wochenendseminar zum Thema der ökume-nischen Bibelwoche, eine langjährige Kooperationsveranstaltung mit einer evangelischen und einer katho-lischen Studierendengemeinde. Drei Tage lang denken wir gemeinsam über Texte der Heiligen Schrift nach und am Sonntag endet das Seminar jeweils mit dem gemeinsamen Besuch der Heiligen Messe. Die Messe zelebriert in der Regel der katholische Studierendenpfarrer. Jahrelang hielt es der katholische Kollege so, dass er die Frage der gemeinsamen Eucharistie durch möglichste Nichterwähnung zu umgehen versuchte. Jedes Jahr standen wir Evangelischen vor der Frage – nach drei Tagen gemeinsamen Bibelstudiums –: Nehmen wir nun teil oder nicht. Der neue Kollege schaffte vor zwei Jahren Klarheit: Er lud die Evange-lischen explizit aus, indem er sie einlud, mit nach vorn zu kommen und sich einen Segen abzuholen. Kein Protestant mit einem Funken Selbstachtung tut sich das an. Nach drei Tagen Bibelstudium als Christen nicht gemeinsam an den Tisch des Herrn zu treten, ist absurd, ja schlimmer, es ist blasphemisch. Anderswo passiert es längst und natürlich habe ich auch schon selbst wiederholt die Eucharistie empfangen. In den Studierendengemeinden hat das ohnehin eine lange Tradition.

Die theologischen Fragen sind längst geklärt, die Differenzen sind überbrückbar. Wenn wir uns klarma-chen, dass es Jesus Christus ist, der einlädt, sollte es eigentlich kein Problem sein, sich über unsere jeweiligen Irrtümer hinweg zu verständigen. Wir sind längst soweit!

Es drängt sich daher der Verdacht auf, dass es bei der bestehenden Trennung von oben her nicht um Theologie geht, sondern um Macht und Kontrolle über Menschen. Denn das Gefühl von Macht ist je grö-ßer, desto absurder die Vorschrift ist. Aber nur, wenn sich jemand daran hält.

Kirchentage

Page 18: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

18

Kontrollierte Ökumene ohne Hoffnung – doch der Geist weht, wo er willErfahrungen von „Wir sind Kirche“ und anderen Reformgruppen beim 2. ÖKT in München von Christian Weisner

Es kann nicht nur am Wetter ge-legen haben, dass der 2. Ökume-nische Kirchentag (ÖKT) nicht die Hoffnung und Aufbruch-stimmung verbreitet hat, die das für die derzeitige Situation eigentlich so passende Leitwort

„Damit Ihr Hoffnung habt“ ver-sprochen hat. Warum haben die aktuellen Krisen in Kirche, Ge-sellschaft und Wirtschaft nicht die Rolle gespielt, die ein Treffen so vieler christlich motivierter und engagierter Menschen hatte erwarten lassen? Das Programm hätte vor sieben Jahren beim 1. ÖKT, fand so mancher, das gleiche sein können. Zu sehr ist auch dieser Kirchentag im „Weiter so“ gefangen geblie-ben, hat auch diesmal wieder als „Laufsteg für Politiker“ gedient. Der vom früheren Bundesprä-sidenten Roman Herzog bereits 1997 (!) angemahnte Ruck, den Kirche, Gesellschaft und Politik gleichermaßen so dringend nötig haben, war – von Ausnahmen abgesehen – nicht zu spüren. Aber der Wille zur Subversivität im Kirchenvolk ist deutlich stär-ker geworden ist.

Mühsame Vorbereitungen

Bis März 2006 hatte es gedauert, bis sich die zuständigen Gremien auf Ort und Zeit des 2. ÖKT einigen konnten, den kirchliche Reform-gruppen schon während des 1. ÖKT 2003 in Berlin gefordert hatten. Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, die beim 1. ÖKT sogar im Präsidium vertreten war, hat sich dann sehr frühzeitig um die Mit-wirkung beim 2. ÖKT beworben. Doch erst nach langem, intensivem Drängen erhielt Wir sind Kirche ei-nen Nachrückerplatz in einer der 60 Kommissionen, allerdings – Prinzip Radio Eriwan – in einer, die nichts mit den ureigenen Themen der Kir-chenVolksBewegung zu tun hatte. Auch andere Reformgruppen wie das ökumenische Netzwerk Initiati-ve Kirche von unten, die Leseriniti-ative Publik sowie das evangelische Netzwerk Kirchenreform kritisieren zu Recht, dass Initiativen und Re-formgruppen zu wenig an der Vor-bereitung des Kirchentages beteiligt wurden und das Programm diesmal noch obrigkeitskirchlicher organi-siert wurde. Und über eine ganz eigene Konfliktgeschichte mit der Kirchentagsleitung könnte das so-zialpolitische Netzwerk ÖKT 2010 berichten, das den (von Wir sind Kirche mitunterzeichneten) Aufruf „Fair Teilen statt Sozial Spalten“ formulierte und in München mit dem Symbol des Kamels auftrat.

Während die Veranstalter in der Öffentlichkeit die große Zahl eingereichter Programmvorschläge als Erfolg herausstellten, versand-ten sie zur gleichen Zeit gerade an besonders engagierte Gruppen und Initiativen Absagen zuhauf mit der

Begründung, dass „aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen jede antragstellende Institution nur einmal berücksichtigt wer-den konnte“. Mit der gleichen Begründung wurde lange Zeit auch der von Wir sind Kirche in enger Abstimmung mit Prof. Hans Küng konzipierte „Spiritu-elle Dialog“ abgelehnt. Erst sehr spät nach direkter Intervention von Prof. Küng und unmittelbar vor einem Gespräch von Wir sind Kirche mit der ÖKT-Spitze wurde diese Veranstaltung ins Programm aufgenommen. Was dann zur Folge hatte, dass für diese Veranstaltung keine ausrei-chend große Halle mehr verfüg-bar war.

Entscheider im Hintergrund

Sicher, es ist eine nicht zu unterschätzende Leistung, ein nationales Fünf-Tage-Ereignis mit rund 3.000 Einzelveranstal-tungen inhaltlich und organisa-torisch gut vorzubereiten. Aber rechtfertigte dies das „Durch-regieren“ des hauptamtlichen Stabes und des sogenannten Gemeinsamen Vorstands? Wer hat überhaupt entschieden, was ins Programm kam und was nicht? In allen offiziellen Pu-blikationen hieß es, der 2.ÖKT würde vom Deutschen Evan-gelischen Kirchentag (DEKT) und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) organisiert. Der ÖKT sei somit eine Veranstaltung der evange-lischen und katholischen Laien-organisationen in Deutschland, nicht der evangelischen und der

Christian Weisner war 1995 Mitinitiator des KirchenVolks-Begehrens in Deutschland und ist seitdem im Bundesteam der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“ engagiert. Informationen zur Kirchen-VolksBewegung finden Sie im Internet unter: www.wir-sind-kirche.de

Kirchentage

Page 19: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

19

katholischen Kirche. Doch dem Gemeinsamen Vorstand, der das Programm letztendlich ver-antwortete, gehörten auch der Münchner Erzbischof Dr. Rein-hard Marx und der bayerische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich an. Die Bischöfe haben sich also keineswegs nur mit der nach außen propagierten Gast-geberrolle abgefunden, sondern an entscheidender Stelle das Programm mitgestaltet oder gar kontrolliert. So war zum Beispiel Prof. Hasenhüttl – von Marx als damaligem Trierer Bischof abge-straft, weil er 2003 in der Berli-ner Gethsemanekirche als ka-tholischer Priester evangelische ChristInnen zur Kommunion eingeladen hatte – nicht einmal als Podiumsteilnehmer möglich, „wegen Marx“.

Das nur selten zusammenge-rufene Gemeinsame Präsidium des ÖKT diente vor allem dem Abnicken fertig ausgearbeiteter Konzepte. Das fing schon mit dem Leitwort an. Es soll auch peinliche Versuche aus dem Münchner Ordinariat gegeben haben, die katholischen Mit-glieder in den Projektkommis-sionen gleichzuschalten. Eine ängstliche Selbstzensur, die so gar nicht zum Wahlspruch des gastgebenden Erzbischofs passt, der da lautet: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“. Die Reformgruppen wurden diesmal mit besonders spitzen Fingern angefasst. Wegen ihrer Beteili-gung, so hört man im Nachhi-nein, soll es sogar Anfragen aus dem Vatikan gegeben haben. Die Kontrolle in München scheint sich gelohnt zu haben, denn so wie es bisher aussieht, ist der Kardinalshut von Erzbischof Marx nicht in Gefahr.

Reformer im Aufwind

Wir sind Kirche war es von Anfang an wichtig, dass der 2. ÖKT nicht nur auf das gemein-same Engagement in der Gesell-

schaft beschränkt, sondern auch die konkrete Ökumene gerade mit den Kirchen der Reformation spürbar voranbringen würde. Mit dem Podium „Menschendienst ist Gottesdienst“ thematisierte Wir sind Kirche den unverzichtbaren Zusammenhang von Diakonie und Liturgie. Die sehr pointierte Einführung hielt der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, der kompetent und argumentationsstark an vie-len Stellen dieses Kirchentags einen Gegenpol zur inzwischen eher weichgespülten Soziallehre beider Großkirchen bildete. Die Wir sind Kirche-Veranstaltung „Wider die Resignation in der Ökumene“ zeigte das Drängen der Konzilsgeneration nach wei-teren Schritten in der Ökumene, machte aber auch deutlich, wie für die Jugend heute die Konfes-sionsgrenzen immer unwichtiger werden. Auch an anderen Ver-anstaltungen z.B. zum Platz der Platz von Frauen in der Kirche, zur Ökumenischen Ekklesio-logie, zur sexualisierten Gewalt hinter Kirchenmauern und zum Thema „Kirche ohne Pfarrer?“ war Wir sind Kirche beteiligt.

Der „Abend der Begegnung“ war für Wir sind Kirche ein grandioser Auftakt, als die Bio-Brezen weggingen wie warme Semmeln und schon ein Groß-teil der mehr als 30.000 gelb-lila Programme reißenden Absatz fand. Der Hammelburger Initi-ative „Kirche in Bewegung“, die als Gast am Stand Unterschriften gegen den Pflichtzölibat sammel-te, gingen die Listen aus. Der große Wir sind Kirche-Infostand mit den „Gesprächen am Jakobs-brunnen“ auf der Agora in Halle A6 des weitläufigen Messegelän-des war an den drei Folgetagen nicht nur bei „Promis“ sondern zu jeder Stunde überfüllt. Dazu unzählige gute Gespräche und Begegnungen, die auch über den ÖKT hinaus der Vernetzung die-nen.

Kernfrage Abendmahl

Das vom AK Ökumene der Reformgruppen vorbereitete Gedächtnismahl „Gebt ihr ihnen zu essen“ am Freitagabend in der Gottesdienstwerkstatt Maximi-liankirche zeigte eine lebendige liturgische Alternative sowohl für „priesterlose“ als auch ökume-nische Mahlfeiern in Anlehnung an die Brotvermehrung im Matt-häus-Evangelium. Bei der Kir-chentagsleitung muss die Angst vor unerlaubten ökumenischen Handlungen sehr groß gewesen

sein, denn dieser Gottesdienst wurde erst nach langen Ver-handlungen genehmigt; und alle Werkstattgottesdienste des ÖKT mussten versichern, dass keine eucharistischen Einsetzungs-worte gesprochen würden. Die von Wir sind Kirche organisierte Menschenkette, bei der am Sams-tagabend – kurz vor den konfes-sionellen Gottesdiensten, auf denen die römisch-katholische Seite bestanden hatte – mehrere Tausend Menschen die beiden Bischofskirchen verbanden, und die vieltausendfach verteilten orange Bänder mit der Aufschrift „Gemeinsame Mahlfeier“ waren der sichtbarste Ausdruck für die ökumenische Ungeduld, wie auch Publik-Forum schrieb.

So sehr die Kirchenleitungen es immer wieder klein reden wol-len, die Abendmahlsfrage bleibt auf dem Tisch. Davon konnte

Kirchentage

Page 20: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

20

auch die auf 1000 Tischen me-dial inszenierte orthodoxe Brot-segnungsfeier „Artoklasia“ nicht ablenken, theologisch ist sie so-gar ein Rückschritt. So löblich die Einbeziehung der Ortho-doxen in diesen ÖKT auch sein mag, die Ökumene zwischen den beiden Großkirchen wird dadurch auf Dauer ganz sicher nicht einfacher. Aber zumin-dest haben die Kirchenleitungen gemerkt, dass sie das Kirchen-volk nicht mehr nur mit öku-menischen Wortgottesdiensten abspeisen können. Ökumene muss mehr sein als nur friedliche Koexistenz der Konfessionen.

Gerade die Trennung am Tisch des Herrn schadet der Glaub-würdigkeit der Kirchen und ist für viele Menschen schon lange nicht mehr nachvollziehbar.

Eine Provokation besonde-rer Art war der katholische Bi-schofsgottesdienst am Sonntag-morgen vor dem ökumenischen Abschlussgottesdienst. Dies war ein klarer Verstoß gegen die in-terne Abmachung, nicht gegen-über den Regelungen von Berlin 2003 zurückzufallen, gegen den der evangelische Landesbischof Dr. Friedrich und die evange-lische Seite nicht einmal prote-stiert haben. Das ist eine falsch verstandene ökumenische Sensi-bilität und ein Harmoniebedürf-nis, das nicht weiter bringt. Und es besteht die Gefahr, dass die katholische Kirche mit Verweis auf Rom immer wieder die Part-nerkirchen über den Verhand-

lungstisch zieht. Haben die Bischöfe und Bremser der Ökumene nicht den bemerkenswerten Artikel „Viel Zeit bleibt nicht.“ der evangelischen ÖKT-Generalsekretärin Ellen Ue-berschär gelesen, in dem sie die großen und kleinen Kirchen auffor-dert, in der Ökumene endlich kon-kret zu werden? Denn sonst würden sie Gefahr laufen, von der Entwick-lung überrollt und marginalisiert zu werden. Nicht die Ökumene des eigenen Profils, sondern nur eine Ökumene des gemeinsamen Profils kann dieser Gefahr vorbeugen, so Ueberschär. (Zeitzeichen – Evange-lische Kommentare zu Religion und Gesellschaft“, Januar 2010).

Viele Podien – wenig Kontro-versen – keine Visionen

Während die Erwartungen des „ersten Mals“ den Berliner ÖKT noch zu einem vielbeachteten Er-eignis machten, konnte der Münch-ner ÖKT nach ohnehin sieben ma-geren Jahren in der Ökumene keine Visionen und nicht einmal weiter-führende Kontroversen bieten. Die insgesamt deutlich geringeren Teil-nehmendenzahlen zeigten auch kei-nen quantitativen „Mehrwert“, son-dern entsprachen ziemlich genau der Summe eines üblichen evange-lischen Kirchentages und eines Ka-tholikentages.

Die räumliche Trennung zwi-schen Messegelände, Innenstadtkir-chen und dem Olympiapark für die Jugend sowie die an verschiedenen Orten untergebrachten Zentren haben diesen ÖKT zu einer An-sammlung vieler kleiner Kirchen-tage gemacht. So blieb alles auch inhaltlich schön separiert, denn wirklich kontroverse Diskussionen gab es nicht und auf den großen Podien fehlten die Positionen von Reformgruppen. Mit der Resonanz auf ihre zahlreichen eigenen Ange-bote konnten die Reformgruppen allerdings mehr als zufrieden sein. Die Veranstaltungen im regulären ÖKT-Programm und die, weil von der Kirchentagsleitung abgelehnt, in eigener Regie durchgeführten

Veranstaltungen ergaben zusam-men einen „ÖKT von unten“, auf dem auch Personen wie Prof. Gotthold Hasenhüttl auf-treten konnten. So zum Beispiel auf der Abschlussveranstaltung „Ökumene light? Was beim Kirchentag nicht auf der Agen-da steht“, auf der Friedhelm Hengsbach deutlich das Schis-ma zwischen der Kirchenleitung und dem, was die Christen an der Basis wollen, benannte und zum Widerstand aufrief. Im An-schluss feierte dann, ebenfalls in der Technischen Hochschu-le und außerhalb des regulären ÖKT-Programms, Gotthold Hasenhüttl, gemeinsam mit dem pensionierten evangelischen Pa-stor Eberhard Braun und 400 Gläubigen einen eindrucksvollen ökumenischen Abendmahlsgot-tesdienst nach der Lima-Liturgie. Dem Religionsphilosoph und Publizisten Roland Ropers ist es zu verdanken, dass dies in letz-ter Minute doch noch möglich wurde.

Gegen die ResignationDie Ermahnungen, Vertrö-

stungen und Geduldsappelle der Kirchenleitungen, von den den ÖKT tragenden Laienorganisati-onen ZdK und DEKT bisher lei-der zu unkritisch übernommen, sind theologisch fragwürdig und enttäuschen das Kirchenvolk im-mer mehr. Umso dringlicher er-warten die Reformgruppen, dass sich ZdK und DEKT möglichst bald auf einen 3. ÖKT einigen, der spätestens im Lutherjahr 2017 stattfinden sollte. In der Zwischenzeit sollte es neben den bereits fest verplanten Ka-tholikentagen und evangelischen Kirchentagen, die noch viel öku-menischer werden müssen, auch viele kleine lokale und regionale Ökumenetage geben, die von örtlichen Initiativen veranstaltet werden können. Die 2007 von der KirchenVolksBewegung formulierten sieben Thesen „Wider die Resignation in der

Kirchentage

Page 21: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

21

Ökumene“ haben ihre Aktualität leider nicht verloren und zeigen konkrete Schritte auf. Auf Zu-stimmung bis ins ÖKT-Präsidi-um hinein stieß die gemeinsame Erklärung der Reformgruppen zum 2. ÖKT »Ökumene, die wir schon leben«, zu der Prof. Küng schrieb: „Es ist hocherfreulich, dass Ihre Reformbewegungen

gemeinsam in der Öffentlichkeit auftreten. Ich bin voll und ganz einverstanden.“

In Zukunft sollten Kirchen-tage, ob ökumenisch oder kon-fessionell vor allem aber keine Bischofstage, sondern wieder wirkliche von den Laienorganisa-tionen gestaltete und verantwor-tete Kirchenvolkstage sein, bei

denen auch die Reformkräfte von Anfang an einbezogen werden. Dass die Vorbereitungsgremien des Evangelischen Kirchentag 2011 in Dresden bereits von sich aus an die Einbindung von Re-formgruppen wie Wir sind Kir-che gedacht haben, könnte ein Zeichen des Umdenkens und der Hoffnung sein.

Kein „Zentrum Gemeinde“ in DresdenKirchentag 2011 mit neuem Thementableauvon Stefan Bölts

Bei Sichtung der Vorstellung des Programm- und Thementableaus haben wir feststellen müssen, dass es auf dem kommenden Kirchentag in Dresden kein ei-genständiges »Zentrum Gemein-de« mehr geben wird. Dies haben wir aus unserer Sicht als einen großen Verlust bedauert, da wir es für wenig sinnvoll ansahen, das »Zentrum Gemeinde« inner-halb einer »Halle der Theologie« aufgehen zu lassen.

Zum einen wird es sehr schwer sein der bisherigen Ziel-gruppe zu vermitteln, dass sich ihre Themen nun unter einem so allgemein formulierten The-ma wieder finden lassen sollen. Zum anderen haben wir es als ein falsches Signal von Seiten des Kirchentags aufgefasst, dass das einzige Veranstaltungsformat, in dem sich bisher auch Gemein-deprojekte und Basisinitiativen zu ihren aktuellen Fragen wieder finden konnten, gestrichen wird.

Diese gemeinsame Platt-form hatte sich seit 2005 auf den Evangelischen Kirchentagen entwickelt (zunächst unter dem Titel »Werkstatt Gemeinde«) und etabliert. Sie hatte vor allem auch darin ihre große Bedeutung, dass sich die Beteiligten partnerschaft-lich mit ihren je unterschiedlichen Arbeitsstrukturen und Frömmig-keitsformen (AMD, landeskirch-liche Gemeindeberater, freie In-

itiativen) beim Kirchentag quasi auf „neutralem Boden“ zusam-men gefunden haben und ge-meinsam ein Programmzentrum realisieren konnten.

Dieses gemeinsam getragene und verantwortete Zentrum bot die große Chance, Programm-angebote rund um die Themen Gemeindeentwicklung, Glau-benskurse und Strukturreformen konzeptionell zu bündeln und damit gezielt Menschen anzu-sprechen, die in diesen Themen-feldern engagiert sind. Zahlreiche Rückmeldungen haben uns im-mer wieder gezeigt, wie wichtig dieser Zielgruppe ein solches – in dieser Form einmaliges – Forum zum (bundesweiten) Austausch ist. Und nicht zuletzt haben auch die hohen Besucherzahlen das Zentrum Gemeinde zu einem Vorzeigeprojekt gemacht.

Aufgrund dieser Erfah-rungen halten wir es für unver-zichtbar, dass wieder ein klar auf die Gemeindearbeit ausgerichte-tes Gesamtkonzept erstellt wird, das die erprobte Abstimmung der Themen innerhalb eines solchen Zentrums weiterhin er-möglicht. Eine solche Abstim-mung ist sowohl aus inhaltlichen als auch aus tagungsdidaktischen Gründen äußerst hilfreich und wünschenswert. Es muss wei-terhin die Möglichkeit bestehen, Podienreihen mit Diskussions-

runden, Projektvorstellungen, Ausstellungen und Vorstellungen

der beteiligten Partner sowie mit Workshopangeboten zur Vertie-fung der mehrtägigen Plenums-veranstaltungen zu flankieren. Die gemeinsame Erstellung einer solchen mehrtägigen Tagungs-didaktik hat in der bisherigen Verfahrensweise die Chance er-öffnet, Programminitiativen und Anregungen miteinander abzu-stimmen und ein partnerschaft-lich erstelltes Programm „aus einem Guss“ anzubieten.

Die „Halle der Theologie“ soll neue Wege ermöglichen, die Gemeindethemen aufzugreifen. Und neue Wege haben sicher-lich ihre Chance verdient. Leider sind die bisherigen Initiatoren und Träger dieser erfolgreichen Zusammenarbeit bei der Kon-zeption des neuen Weges weder beteiligt noch informiert worden. Dies bedeutet einen Verlust an Fachkompetenz und enttäuscht viele, die sich in den Gemeinde-themen zukunftweisend engagie-ren, schon im Vorfeld.

Kirchentage

Informationen und ArchivMaterialpool und Kirchen-tagsprojekte im Rückblick:www.werkstattgemeinde.dewww.zentrumgemeinde.dehttp://oekt.kirchenreform.de

Page 22: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

22

Mit einem Brief an die Mitglieder des Kirchentagsprä-sidiums haben wir um einen konstruktiven Dialog gebeten. Schließlich nahm Kirchentags-pastor Joachim Lenz im Auftrag des Präsidiums Kontakt mit den Netzwerksprechern auf und hat versichert, dass den Gemeinde-themen in der neuen Konstellati-on sogar noch mehr „Raum und Platz“ zugestanden werden soll, „als es bisher auf Kirchentagen

jemals der Fall war.“ Wir sind gespannt, wie sich die

Programmgestaltung weiter entwi-ckelt. Sofern sich die Gemeindethe-men tatsächlich dort wiederfinden lassen, werden wir selbstverständlich unsere Kommunikationswege dazu nutzen, tatkräftig diese Angebote zu bewerben. In diesem Sinne sei schon einmal darauf hingewiesen: Wer die „Gemeinde“ sucht, wird sie unter dem eher theoretischen Sam-melbegriff der „Theologie“ unter

den „Schätzen des Glaubens“ finden.

Ebenso gespannt sind wir darauf, ob das Experiment neu-er Wege und neuer Themenzu-schnitte tatsächlich auch mehr neue Impulse anregt, oder ob es nicht doch unter den Kirchen-tagsbesucherinnen und -Besu-chern eher Irritation und Verwir-rung stiftet. Letzten Endes wird es eine Frage der Kommunikati-on und Transparenz sein.

Kein gemeinsames Forum für Reform-Gruppen auf dem Kirchentag 2011Gemeinsamer Brief der Reformgruppen

Mit großem Bedauern haben wir aus der Rückmeldung von Kirchentagspastor Joachim Lenz feststellen müssen, dass kein Interesse besteht, im Rahmen des nächsten Kirchentages zum Beispiel durch ein Forum oder Projektzentrum eine Plattform für die Programminitiativen ökumenischer Reformgrup-pen und Initiativen anzubieten. Ein solches Format hätte den Vorteil, dass hier die verschie-denen Programmangebote an einem Ort gebündelt und von den beteiligten Gruppen ge-meinsam getragen werden. Ein gemeinsames Forum bietet die Möglichkeit einer besseren An-sprechbarkeit der Zielgruppen und eine programmtechnische Übersicht für die Kirchentags-besucherinnen und Besucher. Zudem bietet sich die Chance, den Austausch und die Vernet-zung einzelner Projektpartner zu vertiefen. Der Kirchentag würde wieder im Sinne seiner histo-rischen Wurzeln primär ein Ort der Begegnung und des Dialogs sowohl zwischen den einzelnen Basisbewegungen als auch zwi-schen den Interessenten lokaler Basisinitiativen in den Gemein-

den und in den Regionen. Den Hinweis auf den Markt der

Möglichkeiten können wir hinsicht-lich unseres gemeinsamen Anliegens an dieser Stelle nur als Vertröstung deuten. Sicherlich gäbe es die Mög-lichkeit, an Infoständen und Mes-seausstellungen ein Miniprogramm auf die Beine stellen. Aber Raum für Workshops oder ein größeres Podi-um – wie zum Beispiel zum Thema „Kirche ohne Pfarrer“ – kann der Markt der Möglichkeiten definitiv nicht bieten. Solche Programman-gebote wären auch „nur“ Angebote der Aussteller, kommen also nicht im Programmheft des Kirchentages vor und die Bewerbung über andere Kanäle würde primär bereits errei-che Zielgruppen ansprechen und nur schwer weitere Interessenten auf dem Kirchentag erreichen.

Wir würden uns freuen, wenn das Präsidium die Entscheidungen überdenken oder zumindest den konstruktiven Dialog mit uns aufnehmen würden. Wenn Re-formgruppen ihre Beiträge und Anregungen für die Zukunft von Gemeinde und Kirche auf eigenen Faust, quasi in einem Kirchentag von unten, organisieren und anbie-ten müssten, wäre dies sicherlich kein gutes Signal für das Miteinan-der und für die Wertschätzung der aktuell brennenden Themen.

Stichpunkte zur Weiterarbeit

- Gemeinsamer Vor-schlag für eine ökumenische Pro-grammreihe zu Reformthemen: je nach Raum/Zeitkapazitäten des Kirchentages und Mitwir-kendenpotential der Kooperati-onspartner wieder gemeinsame Podienveranstaltungen, ggf. sogar ein gemeinsames Forum oder Zentrum „Kirchenreform“ (als Thementag oder bei entspre-chendes Interesse auch als mehr-tägige Angebotspalette)

- Fortsetzung oder Spe-zifizierung der Debatten rund um das Thema „Kirche ohne Pfarrer?“ – die überlaufende Veranstaltung in München hat ja das große Interesse an dem The-ma unterstrichen. Möglich wären hier spezielle Themenschwer-punkte wie Ordination, Zölibat, Prädikantendienst, Ehrenamtsa-kademien usw.

- Basisnahe kritische Reflexion des EKD-Reform-prozesses (Impulse könnten hier sein: Die wissenschaftliche Auf-arbeitung von Isolde Karle; die Thesen aus dem „ABC der Kir-chenreform“: Ist eine Reform nur erfolgreich, wenn sie von „unten“ kommt?; Fortführung der Diskussionen, wie sie unter dem Titel „Kirch der Befreiung

Kirchentage

Informationen und Anmeldung zum Kirchentag unter: www.kirchentag.de

Page 23: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

23

sein“ von der IKvu und Bundes-ESG in den Reformdiskurs ein-gebracht wurden; neue Impulse zu den 12 Leuchtfeuern, wie sie von den Autorinnen und Auto-ren in „Einblick 2030“ formu-liert werden…).

Fortsetzung im PDF-Dokument (gemeinsamnes Anschreiben der Re-formgruppen), dass wir bei Interesse gern zur Verfügung stellen.

Antwort des Kirchentages

Der gemeinsame Brief der Reformgruppen vom Juli dieses Jahres wurde am 22. Oktober durch ein Antwortschreiben der Generalsekretärin, Dr. Ellen Ue-berschär, beantwortet.

In diesem Schreiben erläutert sie, „dass der Deutsche Evan-gelische Kirchentag in Dresden wieder zu den Kirchentagsprin-zipien zurückkehrt, wonach das Präsidium die Projektleitungen mit der Konzeption und Durch-führung von Veranstaltungen betraut.“

Ferner wird versichert, dass es keinen „Ausschluss“ des Netz-werks, von Reformgruppen oder Basisinitiativen gibt und darauf verwiesen, dass einzelne Netz-werke wie die IKvu in verschie-

denen Projektleitungen integriert sind. „Es kann aber nur eine begrenzte Anzahl von Personen in den Projektleitungen mitarbei-ten, um die Gruppen arbeitsfähig zu halten. Die Auswahl der Refe-rentinnen und Referenten ist Teil der Planung durch die Projektlei-tungen.“

Es wird darauf hingewiesen, „dass der Kirchentag selbst eine Basisbewegung ist, die sich durch vielfältige Initiativen der Präsidi-alversammlung lebendig hält.“

Die Generalsekretärin ermu-tigt: „Wir möchten Sie im Na-men des Präsidiums gern ermun-tern, weiterhin den Kirchentag zu unterstützen und als Forum für kirchliche Reformanliegen zu begreifen. Das Kollegium des Kirchentages als ständiges und hauptamtliches Gremium freut sich über jedes Gespräch und über Ideen und Initiativen. “

Ausblick für Dresden 2011

Dies würden viele der Re-formgruppen natürlich auch sehr gerne tun, wenn es dafür tatsäch-lich ein entsprechendes Forum gäbe. Auch wenn in dem Schrei-ben des Kirchentages beteuert wird, dass keine Gruppen aus-

geschlossen werden und Ideen und Initiativen willkommen sind, kann der Hinweis auf die Praxis, dass das Präsidium ausgewählte Projektleitungen mit der Kon-zeption und Durchführung von Veranstaltungen betraut, nur so verstanden werden, dass den ge-meinsam von mehreren Reform-gruppen geäußerten konkreten Anregungen und Programminiti-ativen nicht entsprochen werden konnte.

Wenn auch jetzt nicht mehr im wie vorgeschlagenen Sinne gemeinsam, werden einzelne Reformgruppen oder Initiativen sicherlich gern zum Gelingen des Kirchentages beitragen, sollten sie im Rahmen der Programm-gestaltung um Mitarbeit gebeten werden oder in anderer Wei-se angefragt werden. Aber das Netzwerk Kirchenreform zum Beispiel wird zumindest nicht auf dem „Markt der Möglich-keiten“ vertreten sein, weil wir das Format „Messestand“ nicht für ausreichend geeignet halten, mit der notwendigen Wertigkeit ein „Forum für kirchliche Re-formanliegen“ zu gestalten, auf dem unterschiedliche Zielgrup-pen auch miteinander kommuni-zieren können.

Kirchentage

Wir brauchen mehr Dialog und Mut zur DebatteEin Kommentar von Stefan Bölts

Schon bei eher überschaubaren Netzwerken ist es schon kom-pliziert, transparente Entschei-dungsfindungsprozesse zu in-stallieren. Dass sich ein solches Mammutprojekt wie der DEKT mit der Transparenz schwerer tut und keinesfalls so basisnah sein kann, wie er gern möchte, liegt auf der Hand.

Dass konkrete Programmini-tiativen auf die Seitendiskussion personeller Zusammensetzungen von Projekleitungen reduziert wird, zeugt nicht davon, dass Ideen und Vorschläge Dritter

wirklich willkommen sind, und wird dem eigentlichen Anliegen der Reformgruppen nicht ge-recht. Hier wäre eine klare An-sage, ob neue Programmformate realisiert werden können oder nicht, deutlich besser gewesen. Dass der Kirchentag keine Mög-lichkeit sieht, selbst zur Vernet-zung von Reforminitiativen bei-zutragen, ist bedauerlich.

Vielmehr muss ich mit großer Skepsis und Sorge wahrnehmen, dass insbesondere katholische Reformgruppen offenbar nicht so einfach ohne Rücksprache mit

dem ZdK beteiligt werden kön-nen. Das hört sich für mich nach großer „Gefälligkeits-Ökumene“ an. Zumindest klingt es nicht nach einem mutigen Kirchentag, der auch jene streitbaren Themen klar zur Sprache bringt, die es ei-gentlich längst zu bennen gilt.

Ich glaube, wir brauchen mehr Mut zur Debatte und eine – nicht nachtragende – aber lebendige Streitkultur um der Sache Wil-len. Aber das scheint aktuell in der „Kirche der Gutmeinenden“ schwierig zu sein, die deutliche Worte zu vermeiden sucht.

Page 24: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

24

Zwischen den Kirchentagen: Zeit zur Besinnung?von Wolfgang Nethöfel

Nach dem Kirchentag ist vor dem Kirchentag. Öku-menische Kirchentage stressen diejenigen, die gern und immer wieder an Kirchentagen teilnehmen oder Kirchentage organisieren, ganz unabhängig von Erlebnissen und Ergebnissen. Die Nachwir-kungen überschatten die Vorbereitungen der näch-sten Veranstaltungen. Das macht viele dünnhäutig, die jetzt (schon wieder) kooperieren müssen. Viel-leicht ist gerade das ein guter Anlass, Routinen zu überdenken.

Als einer der Sprecher des Netzwerks Kirchen-reform fällt mir auf, wie widersprüchlich wir selbst mit unserer eigenen Organisationsrealität umgehen. Als Anwälte der Reformbereiten in den Kirchen sind wir Dialogpartner, aber auch kritisches Gegen-über derjenigen, die mit kirchlichen Reformmaß-nahmen beauftragt sind. Wir sind stolz auf unseren eigenen niedrigen Organisationsgrad – gleichzeitig agieren wir allerdings wie Lobbyvertreter, wenn wir das Thema „Kirchenreform“ im Rahmen von Kirchentagsvorbereitungen vertreten: möglichst ef-fektiv, möglichst durchsetzungsstark, ja institutions-politisch. Wir machen Absprachen, organisieren Mehrheiten und Bündnisse.

Sicher hat uns das zugleich erfolgreich gemacht und der Sache gedient, als wir gemeinsam mit an-deren in Hannover, Köln, Bremen und München unserem Thema eine breite Kommunikationsplatt-form geben konnten: erst in einer „Werkstatt“, dann im „Zentrum Gemeinde“, schließlich auf einzelnen Veranstaltungen. Aber um welchen Preis? Statt auf unsere Themen: auf das Was, konzentrieren wir uns jetzt auf das Wie, und das absorbiert zunehmend unsere Kräfte. Es droht uns selbst zu institutiona-lisieren.

Unser Netzwerk verknüpft Kirchenbasis und Kir-chenleitung, Theorie und Praxis, liberale und konser-vative Reformerinnen und Reformer; wir sind interdis-ziplinär und ökumenisch, präsent in Basisbewegungen wie in der Beraterszene. Das war immer schon ebenso spannend wie aufregend. Jetzt müssen wir über inter-ne Reformen nachdenken, um zugleich wirksam und glaubwürdig agieren zu können.

Dieser Prozess macht uns aber auch hellsichtig für unser institutionelles Gegenüber. Wo der Kirchentag uns als institutionalisierte Basisbewegung zu Recht darauf aufmerksam macht, dass es keinen Proporz, keine Stammplätze und keine ein für alle Mal festste-hende Formate auf Kirchentagen gibt, da nehmen wir jetzt bei unserem Gegenüber alle Züge einer alt gewordenen „Partei der institutionalisierten Revoluti-on“ war: gut geölte Kommunikationswege, auf denen institutionspolitische Botschaften zu Strukturent-scheidungen werden, großes Einverständnis darüber, was und wer passt, Angst vor unerwarteten Basisbot-schaften auf großen Bühnen.

Plötzlich sehen wir uns als Netzwerk, das nicht von unten nach oben, sondern quer zu den Institutionen agiert, um das Thema „Kirchenreform“ voranzubrin-gen, gemeinsam mit Basisgruppen angesprochen, de-nen es vor allem um Partizipation geht und die darauf gehofft hatten, mit dem Format „Forum“ den Kir-chentag zum Ort wirksamer Vernetzung zu machen. Für beides sei gut gesorgt. Das laufe gut so, wenn es so laufe wie immer. Das macht uns nachdenklich. Und das sollte auch die Organisatoren evangelischer Kirchentage nachdenklich machen. „Kirchentage von unten“ werden dann attraktiv, wenn die institutionali-sierten Kontakte Außenkontakte abreißen lassen, und Formen und Inhalte sich gemeinsam andere Orte su-chen müssen.

Kirchentage

Page 25: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

25

Fragen eines lesenden Katholikentagsbesuchersvon Thomas Wystrach

»Einen neuen Aufbruch wagen« lautet das Leitwort für den 98. Deutschen Katholikentag, der vom 16. bis 20. Mai 2012 in Mannheim stattfinden wird. Das gab der Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Ka-tholiken (ZdK) am 15.10. 2010 bekannt.

»Kirche und Gesellschaft stehen gleichermaßen an einem Wendepunkt. Ohne den tatkräftigen Willen zur Erneue-rung werden wir weder die gegenwärtige Krise unserer Kirche überwinden, noch die gesellschaftlichen und politischen

Herausforderungen in unserem Land und in der globalisierten Welt bewältigen«,

unterstrich der Präsident des ZdK, Alois Glück, bei der Vorstellung des Leitwortes. Nur in einem offenen Dialog über die Probleme, die zur gegenwärtigen Krise in der katholischen Kirche geführt hätten und deren Ursachen weit tiefer lägen, als der durch sexuellen Missbrauch verursachte Skandal, könne der Glaubwür-digkeitsverlust der Kirche überwunden werden, unterstrich Glück. Dabei gehe es nicht in erster Linie um die Institution Kirche, sondern um den Glauben, den die Kirche den Menschen zu bringen habe. Um der Verkündigung des Glaubens willen müsse die Kirche zu Reformen bereit sein.

»Der Katholikentag in Mannheim soll ein Zeichen setzten, dass wir zu Reformen bereit sind und einen neuen Aufbruch wagen wollen«,

unterstrich der ZdK-Präsident:

»Wir wollen uns damit ausdrücklich in die Tradition des II. Vatikanischen Konzils stellen, dessen Beginn sich im Katholikentagsjahr zum 50. Mal jährt und das wie kein anderes Ereignis der jüngsten Kirchengeschichte für den Mut zu Erneuerung und Aufbruch in der katholischen Kirche steht. (…) Wir wollen diesen neuen Aufbruch im Geist Gottes wagen, ganz in der Tradition der zahlreichen Aufbrüche, von denen uns das Alte Testament berichtet, und nicht zuletzt im Vertrauen auf die Sendung des Heiligen Geistes, wie sie uns im

Pfingstgeschehen versprochen ist.«

Nach der Lektüre der ZdK-Pressemeldung stellen sich einige Fragen: • Was ist »neu« am »neuen Aufbruch«? Hat man von früheren (weniger erfolgreichen?) »Aufbrüchen«

etwas gelernt?• Welche Aufbrüche sind gemeint und können als Orientierungsmaßstab dienen? Das Zweite Vatika-

nische Konzil, die Würzburger Synode, das Dialog-Papier des ZdK, das KirchenVolksBegehren? Oder die »zahlreichen Aufbrüche, von denen uns das Alte Testament berichtet«, z.B. die Geschichte vom Exodus?

• Wer genau muss einen Aufbruch »wagen«? Für wen genau stellt der Aufbruch ein »Wagnis« dar?• Gibt es neben den Vorteilen des Aufbruchs vielleicht auch Nachteile, z.B. für die bisherigen Nutznie-

ßer des status quo? Warum sollten diese Kräfte jetzt einen »neuen Aufbruch wagen«?• Bei wem genau fehlt es bisher am »tatkräftigen Willen zur Erneuerung«? Wer hat »willige Erneuerer«

bisher gebremst?• Was genau stellt sich das ZdK unter einem »offenen Dialog« vor? Wird er »ergebnisoffen« geführt?

Oder wird lediglich »einmal offen gesagt, was Sache ist«? Gibt es einen »Dialog« nur zwischen gleich-berechtigten Partnern oder auch zwischen Herrschern und Beherrschten?

• Welche »Probleme, die zur gegenwärtigen Krise in der katholischen Kirche geführt« haben, und welche »tiefer liegenden Ursachen« sind bereits bekannt? Wer hat diese in der Vergangenheit bereits benannt, wer hat ihre Existenz bisher bestritten?

• Ist die Überwindung des »Glaubwürdigkeitsverlustes der Kirche« das eigentliche Ziel des Dialogs? Wird er so nicht verzweckt, damit sich die Kirche(nleitung?) wieder besser »verkaufen« kann (schließ-lich lässt man sich von McKinsey beraten)?

• Wenn »wir zu Reformen bereit sind und einen neuen Aufbruch wagen wollen«, warum soll dann erst der Katholikentag 2012 dafür »ein Zeichen setzen«? Gibt es dafür 2010 noch keine Anzeichen? Welche sind das? Etwa die »Dialog-Offensive« der Deutschen Bischofskonferenz?

Thomas Wystrach ist Referent der Leserinitiative Publik e. V. Im Frühjahr 2009 ist er aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten und in das Katho-lische Bistum der Alt-Katho-liken in Deutschland gewech-selt. Den bei Reformgruppen beliebten Slogan »Auftreten statt austreten!« hält er für eine banale Durchhalteparole, weil sie inzwischen dankbar auch von den Nutznießern des sta-tus quo verbreitet wird.

Beiträge aus Onkel Toms Blog-Hütte unter: www.wystrach.de

Kirchentage

Page 26: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

26

Interessenten an der Weiter-arbeit zum Thema Kirchen-management können sich mit Dr. Claudia Pfrang und Dr. Alexander Stock via Mail in Verbindung setzen:[email protected]

Tagungsbeiträge

Fachworkshop KirchenmanagementViele Wissenschaftler/innen un-terschiedlicher sozialwissenschaft-licher und betriebswirtschaftlicher Disziplinen mit einem kirchlichen Hintergrund beschäftigen sich mit der Frage, welchen Beitrag sie für die Modernisierung der Kirche lei-sten können. Theolog/innen und Praktiker/innen in der Gemein-deberatung greifen auf Gedanken und Instrumente der Organisati-onsentwicklung und des Manage-ments zurück. Hier scheint eine Vernetzung aller Akteure sinnvoll und wertvoll zu sein.

Ausgangspunkt dieser Initiati-ve ist eine Fachtagung zum Thema Kirchenmanagement an der KU Eichstätt unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Halfar Ende Januar 2010 (siehe den ausführlichen Bericht in kirche bewegen 1/2010). Sie hatte das Ziel, eine ökumenische, wissenschaftliche und zugleich praxisnahe Diskussion zu Kirche und Management anzustoßen.

Auf dieser Basis haben Dr. Alexander Stock und Dr. Clau-dia Pfrang für den 2. Oktober zu einem Fachworkshop in Nürnberg eingeladen. Rund 20 Interessenten aus beiden Großkirchen folgten der Einladung und kamen in den Räumen der Evangelischen Hoch-schule in Nürnberg zusammen, um sich gemeinsam zum Thema „Kirchenmanagement – öku-menisch, akademisch und pra-xisnah“ auszutauschen.

Bei diesem Strategietreffen ging es darum, gemeinsam die He-rausforderungen und die Notwen-digkeiten für ein Kirchenmanage-ment aufzuarbeiten und zugleich eine Ausgangsplattform für eine zukünftige Arbeit zu schaffen. Hierzu möchten die Initiatoren ein „Netzwerk Kirchenmanage-ment“ schaffen, um das Thema „Kirchenmanagement“ im wis-senschaftlichen Raum zu veran-kern, den Diskurs zwischen „Ma-nagement und Theologie“ weiter voranzutreiben und perspektivisch

Impulse für die Praxis zu liefern.Alle Tagungsteilnehmende

waren im Vorfeld aufgerufen worden, in kurzer Form Impulse zu formulieren und einzureichen. Schon bei der Clusterbildung der bedruckten Karten nahm die Dis-kussion Kontur an, die anschlie-ßend in kleinen Arbeitsgruppen vertieft werden konnte.

Mit großen Spannungen ist das Miteinander von „Theologie und Management“ besetzt, gilt es ins-besondere hier, sich auch mit den Vorurteilen auseinander zu set-zen, die Kritiker ins Feld führen. Eng verzahnt sind die Themen-bereiche „Führung und Kultur“ und „Strategie und Ziele“. Den Brückschlag vom theoretischen Diskurs in die pragmatische An-wendung stellten die Anregungen dar, die unter der Überschrift „Instrumente/Umsetzung/Tun“ gesammelt wurden.

Während des eintägigen Fach-workshops wurde unter anderem festgestellt, dass an vielen Stellen in der Kirche Management längst „unbewusst“ stattfindet: Wo „of-fensichtliches“ Management auf Ablehnung stößt, haben wir es meist mit Schutzmechanismen zu tun (Machtverlust, Angst vor Veränderungen, Angst vor der inhaltlichen Leere). Eine Arbeits-gruppe arbeitete sogar die These auf: „Management ist verkörperte Theologie“. Schnell war klar, dass es für die Kirche ein den Inhalten gemäßes Managementmodell ge-ben muss.

Zum Ende des Workshop-tages wurden Interessen an einer Weiterarbeit zusammen getragen. Neben dem Wunsch, weiter an der Produktivität der Spannung Kirche, Theologie, Management arbeiten und den Dialog zu ver-tiefen, wurden Perspektiven für zukünftige Tagungen benannt. Neben der Kooperation über Konfessionsgrenzen hinweg sind die transnationale Perspektive und

der Austausch mit Dritten jenseits der Kirchen (NGO´s) benannt wor-den. Zudem wird der Verabredung von „vielperspektivischen Lernpart-nerschaften“ und dem Aufbereiten der Impulse z.B. in einer Datenbank für „andere“ als große Chancen gesehen, nicht nur den Austausch bundesweit zu vernetzten, sondern auch mit Vertretern unterschied-licher Positionen und Zugänge in ei-nen konstruktiven Dialog zu treten.

Schließlich gab es auch Anre-gungen für die akademische Wei-terarbeit, so sollen beispielsweise Reißverschlussmodelle von Theo-logie und Management entwickeln werden und Muster kirchlichen Managements theologisch reflek-tiert werden, um hier neue Impulse einzubringen.

Zum Auftakt dieser Überle-gungen referierte Prof. Dr. Nethö-fel über die „Chancen und Grenzen eines ökumenischen Netzwerks Kir-chenmanagement“. Zu den Chan-cen gehört u.a. die Beobachtung, dass die strategischen Management-Herausforderungen im Bereich von EKD und DBK weitgehend iden-tisch sind. Zu den Grenzen wurde nicht nur herausgestellt, dass beide Großkirchen in Deutschland bisher eher traditionell-institutionell und nicht zielgesteuert auf die Heraus-forderungen reagieren: Nethöfel stellte die These auf, dass sich die Reformlogiken im Bereich von EKD und DBK wieder stärker unterscheiden werden. Zum EKD-Bereich gehören Partizipation und Organisationspartikularismus – für die EKD sieht Nethöfel eine „me-thodistische Zukunftsprognose“. Die Bestrebungen der DBK folgen funktionalen Franchise-Logiken – dies brachte er mit dem Bild einer „anglikanischen Zukunftsprognose“ auf den Punkt.

In der Schlußrunde wurde eine Kooperation zwischen dem Netz-werk Kirchenmanagement und dem Netzwerk Kirchenreform ins Auge gefasst.

Page 27: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

27

Bonhoeffer: Bis heute eine Herausforderung für die KircheDietrich Bonhoeffer (1906-1945) war nicht nur ein herausragender Theologe, sondern setzte sich mit Leib und Leben gegen die NS-Diktatur ein. Wie kann politisches Christentum heute aussehen? Das war eine der zentralen Fragen bei der Jahrestagung des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins.

von Ralf Peter Reimann

Kirchen, Gemeindehäuser und Schulen sind nach Bonhoeffer benannt und schmücken sich mit dem Namen des Märtyrers und Widerstandskämpfers. Diese Anerkennung durch die verfasste Kirche blieb ihm während des Zweiten Weltkriegs und unmittel-bar danach versagt. Die Kirche tat sich schwer mit dem Widerstandskämpfer, der ihr ihre Angepasst-heit und Trägheit vor Augen führte.

Christsein hatte für Bonhoeffer politische Kon-sequenzen. Sein Glaube führte Bonhoeffer zum aktiven Widerstand gegen Hitler – damit ging er viel weiter als die Bekennende Kirche. Die intensive Auseinandersetzung mit der Bergpredigt führt Bon-hoeffer zum Anfang der 1930er Jahre zum Pazifis-mus. Selbst im Falle eines Angriffskrieges plädiert Bonhoeffer für gewaltfreien Widerstand.

„Dem Rad in die Speichen greifen“

Die Ermordung der Juden durch die Nazis lässt Bonhoefffer umdenken, in Ausnahmefällen hält er den Tyrannenmord für gerechtfertigt – er billigt das Attentat auf Hitler, denn man müsse „dem Rad in die Speichen greifen“, auch wenn man selbst dadurch Schuld auf sich lade. Wenige Tage vor Ende des Weltkrieges wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbrück als Mitver-schwörer hingerichtet.

Auch nach dem Krieg wurde Bonhoeffer von seiner eigenen Landeskirche nicht verstanden. So verschwieg zum Beispiel die Berlin-Brandenbur-gische Landeskirche Bonhoeffers Namen 1945 in der Kanzelabkündigung zum ersten Jahrestag des 20. Juli 1944 und betonte, Christen könnten den Anschlag „niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt sein mag“.

Glaube und Engagement gehören zusammen

Bonhoeffers Anliegen, dass Glaube und Engage-ment in Politik und Gesellschaft zusammengehören, will der Dietrich-Bonhoeffer-Verein in unserer Zeit Gehör verschaffen – dazu passte auch das Motto der diesjährigen Jahrestagung des Vereins vor weni-gen Tagen in Halle an der Saale: „Wider den Geist der Anpassung in Kirche und Gesellschaft“.

Auch wenn die verfasste Kirche lange Zeit brauchte, um angemessen auf Bonhoeffers Erbe einzugehen, stellt sich heute die Frage, ob Bonho-effers berechtigte Kritik an der damaligen Kirche heute noch zu denselben Schlussfolgerungen füh-ren muss. Dies gilt gerade auch für das partner-schaftliche Gegenüber von Staat und Kirche in der heutigen Gesellschaft. Jedenfalls kritisiert der Dietrich-Bonhoeffer-Verein das Staatskirchenver-hältnis in der Bundesrepublik und hat sich deshalb die Forderung nach Abschaffung der Kirchensteuer zu eigen gemacht. Damit wendet er sich gegen die Praxis der Landeskirchen.

Vor diesem Hintergrund war ich überrascht und auch gespannt, dass ich als Co-Moderator für eine Arbeitsgruppe zur Tagung eingeladen wurde. Dazu muss man wissen: Die vergangenen Jahre habe ich in Kirchenämtern gearbeitet und identifiziere mich mit der Volkskirche und ihrer Finanzierung. Aber: Wer Kampf gegen die Anpassung und Widerstand sich auf die Fahnen schreibt, muss auch nach innen Offenheit ermöglichen – daher nahm ich gerne die Einladung wahr und fuhr zur Jahrestagung.

Die erste Wahrnehmung

Obwohl ich Anfang 40 bin, war ich einer der Jüngsten in der Runde der Teilnehmenden. Ist Bonhoeffer für Jüngere nicht mehr interessant? Ist Bonhoeffer mit seiner Widerstandtheologie ein Theologe für die 68er Generation? Eine andere Wahrnehmung: Es scheint, dass die Teilnehmer – soweit es aus den Ortsangaben auf der Teilnehmer-liste ablesbar ist – hälftig aus Ost- und Westdeutsch-land kommt. Dann wäre Bonhoeffer auch jemand, der Pfarrern in der DDR eine Perspektive für ihre theologische Existenz gegeben hätte.

Was heißt das für die Gegenwart? Interessant: Es waren zwei Vertreter von Greenpeace und Attac dabei. Es wird deutlich: Über den Rand der Kirche hinaus sucht der Verein den Schulterschluss mit anderen gesellschaftlichen Gruppen. Der Vertreter von Attac fragte bei der Vorstellung: „Warum sind so wenige von euch Christen bei uns?“ Müssten Christen – nun im seit 20 Jahren vereinten Deutsch-land – nicht viel mehr ihr Augenmerk darauf rich-

Tagungsbeiträge

Ralf Peter Reimann war In-ternetbeauftragte der Evange-lischen Kirche im Rheinland (EKiR), später Leiter der In-ternetarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover und ist heute Projektmanager für Koopera-tionen und Infrastruktur der Plattform www.evangelisch.de www.evangelisch.de ist ein publizistisches Portal mit eige-nem Community Bereich und wird vom Gemeinschafts-werks der Evangelischen Pu-blizistik gGmbH (GEP) ge-tragen.

Page 28: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

28

ten, mit anderen gesellschaftlichen Kräften zusam-menzuarbeiten, um Veränderungen in unserer Welt zu erreichen und so Bonhoeffers Theologie in die Praxis umsetzen?

Von der Taufe zur Kirchensteuer

Nach der Vorstellung ging es in die Arbeitsgruppen. Meine Arbeitsgruppe zum Thema Taufe begann mit einem Text aus Bonhoeffers Taufbüchlein und den biografischen Erfahrungen der Teilnehmer. Ist Tau-fe nur Handeln Gottes am Menschen oder auch ein Bekenntnis des Täuflings? Was bedeutet die Säug-lingstaufe für den Gemeindebegriff ? Ab welchem Alter sollte man taufen? Was bedeutet eine Freigabe des Taufalters? Durch die Taufe wird der Täufling Mitglied in der Gemeinde – doch was heißt das ge-nau? Wird man Mitglied in der Ortsgemeinde? In einer Landeskirche? Oder in der weltweiten Kirche? Oder in der als Körperschaft öffentlichen Rechtes verfassten Kirche?

Kann man auch die Körperschaft des öffent-lichen Rechtes verlassen – und dennoch Mitglied der Kirche Jesu Christi bleiben? Was würde das für die Kirchenfinanzierung bedeuten? Welche Konse-quenzen muss Kirchenmitgliedschaft haben? Fragen, über die es sich lohnt nachzudenken – wobei schnel-le und einfache Antworten hier nicht zu finden war. Einigkeit ließ sich in der Arbeitsgruppe nur erzielen, dass man daran weiterarbeiten muss.

Was heißt es für die Kirchenfinanzierung heute, wenn Bonhoeffer in einer Verfolgungssituation for-

dert, dass die Kirche nur „Kirche für andere“ sein kann und von den „freiwilligen Gaben“ ihrer Mit-glieder leben müsse? Folgt daraus die Abschaffung der Kirchensteuer? Oder – so merkte ein Teilnehmer an – hat Bonhoeffer die konkrete Finanzierung der Kirchen gar nicht im Blick – da er diese in seiner Ethik nicht erwähne? Auch wenn es keine abschlie-ßende Klärung gab, erlebte ich die Diskussion als gewinnbringend.

Auch heute noch mit Gewinn zu lesen

Die anderen Arbeitsgruppen brachten konkrete Ergebnisse ins Plenum: eine Resolution gegen die Abkehr vom Atomausstieg und eine zur Internati-onale ökumenische Friedenskonvokation in Jamaika 2011. Dietrich Bonhoeffer war nicht nur Theologe und Widerstandskämpfer, sondern auch Dichter. So stellte die letzte Arbeitsgruppe als Gruppenergebnis Bilder und Gedichte vor.

Wer heute die Aufspaltung zwischen persönlicher Frömmigkeit, gemeindlichem Leben und universi-tärer Theologie beklagt, für den kann Bonhoeffers Ansatz hilfreich sein, diese Aufspaltung zu überwin-den. Denn Bonhoeffer verbindet Lehre und Leben; er verbindet Denken, Reden und Tun. Konkrete Handlungsanweisungen für heute lassen sich – so mein Fazit – jedoch für viele Fragen von heute nicht aus Bonhoeffers Werk ableiten, dazu ist es zu viel-schichtig. Die Beschäftigung mit Bonhoeffer lohnt sich allerdings – auch heute noch.

Erstveröffentlichung unter www.evangelisch.de

Tagungsbeiträge

Informationen zum Dietrich-Bonhoeffer-Verein unter: www.dietrich-bonhoeffer-verein.de

Reform- -TagAm 31. Oktober 2010 findet in Hammelburg ein Reform-Aktions-Tag statt. Um 14 Uhr gibt es ei- nen Vortrag und eine Diskussion mit Peter Bürger, kath. theologe und Autor: „Wider die Angst - die Frei-heit des Glaubens neu wagen“. Flankierend wird es Inforstände ver-schiedener Reformgruppen ge- ben und neben Kaffee und Kuchen Möglichkeiten zum Austausch. Abgerundet wird der Tag mit einem Reform-Konzert-Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche. Veranstaltet wird der Reform- Aktions-Tag von „Kirche in Bewe-gung“ (KiB) in Zusammenar- beit mit der Leserinitiative Publik Forum e.V. (LIP) und „Wir sind Kirche“.K i B - Kirche in Bewegung ist ein loser und offener Aktionskreis gläubiger und engagierter katho- lischer Christen. Die Suspendierung des Hammelburger Pfarrers Michael Sell, der den Zölibat nicht mehr leben konnte, hat den Ak- tiven vor Augen geführt, dass die seelsorgerische Situation der Gemeinden und der Kirche in eine Not-, aber auch in Schieflage geraten ist. Aus christlichen Mitver-antwortung für die Kirche will KiB durch Gebet, Diskussion und Aktion dazu beitragen, dass die „Kirche in Bewegung“ kommt und sich öffnet für neue Wege in die Zukunft des dritten christlichen Jahrtausends. Das Hammelburger „Donnerstagsgebet“ zur Reform der Kirche findet inzwischen bundesweit in vielen weiteren Gemeinden statt: www.kircheinbewegung.net

Page 29: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

29

Neuer und einzigartiger Beratungsansatz:Zentrum für Systemisches Fundraising„Das Bessere ist der Feind des Guten“ – unter die-sem Titel lud ZSF-Geschäftsführerin Susanne Reu-ter am 23. September auf der Kollekta in Hannover zu einem Perspektivwechsel beim Thema „Innova-tionen und Veränderungen im Fundraising“ ein.

Gemeinsam mit ihrem Kooperationspartner Klaus Heil vom Fundraisingbüro Hildesheim hat Reuter in Hannover die Frage beantwortet, welche

Faktoren Innovationen im Fundraising befördern bzw. beschweren. Sie stützt sich dabei auf die Er-fahrungen aus ihrem Arbeitsalltag im neu gegrün-deten Zentrum für Systemisches Fundraising: Hier unterstützt sie Organisationen bei der Implementie-

rung und Umsetzung von Instrumenten zur Spen-dengewinnung.

Im ZSF steht allen Organisationen, die ihre Mittel über die Gewinnung von Spenden erhöhen wollen, ein Team von Fachleuten zur Verfügung, das sie bei den dafür nötigen Veränderungen und Innovationen effektiv und zielführend unterstützt. „Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir ein ganzheitliches System zur Spendengewinnung,

das zu ihrer Organisation passt“, so Susanne Reu-ter, geschäftsführende Gesellschafterin des Zen-trums für Systemisches Fundraising (ZSF). „Unsere Arbeit dient ihnen als Grundlage für organisches und dauerhaft erfolgreiches Fundraising.“

Kunden des ZSF sind Organisationen, die Fundraising als zusätzliche Finanzierungsquelle aufbauen und weiterentwickeln müssen, weil sie

mit dem Rückgang finanzieller Mittel zu kämpfen haben. Dazu fehlen ihnen zum Einen fachliches Know-how und Erfahrung, zum Anderen stehen häufig organisationsinterne Widerstände den ange-strebten Veränderungen entgegen. Hier greift der neue und im Fundraising bisher einzigartige Ansatz des neu gegründeten Zentrums: die komplementäre Beratung auf der Grundlage systemischer Organi-sationsentwicklung. Die Organisationen bauen in Zusammenarbeit mit den Beratern eigene Kompe-tenzen auf, sowohl im fachlichen Bereich – also in der Umsetzung von Fundraising-Maßnahmen – als auch im Umgang mit den notwendigen Prozessen der Veränderung und Entwicklung.

„Erfolg kommt von innen“, ist Susanne Reuter überzeugt. „Deshalb begleiten wir unsere Kunden so individuell, dass sie selbst ihre Fähigkeiten erken-nen und entwickeln können, die sie zu ihrem Ziel führen. Und die sind nicht für jede Organisation die gleichen.“ Dabei verstehen die Fachleute des ZSF Fundraising nicht nur als bloßen Maßnahmenka-talog, sondern als Teil einer neuen, ständig reflek-tierten Haltung nach innen und außen. Sie fördern die ganzheitliche Sichtweise auf die Finanzierung von Non-Profit-Organisationen, die neue Finanz-quellen erschließen wollen – darunter kirchliche In-stitutionen und öffentliche Einrichtungen wie Kul-tur- und Bildungseinrichtungen oder Kommunen.

Kooperationspartner des ZSF sind das Fundrai-singbüro Hildesheim als Kompetenzteam für Stra-tegieentwicklung und operatives Fundraising und das Zentrum für Wissenschaftliche Weiterbildung an der Universität Flensburg als wissenschaftlicher Forschungs- und Bildungspartner.

Informationen im Internet unter:www.systemisches-fundraising.de

Kontakt: Susanne Reuter, Zentrum für Systemisches Fundraising GmbHTel.: 0241 – 189 13 15 Fax: 0241 – 189 13 14reuter@systemisches-fundraising.dewww.systemisches-fundraising.de

Tagungsbeiträge

Page 30: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

30

„Die Bischöfe müssen mit uns rechnen“ „Wir sind Kirche“ sucht „Wege aus der Sackgasse angesichts von Priestermangel, Pfarreienfusionen und Gemeindesterben“

In dem wohl am radikalsten umgestalteten Bistum hat die 28. öffentliche Bundesversammlung der Kir-chenVolksBewegung „Wir sind Kirche“ vom 22.-24. Oktober den Dreiklang „Priestermangel – Pfarrei-enfusionen – Gemeindesterben“ in den Blick genommen und nach Wegen aus den von den Bischöfen verordneten Sackgassen gesucht.

Am Freitagabend gab Dr. Christel Darmstadt von der Bürgeraktion „Rettet Bochumer Kirchen“ (www.rettet-bochumer-kirchen.de) ein erschreckendes Bild von der Situation im Bistum Essen als „radi-kalstes Beispiel“ für Strukturreformen auf Kosten der Gemeinden. Hier wurden in den letzten Jahren insgesamt 96 Kirchen verkauft, umgewidmet oder abgerissen. „Damit hat das Bistum Essen im Ver-hältnis zu seinen Mitgliedern die geringste Zahl an Kirchen in allen Bistümern bundesweit, kritisierte die Bochumer Kunsthistorikerin. Aus 259 Pfarreien seien 43 gemacht worden. Die Art und Weise wie das zum Teil gegen den Widerstand der Betroffenen geschehen sei, bezeichnete Darmstadt als „Christen-verfolgung durch den Klerus“.

Am Samstagvormittag diskutierten Prof. Dr. Norbert Mette (Pastoraltheologe), Margret Pernhorst (bis vor Kurzem Sprecherin des Diözesankomitees Münster), Edgar Utsch (Gemeinderatsvorsitzender in Gelsenkirchen) und Stefan Bölts (Netzwerk Kir-chenreform) auf dem zentralen Podium und spra-chen sich für eine theologische Konzeption von Gemeinde aus statt des oberflächlichen und kurzfri-stigen Reagierens auf die immer geringer werdende Zahl der zum Zölibat verpflichteten Priester. In der sich anschließenden Fish-Pool-Diskussion ergab sich eine lebhafte Debatte über die „Wege aus der Sack-gasse“.

Als wesentlichen Schritt wurde unterstrichen, zu-nächst innerhalb der Gemeinden eine Bewusstseins-änderung zu unterstützen, anstatt sich an der Verän-derung hoher Kirchenstrukturen aufzureiben. Dabei sollen die Menschen ermutig werden, mehr Verant-wortung und Eigeninitiative für die Gestaltung des Gemeindelebens zu übernehmen. Hierzu ist jedoch ein Klima ohne Perfektionsdruck und ein Gemein-schaftsgeist notwendig, der freiwilliges Engagement nicht gleich unter einer Anspruchshaltung hoher Er-wartungen begräbt. Der mangelnden Dialogbereit-schaft von Seiten der Kirchenleitung will man durch ein verstärktes Engagement in eigenständigen und unabhängigen Vereinen begegnen, um sich von der hierarchischen Bevormundung zu emanzipieren.

Insgesamt wurde die zunehmende Klerikalisie-rung in der katholischen Kirche kritisiert, die viele Fortschritte des 2. Vaticanums in Vergessenheit ge-

raten lassen. Und da sich manche Bischöfe und Prie-ster restriktiver verhalten, als es nach den offiziellen ökumenischen Lehrgesprächen nötig wäre, hat man sich gegenseitig mehr Mut zum pastoralen Unge-horsam gemacht: „Die Kraft der Ideen ist stärker als die Summe alle Männer in lila Kleidchen“ – „Die Bischöfe müssen mit uns rechnen, sie müssen sich kümmern, wenn Reformgruppen fröhlich Unruhe stiften, und spätestens dann müssen sie auch den bis-her verweigerten Dialog suchen.“

Bei vielen Teilnehmenden stieß es auf Unver-ständnis, dass die Bischöfe nicht bereit sind, den Reformwillen der meisten Kirchenmitglieder nach-zugehen, nur aus Angst davor, die rund 15% Konser-vativen zu verlieren. Um so deutlicher wurde auf der Bundesversammlung der Artikel von Ulrich Waschki (Reformer ohne Basis?) kritisiert, der die 1,5 Milli-onen Unterzeichner des Kirchenvolksbegehrens als unscheinbare Größe erscheinen lassen wollte.

Lebhafte Diskussionen gab es darüber, ob der Austritt aus der Kirche als Körperschaft des öffent-lichen Rechts ein geeigneter Weg ist, um der Kirche „der Dienstwagen und goldenen Bischofsstäbe“ durch die fehlende Kirchensteuer die Finanzkraft zu nehmen. Einige sind diesen Weg bereits gegan-gen. Der Erfahrungsbericht von Bruno Hessel („Ich fühle mich befreit“, Publik Forum Nr. 7 / 2010) brachte soviel Resonanz, dass sich Mitstreiter im Verein „Ökumene 2017“ versammelt haben (www.oekumene-2017.de). Andere appellieren dagegen: „Auftreten statt austreten“ – „Wer wird noch das KirchenVolksBegehren verfolgen, wenn es keine kri-tischen Stimmen im Kirchenvolk mehr gibt?“ Einig war man sich hingegen, dass die einzelnen Reform-gruppen noch stärker als bisher zusammen arbeiten müssten. Und so fand die zurückliegende Koopera-tion auf dem ÖKT auch anerkennende Worte von Hans Küng.

Mit einem Appell zu einem „Dialog ohne Denk-verbote“ über die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland ist am Sonntag die Bundesversamm-lung zu Ende gegangen. Gleichzeitig begrüßte die Kirchenvolksbewegung den Vorstoß der deutschen Bischöfe, in Gesprächen zwischen Laien und Amts-trägern Vertrauen und Glaubwürdigkeit für die Kir-che zurückzugewinnen. „Wir sind Kirche“ wolle an

Tagungsbeiträge

Page 31: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

31

dieser Initiative mitwirken, heißt es in einem am 24. Oktober veröffentlichten Beschluss. Der Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils gemäß muss das ganze „Volk Gottes“ einbezogen werden.

Mit einem „Essener Hahnenschrei“ rief die 28. Bundesversammlung schließlich die Gläubigen an-gesichts der Neustrukturierung der Seelsorge in den deutschen Bistümern auf: „Lasst euch nicht bevor-munden, sondern tut selbstbewusst das, was ihr als richtig, was ihr als christlich erkannt habt! Priester

und Bischof sind nicht die Herren der Gemeinde, sondern eure Diener.“ Der Legende nach hat der Weckruf des Wachsamen Hähnchens die Stadt Es-sen einst vor dem Untergang bewahrt. Heute ist das Bistum Essen wohl das am radikalsten umgestaltete Bistum in Deutschland; aber auch in allen anderen Bistümern werden von den Bischöfen immer grö-ßere Pfarreien gebildet, so dass die Kirche immer mehr die Nähe zu den Menschen verliert. Weitere Informationen unter www.wir-sind-kirche.de

Der Essener Hahnenschrei Der Weckruf des Wachsamen Hähnchens hat einst die Stadt Essen vor dem Untergang bewahrt. Heute ruft es „Die Stunde des Gottesvolkes“ aus.

An alle Christinnen und Christen:

„Ihr seid ein heiliges Volk, eine königliche Priesterschaft“

• Nehmt das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen wahr und kümmert euch um das, was euch angeht!

Priester und Bischof sind nicht die Herren der Gemeinde, sondern eure Diener, denn nur einer ist euer Herr: Jesus Christus. Er sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

• Lasst euch nicht bevormunden, sondern tut selbstbewusst das, was ihr als richtig, was ihr als christ-lich erkannt habt!

Seid nicht zaghaft und vertraut dem sensus fidelium, dem Glaubenssinn des Gottesvolkes!• Bringt eure Charismen, die Gaben, die ihr von Gott geschenkt bekommen habt, ein, damit Gemein-

de lebt! Ihr alle seid der „Leib Christi“, jede und jeder ist wichtig! Übernehmt Verantwortung in eurer Gemeinde und in der Leitung eurer Gemeinde!• Bildet euch weiter und entwickelt Kreativität! Traut euch zu, dass ihr Gottesdienste feiert und selbst leitet, dass ihr die Frohe Botschaft in unserer

Zeit verkündet, dass ihr die Liebe Gottes in die Welt hineintragt und dass ihr die Gemeinschaft untereinander fördert!

„Stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, dass es allen leuchtet!“• Rückt das Evangelium wieder in die Mitte eures Lebens! Nehmt euch der Sorgen und Probleme der Menschen an! Nehmt ernst, was Jesus sagt: „Was ihr

dem Geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“! Gottesdienst ist Menschendienst.• Sucht die ökumenische Gemeinschaft, ladet euch gegenseitig zum Mahl ein und lebt glaubwürdig,

was Jesus betet: „... dass alle eins seien.“! Verschanzt euch nicht, sondern geht auf alle Menschen zu! Paulus sagt: „Prüft alles; was gut ist, behaltet!“ Schließt eure Kirchen nicht zu, sondern heißt alle

willkommen!• Seid offen für Neues, füllt aber nicht „neuen Wein in alte Schläuche“! Seid nicht ängstlich, sondern macht euch auf den Weg und schaut nach vorn! „Wer die Hand an den

Pflug legt und nach hinten schaut, ist meiner nicht wert.“

Habt Visionen, damit Gemeinde bleibt – denn ohne Gemeinden keine Kirche!

Aufruf der 28. Bundesversammlung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche Oktober 2010 in Essen angesichts der Neustrukturierung der Seelsorge in den deutschen Bistümern.

Tagungsbeiträge

Page 32: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

32

Die Praxis-Plattform geistreich der EKDvon Till Schümmer, Christina Matschke und Christoph Römhild

Was ist zu tun, wenn ein Kirchenkreis ein gemeinsames Tauffest organisieren will? Wo finde ich zündende Ideen für unser Ferienprogramm? Fragen dieser Art stellen sich immer wieder für Mitarbeitende in der Kir-che, die neue Angebote gestalten wollen. Und oft fühlen sich Mitarbeitende auf sich allein gestellt, vor allem wenn die zündende Idee fehlt.

Die Praxis-Plattform geistr eich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) soll Ehren- und Haupt-amtlichen in der Kirche dazu dienen, Erfahrungswissen auszutauschen. Ziel ist es, die Schätze kirchlicher Arbeit zu heben und eine Möglichkeit zur Vernetzung für kirchliche Praktiker zu bieten. Neue Ideen und gute Erfahrungen sollen sich so besser verbreiten und tragen dazu bei, dass die Kirche sich ein weiteres Stück hin zu einer lernenden Organisation entwickelt.

Die Plattform geistreich bietet hierzu drei Bereiche: • ideenreich – das Forum für Fragen und Ideen. Hier werden gemeinsam Ideen entwickelt, Tipps ge-

geben und Fragen gestellt. Durch ein strukturiertes Forum ermuntern sich Mitarbeitende gegenseitig dabei, neue Projektideen oderbHandlungsweisen zu entwickeln, die in der konkreten Arbeit helfen, neue Situationen zu meistern. Dieses Diskussionsforum ist in inhaltliche Rubriken gegliedert.

• erfahrungsreich – eine Sammlung von Beispielen guter Praxis. Hier finden sich Erfahrungsberichte von gelungenen kirchlichen Projekten, die von Nutzerinnen und Nutzern eingestellt werden. Sie sind schreibgeschützt und bieten einen Bericht von dem konkreten Ereignis vor Ort. Andere Mitglieder von Geistreich können die Beispiele guter Praxis diskutieren und so auch den berichtenden Nutzern neue Denkanstöße zur weiteren Verbesserung der dargestellten Praxiks geben.

• wissensreich – das Lexikon kirchlichen Erfahrungswissens. Dies ist das Herzstück der Plattform, eine Art Wikipedia kirchlicher Innovation. Gemeinsam mit anderen können die Nutzerinnen und Nutzer das Erfahrungswissen aus den Gemeinden in abstrakter, nachahmbarer Form sammeln, reflektieren und weiterentwickeln. Ein Artikel ist für andere Nutzerinnen und Nutzer bearbeitbar. So ergibt sich wie in Wikipedia die Möglichkeit, das Wissen vieler in einem Artikel zu akkumulieren.

Wenn man sich anmeldet, zeigt „geistreich“ sein besonderes Potenzial: Jede und jeder kann mitdiskutieren, bestehende Artikel komfortabel kommentieren und diskutieren, sowie eigene Artikel anlegen. Dadurch muss das Rad nicht neu erfunden werden, sondern gelungene Ideen und Projekte können von Anderen übernom-men und auf die eigene Situation hin angepasst werden.

Geistreich

Page 33: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

33

Auf der Praxis-Plattform „geistreich“ können sich Nutzerinnen und Nutzer von Beiträgen inspirieren lassen, auch wenn sie sich nicht angemeldet haben. Um selbst Projekte vorstellen und mitdiskutieren zu können, muss man sich jedoch registrieren. Da Authentizität in der Kirche einen hohen Stellenwert hat und geistreich die Vernetzung der kirchlichen Praktiker fördern will, sollten sich Nutzerinnen und Nutzer mit ihrem echten Namen anmelden. Auf diese Weise sind sie leichter ansprechbar für Menschen, die Interesse an ähnlichen Themen haben. Vor allem kommen so die Leserinnen und Leser der Beiträge mit den Auto-rinnen und Autoren zsammen. Mit derZeit entwickelt sich so ein soziales Netzwerk von Nutzerinnen und Nutzern, in dem Menschen mit verwandten Interessen enge Beziehungen knüpfen können.

Nach nur vier Monaten hat geistreich bereits über 1200 angemeldete aktive Nutzerinnen und Nutzer, daneben unzählige Leserinnen und Leser. Die 1000. Teilnehmerin war Pfarrerin Kerstin Krause (48) aus der Evangelischen Kirchengemeinde in Lorsbach. „Als Pfarrerin auf einer Einzelpfarrstelle ist man manchmal Einzelkämpferin“, sagt sie. „Dagegen ist ‚geistreich‘ ein gutes Mittel. Wenn ich Ideen zu Taufe oder einem besonderen Gottesdienst suche, schaue ich dort nach. So muss ich nicht im eigene Saft schmoren.“

Auch die Gliedkirchen der EKD nutzen inzwischen das Webangebot von geistreich: Eine wachsende Zahl landeskirchlicher Webseiten nutzt die veröffentlichten Projekte aus ihrer Landeskirche als integralen Bestandteil ihres Internetauftrittes.

Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Nikolaus Schneider, gratulierte geistreich zur 1000. Teilnehmerin: „Mit der Praxis-Plattform ‚geistreich‘ hat die evangelische Kirche erstmalig die Möglichkeit, bundesweit Projekte zu präsentieren, zu diskutieren und gemeinsam weiter zu entwickeln. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Kirche hin zu einer lernenden Organisation. So wird ‚geistreich‘ dem Reformprozess eine größere Breite auf gemeindlicher Ebene geben.“

Geistr eich ist das Praxisprodukt, das dem Forschungsprojekt PATONGO entspringt. In PATONGO wer-den Rahmenbedingungen untersucht, die einen erfolgreichen Austausch von Erfahrungswissen anhand von Web 2.0 Technologien ausmachen. So können die neuesten Erkenntnisse des Forschungskonsorti-ums, bestehend aus der EKD, der FernUniversität in Hagen (Projektleitung: Dr. Till Schümmer) und dem Institut für Wissensmedien in Tübingen, gleich praktisch in die Gestaltung von geistreich mit einfließen. PATONGO wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfond gefördert.

Die EKD-Plattform „geistreich“ finden Sie unter www.geistreich.de im Internet. Eine Rezension lesen Sie in der nächsten Ausgabe und unter www.kirchenreform.de - auf der Portalseite www.reformlinks.de sind Links zu weiteren Reformseiten, Projektdatenbanken und Best-Practice-Beispielen sowie weiterführende Links zum Themenbereich Kirche 2.0 zusammengestellt: http://linksammlung.kirchenreform.de Im nächsten Jahr findet vom 11. - 12. März 2011 in Filderstadt bei Stuttgart eine Konferenz für Gemeinde-Innovation statt. Infos zur Gemeinde 2.0 finden Sie unter http://www.gemeindezweinull.org im Web.

Geistreich

Page 34: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

34

Das kleine ABC der KirchenreformEine Einführung in die Reformthemen

Buchvorstellungen

Mit dem kleinen ABC der Kirchenreform wollen wir insbesondere ehrenamtlich Engagierte in Kirchen-vorständen, Synoden und anderen leitenden Funkti-onen ansprechen und damit einen konstruktiven Bei-trag zu den aktuellen Reformdebatten leisten. Das Buch ist bewusst ohne wissenschaftliche Fußnoten - dafür mit praxisnahen Link- und Literaturhinweisen als Arbeitshilfen konzepiert. Es ist leicht geschrieben und regt mit zahlreichen Fragen an die Leserinnen und Leser zum Weiterdenken an.

Im ersten Abschnitt des Taschenbuches wird die Diskussion um die Vokabel „Reform“ aufgegriffen und ausgeführt, warum eine Reformation beständig sein muss – und warum eine beständige Reforma-tion nötig ist. Im zweiten Teil werden verschiedene Reformthemen vorgestellt, Anregungen zum Weiter-denken gegeben und Schlagworte aus den Reform-diskussionen kurz erläutert. Zudem sind im Anhang einige Netzwerke, Webseiten und Literaturhinweise zu den einzelnen Themenfeldern rund um Gemein-deentwicklung und Kirchenreform zusammenge-stellt worden.

In kurzweiliger Form zeigt Stefan Bölts, dass Kirchen- Reform mehr ist, als die Kürzung von Ge-meinde-Pfarrstellen und die endlose Diskussion über Positions-Papiere.

Das Thema geht uns alle an, weil die Kirche zu al-ler erst aus Menschen besteht und wir es sind, die im Zeitalter gesellschaftlicher Veränderungen unserem Glauben immer wieder neu Gestalt geben. Um so wichtiger ist es da, dass auch die uns umgebenden Strukturen klug auf ihre Umwelt reagieren.

Ein Wegweiser durch das Dickicht der aktuellen Reformdiskussionen!

Einführung 7Kirchenreform – was geht mich das an? 11Kirchenreform – ist der Begriff richtig gewählt? 18Kirchenreform – ein politisch verbrannter Begriff? 21Kirchenreform – eine Bewegung von unten? 23Warum muss sich die Kirche verändern? 30Was können wir von der Zivilgesellschaft lernen? 32Was sind die Themen der Kirchenreform? 38Gemeindereform und Strukturreform 41Mitgliedschaftsreform und Gremienreform 50Leitungsreform und Personalreform 53Bildungsreform und Ausbildungsreform 60Theologiereform und Finanzreform 63Diakoniereform und Verwaltungsreform 69Verkündigungsreform und Präsenzreform 73Gottesdienstreform und Immobilienreform 76Wie können wir voneinander lernen? 81Netzwerke, Webseiten & Literatur zu Reformthemen 89Schlagwortregister 99

Infos zum TaschenbuchStefan BöltsDas kleine ABC der KirchenreformISBN 978-3-86893-028-3Berlin 2010 ● www.eb-verlag.de103 Seiten, Paperback, 250g, 6,90 €

Sammelbestellungsrabatt für kirchliche Gremien und Mitar-beitendenkreise auf Anfrage beim Netzwerk Kirchenreform

Bestel lungen an:EB-Verlag ● Jägerstr. 47 ● 13595 BerlinFax 030-91607774 ● post[a]ebverlag.de

Leseproben, Material für Gemeindebriefe und Rezensionen wer-den zusammengestellt unter: http://abc.kirchenreform.de

Weitere Infos & Bücher in der Reihe « Netzwerk Kirche » unter: www.netzwerk-kirche.de oder www.reformbuch.de

Page 35: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

35

Zwölf Thesen zur Kirchenreformvon Isolde Karle

1. Die evangelische Kirche ist von unten, von den Gemeinden her aufgebaut. Sie hat eine föde-rale Struktur und wird synodal-demokratisch geleitet. Als Kir-che der Freiheit und Kirche der Vielfalt ist ihr eine hierarchische, einheitliche, autoritäre Struk-tur fremd. Prinzipiell haben alle Christen teil am Lehr- und Lei-tungsamt der Kirche. Tendenzen innerhalb der EKD und mancher Kirchenleitungen, die Kirche von oben her, top down, zu steuern, widersprechen dem Wesen des Protestantismus. Evangelische Kirchenleitung ist herausgefor-dert von oben von unten her zu denken. Reformvorschläge der Kirchenleitung müssen deshalb dem offenen Diskurs ausgesetzt werden und können nur gelin-gen, wenn sie von einer breiten Basis unterstützt, mitgetragen und befürwortet werden.

2. Die evangelische Kirche wächst aus den Gemeinden, den lokalen Zusammenschlüssen von Christinnen und Christen. Kleinere Einheiten kommen im Gegensatz zu größeren Ein-heiten mit wenig bürokratischer Kontrolle aus, weil die persön-liche Bekanntschaft und der überschaubare Rahmen eine starke Vertrauensbasis schaffen. Die Vertrautheit von Orten und Personen hat eine kaum zu über-schätzende Funktion für die Ver-mittlung elementarer Grundsi-cherheit. Die Bedeutung solcher Grundsicherheit nimmt mit der Anonymität und Mobilität der Gesellschaft eher zu statt ab.

3. Für die Kirchlichkeit des Protestantismus ist Gemein-dereligiosität unverzichtbar. In den Gemeinden ringen nicht nur theologische Experten, son-dern Menschen aus unterschied-lichsten Berufsgruppen und Mi-lieus darum, wie Kirche gestaltet

werden soll. Hier gewinnt Kirche Kontur und Anschaulichkeit. Hier werden lebenslange Loya-litäten und Bindungen geschaf-fen, die für die Stabilisierung der Kirchenmitgliedschaft und die Bereitschaft, die Kirche finanziell zu tragen und zu unterstützen, essentiell sind.

4. Der Pfarrberuf ist Schlüs-selberuf für die evangelische Kirche. Eine Pastorin kann die enorme Vielfalt und Komplexität ihrer Aufgaben nur dann bewälti-gen, wenn sie das Vertrauen der Menschen genießt und weitge-hend autonom entscheiden kann, ob, wann und wie gehandelt werden soll. Neben den über-prüfbaren theologischen Kom-petenzen eines Pastors sind des-halb Glaubwürdigkeit, Charisma, Intuition und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, entscheidend für den Pfarrberuf als Profession.

5. Die Kirche ist auf intrin-sisch motivierte Pastorinnen/Pastoren und Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter angewiesen. Intrin-sischeMotivation lässt sich von außen nicht erzeugen, wohl aber beeinträchtigen und zerstören. Nicht-Zutrauen ist eine wesent-liche Ursache für Demotivation. Geht die Identifikation mit der Sache verloren, weil das planvolle Erfüllen von Zielvereinbarungen in den Vordergrund rückt, führt das zur Ent-Identifikation und Demotivation. Wichtiger als je-des Reformprogramm ist es, die Attraktivität des Pfarrberufs zu fördern, damit auch künftig theo-logisch qualifizierter Nachwuchs gewonnen werden kann.

6. Das Grundproblem vieler Kirchenreformprogramme ist, dass sie zuviel Steuerbarkeit und Planbarkeit unterstellen, dass sie Prozesse organisieren wollen, die sich nicht organisieren las-sen. Die Kirche manövriert sich dadurch in einen Aktivismus

hinein, der große Frustrationen hervorrufen und die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschöpfen, auslaugen und über-fordern wird. Die Organisation Kirche ist herausgefordert, die Rahmenbedingungen einer nicht zentralistischen Kirche so zu ver-bessern, dass die Wahrscheinlich-keit interaktiver Begegnungen und informeller Beziehungen steigt und Menschen sich gern in ihr und für sie engagieren.

7. Der Glaube kann nicht gekauft werden wie ein Produkt. Menschen entscheiden sich nicht nach Belieben für oder gegen den Glauben. Es ist insofern un-wahrscheinlich, dass insbesonde-re distanzierte Kirchenmitglieder religiöse Angebote an weit entle-genen Orten wahrnehmen und für sich beanspruchen. Es bedarf in der funktional differenzierten Gesellschaft starker Zentren und überregionaler Angebote und Vernetzungen, aber diese dürfen nicht gegen die Gemeindekirche ausgespielt werden. In der Regel entwickeln sich religiöses Interes-se und religiöse Identität über das selbstverständliche »Mitlaufen« in familiärer und kirchlicher Sozi-alisation, nicht über eine spontan getroffene Entscheidung.

8. In der Vielfalt ihrer Lebens-formen ist die Familie die grund-legende und nachhaltigste Sozia-lisationsinstanz. Der Einfluss der Eltern- und Großelternpersonen ist für die Kirchenbindung der allermeisten Menschen entschei-dend. Zugleich ist die Familie gerade in religiöser Hinsicht auf Unterstützung angewiesen. Da die Erziehung von Kindern und Jugendlichen vornehmlich lokal orientiert ist, haben die Kirchen-gemeinden (neben dem Religi-onsunterricht an Schulen) hier eine zentrale Aufgabe. Eine Kir-che, die gegen den Trend wach-sen will, findet in diesem Bereich am ehesten Anknüpfungspunkte.

Buchvorstellungen

Zwölf Thesen zur Kirchen-reform von Isolde Karle, in: Kirche im Reformstress, Gütersloh 2010, S. 256 - 259.

Page 36: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

36

9. Kirchengebäude gehen in ihrer Bedeutung über ihre un-mittelbare Funktion, Versamm-lungsort für Christinnen und Christen zu sein, weit hinaus. Als sakrale Orte erinnern sie an existentielle Fragen der Religi-on. Sie sind exemplarische Orte der Präsenz Gottes in der Welt. Citykirchen sind Orte der kul-turellen, Lokalkirchen vor allem Orte der biographischen Erinne-rung. Kirchen symbolisieren in ihrer Stetigkeit und äußerlichen Invarianz die Unverfügbarkeit individueller und kollektiver Da-seinsbedingungen.

10. Die mediale Präsenz der Kirche ist in derMediengesell-schaft von großer Bedeutung im Hinblick auf das Image und die gesellschaftliche Einflussmög-lichkeiten der Kirche. Gleich-wohl sind die lokalen Öffentlich-keiten nicht zu vernachlässigen. Sie sind sowohl zivilgesellschaft-lich als auch für die gelebte Kirchlichkeit zentral und stellen überdies ein wichtiges Korrek-tiv der Massenmedien mit ihrer Neigung zur Simplifizierung und zum Alarmismus dar. Reale Begegnungen und reale Räume behalten auch in Zeiten fort-schreitender Virtualisierung der

Gesellschaft eine hohe Bedeutung. Die Kirche lebt in ihren grundle-genden Vollzügen von leiblicher, verletzlicher, auf den Nächsten be-zogener Kommunikation.

11. Durch die Ökonomisierung der Kirche entsteht eine Eigendy-namik der Organisation, die sich theologischen Beurteilungskriterien mehr und mehr entzieht. An die Stelle theologischer Steuerung tritt immer stärker eine management-förmige Steuerung. Theologie wird zur legitimierenden Zweitcodie-rung. Für die Kirche der Zukunft ist es unabdingbar, dass sie wieder zu einem eigenen theologischen Selbstverständnis findet, dass sie religiös sprachfähig ist und sich als Organisation nicht von den Zwängen ökonomischer Lo-gik fremdbestimmen lässt. Die Kirche ist Teil der Gesell-schaft und zugleich Gegenhorizont zu einer durchrationa-lisierten, leistungs-orientierten Welt. Sie symbolisiert das Unverfügbare, nicht Mess- und Bere-chenbare und darin das Angewiesensein

auf Gottes Güte, Gnade und Erbarmen.

12. Die eigentliche Krise der Kirche ist nicht eine Finanz-, sondern eine theologische Ori-entierungskrise. Was hat die Kir-che Menschen in der modernen Gesellschaft zu sagen? Wie lässt sich theologisch substantiell und zugleich existentiell relevant von Gott reden, von Kreuz und Auf-erstehung, von Sünde und Ver-gebung, von Gnade, Liebe und Gerechtigkeit? Wie beheimaten sich Menschen im christlichen Glauben? Hier liegt die eigent-liche Herausforderung, der sich Theologie und Kirche stellen müssen.

Kirche im ReformstressKlar in der Sprache, innovativ in der Position, deutlich im Ziel

Impulspapiere, Zukunftskon-gresse, Strukturreformen – die Kirche ist im Reformstress. Be-triebsamkeit, wo Besinnung nö-tig wäre. Welche Reformwege sind gangbar, welche sind Irr-wege? Diese zu unterscheiden ist das Anliegen dieses Buches.

Am Beginn steht die kri-tische Frage nach der Religion in der Moderne. Gibt es einen Trend zur Religion, der auch eine Renaissance der Kirche möglich machen könnte? Was aber ist Kirche? Wer reformieren will, muss wissen, wovon er spricht.

Das zweite Kapitel beschreibt die Kirche als Organisation und mar-kiert damit die Grenzen ihrer Refor-mierbarkeit. Der Organisation steht die Gemeinde als Raum der leben-digen Begegnung gegenüber. Ist hier der eigentliche Zukunftsraum der Kirche? Dann aber muss denen, die die Gemeinden begleiten, Aufmerk-samkeit zuteil zu werden: Das fünfte Kapitel stellt die pastorale Arbeit in den Mittelpunkt des Nachdenkens. Immer deutlicher wird auf diesem Denkweg: Die Krise der Kirche ist keine organisatorische, sondern eine inhaltliche. Überlegungen zur Bot-

schaft und zu der Weise, diese zu vermitteln, schließen darum dieses Buch ab.

Ein Buch, das die gangbaren Wege in die Zukunft der Kirche von den Sackgassen unterschei-det.

Nachdenken statt atemloser Betriebsamkeit

Ein Plädoyer gegen falschen Aktionismus und für eine Stär-kung der Gemeinden im Geiste evangelischer Gelassenheit.

Isolde KarleKirche im ReformstressPaperback, Broschur, 280 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-579-08119-9€ 19,95 [D] | € 20,60 [A] CHF 33,90

Buchvorstellungen

Page 37: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

37

Isolde Karle: Kirche im ReformstressEine Buchbesprechung von Stefan Bölts

Sicherlich, der finale Kampf zwischen Harry Potter und Lord Voldemort, das große Duell zwi-schen Gut und Böse, dass dem-nächst auch in die Kinos rauscht, ist spannender als ein Buch, des-sen Titel die Worte „Kirche“ und „Reform“ auch noch mit „Stress“ verbindet. Und das liegt vielleicht nicht nur am Genre. Wir leben in einer Zeit, in der wir uns mit ein bisschen Zauberei hier und ein wenig Mystik dort unsere eigene synkretistische Wohlfühlreligi-on im Lego-Steckkasten-System zusammenbauen können: Mal ehrlich, wer gibt sich denn noch mit der „Kirche“ ab? Das ist doch so was von 2009. Aber ist das wirk-lich so?

Dafür, dass wir es mit einem wissenschaftlichen Text zu tun haben, war ich erstaunt darü-ber, wie schnell ich dieses Buch durchgelesen habe, ohne mich durch die Seiten retten zu müs-sen („noch zehn, und du bekommst einen Cappuccino zur Belohnung!“). Es ist wahrlich lange her, dass mich eine an sich eher trockene Materie an einen durchgehenden Lesefluss hat fesseln können.

Zugegeben: Als ich das In-haltsverzeichnis aufgeschlagen habe und mir bei der Übersicht des ersten Kapitels Begriffe wie „Pseudoreligion“, „Säkularisie-rung“ oder „Postmoderner Ba-stelglaube“ ins Auge fielen, habe ich mich erst einmal zurück leh-nen und tief durchatmen müssen. Aber das Isolde Karle zunächst über rund 50 Seiten die religiöse Lage entfaltet, macht durchaus Sinn. Und wer erst mal anfängt zu lesen, wird schnell entdecken, dass wir es trotz des „einleiten-den Charakters“ schnell mit ganz konkreten Themen aktueller Kirchenreformdebatten zu tun haben.

Thomas Luckmann wird

zu Rate gezogen und den Lese-rinnen und Lesern in Erinnerung gerufen, dass wir Religion seit der spätmodernen Gesellschaft nicht nur in, sondern vor allem außerhalb der Kirche finden. Die Kirchen sind zu Institutionen unter anderen geworden, die auf dem Sinnmarkt der Weltan-sichten kein Monopol mehr be-anspruchen können und somit in direkter Konkurrenz mit anderen Weltanschauungen stehen.

Markt? Wettbewerb? Das scheint geradezu nach Manage-mentstrategien zu schreien und klingt so gar nicht nach Isolde Karle. Muss es auch nicht, denn einige Seiten weiter bringt es die Autorin markant auf den Punkt: „Auch die Religion ... ist den Folgen der Globalisierung ausgesetzt. Doch zugleich kann man eine Religion nicht wählen, wie man ein Produkt, für das man bezahlt, wählen kann. Re-ligion probiert man nicht nach Lust und Laune aus, man kann sie auch nicht wechseln wie einen Mobilfunkanbieter.“ (S. 41). Ne-ben Eduard Thurneysen, Ulrich Körtner oder Dietrich Benner bringt sie nicht nur verschiedene Analytiker des Phänomens „Re-ligion“ ins Spiel, sondern greift auch auf die Forschungen von Detlef Pollack zum Mythos Sä-kularisierung zurück:

Nicht nur in den Medien, auch in der Wissenschaft wird oft die These vertreten, die Religion sei am boomen – nur eben nicht in der Kirche! Pollacks Studien decken jedoch auf: Religion und Kirche sind enger mit einander verbunden, als von vielen un-terstellt. „Religiosität ist weithin immer noch kirchlich bestimmt. Es sind eher die kirchlich Enga-gierten, die Erfahrungen über-haupt als religiös identifizieren oder empfinden.“ (56). Mit zu-

nehmender Kirchendistanz sinkt auch die individuelle Spiritualität und nach Pollack ist es einfach nicht wahr, „dass die Kirchen sich leeren, aber Religion boomt“ (62). Und mit Armin Nassehi un-terstreicht Karle, dass – zumin-dest in Deutschland – die Be-reitschaft, „von einer religiösen Gruppierung oder Gemeinde zur nächsten zu wechseln“ vernach-lässigbar ist: „Entscheidend sind die sozialen Beziehungen, nicht das Angebot auf dem Markt.“ (60).

Aus diesem Grund rückt die Autorin auch Methoden zur nachhaltigen Vermittlung christ-licher Traditionen wie den Re-ligionsunterricht (42) oder den Konfirmandenunterricht (172) in den Focus ihrer Überlegungen, während sie das religiösen Info-tainment einer modischen Event-kultur kritisch betrachtet: Es ist „keinesfalls ausgemacht, ob eine mediengerechte Inszenierung des christlichen Glaubens zu seiner Verbreitung und Stärkung oder nicht vielmehr zu seiner Sinnent-leerung beiträgt.“ (50).

Nicht zufällig kommt Isolde Karle auf die Empfehlung von Jürgen Habermas zu sprechen, die Kirche soll sich „gegen die feindliche Übernahme der Religi-on durch säkulare (insbesondere ökonomische) Sprachformen ... wehren“ (49), oder Friedrich Schleiermacher, der Religion als „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ und als „Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit“ definiert. Diese breit angelegte Grundierung ist Programm: In Sache Religion haben wir es mit etwas Unverfügbaren zu tun (26): „So kann der Glaube ganz grundsätzlich weder entschieden noch organisiert werden. Die Ge-winnung des Glaubens kann man organisatorisch zwar fördern,

Buchvorstellungen

Page 38: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

38

aber sie entzieht sich einem im strikten Sinne organisatorischen Zugriff.“ (97).

Mit den Ausführungen zu den „Paradoxien kirchlicher Or-ganisation“ beruft sich die Au-torin nicht zuletzt deshalb auch auf Niklas Lohmanns frühe Kir-chensoziologie.

In ihrer Einleitung beschreibt Isolde Karle die evangelische Kirche als reformorientierte Kirche: „Ihr wohnt eine ständige Selbstprüfungs- und Selbstre-lativierungsdynamik inne“ (14); unter den christlichen Konfes-sionen ist sie deshalb aber auch am leichtesten von gesamtge-sellschaftlichen Strömungen irritierbar: „So sind Organisa-tionsreformen gegenwärtig in allen Funktionssystemen zu be-obachten. Sie stehen im Kontext einer Steigerungsdynamik ... die überall nach Optimierungen des Gegebenen suchen lässt.“ (72).

Ziel jeder Reform ist die Selbstverbesserung, aber mit ihr geht zugleich auch eine Selbst-entwertung einher: „So zeigen Reformen immer an, dass der jeweils aktuelle Zustand als ne-gativ, zumindest als unbefriedi-gend und defizitär einzustufen ist“ – Karle sieht im „Verände-rungsenthusiasmus“ aktueller EKD-Reformen vor allem auch die „Unzufriedenheit über die gegenwärtige kirchliche Arbeit und die dafür verantwortlichen Pastorinnen und Pastoren“ zum Ausdruck gebracht. Ihr fehlt die Wertschätzung für das, was zweifelsohne schon gegenwärtig in der Kirche gelingt und bewah-renswert ist. Und im Rückgriff auf Günter Thomas (10 Klippen auf dem Reformkurs der EKD) unterstreicht sie: „Reformen sind nicht prinzipiell etwas Gutes. Re-formen wollen bestimmte Pro-bleme lösen, erzeugen dabei aber womöglich neue und vielleicht sogar gravierendere Probleme“ (73). Nicht zuletzt, weil eine Kir-che, die sich durch anhaltende Reformdebatten vorwiegend mit

sich selbst beschäftigt, kaum noch ihrem Auftrag in der Welt gerecht werden kann.

Isolde Karle will ihr Buch kei-neswegs als Plädoyer gegen jegli-che Reformen verstanden wissen, sondern als Plädoyer dafür, „um-sichtiger und differenzierter über Reformen nachzudenken, als es gegenwärtig weithin geschieht. Prozesse der Veränderung sind fehlerfreundlich und behutsam zu gestalten“ (74), dabei vergisst sie nicht mit Traugott Jähnichen in Er-innerung zu rufen, dass es allein im 20. Jhd. ganze fünf große Kirchen-reformprozesse in Deutschland gab (75).

Ihr Anliegen ist es aufzuzeigen, welche Reformwege gangbar sind und welche Ansätze ihrer Meinung nach in die Irre führen. Mit groß-er Leidenschaft setzte sie sich da-bei mit dem EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ aus dem Jahre 2006 auseinander und kriti-siert den aus ihrer Sicht falschen Ansatzpunkt vieler aktueller Re-formvorhaben: „Die Frage nach der Gestaltbarkeit der Kirche ist von der Frage der Finanzierbarkeit so tief geprägt, dass die Theolo-gie zum ornamentalen Beiwerk zu werden droht“ (11). Gegenwärtige Reformpapiere tendieren dazu, „die Handlungsfähigkeit der Kirche mit ihrer Zahlungsfähigkeit zu identifi-zieren“ (14). Mit diesem Buch spart die Autorin nicht an Kritik an der zunehmenden Ökonomisierung der Kirche und zeigt deren Folgewir-kungen auf.

Sowohl Kirchenmitglieder – das belegt nicht zuletzt die jüngste Kir-chenmitgliedschaftsuntersuchung – als auch viele Konfessionslose er-warten von der Kirche, dass sie die gesellschaftlichen Prozesse mit ih-rer Steigerungsdynamik hinterfragt, „dass sie ein Gegenüber zu einer Welt bildet, in der Nutzen-Kalküle und Effizienz, Leistungs- und Ge-nussfähigkeit die entscheidenden Parameter sind“ (104). Für die Mit-glieder ist die Kirche ein „Symbol des Unverfügbaren“ (105), doch sie selbst sieht sich genötigt, „organisa-

torisch zurück- und umzubauen: Sie muss effizienter werden und wirtschaftlich handeln, sie muss attraktiver werden, am besten gegen den Trend wachsen und neue Mitglieder gewinnen, um zahlungs- und damit zukunftsfä-hig zu bleiben...“ (107).

Im EKD-Impulspapier wird die Kirche zwar nicht als „Unter-nehmen“ bezeichnet – was ande-re Strategiepapiere und Publika-tionen jedoch explizit tun (Isolde Karle hat hierzu zahlreiche Bei-spiele zusammengestellt: S. 108) – doch faktisch wird sie als ein solches begriffen, das sich als Anbieter neben vielen anderen auf dem Markt der Religionen und Weltanschauungen behaup-ten muss. Und Isolde Karle ist bekanntlich weder die erste noch die einzige, der die ökonomisch durchsetzte Sprache in „Kirche der Freiheit“ aufgefallen ist. Mit der Nutzung fremder – in ihrem Sinne „nicht-religiöser“ – Begriffe werden zugleich auch fremde Inhalte adaptiert (wir erinnern uns an den Appell von Habermas). Karle schreibt:

„Wenn sich die Kirche ge-genwärtig in ihren Selbstbe-schreibungen und Reformpro-grammen zunehmend an der ökonomischen Sprache und Lo-gik orientiert, verspricht sie sich damit mehr gesamtgesellschaft-liche Plausibilität und Resonanz als durch eine Orientierung an ihrer eigenen religiösen Sprache und theologische Rationalität. Doch vernachlässigt sie dabei zugleich ihre eigene Systemrefe-renz und steht damit in Gefahr, sich selbst zu säkularisieren und zu marginalisieren“ (33).

Ein weiteres Problem in der Verwendung einer ökono-mischen Sprache innerhalb der „neuen Literaturgattung Kir-chenreformpapiere“ sieht die Autorin darin, dass sie auf eine Konsensherstellung ausgerichtet ist, weniger auf eine offensiv und kontrovers geführte De-batte. „Kirchenreformpapiere

Buchvorstellungen

Page 39: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

39

sollen die notwendige Überzeu-gungsarbeit leisten und sie tun dies mit einem bemerkenswerten strategischen Dreischritt:

Zunächst schlagen die öko-nomisch orientierten Kirchenre-former emphatisch etwas Neues vor und machen damit das Her-kömmliche zum Alten... Dadurch geraden die Beharrungswilligen automatisch in die Defensive. Während sich im Neuen der Gestalt[ungs]wille ausdrückt, wird dieser von den alten Denk-gewohnheiten gebremst und be-hindert...

In einem zweiten Schritt wird vor eine unechte... Alternative gestellt: Entweder wir sparen uns zu Tode und werden gestal-tungsunfähig oder wir verändern die Strukturen. Damit werden die vorgeschlagenen Reformen unausweichlich. In einem drit-ten Schritt schließlich wird eine legitimierende Verknüpfung zur Bibel hergestellt mit der Unter-stellung, dass die Urkirche die vorgeschlagenen Neuerungen ei-gentlich schon immer praktiziert habe...“ (115f.).

Es soll von der freien Wirt-schaft gelernt werden und mit Paulus wird appelliert: „Prüfet alles, und das Gute behaltet“. Nach Feststellung der Autorin wird auf diese geforderte Prü-fung aber nicht ausreichend ein-gegangen; im Gegenteil: „Die weitgehende Übernahme ökono-mischer Sprache und Paradigmen führt dazu, dass religiöse Begriffe profanisiert und banalisiert wer-den“ (116).

Laut Karle hat die Organi-sation Kirche eine Eigendyna-mik entwickelt: Anstatt sich als Dienstleister für die Gemeinden zu verstehen begreift sie sich „mehr und mehr als Großunter-nehmen mit Filialen in den Orts-gemeinden und Pfarrerinnen und Pfarrer als ihren Außendienst-mitarbeitern, die die Kunden-kontakte in ihrem Sinn pflegen“ (113). Insbesondere bei Non-Pro-fit-Unternehmen attestiert Karle

eine durch die Finanzknappheit bedingte Verkehrung von Zweck und Mittel. „Geld wird in der Folge nicht mehr dazu genutzt, um die ... Ziele einer Organisati-on umzusetzen, sondern es wird zum Ziel der Organisation, mit Hilfe der von ihr angebotenen Dienstleistungen Geldquellen zu erschließen“ (111f.).

Im Zuge dieser Verkehrung wird das Verhältnis zwischen Organisation und Individuum zu einem Verhältnis zwischen An-bieter und Kunden transformiert und der Inhalt der eigentlichen Aufgabe einer Organisation rela-tiviert: „Religion wird degradiert zu einer Dienstleistung, die auf dem Markt feil geboten wird“ (112). Im EKD-Impulspapier stellt sich die Kirche schon auf den ersten Seiten als eine Orga-nisation dar, „die um ihr finanzi-elles Überleben kämpft und sich deshalb relativ unverblümt an der Akquirierung von Geld ausrich-tet“ (113). Mehr noch: Das Im-pulspapier „Kirche der Freiheit“ folgt zielstrebig der Logik einer modernen Organisation und ist konsequent von der Frage Fi-nanzierungsmöglichkeiten und Kontrolle her gedacht: „Alles steht zur Disposition, nichts hat einen Kontinuierungsschutz (99, vgl. Kirche der Freiheit S. 42).

Mit Elisabeth Gräb-Schmidt und Jens Schlamelcher zieht die Autorin Referenzen hinzu, die Positionen, die Kirche auch als Unternehmen zu verstehen, deutlich kritisieren. Im Kapi-tel „Kirche als Organisation“ zeigt Isolde Karle die „Grenzen des Organisierbaren“ auf: „Das Grundproblem der Kirchenre-formpapiere ist, dass sie zuviel Planbarkeit und Steuerbarkeit unterstellen, dass sie Prozesse or-ganisieren wollen, die sich nicht organisieren lassen“ (118). An-statt sich an einer biblisch inspi-rierten Grundlage zu orientieren, entscheiden monetäre Gesichts-punkte. „Dementsprechend ist am Ende nicht mehr die Theo-

logie, sondern das Management heimliche entscheidende Steue-rungsinstanz für grundsätzliche kirchliche Entscheidungen und Weichenstellungen. Auf die-se Weise treibt die Kirche noch mehr in die Krise, nicht zuletzt in die Glaubwürdigkeitskrise.“

Bis hier hin konnte ich viele Punkte teilen. An dieser Stelle muss ich allerdings nicht nur an die jüngste Workshoptagung zum Kirchenmanagement denken, auf der genau dieser pauschal formulierte Vorwurf, Theologie und Management seien per se unvereinbar, zum Thema wurde. Ich ertappe mich dabei, dass ich im kleinen ABC der Kirchenreform selbst davon gesprochen habe, die Kirche sei eben auch ein Un-ternehmen. Beim zweiten Über-legen bleibe ich bei der Position und bedaure, dass es Isolde Karle trotz ihrer sehr breiten Reflexion nicht gelungen ist, zwischen dem, was eben doch im Sinne eines Unternehmens organisierbar ist, und dem, was sich aus theolo-gischen Gründen dem entzieht (laut Karle „das Wesentliche“ S. 81), deutlicher zu unterscheiden.

Das Evangelium ist freilich kein Produkt der Kirche, der Gottesdienst (jedenfalls so, wie er sich heute in den meisten Fäl-len von Alleinunterhaltern gestal-tet den Konsumenten darbietet) schon. Dabei kennt die Autorin sehr wohl die Unterscheidung zwischen Gotteswerk und Men-schenwerk (119) – führt dies aber nur als Beweis heran, dass sich der Glaube nicht durch die „Or-ganisations- und Planungswut“ steuern lässt, stellt aber nicht in gleicher Weise heraus, dass wir es neben dem theologischen Bereich unter dem Label Kir-che auch mit einer Organisation profaner Elemente zu tun haben. Die theologische Dimension ei-ner Versammlung um Wort und Sakrament lässt sich freilich orga-nisatorisch schwer greifen, aber profane Verwaltungseinheiten wie Landeskirchen oder Spren-

Buchvorstellungen

Page 40: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

40

gel kann ich durchaus mit den Instrumenten eines modernen Managements zu einer Effizi-enzsteigerung führen, ohne da-mit zwangsläufig den geistlichen Bereich von Kirche in einen ökonomischen Sog zu ziehen.

In diesen Sog „neo-liberaler Ökonomisierungsprozesse“ sieht Karle freilich das Pfarramt gezogen. Ein ganzes Kapitel widmet sie sich der Vorstellung, die Arbeit der Pastorinnen und Pastoren ließe sich schon allein auf Grund des Charakters ei-ner Profession (199) nicht mit Methoden des profanen Perso-nalmanagements messen oder steuern. Sie appelliert sogar: „Bildung und Glaube... beide bedürfen der Freiheit, sie brau-chen sogar ein gewisses Maß an Wildwuchs und Unordnung, um gedeihen zu können. Zuviel Or-ganisation ist beiden abträglich. Kaufen kann man sie ohnehin nicht, auch wenn sie Geld ko-sten“ (191).

Das klingt zunächst nach einem Schutzmechanismus, der aus Angst vor Veränderungen des bisher Gewohnten nach Ar-gumenten sucht: „Wir sind etwas besonderes; wir stehen über den Din-gen.“ Das hat zum zweiten auch etwas mit dem jeweiligen Pfarr-bild zu tun. Wie viel Autonomie wohnt dem Pfarramt inne?

„Der Kirchengemeinderat darf nicht zum Aufsichtsrat mutieren“ (215) mahnt die Au-torin. Ich halte dem entgegen: Das hauptamtliche Personal soll im Sinne eines Angestelltenver-hältnisses bei der gemeinsamen Aufgabe der Verkündigung die theologische Fachkompetenz einbringen, nicht sich selbst verwirklichen wollen. Das sind streitbare Positionen, über die sich ein konstruktiver Austausch lohnt. Und die Autorin führt Ar-gumente ins Feld, die eine auf-merksame Beachtung verdienen: Die Dynamik der Ökonomisie-rung zwingt eine permanente Steigerungs- und Optimierungs-

logik auf (196), deren Outputorien-tierung die Gefahr einer „Trivialisie-rung und Reduktion“ (197) mit sich bringt.

Isolde Karle befürchtet nicht nur, dass die Pfarrerinnen und Pfar-rer auf die Rolle eines kundenori-entierten Außendienstmitarbeiters oder Filialleiters einer Großorga-nisation reduziert wird. Sie sieht die Gefahr darin, dass bei der For-derung nach mehr Qualität falsche Qualitätsmerkmale etabliert werden. So erwartet das EKD-Impulspapier „durch den anvisierten massiven Einsatz von nicht wissenschaft-lich gebildeten Predigerinnen und Predigern (bis zu zwei Drittel aller Predigten sollen künftig von Prädi-kantinnen und Prädikanten gehal-ten werden) keine Verschlechterung des Qualitätsniveaus von Predigten, sondern sieht ganz im Gegenteil da-rin eine Maßnahme zur Steigerung des Gottesdienstbesuches von vier auf zehn Prozent. Damit verstärkt die EKD die Deprofessionalisie-rung des Pfarrberufs, die der der-zeit angestrebten Qualitätsoffensive der evangelischen Kirche zuwider-laufen dürfte“ (194).

Wer eine Qualitätssteigerung messen möchte, braucht Kenn-zahlen, doch Karle legt offen, dass sich das Gütekriterium für die Qua-lität pastoralen Handelns schwer mit Marktmetaphern bestimmen lässt (202): „Im Gegensatz zu Su-pervision oder Therapie muss in der Seelsorge nichts erreicht werden, es muss nichts verändert werden, man muss nicht an Pro-blemen arbeiten. Seelsorge stellt Zeit zur Verfügung“ (220) – aber man wird darin übereinstimmen, dass die Seelsorge nicht zwingend besser ist, nur weil sie mehr mess-bare Zeiteinheiten erforderte. Und so ermahnt uns die Autorin, „die Grenzen kirchenleitenden Handels realistisch in den Blick zu nehmen“ (219). „Dass nicht mehr Menschen die Gottesdienste besuchen, liegt ... nicht nur an der defizitären Qualität mancher dieser Gottesdienste. Es darf aus unbefriedigender Quan-tität nicht einfach auf mangelnde

Qualität geschlossen werden. Und umgekehrt“ (218f.). Zudem erinnert Karle daran, dass eine extrinsische Motivation die in-trinsische Motivation verdrängt und die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Anliegen wegführt (211). Dies kommt mir bekannt vor, haben wir doch in einer IWS-Studie die Auswirkungen monetärer Anreizsysteme auf das pastorale Handeln beleuch-tet. „Das System der [Fremd-]Motivation ist methodisches Misstrauen, es arbeitet mit einer Hermeneutik des Verdachts und unterstellt, dass die Pastorin es eigentlich besser könnte, wenn sie nur wollte“ (210).

Ohne Zweifel hat Isolde Karle recht damit, dass die von Reformprozessen Betroffenen vor Ort als Experten ihrer Sache wahrgenommen werden müssen. „Gemeinden und ... Pastorinnen und Pastoren müssen spüren, dass man sie ernst nimmt, dass man sie anerkennt und jede Be-vormundung zu vermeiden ver-sucht – nur vor diesem Hinter-grund sind Menschen bereit, sich selbstkritisch mit sich und ihrer Arbeit auseinander zusetzen. Es geht im Kern um ihre Selbstach-tung ... Ohne Respekt und ohne ein grundlegendes Vertrauen sind alle Versuche gezielter Qua-litätsförderung und Beratung zum Scheitern verurteilt. Fühlt sich ein Pfarrer abgewertet, rä-cht er sich mit offener oder ver-steckter Abwehr, Druck erzeugt immer Gegendruck“ (213).

Ansatzpunkte für eine leb-hafte Auseinandersetzung bietet von Bild von der Ortsgemeinde, dass die Autorin im dritten Ka-pitel ausmalt. So kommt es nicht von ungefähr, dass diese Seiten bei meiner Lektüre die meisten Unterstreichungen, aber auch die meisten Fragezeichen und Rand-notizen erhalten haben. Die klas-sische Ortsgemeinde (Parochie) gilt bei vielen Kirchenstrategen als Auslaufmodell und ist nicht selten als der Tatort identifiziert

Buchvorstellungen

Page 41: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

41

worden, wo sich der größte Re-formstau verorten lässt. Karle eilt hier zur Ehrenrettung der Kirchengemeinde und versucht sogar damit zu überzeugen, dass bereits in den Ortsgemeinden heutiger Gestalt mehr Milieus vorkommen, als ihr durch den Vorwurf der Milieuverendung unterstellt wird.

Den analytischen Scharfblick, den Karle an vielen anderen Stellen exzellent zum Ausdruck bringt, vermisse ich an diesen Stellen. Nur weil die Sinus-Stu-dien belegen, dass noch fast alle Milieus bestimmte Erwartungen an die Kirche haben, heißt es aber noch nicht, dass sie alle die Gemeindeangebote wahrnehmen oder sogar den gleichen Gottes-dienst besuchen.

Publikumsgemeinden leben laut Karle als „Kirche bei Ge-legenheit“ (Michael Nüchtern) „parasitär von der Kirche der Kontinuität“ (124), ein leben-diger Glaube ist darauf angewie-sen, dass er mit anderen alltags-nah geteilt und damit an einem konkreten Ort gelebt werden kann (125). Rufe ich mir Medi-en- und Passantengemeinden wie die Tourismuskirche vor Augen, kann ich Karles Unterschei-dung zu Anstalts- und Parochi-algemeinden noch teilen. Doch vieles von dem, was die Autorin explizit den Parochialgemeinden zuschreibt, kann ich auch bei profilierten Gemeinden wie Ju-gendkirchen oder Kulturkirchen wiederfinden, wo Menschen ihre kirchliche Heimat und damit ei-nen „festen Ort“ oder im Sinne der Personalisierung eine verläss-liche Vertrauensperson finden.

Zu recht weist Karle da-rauf hin, das jede Zielgrup-penorientierung eine zugleich ausschließende Wirkung hat: „Jede Schwerpunktsetzung er-zeugt neben Betroffenen immer auch Nicht-Betroffene, schließt also nicht nur ein, sondern aus, spricht nicht nur bestimmte Menschen an, sondern schreckt

andere Menschen zugleich ab“ (138). Ihr Fazit, nämlich dass die Kirche dadurch erkennbar nicht mehr für alle da sei, sondern nur noch Kirche für bestimmte Zielgruppen (139), irritiert: Jede Kirchengemeinde spricht mit bestimmten Angeboten streng genommen nur überschaubare Zielgruppen an, ob es ihr be-wusst ist oder nicht. Der alle Mi-lieus übergreifende Gottesdienst ist eine Illusion und auch die verschiedenen Formen von Kir-chenmusik (142) können nur mal hier und mal da Brücken schla-gen, wenn der Posaunenchor plötzlich Jazz entdeckt.

Ich sehe es als viel problema-tischer an, wenn alle Angebote oder alle Gemeinden einer Re-gion die selbe Richtung verfol-gen: dann schließt die Kirche als Summe der Gemeinden faktisch bestimmte Zielgruppen komplett aus. Richtig ist, dass die Kirchen-gemeinden vielfältige Formen der Partizipationsmöglichkeiten haben (sofern die Pfarrer es zu-lassen) und einen „Ausgangs-punkt einer Belebung von Kir-che“ (147) darstellen. Das eine unterschiedliche Profilschärfung von Kirchengemeinden zwangs-läufig in einer Zentralisierung und somit „zum Ausbluten der Peripherie“ führen muss (148), erschließt sich mir nicht.

Isolde Karle geht mit ihrer Kollegin Uta Pohl-Patalong („Von der Ortskirche zu kirchlichen Orten“) und dem ehemaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Hu-ber („Landkarte der Kraftorte“) scharf ins Gericht, weil hier die Erfüllung kirchlicher Funktionen von Seiten der Großorganisation her gedacht wird: „Doch der Pro-testantismus ist stets dann vital, wenn die Organisation Kirche aus den Gemeinden erwächst“ (153). Eine Reflexion von Chan-cen einer „Kirche in der Region“ wird hier nicht vorgenommen, andere Ansätze zur Regionalisie-rung geraten gar nicht erst in den Blick. An dieser Stelle reduziert

die Autorin die Reformdebatten auf ein alternativloses Gegenü-ber parochialer Territorialkirchen und der Konzentration auf sog. „Leuchtturmprojekte“. Sie geht von der In-Mobilität bestimmter Menschengruppen aus (147) und sieht die Ortsgemeinde durch die „Chancen der Wohnortsnähe ... prädestiniert wie keine ande-re Form kirchlichen Kontakts“ (163), ohne aus meiner Sicht hinreichend in Augenschein zu nehmen, dass Wohnort und der Ort sozialer Bindungen in heu-tiger Zeit nicht mehr automa-tisch identisch sind. Das lokale Kirchengemeinden vor allem für das Familiengedächtnis relevant seien (165), greift meine Mei-nung nach angesichts der zuneh-menden Notwendigkeit an Fle-xibilität und Mobilität in unserer Gesellschaft zu kurz.

Diese deutliche Skepsis an Zentralisierungstendenzen – das sei ihr hier verzeihen – rührt vermutlich von Befürchtung her, der strategische Gestaltungswille der Großorganisation würde sich nicht nur von der „in der Ge-schichte des Christentums tief verwurzelten ... ideale[n] Sozial-gestalt von Kirche als Glaubens-gemeinsacht [in Form der Orts-gemeinde]“ (127) verabschieden, sondern auch die von der Lehre vom Allgemeinen Priestertum re-sultierende synodal-presbyteriale Kirchenstruktur in Frage stellen. Nicht zufällig verweist sie hier auf den Vorschlag von Martin Hein, über eine Art von „evange-lischen Erzbischof“ nachzuden-ken (83).

Ebenfalls nicht ganz zufällig behandelt ihr letztes Kapitel die „Perspektiven für die Predigt“. Es geht ihr dabei nicht nur um die religiöse Sprache (235), die Inkulturation (239) oder dem über-setzen biblischer Bot-schaften zwischen Trivialisierung und Moralisierung auf der einen und Auslegung und Verschaffung von Plausibilität auf der anderen Seite (240f.): Ihr geht es um das

Buchvorstellungen

Page 42: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

42

„Kernstück protestantischer Lehre und Überzeugung: um die Rechtfertigungslehre“ (244). Sie entfaltet einige homiletische Sackgassen und kommt dann auf die identitätsstiftende Funk-tion dieser frohen Botschaft zu sprechen.

Neben Steffensky, Jüngel, Bonhoeffer und – natürlich – Luther selbst, lässt sie auch Gerd Theißen zu Wort kommen: „Wenn wir von der Sorge um uns entlastet sind, können wir uns mit Vielem belasten. Wenn Leistung nicht mehr das Wich-tigste im Leben ist, können wir gelöster leisten, auch ohne Angst unser Versagen eingestehen“ (253). Aus der Gesamtkompo-sition des Buches kann man so schlussfolgern: Auch wenn die illusionären Zielvorgaben aus „Kirche der Freiheit“ demo-tivieren, anstatt zu motivieren (215), besinnt sich Isolde Karle auf eine pastorale Lebenskunst aus Humor, Gelassenheit und vor allem der Demut, „sich dem Wettstreit der Eitelkeiten zu ent-ziehen“ (223).

Bei aller Kritik an die aktu-ellen vorherrschenden Reform-papiere weiß Karle auch an-knüpfungsfähige neue Impulse zu setzen, in dem sie die Kirche als eine „Netzwerkorganisation“ (187) begreift, in dem sie in der traditionellen Symbiose von Or-ganisation und Gemeinde (184) Chancen neuer Synergieeffekte sieht (181) und indem sie ihr „Plädoyer für möglichst viel professionelle Autonomie... kei-nesfalls mit einem gleichgültigen

kirchenleitenden oder pastoralen Laissez-faire zu verwechseln [ver-standen haben möchte]. Es setzt vielmehr voraus, kirchenleitend kla-re Erwartungen und auch deutliche Kritik zu kommunizieren, aber dies auf der Basis eines Gesprächs unter sich wechselseitig Respektierenden, die zu tragfähigen Vereinbarungen und nach Möglichkeit konsensge-stützten Entscheidungen zu kom-men versuchen“ (217).

Neben der Irritierbarkeit durch den zeitgeistgeprägten Ökonomi-sierungsdruck stellt Isolde Karle aber noch heraus, dass Kirchen auch unter Unirritierbarkeit leiden können: „Die römisch-katholische Kirche wird einem dazu eher einfal-len als die evangelische – hinsicht-lich der Frauenfrage, der Bewertung von Homosexualität, aber auch be-züglich der kirchlichen Mitbestim-mungsmöglichkeiten von unten. Doch Unirritierbarkeit ... können auch Reformer demonstrieren, die nicht mehr fähig sind, ihre Reform-vorhaben offen dem kritischen Dis-kurs auszusetzen und einen magnus consensus zu suchen. Zwischen Unirritierbarkeit und Hypersensibi-lität kommt es darauf an, dass die Kirche eine weiche Differenz zur Welt markiert und kultiviert“ (77).

Neben dem intensiven Bemü-hen bedarf es – Isolde Karle beruft sich hier auf Luther – „einer ge-lassenen Distanz zum eignen Pla-nen und Tun und damit auch und nicht zuletzt des Vertrauens in das Wirken des Geistes... Ohne eine solche Distanz zum eigenen Tun ... manövriert sich die Kirche in ei-nen Aktivismus hinein, der große Frustrationen hervorrufen und

insbesondere die Pfarrerinnen und Pfarrer, aber auch andere kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erschöpfen, auslau-gen und überfordern wird“ (120) und bringt ihre kritische Analy-se des EKD-Reformprozesses auf den Punkt:

„Die von der EKD anvi-sierten Reformen beziehen sich vor allem auf eine ökonomisch motivierte Restrukturierung und nicht auf die Bereiche der Kir-che, in denen es tatsächlich um etwas geht. So wird nirgends die inhaltliche Verunsicherung in der kirchlichen Verkündigung analysiert, geschweige den auf sie und die Moralisierung und Trivialisierung der kirchlichen Botschaft reagiert. Die theolo-gische Orientierungskrise dürfte für die Kirche erheblich folgen-reicher sein als ihre Finanzkrise“ (120).

Ich könnte jetzt noch warme Worte dafür finden, Ihnen das Buch von Isolde Karle dringest zu empfehlen. Aber das hat es eigentlich gar nicht nötig. Wer in den weiteren Reformdebat-ten der nahen Zukunft ernst genommen werden möchte, kann gar nicht umhin, Isolde Karle gelesen zu haben. Ich geh jetzt meinen Cappuccino trinken und wünsche Ihnen eine „gewinnbringende“ Zeit mit der 278-seitigen Lektüre. Und keine Panik vor der Anzahl der Seiten: Harry Potter hatte mehr, und ich kenne keinen, der sich darüber beschwert.

Isolde KarleKirche im ReformstressPaperback, Broschur, 280 Seiten, 13,5 x 21,5 cmISBN: 978-3-579-08119-9€ 19,95 [D] | € 20,60 [A] CHF 33,90

Buchvorstellungen

http://www.publik-forum.de/StromohneAtom/ http://www.gemeindebrief.de

Page 43: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

43

Volkskirche weiterdenkenZukunftsperspektiven der Kirche in einer religiös pluralen Gesellschaft

Ein „Ende der Volkskirche“ wurde in den letzten Jahren ge-legentlich in Kirche und Theolo-gie, vor allem aber in den Feuil-letons proklamiert. Während man in früheren Jahrzehnten die Volkskirche stärker aus inhalt-lichen Gründen in Frage gestellt hat, weil sie zu wenig christliches Profil zeige und eine distanzierte Mitgliedschaft eher stärke als schwäche, wird sie gegenwär-tig vor allem hinsichtlich ihrer Realitätstauglichkeit angefragt. Ein Satz wie „Die evangelische Kirche ist keine Volkskirche mehr – sie repräsentiert nicht die Mehrheit eines multikultu-rellen, in weiten Teilen atheis-tischen Volkes“ (Dirk Pilz in der BZ vom 29.10.2009) fasst die Debatte prägnant zusammen. Die Diagnose ist klar: Der Mit-gliederschwund der Kirche und ihre sinkende gesellschaftliche Relevanz verändern den Charak-ter der Kirche in einem Maße, dass es nicht mehr gerechtfertigt

Der Prozess der gegenwärtigen Kirchenreform stellt die Frage nach der Rolle der Kirche in der heutigen Gesellschaft in dringlicher Schärfe. Wie versteht die Kirche ihre Aufgaben in der „Welt“, für welche Menschen ist sie zuständig, an welcher Vision von „Kirche“ orientiert sie sich? Alles ande-re als ein „Auslaufmodell“, wird das Konzept der „Volkskirche“ im vorliegenden Band weitergedacht und das Potential dieser Leitidee ausgelotet: Was be-deutet es im 21. Jahrhundert, sich als Kirche auf die gesamte Gesellschaft zu beziehen? Wie muss sich die „Volkskirche“ verändern, um für heutige Men-schen aller Generationen und Lebensstile attraktiv und lebensrelevant zu sein? In diesem Band werden profilierte Impulse zu jeweils einem thematischen Bereich dieser Diskussion gegeben. Die Autorinnen und Autoren: Klaus Blaschke, Sabine Bobert, Eber-hard Buck, Lars Emersleben, Wolfgang Grünberg, Wilfried Härle, Bernd-Michael Haese, Kai Hansen, Eilert Herms, Karl Ernst Nipkow, Uta Pohl-Patalong, Hartmut Rosenau, Reinhard Schmidt-Rost, Friedrich Schweitzer, Konrad Stock, Ulrike Wagner-Rau.

Bernd-Michael Haese, Uta Pohl-Patalong (Hrsg.)Volkskirche weiterdenkenZukunftsperspektiven der Kirche in einer religiös pluralen GesellschaftKohlhammer Verlag 2010212 Seiten, kart., 34,90 EURISBN 978-3-17-021236-7

von Bernd-Michael Haese, Uta Pohl-Patalong

scheint, sie als wirkliche „Volks-kirche“ zu bezeichnen. Dies kann dann im Weiteren bedauert oder – wie es zumindest feuilletoni-stisch öfter geschieht – begrüßt werden und wahlweise als Ende eines unangemessenen kirch-lichen Hegemonialanspruchs oder aber als Chance zur Rück-kehr zu den wirklichen Aufgaben der Kirche mit einem geschärf-ten christlichen Profil und enga-gierterer Mitgliedschaft gewertet werden. Vorausgesetzt wird in diesen Analysen ein bestimmtes Verständnis des Begriffs „Volks-kirche“, der vielleicht so zu um-schreiben ist: „eine Kirche, die das ganze Volk repräsentiert“. Dies ist jedoch nur eine mög-liche und nicht unbedingt eine besonders sinnvolle Definition von Volkskirche. Nimmt man die Zukunft der Kirche in den Blick, lohnt sich eine aufmerksame Differenzierung der Vorstel-lungen und Ideen, die sich hinter dem Begriff der „Volkskirche“

verbergen. Dabei muss zunächst einmal zwischen Volkskirche als Beschreibung einer Realität von Kirche (bzw. deren Bezweiflung wie in dem obigen Beispiel) und als Konzept, als Idee des Charakters von Kirche, unter-schieden werden. Folgt man Letzterem, ist die Frage nach der Volkskirche nicht quanti-tativ – mit Prozentzahlen der Bevölkerung – zu beantworten, sondern kirchentheoretisch als Frage, wie sich Kirche verstehen und gestalten soll.

Kirche konzeptionell als „Volkskirche“ zu begreifen, zu entwerfen und dies sowohl theo-logisch als auch im Blick auf die kirchliche Praxis zu begründen, ist eines der wesentlichen The-men und Anliegen von Prof. Dr. Reiner Preul ...

Fortsetzung der Einleitung mit Literaturangaben als PDF unter: http://literatur.kirchenreform.de/volkskirche_weiterdenken.html

Buchvorstellungen

Page 44: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

44

Buchvorstellungen

Literaturhinweise

Milieus praktisch II

Konkretionen für helfendes Han-deln in Kirche und Diakonie

Das Autorenteam hat Menschen zum Mitschreiben eingeladen, die selbst über viel Praxis oder fach-liche Einsichten in die Themen-bereiche verfügen. So werden Er-fahrungen nutzbar gemacht für eine milieuanalytische Perspek-tive auf die Themen und daraus auch für praktische Hinweise. So entsteht nicht nur ein Milieu-Zu-gang zu neuen Themen, sondern auch ein Pool von Vorbildern zur Analyse neuer Themenbereiche, die aufgeweckte Menschen selbst und anderswo durchführen kön-nen.

Das Äquivalent zu den Befra-gungsdaten im ersten Band sollen »Fälle« sein, also Erfahrungen, die anhand von Szenen, Bege-benheiten oder Konzeptbeispie-len in die Darstellung eingespielt werden und ihre »Materialbasis« werden. Die Milieubezüge des jeweiligen Themenfeldes können von hier aus gedeutet werden.

Preis: 24,90 Euro (D)

Vandenhoeck & Ruprecht 2010333 SeitenISBN 978-3-525-60010-8

Kirche am Ort und in der RegionGrundlagen, Instrumente und Bei-spiele einer Kirchenkreisentwicklung

Im gemeinsamen Bericht eines ex-ternen Beraters und eines Super-intendenten wird die strategische Entwicklung eines Berliner Kir-chenkreises vorgestellt. Mit einem theologisch begründeten syste-mischen Ansatz werden sieben relevante Faktoren beschrieben: Zielorientierung, Ressourcen, Struktur, Mitarbeitende, Kultur des Miteinanders, Prozesse und Angebote für die Menschen und die Stadt. Der volkskirchlich ver-standene Auftrag wird durch das Zusammenspiel von verfasster Kirche und eigenständigen ge-meinnützigen GmbHs in Diako-nie und Bildung erfüllt. Gemein-den werden durch Konzentration auf Grundaufgaben, arbeitsteilige Kooperation und Zusammen-arbeit mit einer leistungsfähigen mittleren Ebene gestärkt. Das Vorgehen und die angewandten empirischen Instrumente sind auch unter anderen Bedingungen nutzbar.

Preis: 19,90 Euro (D)

Kohlhammer Verlag 2010290 SeitenISBN 978-3-17-021507-8

Damit die Kirche im Dorf bleibt: Fundraising55 beste Beispiele aus Württemberg

Um im Fundraising eine nach-haltige Wirkung zu erzielen, ge-nügt es nicht eine Spendenbox aufzustellen. Fundraising will gründlich überlegt, vorbereitet und durchgeführt werden. Es sollte konzeptionell in die Ge-meindearbeit integriert sein. Denn worum geht es, wenn nicht erstlich und letztlich um die Verkündigung des Evangeliums in Wort und tat. Dem dienen der Sponsorenlauf, der Lieder-marathon, die Schrottsamm-lung, der Pizza-Back-Wahn, das Brenzhütle, das Apostelbrot, die Orgelpfeifenpatenschaft, der Mangoverkauf, der Spen-denbrief oder die Gründung einer Stiftung. Dieses Buch ver-sammelt 55 beste Beispiele er-folgreichen Fundraisings in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Preis: 12,80 Euro (D)

Ev. Medienhaus GmbH 2009154 SeitenISBN 978-3-931895-37-2

Page 45: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

45

Literaturhinweise

Paulus Lieber Bruder Benedikt

Klug und humorvoll fordert Paulus in neuen Briefen Papst Benedikt zu längst überfälligen Reformschritten auf. Wie ge-wohnt spricht er Klartext: »Du stehst für eine Kirche der Tra-dition, die nicht das Feuer des Anfangs voll Begeisterung bren-nen lässt, sondern die ängstlich und sich abkapselnd Asche be-wahrt.« Unverblümt äußert er sich auch, wenn er den Vatikan auf einen wesentlichen Grund für die Schwierigkeiten anspricht, die die Kirche gegenwärtig hat. »Die Menschen fühlen sich von Euch ›Klerikern‹ nicht ernst ge-nommen, bevormundet, in ihrer Freiheit eingeengt und an den Rand gedrängt. Und dort, wo man nicht mitentscheiden kann, zerfällt das Engagement, geht man schließlich in die innere Emigration oder verlässt die Kir-che ganz, wie es in Deinem Hei-matland ja viele tun.«

Preis: 12,90 Euro (D)

Patmos Verlagsgruppe 2010128 SeitenISBN 978-3-491-72550-8

K i r c h e n g e m e i n s c h a f t jetzt!

Die Kirche Jesu Christi, die Kir-chen und ihre Gemeinschaft.

Stillstand in der Ökumene - angesichts dieses Befundes zei-gen die ökumenisch erfahrenen Autoren Johannes Brosseder und Joachim Track, warum es für echte Kirchengemeinschaft heute keine Alternative gibt: Den brennenden Herausforderungen unserer Zeit können sich die Kir-chen nur in gemeinsamer Ver-antwortung stellen. In allgemein verständlicher Sprache klären die Autoren, was „Kirche-sein“ konkret bedeutet: Unter Berück-sichtigung der längst erreichten Übereinstimmung in den grund-legenden theologischen Fragen führt ihre Analyse zu konkreten Vorschlägen, wie Kirchenge-meinschaft schon jetzt verwirk-licht werden kann. Die Palette ihrer Themen reicht von der Verpflichtung zum diakonischen Engagement bis zur Aufwertung ökumenisch-theologischer Kom-petenz an den kirchlichen Fakul-täten.

Preis: 14,90 Euro (D)

Neukirchener Verlagsges. 2010159 SeitenISBN 978-3-7887-2447-4

Macht, Sexualität und die katholische Kirche

Ein katholischer Bischof liest seiner Kirche die Leviten. Mit erstaunlichem Freimut und pro-phetischer Überzeugungskraft distanziert sich der australische Kirchenmann von der traditi-onellen Machtstruktur und der überkommenen Sexuallehre der katholischen Kirche. Sein Vorschlag der Erneuerung der Kirche ist grundlegend: sowohl spirituell als auch strukturell. Nach seinem Rücktritt als Leiter der australischen bischöflichen Kommission zur Aufklärung sexuellen Missbrauchs durch Kleriker erkannte er die Verstri-ckung von kirchlichen Instanzen bei der Vertuschung des skan-dalösen Missbrauchs. Das Buch manifestiert einen Neuentwurf kirchlicher Jesus-Nachfolge. Pro-phetisch im besten Sinne: Kritik, Konfrontation und Aufbruch in die Zukunft. Publik-Forum ga-bin enger Zusammenarbeit mit »Wir sind Kirche« die deutsche Übersetzung des Buches heraus.

Preis: 18,90 Euro (D) Edition Publik-Forum 2010320 SeitenISBN 978-3-88095-196-9

Buchvorstellungen

Buchtipps & RezensionenEine thematisch sortierte Übersicht der Literaturhin-weise zu verschiedenen Re-formthemen finden Sie im Internet unter:www.literatur.kirchenreform.de

Page 46: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

46

Erwachsene glauben – Kirche kann das fördern – aber wie!? Ergebnisse der Greifswalder Studie „Wie finden Erwachsene zum Glauben?“

von Anna-Konstanze Schröder

Menschen in der Mitte der evan-gelischen Landeskirchen erleben Veränderungen hin zum Glau-ben. Das Institut zu Erforschung von Evangelisation und Gemein-deentwicklung in Greifswald hat dies mit Hilfe von Konzepten der Konversionsforschung em-pirisch untersucht. Die Daten zeigen, dass Menschen (wieder) einen persönlichen Zugang zum christlichen Glauben und zur Kirche finden, die in der Be-fragtengruppe zur Hälfte zwi-schen 33 und 49 Jahre alt sind. Viele von ihnen bekommen auch erst im Erwachsenenalter Kontakt zur Kirche und begin-nen erst dann zu glauben, wie sie selbst von sich sagen. Die Studie diskutiert, welche Personen aus dem kirchlichen Umfeld und welche kirchlichen Veranstal-tungen solche Veränderungen besonders fördern.

Für das Projekt wurden 462 strukturierte Fragebögen ausge-wertet, die Menschen aus fünf Landeskirchen (Württemberg, Sachsen, Rheinland, Mecklen-burg, Berlin-Brandenburg-Schle-sische Oberlausitz) ausgefüllt hatten. In zehn Thesen zeigt das Greifswalder Forscherteam anhand der Daten, dass Wege zum Glauben im Rahmen schon vorhandener kirchlicher Arbeit möglich sind und weiter geför-dert werden können. In einer ersten Publikation sind diese Er-gebnisse nachzulesen: Johannes Zimmermann/Anna-Konstanze Schröder (Hg.). Wie finden Er-wachsene zum Glauben? Ein-führung und Ergebnisse der Greifswalder Studie. Neukir-chen, 2010.

Der Studie liegt ein mög-lichst weiter Konversionsbegriff zugrunde. Es geht nicht nur um den Ein- oder Wiedereintritt in die Kirche, sondern darüber hi-naus um die Veränderungen von Menschen in der Kirche in ihren Einstellungen, Empfindungen, Erfahrungen und Verhaltenswei-sen, die mit der Glaubensverän-derung einhergehen. Konversion wird hier im Rahmen des Kon-versionsmodells von Lewis Ram-bo als Prozess verstanden mit den sieben Phasen: (1) Kontext, (2) Krise, (3) Suche, (4) Kontakt mit der Kirche, (5) Interaktion in der (neuen) Glaubensgemeinschaft und mit den anderen Christen, (6) Entscheidung für Glaube und Kirche (Commitment) und daraus resultierende (7) Konse-quenzen für das Verhalten.

Im Mittelpunkt der Studie steht die Vielfalt der kirchlichen Veranstaltungen und die Bedeu-tung von verschiedenen kirch-lichen Akteuren im Konversi-onsprozess. Das heißt es wurde nach der Bedeutung von 65 verschiedenen Veranstaltungs-formen und 21 verschiednen Personengruppen gefragt. Dabei gehen die Forscher im Sinne der Konversionstheorie Lewis Ram-bos von einem Zusammenspiel von Veranstaltungen und Per-sonen aus.

Verschiedene Menschen in der Kirche haben im Lauf des Konversionsprozesses ganz un-terschiedliche Funktionen (vgl. die Abbildung am Seitenrand): Während in der Kontaktphase für die meisten Befragten die Freunde wichtig für den Kon-versionsprozess waren, nimmt die Zahl dieser Nennungen ab

der Interaktionsphase ab. Dage-gen werden die Pfarrerinnen und Pfarrer ab der Interaktionsphase in zunehmender Zahl und in glei-cher Häufigkeit wie die Freunde genannt.

Zudem zeigt die Studie, dass Konversion nicht nur in der Mit-te der Kirche möglich ist, son-dern darüber hinaus auch bei Menschen, deren religiöse So-zialisation ausfiel, abbrach oder scheiterte. Dementsprechend können drei Typen des Konversi-onserlebens identifiziert werden: Menschen des Lebenswendetyps haben vor ihrer Hinwendung zum Glauben keine kirchliche oder religiöse Sozialisation im Elternhaus erfahren. Menschen des Entdeckungstyps kennen den christlichen Glauben aus dem Elternhaus, sie waren aber vor ih-rer (erneuten) Hinwendung zum Glauben mit der Kirche kaum oder nicht verbunden. Menschen des Vergewisserungstyps erleben ihre Glaubensveränderung als im Elternhaus religiös Sozialisierte, die im Rückblick vor ihrer Glau-bensveränderung mit der Kirche relativ stärker verbunden waren. Für alle drei Typen lassen sich Unterschiede in der Wahrneh-mung von kirchlichen Veranstal-tungen und in der Bedeutung von anderen Menschen im Konversi-onsprozess beschreiben.

Die Greifswalder Forscher hoffen, dass die Studie viele An-stöße für die praktische Arbeit in der Kirche ermöglicht. Die Greifswalder Studie zeigt vor allem Ermutigendes auf, näm-lich dass die Förderung einzel-ner Glaubensbiographien in den Landeskirchen möglich ist und gelingt.

Buchvorstellungen

Informationen zum Institut zur Erforschung von Evangelisati-on und Gemeindeentwicklung (IEEG) im Web unter: www.ieeg-greifswald.de

Page 47: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

47

(Hg.) Johannes Zimmermann / Anna-Konstanze SchröderWie finden Erwachsene zum Glauben?Einführung und Ergebnisse der Greifswalder Studie191 Seiten, 9,90 EUR (D)ISBN 978-3-7615-5762-4

Buchvorstellungen

Wie finden Erwachsene zum Glauben?Einführung und Ergebnisse der Greifswalder Studie

Wie finden Erwachsene zum Glauben? Unter dieser Frage-stellung führte das Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald (IEEG) 2008/2009 eine interdisziplinäre empirische Studie in vier deutschen Regi-onen durch. Befragt wurden über 500 Erwachsene innerhalb der Evangelischen Landeskir-chen, die in den zurückliegenden Jahren eine Glaubensverände-rung erlebt hatten. In diesem Band werden die Ergebnisse, sowie der theologische und der sozialwissenschaftliche Ansatz der Studie erläutert und die Fra-ge nach Konsequenzen gestellt: Was kann die Kirche von den Glaubensgeschichten Erwach-sener lernen? Und: Wie kann die Kirche individuelle Glaubensbi-ographien fördern?

Das Buch (hsg. von Johannes Zimmermann / Anna-Konstan-ze Schröder) ist 2010 in der Rei-he BEG Praxis im Aussat Verlag erschienen.

Kirche zwischen postmoderner Kultur und EvangeliumViele Europäer bezeichnen sich weiterhin als Christen oder als christlich, fühlen sich auch der christlichen Tradition verbunden, praktizieren diesen individualisierten Glauben jedoch nicht mehr als Mitglieder einer der christlichen Kirchen. Welchen gesellschaftlichen Ort kann die Kirche von ihrem eigenen Selbstverständnis einnehmen? Wie kann sie in die Gesellschaft hinein prägend wirken? Wie kann sie dabei die Botschaft des Evangeliums neu verkündigen? Die vorliegende Aufsatzsammlung stellt sich den Themenschwer-punkten Kirche in postmoderner Gesellschaft, Hermeneutik und Mission sowie Homiletik und Spiritualität.

Martin Reppenhagen (Hg.): Kirche zwischen postmoderner Kultur und EvangeliumNeukirchener Verlagsgesellschaft, 238 Seiten, Paperback, ISBN 978-3-7887-2452-8, 29,90 EUR

Page 48: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

48

BuchvorstellungenÜber kaum eine kirchliche Berufsgruppe wird so viel beraten, diskutiert und geforscht. Bei keiner wird aber auch so viel gemahnt, kritisiert und bemängelt. Von den Pastorinnen und Pastoren wird stets mehr Qualität in den Kernaufgaben erwartet, und obwohl

wir zuweilen unser Pfarrbild mit schier übermenschlichen Erwartungen überfrachten, sind insbesondere die Metho-den und Instrumente des Per-sonalmanagements hinsichtlich der Wertschätzung und einer dichten Rückmeldekultur noch ausbaufähig. Umso wichtiger ist es, die oft nur diffusen Bilder vom Rollenverständnis dieses Berufes mit den Ergebnissen empirischer Studien zu kon-frontieren.

Das Pfarramt ist dank in-tensiver Befragungen gerade im Bereich der EKD vermut-lich einer der am besten er-forschten Berufe überhaupt. Bisher gibt es vier umfassende Pfarrerinnen- und Pfarrerbe-fragungen im Bereich der EKD. Drei davon sind abgeschlossen und wurden bereits ausgewer-tet, eine aktuelle Befragung in

drei norddeutschen Landeskirchen ist noch in der Auswertungsphase.

Es wurde durch das Institut für Wirtschafts- und Sozialethik (IWS) in Marburg

- die Zufriedenheitsbefragung der Pfar-rerinnen und Pfarrer im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau im Jahre 2001/2002 überprüft,

- sodann fragte das Institut für Wirtschafts- und Sozialethik (IWS) in Marburg 2004 / 2005 in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck nach Wichtigkeitseinschätzungen und

- 2005 in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers nach der (Einschätzung der Selbst-) Wirksamkeit im Pfarrberuf.

- Gegenwärtig (2010) geht es in den drei norddeutsche Landeskirchen im Schwerpunkt um Interessen (-Kongruenzen, -Diskrepanzen) und

um Fragen der Work-Life-Balance.Interessant daran ist nicht nur die Vielzahl der

Erkenntnisse, die aus den Studien gewonnen werden konnten, sondern auch, dass diese Studien in ihren jeweiligen Landeskirchen einen Diskussionsprozess um Personalführung und -entwicklung der Pfar-rerinnen und Pfarrer auslösten und den Weg von der Verwaltung von pfarramtlichem Personal hin zur Führung und Entwicklung dieser Berufsgruppe und der aktiven Gestaltung des Berufsbilds „Pfarrer“ be-reiteten. Während in betrieblichen Zusammenhängen Mitarbeiterbefragungen ein gängiges Instrument der Personalführung und -entwicklung darstellen, halten solche Verfahrensweisen erst in den letzten Jahren in den Landeskirchen zunehmend Einzug.

An zwei aktuellen Projekten des IWS, der Pfar-rerInnenbefragung in den drei Nordkirchen (Joa-chim Kretschmar) und sowie einer Landeskirchen übergreifend angelegten Untersuchung zu Gender, Wertewandel und Pfarramt (Anke Wiedekind), lässt sich aufzeigen, dass in diesen Befragungen nicht nur die Methodik und die Messinstrumente immer weiter entwickelt wurden, sondern auch der Dialog und die Formen der Zusammenarbeit zwischen Wis-senschaft und Kirchenleitung.

Aktuell ist der neue Sammelband des Netzwerks Kirchenreform „Pfarrberuf heute“ erschienen (Sep. 2010). Neben dem vergriffene Arbeitsbuch zur Hannoverbefragung sind hier erstmals alle wei-teren Studien und Auswertungen des IWS und des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD (SI) mit begleitenden Aufsätzen und Beiträgen zur aktuellen Befragungen und Forschungsprojekten zusammen-gestellt. Die enthaltenden Studien zeigen, dass die Pastor/innenbefragungen nicht nur einem seelsor-gerlichen Selbstzweck dienen („gut, dass wir darüber gesprochen haben“). Die Bereitschaft und Mühe der beteiligten Pfarrerinnen und Pfarrer wird auch da-durch honoriert, dass die Ergebnisse zur Grundlage für konkrete Entscheidungen und landes-kirchliche Projekte werden und deren Erkenntnisse in synodale Beratungen eingehen.

Informationen zu den Pastorinnen- und Pa-storenbefragungen stehen auf dem Webportal www.pfarrberuf-heute.de zur Verfügung. Auf die-ser Webseite können auch die Fragebögen zurücklie-gender Befragungen abgerufen werden.

IWS Marburg www.iws-marburg.de

Stefan Bölts, Wolfgang Nethöfel (Hg.), Pfarrberuf heute,EBV Berlin 2010www.ebverlag.de380 Seiten, kart., 26,80 €ISBN 978-3-86893-029-0

Page 49: Magazin Kirchenreform Ausgabe 2/2010

KircheBewegen - Ausgabe 2 / 2010

Buchvorstellungen

Tagungsbeiträge

Geistreich

Service

Kirchentage

Katholische Kirchenreform

Editorial

Gemeinwesendiakonie

49

Veranstaltungshinweise

Service

Mein Leitungspotenzial entfalten / Heilende Gemeinschaft fördern29./30. Oktober 2010Willow Creek Deutschland / Schweiz: www.willowcreek.de/training/kleingruppen-tageskonferenzen/

Kongress „Aufbruch Mission und Diakonie“30. Oktober in GöttingenSelbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK): www.mission-diakonie.de

Reform-Aktions-Tag in Hammelburg31. Oktober in HammelburgKirche in Bewegung, Wir sind Kirche, Leserinitiative Publik: www.kircheinbewegung.net

Menschen zur Beteiligung motivieren - kooperative Prozesse initiieren & begleiten01.-03. November 2010 in FuldaNatürliche Gemeindeentwicklung Deutschland - Hinweise zur Veranstaltung: www.cundp.de

„Römisch-Katholische Kirche - reform(un)fähig?“4. November 2010 in MünchenPublik-Forum Lesertreffen: Kontaktdaten unter www.wir-sind-kirche.de/?id=159

Jubiläumsfeier 10 Jahre Verein ZöFra (Verein der vom Zölibat betroffenen Frauen)6. November 2010 in LuzernVerein ZöFra: www.kath.ch/zoefra

Mahnwache und Interreligiöses Friedensgebet auf dem Gendarmenmarkt7. November 2010 in BerlinFriedensDekade 2010 “Es ist Krieg. Entrüstet euch!”: www.friedensdekade.de

3. Aktionstag - dieses Jahr mit Prof. Jürgen Moltmann13. November 2010 in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche Nürnberg/LichtenhofForum „Aufbruch Gemeinde“: www.aufbruch-gemeinde.de/aktionstag3.htm

Impulstag: Neuer Wein in bewährten Schläuchen?13. November 2010 in NürnbergArbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste (AMD): www.a-m-d.de/tagungen-und-termine/index.htm

ECCLESIA ATTRACTIVA 201019. – 20. November 2010 im Stephansstift HannoverArbeitsgemeinschaft Missionarischer Dienste (AMD): www.a-m-d.de/tagungen-und-termine/index.htm

„Nur der Priester? Seelsorge zwischen Volk Gottes und Amt“22. November 2010 in MünchenMünchner Bildungswerk, Initiativgruppe KONZIL UND SYNODE: www.wir-sind-kirche.de/?id=159

Lasst die Kirche im Dorf! Risiken und Chancen der kirchlichen Neustrukturierung23. November 2010 in FürstenfeldbruckReihe „Welche Kirche soll es sein?“ des Brucker Forums e.V.: www.wir-sind-kirche.de/?id=159

Gemeinwesendiakonie und missionarische Perspektiven für Stadt und Region26.-27. November 2010 in WiesbadenNetzwerk Kirchenreform, Gemeinwesendiakonie, Zentrum Mission in der Region: www.netzwerktagung.de Strategietreffen kirchlicher Reformgruppen26. Februar 2011 in Münster