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Max Werner Vogel und Beatrix Vogel · Chronik des Nietzsche-Kreises München

Max Werner Vogel und Beatrix Vogel · Chronik des Nietzsche-Kreises München · 2017. 8. 20. · Max Werner Vogel und Beatrix Vogel Chronik des Nietzsche-Kreises München Versuch

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Max Werner Vogel und Beatrix Vogel ·Chronik des Nietzsche-Kreises München

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Mit Nietzsche denken

Publikationen des Nietzsche-Forums München e. V.

Sonderband 2

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Max Werner Vogel und Beatrix Vogel

Chronik des Nietzsche-Kreises München

Versuch einer Rekonstruktion

Dritte, erweiterte Auflage

Mit Nietzsche denkenPublikationen des Nietzsche-Forums München e.V.

Sonderband 2

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Weitere Informationen über den Verlag und sein Programm unter:www.allitera.de

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar.

3. vollständig überarbeitete und stark erweiterte Auflage Juni 2016Allitera Verlag

Ein Verlag der Buch&media GmbH, München© 2007 Buch&media GmbH, München

Umschlaggestaltung: Kay Fretwurst, FreienbrinkHerstellung: BoD – Books on Demand

Printed in Germany · isbn 978-3-86906-907-4

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Inhalt

Beatrix VogelVorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Beatrix VogelVorwort zur zweiten Auflage der »Chronik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1

Max Werner Vogel Die Chronik des Nietzsche-Kreises. Versuch einer Rekonstruktion . . . 31

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31Suche nach den Ursprüngen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33Eine Gesellschaft mit wissenschaftlichem Anspruch . . . . . . . . . . . . 34Die Mitglieder der ersten Nietzsche-Gesellschaft in München . . . . 37Die Berliner Zeit der Nietzsche-Gesellschaft Würzbachs . . . . . . . . 41Die zweite Nietzsche-Gesellschaft Würzbachs in München 1956–1964 43Die Ära Schweiger: »Gemeinschaft zur Förderung der Nietzsche-Forschung« . . . . . . . . 49Die Ära Kopf: Nietzsche-Kreis München – »Gemeinschaft zur Pflege der Philosophie Nietzsches« . . . . . . . . . . 54Hohmanns Nietzsche-Kreis Essen e. V. mit Sitz in Brilon – »Freundes- und Arbeitskreis zur Förderung des Vermächtnisses Friedrich Nietzsches« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59Der Nietzsche-Kreis Essen e. V., Gruppe Süd . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Der Nietzsche-Kreis München heute: »Forum für philosophisches Denken mit Friedrich Nietzsche« . . . . 67

Teil IIBeatrix Vogel Nietzsche-Kreis und Nietzsche-Forum München e. V.: Die Jahre 1994–2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

1. Aufbruch: 1994–1999 712. Achtzigstes Gründungsjubiläum der Nietzsche-Gesellschaft und Neukonstitution des Nietzsche-Forums München . . . . . . . . . . . 79

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3. Vermächtnis – Heinz Friedrich und Eberhard Simons . . . . . . . . 854. Ausblick: Denken mit Nietzsche – ein Versuch »über den Bruch hinweg« zu denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Teil IIIGedenkmatinee zum 100. Geburtstag von Werner Ross und zum 90. Geburtstag von Heinz und Maria Friedrich am 7. Juli 2012 . . . . . 99

Beatrix Vogel Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Peter André Bloch»Aus dem eigenen Leben ein Kunstwerk machen« Erinnerungen an Heinz und Maria Friedrich . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Dieter BorchmeyerDie hessischen Landboten – Heinz und Maria Friedrich zum Gedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Harald WeinrichBetrachtungen zu Werner Ross anlässlich seines 100. Geburtstags . 124

Anhang 1. Chronik der Vorträge von 1965 bis 20012. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

2 Max Werner Vogel: Biographische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1583. Albert von Schirnding: Einführung zum Vortrag von Frau Prof. Dr. Natascha Würzbach am 02.09.2008: »Friedrich Würzbach, Nietzscheforscher und Präsident der Nietzsche- Gesellschaft, Schriftsteller und Naziverfolgter in München« . . . . . . . . . 159

4. Beatrix Vogel: Streifzug durch die »Chronik« in Bildern . . . . . . . . . 163

Themenkreis 1:Die Nietzsche-Gesellschaft Friedrich Würzbachs (Abb. (1)–(37)) . . 163

Themenkreis 2:Der Nietzsche-Kreis München von Albert Kopf (Abb. (38)–(49)) . . . 202

Themenkreis 3:Dr. Werner Hohmanns Nietzsche-Kreis Essen e.V. mit Sitz in Brilon und Prof. Dr. Dr. Karel Máchas Nietzsche-Kreis Essen e.V., Gruppe Süd (München) – in Kooperation mit dem von Dr. Beatrix Vogel geleiteten Nietzsche-Kreis München (NKM) in der Nachfolge Albert Kopfs (Abb. (50)–(63)) . . . . . . . . . . . . . . . 214

Themenkreis 4: Fünf Vorträge im Nietzsche-Kreis München zum 150. Geburtstag Nietzsches (Abb. (64)–(76)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

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Themenkreis 5: Sammlung der Geister… (Abb. (77–92)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

Themenkreis 6: Der von Frau Dr. Beatrix Vogel geleitete Nietzsche-Kreis München – Auf dem Wege zur rechtsfähigen Neu-Konstitution (Abb.(93)–(108)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

Themenkreis 7: Das Nietzsche-Forum München e.V. – Denken mit Nietzsche: Unveränderte Originaldokumentation der Gründungs- versammlung von Heribert Förtsch (Abb. 109)–(156) . . . . . . . . . . . 256

Themenkreis 8: Veranstaltungen – Veranstaltungen – Veranstaltungen (Abb. (157)–(192)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Themenkreis 9: Hinter den Kulissen… (Abb. (193)–(202)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Themenkreis 10: Das meinNietzsche-Projekt (Abb. (203)–(215)) . . . . . . . . . . . . . . . . 317

Themenkreis 11: Weitere Jubiläen und Geburtstage (Abb. (216)–(242)) . . . . . . . . . . . 324

Themenkreis 12: Amtsniederlegung und Verabschiedung von Dr. Beatrix Vogel (Abb. (243)–(258)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

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»Mit der Philosophie Platons beginnt auch eine neue Form der dialogischen Auseinandersetzung, die eine Kultur der Offenheit und Wahrheitssuche aus sich

entließ. Diese Nichtfestgestelltheit der Wahrheit generiert allererst Kultur als einen Prozess. Dieser Kulturprozess ist in seiner Offenheit

ein Stück europäischer Identität.«

(Silvio Vietta, Europäische Kulturgeschichte. Eine Einführung. München 2005, S. 9. Professor Dr. Silvio Vietta wurde für dieses Werk mit

dem Friedrich-Nietzsche-Preis 2006 des Landes Sachen-Anhalt ausgezeichnet.)

»Ungeheure Selbstbesinnung: nicht als Individuum, sondern als Menschheit sich bewusst werden. Besinnen wir uns,

denken wir zurück: gehen wir die kleinen und großen Wege«

(Friedrich Nietzsche, KSA 12, S. 364)

Max Werner Vogel (1930–1995) zum Gedenken

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Vorwort zur 3 (nochmals erweiterten) Auflage

Beatrix Vogel

Nur das Vergängliche gibt dem Vergänglichen Dauer.Aufhebt die Zeit Anfang und Ende,Dauer verbürgend dem, das vergeht.

(Heinz Friedrich)

Nahezu zeitgleich mit meinem Abschied aus dem Vorstandsamt am 13. Juni 2012 begingen wir im Nietzsche-Forum München ein wichtiges Jubiläum: Am 7. Juli 2012 bedachten wir in einer festlichen Veranstaltung den 100. Geburtstag und 10. Todestag von Professor Werner Ross sowie die 90. Ge-burtstage der Professoren Heinz und Maria Friedrich. Um das Wirken dieser bedeutenden, mit dem Wiederaufleben der ersten deutschen, in München gegründeten Nietzsche-Gesellschaft in Gestalt des Nietzsche-Kreises und schließlich als Gründungsmitglieder des Nietzsche-Forums München e.V. mit diesem Strang der Wirkungsgeschichte Nietzsches so eng verbundenen Persönlichkeiten dauerhafter zu repräsentieren, erscheint eine Publikation der Vorträge dieses Jubiläums in der »Chronik des Nietzsche-Kreises« ganz besonders geeignet, folgt diese doch den Spuren des bewegenden Dramas der Geschichte dieser Nietzsche-Gesellschaft – als einem »Sammelpunkt … für alle, denen das Werk Friedrich Nietzsches zum entscheidenden Erlebnis geworden ist«1 –, deren Auflösung durch die Machthaber des Nationalsozi-alismus sowie den Stufen eines langsamen, in zäher Beharrlichkeit errunge-nen Wiedererstehens als Forum einer Auseinandersetzung mit Nietzsche in München und schließlich deren Festigung und weiteren Aufbau als einer Ins-titution des kulturellen Münchens. Leben und Wirken der Jubilare des 7. Juli 2015 führen ins Innere der Zeitgeschichte und bezeugen den Geist, aus dem die Nietzsche-Gesellschaft in München erwuchs, die sich mittlerweile dem 100. Jahrestag ihrer Gründung nähert.

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Beatrix Vogel

Aber noch aus einem weiteren Grund erscheint die Integration der Vorträge dieses besonderen Jubiläums in die »Chronik« als geeignete Form einer be-wahrenden Vergegenwärtigung, bilden doch diese, in umgekehrter Blickrich-tung, so etwas wie einen Schlussakkord, der den mit der »Chronik« von Max Werner Vogel unternommenen unerschrockenen Versuch – entstanden in einer Situation täglich zu meisternder Kontingenz2 und mit einer sehr begrenzten Möglichkeit, vorhandene Datenquellen aufzuspüren und heranzuziehen –, in einem kaum überschaubaren, weitverzweigten Feld von Ereignissen eine Linie zu ziehen und in den ihm vorliegenden Bruchstücken einen Geschehenszusam-menhang fassbar zu machen, zu einem sinnvollen Abschluss gelangen lässt: Die vollendeten Lebensläufe verdeutlichen ZEIT als Ausdruck qualitativ geprägter Formen des Wirklichkeitsbezugs, die durch ihre Begrenztheit, die anzuerken-nen ist, die Erneuerung und Wandlung der sie tragenden Vollzüge ermöglicht.

Als Prof. Maria Friedrich, nach dem Tode ihres Mannes, auf der Mitglieder-versammlung des Nietzsche-Forums München im April 2005 einwilligte, den Ehrenvorsitz zu übernehmen und dieses Amt im Geiste ihres Mannes und zugleich mit der ihrem Wesen eigenen Begeisterungsfähigkeit, ermu-tigenden Frische und Freude an Kommunikation und Auseinandersetzung antrat, verband sich damit ein gewisser Schwung des Neuanfangens, der Verjüngung und Bestärkung der Ausrichtung des Nietzsche-Forums Mün-chen am Ethos einer »Pädagogik als Anleitung zum Selberdenken«, »in der Überzeugung, dass wir heute, inmitten der in radikaler Umgestaltung begriffenen (Welt-)Gesellschaft mehr denn je ein Gespräch, einen lebens-nahen Diskurs benötigen.«3 Dabei war es das Anliegen der Gründerin und Verlegerin des dtv junior und ehrenamtlichen Mitarbeiterin zahlrei-cher Gremien, unsere Arbeit stärker auf die jüngere Generation auszu-richten. So entstanden damals Projekte wie etwa das Preisausschreiben »meinNietzsche« – »Tausend Worte zu Nietzsche« (2008), bei dem Nietz-sche-Leser jeder Herkunft, Bildung und jeden Alters, besonders aber das jüngere Publikum gebeten wurde, seine Erfahrungen mit Nietzsche darzu-stellen. Eine weitere Arbeit unter dem Thema »SINNeszauber – WAHR-nehmung und Philosophie«, ein Projekt der turmdersinne gGmbH, der Virtuellen Schule e.V. und des Nietzsche-Forums München e.V. – wie auch das meinNietzsche-Projekt gefördert von der Bayerischen Sparkassenstif-tung –, war als ein Lehrmaterial konzipiert, das hauptsächlich an Schu-len sowie in Ausstellungen für und an Schulen Verwendung finden sollte.4 Im Sinne dieser Ausrichtung auf jüngere Menschen hat Frau Dr. Luitgard Wiest, die Gattin des verstorbenen Werner Ross, als Beisitzerin des Vorstan-des des Nietzsche-Forums München das Werner-Ross-Stipendium mit einer jährlichen Ausschreibung ins Leben gerufen, das den jeweiligen Preisträgern – StudentInnen, DoktorandInnen, SchriftstellerInnen bis zum 35. Lebens-

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

jahr – ermöglicht, seine bzw. ihre Studien durch einen vierwöchigen Auf-enthalt im Nietzsche-Haus Sils Maria zu vertiefen, vor Ort betreut durch Prof. Dr. Peter André Bloch, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Nietzsche-Forums München sowie des Juroren-Teams des Stipendiums.

Am 13. Oktober 2006 fand unter dem Titel »Heinz Friedrich. Ein Leben mit Benn und Nietzsche« ein Vortragsgespräch statt zwischen Frau Pro-fessor Maria Friedrich und Herrn Dr. Björn Göppl, Vorstandsvorsitzen-der der Heinz-Friedrich-Stiftung, die diesen Abend mitveranstaltete. Unter den Teilnehmern befand sich – neben ehemaligen SchülerInnen von Maria Friedrich aus der Zeit ihres engagierten Einsatzes als Professorin für junge Illustratorinnen und Illustratoren an der Akademie der Bildenden Künste in München – auch der Münchner Bildhauer Nikos W. Dettmer, in Begleitung der von ihm geschaffenen Nietzsche-Büste. Der Abend weckte den Impuls, diesen Münchner Nietzsche-Kopf zu erwerben, in dem Gedanken, dass im Nietzsche-Forum München nicht nur die alte Tradition fortleben, sondern auch das Neue, das mit ihm gesetzt war, Ausdruck finden musste:

So präsentiert der Einladungsflyer zur festlichen Veranstaltung anlässlich des 90. Gründungsjubiläums der ersten Nietzsche-Gesellschaft sowohl das schöne alte Logo mit der »Seefahrt des Dionysos«, dem Innenbild der Trink-schale des Exekias, um 530 v. Chr., aus der Staatlichen Antikensammlung München, als auch die Büste »Friedrich Nietzsche« von Nikos W. Dettmer, München, dem neuen Wahrzeichen des Nietzsche-Forums München, das gleichfalls auf dem Flyer zur ersten Ausschreibung des Werner-Ross-Stipen-diums zu sehen ist: als ein Aufruf zu einem vielfältigen – auch streitbaren – »Denken mit Nietzsche«.

Unvergesslich – als lebendiges Zeichen der gemeinsamen Ausrichtung und Erinnerung an Heinz Friedrich – bleibt ein weiterer, gemeinsam mit der Heinz-Friedrich-Stiftung, deren Kuratorium Maria Friedrich bis zu ihrem Tode vorstand, gestalteter Abend: Am 26. Februar 2007 lasen Doris Schade, Rolf Boysen und Dieter Borchmeyer aus der von Heinz Friedrich unter dem Titel »Weisheit für übermorgen« – so auch die Überschrift des Abends – her-ausgegebenen Auswahl von Nachlass-Texten Friedrich Nietzsches. Dr. Björn Göppl leitete den Abend mit einem Grußwort ein. In der kurz darauf eröff-neten Ausstellung: »Heinz Friedrich 1922–2004. Ein Leben im Gegenglück des Geistes«, zu sehen vom 15. April bis 8. Juli 2007 im Kultur- und Bil-dungszentrum Kloster Seeon, war auch das Nietzsche-Forum München mit einigen Tafeln vertreten (»Blick auf die Chronik«; »Prägung durch Heinz Friedrich«; »Veranstaltungen mit der Heinz-Friedrich-Stiftung« und »Tätig-keitsspektrum«).

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Beatrix Vogel

Die genannten Vortragsabende in der Seidlvilla – am 13. Oktober 2006 und am 26. Februar 2007 –, die feierliche Abschlussveranstaltung mit der Preisverleihung an die Preisträger des meinNietzsche-Wettbewerbs am 8. November 20085 sowie insbesondere die Feier zum 90. Gründungsjubiläum am 5. und 6. Dezember 2009 waren Höhepunkte, bei denen Maria Fried-rich im Kreise des Nietzsche-Forums München als dessen Ehrenvorsitzende in ihrem genuin öffentlichkeitserfahrenen Element zu erleben war und ihre Wertschätzung der Arbeit des Nietzsche-Forums München bekundete.

In den Überlegungen und Diskussionen der Vorstandssitzungen, an denen sich unsere Ehrenvorsitzende gerne beteiligte und die zuallermeist im Hause Friedrich, nahe dem Nymphenburger Schloss, stattfanden, beschäftigte uns nicht zuletzt ein zentrales Anliegen zukünftiger Arbeit des Nietzsche-Forums München, das uns generell und seit Langem besonders umtrieb: das An-liegen einer wissenschaftlichen Aufarbeitung der wechselvollen Geschichte der ersten Nietzsche-Gesellschaft; und, in Anbetracht der Schwierigkeit und des Umfangs dieser Aufgabe, die gerade auch durch den mit der »Chronik« gemachten Anfang in Umrissen deutlich wurde, setzten wir unsere Hoff-nung sowohl auf externe Hilfe als auch auf die jüngere Generation. In einem Brief des Vorstandes in der Sitzung vom 14. Oktober 2011, an der auch der Schriftsteller Albert von Schirnding – als Gründungsmitglied und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Nietzsche-Forums München – teilnahm, wendeten wir uns an den Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Herrn Professor Andreas Wirsching, in der Hoffnung, von ihm im Rahmen der Arbeit seines Instituts, etwa durch Vergabe eines Dissertationsprojektes, in diesem wichtigen Anliegen Unterstützung zu erhalten.

Das geschah wenige Monate vor dem Tode Maria Friedrichs. Dass Maria Friedrich sich durch einen gesundheitlichen Zwischenfall unerwartet verhin-dert sah, uns zu der genannten Sitzung wie sonst in ihrem Hause zu empfangen und wir die für sie bestimmten Blumen nun mit Rekonvaleszenz-Wünschen an ihrer Tür zurücklassen mussten, hatte in uns eine bedrückte Stimmung aus-gelöst, ein Empfinden, als sei der Impuls der Erneuerung, den unsere Ehren-vorsitzende uns hatte mitteilen wollen – eine stete Weiterentwicklung auf der Linie der bewährten »Praxis des Alten« als Leitvorstellung auch einer zukünf-tigen Arbeit – ins Stocken geraten. Eher hatten die positiven, teilweise aber auch schwierigen Erfahrungen mit den Ansätzen dieser »Verjüngungsphase«6 den Charakter eines Vorleuchtens einer für die Zukunft zu sichernden wün-schenswerten Orientierung, deren Verwirklichung im Kontext einer rasant sich verändernden Zeit, die auch in Rezeption und Formen der Auseinander-setzung mit Nietzsches Denken deutlich wird, jedoch einen neuen Ansatz, ein vielfältig verändertes Wahrnehmen und Angehen der Dinge erforderte.

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

So wurde mir durch die Erschütterung, als am 12. Januar des Jubiläums-jahres 2012 Professor Maria Friedrich verstarb, bewusst, dass mit dem Ende dieser Lebensgestalt ein Zyklus: eine Wirkenseinheit von Strebungen und Bemühungen, Aufgaben wahrzunehmen und Ziele zu verwirklichen, zu Ende gegangen war. Dieses Erleben einer Grenze beinhaltete aber nicht nur den Aspekt des Erliegens der Kräfte gegenüber den Herausforderungen des Neuen oder weil bewährte Formen, den alten Geist konstruktiv zu be-wahren, sich nicht hatten etablieren lassen;7 es bewirkte auch, dass mir die eigentliche Aufgabe der Arbeit der vergangenen Jahre nun als solche – als eine, die im Wesentlichen erfüllt war – erst vor Augen trat: Das Gebot dieser Zeit bestand darin, der Auflösung entgegenzuwirken, die Kräfte zu sam-meln und zu restrukturieren und die lebendige Existenz des Forums eines Denkens mit Nietzsche in München, das sich aus dem geistigen Fortbestehen des Gründungsimpulses, entgegen den wiederholten Abbrüchen und Auflö-sungstendenzen in Nachwirkung desselben erneut konzentriert und sich im hundertsten Todesjahr Friedrich Nietzsches eine neue Form gegeben hatte, im kulturellen München sowie mit den Diskurspartnern ins Gespräch zu bringen und zu vernetzen. Die Arbeit hatte tatsächlich darin bestanden, die Fäden, die sich verloren zu haben schienen, über den Bruch hinweg bewusst aufzunehmen, die Geschichte, auch in ihrer noch keineswegs bewältigten, vielleicht auch nicht bewältigbaren Dimension und doch gleichwohl mit der durch sie gesetzten, nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Aufforderung vor Augen, gesamtmenschlich zu bedenken und weiterzuschreiten. Eine neue ZEIT war erreicht! Was ein Verständnis Nietzsches, was ein lebensnahes, erkenntnisbringendes Denken mit Nietzsche unter den Anforderungen der »neuen Zeit« bedeutet und wie dieses gestaltet werden kann, war ganz offen und konnte nicht mehr einfach aus dem Vorhandenen extrapoliert werden; es war als neu zu erspüren und in die Praxis einzubringen. Das Nietzsche-Forum München in dieser neuen Ära zu führen, forderte einen Neu-Ansatz unter der Leitung eines neuen Vorstandes!

Dies bedeutete, dass sich die Aufgabe, die mich 25 Jahre lang in Atem gehal-ten hatte, dadurch erfüllte, dass ich das Amt niederlegte und in die Hände einer neuen Leitung übergab.8 Dass Frau Dr. Elke Angelika Wachendorff bereit war, sich auf diese Aufgabe einzulassen und am 13. Juli 2012 das Amt der Vorstandsvorsitzenden, in das sie von der Mitgliederversammlung einstimmig gewählt worden war, angenommen hat, erfüllt mich mit größter Freude und Dankbarkeit. Sie, Gründungsmitglied und Mitglied des wissen-schaftlichen Beirats des Nietzsche-Forums München, Schülerin von Profes-sor Dr. Dr. Eberhard Simons – über den die »Chronik« berichtet9 – für die Nietzsche und »Das neue Denken der Noth-Wendigkeit« sowie die interkul-turelle Philosophie – seit den Gesprächen mit ihrem ersten Lehrer, Prof. Dr.

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Beatrix Vogel

Dr. Karel Mácha10 – Schwerpunkte des Denkens bilden und die sich zugleich in eigenen künstlerischen Projekten sowie als Buchautorin engagiert, ist »die Richtige« und ganz und gar disponiert, neue Herausforderungen aufzuneh-men und Philosophie im Geiste Nietzsches, auch an junge Menschen (denen sie besonders in ihrer Zeit als Dozentin an der Munich Business School be-gegnete), im Geiste »eines zügig sich wandelnden und expandierenden Euro-pas und einer zunehmend näherkommenden globalen Welt« zu vermitteln.

Die »Chronik des Nietzsche-Kreises«, die Max Werner Vogel noch vor sei-nem Tod als einen lesbaren und lesenswerten Text verfasst hat – aufgrund meiner Recherchen, die allerdings, wie gesagt, damals nur eine dürftige Datenbasis erstellen konnten11 (und doch ist er das einzige Dokument, das zur Geschichte der Nietzsche-Gesellschaft bisher publiziert wurde), be-zeugt eine Arbeit, die vor allem eine Brücke zu bilden sucht von der Zeit der Gründung der ersten Nietzsche-Gesellschaft, über den Bruch hinweg, der durch ihre gewaltsame Auflösung gesetzt schien, über die schwierigen und langen Jahre einer Beschäftigung mit Nietzsche auf den Spuren Nietzsches in den Nachkriegsjahrzehnten des Nietzsche-Kreises eines Albert Kopf zur Gegenwart eines sich wandelnden Denkens mit und nach Nietzsche in Richtung einer zu erringenden Kultur des Menschseins. Die im Bildteil der »Chronik« vorgelegten Dokumente verdeutlichen jedenfalls, dass die 1919 in München gegründete Nietzsche-Gesellschaft nach ihrer Auflösung und Vernichtung durch die Gestapo keineswegs ausgelöscht wurde, vielmehr weiterbestanden hat: als rechtsfähiger Verein durch die Neugründung durch Würzbach selbst wie auch, nach dem Tode Würzbachs, durch die Fortführung des Denkens mit Nietzsche in München durch Dr. Michael Schweiger und Albert Kopf (beide nachweislich Mitglieder der Nietzsche-Gesellschaft Würzbachs);12 und schließlich durch die Weiterführung des Nietzsche-Kreises des Albert Kopf unter der Leitung von Dr. Beatrix Vo-gel mit rechtsfähiger Neukonstitution im Jahre 2000 als Nietzsche-Forum München e.V. Die genannten Gesellschaften und Vereinigungen bezeugen eine Kontinuität als lebendige Geschichte – als die Kraft, aus jedem Ende einen Neuanfang hervorzubringen.

Tatsächlich scheint der Rhythmus des Versiegens und Sich-Erneuerns der Gestaltungskraft des Denkens mit Nietzsche auch den Veränderungen der Bedingungen der Nietzsche-Rezeption im Verlauf der Zeitgeschichte zu fol-gen: Während die Ära des Albert Kopf einerseits durch eine Art von kollek-tiver Abstinenz in Sachen Nietzsche in Deutschland13 – der sie beharrlich entgegenwirkte –, andererseits durch die Debatten um eine angemessene Ausgabe der Werke Nietzsches, insbesondere der angemessenen Form oder Ordnung der Wiedergabe des Nachlasses geprägt war, die durch die his-

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

torisch-kritische Gesamtausgabe der Werke Nietzsches von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, in deutscher Sprache 1967ff., ein Ende fanden, ge-wann die Auseinandersetzung mit den Werken und der Wirkungsgeschichte Nietzsches in den Jahren, in denen ich für den Nietzsche-Kreis des Albert Kopf neue Wege suchte, völlig neue Voraussetzungen: Durch die Öffnung der innerdeutschen Grenze, mit der das Weimarer Archiv, aber auch die Nietzsche-Stätten wieder zugänglich waren, löste sich in Deutschland eine Art Abwehr-Suggestion gegen eine sachliche Beschäftigung mit Nietzsche, die den Philosophen noch in der Laudatio von Walter Jens zu Nietzsches 75. Todestag als letztlich persona non grata gebrandmarkt hatte.14 Als der Nietzsche-Kreis auf Empfehlung von Achim Rowold, eines Mitglieds des Nietzsche-Kreises sowie des Seidlvilla-Vereins, sich als einer der turnusmä-ßigen Nutzer der nach der Restaurierung wieder eröffneten Seidlvilla be-warb, waren die zunächst noch deutlich zu spürenden Vorbehalte gegen den Philosophen schließlich doch überwindbar; damit war der Weg frei, dass die Arbeit eines Nietzsche-Forums in München grundsätzlich auf Augen-höhe mit vergleichbaren Institutionen, wie etwa der Goethe-Gesellschaft, dem (damaligen) Thomas-Mann-Förderkreis München e.V., der Volkshoch-schule, den Philosophen e.V. oder dem MIR Zentrum russischer Kultur e.V. etc., im kulturellen München-Schwabing gesehen wurde.

Inzwischen hat sich der Nietzsche-Diskurs weltweit explosiv ausgebreitet und zugleich entschieden nach wissenschaftlichen Maßstäben ausgerichtet. Im Jahr 2012 erschienen die ersten zwei Kommentarbände eines umgreifen-den historisch-kritischen Kommentars zu Nietzsches Gesamtwerk im Rah-men eines Akademieprogramms von Bund und Ländern.15 2010 wurde das von der Stadt Naumburg-Saale errichtete Internationale Dokumentations-zentrum Friedrich Nietzsche eröffnet.

Ein zentraler Punkt für die wissenschaftliche Erarbeitung einer Chronik der 1919 in München gegründeten und 1943 von der Gestapo aufgelösten Nietzsche-Gesellschaft des Dr. Friedrich Würzbach betrifft, aufgrund der Öffnung der innerdeutschen Grenze, den heutigen Kenntnisstand über die Rettung und Archivierung des Bücher- und Archivbestands der Nietzsche-Gesellschaft, der sich im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar befindet und über die Archivdatenbank zugänglich ist. Es handelt sich um Akten, die Verwaltung der Nietzsche-Gesellschaft betreffend, sowie um die Korrespondenz des Präsidenten der Gesellschaft mit dem Nietzsche-Archiv (Max Oehler) und mit zahlreichen bekannten Persönlichkeiten des kulturellen Lebens im In- und Ausland, insbesondere mit Elisabeth Förster-Nietzsche. Auch der den Musarion Verlag betreffende Schriftwechsel ist vor-handen. Des Weiteren sind relevante Publikationen zu Nietzsche sowie eine

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Beatrix Vogel

Anzahl von Zeitungsartikeln von Friedrich Würzbach vorhanden. Über die Inhalte des sehr umfangreichen Materials gibt es bisher keine detaillierten Informationen, da es noch nicht in vollem Umfang ausgewertet wurde. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Abtransport des Archivs der Nietzsche-Gesellschaft durch die Gestapo das Material vor der bald darauf folgenden Zerstörung der Wohnung von Friedrich Würzbach in der Pienzenauerstr. 12 durch Bombeneinwirkung rettete.16 – Dieser gerettete Bestand birgt erhebli-che Möglichkeiten der Ergänzung und Korrektur dieser »Chronik«, in der ja die dokumentarischen Lücken beklagt werden; eine wissenschaftliche Auf-arbeitung ist somit möglich.

Indessen hoffe ich, dass auch die vorliegende »kleine Chronik«, die aus dem Zusammenhang der für eine historisch-kritische Darstellung der Geschichte der Nietzsche-Gesellschaft – im Hinblick auf die neuere Münchner Kultur-geschichte und auf zeitgeschichtliche Aspekte der Nietzsche-Rezeption in Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Bundesrepublik17 – zu be-rücksichtigen ist, nur einige Aspekte aufgreift, einen Sinn erfüllt: als ein Do-kument des deutlich bestimmten Impulses, der mit der Gründung der ersten deutschen Nietzsche-Gesellschaft 1919 in München – in einer bestimmten geschichtlichen Situation – gesetzt wurde und sich seither – in den Bemühun-gen dieser ersten »Gesellschaft«, dieses »Kreises«, dieses »Forums« – konti-nuierlich geformt und umgeformt hat; ein Impuls, den Friedrich Würzbach in die von Friedrich Nietzsche18 gestellte Frage fasste: »Wer wird das Bild des Menschen aufrichten …?«19 Um diese Frage Friedrich Nietzsches dreh-ten sich das geistige Ringen und Schaffen Friedrich Würzbachs sowie Heinz Friedrichs, angesichts der tiefen Krise des Humanums, welche sich infolge der abgründigen geistigen wie psychischen und der damit präformierten physisch-materiellen Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands zu einem Bruch verschärfte, sodass in der Nachkriegs-Situation, im Aufbau eines freiheitlich liberal-säkularen Staates und in einem sich ausprägenden postmodern-pluralistischen Bewusstsein die humanistischen Grundlagen der westlichen aufgeklärt-neuzeitlichen Kultur mehr und mehr der Auflö-sung preisgegeben wurden.20

Immer wieder waren es einzelne Menschen, die, von dieser herausfor-dernden Situation erfasst, sich den drängenden Fragen in einer denkenden Auseinandersetzung insbesondere mit Nietzsche näherten und darin ih-ren gesellschaftlichen Auftrag erkannten. In der Reihe dieser Menschen ist Dr. Friedrich Würzbach dauerhaft zu erinnern und zu würdigen. So ist es eine besondere Freude, dass während meiner Arbeit für das Nietzsche-Forum München der Kontakt zur Tochter des Gründers der Nietzsche-Ge-sellschaft, Professor Dr. Natascha Würzbach, zustande kommen durfte. Ihr

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

2007 bei dtv erschienener Roman »Das grüne Sofa« bewegte den Schriftstel-ler Albert von Schirnding, wie schon erwähnt Gründungsmitglied und Mit-glied des wissenschaftlichen Beirats des Nietzsche-Forums München, dazu, die Schriftstellerin und Professorin em. für Anglistik in Köln ins Nietzsche-Forum München zu einem Vortrag über ihre Wahrnehmung ihres Vaters einzuladen. Ihr Vortrag »Friedrich Würzbach, Nietzscheforscher, Präsident der ersten Nietzsche-Gesellschaft, Schriftsteller und Naziverfolgter in Mün-chen«, der am 22. September 2008 in der Seidlvilla stattfand,21 der sich erstmals, u. a. anhand umfangreichen Archivmaterials aus dem Bayerischen Rundfunk, kritisch mit der Rolle Würzbachs, den Ambivalenzen und der Zwiespältigkeit seiner Haltung und seines Handelns in der Nazizeit unter dem Verfolgungsdruck aufgrund des fehlenden Ariernachweises auseinan-dersetzt, ist als Beitrag zu einer differenzierteren und gerechteren Einschät-zung Friedrich Würzbachs – damit indirekt auch des Wirkens anderer bedeu-tender ambivalenter Persönlichkeiten des damaligen öffentlich-kulturellen Lebens – und als Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Geschichte der ersten Nietzsche-Gesellschaft von nicht zu überschätzender Bedeutung.22

Albert von Schirnding verdanken wir das persönliche Band vom Jetzt zum Damals. Seine aufschlussreiche Einleitung zum Vortrag von Professor Nata-scha Würzbach am Faden persönlichen Erinnerns – im Anschluss an die vier Festvorträge des Jubiläums vom 7. Juli 2012 zu Ehren von »Gründungsvä-tern und -müttern« des Nietzsche-Forums München und im Anschluss an die Chronik der Vorträge ab 1965, ergänzt bis November 2012 (dem Ende meiner Veranstaltungstätigkeit) – führt die Darstellung, mit der hoffnungs-vollen Note der Bekanntschaft von Schirndings mit der Tochter des Grün-ders der Nietzsche-Gesellschaft, an ihren Ausgangspunkt zurück.

Mit einem Streifzug durch die »Chronik« in Bildern, die teilweise auch do-kumentieren und mitteilen, was im Text nicht dargestellt werden konnte, schließt sich der Bogen dieser Brücke.

Zum Schluss möchte ich meinen herzlichsten Dank aussprechen: an Herrn Dr. Nikolaus Gerdes, der, wie bei vielen Nietzscheana des Nietzsche-Forums München, bei der Manuskripterstellung des Gesamttextes behilflich war; an den Schriftsteller Stefan Grosser, von 2006 bis 2012 Schatzmeister des Nietzsche-Forums München, der mir bei der teilweise durchaus schwierigen Auswahl der Bilder wertvolle Hilfestellung bieten konnte; an Frau Christiane Wrenger, die passionierte Fotografin, die den langwierigen Prozess der Auf-nahme und stimmigen Einordnung der Bilder mit großem Feingefühl und pro-fessionellem Können begleitete und ermöglichte, dass die Bilder dem Verlag sowohl in Grobauflösung in eine Übersichtsdatei gefügt als auch in bester Auf-

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lösung für die Integration ins Buch geliefert werden konnten; an den Allitera Verlag und insbesondere seinen Geschäftsführer, Herrn Alexander Strathern, für sein Interesse an der dritten Auflage einer (stark) erweiterten »Chronik« und die Beherbergung der »Chronik« in seinem Verlagsprogramm, das gerne und in besonderer Weise solche spezifischen Entwicklungen berücksichtigt, die mit der Kulturgeschichte Münchens verknüpft sind; und an Frau Professor Dr. Natascha Würzbach, die mich in der (knappen) Form einer Bezugnahme auf das wieder aufgetauchte Archivmaterial der Nietzsche-Gesellschaft im Kontext dieser »Chronik« unterstützt hat. Ihr grundsätzliches Einverständ-nis mit der vorliegenden Darstellung einiger Grundzüge der Geschichte der 1919 in München gegründeten Nietzsche-Gesellschaft – auch als ein Versuch, damit zu einer gerechten Einschätzung und Würdigung des Wirkens ihres Gründers beizutragen – ermöglicht mir, diese »Chronik« als eine vor-läufige Arbeit abzuschließen, in der Zuversicht, dass gerade ihre Unvollständigkeit die nachfolgende Generation dazu anregt und motiviert, die Zusammenhänge eingehender historisch-kritisch-wissenschaftlich zu erforschen.

Otterfing, den 15. April 2016

Anmerkungen1 Siehe Max Werner Vogel, »Chronik«, S. 352 als Schwerstkranker3 Beatrix Vogel, Nachruf auf Maria Friedrich (S. 2), abgedruckt auf der Website des

Nietzsche-Forums München.4 Der Beitrag des Nietzsche-Forums München: »›Was ist Wahrheit?‹ Eine virtuelle

Philosophieausstellung.« Copyright 2011 Nietzsche-Forum München, ist abge-druckt auf der Website des Nietzsche-Forums München: www.nietzsche-forum-muenchen.de.

5 Die eingesandten Beiträge – vom Gymnasiasten bis zum Hochschullehrer – soweit möglich, angesichts der Vielfalt der gewählten Darstellungsformen, die philoso-phisch-naturwissenschaftliche Essays, Erzählungen, Lyrik, Malerei und Musik sowie schließlich einen Ton-Film sowie einen dokumentarischen Spielfilm umfas-sen, sind in Buchform erschienen: Hans-Joachim Becker, Miriam Ommeln, Hans Otto Seitschek, Elke Wachendorff (Hg.), Mein Nietzsche. Ein Projekt des Nietz-sche-Forums München. Verlag Traugott Bautz GmbH, Nordhausen 2009. – Leider konnte Frau Prof. Maria Friedrich bei der Preisverleihung, wie ihrerseits mit großer Anteilnahme an diesem Ereignis geplant, dann doch nicht anwesend sein.

6 So musste etwa der Versuch eines Auftritts bei Facebook wieder abgebrochen werden, da es sich als problematisch erwies auszuschließen, dass rechtsradikale Stimmen sich einschleichen und, wie dann befürchtet werden musste, den Diskurs verderben würden – das Problem des Schutzes eines nach allen Seiten »offenen Forums«!

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

7 Dies betrifft u. a. den Versuch, mit der Einführung von Heinz-Friedrich-Kolloquien als einem festen Bestandteil der Veranstaltungsarbeit des Nietzsche-Forums Mün-chen der geistigen Ausrichtung Heinz Friedrichs und seinen herausragenden Ver-diensten um die internationale Verbreitung der Werke Nietzsches in München als dem Sitz des dtv und seiner Arbeit als Verleger, Akademiepräsident und Schrift-steller ein lebendiges Gedenken und dem Nietzsche-Forum München damit einen spezifischen Akzent im Rahmen der Tradition eines Denkens mit Nietzsche in München zu verschaffen.

8 Der Rückblick auf meine Amtszeit auf der Mitgliederversammlung am 13. Juni 2012 findet sich auf der Website des Nietzsche-Forums München e.V.; www. nietz-sche-forum-muenchen.de

9 Siehe S. 88f.; Ein Nachruf auf den am 8. April 2005 verstorbenen Prof. Dr. Dr. Eberhard Simons (von Dr. Beatrix Vogel) findet sich auf der Website des Nietz-sche-Forums München: www.nietzsche-forum-muenchen.de. – Ein Nachruf von Dr. Robert Kozljanic, seit dem 11. Juli 2015 Stellvertretender Vorsitzender des Nietzsche-Forums München, findet sich in »Widerspruch« Nr. 43, Wertestreit um Europa 2005, S. 135–138 (im Internet als PDF-Dokument abrufbar).

10 Prof. Dr. Dr. Karel Mácha wird in der »Chronik« ausgiebig bedacht. Ihm und seiner Arbeit zu Ehren – die auch den Nietzsche-Kreis des Albert Kopf und das spä-tere Nietzsche-Forum München verbindet – haben wir im Nietzsche-Forum Mün-chen seinen 70. und seinen 80. Geburtstag festlich begangen (am 30. Juli 2001 mit einem »musikalisch-philosophischen Abend«; das Ereignis mit Überreichung einer Festschrift zum 80. Geburtstag am 22. Januar 2011 trug den Titel der Festschrift: »Kreuzwege des Denkens«).

11 Diese berechtigte Unsicherheit über die Faktenlage der ursprünglichen Nietzsche-Gesellschaft, wie sie in der »Chronik« von Max Werner Vogel zum Ausdruck kommt, bezieht sich auf die Situation der Entstehung dieses Textes, und zwar in doppelter Weise: Einmal war es mir in der damaligen Lebenssituation (sowie auch später) nicht möglich, über einen längeren Zeitraum hinweg intensive, u. a. mit Reisen verbundene Recherchen und einschlägige Forschungsarbeit zu betreiben; auch lag es nahe, mich damals zunächst – die Öffnung der neuen Bundesländer kam ja erst allmählich in Gang – an die auch schriftlich kommunizierte Auskunft durch die ansprechbaren Zeugen der Albert-Kopf-Gesellschaft zu halten, derzu-folge das Archivmaterial der Nietzsche-Gesellschaft »verschollen« bzw. durch die Gestapo vernichtet worden sei. Das Auftauchen des gesamten Bestandes des 1943 von der Gestapo beschlagnahmten und abtransportierten umfangreichen Materials des Archivs der Nietzsche-Gesellschaft im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar, das nunmehr jedem Interessierten zugänglich ist, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Information über den Quellenstand habe ich auf S. 17f. eingefügt.

12 In der »Chronik« heißt es (vgl. S. 56), dass Albert Kopf sich durch ein Versprechen, das er Würzbach gegeben habe, zur Weiterführung der Gesellschaft verpflichtet sah.

13 Darauf komme ich später noch einmal zurück.14 Immerhin traf der kritische Fernseh-Essay zu Friedrich Nietzsche von Walter Jens

am 04. Februar 1974 in der ARD-Reihe »Große Deutsche«, auch auf Widerspruch und Entrüstung; so z. B. äußert sich Rolf Vollmann in der SZ-Rubrik: »Die Mei-

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nung des Kritikers« vom 06. Februar 1974: »… fünfundvierzig Minuten an Nietz-sche vorbei. Mit selbstgefälligem Wissen und einer ans Niederträchtige grenzenden Psychologie gibt Jens zu verstehen, was wir von Nietzsches Gedanken zu halten haben: nämlich nichts.« – In seinem Brief vom 6. Februar 1974 an den Süddeut-schen Rundfunk beklagt Albert Kopf unter Bezugnahme auf Rolf Vollmann: »Es war wohl der größte und unverzeihlichste Missgriff, der Ihnen je unterkam, als Sie Walter Jens für diesen Vortrag beauftragten.« Und doch ist die Kritik an dem von Walter Jens gezeichneten Nietzsche-Bild – gegenüber der so anderen Sicht des Philosophen etwa seitens Karl Jaspers, Friedrich Gundolf oder Edgar Salin – auch zeitdiagnostisch zu werten, wie die Endung des Beitrags von Dr. Emil Maurer, eines weiteren Kritikers der Nietzsche-Laudatio von Walter Jens, anzeigt, der sein Votum auf den Punkt bringt: »Tempora mutantur et professores in illis!«

15 Denkt man an die Auflösung und das Verbot der Nietzsche-Gesellschaft im Nati-onalsozialismus und sodann an die »innere Mauer« gegen eine Beschäftigung mit dem Philosophen über gut drei Jahrzehnte der Nachkriegszeit hinweg, die sich nur langsam und schrittweise abbauen ließ, wird die Konversion des Bewusstseins in der Einschätzung Nietzsches, die sich inzwischen ereignet hat, schlagartig bewusst, wenn auf der Website der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaft zum Projekt »Nietzsche-Kommentar« der Heidelberger Akademie der Wissenschaften festgestellt wird: »Friedrich Nietzsche (1844–1900) gehört zu den zentralen und wirkungsmächtigsten Philosophen der abendländischen Geistesgeschichte. Seine Werke gelten mittlerweile als fundamental für das Selbstverständnis modernen Denkens überhaupt. Sein weltweiter Einfluss auf Philosophie, Literatur, Anthropo-logie, Psychologie, Religions- und Kulturkritik kann kaum überschätzt werden.«

16 Diese Information verdanke ich Frau Prof. Dr. Natascha Würzbach. – Die Infor-mation über den Quellenstand zum Archiv der Nietzsche-Gesellschaft beruht auf Auskünften der Archivarin Karin Ellermann des Goethe- und Schillerarchivs, die an die Tochter von Friedrich Würzbach im Januar 2016 gegeben wurden.

17 So die Formulierung in dem genannten Brief an den Direktor des Instituts für Zeit-geschichte, Prof. Dr. Andreas Wirsching vom 25. Oktober 2011.

18 In: »Schopenhauer als Erzieher«, KSA 1, S. 368; Sperrung im Original.19 Friedrich Würzbach, Das Bild des Menschen, in: Zwei unveröffentlichte Manu-

skripte aus dem Nachlaß, in: W.L. Hohmann (Hg.), kleine arbeiten zur philoso-phie, band 8.

20 Paradigmatisch für diesen Prozess ist die heftige Debatte um die Zweitkommentie-rung von § 1 GG, dem Menschenwürde-Paragraphen, durch Matthias Herdegen. Ganz bewusst zitiert Ernst Wolfgang Böckenförde in seinem markanten Votum in der FAZ vom 3. September 2003: »Die Menschenwürde war unantastbar. Abschied von den Verfassungsvätern«, mit dem Diktum vom »Epochenbruch«, »die bittere Erfahrung aus der … kaum übersteigbaren Verachtung der Menschenwürde im ›Dritten Reich‹«, welche die Väter und Mütter der Verfassung bei der Erstkommen-tierung vor Augen hatten, um die Grundstruktur eines humanistischen Paradigmas als Bedingung der Möglichkeit unserer freiheitlich-liberalen staatlichen Ordnung und Weltanschauung dem kollektiven Bewusstsein unauslöschlich einzuprägen. »Aber wie lange«, fährt er fort, »lassen sich damit Generationen durch diese Ewig-keitsgarantie binden … für die das »Dritte Reich« schon und nur Geschichte ist,

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Vorwort zur 3. (nochmals erweiterten) Auflage

für die die Notwendigkeit eines bleibenden, unabdingbaren Halte- und Orientie-rungspunktes für die Ordnung des Zusammenlebens der Menschen keine Evidenz mehr hat?« (Hervorhebung B.V.)

21 Der Vortrag ist publiziert in: Beatrix Vogel und Nikolaus Gerdes, Hg., Grenzen der Rationalität. Vorträge 2006–2009 des Nietzsche-Forums München, in der Reihe Mit Nietzsche denken. Publikationen des Nietzsche-Forums München e.V., Band 5, Teilband 2, Roderer Verlag, Regensburg 2010, S. 185ff.

22 Natascha Würzbach hat ihre gründlichen und kritischen Recherchen und Erkennt-nisse im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit der Rolle ihres Vaters in der Nazi-zeit in einer Romanfigur verarbeitet – leider hat das Manuskript bisher noch keinen Verleger gefunden, was sehr zu wünschen bleibt!

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Vorwort zur zweiten Auflage der »Chronik«

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Die »Chronik des Nietzsche-Kreises. Versuch einer Rekonstruktion«, die Max Werner Vogel im Herbst 1994 – kurz vor seinem Tod im Januar 1995 – fertig stellte, erschien erstmals 1999 als Beitrag in Band 1 der »Publikationen des Nietzsche-Kreises München«.1 Sie erneut als Einzelschrift aufzulegen, erweitert um den Blick auf die Jahre 1994 bis 2006 und die aktualisierte Chronik der Vorträge der Nietzsche-Gesellschaft bzw. des Nietzsche-Krei-ses und des Nietzsche-Forums München e.V. im Anhang, entspricht dem Interesse an einer »lebenden Sache«: diese durch Bezugnahme auf ihre »Vor-Leben«, im Nachvollzug ihrer Genese, der Stationen ihrer Umgestaltungen bis hin zu ihrer heutigen Form und dem, was sie heute antreibt, ein Stück weit zu verdeutlichen. Solche Selbstreflexion – wenn auch nur in der Weise eines spezifischen Hinsehens – mag sie darin unterstützen, ihre zukünftige Form und ihre weitere Entwicklung zu bestimmen.

Der Versuch, die Zusammenhänge zwischen dem heutige Nietzsche-Forum München e.V. und der 1919 in München gegründeten Nietzsche-Gesellschaft e.V. aufzuzeigen, gestaltet sich nicht ganz einfach. Zum einen ist festzustel-len: Das derzeit verfügbare Datenmaterial über die Vorgängergesellschaft ist äußerst dürftig; es beschränkt sich in der Hauptsache auf Akteneinträge in Registergerichten2 sowie einige Korrespondenz in diesem Zusammenhang, auf drei Versammlungsprotokolle3, auf Schreiben der Gerichtsbehörden und Schriftwechsel der Geheimen Staatspolizei München mit dem Polizeipräsiden-ten Berlin-Charlottenburg sowie die (erzwungene) Bestätigung der erfolgten Auflösung der Nietzsche-Gesellschaft e.V. durch Dr. Würzbach; auf einige Briefe aus späterer Zeit (aus der Ära von Albert Kopf) sowie aus Zeugenbe-richten im engeren und weiteren Sinne, die, zum Teil (wie Albert Kopf oder Dr. Egon von Niederhoeffer) der Nietzsche-Gesellschaft unter Dr. Friedrich Würzbach wie dem späteren Nietzsche-Kreis von Albert Kopf angehörten.4

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Zum andern stößt das Ansinnen, den Zusammenhang der Münchner Nietzsche-Vereinigungen aufzuzeigen, auf eine Komplexität von Fakten und Faktoren, die eine ganz unterschiedliche Analyse und Handhabung erfor-dern. So ist etwa – auch wenn sich die objektive Datenbasis durch gezielte Nachforschungen noch erweitern ließe, was dringend zu wünschen ist – das Fehlen eines vereinseigenen Archivs aufgrund der Auflösung der Würzbach-Gesellschaft – und angeblich Vernichtung des Materials – durch die Gestapo ein Signum der Geschichte gerade dieser Gesellschaft, das ihr in unterschied-licher Weise auch in späterer Zeit erkennbar eingeprägt blieb. Diese, weniger auf objektive Daten als auf den Stimmungshintergrund, der sich aus dem Material der späteren Jahre des Nietzsche-Kreises von Albert Kopf mitteilt, rekurrierende Deutung erfasst m. E. durchaus Wesentliches, wenn es darum geht, historische Gegebenheiten auf ihren inneren Zusammenhang hin zu befragen und damit als Entwicklungen und d. h. überhaupt geschichtlich in den Blick zu nehmen. Das Unfassliche, der Bruch, die Zurückstufung, wie sie bei der »Neugründung trotz alledem« der Nietzsche-Gesellschaft e.V. durch Dr. Würzbach nach dem Kriege präsent waren, schienen auch in den weiteren Bemühungs-Schüben, die Arbeit nach Würzbachs Tod weiterzufüh-ren, nicht spurlos überwunden.

Mit anderen Worten: dass und inwieweit die frühe Nietzsche-Gesellschaft im Nietzsche-Kreis München und schließlich im heutigen Nietzsche-Forum München e.V. weiterlebt, ist in jedem Fall das Ergebnis einer Rekonstruk-tion, an die sich interessante und fruchtbare Gesichtspunkte knüpfen, die, wie ich meine, durchaus »Realität« erkennbar machen; d. h. eine »res«, die, ohne im strengeren Sinn ein »Gegenstand« zu sein, im Muster objektiver Daten – die motivieren und als konstruktive Vorgabe fruchtbar werden – ge-sehen oder doch genutzt werden kann.

In der Tat: ein Lebenswille scheint der von der Nietzsche-Gesellschaft begründeten Sache nicht zu fehlen. Jedenfalls widersetzt sich da »etwas« – nicht seiner Umgestaltung, nicht dem Stirb und Werde, wohl aber seiner Tilgung, seinem Ver-Enden. Die Geschehnisse, die sich je einstellten und oft, ad hoc, behelfsmäßig ergaben, wenn die Gesellschaft und ihre Nach-folgeorganisationen Schiffbruch erlitten, grenzen ans Merkwürdige.5 Von Dr. Friedrich Würzbach wie von Albert Kopf ist übermittelt, dass das Fort-bestehen der Gesellschaft und des von ihr beförderten Anliegens – auch, in veränderter Situation, unter verändertem Namen – ihr Herzenswunsch war. Doch ein Fortbestehen wovon?

Die Chronik der Nietzsche-Gesellschaft und ihrer Folgeorganisationen in München – für sich genommen bereits eine kulturgeschichtliche Besonder-heit, die eine Würdigung oder doch Kenntnisnahme verdient6, durchmisst

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Vorwort zur zweiten Auflage der »Chronik«

sie doch nahezu das gesamte zu Ende gegangene Jahrhundert – ist, so könnte man sagen, als lebendige ein Ringen um den Fortbestand einer kulturge-schichtlichen Debatte in rasant sich wandelndem Kontext; der Fortbestand der bewegenden wie schwierigen Frage nach der Möglichkeit eines Gesprächs der Kultur mit sich selbst über den geschichtlichen Bruch zweier Epochen hinweg – wie das Schiffbarmachen des Zeit-Flusses auch die getrennten Ufer miteinander in Verbindung kommen lässt: auf der einen Seite die alte abendländische Kultur, deren Ende und Auflösung in einer »Irrenhaus-Welt ganzer Jahrtausende« Nietzsche lange vorauswusste und dichtete; auf der anderen Seite eine »aus dem Amalgam aus scheinbarer Ausweglosigkeit und Hoffnung, Orientierungssehnsucht, Gewalt und Sensationen-Konsum, Le-bensverfügbarkeit und Wertebeliebigkeit«7 vielleicht zu gewinnende, neue, werdende Welt und Kultur, die das ins Unwegsame vorstoßende Denken und Visionieren Nietzsches wie sein unbestechlicher analytischer Tiefenblick vorbereiten wollten.

Nietzsche als »Wendepunkt und Wirbel der sogenannten Weltgeschichte« und »Drehscheibe der Moderne (und Postmoderne)« ist es, der in uner-schöpflichen Ansätzen, Anläufen und Hinsichten dieses Gespräch führt und sich im Übergang versucht, im Herumwälzen des gesamten Welt- und Wirk-lichkeitsverständnisses über jenen Bruch hinweg, der sich als »Faktum« erst im Jahrhundert nach seinem Tod ereignete.

Die Verklammerung des Alten und Neuen ist in die Chronik der Nietzsche-Gesellschaft(en) objektiv eingezeichnet: durch die sie tragenden Personen, die den Bruch in ihrer Lebensspanne durchschritten und durchlitten haben – und dies auch in der Perspektive unterschiedlicher Generationen – sowie durch die verschiedenen Ansätze der Bemühung um eine Auseinandersetzung mit Nietzsche in Interaktion mit den geschichtlich bestimmten Umständen, wobei die Nietzsche-Gesellschaft von dem Bruch in einem verschobenen Sinn und in gewisser Weise doppelt betroffen ist: Von den Machthabern des Nationalsozialismus aufgelöst, blieb sie nach dessen Ende trotzdem jenem Tabu unterworfen, dem eine Auseinandersetzung mit Nietzsche in Deutsch-land für eine lange Zeit aufgrund der missbräuchlichen nationalsozialisti-schen Inanspruchnahme seines Namens und seiner Philosophie unterlag. Diese Situation hat sich wesentlich erst nach der Zeit des Nietzsche-Kreises von Albert Kopf gewandelt, der die Antriebskraft »es muss weitergehen« infolgedessen mehr aus dem im Rückwärtsblick gewonnenen Vorbild (Ideal) der (glanzvollen) Anfänge bezog.

Es war ein Glück und bezeichnete einen Wendepunkt in der Entwicklung des damaligen Nietzsche-Kreises, dass im Oktober 1994, im Rahmen der

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Bemühungen um angemessene Veranstaltungen zum Gedenken des 150. Ge-burtstages Friedrich Nietzsches, die Beziehung zu Prof. Dr. h. c. Heinz Fried-rich zustande kam und er zum 80. Gründungsjubiläum der Nietzsche-Ge-sellschaft, das wir am 30. November 1999 in der Seidlvilla begingen, den Ehrenvorsitz der jetzigen Vereinigung, nunmehr in »Nietzsche-Forum Mün-chen« umbenannt, anzunehmen bereit war; dass er sich mehr als fünf Jahre hindurch, bis zu seinem Tod am 13. Februar 2004, für das Nietzsche-Forum München mit Rat und Tat aktiv engagiert und als Gründungsmitglied des Nietzsche-Forums München e.V. die Wiedererlangung der Rechtsfähigkeit unterstützt und mitgetragen hat.

Heinz Friedrich, dessen Leben und Lebenswerk die Geschichte des 20. Jahr-hunderts spiegelt, indem er, als Verkörperung gleichsam solcher standhal-tender Auseinandersetzung, sich mit dieser befasst, als zugleich auch »einer Art Krankengeschichte der Völker im einzelnen und der Menschheit im all-gemeinen«8 – steht entschieden für den Versuch einer Wiederannäherung an das durch die geschichtliche Erfahrung quasi auseinandergebrochene in-nerkulturelle Gespräch ein, und zwar – im Kontext der hier thematisierten Zusammenhänge – in zweifacher Hinsicht.

Er, dessen besonderes Interesse an Nietzsches Nachlass seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem Philosophen wie ein roter Faden durchzog und der später selbst eine Nachlass-Auswahl »als Vademecum zu Nietzsches Phi-losophie« vorlegte, hatte Würzbachs Hauptwerk, die Herausgabe des Nach-lasses Friedrich Nietzsches (im damals zugänglichen Umfang), erstmals erschienen 1940 unter dem Titel »Das Vermächtnis Friedrich Nietzsches«, 1969 im Deutschen Taschenbuch Verlag unter dem Titel: »Die Umwertung aller Werte« neu aufgelegt. Dies bedeutete gleichzeitig eine Würdigung der Verdienste dieser editorischen Bemühung um Nietzsches Nachlass »durch Friedrich Würzbach, dem langjährigen Präsident der Nietzsche-Gesellschaft und Mitherausgeber der Musarion-Ausgabe (der Werke Nietzsches) …, der zweifellos zu den bedeutendsten Kennern von Nietzsches Werk und Gedan-kenwelt (gehörte)«.9 Zuständigkeit und Aktualität von Würzbachs Exkurs über Nietzsches Denken in der Einleitung zu seinem Werk bleibe, so Fried-rich, »dreißig Jahre nach seiner Niederschrift … so gut wie ungemindert«.10

Die Bedeutung und Herausforderung einer Auseinandersetzung mit Nietz-sche für die tief erschütterte humane Existenz und ein Denken über den Bruch der geschichtlichen Erfahrung hinweg – darin kam er mit Würzbach überein – sah Heinz Friedrich in der mutigen Wiedergewinnung der eigent-lich interessierenden Frage in der Retro- und Prospektive des »passionier-testen Befürworter(s) und Bejaher(s) des Wesens Mensch in seiner höchsten Erscheinungsform«11; in der Wiedergewinnung der Frage nach der Men-

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Vorwort zur zweiten Auflage der »Chronik«

schenwürde und in der Notwendigkeit, die Bestimmung des Menschen zur Selbstgestaltung seiner Existenz anzuerkennen und bei solchem Erkenne dich selbst die Ebene im Blick zu haben, die ihm im Sinn lag. »Denn«, so zitiert Heinz Friedrich Friedrich Nietzsche, »›ich fand es unmöglich, dort Wahrheit zu lehren, wo die Denkweise niedrig ist.‹«12 Mit anderen Worten, es war in der Einschätzung Heinz Friedrichs legitim und erforderlich, sich auch zukünftig mit Nietzsche auseinanderzusetzen, in neuer Weise, welche er, Heinz Friedrich, dem Nietzsche-Forum München zusprach und zutraute.

Im Kontext dieser Zusammenhangssuche ist die von Max Werner Vogel ver-fasste Chronik, die in der hier vorliegenden zweiten Auflage unverändert abgedruckt ist, ein wertvolles und einzigartiges Dokument, dem nichts an die Seite zu stellen ist – es gibt in bezug auf den Gegenstand nichts ver-gleichbares. Max Werner Vogel hat den Daten unter dem Blickwinkel seiner durch die dokumentierte Zeit geprägten Erfahrung eine Zusammenhangs-möglichkeit angeboten. Die von ihm verfassten Zeilen und was sich durch sie mitteilt, stellen einen Raster zur Verfügung, durch den die Sache ihrer Realität – im Sinne eines »Gehäuses«, das durch wesentliche Gedankenim-pulse belebt wird –, näher kommen kann. Es ist mir ein Bedürfnis, ihm für dieses Verdienst zu danken.

Die Vorträge von Max Werner Vogel vor dem Nietzsche-Kreis München sind in einem eigenen Band publiziert13, mit Ausnahme des Vortrags »Za-rathustra – a god that can dance«, welcher in Band 2 der Publikationen des Nietzsche-Forums München aufgenommen ist.14 Anstelle eines Nachrufs auf ihn, der, mehr noch als durch seine Vorträge ersichtlich, im Hintergrund für den Fortbestand des Nietzsche-Kreises wirkte, ist im Anhang eine biogra-phische Notiz zu Max Werner Vogel beigefügt.

Otterfing, den 26. Februar 2007

Anmerkungen1 Beatrix Vogel und Alois K. Soller, Hrsg., Chronik des Nietzsche-Kreises München.

Vorträge aus den Jahren 1990–1998, Neuried 1999. 2 so die Auszüge aus dem Vereinsregister München zur Ersteintragung der Nietz-

sche-Gesellschaft (VR 1571), zur Eintragung der Verlegung des Vereinssitzes nach Berlin-Charlottenburg (eingetragen weiterhin in München) sowie der erneuten Gründung der Nietzsche-Gesellschaft e.V. im Jahre 1956 (VR 5729).

3 ich beziehe mich auf das »Protokoll über die Gründungsversammlung der Nietz-sche-Gesellschaft, München, Königinstrasse 15, 5 Uhr nachmittags, 10. XII.

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1919«; das »Protokoll der ordentlichen Mitgliederversammlung der Nietzsche-Gesellschaft, Weimar, 10 Uhr Vormittag, 17. Oktober 1927 (nebst einem diesbe-züglichen Schreiben Dr. Friedrich Würzbachs vom 24. Oktober an das Amtsgericht München); sowie das »Protokoll der ordentlichen Hauptversammlung der Mitglie-der am 23. Januar 1931, 20 Uhr, in der Hauptgeschäftstelle Berlin-Charlottenburg, Schlüterstr. 13/IV«.

4 Beide habe ich persönlich gekannt; beide sind inzwischen verstorben. Mit Herrn Dr. Schweiger, der die Nietzsche-Gesellschaft nach dem Tode Dr. Würzbachs und – abermaligem – Verlust der Rechtsfähigkeit kurze Zeit führte, konnte ich leider keinen persönlichen Kontakt mehr herstellen; auch er ist verstorben.

5 Als ein Beispiel kann das »Auflösungsdrama«: der sich über nahezu 3 Jahre (November 1961 bis April 1964) hinziehende Briefwechsel von Hermann Bader, Schatzmeister und geschäftsführender Präsident der Nietzsche-Gesellschaft e.V. nach Friedrich Würzbachs Tod, mit dem Registergericht München bezüglich der Auflösung des Vereins herangezogen werden. – Ich selbst habe mich von dem merkwürdigen In-Erscheinung-Treten dieses Lebenswillens überzeugen können, als ich aus triftigen Gründen fest entschlossen war, die Arbeit aufzugeben.

6 Ob sie die erste Nietzsche-Gesellschaft war, die in Deutschland gegründet wurde; ob es in der Zeit bis zur Gründung der Förder- und Forschungsgemeinschaft Fried-rich Nietzsche e.V. – sie trägt seit dem 14. Oktober 2000 den Namen »Nietzsche Gesellschaft e.V.« – in Deutschland weitere Nietzsche-Vereinigungen gegeben hat, wäre zu klären.

7 Renate Reschke in einem Brief vom 21. Juni 2004. – Prof. Dr. Renate Reschke ist Vorstandsmitglied der Nietzsche-Gesellschaft e.V. mit Sitz in Naumburg/Saale.

8 So Friedrich in seiner Autobiographie: Erlernter Beruf: Keiner. Erinnerungen an das 20. Jahrhundert, hrsg. von Björn Göppl, München 2006, S. 12. – Dr. Björn Göppl ist Vorstandsvorsitzender der Heinz-Friedrich-Stiftung seit ihrer Gründung im Dezember 2004.

9 Friedrich Würzbach, Friedrich Nietzsche: Umwertung aller Werte, dtv Wissen-schaftliche Reihe, 2 Bände, herausgegeben von Heinz Friedrich, München 1969, S. 825 (Nachwort).

10 Heinz Friedrich, Nachwort in Friedrich Würzbach, o.c., S. 826.11 Heinz Friedrich, Friedrich Nietzsche. Weisheit für Übermorgen. Unterstreichungen

aus dem Nachlaß (1869–1889), München 1994, Vorbemerkungen, S. 24. 12 Heinz Friedrich, o.c., S. 827.13 Max Werner Vogel, Nietzsches Hinterkopf. Meditationen über Friedrich Nietz-

sche. 5 Vorträge für den Nietzsche-Kreis München, Essen 1995.14 Beatrix Vogel, Hrsg., Von der Unmöglichkeit oder Möglichkeit, ein Christ zu sein.

Symposion 1996 des Nietzsche-Kreises München. Vorträge aus den Jahren 1996–2001, München 2001, S 177ff .

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Teil 1

Die Chronik des Nietzsche-Kreises Versuch einer Rekonstruktion

Max Werner Vogel

Einführung

Die ehemalige Nietzsche-Gesellschaft, von der sich der heutige Nietzsche-Kreis herleitet, zu ihrer Zeit eine angesehene wissenschaftliche Vereinigung, wurde, wenn man den alten Mitgliedern glaubt, immer noch einmal gegrün-det. Ihr Schicksal spiegelt paradigmatisch die Irritationen der Nietzsche- Rezeption bei den Deutschen seit Ende des Ersten Weltkrieges.

Überhaupt scheint es, die Nietzsche-Gesellschaft sei in all den Jahren seit dem Ersten Weltkrieg bis heute wie ein Delphin mal sichtbar, mal unsicht-bar gewesen. Einerseits waren die Köpfe der Zeitgenossen nach dem verlo-renen Krieg so entgeistert und so mit anderem voll, dass sich das Ereignis »Nietzsche-Gesellschaft« öffentlich nicht durchsetzte. Andererseits zielte ihr Gründer auf eine Vereinigung von Akademikern zum Zwecke der Nietzsche-Forschung. Die große Zahl der Menschen damals nahm von der Nietzsche-Gesellschaft jedenfalls nicht Notiz, obwohl sich ihr doch immerhin Hugo von Hofmannsthal und der spätere Nobelpreisträger Thomas Mann zuge-sellt hatten. Ungeistig war die Zeit nicht, wie die Lektüre etwa der Süddeut-schen Monatshefte oder die Erinnerung an die große Zeit des Theaters in Berlin bewusst machen kann, aber die große Zahl der Menschen scheint den Anschluss an ihre geistige Elite unter dem Impact der Revolution und der Kriegsfolgen verloren zu haben, und die Elite selbst hatte sich zersplittert. Alles stand unter einem bis heute nicht bewältigten völkischen Schock, für den man die Gründe noch immer sucht.

Im Deutschland vor 1914 und besonders um die Jahrhundertwende stand die Nietzsche-Rezeption in voller Blüte. Alle Kunst- und Stilrichtungen wa-ren von Nietzsche beeinflusst: der Jugendstil, die Expressionisten – Die Brü-cke hatte sich mit Bezug auf die im Zarathustra angesprochene Brücken-funktion des Menschen so genannt – bis hin zu Otto Dix und schließlich

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