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www.fliegermagazin.de #7.2013 79 Heu und Gülle riechen, sich von singenden Seilen im Fahrtwind verführen lassen, mit einem archaischen Motorengeräusch im Ohr – wer denkt da nicht an einen offenen Doppeldecker wie die Bücker 131 Jungmann. Jetzt gibt es sie in Originalgröße als UL MENSCH UND MASCHINE Ikone des Sportflugzeugbaus: Mit ihrem leichtfüßigen Handling begeistert die »131« auch heute noch 78 www.fliegermagazin.de #7.2013 PILOT REPORT: FK 131 VON B & F Zeitreise

MENSCH UND MASCHINE - fliegermagazin.de · Bücker 131 Jungmann. Jetzt gibt es sie in Originalgröße als UL MENSCH UND MASCHINE ... »Romeo Uni-form Delta, rollen Sie via Mike zum

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Heu und Gülle riechen, sichvon singenden Seilen im Fahrtwind verführen lassen, mit einem archaischen Motorengeräusch im Ohr – wer denkt da nicht an einen offenen Doppeldecker wie die Bücker 131 Jungmann. Jetzt gibt es sie in Originalgröße als UL

MENSCH UND MASCHINE

Ikone des Sportflugzeugbaus: Mit ihrem leichtfüßigen Handling

begeistert die »131« auch heute noch

78 www.fliegermagazin.de #7.2013

PILOT REPORT: FK 131 VON B & F

Zeitreise

80 www.fliegermagazin.de #7.2013

MENSCH & MASCHINE

TEXT Gregor BehlingFOTOS Cornelius Braun

Romeo Uniform Delta, erbitte Rollanweisung«. »Romeo Uni-form Delta, rollen Sie via Mike zum Rollhalt 24.« Der Wind weht aus West, normalerweise

müsste mich der Türmer erst mal weit nach Osten lotsen, dazu wäre die Bahn zu queren … Dann meint er hier den Rollhalt an der Ein-mündung zur Piste – immerhin sind wir auf einem internationalen Verkehrsflughafen, die verbleibende Bahnlänge in Friedrichs-hafen würde noch 1000 Meter betragen. Ein paar Schlangenlinien weiter, und ich stehe vor der Einmündung. Ich melde abflugbe-reit, der Tower gibt mir diverse Anweisun-gen und Verkehrsinformationen, die ich sauber herunterzubeten versuche – bitte, bitte, lass mich das QNH nicht vergessen! – und die Startfreigabe. Geschafft, wir stehen auf der Piste, Vollgas und rechts reintre … uuuppps … links reintreten, da vorn unter der lang gestreckten Cowling steckt kein Rotax, sondern eine Maschine mit beson-derem Charakter, ein querköpfiger Links-läufer. Eigentlich sollte ich mich auf dessen Klang und die mir ungewohnte Flugma-schine konzentrieren, stattdessen: immer noch der Türmer. Was mache ich hier ei-gentlich? Wir gehören auf einen Grasplatz!

Es war vorletztes Jahr, so um den Ok-tober herum, als mich Peter Funk anrief.

Komisch, was will der denn von mir, ruft doch sonst nur an, wenn er eine besonde-re Tour plant, und dergleichen steht nicht an. Salbungs-, fast hingebungsvoll erklärt mir der B & F-Chef seinen Lebenslauf, dass er ja auch bekennender Oldie-Fan sei, Au-to wie Flugzeug, aber natürlich auch aufs Geld achten wolle. Was für eine Einleitung – was will er von mir? Schon immer habe er ein Faible für Bücker-Doppeldecker gehabt, »aber Du weißt ja selber: viel zu teuer im Unterhalt, ein Groschengrab …«. Deshalb habe er immer die Finger vom Kauf solcher Wunderwerke unserer technischen Kultur-geschichte gelassen. Doch dann seien ihm zufällig die Original-Daten des Jungmann in die Hände gefallen, und zwar die der A-Version, und ich merkte, wie sein Oldie-ver-liebtes Ingenieursherz erwachte. Er erklärte mir, seine Berechnungen hätten ergeben, dass der Jungmann als UL zulassungsfä-hig sein müsste, und fragte, was ich von der Idee hielte. Spontan sagte ich (ebenfalls Oldie-Fan und vor allem Doppeldecker-verliebt): »Großartig, bin dabei!« Und im nächsten Atemzug: »Du spinnst, das geht nie, wegen des schweren Motors.«

Peter erzählte mir nun die Geschichte des Walter Mikron (siehe Kasten Seite 85), des legitimen Nachfahrens jenes Motors, mit dem die A-Version der Bü 131 ausgerüs-tet war. Der Hirth HM 60 R sei im Grunde baugleich gewesen, habe ebenfalls 80 PS ge-leistet, aber viel mehr gewogen. Peter Funk ist kein Spinner, sondern Ingenieur und

KONSTRUKTION, BAUWEISE, ZULASSUNG

RUMPF: geschweißter Stahlrohr-Verbund, bespannt;

formgebende Blechverkleidung über dem Tank (zwischen

Brandspant und vorderem Cockpit); Motorverkleidung aus

Alu, Cowl-Nase aus GfK; Sitze und Pedale nicht verstellbar

TRAGWERK: zweistielig verspannt; Holzstruktur,

bespannt, Profilnase beplankt; Doppelquerruder, über

Stangen betätigt; Profil mit leicht erhöhtem Auftriebs-

beiwert im Vergleich zum Original, damit 65 km/h

Stallspeed (UL-Anforderung) möglich sind

LEITWERK: Alustruktur mit Knotenblechen aus Stahl,

bespannt; Seitenruder über Seile, Höhenruder über

Stange betätigt

TRIMMUNG: Flettner am Höhenruder, beidseitig,

mechanisch über Seile betätigt

FAHRWERK: Stahlrohr-Hauptfahrwerksbeine,

bespannt; ölgedämpfte Teleskopfederung; Spornrad

gefedert, auskoppelbar

BREMSEN: Trommel, Fußspitzenbetätigung über

Bowdenzüge (mechanisch)

BESPANNUNG: Ceconite 102

VERKEHRSZULASSUNG: vorläufige UL-Verkehrs-

zulassung in Tschechien und Deutschland (DAeC) erteilt,

Flugerprobung läuft, Musterzulassung in Deutschland

voraussichtlich 2014

Nicht historisch, aber schön nostalgisch: FK 131 vor der Luftschiff-Halle in Friedrichshafen. Die AERO 2013 ist zu Ende, jetzt geht’s nach Speyer

Hinein ins Abenteuer: offene Cockpits, zwei Flügelpaare, verwegene Taildragger-Pose – welcher Pilot kann hier widerstehen?

Für beide Piloten ablesbar: Auch die A-Version der Bü 131 hatte einen Touren- zähler außerhalb des vorderen Cockpits

Ein Traum! Holzpropeller, Chromspinner, schmale Schnauze und das verschmitzte Lächeln eines hängenden Reihenmotors

Zeitlos schön: Jungmann fliegen wie einst, aber in einem UL mitRettungssystem

Flugzeugkonstrukteur, also ernst zu neh-men. Dann fragte er mich noch, ob ich den Jungmann im Flug erproben wolle, wenn er das Licht der Welt erblicke. Puh, die Familie, meine Arbeit … Aber ich sagte ja. Und so flie-ge ich ihn nun aus der Kontrollzone heraus in Richtung seines Domizils nach Speyer, wo B & F ansässig ist, mit Zwischenstopp in Tannheim – so viel Gras muss schon sein bei der ersten Landung. Im Steigflug mit Vollgas höre ich dem Motor zu … Aber was für eine Untertreibung: »Motor«!

Schon beim Anlassen wollte dieses Ex-plosions-Verbrennungs-Wunder mir und der Umwelt mitteilen, aus welchem Metall es geschnitzt ist: vier hängende Zylinder, 2,7 Liter Hubraum, Langhuber, Direktantrieb, Luftkühlung, Magnetzündung, ein Verga-ser, Auspuff vier in keins, sprich Flamm-rohre und sonst nichts. Bis die Urgewalt losbricht, hört man mit jeder Kurbelwel-lenumdrehung deutlich das »Klack-klack« der Magnete. Freunde, Piloten, Männer, was für ein Schauspiel, wenn dieses Ungetüm im Standgas seine vier Takte anstimmt, wenn jeder einzelne Takt über die Teles-kopfederung des Hauptfahrwerkes in den Boden stampft, bei 700 Umdrehungen pro Minute. Freude und Wonne durchströmen mich, als ich im Begriff bin, meine Plom-ben einzubüßen. Endlich ein Trieb-Werk! Bedient über einen Gasgriff, der mit dem Herz der Maschine per Gestänge verbun-den ist. Keine weichen Bowdenzüge, son-dern direkter Input, der sich über höhere Drehzahl, also gewaltigeren Sound und so-fortigen Vorwärtsdrang bemerkbar macht. Das Ding sollte als Befriedungsmaschine und zur Beruhigung der eigenen Nerven in jedem Vorgarten stehen. Abends mal star-ten und zehn Minuten laufen lassen, und es ginge uns allen besser.

Auf dem Flug zum Zwischenstopp bin ich so fasziniert von dem Walter-Wunder, dass ich verges- se, Daten für diesen Pilot Report

aufzuschreiben. Wie schnell sind wir denn nun gestiegen, bei welcher Fahrt? Alles Ne-bensache – hier zählt die Maschine, gebaut und der Männerwelt zu Füßen gelegt von Eduard Parma aus der Nähe von Prag, im-plementiert in die FK 131 von keinem ge-ringeren als seinem Landsmann Tomáš Podešva, der schon mal eine 85-Prozent-

»Haptisch ein Genuss«: Doppeldecker-Fan und Autor Gregor Behling

Hinein ins Abenteuer: offene Cockpits, zwei Flügelpaa-re, verwegene Traildragger-Pose –welcher Pilot kann hier wiederstehen?

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MENSCH & MASCHINE

Version der Bü 131 gebaut hatte. Dessen Firma Podešva Air (Tulak, Trener Baby) fer-tigt die UL-Jungmann im Auftrag von Peter Funk, aus Kapazitätsgründen in einer limi-tierten Auflage von zehn Exemplaren.

Doch was dreht dieses Ur-Werk da vorn eigentlich im Reiseflug? Ma-ximal zwo-fünf sagt der Herstel-ler, abzulesen an dem … na, wo

ist er denn … ah, da draußen, rechts vom Copiloten-Cockpit, wie beim Original: der Drehzahlmesser. Bei 2400 Umdrehungen pro Minute steht der Zeiger, wenn ich Voll-gas gebe, 650 Fuß pro Minute Steigen sind dabei drin. Eigentlich sollten 2800 Touren rausgekitzelt werden, aber der Prop ist zu groß, ein neuer mit knapp 195 Zentimeter Durchmesser ist schon in der Schnitzerei. Holz, klar, was sonst – so einen Propeller kann man noch richtig anfassen, das Ge-rät von Hand anschmeißen, ohne sich ei-ne scharfe CfK-Hinterkante in die Hand zu schneiden. Wenn die Maschine mir wäre, müsste noch der E-Starter raus, weil das Schauspiel, das Ganze zum Leben zu erwe-cken, dann noch spektakulärer sein muss.

Schau aufs Panel, mach Dich noch mehr mit den Instrumenten vertraut, bei 160 km/h ist noch ein wenig Zeit bis Tannheim … Gro-ßer Schreck beim Erprobungspiloten in spe: Öldruck am Anschlag, höher als zehn bar, Öltemperatur steigend, schon 140 Grad, Sch …! Und das beim ersten Flug, gerade aus der Kontrollzone raus, jetzt, da es anfing, Spaß zu machen. Das Handling interessiert mich nun nicht mehr, der Jungmann fliegt derart ausgewogen, dass sich Peter Funk

nach dem Erstflug fragte: »Wenn das schon 1934 Stand der Technik war – was ist dann in den letzten 80 Jahren noch Wesentliches besser geworden?!«

Im Moment alles nebensächlich. Der Motor läuft sonor weiter und stampft sei-ne Takte dumpf in den bedeckten Himmel. Höhe 3000 Fuß über Grund, weiter rauf geht’s auch nicht wegen der geschlossenen Wolkendecke. Tannheim in Sicht, langen Endanflug melden, Probleme schon mal vordeklarieren. Hoffnung auf eine glatte Landung, ist ja die erste, und auf ein Bier heute Abend unter Freunden. Trotz Segel-flug-Endteil mit null Gas: keine Besserung des Öldrucks. Bei 110 km/h, ohne Klappen – der Jungmann hat eh keine und braucht sie auch nicht –, liegt die Landebahn im-mer gut in der Visierlinie. Knüppel mit

Bedacht durchziehen, die Sicht nach vorn verschwindet, geraubt durch die elegan-te Cowling, die sich harmonisch an den schlanken Rumpf anschmiegt. (Ich liebe das Flugzeug jetzt schon.) Knüppel an den Bauch, Dreipunktlage halten, aufsetzen, einfedern, ausfedern, mit einem gaaannnz kleinen Hüpfer, das liegt sicherlich an der buckligen Piste. Ohne Korrektur im Seiten-ruder schön geradeaus rollen lassen – die Landung ist einfach.

An der berühmten Tannkosh-Tankstelle, heute mal ohne Stau, kommen die Freunde aus den Häusern und der Kneipe gelau-

fen. »He, hallo, seit wann bist du auf Echo umgestiegen?« Fragen über Fragen, und ich verweise auf das kleine, mit Sondergeneh-

Spannweite 7,25 mFlügelfläche 13,2 m2

Länge 6,62 mHöhe 2,25 mLeermasse 298 kgMTOM 472,5 kgTankinhalt 70 lMotor/Leistung Walter Mikron III C UL /

82 PS bei 2800 U/min.Propeller Woodcomp, 2-Blatt, fest,

Holz, 1,95 m (vorläufige Größe)

Verbrauch (Reise) ca. 14 l/hVreise 140 – 160 km/hVmin 65 km/hVmax horizontal 175 km/hVne 253 km/hbestes Steigen 3 – 3,5 m/sec.Reichweite ca. 630 km plus 30 Min.

ReservePreis 82 664 Euro*Vertrieb B & F Technik Vertriebs

GmbH Anton-Dengler-Straße 8 67346 Speyer

Telefon 06232/720 76Internet www.fk-servicecenter.com

TECHNISCHE DATEN

FK 131 von B & F Technik

* mit Grundinstrumentierung, Rettungssystem und Funk. Der Preis gilt für die ersten drei Exemplare; die übrigen sieben kosten gleich ausgestattet 86 037 Euro. Optionen: verchrom-ter Spinner (238 Euro), Ledermanschetten an den Streben (536 Euro), profilierte Flügel- verspannung (2856 Euro). Alle Preise brutto.

migung unterm Höhenleitwerk angebrach-te Delta-Mike-Kennzeichen.

Keiner kann das fassen: der Jungmann als UL, und in Tannheim kennt man sich aus. Das ganze Kunstwerk gleicht dem Original wie ein Ei dem anderen: Von den Abmessungen, den Innereien, den Materi-alien über den Magnetschalter bis hin zur Beschriftung und Typographie – alles wie ano ’34. Gut, sieht man genauer hin, ist der Rumpf hinten raus sechs Zentimeter kürzer und die Schnauze um den gleichen Betrag länger, weil der Mikron und das Rettungs-system vor dem Brandspant zusammen weniger wiegen als der Original-Hirth al-lein. Die Flügel haben 15 Zentimeter weni-ger Spannweite, außerdem reckt der UL-Jungmann seine Nase am Boden nicht ganz so steil nach oben wie die Bü 131, weil das

Hauptfahrwerk ein klein bisschen weniger Federweg hat, bei identischer Fahrwerks-geometrie. Das Höhenruder wird per Stan-ge betätigt, beim Original über Seile, und das Leitwerk besteht nicht aus Stahlrohr, sondern ist eine Aluminium-Konstrukti-on, aus Gewichtsgründen. Aber diese Un-terschiede sieht niemand, und wen inter-essieren sie schon! Ich rufe Eduard Parma an. Mit Tomáš Podešva kommt er extra aus Tschechien, schon am übernächsten Tag; sie stehen vor der geöffneten Cowling und finden ein Kabel des Öldruckgebers: lose, mit Massenkontakt. Anschließend lange Bodentests, und weiter geht’s. Wo hat man schon mal solch einen Service erlebt?

Wiederholte Starts in Tannheim, hier habe ich Platz, genügend Gras und Hilfe von Freunden. Ein tiefer Überflug zur Freu-

de Aller und weiter nach Speyer. Nun aber mal anständig alle Daten checken, das ist schließlich die Mission und nicht der trivi-ale Spaß an der fliegenden Legende. Die Ma-schine liegt in der Hand wie ein Segelflug-zeug, ausgewogener können Ruder nicht abgestimmt sein, Peter Funk hatte recht. Sie lassen sich sehr leicht bewegen, auch ohne Spades. Frise-Nasen an Quer- und Höhen-ruder, wie beim Original, reichen vollkom-men aus.

Nun mal das Gerät in Schwingun-gen versetzen, um die Längs-, Quer- und Hochachse. Ups, doch kein Segelflugzeug – da vergeht

schon etwas mehr Zeit, bis alles wegge-dämpft ist. Beim Kurven geht die Maschi-ne leichtfüßig rum, nicht aggressiv oder

1 | Stimmiger Nachbau: Uhren, Hebel, Technik wie einst. Die Anmutung ist authentisch, auch wenn Details vom Original abweichen

2 | Eng? Zugig? Unkomfortabel? Na und! Hier geht es nicht um Bequemlichkeit, sondern um Ursprünglichkeit

3 | Da macht schon der Anblick Spaß: Lederman-schetten an Flügelstielen und -verspannungen

4 | Leger nachgebildet: Gashebel und Kraftstoff-hahn an der linken Bordwand

5 | Fachmännische Arbeit: gesichertes Spann-schloss an der Flügelverspannung

6 | Wie bei Bücker: ölgedämpfte Teleskop- federung und Trommelbremsen

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vehement, eher weich, die Rollrate liegt ungefähr zwischen FK 12 S1 und S2, der 45/45-Grad-Kurvenwechsel dauert nicht mal eine Sekunde. Kunstflug? Und ob! Die FK 131 ist nach den Zulassungsforderungen CS-23 Acro ausgelegt und getestet, aber das wollen, können und dürfen wir hier nicht überprüfen, denn für ULs ist Kunstflug – in Deutschland – tabu, obwohl der Walter-Mo-tor das mitmachen würde.

Der Rest des Flugs ist Routine, keine be-sonderen Vorkommnisse im Jahre 1934. Au-ßer dass ich in Speyer vollkommen begeis-tert und mit Tränen in den Augen aus dem Cockpit steige. Tränen, weil die Windschutz-scheiben gerade so das Minimum dessen sind, was diese Bezeichnung verdient – mit etwas Turbulenz im Cockpit muss der Pilot leben. Tränen der Freude aber auch über das Abstellen des Motors: kein Gequiet-sche von gequälten Zahnrädern, wie man

es sonst bei ULs vom Antriebs-Dings-Da gewohnt ist, sondern nur noch das »Klack-klack« der Magnete, wenn die letzten Ex-plosionen des Vier-Topf-Zerknall-Treiblings verhallt sind.

Der Ausstieg ist haptisch wie auch bewegungstechnisch ein Genuss, wenn man bereit ist, sich Zeit zu lassen und sowieso nach einem

Grund gesucht hat, den Yoga-Kurs zu kün-digen: Einstiegsbleche seitlich wegklappen. Auf der solide geschweißten Rohrkonstruk-tion abstützen. In den Baldachin greifen. Hier finden sich wohlgeformte Handlö-cher – fühlen sich wie Handschmeichler an, wahrscheinlich in der Waldorfschule aus dem Vollen geschnitzt. Einen Stiefel über linke Bordwand heben, leider, und auf die untere Tragfläche steigen, den zweiten vor-sichtig folgen lassen und bitte auch diesen

deutlich über die Bordwand heben – hält das Knie gelenkig und den Bizeps stark. Hier geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um bewusstes Erleben. Das gilt natürlich auch für den Flug. Bei 20 Grad Außentem-peratur sind warme Jacke, Stiefel, Haube und Handschuhe immer noch gefragte Ac-cessoires, die uns so ganz nebenbei auch noch besser aussehen lassen. Nichts für Klimaanlagen-Verwöhnte. Auch muss man alles zur Hand haben, was die Flugdurch-führung so erfordert – lange den Knüppel loslassen und im offenen Cockpit nach ver-wehten Blättern suchen kommt nicht in Frage.

Die FK 131 ist keine Maschine für Vereine, wohl aber für Enthusiasten, für Oldie-Fans, die hohe Unterhalts- und Betriebskosten in der E-Klasse scheuen, für Individualisten, die auch Kälte nicht schreckt. Für alle, die ihren Traum schon immer wahr machen

wollten. Verlust von Bequemlichkeit bedeu-tet hier Wiedergewinnung der Ursprüng-lichkeit. Wer wollte schon eine Harley mit einem Golf vergleichen? Das Ganze ist halt für Typen, die Öl und Motoren mögen und nachempfinden möchten, was schon Heinz Rühmann und Reinhard Mey begeisterte: »singende Seile im Fahrtwind«.

Okay Freunde, Ihr wollt noch ein paar nüchterne Fakten. Also gut: Bei 2200 bis 2400 rpm ist der Mikron mit dem vorläu-fig verwendeten Propeller bereit, für 12 bis 14 Liter pro Stunde Flüssigkeit in Musik zu verwandeln. Dabei prescht der Jungmann mit 140 bis 160 km/h vorwärts. Das Benzin braucht bloß 90 Oktan zu haben – im Zwei-felsfall geht wohl auch Brennspiritus oder Rapsöl. Ins Gepäckfach hinten dürfen bei einem 95-Kilo-Piloten maximal zehn Kilo; solo fliegend ist der vordere Sitz die bevor-zugte Gepäckablage.

DER MOTOR UND SEINE GESCHICHTE

IN DEN FRÜHEN DREISSIGER JAHREN

entwickelte die Prager Firma Walter jenen Flugmotor,

dessen jüngste Version die Bezeichnung Mikron III C

UL trägt. Ursprünglich hatte der Mikron nur 50 PS. Als

Mikron II leistete er ab 1936 mit vergrößertem Hubraum

12 PS mehr. Während des Zweiten Weltkriegs ruhte die

Fertigung. 1946 ging der Mikron III in Produktion, der

Hubraum war von 2,33 auf 2,44 Liter erhöht worden, die

Leistung von 62 auf 65 PS. Anfang der achtziger Jahre

kaufte der tschechische Flugzeughersteller Aerotechnik

von Walter die Fertigungslizenz des längst nicht mehr

gebauten Triebwerks, weil er seinen Motorsegler Vivat

damit ausrüsten wollte. Als »III A« hatte der Mikron jetzt

einen Elektrostarter. Nach dem Ende der Vivat-Produktion

1997 erwarb Eduard Parma aus Luhacovice die Rechte

und die Werkzeuge zur Fertigung des Motors. Seitdem

bietet er ihn als Mikron III B an. Bei gleichem Hubraum

wie die 65 PS starke A-Version leistet der höher ver-

dichtete »B« 75 PS. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern

wurde der III C UL keiner (teuren) Luftfahrtzulassung

unterzogen. Mit 82 PS Startleistung bei 2800 rpm und

einem auf 2,72 Liter erhöhten Hubraum ist er der stärks-

te Mikron. 75 PS bei 2700 rpm sind über einen längeren

Zeitraum möglich, die Maximalleistung im Reiseflug

beträgt 58 PS bei 2500 rpm. Zu den Neuerungen beim

III C UL gehören Mikuni- oder AeroCarb-Vergaser sowie

überarbeitete Kolben, Zylinder und Zylinderköpfe. Da der

Hubraum im Laufe der Zeit jeweils durch eine größere

Bohrung wuchs, wurde aus dem einstigen Langhuber ein

Motor mit nahezu quadratischem Bohr/Hub-Verhältnis

(95/96 mm). Geblieben ist das klassische Konzept:

hängender Reihen-Vierzylinder-Viertakter, Luftkühlung,

Direktantrieb, Trockensumpfschmierung, ein Vergaser,

Magnet-Doppelzündung. Auch der Ölverbrauch, den Her-

steller Parma-Technik nennt, erinnert an früher: 0,05 bis

0,1 Liter pro Stunde. Aktueller Preis: 13 450 Euro netto.

In die FK 131 passt der Walter Mikron nicht nur aufgrund

seiner Auslegung, die dem gleich starken Hirth HM 60 R

im Original entspricht. Zwischen 1937 und ’49 wurden

rund 570 Exemplare des Jungmann in der Tschecho-

slowakei produziert, die meisten als C 104 bei Aero,

ein paar auch als T 131 bei Tatra – und alle waren mit

einem hängenden Vierzylinder-Reihenmotor von Walter

versehen. Dieser Minor 4-II, der mit 105 PS gleich stark

war wie der Hirth HM 504 A-2 in der Bü 131 B, ist nichts

anderes als der größere Bruder des Mikron.

Passender Antrieb: Der Walter Mikron III C UL entspricht konzeptionell dem Hirth HM 60 R

Kein Groschengrab: Mit der FK 131 lässt sich ein Traum verwirklichen, weit unterhalb der Kosten eines Originals

Versteckt: Das UL-Kenn-zeichen muss sein – aber so klein wie möglich

Der Vollständigkeit halber noch vier kleine Wermutstropfen: Es wird nur zehn dieser herrlichen Gesamtkunstwerke ge-ben. Der Ölbehälter sollte einen leichtgän-gigeren Verschluss erhalten, so wie jener früher in den Zlin-Maschinen. Die Flamm-rohre werden aus zulassungstechnischen Gründen einer Vier-in-eins-Anlage wei-chen müssen, sonst ist die UL-Lärmmes-

sung nicht zu schaffen. Und die Sitze könn-ten etwas besser gepolstert sein.

Auf dem Heimweg in den Taunus sitze ich in meiner FK 12 S2. Bei 180 Kilometer pro Stunde sind es von Speyer aus nur noch 40 Minuten. Alles toll, wie immer, nur irgend-etwas fehlt mir seit heute. Habe ich Euch eigentlich schon mal von dem Explosions-kraftwerk erzählt …?

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