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Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes in einem geöffneten Sportwetten- und Online-Casino-Markt Gutachten im Auftrag der Constantin Medien AG von Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Sieber Direktor am Max Planck Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i. Br. Endfassung vom 06.09.2010

Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

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Page 1: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes in einem geöffneten Sportwetten- und Online-Casino-Markt

Gutachten im Auftrag der Constantin Medien AG

von

Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Sieber

Direktor am Max Planck Institut für ausländisches und internationales Strafrecht,

Freiburg i. Br.

Endfassung vom 06.09.2010

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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Inhaltsübersicht

I. Auftrag ...................................................................................................................... 4

II. Gutachten ................................................................................................................. 6

A. Hintergrund und Ansatz des Gutachtens ........................................................................ 6

1. Abwanderung privater Online-Anbieter in den unregulierten Graubereich ........... 6

2. Ausweitung des unregulierten Graubereichs zu Lasten von

Spielsuchtprävention und Jugendschutz sowie Gegenmaßnahmen ....................... 8

3. „Duales System“ als Möglichkeit der Effektivierung des Spielerschutzes ............. 11

B. Spielsuchtprävention – Anforderungen und Maßnahmen .......................................... 15

1. Spielsuchtpotential bei Sportwetten und Online-Casinos ..................................... 15

a) Vorbemerkung ................................................................................................. 15

b) Begriffsbestimmung ........................................................................................ 16

c) Suchtgefährdungspotential ............................................................................. 16

d) Krankheitshäufigkeit ........................................................................................ 19

e) Zwischenergebnis ............................................................................................ 21

2. Bisherige Lösungsansätze zur Bekämpfung der Spielsucht bei Sportwetten

und Online-Casinos ................................................................................................ 23

a) Bestandsaufnahme der Regelungen zur Spielsuchtprävention im

GlüStV .............................................................................................................. 23

aa) Werbung ................................................................................................... 23

bb) Sozialkonzept ............................................................................................ 24

cc) Aufklärung ................................................................................................. 25

dd) Spielersperre ............................................................................................. 25

ee) Sonderregelungen für Casinos und Sportwetten ..................................... 27

b) Übersicht zu Maßnahmen anderer Länder ..................................................... 27

aa) Werbung ................................................................................................... 28

bb) Aufklärung und Sozialkonzept .................................................................. 28

cc) Spielersperre ............................................................................................. 29

dd) Reality Checks ........................................................................................... 31

ee) Summenbeschränkungen ......................................................................... 31

ff) Spielzeitbeschränkungen .......................................................................... 32

gg) Verbot von Live-Wetten ............................................................................ 32

hh) Erfassung von Spielverhalten .................................................................... 33

c) Zwischenergebnis ............................................................................................ 33

3. Regulierungsmöglichkeiten für ein Wettbewerbsmodell bei Sportwetten

und Online-Casinos ................................................................................................ 34

a) Personelle und organisatorische Anforderungen ........................................... 36

b) Aufklärung der Spieler ..................................................................................... 37

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c) Umfang erlaubter Werbung für Glücksspiel .................................................... 39

d) Selbsthilfemaßnahmen für Spieler .................................................................. 40

e) Infrastruktur zur Überwachung der Spieler .................................................... 44

aa) Anforderungen an den Registrierungsprozess ......................................... 45

bb) Anforderungen an ein Überwachungs- und Warnsystem ........................ 46

f) Beschränkungen durch den Glücksspielanbieter selbst .................................. 48

g) Vorgehen gegen illegale Anbieter ................................................................... 51

C. Jugendschutz – Anforderungen und Maßnahmen ....................................................... 53

1. Überblick ................................................................................................................ 53

2. Bisherige Lösungsansätze zum Teilnahme- und Wahrnehmungsschutz ............... 53

a) Jugendschutzrechtliche Teilnahmeverbote bei Glücks- und

Gewinnspielen ................................................................................................. 53

aa) Teilnahmeverbot nach § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV ................................. 53

bb) Teilnahmeverbot nach § 6 Abs. 2 JuSchG ................................................. 56

cc) Teilnahmeverbot nach § 8a Abs. 1 S. 5 RStV ............................................ 59

dd) Zwischenergebnis ...................................................................................... 62

b) Kontrollintensität beim gesetzlichen Jugend-Wahrnehmungsschutz ............. 62

aa) Allgemeines Stufensystem des gesetzlichen Jugend-Wahrnehmungsschutzes ........................................................................... 62

bb) Jugendschutzpraxis bei Internetangeboten mit suchtgefährdenden Produkten ................................................................. 64

cc) Einordnung von Glücksspielen im gesetzl. Jugend-Wahrnehmungsschutz .............................................................................. 67

dd) Zwischenergebnis ...................................................................................... 68

3. Regulierungsmöglichkeiten für ein Wettbewerbsmodell bei Sportwetten

und Online-Casinos ................................................................................................ 69

a) Ausschluss von Kindern und Jugendlichen ...................................................... 69

b) Kontrolle des Ausschlusses .............................................................................. 70

aa) Überprüfung der einzugebenden Personal-/Reiseausweisnummer ........ 70

bb) Altersüberprüfung unter Rückgriff auf „Face-to-Face“ geprüfte Datensätze ................................................................................................ 71

cc) Missbrauchsverhinderung ........................................................................ 72

c) Jugendschutzkonforme Ausgestaltung des Internetangebotes ...................... 74

aa) Kennzeichnung mit dem gesetzlichen Altersstufensystem ...................... 74

bb) Deutliche Hinweise auf Teilnahme- und Gewinnausschluss .................... 75

cc) Regeln der Werbegestaltung .................................................................... 76

III. Gesamtergebnis ...................................................................................................... 77

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I. Auftrag

Die Constantin Medien AG bittet um eine gutachtliche Stellungnahme zu der Fra-

ge, ob und wie im Falle einer künftigen Öffnung des Sportwetten- und Online-

Casino-Marktes in Deutschland für private Anbieter den Belangen der Spielsucht-

prävention und des Jugendschutzes (Spielerschutz) hinreichend Rechnung getra-

gen werden könnte.

Hintergrund des Gutachtenauftrags ist, dass ein Großteil der Internetangebote im

Bereich der Sportwetten und Online-Casinos bisher im bzw. vom Ausland aus an-

geboten werden und damit einer Spielsucht- und Jugendschutzregulierung fak-

tisch nicht oder allenfalls nur schwer zugänglich sind. Gleichwohl werden nach

bisherigen Berichten diese Angebote in erheblichem Umfang auch von deutschen

Spielern genutzt. Das derzeitige staatliche Glücksspielmonopol im Bereich der

Sportwetten und Online-Casinos sowie das Totalverbot im Internetbereich verfeh-

len daher zu einem bedeutenden Teil den Zweck der Kanalisierung und Steuerung

des Glücksspieltriebes. Insoweit wird in der rechtspolitischen Diskussion erwogen,

den genannten Marktbereich in einem Wettbewerbs- oder Konzessionsmodell in

Deutschland für private Glücksspielanbieter von Sportwetten und Online-Casinos

zu öffnen (sog. „Duales System“ staatlicher und privater Anbieter), um auch diese

einer effektiven Spielsucht- und Jugendschutzregulierung zuzuführen.

In diesem Zusammenhang wird von Seiten der Politik im Rahmen der Evaluation

des Glücksspielrechts darauf hingewiesen, dass für den Fall der Einführung eines

entsprechenden Dualen Systems der Nachweis erbracht werden muss, inwieweit

den Belangen der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes hinreichend

Rechnung getragen werden kann.

Vor diesem Hintergrund sollen im Rahmen der vorliegenden kurzgutachtlichen

Stellungnahme folgende Fragestellungen beantwortet werden:

• Ist es grundsätzlich möglich, in Deutschland im Rahmen eines Dualen Systems

mit lizenzierten privaten Anbietern im Bereich der Sportwetten und Online-

Casinos den Belangen der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes (Spie-

lerschutz) hinreichend Rechnung zu tragen?

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• Welche konkreten Maßnahmen zum Spielerschutz bei Sportwetten und Online-

Casinos im Internet sind möglich und erscheinen sinnvoll sowie ausreichend zur

Verfolgung des Regulierungsziels?

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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II. Gutachten

A. Hintergrund und Ansatz des Gutachtens

1. Abwanderung privater Online-Anbieter in den unregulierten Graubereich

Die Landesgesetzgeber haben sich im Rahmen des am 01.01.2008 in Kraft getre-

tenen Glücksspiel-Staatsvertrages (GlüStV) faktisch im Offline-Glücksspiel-Bereich

für ein staatliches Glücksspielmonopol entschieden, da im Rahmen des § 4 Abs. 1

GlüStV an private Anbieter keine behördlichen Erlaubnisse zur Veranstaltung

und/oder Vermittlung öffentlichen Glücksspiels erteilt werden. Zudem besteht für

den Bereich des Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV ein generelles Verbot der Veran-

staltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele. Die genannten Regelungen

gelten auch für die Glücksspielbereiche der Sportwetten und der Online-Casinos.

Allerdings hat die restriktive Regulierung insbesondere in den Bereichen der

Sportwetten und der Online-Casinos dazu geführt, dass ein Großteil der Internet-

Angebote vom Ausland aus betrieben und von der Glücksspielregulierung nicht

erfasst wird. Deutsche Spieler nutzen in ganz erheblichem Umfang diese ausländi-

schen Angebote, da sie z.B. im Sportwettenbereich wesentlich attraktivere Spiel-

varianten bieten als der nationale Monopolist Oddset. Dieser Befund ergibt sich

nicht erst seit dem Inkrafttreten des GlüStV. Bereits während des Geltungszeit-

raums der restriktiven Vorgängerregelungen des LottStV führten Studien aus, dass

mehr als 80% der Einsätze aus Glücksspielen vor allem im Online-Bereich an den

staatlichen Anbietern vorbeigingen.1

Seit Inkrafttreten des GlüStV und dem damit geltenden generellen Verbot von

Glücksspiel im Internet hat sich die Tendenz des Abwanderns privater Sportwet-

ten- und Online-Casino-Angebote sowie Spieler in den – aus deutscher Sicht –

unregulierten Graubereich weiter bestätigt. In der von einem privaten Institut er-

stellten Goldmedia Studie „Glücksspielmarkt Deutschland 2015“ (2010), welcher

methodisch vor allem die Auswertung von Verbands- und Unternehmensangaben,

1 Goldmedia-Studie „Goldmedia Online Betting & Gambling 2010“ (2006), Zusammenfassung ab-

rufbar unter www.goldmedia.com/uploads/media/Pressemeldung_Online_Betting_und_

Gambling_2010.pdf; vgl. zum Hintergrund und der Methodik der Goldmedia Studien sogleich

nachfolgend.

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Angaben der statistischen Behörden sowie Sekundäruntersuchungen und hierin

verarbeitetes Datenmaterial zugrunde lag,2 wird – freilich ohne weitere empirisch

gesicherte Erhebung – festgestellt (Hervorhebungen und Auslassungen des Verf.):

„Nach Einführung des Glücksspielstaatsvertrags vom 1. Januar 2008 ent-wickelten sich die deutschen Glücksspielprodukte unterschiedlich. Folgen der restriktiven Vorschriften sind insbesondere teils starke Umsatzeinbrü-che der staatlichen Glücksspielanbieter und das weitere Wachstum des Online-Sektors. Dieser arbeitet inzwischen vollständig im rechtsgrauen Raum. Private, ehemals deutsche Unternehmen wanderten ins Ausland ab. (…) Dem negativen Trend der regulierten Glücksspielprodukte steht eine positive Entwicklung der privaten Angebote gegenüber. Bei Einbezie-hung des Online-Vertriebs auch vom Ausland in Deutschland operieren-der Glücksspielunternehmen zeigte sich, dass der Glücksspielmarkt in Deutschland wesentlich größer ist als vielfach angenommen wird. Zudem werden oftmals erhebliche Umsatzanteile nach der allgemeinen Betrach-tung nicht vollständig erfasst: Der unregulierte Anteil des Marktes macht je nach Segment (Wetten, Casino, Lotto) zum Teil mehr als 50 Prozent des jeweiligen Gesamtmarktes aus und lässt eine Verlagerung der Glücks-spielerlöse hin zu unregulierten Angeboten erkennen. Hintergrund ist hier wohl, dass die Spieler durch das fehlende Angebot der in Deutschland regulierten Anbieter auf ausländische Seiten mit Angeboten in deutscher Sprache ausweichen“.3

Bestätigt wird dieser Befund für den Bereich des Internetglücksspiels auch durch

Wissenschaftler aus dem Bereich der Wirtschaftsinformatik und Medientechnolo-

gie.4

2 Vgl. Goldmedia-Studie „Glücksspielmarkt in Deutschland 2015“, (2010). Die Studie wird heraus-

gegeben von der Goldmedia GmbH Media Consulting & Research; ein Auftraggeber der Studie,

welcher als „unabhängig“ bezeichnet wird, wird nicht genannt.

3 Vgl. Goldmedia-Studie „Glücksspielmarkt in Deutschland 2015“, (2010), S. 110.

4 Vgl. dazu auch jüngst: Prof. Dr. Christian Pohl, Professor für Wirtschaftsinformatik und Medien-

technologie; Presse Anzeiger vom 20.07.2010: „Das Ziel der Spielsuchtbekämpfung wurde ver-

fehlt: Anstelle einer Kanalisierung hin zu den harmlosen Glücksspielen der staatlichen Lotterien

hat sich in Folge des Staatsvertrages seit Anfang 2008 der Schwarzmarkt für Glücksspiel und

Sportwetten unkontrollierbar und rasant entwickelt. Die hiesigen staatlichen Angebote stehen

nur noch stark eingeschränkt bzw. stark reglementiert zur Verfügung. Bedingt dadurch spielen

die nicht suchtgefährdeten Bürger insgesamt weniger, so dass die Einnahmen für den Staat weg-

gebrochen sind. Ausländische Angebote hingegen, die insbesondere über das Internet verfügbar

sind, vermelden Rekordumsätze, ohne dass die strengen präventiven Maßnahmen des Glücks-

spielstaatsvertrages eingehalten werden. Insgesamt muss die Frage erlaubt sein, ob unverhält-

nismäßige Regulierungen von Produkten mit nachweislich nur sehr geringem Gefährdungspoten-

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2. Ausweitung des unregulierten Graubereichs zu Lasten von Spielsuchtprävention und Jugendschutz sowie Gegenmaß-nahmen

Damit werden für die im Ausland ansässigen Anbieter die Regulierungsziele des

GlüStV insbesondere der Spielsuchtprävention und des Jugend- und Spielerschut-

zes nicht durch eine deutsche Regulierung gewährleistet, insbesondere soweit es

um ausländische deutschsprachige Internetangebote im Bereich der Sportwetten

und der Online-Casinos geht. Dies gilt umso mehr, als es den deutschen Aufsichts-

behörden bislang nicht gelungen ist, ausländische Internetglücksspiele zu unter-

binden, selbst wenn diese auf den deutschen Markt ausgerichtet sind. So kommt

etwa eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr

2010 auf der Basis repräsentativer Bevölkerungsbefragungen (Zufallsauswahl von

16- bis 65jährigen im Haushalt, Stichprobengröße: 10.000 Fälle) für den Bereich

der Online-Casinos im Hinblick auf die Häufigkeit der Teilnahme zu folgendem Er-

gebnis (Hervorhebungen und []-Zusätze des Verf.):

„Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags sind Casinospiele im In-ternet illegal. Trotzdem bleibt die 12-Monats-Prävalenz des Casinospiels im Internet zwischen beiden Messzeitpunkten [2007 und 2009] unverän-dert“.5

Bestätigt wird dieser Befund auch in einer aktuellen rechtsvergleichenden Studie

zum Glücksspielwesen durch ein Schweizerisches Institut (im Folgenden Schweizer

Studie), die von der deutschen Ministerpräsidentenkonferenz im Hinblick auf „ge-

sellschaftliche, soziale, rechtliche und wirtschaftliche Entwicklungen sowie die

Kommunikationstechnologie“ in Auftrag gegeben wurde.6 In dieser Studie wird

mehrfach darauf hingewiesen, dass eine staatliche Kontrolle oder Eindämmung

ausländischer Online-Glücksspielangebote kaum umsetzbar ist und das Wachsen

tial, die Bürger nicht in die Illegalität getrieben haben“, abrufbar unter

http://www.presseanzeiger.de/meldungen/it-computer-internet/368295.php.

5 Vgl. BZgA-Studie „Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009 – Ergebnisse aus zwei

repräsentativen Bevölkerungsbefragungen“ (2010), S. 46, abrufbar unter http://www.spielen-

ohne-sucht.de/media/redaktionelle-medieninhalte/pdfs/pdf2010tct/GS-Survey_2007-2009_

vom_15-12-09.pdf.

6 Vgl. die Studie des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung „International vergleichende

Analyse des Glücksspielwesens“ (Juli 2009), abrufbar unter

http://mpk.rlp.de/startseite/sachthemen/studie-zum-gluecksspielwesen/.

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des deregulierten Bereichs zu erheblichen negativen Folgen wie z.B. bei der Be-

trugskriminalität führt. Gerade für den Bereich der Online-Casinos und der Inter-

net-Wettangebote im – aus deutscher Sicht – unregulierten Ausland diagnostiziert

die Studie ein erhöhtes Maß krimineller Aktivitäten wie Geldwäsche, Nichtauszah-

lung von Gewinnen, Weitergabe von personenbezogenen Daten, Manipulation der

Gewinnausschüttungsquoten und die Verbreitung von Virusprogrammen, mit de-

nen Bankkontonummern umgeleitet und illegale Werbung verbreitet werden

können.7

Vor dem Hintergrund des gewachsenen unregulierten Graubereichs des im Aus-

land befindlichen Internetglücksspiels und den damit einhergehenden Gefahren

gelangt die Schweizer Studie für Wetttätigkeiten und Online-Casinos zu dem Er-

gebnis, dass eine Rückführung und Regulierung in erster Linie nur über Konzessi-

ons- und Wettbewerbsmodelle im Inland und die entsprechende Schaffung wett-

bewerbsfähiger privater Konkurrenzprodukte im Inland möglich ist, welche illega-

le, unregulierte Angebote im Ausland verdrängen können. In der Schweizer Studie

wird dazu im Hinblick auf das Online-Wettwesen ausgeführt (Hervorhebungen des

Verf.):

„Verschiedene Länder haben versucht, grenzüberschreitende Wettange-bote an ihre Einwohner strafrechtlich zu verbieten. Diese Versuche sind meist gescheitert. Die Regulierungspolitik der Staaten, die grenzüber-schreitend tätige Wettunternehmen lizenzieren und grenzüberschrei-tende Angebote aus dem Ausland tolerieren, ist jedoch juristisch insbe-sondere deshalb interessant, weil sie Lizenzierungsvoraussetzungen und Abgabepflichten schafft, die durchaus mit nationalen Gegebenheiten übereinstimmen“.8

In der Studie wird weiterhin für Online-Casinospiele festgestellt (Hervorhebungen

und Weglassungen des Verf.):

„Die Mehrzahl der untersuchten Staaten versuchen im Casinoglücksspiel-bereich grenzüberschreitende Angebote strafrechtlich zu unterbinden. (…) Besonders aus rechts- und gesundheitswissenschaftlicher Sicht sollte auch in diesem Bereich, wenn nicht ein Wettbewerbsmodell, dann zu-

7 Vgl. Schweizer Studie (2009), TEIL EINS – Zusammenfassung und Gesamterkenntnisse, S. 24 f.,

33, abrufbar unter http://mpk.rlp.de/fileadmin/staatskanzlei/mpk/PDF-Datei/Teil_Eins_

31.7.2009.pdf.

8 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., Teil EINS – Zusammenfassung und Gesamterkenntnisse, S. 33.

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mindest ein Konzessionsmodell eingeführt werden, um effizient gegen ausländische Konkurrenz ankämpfen zu können und zugleich eine gewis-se Kontrolle über den Markt zu gewährleisten“.9

Mit einer solchen Öffnung des Internetbereichs für private Sportwetten und Onli-

ne-Casino-Angebote ginge die Möglichkeit einher, bislang im unregulierten Grau-

bereich10 tätige Glücksspielanbieter im genannten Sektor künftig einer effektiven

deutschen Aufsicht in den glückspielstaatsvertraglichen Regulierungsbereichen

des Spielerschutzes, namentlich der Spielsuchtprävention und des Jugendschut-

zes, zuzuführen.

Dies gelänge indes nur, wenn die lizenzierten und regulierten privaten Anbieter im

Inland auch mit konkurrenzfähigen Angeboten faktisch international wettbe-

werbsfähig im Sinne der Schweizer Studie wären. In einem Spannungsverhältnis

steht hierzu freilich die teilweise erhobene gesundheitspolitische Forderung einer

generellen Reduzierung der Gewinnquoten bei Sportwetten oder einer präventi-

ven Vorgabe von Einsatzlimits. Derartige Restriktionen bergen jedoch in tatsächli-

cher Hinsicht das Risiko, dass es zu einer unerwünschten Beibehaltung des Status

quo mit einem großen unregulierten Graubereichs ausländischer Angebote

kommt. Denn eine echte Wettbewerbsfähigkeit wäre bei lizenzierten, indes quo-

tenreduzierten oder einsatzlimitierten Angeboten wohl nicht gegeben; bei den

Spielern dürfte der Unternehmenssitz ihres Glücksspielanbieters vielfach kein

prioritärer Faktor sein, solange das Angebot in deutscher Sprache verfügbar ist,

attraktive Spiele angeboten werden, der Glücksspielanbieter seriös ist und Ver-

trauen genießt sowie „die Quote stimmt“.

Die Gefahr, dass Spieler bei einer sehr strengen Regulierung weiterhin vergleichs-

weise attraktivere Angebote im unregulierten Ausland nutzen würden, erscheint

also naheliegend. Demgemäß verzichten auch aktuelle regulatorische Ansätze an-

derer Länder wie z.B. in Dänemark bewusst auf eine verpflichtende Quotenredu-

zierung oder Einsatzbegrenzung durch den Anbieter und tragen den Zielen des

9 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., Teil EINS – Zusammenfassung und Gesamterkenntnisse, S. 25.

10 Von einem unregulierten Graubereich kann insoweit zu einem Teil nur aus Sicht der deutschen

Glücksspielregulierung gesprochen werden. Namentlich ist festzustellen, dass ein bestimmter im

Ausland befindlicher Teil von Anbietern entweder aufgrund eigener Selbstverpflichtung oder

aufgrund ausländischer Regelungen Maßnahmen zum Spielerschutz vorsehen. Hierbei kann frei-

lich aus Sicht der deutschen Regulierung die Einhaltung ausreichender Maßnahmen nicht ge-

währleistet werden.

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Spielerschutzes anderweitig Rechnung.11 Wie im Rahmen der noch folgenden Un-

tersuchung zur Spielsuchtprävention ausführlich dargestellt wird, haben bereits

andere europäische Staaten teilweise den Weg einer Öffnung des Sportwetten-

und Online-Casinomarktes für Private beschritten und Konzepte zum Spielerschutz

legislatorisch entwickelt oder arbeiten zumindest an einer Öffnung des Marktes

für private Glücksspielanbieter.12

Gleichwohl kann dies keine Gewähr dafür bieten, dass außerhalb des künftig mög-

licherweise auch in Deutschland geöffneten und regulierten Marktes im Ausland

flächendeckend eine Spielsuchtprävention und Jugendschutz gewährleistet ist

bzw. es besteht die Gefahr, dass dort andere Schwerpunkte gesetzt werden und

daher insbesondere Maßnahmen zur Spielsuchtprävention und zum Jugendschutz

nicht die gleiche Bedeutung wie in Deutschland zugemessen wird.

3. „Duales System“ als Möglichkeit der Effektivierung des Spie-lerschutzes

Die im Glücksspiel-Staatsvertrag in § 1 formulierten Ziele wie insbesondere der

Spielerschutz im Sinne der Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes lassen

sich nach den dargelegten Erkenntnissen neuer Studien im Bereich des Internet

aktuell wohl nur sehr eingeschränkt durch die deutsche Glücksspielaufsicht ver-

wirklichen. Denn die aufgrund des nationalen Verbotes gem. § 4 Abs. 4 GlüStV

weithin in das Ausland abgewanderten Anbieter von Internet-Sportwetten und

Online-Casinos sind einer entsprechenden deutschen Regulierung auch im Hin-

blick auf den Spielerschutz nicht zuführbar. Versuche der staatlichen Aufsichtsbe-

hörden, die Nutzung der ausländischen Angebote durch deutsche Internetuser zu

unterbinden, sind nach den oben dargestellten Studienergebnissen bisher wohl

wenig effektiv.

Vor diesem Hintergrund erscheint die derzeit vielfach vorgeschlagene und disku-

tierte Öffnung des Glücksspielmarktes im Wettwesen und im Online-Casino-

Bereich in erster Linie als Möglichkeit, den faktisch bestehenden Spielerschutz

nicht mehr davon abhängig sein zu lassen, ob ausländische Anbieter aufgrund

11 Vgl. Entwurf des Dänischen Gesetzes über Glücksspiel, Gesetzentwurf Ziff. L 202, Folketinget

2009-10, eingebracht am 26.03.2010.

12 Siehe hierzu insbesondere unten Punkt II. B. 2. b).

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Selbstverpflichtungen oder ausländischer Regularien einen hinreichenden Spieler-

schutz gewährleisten oder nicht.

Dies gilt umso mehr, als nach Erkenntnissen der bereits mehrfach zitierten

Schweizer Studie gerade bei Glücksspielen wie den Sportwetten eine effektive

Spielsuchtprävention durch tatsächlich umsetzbare Regulierung unerlässlich ist.

Insoweit wird in der Schweizer Studie festgestellt (Hervorhebungen des Verf.):

„Das Wettwesen wird als Spiel mit hohem Gefährdungspotential betrach-tet, da Sportwetten deutlich höhere Prävalenzraten aufweisen als z.B. das Lottospiel. Dies gilt im Besonderen für das Internet-Wettwesen, da der Substitutionsgrad zwischen traditionellen offline-Wetten und Internet-Wetten sehr hoch ist. Je grösser das Internetangebot, desto mehr Spieler steigen vom traditionellen Wettwesen auf Online-Wetten um“.

Befindet sich der ganz überwiegende Teil des Internetangebotes in dem für die

deutsche Glücksspielaufsicht nur schwer bis gar nicht regulierbaren Ausland, so

geht ein effektiver Spielerschutz allerdings ins Leere, falls ausländische Anbieter

nicht aufgrund einer (unverbindlichen) Selbstverpflichtung oder ausländischer Re-

gularien vergleichbare Maßnahmen ergreifen.

Demgegenüber könnte ein Wettbewerbs- oder zumindest ein Konzessionsmodell

für den Bereich der Internetsportwetten und Online-Casinos dazu führen, dass

entsprechende behördliche Erlaubnisse an Maßnahmen und Restriktionen der

Spielsuchtprävention und des Jugendschutzes geknüpft werden, welche durch die

deutsche Glücksspielaufsicht auch überprüft und bei Verstößen gegebenenfalls

auch sanktioniert werden könnten. Faktisch würde hierdurch der Spielerschutz

erhöht gegenüber einem tatsächlich nicht umgesetzten Totalverbot von Internet-

spielen, welche vom Ausland aus eine wachsende Zahl deutscher Bürger als Spiel-

teilnehmer gewinnen.

Diesem Ansatz liegt die einfache Erwägung zugrunde, dass es besser ist, private

Internetangebote zu konzessionieren und mit einem effektiven Spielerschutz zu

regulieren, als diese Angebote durch nationale Totalverbote ins Ausland zu verla-

gern, und es dem Zufall zu überlassen, ob der betreffende Anbieter – etwa auf-

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grund von Selbstverpflichtungen oder anderer ausländischer Regularien – Maß-

nahmen zur Spielsuchtprävention und zum Jugendschutz ergreift oder nicht.13

Allerdings entsteht bei der Etablierung möglichst wettbewerbsfähiger lizenzierter

Glücksspielangebote im Inland ein grundsätzliches Spannungsverhältnis mit dem

generellen Ziel der Spielsuchtprävention. Deswegen sollte auch geprüft werden,

ob bei einer Regulierung des in Deutschland konzessionierten privaten Anbieter-

bereichs auch eine stärkere Eindämmung unregulierter ausländischer Angebote

möglich ist, sofern die ausländischen Anbieter einen Spielerschutz in den vorlie-

gend untersuchten Bereichen nicht hinreichend gewährleisten. Denkbare Maß-

nahmen könnten z.B. Hinweise an Internetnutzer auf die Illegalität entsprechen-

der Angebote, Maßnahmen der Strafverfolgung sowie der Verhinderung von Kre-

ditkartennutzungen bei entsprechenden ausländischen Angeboten sein.14 Da ex-

terne Anbieter und Nutzer im Internet schwer zu kontrollieren sind, kommen sol-

che Maßnahmen allerdings derzeit nur zur Unterstützung der Spielsuchtpräventi-

on und des Jugendschutzes in einem Dualen System in Betracht, bei dem die Nut-

zer auf attraktive legale Angebote ausweichen können und sollen. Sie können da-

gegen einen effektiven Spielerschutz nach dem gegenwärtigen Sachstand ohne

Schaffung von legalen Spielmöglichkeiten nicht gewährleisten.15

Vor dem Hintergrund dieses derzeit in der Politik diskutierten rechtspolitischen

Ansatzes einer Marktöffnung im Bereich der Sportwetten und der Online-Casinos,

der jüngst auch durch die im Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz erstellte

Schweizer Studie weithin gestützt wird, wird nachfolgend untersucht, ob und ge-

gebenenfalls welche Maßnahmen für einen Spielerschutz im Rahmen eines regu-

13 Dies erscheint – auch mit Blick auf die vorgenannten Gesichtspunkte – plausibel. Zumal davon

auszugehen ist, dass private Glücksspielanbieter sehr wohl im nationalen Raum insbesondere

aus Gründen des Marketings auftreten wollen, da sich Spieler – wie andere Kunden im Internet

auch – erfahrungsgemäß eher an einen Anbieter binden, der über eine Adresse in Deutschland

erreichbar ist und hier auch über eine gewisse Infrastruktur (z.B. Hotline) verfügt.

14 Siehe näher unter II. B. 3. g). Dagegen ist eine Blockade des Zugangs zu entsprechenden Angebo-

ten insbesondere bei den Access-Providern aus technischen und rechtlichen Gründen äußerst

problematisch, vgl. Sieber/Nolde, Sperrverfügungen im Internet, Berlin 2008, S. 57, 228 ff.

15 Dies zeigt etwa die Untersuchung von Sparrow zur Situation in den USA, wonach trotz bestehen-

der gesetzlicher Verbote Millionen von US-Bürgern Online-Glücksspielangebote nutzen, vgl.

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 4 ff., abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

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14

lierten privaten Sportwetten- und Online-Casino-Marktes in Deutschland möglich

und umsetzbar erscheinen.

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B. Spielsuchtprävention – Anforderungen und Maßnahmen

1. Spielsuchtpotential bei Sportwetten und Online-Casinos

a) Vorbemerkung

Die Untersuchung der möglichen Suchtgefahren des Glückspiels ist nicht Aufgabe

des vorliegenden Gutachtens. Eine solche Untersuchung wäre im Rahmen eines

Kurzgutachtens auch nicht zu leisten, vor allem weil die bisher durchgeführten

Untersuchungen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ohne dass sich

die Autoren der jeweiligen Studien ausführlich mit den zu gegenteiligen Ergebnis-

sen führenden Studien auseinandergesetzt haben; in der bisherigen Literatur wer-

den abweichende Meinungen in der weltweiten suchtwissenschaftlichen Literatur

oft nicht vertieft, sondern regelmäßig „nur“ in den Fußnoten erwähnt.

Damit die Gutachtenfrage sinnvoll beantwortet werden kann, wird nachfolgend im

Zweifel ein entsprechendes Suchtpotential unterstellt. Für die Annahme eines sol-

chen Suchtpotentials spricht auch das „Prinzip der Vorsicht“, da maßgebliche

deutsche Suchtwissenschaftler und auch die bereits oben erwähnte Schweizer

Studie16 ein entsprechendes Suchtgefährdungspotential von Sportwetten sowie

Online-Casinos nicht in Frage stellen. Der Gesetzgeber wird deswegen bei einer

Entscheidung – wie die Erfahrung zeigt – trotz verschiedener gegenteiliger (vor

allem ausländischer) Untersuchungen bei der Begründung legislativer Maßnah-

men im Zweifel im Rahmen einer Gefahrenabschätzung von einem Worst-Case-

Szenario ausgehen. Zu einem solchen Vorgehen ist der Gesetzgeber nach dem

Bundesverfassungsgericht auch berechtigt, da ihm insoweit eine weite Einschät-

zungsprärogative zukommt. Er muss seinen Entscheidungsspielraum lediglich in

vertretbarer Weise handhaben.17 Eine solche Entscheidung nach dem „Vorsichts-

prinzip“ wird deswegen auch in dem vorliegenden Gutachten zugrunde gelegt,

damit das Gutachten für die anstehenden politischen Entscheidungen verwendet

werden kann.

16 Vgl. oben II. A. 2. (bei Fn. 6).

17 BVerfG NJW 1994, 1577, 1581.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

16

b) Begriffsbestimmung

Im Bereich der Untersuchung von Spielverhalten wird allgemein zwischen „prob-

lematischem“ und „pathologischem“ Spielverhalten unterschieden.18 Problemati-

sches Spielverhalten – auch Level-2-Gambling genannt – zeichnet sich aus gesund-

heitlicher Sicht durch eine missbräuchliche Nutzung von Glücksspielen aus.19 Da-

gegen spricht man von pathologischem Spielverhalten oder Glücksspielsucht erst

im Falle von klinisch relevanten und diagnostizierbaren Ausprägungen andauern-

den und wiederkehrenden fehlangepassten Spielverhaltens (z.B. Steigerung von

Einsätzen zu Erzielung der gewünschten Erregung, „Hinterherjagen“ von Verlus-

ten, Belügen von Angehörigen, Vornahme illegaler Handlungen, Verlust des Ar-

beitsplatzes).20 Entsprechend wird in Befragungen und Untersuchungen zwischen

Problemspielern und pathologischen Spielern differenziert.21

c) Suchtgefährdungspotential

Befragungen und Untersuchungen zur Spielsucht gehen davon aus, dass sich ein

Suchtgefährdungspotential aus einer ganzen Reihe von Merkmalen eines Glücks-

spiels ergeben kann und daher das entsprechende Potential bei den einzelnen

Formen des Glücksspiels – wie Geldspielautomaten, Glücksspielautomaten, Casi-

nospielen, Wetten, Lotterien usw. – unterschiedlich einzuschätzen ist.22 Zunächst

wird davon ausgegangen, dass je höher die Ereignisfrequenz und je kürzer das

Auszahlungsintervall ist, desto höher das Gefährdungspotential eines bestimmten

Glücksspiels ausfällt. Denn in diesem Fall werde es dem Spieler zum einen schwe-

rer gemacht, eine emotionale Distanz zum Spiel aufzubauen und zum anderen

18 Vgl. Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 60, abruf-

bar unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

19 Vgl. Schweizer Studie (2009), TEIL VIER- Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 3, abrufbar un-

ter http://mpk.rlp.de/fileadmin/staatskanzlei/mpk/PDF-Datei/Teil_Vier_31.7.2009.pdf.

20 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 10 ff.; Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL

VIER- Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 7.

21 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER- Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 3 Tab. 1.

22 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 31, Sparrow, Can Internet Gambling Be

Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 62 ff., abrufbar unter

http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.; Wissenschaftliches

Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1 ff. Siehe in diesem Zusammenhang speziell zur Frage, ob insbe-

sondere Online-Glücksspielen im Vergleich zu „klassischen“ Glücksspielen ein erhöhtes Suchtge-

fährdungspotential zukommen kann, auch Peller/LaPlante/Shaffer, Parameters for Safer

Gambling Behavior: Examining the Empirical Research, Journal of Gambling Studies 2008, S. 519

ff.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

17

werde ihm das „Hinterherjagen“ von Verlusten erleichtert.23 Weiterhin sollen häu-

fige „Beinahegewinne“ (auch „Fastgewinne“ genannt) das Suchtpotential erhö-

hen, da hierdurch beim Spieler eine optimistische Gewinnerwartung erzeugt wer-

de.24 Zudem wird denjenigen Glücksspielen ein erhöhtes Suchtpotential zugespro-

chen, welche es dem Spieler ermöglichen, seine Einsätze zu variieren und vor al-

lem zu erhöhen.25 Ein weiterer, das Suchtpotential erhöhender Faktor soll dane-

ben der Grad der persönlichen Beteiligung eines Spielers sein, da dies einen un-

mittelbaren Einfluss auf die subjektiv wahrgenommene eigene Kompetenz des

Spielers habe.26 Gewinne würden dabei den eigenen Kompetenzen, Verluste je-

doch äußeren und nicht vom Spieler beeinflussbaren widrigen Umständen zuge-

schrieben.27 Weiterhin wird das Suchtpotential nach der Literatur auch noch da-

durch erhöht, dass mittels des Spieldesigns kognitiven Irrtümern eines Spielers

Vorschub geleistet wird. Gerade bei pathologischen Spielern werden als kognitive

Irrtümer identifiziert:28

• Unkenntnis über die Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten (etwa mangels

Information über Gewinnwahrscheinlichkeiten und Auszahlungsquoten),

• falsche Vorstellungen von Zufallsmerkmalen (etwa Annahme einer größeren

Gewinnwahrscheinlichkeit bei bestimmten Zahlenkombinationen),

• falsche Vorstellung von Wahrscheinlichkeiten (etwa Annahme beim Zahlenlot-

to, dass vier Richtige nur etwas schwerer zu erlangen seien als drei Richtige),

• Verwechslung von bedingten und unbedingten Wahrscheinlichkeiten (etwa An-

nahme, dass beim Roulette nachdem mehrere Male Rot gefallen ist, nunmehr

Schwarz kommen müsste),

23 Vgl. Adams/Fiedler, ZfWG 2008, 232, 233; Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 31;

Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 159; Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 4.

24 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 34; Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 159;

Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 6.

25 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 34; Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 159;

Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 6.

26 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 34 f.; Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 159;

Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 4.

27 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 35.

28 Vgl. die Übersicht bei Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 36 ff.; Wissenschaftliches

Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 4 ff.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

18

• Gefangensein (etwa Sicherstellung, dass auch im Urlaub der Tippschein mit den

Lieblingszahlen abgegeben wird),

• Magische Vorstellungen (etwa an Glückssträhnen),

• Unterschiedliche Wahrnehmung von Gewinnen und Verlusten (etwa Neigung

zum Vergessen von Verlusten und Erinnern von Gewinnen oder der Verwen-

dung eines bestimmten „Systems“ werden Gewinne zugeschrieben) und

• Kontrollillusion (etwa Überschätzung einer Gewinnwahrscheinlichkeit, da be-

kannt ist, dass andere Personen bereits in erheblichem Umfang gewonnen ha-

ben).

Schließlich gilt als das Suchtpotential erhöhender Faktor die Verfügbarkeit eines

Glücksspiels.29 Als zentral zur Bekämpfung möglicher Spielsuchtgefahren gelten

der Ausschluss minderjähriger Personen sowie die Möglichkeit der Selbst- und

Fremdsperre.30 Speziell für den Bereich der Online-Glücksspiele wird im Übrigen

noch vertreten, dass auch die dort bestehende echte oder zumindest empfundene

Anonymität ein erhöhtes Suchtgefährdungspotential darstellt, da enthemmter

gespielt wird.31

Vor diesem Hintergrund wird vorliegend für die vorliegend im Mittelpunkt ste-

henden Sportwetten und Online-Casinospiele ein erhebliches Suchtpotential an-

genommen.32 Denn diese Glücksspiele zeichnen sich häufig durch eine hohe Er-

eignisfrequenz aus.33 Hinzu kommt, dass bei Casinospielen, Kartenspielen und

Wetten üblicherweise Einsätze variiert und auch erhöht werden können.34 Dane-

ben ist der Grad der persönlichen Beteiligung eines Spielers besonders relevant

29 Vgl. Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 8. Siehe auch Sparrow, Can Internet

Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 66 ff., abrufbar unter

http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf, der darauf hinweist,

dass gerade im Internet bereits heute faktisch keine Beschränkungen für Teilnehmer an Glücks-

spielen bestehen – auch wenn nationale Gesetze eine Teilnahme hieran eigentlich verbieten.

30 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 38.

31 Vgl. Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG 2008, 1, 7; Sparrow, Can Internet Gambling Be

Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 66, abrufbar unter

http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

32 Vgl. auch Diekmann, ZRP 2007, 126, 127 zum Spielsuchtpotential von Sportwetten.

33 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 32.

34 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 34.

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19

für Kartenspiele (sofern sie überhaupt als Glücksspiele zu qualifizieren sind35) und

Wetten,36 wo der Spieler vermutet, aufgrund tatsächlicher oder vermeintlicher

Fähigkeiten – etwa als Fußballkenner – maßgeblichen Einfluss auf das Glücksspiel

nehmen zu können. Zudem können bei den hier untersuchten Glücksspielen – je

nach Spieldesign – alle hier dargestellten kognitiven Irrtümer bedeutsam sein.

Dies gilt vor allem für den Fall, dass aufgrund der Beschreibung und dem Ablauf

der Glückspiele – und sei es auch unbeabsichtigt – beim Spieler nicht selten fal-

sche Vorstellungen über Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten hervorgerufen

werden. Zuletzt ist auch bei Sportwetten und Online-Casinos – wie bei jedem an-

deren Glücksspiel – die Frage nach der Verfügbarkeit relevant.37

d) Krankheitshäufigkeit

Studien zur Krankheitshäufigkeit (so genannte Prävalenz) in Deutschland kommen

zu dem Ergebnis, dass sich problematisches Spielverhalten im Bereich von ca.

0,3% bis ca. 0,6% und pathologisches Spielverhalten im Bereich von ca. 0,2% bis

ca. 0,6% der Gesamtbevölkerung bewegt.38 Internationale Studien zur Prävalenz

für Europa siedeln problematisches Spielverhalten ebenfalls im Bereich von 0,3%

bis 2,7% und einem Mittelwert von 0,8% an.39 Hinsichtlich pathologischen Spiel-

verhaltens liegt der Mittelwert in Europa bei 0,4%.40 Unterscheidet man insoweit

35 Etwa beim Kartenspiel Poker – insbesondere in der Variante des „Texas Hold’em“ – ist bisher

nicht abschließend geklärt, ob es sich insoweit um ein Glücksspiel oder nicht vielmehr um ein

Geschicklichkeitsspiel handelt, vgl. Hambach/Hettich/Kruis, Verabschiedet sich Poker aus dem

Glücksspielrecht, MR-Int 2009, S. 41 ff.; Meyer/Hayer, Poker – Glücksspiel mit Geschicklichkeits-

anteil und Suchtpotential, ZfWG 2008, 153 ff. Siehe auch

http://zoeken.rechtspraak.nl/resultpage.aspx?snelzoeken=true&searchtype=ljn&ljn=BN0013

und http://www.pokerfirma.de/news/schweden-entscheidet-%E2%80%93-poker-ist-ein-

geschicklichkeitsspiel/17674 zu Gerichtsentscheidungen ausländischer Gerichte.

36 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 34 f.

37 Vgl. Adams/Fiedler, ZfWG 2008, 232, 233; Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 158.

38 Vgl. BZgA-Studie „Glücksspielverhalten in Deutschland 2007 und 2009 – Ergebnisse aus zwei

repräsentativen Bevölkerungsbefragungen“ (2010) aaO., S. 58; Becker, Glücksspielsucht in

Deutschland, 2009, S. 49 f.; Meyer, Jahrbuch Sucht 2009, 136, 148; Meyer, Jahrbuch Sucht 2010,

120, 133.

39 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER- Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 12;

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 61, abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

40 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 50, Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL

VIER- Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 12. Siehe auch zu den Schätzungen für die USA

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

20

allerdings nach den verschiedenen Glücksspielformen, ergibt sich zumindest aus

einzelnen Studien für Deutschland, Großbritannien und Australien, dass sowohl in

Bezug auf Problemspieler als auch pathologische Spieler im Vergleich der gängigen

Glücksspiele eine relativ hohe Prävalenzquote bei Casinospielen im Internet und

bei Sportwetten zu finden ist.41 Andere Untersuchungen kommen insoweit zwar

zu weit differenzierteren Ergebnisses, allerdings wird auch hier ein bedeutsames

Suchtgefährdungspotential von Sportwetten und Online-Casinos grundsätzlich

nicht in Frage gestellt.42

Becker kommt z.B. aufgrund der Auswertung verschiedener vorhandener Untersu-

chungen sowie eigener Befragungen bei Therapieeinrichtungen zu dem Ergebnis,

dass – bezogen auf insgesamt elf untersuchte Arten von Glücksspielen – in

Deutschland Wetten (mit Ausnahme von Pferdewetten) auf Platz drei und Karten-

und Würfelspiele auf Platz 5 der von Spielern als problematisch erlebten Glücks-

spiele liegen.43 Dies entspricht nach seinen Berechnungen einem Prozentsatz von

6,8% für Wetten (mit Ausnahme von Pferdewetten) und 3,6% für Karten- und

Würfelspiele. Nach Beckers Berechnung liegen allerdings Geldspielautomaten mit

einem Prozentsatz von 69% mit weitem Abstand auf Platz 1.44

Becker geht weiterhin konkret davon aus, dass es insgesamt zwischen 87.240 und

296.674 pathologische Spieler in Deutschland gibt. Zur Berechnung greift er dabei

auf Statistiken von Therapieeinrichtungen und auf Bevölkerungsbefragungen aus

dem Jahr 2006 zurück, die unter Berücksichtigung statistischer Verfahren eine

rechnerisch vermutete Prävalenzquote bezüglich pathologischer Spieler in

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 61, abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

41 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 52 ff.; Meyer, Jahrbuch Sucht 2009, 136,

149; Meyer, Jahrbuch Sucht 2010, 120, 134; Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 157 (für Poker).

42 Vgl. LaPlante/Nelson/LaBrie/Shaffer, Disordered gambling, type of gambling and gambling in-

volvement in the British Gambling Prevalence Survey 2007, The European Journal of Public

Health Advance Access, published November 5, 2009, S. 1 ff.; Welte/Barnes/Tidwell/Hoffmann,

The Association of Form of Gambling With Problem Gambling Among American Youth, Psycholo-

gy of Addictive Behaviors 2009, No. 1, S. 105 ff.

43 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 68 f., wonach Geldspielautomaten für weit

über 60% der pathologischen Spieler das Hauptproblem darstellen; siehe auch Schütze/Kalke,

ZfWG 2009, 235, 240. Siehe zum Suchtpotential von Poker weiterhin Meyer/Hayer, ZfWG 2008,

153, 156 ff.

44 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 64; siehe hierzu auch den Überblick bei

Schütze/Kalke, ZfWG 2009, 235, 240.

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Deutschland von 0,17% bis 0,28% (Statistiken Therapieeinrichtungen) bzw. von

0,18% bis 0,56% (Bevölkerungsbefragungen) ergeben.45 Die genannten

Prävalenzquoten multipliziert Becker mit der Bevölkerungszahl des Jahres 2005

von 52.616.837 Bundesbürgern im Altern von 18 bis 65 Jahren.46 Kombiniert man

die so berechnete Gesamtzahl (87.240 bis 296.674) möglicher pathologischer Spie-

ler in Deutschland mit den oben genannten Prozentsätzen der als problematisch

empfundenen verschiedenen Glücksspielformen ergibt sich: Die Zahl pathologi-

scher Spieler bei Geldspielautomaten kann im Bereich von 60.196 bis 204.705

vermutet werden. Entsprechend ist die Anzahl der Spieler mit pathologischem

Spielverhalten bei Wetten (mit Ausnahme von Pferdewetten) im Bereich von

5.932 bis 20.174 und bei Karten- und Würfelspielen im Bereich von 3.141 und

10.680 anzusetzen.47 Zu beachten ist insoweit noch, dass Becker selbst die tat-

sächliche Anzahl pathologischer Spieler in Deutschland aufgrund der von ihm aus-

gewerteten epidemiologischen Studien eher im unteren Bereich der errechneten

Bandbreiten vermutet.48

e) Zwischenergebnis

Die Ausführungen zum Suchtpotential und zur Krankheitshäufigkeit bei Glücks-

spielen zeigen, dass insoweit ein nicht zu vernachlässigendes Suchtpotential ange-

nommen werden kann und sich dies in der Prävalenz auch zeigt. Somit ist für das

vorliegende Gutachten zunächst zu unterstellen, dass eine Öffnung des Marktes

für private Anbieter von Sportwetten und Online-Glücksspielen mit einer weiteren

Erhöhung der Risiken verbunden ist – auch wenn aktuelle Studien einen solchen

Zusammenhang nicht zwangsläufig nahelegen49 – und daher in großem Umfang

Maßnahmen zur Bekämpfung problematischen und pathologischen Spielverhal-

45 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 41 ff.

46 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 43, 50 f.

47 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 68 f.

48 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 51.

49 Vgl. LaBrie/LaPlante/Nelson/Schumann/Shaffer, Assessing the Playing Field: A Prospective Longi-

tudinal Study of Internet Sports Gambling Behavior, Journal of Gambling Studies 2007, S. 347 f.,

abrufbar unter http://www.austgamingcouncil.org.au/images/pdf/eLibrary/19408.pdf; La-

Brie/Kaplan/LaPlante/Nelson/Shaffer, Inside the virtual casino: a prospective longitudinal study

of actual Internet casino gambling, The European Journal of Public Health 2008, S. 410, 415, ab-

rufbar unter http://www.divisiononaddictions.org/html/reprints/labrie_kaplan_casino08.pdf;

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 62, abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

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tens bei Sportwetten und Online-Casinos ergriffen werden müssen.50 Dies gilt ins-

besondere für den Online-Bereich, da hier Glücksspiele leicht erreichbar und

schnell zu nutzen sind.

Eine Öffnung des Marktes für private Anbieter in diesem Bereich würde es damit

auf dieser Grundlage erforderlich machen, dass gesetzliche Maßnahmen verbind-

lich vorgeschrieben werden, welche der Spielsuchtprävention dienen. Dass adä-

quate Maßnahmen zu einer signifikanten Reduzierung der Spielsuchtgefahren in

einem geöffneten Markt führen können, zeigt eine Untersuchung in Schweden zur

Prävalenz bei Online-Poker. Während problematisches Spielverhalten bei 8,2%

aller Online-Pokerspieler in Schweden anzunehmen ist, liegt die Quote bei Poker-

Spielern des strengen Auflagen unterliegenden Online-Poker Anbieters „Svenska

Spel“ lediglich bei 2,6%.51

Zentrale übergeordnete Punkte für entsprechende Maßnahmen sind: Aufklärung

und Erziehung von Spielern, Implementierung von Maßnahmen zur Früherken-

nung und Verhinderung problematischen Spielverhaltens sowie eine permanente

– auch wissenschaftlich begleitete – Evaluation der vom Glücksspielanbieter er-

griffenen Spielerschutzmaßnahmen.

Vor diesem Hintergrund ist nachfolgend im Rahmen eines Überblicks zunächst zu

untersuchen, welche Regelungen zur Spielsuchtprävention in Deutschland und

anderen Ländern aktuell bereits bestehen oder geplant sind (unten 2.). Hierauf

basierend erfolgt eine Differenzierung und Systematisierung der verschiedenen

denkbaren Maßnahmen zur Spielsuchtprävention – z.B. nach allgemeinen Hin-

weispflichten, Spielbeschränkungen und Überwachungspflichten – in einem denk-

baren zukünftigen deutschen Recht (unten 3.).

50 Vgl. Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 157.

51 Vgl. Meyer/Hayer, ZfWG 2008, 153, 158. Siehe auch LaPlante/Kleschinsky/LaBrie/Nelson/Shaffer

Sitting at the virtual poker table: A prospective epidemiological study of actual Internet poker

gambling behavior, Computers in Human Behavior (2009), doi:10.1016/j.chb.2008.12.027.

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2. Bisherige Lösungsansätze zur Bekämpfung der Spielsucht bei Sportwetten und Online-Casinos

a) Bestandsaufnahme der Regelungen zur Spielsuchtprävention im GlüStV

Der GlüStV sieht neben der Implementierung eines faktischen staatlichen Glücks-

spielmonopols bereits heute eine Reihe von Spielsuchtpräventionsmaßnahmen

vor.52 Dies beruht insbesondere darauf, dass nach der Bundesverfassungsgerichts-

entscheidung vom 28.03.2006 ein staatliches Glücksspielmonopol nur dann ver-

fassungsgemäß ist, wenn es legislativ und im Vollzug konsequent am Ziel der Be-

kämpfung der Glücksspielsucht ausgerichtet ist.53

aa) Werbung

Der Vorschrift des § 5 GlüStV liegt der Gedanke zugrunde, dass Werbung – also

jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien

Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleis-

tungen zu fördern54 – für öffentliches Glücksspiel nicht grundsätzlich verboten ist

bzw. sein soll. Allerdings besteht nach § 5 Abs. 3 GlüStV ein absolutes Werbever-

bot im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen. Sportwet-

ten dürfen darüber hinaus nach § 21 Abs. 2 S. 2 GlüStV zum einen nicht mit Sport-

ereignissen, welche im Rundfunk und in Telemedien übertragen werden, ver-

knüpft werden und zum anderen darf für Sportwetten keine Trikot- oder Banden-

werbung (einschließlich Imagewerbung) erfolgen.

Soweit Werbung grundsätzlich zulässig ist, darf sie keinen „Aufforderungscharak-

ter“ haben und muss sich deshalb auf eine Information und Aufklärung über die

Möglichkeit eines Glücksspiels beschränken (§ 5 Abs. 1 GlüStV). Der Gesetzgeber

präzisiert diese Vorgabe in § 5 Abs. 2 S. 1 GlüStV, indem er das gezielte Auffor-

dern, Anreizen oder Ermuntern zur Teilnahme zu einem Glücksspiel verbietet. Er

ist sich also durchaus bewusst, dass jeder Werbung ein gewisser Aufforderungs-

charakter immanent ist. Jedoch soll vor allem unangemessene unsachliche Wer-

bung ausgeschlossen werden, wie etwa Rabattaktionen, Gutscheine oder Ähnli-

52 Vgl. insbesondere die §§ 5, 6 und 7 GlüStV. Der GlüStV ist abrufbar unter

http://www.bmg.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Neu/Gl_C3_BCcksspiel__Gl_C3_BCcksspi

elvertrag,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Gl%C3%BCcksspiel_Gl%C3%BCcksspielve

rtrag.pdf.

53 Vgl. BVerfG MMR 2006, 298, 300 f. m. Anm. Holznagel MMR 2006, 303 f.

54 Vgl. BGH NJW 2005, 3716, 3717.

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ches.55 Sachliche informative Werbung über die Möglichkeit eines Glücksspiels ist

dagegen gestattet und kann durchaus auch Informationen über Art und Höhe der

erzielbaren Gewinne beinhalten, wobei nach Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung

und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum GlüStV) stets Informationen

über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn

und Verlust verbunden werden müssen.56

Weiterhin ist erforderlich, dass sich Werbung nicht an Minderjährige – also Perso-

nen unter 18 Jahre – oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen wendet (§ 5 Abs. 2

S. 2 GlüStV). Schließlich darf Werbung nach § 5 Abs. 2 S. 3 GlüStV nicht irreführend

sein (klarer eindeutiger Hinweis auf Teilnahmebedingungen, Transparenz bezüg-

lich Kosten usw.) und muss deutliche Hinweise darauf enthalten, dass Minderjäh-

rige nicht teilnehmen dürfen, dass vom jeweiligen Glücksspiel eine Suchtgefahr

ausgeht und welche Hilfsmöglichkeiten bestehen.

bb) Sozialkonzept

Die Vorschrift des § 6 GlüStV verfolgt einen präventiven Ansatz und verpflichtet

Anbieter und Vermittler von Glücksspielen dazu, Spieler zu verantwortungsbe-

wusstem Spiel anzuhalten und dem Entstehen von Spielsucht vorzubeugen. Inso-

weit geht es also um Prävention auf der einen Seite und Früherkennung von Prob-

lemspielern auf der anderen Seite. Als insoweit zu ergreifende Maßnahmen

schreibt § 6 GlüStV vor: Die Entwicklung eines Sozialkonzepts, die Schulung von

Personal und die Erfüllung der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von

Glücksspielsucht, welche sich im Anhang des GlüStV befinden.

Entsprechend der Zielsetzung des § 6 GlüStV muss das Sozialkonzept aus einem

umfassenden Maßnahmenpaket bestehen. Der Präventionsgedanke erfordert et-

wa, dass bestimmte Personengruppen von vornherein ausgeschlossen werden

(etwa Jugendliche, Personen ohne Einkommen), Informationsmaterial zur Spiel-

sucht, zu Suchtpräventionsstellen und Therapieeinrichtungen zur Verfügung ge-

stellt wird, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so geschult sind, dass sie gefähr-

dungsgeneigte Personen bzw. Verhaltensweisen erkennen können und planvoll

aus- und weitergebildet werden, Spieler ihr eigenes Gefährdungspotential selbst

55 Vgl. Bayer. LT Drs. 15/8486, S. 15.

56 Vgl. Hecker/Ruttig in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Kommentar zum Glücksspielrecht, 2008, § 5 GlüStV

Rn. 22 ff., Rn. 36 ff.

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einschätzen können und Informationen zur Selbst- und Fremdsperrung vorhanden

sind. Schulungsprogramme haben der Vermittlung von Wissen, der Sensibilisie-

rung für die Gefahr der Spielsucht und dem Trainieren von Handlungskonzepten

zu dienen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Spieler auch kommu-

nikativ begegnen können.57

Darüber hinausgehend ergibt sich aus den oben erwähnten Richtlinien im Anhang

des GlüStV noch, dass ein Beauftragter für die Entwicklung eines Sozialkonzeptes

benannt werden muss, Daten zu den Auswirkungen der angebotenen Glücksspiele

vom Anbieter zu erheben und alle zwei Jahre den Aufsichtsbehörden zu melden

sind, Beschäftigte nicht an den angebotenen Glücksspielen teilnehmen dürfen,

eine bundesweite Telefonhotline für Beratungszwecke einzurichten ist, über die

Wahrscheinlichkeit von Gewinnen und Verlusten (neben den Höchstgewinnen) zu

informieren ist und leitende Angestellte nicht umsatzabhängig bezahlt werden

dürfen.

cc) Aufklärung

Nach § 7 GlüStV soll durch umfassende Aufklärung problematisches Spielverhalten

verhindert werden.58 Anbieter von Glücksspielen haben zu diesem Zweck deutlich

über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust, Suchtrisiken der von ihnen

angebotenen Glücksspiele, das Teilnahmeverbot für Minderjährige und über Mög-

lichkeiten der Beratung und Therapie aufzuklären. Außerdem haben Lose, Spiel-

scheine und Spielquittungen Hinweise auf die Suchtgefahren und Hilfsmöglichkei-

ten zu enthalten. Hierbei sollen pauschale Hinweise nicht ausreichen, sondern der

Spieler muss erkennen können, wer ihm im Notfall als Ansprechpartner konkret

zur Verfügung steht.59

dd) Spielersperre

Zentrales Element der Spielsuchtprävention im GlüStV ist die Spielersperre für

Glücksspiele mit erhöhtem Suchtpotential (§ 8 GlüStV).60 Wie oben dargestellt,

müssen hierzu auch Sportwetten und Online-Casinos gezählt werden. Gemäß § 8

57 Vgl. Bayer. LT Drs. 15/8486, S. 15.

58 Vgl. Bayer. LT Drs. 15/8486, S. 16.

59 Vgl. Nagel in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Kommentar zum Glücksspielrecht, 2008, § 7 GlüStV Rn. 5.

60 Vgl. zur Spielersperre auch allgemein Peters, ZfWG 2007, 321 ff. Siehe auch Diekmann, ZRP 2007,

126, 128.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

26

Abs. 1 GlüStV ist ein anbieterübergreifendes Sperrsystem einzurichten, sodass

Problemspieler und pathologische Spieler nicht auf andere Angebote ausweichen

können. Wie dieses Sperrsystem im Einzelnen auszusehen hat, wird in § 8 GlüStV

nicht näher festgelegt. Aus § 8 Abs. 2 GlüStV ergibt sich lediglich, dass die Mög-

lichkeit einer Selbstsperre (durch den Spieler) und einer Fremdsperre (durch den

Anbieter) implementiert werden muss. Nach der Gesetzesbegründung setzt die

Selbstsperre aktuell die persönliche Anwesenheit des Spielers voraus, der seine

Identität nachweisen muss.61

Auslöser für eine Fremdsperre können die Wahrnehmung geschulten Personals

des Anbieters oder die Meldung dritter Personen oder sonstige tatsächliche An-

haltspunkte sein, dass ein Spieler spielsuchtgefährdet oder überschuldet ist, sei-

nen finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt oder Spieleinsätze riskiert, die

in keinem Verhältnis zu seinem Einkommen oder Vermögen stehen. Gemäß § 8

Abs. 3 und Abs. 5 GlüStV beträgt die Sperre mindestens ein Jahr und kann frühes-

tens nach Ablauf eines Jahres wieder aufgehoben werden, sofern der Spieler eine

Aufhebung schriftlich beantragt. Der Anbieter hat den Spieler über eine Sperrung

unverzüglich zu informieren (§ 8 Abs. 3 S. 2 GlüStV) und nur der sperrende Anbie-

ter kann über den Antrag auf Aufhebung einer Sperrung entscheiden (§ 8 Abs. 5

S. 2 GlüStV). Nach der Gesetzesbegründung sollten zur Vermeidung rechtlicher

Auseinandersetzungen zwischen Anbieter und Spieler die Gründe für eine Aufhe-

bung schriftlich festgehalten werden.62

Schließlich ergibt sich aus § 8 Abs. 4 S. 1 GlüStV i.V.m. § 23 Abs. 1 GlüStV, welche

Daten des Spielers in eine Sperrdatei eingetragen werden müssen, wie etwa der

Name oder das Geburtsdatum. Sind dem Anbieter nicht alle in § 23 Abs. 1 GlüStV

genannten Daten des Spielers bekannt, ist ein Eintrag der vorhandenen Daten

gleichwohl zulässig. Nach § 23 Abs. 2 S. 1 GlüStV sind die gespeicherten Daten im

erforderlichen Umfang an alle Stellen zu übermitteln, die Spielverbote zu überwa-

chen haben. Eine Datenübermittlung durch automatisierte Abrufverfahren ist

ausdrücklich gestattet (§ 23 Abs. 2 S. 2 GlüStV).

61 Vgl. Bayer. LT Drs. 15/8486, S. 16.

62 Vgl. Bayer. LT Drs. 15/8486, S. 16.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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ee) Sonderregelungen für Casinos und Sportwetten

Gemäß §§ 20, 21 Abs. 3 GlüStV ist durch eine Identitätskontrolle und einen Ab-

gleich der Sperrdatei nach § 23 GlüStV zu gewährleisten, dass gesperrte Spieler

nicht am Spielbetrieb in Casinos und an Sportwetten teilnehmen können. Zudem

darf nur auf den Ausgang von Sportereignissen im Rahmen von Kombinations-

oder Einzelwetten gewettet werden (§ 21 Abs. 1 S. 1 GlüStV). Eine Einzelsportwet-

te betrifft den Ausgang eines bestimmten Wettkampfs, während eine Kombinati-

onswette aus einer Kombination mehrerer Einzelsportwetten besteht. Hierbei

wird vertreten, dass „Ausgang des Sportereignisses“ nur das Endergebnis meint

und z.B. Wetten auf ein Halbzeitergebnis eines Fußballspiels unzulässig sind.63 Die

Gesetzesbegründung schweigt allerdings zu dieser Frage. Dagegen ergibt sich aus

§ 21 Abs. 2 S. 3 GlüStV ein ausdrückliches Verbot von Live-Sportwetten. Im Übri-

gen kann die Erlaubnisbehörde nach § 21 Abs. 1 S. 2 GlüStV Art und Zuschnitt der

Sportwetten in der Erlaubnis regeln und z.B. Einsatzgrenzen festlegen.64

b) Übersicht zu Maßnahmen anderer Länder

Die deutsche Ministerpräsidentenkonferenz hat, wie bereits oben erwähnt, am

13. Dezember 2006 beschlossen, eine „vergleichende Analyse des Glücksspielwe-

sens im Hinblick auf gesellschaftliche, soziale, rechtliche und wirtschaftliche Ent-

wicklungen sowie die Kommunikationstechnologie“ in elf verschiedenen Staaten

in Auftrag zu geben und das Schweizerische Institut für Rechtsvergleichung mit

dieser Aufgabe betraut.65 „TEIL EINS – Zusammenfassung und Gesamtergebnisse“,

„TEIL ZWEI – Rechtswissenschaftliche Studie“, „TEIL DREI – Wirtschaftswissen-

schaftliche Studie“ und „TEIL VIER – Gesundheitswissenschaftliche Studie“ der

Analyse untersuchen in diesem Rahmen die Länder Australien, Frankreich, Groß-

britannien, Italien, Malta, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz, Spanien und

USA unter anderem im Hinblick auf die dort aktuell bestehenden und zukünftig

geplanten Maßnahmen zur Spielsuchtprävention.66 Die Studien unterscheiden da-

63 Vgl. Hecker/Ruttig in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Kommentar zum Glücksspielrecht, 2008, § 21

GlüStV Rn. 25.

64 Vgl. Hecker/Ruttig in: Dietlein/Hecker/Ruttig, Kommentar zum Glücksspielrecht, 2008, § 21

GlüStV Rn. 31.

65 Die Schweizer Studie mit dem Titel „International vergleichende Analyse des Glücksspielwesens“

ist abrufbar unter http://mpk.rlp.de/startseite/sachthemen/studie-zum-gluecksspielwesen/.

66 Kritisch zu gesetzlichen Suchtpräventionsmaßnahmen aber Bernhard/Preston, On the Shoulders

of Merton: Potentially Sobering Consequences of Problem Gambling Policy, American Behavioral

Scientist 2004, S. 1395 ff.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

28

bei insoweit nicht im Hinblick auf die Rahmenbedingungen für Glücksspiel (Mono-

pol, Konzession, Wettbewerb). Die nachfolgende Übersicht beschränkt sich auf

diejenigen Maßnahmen, die in den genannten Ländern sowie zusätzlich Gibraltar

gerade für den Bereich (Online-)Sportwetten und Online-Casinos bestehen bzw.

diskutiert werden.

aa) Werbung

Entsprechend den dargestellten67 Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV finden

sich in Australien,68 Frankreich,69 Gibraltar,70 Großbritannien,71 Norwegen,72

Schweden73 und Spanien74 Vorgaben, die insbesondere eine sachliche Werbung

verlangen und darüber hinaus verbieten, dass sich Werbung an Minderjährige

wendet.75

bb) Aufklärung und Sozialkonzept

In allen untersuchten Ländern der Analyse bestehen Vorgaben zur Umsetzung von

Aufklärungsmaßnahmen und eines Sozialkonzeptes.76 Diese Vorgaben betreffen

insbesondere Registrierungspflichten, Warnhinweispflichten, Maßnahmen zur

67 Siehe oben B. 2. a) aa).

68 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 42.

69 Vgl. Article 7 Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur des

jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter http://www.assemblee-

nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

70 Vgl. Section 32 Abs. 3 Gambling Act 2005, abrufbar unter

http://www.gibraltarlaws.gov.gi/articles/2005-72o.pdf.

71 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 38.

72 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 46.

73 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 34.

74 Vgl. Schweizer Studie (2009), TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 262, abrufbar unter

http://mpk.rlp.de/fileadmin/staatskanzlei/mpk/PDF-Datei/Teil_Zwei_31.7.2009.pdf.

75 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 12.

76 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL EINS – Zusammenfassung und Gesamterkenntnisse, S. 42,

und TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 248 ff. und TEIL VIER - Gesundheitswissen-

schaftliche Studie, S. 29 ff. Siehe auch für Frankreich Articles 26, 28 und 29 Projet de loi relatif à

l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur des jeux d’argent et de hasard en ligne,

Texte adopté no 438, abrufbar unter http://www.assemblee-nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf

und für Gibraltar Section 27 Gambling Act 2005, abrufbar unter

http://www.gibraltarlaws.gov.gi/articles/2005-72o.pdf sowie Ziff. 5 Code of Practice for the

Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar unter http://www.gra.gi/sites/

gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

29

Früherkennung durch geschultes Personal oder durch automatisierte bzw. techni-

sche Verfahren, Pflichten zur Bonitätsprüfungen bei Personen mit Verdacht auf

problematisches Spielverhalten, Fortbildungspflichten in Bezug auf Suchtpräventi-

on für Mitarbeiter von Glücksspielanbietern, Überprüfungsmöglichkeiten des ei-

genen Spielverhaltens, Eröffnung des Zugangs zu Beratungsstellen und Informati-

onen zu Hilfseinrichtungen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass

die Teilnahme von Minderjährigen, mit Ausnahme einzelner Staaten in den USA,77

an Glücksspielen aller Art in allen untersuchten Ländern verboten ist.

cc) Spielersperre

Eine Spielersperre insbesondere bei Casinos kennen Australien,78 Frankreich,79

Gibraltar,80 Malta,81 Österreich,82 die Schweiz,83 Spanien84 und die USA.85 Die Spie-

lersperre kommt dabei in unterschiedlichen Ausprägungen zum Einsatz:

• In Australien sehen die meisten Staaten bei Glücksspielen die Möglichkeit einer

Selbstsperre (also einer durch den betroffenen Spieler initiierten Sperre) und

einer Fremdsperre vor. Die Fremdsperre kann von Familienangehörigen, vom

Glücksspielanbieter oder von den zuständigen Behörden beantragt werden. Die

Sperrdauer beträgt bei beiden Sperrarten zwischen 6 Monaten und einer unbe-

grenzten Dauer.86 Auch in Österreich sind beide Sperrarten „im Einsatz“. Casi-

nos haben eine Fremdsperre durchzuführen, wenn die begründete Annahme

besteht, dass der Spieler seine wirtschaftliche Existenz gefährdet und andere

77 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 54.

78 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 43 f.

79 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 25. Siehe

auch Article 26 Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur

des jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter

http://www.assemblee-nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

80 Vgl. Section 27 Abs. 3 Gambling Act 2005, abrufbar unter

http://www.gibraltarlaws.gov.gi/articles/2005-72o.pdf und Ziff. 5.1 – 5.5 Code of Practice for the

Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar unter http://www.gra.gi/sites/

gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

81 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253.

82 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 30.

83 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 50 f.

84 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 36.

85 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 53.

86 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 43

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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Maßnahmen nicht weiterhelfen. Bei Online-Glücksspielen sind Selbstsperren

mit einer Dauer von 1, 3, 6 und 12 Monaten möglich.87 Schließlich ist in der

Schweiz für den Bereich der Casinos sowohl die Selbst- als auch die Fremdsper-

re vorgesehen. Eine Sperre gilt dort für unbestimmte Zeit und deren Aufhebung

kann durch den Spieler erst nach Ablauf eines Jahres beantragt werden.88

• In Frankreich, Gibraltar, Malta, Spanien und den USA ist dagegen nur eine

Selbstsperre vorgesehen. Sie erfasst in Frankreich Casinos, Online-Glücksspiele

und Wetten, wobei im Bereich der Casinos die Sperre drei Jahre dauert und

nicht verhandelbar ist.89 Malta kennt die Selbstsperre für Bingohallen, Casinos

und Online-Glücksspiele. Bei Bingohallen und Casinos beträgt die Dauer der

Selbstsperre in Malta zwischen 6 Monaten und einem Jahr. Bei Online-

Glücksspielen kann die Selbstsperre dagegen für eine bestimmte oder eine un-

bestimmte Dauer erklärt werden.90 Spanien sowie einzelne Bundesstaaten in

den USA sehen die Möglichkeit der Selbstsperre lediglich für Bingohallen bzw.

Casinos vor, wobei in den USA die Selbstsperre einen Zeitraum zwischen 6 Mo-

naten und lebenslänglich umfassen kann.91 In Gibraltar besteht im Übrigen für

den Glücksspielanbieter in diesem Zusammenhang die ausdrückliche Verpflich-

tung, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, damit der gesperrte Spieler

nicht andere bereits von ihm eingerichtete Accounts nutzt oder sich erneut an-

meldet.92

87 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 255 ff.; Schwei-

zer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 30.

88 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 50.

89 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 25 und

Article 26 Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur des jeux

d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter http://www.assemblee-

nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

90 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253.

91 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 36, S. 53.

92 Vgl. Section 27 Abs. 3 Gambling Act 2005, abrufbar unter

http://www.gibraltarlaws.gov.gi/articles/2005-72o.pdf und Ziff. 5.1 – 5.2 Code of Practice for the

Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar unter http://www.gra.gi/sites/

gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

Page 31: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

31

dd) Reality Checks

In Großbritannien93 und Malta94 sind ausdrücklich so genannte Reality Checks

(Realitätserweckungen) vorgesehen, welche dem Spieler sein Spielverhalten per-

manent vergegenwärtigen sollen. So ist z.B. in Malta bei Online-Glücksspielen in

einstündigen Intervallen das Spiel zu unterbrechen und anzuzeigen, wie lange der

Spieler bereits spielt und es sind ihm seine Limits sowie die Höhe der Gewinne und

Verluste mitzuteilen.95 Der Spieler darf nur weiterspielen nachdem er bestätigt

hat, dass er die Mitteilung gelesen hat.96

ee) Summenbeschränkungen

Frankreich,97 Gibraltar,98 Großbritannien,99 Italien,100 Malta,101 Norwegen,102 Ös-

terreich103 und Schweden104 sehen freiwillige oder obligatorische Summenbe-

schränkungen in Bezug auf Einsätze, Gewinne oder Verluste vor.105 So können On-

line-Spieler in Malta den Höchsteinsatz für eine vorher festgelegte Zeitspanne an-

geben, entsprechend Verlusthöchstgrenzen für einen bestimmten Zeitraum fest-

legen. Bemerkenswert ist hierbei, dass Erhöhungen oder Rücknahmen von Limits

durch den Spieler erst nach sieben Tagen wirksam werden, während Selbstbe-

93 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 37.

94 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 254.

95 Vgl. insoweit auch Bernhard/Preston, On the Shoulders of Merton: Potentially Sobering

Consequences of Problem Gambling Policy, American Behavioral Scientist 2004, S. 1395, 1400,

die Verlustanzeigen wegen der Gefahr des „Hinterherjagens von Verlusten“ kritisch sehen

96 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 254.

97 Vgl. Vgl. Article 26 Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur

des jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter

http://www.assemblee-nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

98 Vgl. Ziff. 5.8 Code of Practice for the Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar

unter http://www.gra.gi/sites/gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

99 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 37.

100 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 251 f.

101 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253 f.

102 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 47.

103 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 30.

104 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 32.

105 Siehe auch § 55 Estländisches Glücksspielgesetz.

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schränkungen – etwa Herabsetzung des Limits – sofort aktiv werden.106 Schweden

sieht beim Online-Poker verpflichtende Begrenzungen des Einsatzes vor.107

ff) Spielzeitbeschränkungen

In Australien,108 Gibraltar,109 Malta,110 Norwegen,111 Österreich,112 Schweden113

und der Schweiz114 sind Beschränkungen der Spielzeit bzw. eine Limitierung der

Besuche in Casinos (Schweiz) vorgegeben, wobei in Australien und Norwegen sich

diese auf den hier nicht im Mittelpunkt stehenden Bereich des Automatenglücks-

spiels beziehen.115 In Malta sind die Spielzeitbeschränkungen analog zu den eben

dargestellten Summenbeschränkungen ausgestaltet,116 während in Schweden

beim Online-Poker die Spieldauer pro Spielsession, Tag, Woche und Monat obliga-

torisch beschränkt werden muss.117

gg) Verbot von Live-Wetten

Soweit ersichtlich, gibt es – neben Deutschland – nur noch in Australien ein Verbot

für Live-Wetten und Wetten, die Teilereignisse innerhalb eines Ereignisses betref-

fen. Begründet wird das Verbot von Live-Wetten in Australien pauschal damit,

dass solche Wetten eine relativ hohe Suchtgefahr beinhalten.118 In eine ähnliche

Richtung geht hinsichtlich des Verbots von Live-Sportwetten auch die Argumenta-

tion in Deutschland, wo unter Verweis auf das Bundesverfassungsgericht eine ent-

106 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253 f.

107 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 32.

108 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 42.

109 Vgl. Ziff. 5.8 Code of Practice for the Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar

unter http://www.gra.gi/sites/gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

110 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253 f.

111 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 47.

112 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 30.

113 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 32.

114 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 50.

115 Siehe auch § 55 Estländisches Glücksspielgesetz.

116 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253 f.

117 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 32.

118 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 267.

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sprechende Einschränkung im Hinblick auf die Suchtprävention derzeit noch als

notwendig erachtet wird.119

hh) Erfassung von Spielverhalten

Gerade für den Bereich der Internet-Glücksspiele bzw. Casinos sehen Australi-

en,120 Frankreich,121 Gibraltar,122 Italien123 und Schweden124 einen Registrierungs-

zwang vor, sodass mittels eines technischen Überwachungssystems und auch vor

Ort das Spielverhalten der einzelnen Spieler erfasst und frühzeitig bei einem Ver-

dacht auf problematisches Spielverhalten – etwa mittels eines Beratungsangebo-

tes oder einer temporären Sperre – eingegriffen werden kann.

c) Zwischenergebnis

Die Untersuchung des Status quo der Regelungen zur Spielsuchtprävention zeigt,

dass die Bestimmungen des GlüStV zur Werbung, zum Sozialkonzept, zur Aufklä-

rung und zur Spielersperre im internationalen Vergleich bereits einen hohen Stan-

dard verwirklichen und teilweise sogar über das hinausgehen, was in anderen

Ländern gefordert und diskutiert wird; selbst wenn dort Online-Glücksspiel zuläs-

sig ist. Dies zeigt, dass mit den bereits vorhandenen gesetzlichen Regelungen des

GlüStV zum Bereich der Werbung, zum Sozialkonzept, zur Aufklärung und zur Spie-

lersperre auch für Sportwetten und Online-Casinos im Rahmen eines Dualen Sys-

tems dem Regulierungsziel der Spielsuchtprävention bereits in einem erheblichen

Umfang Rechnung getragen werden kann. Dies gilt insbesondere auch für den On-

line-Bereich. Die zeigt etwa das Beispiel Frankreich. Dort sieht der Gesetzgeber für

119 Vgl. Bay. LT Drs. 15/8486, S. 19.

120 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 43.

121 Vgl. Article 17 Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur des

jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter http://www.assemblee-

nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

122 Vgl. Ziff. 5.8 Code of Practice for the Gambling Industry, The Generic Code – v.1.0.2009, abrufbar

unter http://www.gra.gi/sites/gambling/downloads/215/generic_code_v1.0.2009.pdf.

123 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 251.

124 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL VIER - Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 33.

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Online-Glücksspiele genau diejenigen Maßnahmen vor, die sich bereits im GlüStV

befinden.125

Aufgrund des aktuell bestehenden Totalverbotes für Online-Glücksspiele und die

nur sehr eingeschränkte Zulässigkeit von Sportwetten fehlen im GlüStV aber na-

turgemäß Regelungen zur Suchtprävention, welche sich speziell den Besonderhei-

ten der genannten Glücksspiele zuwenden. Zudem bleiben gerade die Regelungen

des GlüStV zur Früherkennung problematischen Spielverhaltens eher vage und es

wird daher nachfolgend zu erörtern sein, welche Maßnahmen zur Spielsuchtprä-

vention insbesondere für Sportwetten und Online-Casinos im Falle einer kontrol-

lierten Marktöffnung des Glücksspielbereichs in Deutschland umgesetzt werden

können. Dies gilt vor allem für die Registrierung und das Monitoring von Spielern,

um so frühzeitig Problemspieler identifizieren zu können bzw. möglichst schon

dann eingreifen zu können, wenn sich für ein problematisches Spielverhalten erste

Anzeichen ergeben.

3. Regulierungsmöglichkeiten für ein Wettbewerbsmodell bei Sportwetten und Online-Casinos

Für eine Untersuchung der möglichen und sinnvollen Maßnahmen im Detail zur

Spielsuchtprävention bei Sportwetten und Online-Casinos, erscheint es – wie be-

reits oben erwähnt – zunächst sinnvoll auf die Vorgaben des GlüStV sowie der

Glücksspielgesetze anderer Ländern zurückzugreifen. Dies gilt insbesondere für

die Vorgaben derjenigen EU-Mitgliedsstaaten, die bereits eine Liberalisierung des

Glücksspielmarktes vorgenommen haben oder planen.126 Denn mit diesen Staaten

wird sich Deutschland in einem liberalisierten Markt in einem „Wettbewerbsver-

hältnis“ befinden und deshalb darauf zu achten haben, dass die deutschen Maß-

nahmen zum einen „konkurrenzfähig“ sind und zum anderen dennoch ein

Höchstmaß an Spielerschutz gewährleisten. Nur so kann das Regelungsziel einer

„Zurückholung“ der deutschen Spieler unter die Ägide staatlich überwachter

125 Vgl. Article 26 ff. Projet de loi relatif à l’ouverture à la concurrence et à la régulation du secteur

des jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté no 438, abrufbar unter

http://www.assemblee-nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf.

126 Vgl. insbesondere für Frankreich Article 7, 17, 26 ff. Projet de loi relatif à l’ouverture à la

concurrence et à la régulation du secteur des jeux d’argent et de hasard en ligne, Texte adopté

no 438, abrufbar unter http://www.assemblee-nationale.fr/13/pdf/ta/ta0438.pdf und für Malta

die Ausführungen in der Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Stu-

die, S. 253 f.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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Glücksspielanbieter gelingen. Es ist insoweit im Übrigen auch noch sinnvoll auf

Empfehlungen des Workshop 58 des Europäischen Komitees für Normung (Euro-

pean Committee for Standardization, CEN)127 sowie Empfehlungen in einem Be-

richt der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft vom 25. November 2009128 über

den zukünftigen Rechtsrahmen für Glücksspiele und Wetten in den EU-

Mitgliedsstaaten zurückzugreifen, da sie nationalen Gesetzgebern als „Blueprint“

dienen oder zumindest dienen können.

Bei den Maßnahmen zur Spielsuchtprävention lassen sich sechs größere Bereiche

unterscheiden, die Gegenstand einer gesetzlichen Regelung sein können. Der ers-

te Bereich betrifft die personellen und organisatorischen Anforderungen an einen

Glücksspielanbieter, damit dieser eine effektive Spielsuchtprävention leisten kann

[unten a)]. Der zweite Bereich umfasst allgemeine Maßnahmen des Glücksspiel-

anbieters zur Aufklärung seiner Spieler über die Gefahren der von ihm angebote-

nen Glücksspiele und zur Verhinderung falscher Erwartungen bzw. Vorstellungen

[unten b)]. Der dritte Bereich bezieht sich auf den Umfang erlaubter Werbung für

Glücksspiel [unten c)]. Der vierte Bereich beinhaltet Selbsthilfemaßnahmen, wel-

che dem Spieler von seinem Glücksspielanbieter angeboten werden können [un-

ten d)]. Der fünfte Bereich betrifft die Schaffung einer Infrastruktur für eine Spie-

lerüberwachung durch den Glücksspielanbieter, sodass dieser effektiv Hilfestel-

lungen leisten und Fehlentwicklungen entgegenwirken kann [unten e)]. Der sechs-

te Bereich umfasst schließlich mögliche Beschränkungen des Spielers und des

Spiels, die vom Anbieter der Sportwetten und Online-Casinos selbst vorgegeben

werden [unten f)].

127 Die Empfehlungen sind als Entwurf abrufbar unter http://www.cen.eu/cen/Sectors/

TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf. Der Workshop 58

(vgl. http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommittees Workshops/Workshops/Pages/

WS58eGambling.aspx) besteht aus Repräsentanten der Glücksspielbranche, von Interessenver-

bänden, Aufsichtsbehörden, Spielervereinigungen und Experten für Glücksspielsucht. Das CEN

selbst ist eine gemeinnützige Organisation zur Entwicklung europäischer Standards. Mitglieder

des CEN sind die nationalen Normungsorganisationen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sowie

Island, Kroatien, Norwegen und die Schweiz, vgl. http://www.cen.eu/cen/AboutUs/

WhatisCEN/Pages/default.aspx. Interessant ist insoweit auch noch die nicht abschließende Liste

bestehender Glücksspielregelungen, Glücksspielmaßnahmen und Selbstverpflichtungen im An-

hang A des Entwurfs.

128 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, abrufbar in englischer Sprache unter

http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf.

Page 36: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

36

a) Personelle und organisatorische Anforderungen

Zunächst können Maßnahmen in den Blick genommen werden, welche die Schu-

lung von Personal des Anbieters von Sportwetten und Online-Casinos sowie die

Organisation deren Betriebs betreffen, sodass spielsuchtgefährdete Personen

identifiziert und diesen qualifizierte Hilfestellungen gegeben werden können:

• Personal der Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos ist im Bereich der

Spielsuchtprävention permanent zu schulen und fortzubilden.129 Personal, wel-

ches im Kundenkontakt steht oder eine Führungsposition begleitet, kann in Be-

zug auf Maßnahmen zur Spielsuchtprävention noch einmal besonders geschult

werden.130 Insoweit erscheint eine enge Orientierung an der bisherigen Rege-

lung des § 6 GlüStV möglich.

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos können einen Beauftragten für

ein Sozialkonzept benennen, der sich um alle die Spielsuchtprävention betref-

fenden Fragen kümmert und das entsprechende Maßnahmenpaket permanent

weiterentwickelt.131 Insoweit erscheint eine enge Orientierung an der bisheri-

gen Regelung des § 6 GlüStV möglich.

• Personal von Glücksspielanbietern darf nicht an den Glücksspielen seines Ar-

beitgebers teilnehmen und leitende oder spielgestaltende Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter dürfen keine umsatzabhängige Vergütung beziehen.132 Auch

insoweit erscheint eine enge Orientierung an der bisherigen Regelung des § 6

GlüStV möglich.

129 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.53),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts –

Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 3, abrufbar unter http://www-user.uni-

bremen.de/~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Re-

gulated? Managing the Risks, S. 71, abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

130 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.43),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

131 Siehe auch Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 14

(1.04 und 1.54), http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/

Documents/WS58DraftCWA.pdf.

132 Vgl. Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der

Spiel- und Wettsucht, S. 2, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf

Page 37: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

37

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos haben durch Compliance-

Maßnahmen sicherzustellen, dass sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen und

aufgrund eigener Verpflichtungen übernommenen Maßnahmen der Spielsucht-

prävention unternehmensweit umgesetzt und beachtet werden.

b) Aufklärung der Spieler

Von wesentlicher Bedeutung ist weiterhin die Aufklärung der Spieler zum einen

über die Risiken des Glücksspiels allgemein und zum anderen über das konkret

angebotene Glücksspiel, wie dessen Design, Gewinnchancen usw. Nur so kann

Fehlvorstellungen und Fehlerwartungen des Spielers entgegengewirkt und kogni-

tiven Irrtümern entgegengewirkt werden.133 An folgende Maßnahmen könnte

hierbei gedacht werden:

• Im Rahmen des Angebotes von Sportwetten und Online-Casinos werden in der

jeweiligen Landessprache der zugelassenen Spieler deutlich an prominenter

Stelle Verhaltensregeln für ein verantwortliches Spielen mitgeteilt.134 Insoweit

erscheint eine enge Orientierung an der bisherigen Regelung der §§ 6, 7 GlüStV

möglich.

• Im Rahmen des Angebotes von Sportwetten und Online-Casinos wird in der je-

weiligen Landessprache der zugelassenen Spieler deutlich an prominenter Stelle

auf Informationsmaterial zur Spielsucht, auf konkrete Hilfsorganisationen und

konkrete Therapieeinrichtungen hingewiesen.135 Wünschenswert wäre dabei

auch ein Link zu entsprechenden Informationen unmittelbar beim Login (An-

133 Siehe dazu näher oben II. B. 1. b).

134 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 14 (1.01.05),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

135 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 8, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/

pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gam-

bling Measures, S. 14 (1.01.05, 1.01.06 und 1.05), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf;

Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der Spiel-

und Wettsucht, S. 2 f., abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated?

Managing the Risks, S. 71, abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

Page 38: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

38

meldebildschirm).136 Auch insoweit erscheint eine enge Orientierung an der

bisherigen Regelung des § 7 GlüStV möglich.

• Im Rahmen des Glücksspielangebotes wird in der jeweiligen Landessprache der

zugelassenen Spieler deutlich an prominenter Stelle über die Wahrscheinlich-

keit von Gewinn und Verlust (insbesondere durchschnittlicher und maximaler

Verlust pro Spiel und / oder innerhalb einer bestimmten Zeitspanne) aufge-

klärt.137 Beim Spieler dürfen insoweit auch keine falschen Vorstellungen ge-

weckt werden, etwa im Hinblick auf die Bedeutung des Einflusses eigener Fä-

higkeiten. Ebenso sind die Art und der Ablauf eines konkreten Glücksspiels ge-

nau zu beschreiben.138 Insoweit erscheint eine enge Orientierung an der bishe-

rigen Regelung des § 7 GlüStV möglich.

• Spielern werden deutlich an prominenter Stelle darüber informiert, dass kein

Kredit für die Teilnahme am Spiel gewährt wird.139

136 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 15 (1.08),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

137 So auch § 36 Ziff. 1) des dänischen Entwurfs für ein Gesetz über Glücksspiele. Siehe auch Draft

CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 14 (1.03),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

138 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 14 (1.03),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

139 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 7, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 17 (1.44 und 1.45), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf;

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 71, abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

Page 39: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

39

c) Umfang erlaubter Werbung für Glücksspiel

Neben den eben genannten Maßnahmen zur Aufklärung der Spieler ist es weiter-

hin erforderlich, dass Spieler nicht mittelbar über die Risiken des Glücksspiels im

Unklaren gelassen werden. Dies setzt voraus, dass Werbung keine falschen Vor-

stellungen weckt und entsprechende Warnhinweise enthält. Im Einzelnen könnten

folgende Maßnahmen in Betracht kommen:

• Werbemaßnahmen beschränken sich auf sachliche Werbung, die weder irrefüh-

rend ist noch sich an Minderjährige wendet.140 Insoweit erscheint eine enge

Orientierung an der bisherigen Regelung des § 5 GlüStV möglich.

• Werbung enthält Hinweise auf das Teilnahmeverbot für Minderjährige, auf

mögliche Suchtgefahren und auf konkrete Hilfsmöglichkeiten (etwa Kontaktda-

ten einer Hilfsorganisation).141 Insoweit erscheint ebenfalls eine enge Orientie-

rung an der bisherigen Regelung des § 5 GlüStV möglich.

• Es darf keine individuell zugeschnittene Werbestrategie entwickelt werden, die

sich aus der Analyse des Spielverhaltens des einzelnen Spielers ableitet und ge-

eignet ist, den Spieler zu unüberlegten Handlungen zu animieren.142

140 So z.B. ausdrücklich § 36 Ziff. 3) – 5) des dänischen Entwurfs für ein Gesetz über Glücksspiele.

Siehe auch Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Mem-

ber States of the European Union, S. 10, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/

pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücks-

spielrechts – Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 3, abrufbar unter http://www-user.uni-

bremen.de/ ~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; Wissenschaftliches Forum Glücksspiel, ZfWG

2008, 1, 8.

141 Vgl. Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der

Spiel- und Wettsucht, S. 3, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf. Siehe insoweit auch die Übersicht über Werbebeschränkun-

gen im Vereinigten Königreich und Australien bei Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively

Regulated? Managing the Risks, S. 68 f., abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf. Siehe auch Draft CEN Workshop Agreement „Re-

sponsible Remote Gambling Measures, S. 14 f. (1.01.02 und 1.10), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf.

142 Siehe Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 10, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Adams/Fiedler, ZfWG 2008, 232, 233 f.; Meyer/Hayer, ZfWG

2008, 153, 158 f.; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Be-

kämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 3, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf.

Page 40: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

40

• Bestehen von Seiten der Glücksspielanbieter Selbstverpflichtungen (in Form

von Verhaltensregeln) bezüglich verantwortungsbewusster Werbung im eben

genannten Sinne, kann hierauf zur Stärkung der Selbstkontrolle vom Gesetzge-

ber verwiesen werden (vergleichbar etwa der Bezugnahme auf Verhaltensre-

geln des deutschen Werberates in den „Gemeinsamen Richtlinien der Landes-

medienanstalten für die Werbung, die Produktplatzierung, das Sponsoring und

das Teleshopping im Fernsehen“).143

d) Selbsthilfemaßnahmen für Spieler

Aus Sicht der Spielsuchtprävention ist es von erheblicher Bedeutung, dass dem

Spieler zum einen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die es ihm ermöglichen,

selbstbestimmt feststellen zu können, ob bei ihm die Gefahr einer Spielsucht be-

steht. Zum anderen muss der Spieler aber auch in der Lage sein, einer solchen Ge-

fahr selbst aktiv entgegenwirken zu können. Folgende Maßnahmen könnten daher

sinnvoll sein:

• Im Rahmen des Angebotes von Sportwetten und Online-Casinos werden dem

Spieler in der jeweiligen Landessprache der zugelassenen Spieler deutlich an

prominenter Stelle Materialien zur Verfügung gestellt, die es ihm ermöglichen

festzustellen, ob bei ihm die Gefahr problematischen Spielverhaltens besteht

bzw. ein solches vorliegt.144 Dies kann z.B. durch Einsatz eines Selbsttestes der

World Health Organisation (WHO) geschehen. Der Test beinhaltet etwa Fragen

zur psychischen Abhängigkeit, Verschleierungstaktiken oder „Beschaffungskri-

minalität“.

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos richten eine Telefon-Hotline mit

einer bundesweit einheitlichen Telefonnummer ein zur Kontaktaufnahme mit

einem Suchtbeauftragten und weisen im Rahmen des Glücksspielangebotes

hierauf in der jeweiligen Landessprache der zugelassenen Spieler deutlich an

143 Vgl. auch Fielder/Hodgkinson, United Kingdom’s Gambling Industry Adopts Voluntary Code on

Advertising Standards, abrufbar unter http://www.pillsburylaw.com/siteFiles/Publications/

AD40F0C315922BF5A969E8BF6379B2E4.pdf.

144 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 9, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 14 (1.01.04), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf.

Page 41: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

41

prominenter Stelle hin.145 Wünschenswert wären auch weitere unmittelbare

Kontaktaufnahmemöglichkeiten, wie etwa Live-Chats. Insoweit erscheint eine

enge Orientierung an der bisherigen Regelung der §§ 6, 7 GlüStV möglich.

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos implementieren „Reality

Checks“, sodass sich Spieler ihr Spielverhalten permanent vergegenwärtigen

können, indem z.B. in einstündigen Intervallen das Spiel unterbrochen und an-

gezeigt wird, wie lange der Spieler bereits spielt, welche Limits gegebenenfalls

für ihn gelten und wie hoch seine Gewinne und Verluste sind.146 Der Spieler

darf nur weiterspielen nachdem er bestätigt hat, dass er die Mitteilung gelesen

hat.147 Optimal wäre insoweit auch eine permanente Einblendung insbesondere

der angefallenen Verluste und der bisherigen Spieldauer.148 Sinnvoll könnte

schließlich die Möglichkeit der Abrufbarkeit einer „Account-History“ sein, in der

die Spielumsätze einer bestimmten Zeitperiode (insbesondere Einzahlungen,

Auszahlungen, Einsätze) leicht eingesehen werden können.149 Die Art der vor-

zunehmenden „Reality Checks“ könnte dabei speziell zugeschnitten sein auf die

145 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 8, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 14 (1.01.03), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf;

Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der Spiel-

und Wettsucht, S. 3, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf. Einzelne Bundesstaaten in den USA sehen eine solche

verpflichtende Telefonhotline bereits vor, vgl. Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Re-

gulated? Managing the Risks, S. 69., abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

146 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 15 (1.23),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

147 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 16 (1.25),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

148 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.46),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

149 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.50),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

Page 42: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

42

Gegebenheiten und Anforderungen des jeweiligen Glücksspiels und vom Ge-

setzgeber eine entsprechende Flexibilität im Gesetz vorgesehen werden.

• Spieler werden in ihrer jeweiligen Landessprache bereits im Rahmen der An-

meldung zu einem Glücksspielangebot zwingend und deutlich an prominenter

Stelle darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie ein Einsatzlimit und / oder

Depotlimit (pro Tag, Woche oder Monat) festsetzen können und dies aus Grün-

den des Selbstschutzes auch tun sollten.150 Spieler können auch danach stets

jederzeit auf einfache Art und Weise Limits festsetzen und werden hierauf

deutlich – etwa auf ihrer persönlichen Spielkonto-Seite – hingewiesen.151 Zu

überlegen ist, ob entsprechend dem Modell in Malta Erhöhungen oder Rück-

nahmen von Limits durch den Spieler erst nach sieben Tagen wirksam werden,

während Selbstbeschränkungen – etwa Herabsetzung des Limits – sofort aktiv

werden.152 Umgehungen dieser Selbstbeschränkungen, etwa durch eine Neu-

anmeldung, sind beim jeweiligen Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos

zu verhindern. Wie unter Punkt e) näher dargestellt, ist dies gerade im Online-

Bereich leicht zu realisieren, da aufgrund des Registrierungszwangs Spieler ein-

deutig identifiziert werden können.

150 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 15 (1.12, 1.13

1.15 und 1.21), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf; zu

den Wirkungen von Selbstbeschränkungen Nelson/LaPlante/Peller/Schumann/LaBrie/Shaffer,

Real Limits in the Virtual World: Self-Limiting Behavior of Internet Gamblers, Journal of Gambling

Studies 2008, S. 463 ff. Siehe auch Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated?

Managing the Risks, S. 70 f., abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf. Siehe auch Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neu-

ordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 4, abrufbar unter

http://www-user.uni-bremen.de/~tobha/Stellungnahme_2006.pdf

151 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member

States of the European Union, S. 9, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 15 (1.12, 1.13 und 1.14), http://www.cen.eu/

cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf.

152 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., TEIL ZWEI - Rechtswissenschaftliche Studie, S. 253 f.; Draft

CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 15 (1.17 und 1.18),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

43

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos könnten die Möglichkeit einer

Selbstsperre vorsehen,153 die etwa ein Jahr beträgt und deren Aufhebung frü-

hestens nach einem Jahr beantragt werden kann.154 Außerdem könnte eine

Sperre solange in Kraft bleiben bis der Kunde explizit ihre Aufhebung initiiert.155

Insoweit erscheint eine enge Orientierung an der bisherigen Regelung des § 8

GlüStV möglich.

• Auf die Möglichkeit und Bedingungen für eine Selbstsperre wird in der jeweili-

gen Landessprache der zugelassenen Spieler deutlich an prominenter Stelle

hingewiesen. Die Selbstsperre kann folgendermaßen ausgestaltet sein:156 Sie

kann leicht durch den Spieler selbst initiiert werden. Der Spieler kann zudem die

Länge der Sperre über das gesetzliche Minimum hinaus festsetzen. Auch eine

zeitlich unbegrenzte Selbstsperre ist möglich. Eine Selbstsperre hat zur Folge,

dass das Spielerkonto gesperrt wird und sämtliche Guthaben des Spielers aus-

gezahlt werden müssen. Die Selbstsperre wird durch den Glücksspielanbieter

zeitnah umgesetzt (innerhalb weniger Stunden) und dem Spieler werden die

Folgen der Selbstsperre etwa per Email noch einmal mitgeteilt.157

• Ein gesperrter Spieler darf nicht mehr Ziel von Marketingmaßnahmen sein.158

153 Vgl. Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member Sta-

tes of the European Union, S. 10, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspiel-

rechts – Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 4, abrufbar unter http://www-user.uni-

bremen.de/~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively

Regulated? Managing the Risks, S. 71, abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf.

154 Vgl. oben II. B. 2. b) cc).

155 Vgl. oben II. B. 2. b) cc) sowie Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspiel-

rechts – Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 4, abrufbar unter http://www-user.uni-

bremen.de/ ~tobha/Stellungnahme_2006.pdf.

156 Vgl. oben II. B. 2. b) cc)

157 Vgl. zur Selbstsperre insgesamt Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 16 (1.26 – 1.32 und 1.41), http://www.cen.eu/cen/Sectors/ TechnicalCommittees-

Workshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf.

158 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 16 (1.33 und

1.35), http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents

/WS58DraftCWA.pdf.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

44

• Es ist sicherzustellen, dass die Selbstsperre von sämtlichen in Deutschland kon-

zessionierten Glücksspielanbietern umgesetzt wird, mithin anbieterübergrei-

fend funktioniert.159

• Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos haben die Möglichkeit von „Cool-

down“-Phasen – also zeitlich eng begrenzten und vom Spieler selbst gewählten

Spielausschlüssen – vorzusehen, die sich z.B. über einige Tage oder Wochen er-

strecken, damit der Spieler Abstand vom Glücksspiel gewinnen kann ohne sich

gleich dem strengen Regime einer Selbstsperre unterwerfen zu müssen.160 Auch

hier dürfte der Spieler nicht mehr Ziel von Marketingmaßnahmen sein und es

wäre optimal, wenn der „Cool-down“-Ausschluss anbieterübergreifend funktio-

nieren würde.

e) Infrastruktur zur Überwachung der Spieler

Ein zentrales Element für einen effektiven Spielerschutz im Hinblick auf Spiel-

suchtgefahren könnte die Implementierung einer effektiven Überwachungsinfra-

struktur durch den Glücksspielanbieter sein. Wie oben bereits erwähnt, kann eine

gezielte und effektive Spielsuchtprävention als Teil der Verantwortlichkeit des

Glücksspielanbieters nur durch diesen erfolgen, wenn er seine Kunden kennt und

damit direkt mit ihnen Kontakt aufnehmen kann („Know your customer“). Ein

anonymes Spiel ist daher abzulehnen.161 Im vorliegend vor allem interessierenden

Bereich der Online-Glücksspiele lässt sich eine entsprechende Infrastruktur be-

sonders effektiv implementieren, da automatisierte Verfahren zum Einsatz kom-

159 So auch Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.40),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts –

Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 2, abrufbar unter http://www-user.uni-

bremen.de/~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; vgl. in diesem Zusammenhang auch Presidency

Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the Member States of the Euro-

pean Union, S. 9, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/

en/09/st16/st16571.en09.pdf; Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Mana-

ging the Risks, S. 71, abrufbar unter http://www.house.gov/apps/

list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf, der einen Anbieter einer weltweiten Datenbank mit

gesperrten Spielern erwähnt.

160 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 16 (1.26, 1.31,

1.35 und 1.36), http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/

Documents/WS58DraftCWA.pdf.

161 So auch Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der

Spiel- und Wettsucht, S. 3 f., abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf.

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45

men können. Ansatzpunkt für ein solches Überwachungssystem ist zum einen der

Registrierungsprozess selbst sowie ein nachfolgendes Monitoring.

aa) Anforderungen an den Registrierungsprozess

Für den Bereich der Sportwetten und Online-Casinos stellt die Forderung nach ei-

nem Registrierungsprozess keine unüberwindbare Hürde dar. Da im Rahmen der

Spiel- und Wettvorgänge zwangsläufig finanzielle Transaktionen wie Ein- und Aus-

zahlungen erfolgen, müssen die Anbieter etwa im Hinblick auf Betrugsversuche,

Anti-Geldwäscheverpflichtungen oder im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung

ohnehin einen Registrierungsprozess vorsehen, der ihnen zum einen personenbe-

zogene Daten verschafft, welche die Aufdeckung problematischer Finanztransak-

tionen ermöglicht, und zum anderen insbesondere eine sichere Auszahlung von

Gewinnen ermöglicht.162

Vor diesem Hintergrund ist es bereits heute üblich, im Rahmen einer Benutzerre-

gistrierung zumindest den Namen, die Adresse, das Geburtsdatum und Kontaktda-

ten (Telefonnummer, Email-Adresse) abzufragen. Diese Daten lassen sich mittels

Identitätsprüfungen spezialisierter Unternehmer verifizieren. Dabei können fal-

sche Angaben bereits während des Registrierungsprozesses entdeckt und der ent-

sprechende Nutzer abgewiesen werden.163 Weiterhin kann (und muss) der Aus-

zahlungsvorgang so ausgestaltet werden, dass anonyme Auszahlungen von Ge-

winnen nicht möglich sind. Verlangt werden könnten bei Registrierung daher die

Angabe einer gültigen Bankverbindung und die Übermittlung einer Ausweis-

Kopie.164 Die Abfrage einer Bankverbindung eröffnet dann beispielsweise den Ein-

satz des Q-BIT-Verfahrens der Schufa, wo auf eine bereits bei der Kontoeröffnung

erfolgte Identifizierung des Kontoinhabers zurückgegriffen wird.165 Dies beruht

darauf, dass bei jeder Kontoeröffnung in Deutschland eine Überprüfung der Iden-

tität des zukünftigen Kontoinhabers mittels Lichtbildausweises vor Ort (Face-to-

Face-Kontrolle) erfolgt und dessen Volljährigkeit anhand seiner Ausweispapiere

überprüft wird. Hinzu kommt bei der Abfrage einer Bankverbindung, dass ein the-

oretischer Missbrauch dieser Daten durch einen Dritten durch den Kontoinhaber

162 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 19.

163 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 16 f.

164 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 20.

165 Siehe hierzu auch ausführlich im Rahmen der Untersuchung des Jugendschutzes unten Punkt II.

C. 3. b).

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

46

schnell anhand seine Kontoauszüge bemerkt würde. Ein Missbrauch von Kontoda-

ten ist allerdings schon deshalb nicht lukrativ, da Auszahlungen möglicher Gewin-

ne in der Praxis der Online-Glücksspielanbieter stets nur auf das angegebene Kon-

to erfolgen.

Somit lässt sich für den Online-Bereich festhalten, dass Glücksspielanbieter sehr

zuverlässig bereits heute die Identität ihrer Kunden kennen bzw. Verfahren beste-

hen, welche den Anbietern eine sichere Identifikation ihrer Kunden ermöglichen.

Dies hat zur Folge, dass gerade in diesem Bereich Suchtpräventionsmaßnahmen

im Sinne der oben beschriebenen Einzelmaßnahmen – wie das Erkennen proble-

matischen Spielverhaltens oder die direkte Ansprache potentieller Problemspieler

– effektiv durchgeführt werden können. Insoweit ist der Spieler nicht nur Teil ei-

ner anonymen Besuchermasse, etwa eines Casinos. Weiterhin erscheint für den zu

fordernden Mindestumfang der bei der Registrierung abzufragenden personenbe-

zogenen Daten ein Rückgriff auf § 23 GlüStV sinnvoll. Dort findet sich bereits eine

datenschutzrechtliche Erlaubnisnorm für personenbezogene Daten, welche in ei-

ner Sperrdatei gespeichert und übermittelt werden dürfen. Die dort genannten

Daten beinhalten: Name, Aliasname, Geburtsdatum, Geburtsort, Anschrift und

Lichtbild.166

Im Übrigen ist im Rahmen der Anmeldung sicherzustellen, dass der Kunde nur

über einen Account beim Glücksspielanbieter verfügt oder zumindest alle Ac-

counts eines Kunden bei einem Glücksspielanbieter dem Kunden zugeordnet wer-

den können.167 Andernfalls würde insbesondere das nachfolgend näher dargestell-

te Überwachungs-, Warn- und Sperrsystem nicht effektiv arbeiten können.

bb) Anforderungen an ein Überwachungs- und Warnsystem

Kann, wie eben dargestellt, gerade im Onlinebereich eine sichere Identifikation

von Spielern durch einen entsprechend abgesicherten Registrierungsprozess er-

folgen, liegt es nahe, sich diesen Umstand auch für eine Überwachung von Spiel-

und Wettvorgängen der einzelnen Spieler zunutze zu machen, um problemati-

166 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Presidency Progress Report, Legal framework for gambling

and betting in the Member States of the European Union, S. 7, abrufbar unter

http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf.

167 Vgl. insoweit auch Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Be-

kämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 5, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf

Page 47: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

47

sches Spielverhalten frühzeitig zu erkennen.168 Hierzu muss allerdings das Spiel-

verhalten aufgezeichnet (so genanntes Loggen) werden.

Ausgangspunkt ist hierfür, dass jeder registrierte Nutzer über Zugangsdaten – wie

einen Benutzernamen und ein Passwort – verfügt, damit er bei jeder Nutzung ei-

nes Glücksspielangebotes von seinem Anbieter stets aufs Neue eindeutig identifi-

ziert werden kann und seine Spielaktionen geloggt und ihm vor allem zugeordnet

werden können. Diese Vorgabe stellt – ebenso wie eine generelle Registrierungs-

pflicht – bereits heute in der Praxis keine Schwierigkeit für Glücksspielanbieter

dar, da aus den oben genannten Gründen der Geldwäschebekämpfung usw. be-

reits aktuell seriöse Glücksspielangebote stets eine Anmeldung (so genannter Lo-

gin) mittels Zugangsdaten vorsehen, bevor das Spielangebot genutzt werden kann.

Die Gefahr einer Weitergabe der Zugangsdaten ist dabei als eher gering anzuse-

hen, da nach dem Login stets finanzielle Transaktionen möglich sind.

Unter dieser Prämisse ist es dann ohne weiteres möglich, sämtliche Aktionen des

Nutzers im Rahmen des Glücksspielangebotes zu loggen und einem bestimmten

Spieler zuzuordnen.169 Im Hinblick auf eine Prävention und Früherkennung von

problematischem Spielverhalten könnten dabei etwa folgende Informationen von

Bedeutung sein:

• Dauer der Spielaktivitäten,

• Häufigkeit der Spielaktivitäten,

• Häufigkeit der Einsätze pro Zeiteinheit,

• Höhe der Einsätze,

• „Hinterherjagen“ von Verlusten.170

168 Vgl. allgemein zur Überwachung des Spielerverhaltens als Präventionsmaßnahme Meyer/Hayer,

Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts – Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht,

S. 3 f., abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/~tobha/Stellungnahme_2006.pdf. In die-

sem Sinne auch Presidency Progress Report, Legal framework for gambling and betting in the

Member States of the European Union, S. 8, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/

pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf; Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote

Gambling Measures, S. 17 (1.39), http://www.cen.eu/cen/Sectors/

TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS58DraftCWA.pdf.

169 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 28 f,

170 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 29.

Page 48: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

48

Die genannten Parameter lassen sich automatisiert erfassen und problematisches

Spielverhalten lässt sich vergleichsweise leicht identifizieren.171 Zu beachten ist,

dass die obige Aufzählung lediglich exemplarisch und keinesfalls abschließend zu

verstehen ist. Auch müssen die genauen „Überwachungsparameter“ in Zusam-

menarbeit aller Beteiligten (Behörden, Anbieter, Glücksspielsuchtexperten usw.)

in Bezug auf den jeweiligen Glücksspieltypus (Sportwette, Poker, Roulette usw.)

festgesetzt werden, um den jeweiligen Besonderheiten eines bestimmten Glücks-

spiels Rechnung tragen zu können.

Im Übrigen sollten Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos in Kooperation

mit einer anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung für Suchtforschung die Fol-

gen der von ihnen angebotenen Glücksspiele untersuchen, hierauf basierend ihre

Präventivmaßnahmen, vor allem ihr Überwachungssystem, sowie ihr Spielangebot

anpassen und hierüber alle zwei Jahre an die Aufsichtsbehörden berichten. Inso-

weit erscheint eine enge Orientierung an der bisherigen Regelung des § 6 GlüStV

möglich. Gerade diese Maßnahme ist für Glücksspielangebote im Internet beson-

ders geeignet, da auf der Grundlage algorithmischer Auswertungen von Nut-

zungsdaten i.d.R. bessere Erkenntnisse und breitere Grundlagen für die Suchtfor-

schung möglich sind als bei Auswertungen in Offline-Glücksspielkonstellationen.

f) Beschränkungen durch den Glücksspielanbieter selbst

Als Maßnahme der Spielsuchtprävention könnten schließlich solche in Betracht

gezogen werden, die Beschränkungen des Spiels und des Spielers betreffen, wel-

che zwingend durch den Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos vorgege-

ben werden. In Betracht könnte insoweit kommen:

• Spieler haben im Rahmen der Anmeldung zu einem Glücksspielangebot zwin-

gend ein Einsatzlimit und / oder Depotlimit und / oder Verlustlimit (pro Tag,

Woche oder Monat) festzusetzen.

• Spieler haben im Rahmen der Anmeldung zu einem Glücksspielangebot zwin-

gend Beschränkungen der Spielzeit bzw. eine Limitierung der Besuche pro Zeit-

einheit (z.B. Woche / Monat) festzusetzen.

• Entsprechende Einsatzlimits und Spielbeschränkungen könnten nicht nur dem

Spieler überlassen bleiben, sondern auch ganz allgemein für alle Spieler festge-

setzt werden. Bei solchen Zwangsmaßnahmen besteht allerdings die Gefahr,

171 Vgl. TÜV-Gutachten „Was kann das Internet“, S. 29.

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49

dass sie gerade bei Spielern, die geschützt werden müssen, zu einem Abwan-

dern zu ausländischen Angeboten führen, und dass diese Spieler dadurch von

den Hilfsangeboten und sonstigen Präventivvorkehrungen abgeschnitten wer-

den. Ob – eventuell auch nur in speziellen Einzelbereichen – derartige Be-

schränkungen vorgenommen werden, hängt letztlich auch von Prognosen über

den Erfolg eines Wettbewerbsmodells und die Verdrängung der illegalen Anbie-

ter sowie von politischen Einschätzungen ab. Dies ist auch von

spielsektorspezifischen Überlegungen abhängig.

• Falls das Verbot von Live-Wetten zukünftig nicht mehr besteht, könnte einem

Spielsuchtpotential z.B. dadurch entgegengewirkt werden, dass bei Live-Wetten

eine gesetzlich vorgegebene Obergrenze pro Wetteinsatz und / oder ein Maxi-

malgewinn pro Wette durch den Anbieter der Sportwette oder des Online-

Casinos festgelegt werden muss. Wie das bisher geltende Verbot von Live-

Wetten aus Gründen der Spielsuchtprävention generell zu beurteilen ist, lässt

sich im Rahmen dieses Gutachtens nicht näher beurteilen. Wie oben bereits

erwähnt, werden eine hohe Ereignisfrequenz und ein schnelle Auszahlungen

zwar als bedeutend im Hinblick auf ein Spielsuchtpotential angesehen.172 In-

wieweit dieser Faktor bei Live-Wetten jedoch zum Tragen kommt, ist – soweit

ersichtlich – bisher wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Der deutsche

Gesetzgeber beruft sich für sein Verbot von Live-Wetten in § 21 Abs. 2 S. 3

GlüStV auf Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts,173 welches wiederum nur

auf einen Aufsatz von Hayer/Meyer174 rekurriert. Für eine Aufhebung des Ver-

bots könnte sprechen, dass bisher im Ausland tätige Sportwettenanbieter prak-

tisch immer erfolgreich Live-Wetten anbieten175 und daher vermutlich bei Be-

stehenbleiben des Verbotes ein Tätigwerden im Inland nicht in Betracht ziehen

würden. Auch hier ist wieder zu befürchten, dass deutsche Internetuser im Falle

172 Vgl. Becker, Glücksspielsucht in Deutschland, 2009, S. 31.

173 Vgl. BVerfG NJW 2006, 1261, 1267.

174 Vgl. Hayer/Meyer, Sportwetten im Internet - Eine Herausforderung für suchtpräventive Hand-

lungsstrategien, SuchtMagazin 2004, 33, 40. Andere Untersuchungen kommen jedoch zur gegen-

teiligen Auffassung, dass Live-Wetten kein relevant erhöhtes Suchtpotential zukommt, vgl.

LaBrie/LaPlante/Nelson/Schumann/Shaffer, Assessing the Playing Field: A Prospective Longitudi-

nal Study of Internet Sports Gambling Behavior, Journal of Gambling Studies 2007, S. 347 ff.

175 Vgl. LaBrie/LaPlante/Nelson/Schumann/Shaffer, Assessing the Playing Field: A Prospective Longi-

tudinal Study of Internet Sports Gambling Behavior, Journal of Gambling Studies 2007, S. 347 ff. ,

wonach etwa beim Sportwettenanbieter bwin Live-Wetten etwa ein Drittel der Gesamtwetten

ausmachen.

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50

eines Live-Wetten-Verbotes in Deutschland ausländische Angebote nutzen

würden und damit das regulative Ziel einer Rückholung der Spieler in den regu-

lierten Bereich gefährdet wäre.

• Eine Fremdsperre kann generell bei Spielern erfolgen, von denen dem Anbieter

eines Glücksspiels bekannt ist oder bei dem zumindest tatsächliche Anhalts-

punkte vorliegen, dass er spielsuchtgefährdet oder überschuldet ist, seinen fi-

nanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt oder Spieleinsätze riskiert, die in

keinem Verhältnis zu seinem Einkommen oder Vermögen stehen.176

• Die Fremdsperre ist dabei von sämtlichen in Deutschland konzessionierten

Glücksspielanbietern umzusetzen, d.h. sie muss anbieterübergreifend funktio-

niert.177

• Im Übrigen kann hinsichtlich der Fristen, der Auszahlung von Guthaben und

möglichen Marketingmaßnahmen das zur Selbstsperre Gesagte gelten.178

Speziell im Hinblick auf das oben unter e) dargestellte Überwachungs- und Warn-

system könnte bei Anzeichen für ein problematisches Spielverhalten Alarm ausge-

löst und folgendes abgestuftes Reaktionssystem in Gang gesetzt werden:

• Zunächst erfolgt durch den Anbieter der Sportwette oder des Online-Casinos

eine manuelle Vorkontrolle, in deren Rahmen besonders geschulte Mitarbeiter

die einzelnen Parameter nochmals näher prüfen und die konkreten Befunde

des Einzelfalls bewerten. Denn es ist zu vermuten, dass automatisch überwach-

te Parameter stets nur Hinweise auf ein mögliches problematisches Spielverhal-

176 Vgl. oben II. B. 2. b) cc) sowie Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling

Measures, S. 16 (1.38),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

177 So auch Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.40),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf; Meyer/Hayer, Stellungnahme zur Neuordnung des Glücksspielrechts –

Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, S. 2, abrufbar unter http://www-user.uni-bremen.de/

~tobha/Stellungnahme_2006.pdf; vgl. in diesem Zusammenhang auch Presidency Progress Re-

port, Legal framework for gambling and betting in the Member States of the European Union,

S. 9, abrufbar unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/09/st16/st16571.en09.pdf;

Sparrow, Can Internet Gambling Be Effectively Regulated? Managing the Risks, S. 71, abrufbar

unter http://www.house.gov/apps/list/hearing/financialsvcs_dem/sparrow.pdf, der einen An-

bieter einer weltweiten Datenbank mit gesperrten Spielern erwähnt.

178 Siehe oben B. 3. d).

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51

ten liefern können, das Raster aber nicht so feinmaschig und auf singuläre

Konstellationen zugeschnitten sein kann, dass es jedem Einzelfall gerecht wird.

• Besteht bei einem Spieler aber auch nach einer manuellen Nachkontrolle ein

Verdacht auf problematisches Spielverhalten, wird der betreffende Spieler beim

nächsten Login zunächst mit dieser Tatsache konfrontiert und dazu aufgefor-

dert, z.B. den bereits oben erwähnten WHO-Test durchzuführen. Sollte dabei

die Auswertung des Testes – welche vom Glücksspielanbieter übernommen

werden kann – ergeben, dass Anhaltspunkte für problematisches Spielverhalten

vorliegen, können dem Spieler konkrete Hilfeangebote, wie die Nennung einer

Hotline-Nummer für eine Beratung, genannt werden und er gleichzeitig zu einer

Änderung seines Spielverhaltens aufgefordert werden.

• Würde ein Spieler sein Spielverhalten trotz erster „Warnung“ nicht ändern,

können in einem zweiten Schritt Verhaltenskorrekturen durch die Glücksspiel-

anbieter in Betracht zu ziehen. So wäre denkbar, dass für den Spieler ein zeitli-

ches Spiellimit oder eine vom Anbieter vorgegebene Begrenzung des Einsatzes

(pro Tag / Woche) eingreift. Optimal wäre in diesem Zusammenhang, wenn

entsprechende Beschränkungen wiederum anbieterübergreifend durchgeführt

werden könnten.

• Schließlich kann in einem letzten Schritt – sofern der Spieler weiterhin auffällig

bleibt – wiederum eine bereits oben näher dargestellte Fremdsperre durch den

Glücksspielanbieter verhängt werden.179

g) Vorgehen gegen illegale Anbieter

Um die genannten nationalen Präventionsmaßnahmen gegen Spielsucht abzusi-

chern und die nach deutschem Recht konzessionierten Glücksspielanbieter zu

schützen, sollte weiterhin noch geprüft werden, ob bei Schaffung eines Konzessi-

onsmodells ergänzend ein spezifisches Vorgehen gegen solche Glücksspielanbieter

sinnvoll ist, die sich insbesondere im nicht-europäischen Ausland befinden und

keine Präventionsmaßnahmen ergreifen. Hierzu bieten die §§ 284 ff. StGB aus ma-

teriell-rechtlicher Sicht bereits das notwendige Instrumentarium, da sie verwal-

tungsakzessorisch ausgestaltet sind und automatisch diejenigen Glücksspielanbie-

ter erfassen, die über keine behördliche Erlaubnis verfügen. Das eigentliche Prob-

179 Vgl. Draft CEN Workshop Agreement „Responsible Remote Gambling Measures, S. 17 (1.39),

http://www.cen.eu/cen/Sectors/TechnicalCommitteesWorkshops/Workshops/Documents/WS5

8DraftCWA.pdf.

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52

lem liegt insoweit nicht im materiellen Strafrecht, sondern in der „Abschottung“

von Glücksspielanbietern, die sich einerseits im (vor allem nicht-europäischen)

Ausland befinden und andererseits über das Internet leicht für Spieler erreichbar

sind. Eine Sperrung oder Abschottung der Internetzugänge hat sich dabei im Be-

reich der illegalen Inhalte sowohl aus technischen als auch aus verfassungsrechtli-

chen Gründen als wenig erfolgversprechend erwiesen und bisher nicht durchge-

setzt.180 Denkbar wäre in diesem Zusammenhang aber eventuell die Inanspruch-

nahme von Zahlungsdienstleistern, wenn z.B. Kreditkartenunternehmen über den

„Merchant Category Code“ (MCC) die Art des Geschäftsvorfalls bestimmen (z.B.

Wetten) und gegebenenfalls die Inanspruchnahme ihrer Zahlungsdienstleistung

verweigern würden.181 Wenn es nicht – wie bei einem absoluten Verbotsmodell –

darum geht, den Spieler vollständig von allen Spielmöglichkeiten abzuschneiden,

sondern wenn dem Spieler in einem dualen System auch attraktive legale Spiel-

möglichkeiten zur Verfügung stehen, dürften Maßnahmen gegen die Nutzung ille-

galer Spielmöglichkeiten gegen ausländische Anbieter wesentlich leichter und bes-

ser wirken, da der Spieler dann eine legale und einfachere Möglichkeit zur Erfül-

lung seiner Bedürfnisse hat. Ob und inwieweit ein solches Vorgehen sinnvoll ist

und wie es im Detail aussehen könnte, kann aufgrund der Aufgabenstellung des

Gutachtens vorliegend allerdings nicht weiter vertieft werden. Entscheidend ist im

vorliegenden Zusammenhang nur, dass entsprechende Zugangserschwerungen

auch in einem dualen System möglich und hier sogar erfolgversprechender als bei

einem Totalverbot wirken dürften.

180 Vgl. zur Wirksamkeit und zu den Möglichkeiten der Internetsperren Sieber/Nolde, Sperrverfü-

gungen im Internet, 2009; Sieber, Sperrverpflichtungen gegen Kinderpornografie im Internet, JZ

2009, 653 ff.

181 Vgl. allgemein zum MCC http://usa.visa.com/download/corporate/resources/mcc_booklet.pdf.

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C. Jugendschutz – Anforderungen und Maßnahmen

1. Überblick

Das Jugendschutzrecht ist vor allem im Bereich der neuen Medien sehr komplex

und ausdifferenziert. Dies zeigt sich bereits an den zahlreichen gesetzlichen Be-

stimmungen, welche Internetangebote (Telemedien) betreffen können wie z.B.

das Jugendschutzgesetz (JuSchG), der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV),

Sonderbestimmungen zum Jugendschutz bei Gewinnspielen im Rundfunkstaats-

vertrag (RStV) sowie sonstige spezialgesetzliche ordnungsrechtliche Bestimmun-

gen und schließlich Verbreitungsverbote und Beschränkungen des Strafgesetz-

buchs (StGB).182 Diese gesetzlichen Bestimmungen sind auch und gerade im Falle

eines künftigen Wettbewerbs- oder Konzessionsmodells beizubehalten und umzu-

setzen, zumal bei den Online-Medien nicht weniger strenge Regeln gelten können

als im klassischen Offline-Bereich.

Hierfür ist vor allem von Bedeutung, welche bisherigen gesetzlichen Anforderun-

gen und Lösungsansätze zur Umsetzung des jugendschutzrechtlichen Teilnahme-

schutzes bestehen sowie ob und wie sich die mit den genannten Glücksspielberei-

chen verbundenen Gefahren und Risiken für Kinder und Jugendliche in das beste-

hende abgestufte System nach Gefährdungsgraden beim Jugend-

Wahrnehmungsschutz einstufen lassen (hierzu nachfolgend 2.). Denn nur auf die-

ser Grundlage kann im Weiteren kohärent abgeleitet werden, welche Maßnahmen

zur Gewährleistung des Jugendschutzes notwendig sind (hierzu 3.).

2. Bisherige Lösungsansätze zum Teilnahme- und Wahrneh-mungsschutz

a) Jugendschutzrechtliche Teilnahmeverbote bei Glücks- und

Gewinnspielen

aa) Teilnahmeverbot nach § 4 Abs. 3 S. 2 und 3 GlüStV

Der bisherige Glücksspielstaatsvertrag regelt die in § 1 Nr. 3 GlüStV ausdrücklich

als Schutzziel genannten Belange des Jugendschutzes in erster Linie im Rahmen

der Vorschrift des § 4 Abs. 3 GlüStV. Danach darf das „Veranstalten und das Ver-

182 Vgl. die überblickshaften Darstellungen zum gesetzlichen Jugendmedienschutz von Liesching,

BPjM-aktuell 92/2007, S. 5 ff.

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mitteln von öffentlichen Glücksspielen den Erfordernissen des Jugendschutzes

nicht zuwiderlaufen“. Die „Teilnahme von Minderjährigen“ wird nach Satz 2 als

„unzulässig“ geregelt, wobei Satz 3 weiter spezifiziert, dass „die Veranstalter und

die Vermittler sicherzustellen“ haben, „Minderjährige von der Teilnahme“ auszu-

schließen. Die Regelung hat im Grundsatz nur für Offline-Glücksspiele praktische

Bedeutung, da entsprechende Spielangebote im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV

schon generell (d.h. für alle Altergruppen) verboten sind.183

Insgesamt besteht also für Minderjährige im Bezug auf Glücksspiele ein Totalver-

bot der Teilnahme. Die Amtliche Begründung konkretisiert die Anforderungen an

den insbesondere in § 4 Abs. 3 JuSchG geregelten Ausschluss der Teilnahme Min-

derjähriger aber nur zum Teil. Von Bedeutung ist insoweit aber, dass die Geset-

zesbegründung ausdrücklich auf die parallelen Anforderungen zum Jugendschutz

in § 6 JuSchG verweist,184 der für Spielhallen und Spiele mit Gewinnmöglichkeit in

der Öffentlichkeit gilt.185 Darüber hinaus wird in der Amtlichen Begründung klar-

gestellt, dass ein entsprechendes Verbot der Teilnahme Minderjähriger uneinge-

schränkt für öffentliche Glücksspiele gelte. Der weiter gegebene Hinweis darauf,

dass dies der bereits vormals wortlautidentisch bestehenden Regelung nach § 4

Abs. 2 S. 2 LottStV entspreche, eröffnet freilich zunächst kaum weitergehende An-

haltspunkte für die Auslegung der Umsetzung des Teilnahmeverbotes,186 da sich

auch in den Gesetzesmaterialien zum LottStV keine weiterführenden Konkretisie-

rungen finden.187

183 Zur ausnahmsweise gewährten Übergangsregelung des § 25 Abs. 6 GlüStV siehe sogleich.

184 Siehe zu § 6 Abs. 2 JuSchG ausführl. sogleich unten Punkt C. 2. b) bb).

185 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 14: „In Absatz 3 Satz 1 wird wie bisher klargestellt, dass die Erfor-

dernisse des Jugendschutzes im Bereich des Glücksspiels besonders zu beachten sind. Dazu ge-

hören die Anforderungen des Jugendschutzgesetzes (JuSchG). So sieht § 6 Abs. 1 JuSchG vor,

dass die Anwesenheit in Spielhallen oder ähnlichen vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden

Räumen Kindern und Jugendlichen nicht gestattet werden darf. § 6 Abs. 2 JuSchG bestimmt, dass

die Teilnahme an Spielen mit Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit Kindern und Jugendlichen

nur auf bestimmten Veranstaltungen und nur unter der Voraussetzung gestattet werden darf,

dass der Gewinn in Waren von geringem Wert besteht. Diese Anforderungen können auch durch

Nebenbestimmungen konkretisiert werden“.

186 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 14.

187 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/716, S. 9, wo im Wesentlichen dieselben Schutzzweckerwägungen des

besonderen Spieltriebs Minderjähriger wiedergegeben werden wie in der späteren Amtl. Be-

gründung zu § 4 Abs. 3 S. 2 GlüStV, vgl. zu letzterem Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 14.

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Die Veranstalterpflicht zur „Sicherstellung“ des Teilnahmeausschlusses nach § 4

Abs. 3 S. 3 GlüStV erfolgte ausweislich der Gesetzesmaterialien auf Anregung der

Suchtverbände, um Verstöße über entsprechende Ordnungswidrigkeitstatbestän-

de sanktionierbar zu machen. Ob hiermit eine Erweiterung des materiellen Rege-

lungsgehaltes des Teilnahmeverbotes nach § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 GlüStV bzw. der

vormals geltenden entsprechenden LottStV-Regelung einhergehen sollte, ist frag-

lich. Was unter der Sicherstellung des Teilnahmeausschlusses zu verstehen ist,

bleibt in der Amtlichen Begründung unkommentiert.

Die für einen Übergangszeitraum von einem Jahr befristete Regelung des § 25 Abs.

6 GlüStV enthält als temporäre Ausnahme vom generellen Internetverbot des § 4

Abs. 4 GlüStV allerdings strenge Vorgaben zum Schutz minderjähriger und ge-

sperrter Spieler. Insbesondere musste nach § 25 Abs. 6 Nr. 1 GlüStV der „Aus-

schluss minderjähriger oder gesperrter Spieler (…) durch Identifizierung und Au-

thentifizierung gewährleistet“ werden, wobei „die Richtlinien der Kommission für

Jugendmedienschutz zur geschlossenen Benutzergruppe (…) zu beachten“ sei-

en.188 Insoweit ist aber fraglich, ob hieraus sichere Schlüsse auf die allgemein aus-

reichenden Jugendschutzanforderungen zum Teilnahmeausschluss von Jugendli-

chen gezogen werden können. Denn die gesetzgeberische Entscheidung für die

sehr strengen Anforderungen der geschlossenen Benutzergruppe, welche sonst

nur für Pornographie (§ 184 StGB), indizierte und schwer jugendgefährdende In-

ternetangebote gelten, ergab sich aus der Erwägung, dass von dem generellen

Totalverbot des Internetglücksspiels (§ 4 Abs. 4 GlüStV) nur in äußerst engen

Grenzen und nur temporär abgewichen werden sollte. Die Regelung betraf fak-

tisch zudem nur zwei gewerbliche, ausschließlich im Internet tätige Anbieter, und

stellte für diese eine ganz ausnahmsweise, singuläre Verhältnismäßigkeitsregelung

bis zum Übergang auf andere Vertriebswege dar.189 Ob sich aus § 25 Abs. 6 Nr. 1

GlüStV Rückschlüsse auf die hinreichenden Jugendschutzanforderungen ziehen

lassen, ist fraglich, da die Regelung ausdrücklich auch der Identifizierung und Au-

thentifizierung erwachsener „gesperrter Spieler“ dienen sollte. Andere, allein auf

den Jugendschutz ausgerichtete Verifizierungsmöglichkeiten wie etwa die Über-

188 Vgl. hierzu auch Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 20; ferner Postel in: Dietlein/Hecker/Ruttig, § 25

GlüStV Rn. 44 ff. Die KJM hat in diesem Zusammenhang Altersverifikationssysteme für den Über-

gangszeitraum von Lotto Bayern und Lotto Hamburg anerkannt (vgl. KJM-PM 04/2008 v.

23.01.2008 und KJM-PM 12/2007 vom 07.08.2007).

189 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 20.

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prüfung einzugebender Personalausweisnummern, kamen daher von vorneherein

nicht in Betracht. Vielmehr ist naheliegend, dass auch der – neben der Jugend-

schutzkontrolle – zu berücksichtigende Ausschluss erwachsener gesperrter Spieler

zum Erfordernis der hohen Anforderungen nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV (geschlosse-

ne Benutzergruppe) geführt hat. Daher müssen für die Frage, welche Maßnahmen

zur Gewährleistung des Ausschlusses der Teilnahme von Kindern und Jugendlichen

hinreichend sind, weitere Parameter herangezogen werden. Die Frage, welche

Anforderungen an den Ausschluss auch erwachsener Spieler (etwa auf einer

Sperrliste) zu stellen sind, ist freilich kein Untersuchungspunkt des Jugendschut-

zes, sondern der Spielsuchtprävention. Hierauf wurde bereits im Rahmen des vor-

herigen Untersuchungsteils eingegangen.190

Von erheblicher Bedeutung ist indes im vorliegenden Zusammenhang des jugend-

schutzrechtlichen Teilnahmeschutzes, dass sowohl die Amtliche Begründung zu §

4 Abs. 3 GlüStV als auch zur Vorgängerregelung des § 4 Abs. 2 LottStV maßgeblich

auf die Schutzzweckerwägungen verweisen, die Gefahr der Ausnutzung des Spiel-

triebs Jugendlicher in besonders hohem Maß“ bestehe, „da Jugendliche in der Re-

gel durch die in Aussicht gestellten Gewinne für das Glücksspiel leichter zu begeis-

tern sind als Erwachsene“.191 Diese Erwägungen entsprechen nämlich vollumfäng-

lich der vom Bundesgesetzgeber bei § 6 Abs. 1 und 2 JuSchG für maßgeblich gehal-

tenen Schutzrichtung der Vermeidung, „dass Kinder und Jugendliche zur Spiellei-

denschaft hingeführt werden und um der Ausnutzung des Spieltriebs entgegen-

zuwirken“.192 Dies legt nahe, hinsichtlich der Anforderungen an den Teilnahme-

ausschluss vor allem auch die Jugendschutzregelungen des § 6 Abs. 2 JuSchG nä-

her zu untersuchen.

bb) Teilnahmeverbot nach § 6 Abs. 2 JuSchG

Nach § 6 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes darf insbesondere durch Gewerbetrei-

bende und Veranstalter Kindern und Jugendlichen „die Teilnahme an Spielen mit

Gewinnmöglichkeit in der Öffentlichkeit“ nicht „gestattet werden, mit Ausnahme

„auf Volksfesten, Schützenfesten, Jahrmärkten, Spezialmärkten oder ähnlichen

190 Siehe hierzu oben Punkt II. B. 3.

191 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/716, S. 9; Bayer. LT-Drs. 15/8486, S. 14.

192 Vgl. BT-Drs. 9/1992, S. 11 zur Vorgängerregelung des § 8 JÖSchG; siehe diesbezügl. BT-Drs.

14/9013, S. 19: „Der Paragraph [§ 6 JuSchG] entspricht § 8 Abs. 1 und 2 JÖSchG“.

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Veranstaltungen und nur unter der Voraussetzung (…), dass der Gewinn in Waren

von geringem Wert besteht“.

Bisher in der Rechtsprechung ungeklärt und im Schrifttum umstritten ist die Frage,

ob die Vorschrift des § 6 Abs. 2 JuSchG grundsätzlich auch auf Gewinnspiele im

Rundfunk und im Internet (Telemedien) Anwendung findet.193 Die herrschende

Literatur bejaht indes die Anwendbarkeit und hat zumindest den Wortlaut „Öf-

fentlichkeit“ für sich.194 Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 JuSchG ist zum einen die Beach-

tung des Verbotes des „Gestattens“ der Gewinnspielteilnahme gegenüber Minder-

jährigen und darüber hinaus die Altersnachweispflicht in Zweifelsfällen nach § 2

Abs. 2 JuSchG. Die genannte Vorschrift hat dabei den folgenden Wortlaut: „Perso-

nen, bei denen nach diesem Gesetz Altersgrenzen zu beachten sind, haben ihr Le-

bensalter auf Verlangen in geeigneter Weise nachzuweisen. Veranstalter und Ge-

werbetreibende haben in Zweifelsfällen das Lebensalter zu überprüfen.“

Will man die Vorschrift für den Bereich des Internet Anwendung finden lassen, so

wäre eine strenge Auslegung in dem Sinne denkbar, dass bei einem (anonymen)

Internetnutzer stets ein „Zweifelsfall“ vorliegt und in jedem Fall ein Altersnach-

weis verlangt werden müsste. Diese entspricht allerdings nicht der seit Jahrzehn-

ten gehandhabten und von staatlichen Behörden geduldeten Praxis der Gewinn-

spiele in Medien, welche in der Regel keine Altersüberprüfung vorsieht. Die an-

derweitige Handhabung in der Praxis entspricht einer rechtsgutachtlichen Studie

im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im Jahre 2008, in der

untersucht wurde, durch welche Maßnahmen die Anforderungen der „Zweifels-

fallkontrolle“ in § 2 Abs. 2 JuSchG insbesondere durch Medienanbieter erfüllt

193 Dafür: Erdemir in: Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, 2. Aufl.

2005, Kap. 14 Rn. 119; Liesching, AfP 2004, 496, 499 f. ; ders. in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand 2008, J 214 Rn. 10; ders., JMS-Report 6/2003, S. 2, 3 f.; Raitz von Frentz/Masch, ZUM 2006, 189, 193 f.; dagegen: Wimmer, MMR 2007, 417, 420 f.; unklar: Nikles/Roll/Spürck/Umbach, Jugendschutzrecht – Kommentar, 2. Aufl. 2005, § 6 JuSchG Rn. 14.

194 Aufgrund des weiten Öffentlichkeitsbegriffs und weiterer rechtssystematischer Gründe bejahend

daher: Erdemir in: Spindler/Wiebe, Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, 2. Aufl.

2005, Kap. 14 Rn. 119; Liesching, AfP 2004, 496, 499 f. ; ders. in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche

Nebengesetze, Stand 2008, J 214 Rn. 10; ders., JMS-Report 6/2003, S. 2, 3 f.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

58

werden können.195 Als zu beachtende Erfordernisse ergaben sich dabei im We-

sentlichen folgende Gesichtspunkte:

• Das Verbot des „Gestattens“ der Teilnahme erfordert vom Veranstalter des

Gewinnspiels Maßnahmen, die aufgrund der konkreten Spielgestaltung und

aufgrund von Hinweisen deutlich dokumentieren, dass eine Teilnahme von Kin-

dern und Jugendlichen seitens des Anbieters nicht geduldet wird und aufgrund

der Maßnahmen auch davon auszugehen ist, dass Kinder und Jugendliche „übli-

cherweise“ nicht teilnehmen werden. Dies kann z.B. durch Hinweise auf den

Teilnahmeausschluss Minderjähriger und der verweigerten Gewinnausschüt-

tung an Personen unter 18 Jahren erfolgen.196

• Bezüglich der Altersüberprüfungspflicht „im Zweifelsfall“ i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 2

JuSchG wird angenommen, dass der Veranstalter durch entsprechende Vorkeh-

rungen das Vorliegen eines „Zweifelsfalls“ hinsichtlich des Alters teilnehmender

Zuschauer und Nutzer ausschließen muss. Dies kann ebenfalls durch deutliche

Hinweise auf den Ausschluss der Teilnahme Minderjähriger sowie weitere Hin-

weise darauf erfolgen, dass eine Gewinnausschüttung an gleichwohl teilneh-

mende Kinder und Jugendliche nicht stattfindet. Ergeben sich aber für den Ver-

anstalter weitere Anhaltspunkte für eine Minderjährigkeit des Teilnehmers, so

liegt nach dieser Auffassung ein Zweifelsfall vor, der eine Altersüberprüfungs-

pflicht nach § 2 Abs. 2 S. 2 JuSchG oder ggf. die Pflicht zur sofortigen Unterbin-

dung der weiteren Teilnahme begründet.197

• Gelinge ein Ausschluss des Zweifelsfalls nicht, sei nach dem Ergebnis des KJM-

Studie „nicht zu verhehlen, dass insgesamt erhebliche Probleme einer prakti-

schen Umsetzung der dann erforderlichen Altersüberprüfung im Bereich der

Gewinnspiele im Rundfunk und in Telemedien“ bestehen. Insoweit bewende es

im Wesentlichen dabei, dass durch Maßnahmen des Veranstalters bereits das

Vorliegen eines „Zweifelsfalls“ im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 2 JuSchG grundsätzlich

ausgeschlossen werden müsse.198

195 Vgl. Liesching, Gewinnspiele im Rundfunk und in Telemedien – Straf- und jugendschutzrechtliche

Anforderungen, Gutachten im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), 2008, (zi-

tiert: KJM-Gutachten 2008), insb. S. 86 ff.

196 Vgl. KJM-Gutachten 2008, S. 93.

197 Vgl. KJM-Gutachten 2008, S. 138.

198 Vgl. KJM-Gutachten 2008, S. 138 f.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

59

Die in der KJM-Studie vorgenommene Auslegung der Anforderungen an einen

Teilnahmeausschluss Minderjähriger gibt der seit Jahrzehnten geübten Praxis bei

Gewinnspielen im Rundfunk und im Internet eine gewisse Grundlage.

Sie verdeutlicht auch, dass eine tragende Säule des Jugendschutzes die Implemen-

tierung eines „Abschreckungseffektes“ im Bezug auf die Teilnahme am Glücksspiel

für Kinder und Jugendliche ist. Insoweit tragen die genannten Maßnahmen wie

der deutliche Hinweis auf den Teilnahmeausschluss Minderjähriger sowie die Un-

möglichkeit der Gewinnausschüttung der Praxis Rechnung. Gegebenenfalls könn-

ten diese auch ergänzt werden durch eine Ankündigung, dass im Falle einer ent-

deckten missbräuchlichen Teilnahme durch den Minderjährigen durch den Anbie-

ter umgehend die Erziehungsberechtigten (soweit ermittelbar) informiert werden.

Fraglich ist allerdings, ob eine solche Regelung nicht nur bei Gewinnspielen nach §

6 Abs. 2 JuSchG, sondern auch für die hier diskutierten Glücksspiele mit potentiell

sehr viel höheren Einsätzen und größeren Gefährdungspotentialen ausreichend

sein kann.

cc) Teilnahmeverbot nach § 8a Abs. 1 S. 5 RStV

Die Regierungen der Bundesländer haben sich im Jahr 2008 auf Novellierungen

des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) durch einen 10. Rundfunkänderungsstaatsver-

trag (RfÄndStV) verständigt, in dem auch Neuregelungen zu Gewinnspielsendun-

gen und Gewinnspielen im Rundfunk und in Telemedien enthalten sind. Nach Zu-

stimmung aller Länderparlamente ist der 10. RfÄndStV am 01.09.2008 in Kraft ge-

treten.199 Im Hinblick auf den Jugendschutz zentral ist vor allem die materiell-

rechtliche Vorschrift des § 8a RStV, nach dessen Abs. 1 S. 5 bei Gewinnspielsen-

dungen und Gewinnspielen die „Belange des Jugendschutzes (…) zu wahren“ sind.

Eine unmittelbare Konkretisierung dieser allgemein formulierten Anbieterpflicht

findet sich im RStV nicht. Lediglich mittelbar lassen sich Rückschlüsse aus der Er-

mächtigung zur Regelung von Satzungen und Richtlinien durch die Landesmedien-

anstalten in § 46 Abs. 1 S. 1 2. Hs. RStV ziehen, wonach zur Durchführung des § 8a

RStV neben der Ahndung von Verstößen auch „die Bedingungen zur Teilnahme

Minderjähriger“ näher zu bestimmen sind.

199 Vgl. Bekanntmachung des Zehnten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsver-

träge (Zehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) v. 06.05.2008, Bayer. GVBl. Nr. 9/2008, S. 161 ff.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

60

Der Begründung der Bayerischen Staatsregierung zum Entwurf des 10. RfÄndStV

lassen sich im Bezug auf § 8a Abs. 1 S. 5 RStV nur wenige konkretisierende Hinwei-

se entnehmen.200 Allerdings ist zu vermuten, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf

die Wahrung der Belange des Jugendschutzes vor allem den Schutz vor Teilnahme

von Kindern und Jugendlichen an Gewinnspielen im Blick hatte. Bestätigt wird dies

auch dadurch, dass in der Amtlichen Begründung auf die Ermächtigung des § 46

Abs. 1 S. 1 RStV zum Erlass von Satzungen und Richtlinien durch die Landesmedi-

enanstalten verwiesen wird, wonach näher zu regeln sei, „wie die entgeltliche

Teilnahme Minderjähriger bei bestimmten Gewinnspielen ausgeschlossen

wird“.201 Hiernach ist naheliegend, dass die Landesgesetzgeber unter Jugend-

schutzgesichtspunkten insbesondere die Verhinderung bzw. Minimierung von Ri-

siken im Zusammenhang mit einer möglichen Teilnahme von Kindern und Jugend-

lichen im Blick hatten, wobei der ausdrückliche beschränkende Bezug auf die

„entgeltliche Teilnahme Minderjähriger“ so verstanden werden kann, dass vor-

nehmlich der Schutzzweck der wirtschaftlichen Ausbeutung des Spieltriebs von

Personen unter 18 Jahren bei den gesetzgeberischen Erwägungen im Vordergrund

stand.202 Insoweit ergibt sich eine Parallele zu den Schutzzweckerwägungen nach

dem GlüStV und dem JuSchG.203

Was unter dem Normziel der Wahrung der Belange des Jugendschutzes zu fassen

ist, wird im Rahmen der Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten vor allem

in § 3 Abs. 1 bis 3 normiert.204 Die Vorschriften haben den folgenden Wortlaut:

(1) Minderjährigen darf die Teilnahme an Gewinnspielsendungen nicht gestattet werden. Minderjährigen unter 14 Jahren darf die Teilnahme an

200 Insoweit wird allerdings allgemein für die Abs. 1 Sätze 3 bis 6 ausgeführt, dass sich diese Be-

stimmungen „auf die Transparenz und den Teilnehmerschutz, insbesondere des Jugendschutz“ bezögen; vgl. Bayer. LT-Drs. 15/9667, S. 15.

201 Vgl. Bayer. LT-Drs. 15/9667, S. 15.

202 So auch Liesching, Jugendschutzrechtliche Anforderungen an Gewinnspiele, in: KJM-

Schriftenreihe Band 1, 2009, S. 179, 206.

203 Siehe hierzu oben Punkte II. C. 2. a) aa) und bb).

204 Die Gewinnspielsatzung gilt aber entgegen der eigenen Geltungsbereichsregelung nicht für Te-

lemedien. Wie das BayVGH im Urteil vom 28.10.2009 zutreffend festgestellt hat, findet die Er-

streckung des Geltungsbereichs der Satzung über den Bereich des Rundfunks hinaus auf die so

genannten vergleichbaren Telemedien in den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages keine

tragfähige Grundlage und ist damit unwirksam; vgl. BayVGH ZUM-RD 2010, 102 ff.

Page 61: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

61

Gewinnspielen nicht gestattet werden.[205] Soweit eine Teilnahme unter-sagt ist, dürfen keine Gewinne ausgeschüttet werden.

(2) Besonders kinder- und jugendaffine Gewinnspielsendungen, insbe-sondere die Auslobung von Waren und Produkten als Gewinn, die vor al-lem auf Minderjährige einen großen Anreiz zur Teilnahme ausüben, sowie Gewinnfragen, die vor allem Kinder und Jugendliche ansprechen, sind un-zulässig.

(3) Teilnahmeappelle, die ausschließlich oder ausdrücklich auch an Minderjährige gerichtet sind und deren Unerfahrenheit und Leichtgläubig-keit ausnutzen, sind bei Gewinnspielen und Gewinnspielsendungen unzu-lässig.

Dass nach § 3 Abs. 1 S. 2 Gewinnspielsatzung Minderjährigen ab 14 Jahren die

Teilnahme an Gewinnspielen gestattet werden darf, stellt freilich eine Lockerung

gegenüber den sonst im Glücksspiel- und Jugendschutzrecht geltenden Vorgaben

dar. Dies lässt sich indes damit rechtfertigen, dass § 8a RStV und die Gewinnspiel-

satzung von vorneherein nur Gewinnspiele mit einem Einsatz bis 50 Cent erfasst.

Hier lässt sich vertretbar annehmen, dass ein gegenüber den grundsätzlich ober-

halb dieser Einsatz-Bagatellgrenze liegenden Glücksspielen ein geringeres Gefähr-

dungspotential gegeben ist.206 Gewinnbringend für die weitere Eruierung mögli-

cher Jugendschutzmaßnahmen erscheinen aber im Grundsatz die weiteren Be-

stimmungen des Verbotes jugendaffiner Gewinnwaren und der Untersagung von

Teilnahmeappellen an Kinder und Jugendliche.

205 Die Gewinnspielsatzung (GWS) differenziert – entsprechend den gesetzlichen Vorgaben in § 8a

RStV zwischen so genannten „Gewinnspielsendungen“ und so genannten „Gewinnspielen“. Nach

§ 2 Nr. 1 GWS ist „ein Gewinnspiel ein Bestandteil eines Rundfunkprogramms oder eines Tele-

medienangebotes, der den Nutzerinnen und Nutzern im Falle der Teilnahme die Möglichkeit auf

den Erhalt eines Vermögenswertes, insbesondere in Form von Geld, Waren oder Dienstleistun-

gen, bietet“. Nach § 2 Nr. 2 GWS ist „eine Gewinnspielsendung ein inhaltlich zusammenhängen-

der, nicht durch andere Programmelemente unterbrochener, zeitlich begrenzter Teil eines Rund-

funkprogramms oder eines Telemedienangebots von mehr als 3 Minuten Länge, einschließlich

der Hinweise der §§ 10 und 11, bei dem die Durchführung eines oder mehrerer Gewinnspiele,

insbesondere unter Berücksichtigung des zeitlichen Umfangs dieser Spiele, den Schwerpunkt

darstellt“.

206 Zufalls- oder geschicklichkeitsabhängige Gewinnspiele stellen nach m.E. zutreffender h.M. gera-

de wegen der 50 Cent-Begrenzung kein Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB und § 3 Abs. 1 GlüStV dar;

vgl. Bolay, MMR 2009, 669, 670 ff.; Hambach/Münstermann, K&R 2009, 457, 461; Liesching,

ZfWG 2009, 319, 320 f.; Lober/Neumüller, MMR 2010, 295, 297; Reeckmann, ZfWG 2008, 296,

297; ferner Fischer, StGB – Kommentar, 57. Aufl. 2010, § 284 Rn. 4.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

62

Dies bestätigt den bereits zu § 6 Abs. 2 JuSchG analysierten Ansatz der „Abschre-

ckung“ von Kindern und Jugendlichen an der Teilnahme über deutliche Hinweise

des Teilnahmeausschlusses, der Unmöglichkeit der Gewinnausschüttung und mög-

licherweise auch der Ankündigung einer Information der Erziehungsberechtigten

im Falle eines entdeckten missbräuchlichen Zugangsversuchs.

dd) Zwischenergebnis

Die Darstellung und Untersuchung der gesetzlichen Teilnahmebestimmungen zum

Glücks- und Gewinnspiel des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV), des Jugend-

schutzgesetzes (JuSchG) und des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) hat eindeutig

ergeben, dass Kinder und Jugendliche generell nicht zur Teilnahme zugelassen

werden dürfen. Insoweit besteht – abgesehen von den hier nicht im Mittelpunkt

stehenden kleinen Gewinnspielen bis 50 Cent-Einsatz – ein absolutes gesetzliches

Teilnahmeverbot.

Allerdings lassen die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Teilnahmeverbot

offen, welche Anforderungen konkret an dessen Umsetzung zu stellen sind. Die

nicht mehr virulente Übergangsregelung des § 25 Abs. 6 GlüStV, welche auch den

Erwachsenenausschluss aufgrund Spielersperre betraf, kann aus den dargelegten

Gründen nur eingeschränkt als Maßstab für die Gewährleistung der Teilnahme-

ausschlusses Minderjähriger herangezogen werden. Vor allem aber erscheint es

naheliegender, den bereits seit Jahren etablierten gesetzlichen „Wahrnehmungs-

schutz“ im Bereich des Jugendmedienschutzes in den Blick zu nehmen. Denn in-

soweit werden dezidierte Rechtsfolgen in einem abgestuften Gefährdungssystem

vorgegeben. Dies betrifft auch Maßnahmen zum Ausschluss Minderjähriger vom

Zugang und von der Wahrnehmung gefährdender Inhalte, die im Folgenden näher

untersucht werden.

b) Kontrollintensität beim gesetzlichen Jugend-Wahrnehmungsschutz

aa) Allgemeines Stufensystem des gesetzlichen Jugend-Wahrnehmungsschutzes

Abgesehen von einigen spezialtatbestandlichen Absolutverboten, die im vorlie-

genden Zusammenhang ohne praktische Bedeutung sind, sieht das Jugendschutz-

recht zum Wahrnehmungsschutz zahlreiche abgestufte und zu differenzierende

Gefährdungsgrade vor. Diese können systematisiert in einer Art „Stufendarstel-

lung“ wie folgt wiedergegeben werden:

Page 63: Möglichkeiten der Spielsuchtprävention und des

Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

63

• Stufen 1 bis 3 betreffen entwicklungsbeeinträchtigende Medieninhalte nach

den Altersstufen 0, 6, 12, und 16 Jahre, wie sie insbesondere im Bereich der

Film- und Spielfreigaben durch FSK und USK bekannt sind.207 Diese Gefähr-

dungsstufen kommen ungeachtet der angeordneten Rechtsfolgen im vorlie-

genden Zusammenhang ersichtlich nicht in Betracht, da sie lediglich einen Teil

der Minderjährigen abdecken und einen Jugendschutz der älteren Jugendlichen

ab 16 Jahren nicht erfassen. Gerade diese müssen aber beim Schutz vor Glücks-

spielteilnahme inkludiert sein.

• Stufe 4 betrifft entwicklungsbeeinträchtigende Medieninhalte „ab 18“, also

Medieninhalte (Trägermedien, Telemedien, Rundfunkangebote), die geeignet

sind, Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in ihrer Entwicklung zu beein-

trächtigen (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG; § 5 JMStV). Hier ergeben sich für den

Bereich des Internet die Rechtsfolgen aus § 5 Abs. 1 und 3 JMStV. Danach muss

der Anbieter durch technische oder sonstige Mittel sicherstellen, dass Kinder

und Jugendliche diese „übelicherweise“ nicht wahrnehmen (sog. Wahrneh-

mungserschwernis).

• Stufe 5 betrifft (einfach) jugendgefährdende (indizierte) Medieninhalte, also

Medieninhalte (Trägermedien, Telemedien), die geeignet sind, Kinder und Ju-

gendliche in ihrer Entwicklung zu gefährden und deshalb i.d.R. indiziert sind

(vgl. § 18 Abs. 1 JuSchG; § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV). Für den Bereich des Inter-

net ist insoweit hinsichtlich der Rechtsfolgen zu differenzieren: (1.) Ist das be-

treffende Angebot von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien

(BPjM) indiziert worden, so darf das Angebot nur im Rahmen einer streng abge-

schotteten geschlossenen Benutzergruppe nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV zugäng-

lich gemacht werden;208 (2.) Ist das Angebot zwar jugendgefährdend aber nicht

indiziert, besteht nach h.M. eine Regelungslücke und es gelten dieselben

Rechtsfolgen wie bei Stufe 4 (bloße Wahrnehmungserschwernis).

207 Vgl. § 14 JuSchG.

208 Vgl. zu den Anforderungen an geschlossene Benutzergruppen nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV (künftig

auch § 11 Abs. 4 JMStV-E) ausführl.: BGH NJW 2008, 1882 ff. m. Anm. Engels/Jürgens = MMR

2008, 400 ff. m. Anm. Liesching und Anm. Waldenberger; KG MMR 2004, 478 ff. m. Anm.

Liesching; OLG Düsseldorf MMR 2005, 409 f. m. Anm. Erdemir; OLG Düsseldorf, MMR 2005, 611 ff.

m. Anm. Liesching; OLG Nürnberg MMR 2005, 464 f. m. Anm. Liesching; zum elektronischen Per-

sonalausweis: Altenhain/Heitkamp, K&R 2009, 619 ff.

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64

• Stufe 6 betrifft offensichtlich schwer jugendgefährdende Medieninhalte, also

Medieninhalte (Trägermedien, Telemedien, Rundfunkangebote), die geeignet

sind, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu gefährden (vgl. § 15 Abs. 2

JuSchG; § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JMStV). Für den Bereich des Internet ergeben sich

die Rechtsfolgen – wie bei den indizierten Medien – aus § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV;

das offensichtlich schwer jugendgefährdende Angebot darf also nur im Rahmen

einer streng abgeschotteten geschlossenen Benutzergruppe nach § 4 Abs. 2 S. 2

JMStV zugänglich gemacht werden.

Die genannten jugendschutzrechtlichen Bestimmungen zu den unterschiedlichen

Gefährdungsgraden betreffen vornehmlich Internetangebote, die bereits aufgrund

ihrer Ausgestaltung und ihrer Botschaften (Gewalt, Sex etc.) jugendschutzrechtlich

als problematisch angesehen werden und daher eine frühzeitige „Wahrneh-

mungsverhinderung“ erfordern. Demgegenüber fokussieren die bereits dargestell-

ten spezialgesetzliche Regelungen zu Glücks- und Gewinnspielen209 nicht den

„Wahrnehmungsschutz“, sondern in erster Linie den „Teilnahmeschutz“. Diese

Differenzierung kann bei der Ausgestaltung der konkreten „Chronologie“ von Ju-

gendschutzmaßnahmen vor allem im Bereich der Altersverifikation eine Rolle spie-

len.210

Hinsichtlich der Festlegung des jugendschutzrechtlichen Gefährdungsgrades sind

aber die genannten Gefährdungsstufen durchaus von Relevanz, wie vor allem die

bisherige Jugendschutzpraxis zeigt, in der Jugendschutzstellen Einordnungen im

Hinblick auf suchtgefährdende Angebote bereits mehrfach vorgenommen haben

(hierzu nachfolgend).

bb) Jugendschutzpraxis bei Internetangeboten mit suchtgefährdenden Produkten

(1) Indizierung wegen „Jugendgefährdung“ (Stufe 5) bei Verherrlichung von Suchtmitteln

In der Jugendschutzpraxis sind zwar bislang – soweit ersichtlich – noch keine Indi-

zierungen von Glücksspiel-Angeboten im Internet durch die Bundesprüfstelle für

jugendgefährdende Medien (BPjM) erfolgt. Aufschlussreich ist indes, dass die

209 Vgl. § 4 Abs. 3 S. 3 GlüStV, § 6 Abs. 2 JuSchG, § 8a Abs. 1 S. 5 RStV und hierzu oben Punkt II. C. 2.

a).

210 Siehe hierzu ausführlich unten zu den Konsequenzen unter Punkt II. C. 3.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

65

BPjM im Jahr 2008 einen Medieninhalt wegen einfacher Jugendgefährdung auf die

Liste jugendgefährdender Schriften aufgenommen hat, da insoweit Alkoholkon-

sum verherrlicht und propagiert worden ist.211 Auch diesbezüglich ging es also um

Medienangebote, die sich auf Produkte und Waren mit einem – sogar zu körperli-

cher Abhängigkeit führenden – Suchtpotential beziehen. Zur Begründung der Ein-

stufung der Jugendgefährdung wird in der Entscheidung u.a. ausgeführt:

„Nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle werden auch Medien indi-ziert, die den Drogenkonsum verherrlichen oder verharmlosen. Nach Ein-schätzung des 12er-Gremiums liegt ein Verherrlichen oder Verharmlosen von Drogen vor, wenn die angeblich positiven Wirkungen des Drogenkon-sums auf die Erfahrungswelt von Jugendlichen herausgestellt werden und gleichzeitig die damit verbundenen negativen Folgen, wie z.B. Gesund-heitsschäden durch Abhängigkeit, bewusst oder unbewusst ausgeblendet werden. Hinreichend ist bereits die Förderung der bloßen Konsumbereit-schaft von Kindern und Jugendlichen, so dass auch Anleitungen zum An-bau, zu sonstiger Herstellung in Verbindung mit der Aufforderung zum Gebrauch von Cannabinoiden den Indizierungstatbestand erfüllen können.

Basierend auf der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle hat das 12er-Gremium in der Sitzung vom 3.4.2008 entschieden, dass auch solche Me-dien zu indizieren sind, die den Alkoholkonsum verherrlichen.

Medien, die dazu aufrufen, exzessiv Alkohol zu konsumieren, können die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit in extremstem Maße gefähr-den“.212

Vor dem Hintergrund, dass auch in der Schweizer Studie im Auftrag der Minister-

präsidentenkonferenz von der Vergleichbarkeit der Suchtpotentiale des Glücks-

spiels mit anderen Produkten wie Drogen, Alkohol und Zigaretten ausgegangen

wird,213 liegt eine Übertragung der dargelegten Spruchpraxis der BPjM auf den

Glücksspielbereich im Hinblick auf die Zuordnung des jugendschutzrechtlich rele-

211 BPjM-Entsch. Nr. 5557 vom 03.04.2008 bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 66 vom

30.4.2008, BPjM-aktuell 2/2008, S. 3 ff.

212 Vgl. BPjM-Entsch. Nr. 5557 vom 03.04.2008 bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 66 vom

30.4.2008, BPjM-aktuell 2/2008, S. 3.

213 Vgl. Schweizer Studie (2009) aaO., z.B. Teil VIER – Gesundheitswissenschaftliche Studie, S. 18

und S. 63 sowie ferner Teil EINS – Zusammenfassung und Gesamterkenntnisse, S. 72 f.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

66

vanten Gefährdungsgrades (Stufen 4 oder 5) nahe. Hierauf wird nach Darstellung

der weiteren Jugendschutzpraxis näher eingegangen.214

(2) KJM: Jugendschutz bei Zigaretten-Internetangeboten über „technische Mittel“

Eine entsprechende Auslegung ergibt sich daraus, dass die Kommission für Ju-

gendmedienschutz (KJM) als für Telemedien zuständige Aufsichtsstelle215 bei In-

ternetangeboten für das Suchtmittel Zigaretten offenbar im Grundsatz ebenfalls

von einer „Entwicklungsbeeinträchtigung“ nach § 5 Abs. 1 JMStV (Stufe 4) aus-

geht. Zigaretten dürfen – wie alle Tabakwaren – nach § 10 JuSchG nicht an Kinder

und Jugendliche abgegeben werden, das Gestatten der Konsums Minderjähriger

ist ebenfalls strikt untersagt.216

Entsprechend sah die KJM Konzepte von Zigarettenherstellern für ihre Internetan-

gebote für ausreichend an, die den gesetzlichen Anforderungen an ein technisches

Mittel im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV entsprechen.217 Die „technischen Mit-

tel“ sollen laut JMStV den Zugang zu entwicklungsbeeinträchtigenden Telemedi-

en-Angeboten für Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufen unmöglich

machen oder wesentlich erschweren, müssen aber nicht den hohen Anforderun-

gen an geschlossene Benutzergruppen (§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV) genügen. Während

das Konzept eines Herstellers insoweit auf dem Schufa-Ident-Check zur Adressprü-

fung basierte, sah ein anderes Unternehmen als Schutzmaßnahme eine Variante

der Personalausweisnummer-Prüfung vor.218

(3) KJM: Minderjährigen-Ausschluss über „technisches Mittel“

Auch bei Online-Spielen mit Gewinnmöglichkeit geht die Kommission für Jugend-

medienschutz (KJM) von einem Gefährdungsgrad der Entwicklungsbeeinträchti-

gung „ab 18“ (Stufe 4) aus, und fordert entsprechende „technische Mittel“ nach §

214 Siehe hierzu unten Punkt II. C. 2. b) dd).

215 Vgl. §§ 14, 16 JMStV.

216 Siehe ausführlich zu dem Abgabeverbot von Tabakwaren: Liesching, JuSchG und JMStV – Bro-

schüre des Bundesjugendministeriums, 2008, S. 30 ff.

217 Vgl. KJM-PM 11/2006 v. 05.10.2006, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2006/pm_112006.cfm.

218 Siehe zu den einzelnen Jugendschutzmaßnahmen unten C.3.; Vgl. auch KJM-PM 11/2006 v.

05.10.2006, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2006/pm_112006.cfm.

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67

5 Abs. 3 JMStV. Für ein geplantes Online-Wissenspiel mit Geldeinsatz erachtete

die KJM für den „Ausschluss von Minderjährigen an der Teilnahme am Online-

Spiel“ für ausreichend, dass ein „Persocheck-Verfahren unter Einbeziehung der

Mobilfunknummer und der Kontodaten eingesetzt“ werde.219 Auch insoweit blie-

ben die Anforderungen also nach Auffassung der KJM unter denen der geschlos-

senen Benutzergruppe für pornographische und schwer jugendgefährdende Me-

dien (§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV).220

cc) Einordnung von Glücksspielen im gesetzl. Jugend-Wahrnehmungsschutz

Betrachtet man die bisherige Jugendschutzpraxis im Bezug auf Medien, die

Suchtmittel wie Alkohol, Zigaretten und/oder Drogen zum Gegenstand haben und

überträgt man die darin aufgestellten Grundsätze auf den Suchtbereich des

Glücksspiels, so liegt nahe, dass bei einer Verherrlichung von Glücksspiel und von

einer Aufforderung zur Teilnahme vor allem gegenüber Minderjährigen eher von

einer einfachen Jugendgefährdung (Stufe 5) auszugehen ist, die eine Indizierung

des Angebotes zur Folge haben könnte. Bei Fehlen des Glorifizierungs- und Auf-

forderungscharakters wäre hingegen eher von einer darunter liegenden Stufe der

„Entwicklungsbeeinträchtigung“ Minderjähriger aller Altersgruppen („ab 18“) aus-

zugehen.221

Vor diesem Hintergrund ergeben sich hinsichtlich der Zuordnung zu den jugend-

schutzrechtlich anerkannten Gefährdungsgraden vor allem folgende Konsequen-

zen:

• Ein Internetangebot oder sonstiges Medium, das die Veranstaltung und die Be-

teiligung an Glückspielen mit abstraktem Suchtpotential zum Gegenstand hat,

kann vor allem dann als jugendgefährdend anzusehen sein, wenn das betref-

fend angebotene Glücksspiel verherrlicht oder sehr stark positiv akzentuiert

wird oder eine Aufforderung zur Teilnahme insbesondere gegenüber Minder-

jährigen gegeben ist.

219 Vgl. KJM-PM 10/2008 v. 10.04.2008, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2008/pm_102008.cfm.

220 Vgl. KJM-PM 10/2008 v. 10.04.2008, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2008/pm_102008.cfm.

221 Siehe zu den Konsequenzen hieraus unten Punkt II. C. 2. d).

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

68

Wird ein Glücksspiel-Internetangebot aus den genannten Gründen auf die Liste

jugendgefährdender Medien gesetzt („Stufe 5“), ergibt sich in der Rechtsfolge,

dass das Angebot nur noch im Rahmen einer geschlossenen Benutzergruppe

nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV angeboten werden darf.

• Solange ein entsprechendes Angebot nicht durch die BPjM indiziert ist, richten

sich die Rechtsfolgen indes nach § 5 Abs. 1 JMStV. Das Angebot ist wie ein Te-

lemedium zu behandeln, das zur Entwicklungsbeeinträchtigung „ab 18“ („Stufe

4“) geeignet ist. Insoweit ist durch technische oder sonstige Mittel dafür Sorge

zu tragen, dass das Angebot von Minderjährigen „üblicherweise“ nicht wahrge-

nommen wird.

Liegt ein Glücksspielangebot vor, das keine Verherrlichung des Glücksspiels

enthält und nicht Minderjährige zur Teilnahme auffordert, so wird damit in der

Regel eine indizierungstaugliche Jugendgefährdung nach der Spruchpraxis der

BPjM noch nicht anzunehmen sein. Insoweit wird aber jedenfalls von der da-

runter liegenden Gefährdungsstufe eines entwicklungsbeeinträchtigenden An-

gebotes „ab 18“ (Stufe 4) auszugehen sein. Für diesen Fall ist wiederum durch

technische oder sonstige Mittel dafür Sorge zu tragen, dass das Angebot von

Minderjährigen „üblicherweise“ nicht wahrgenommen wird (§ 5 Abs. 1 und 3

JMStV).

dd) Zwischenergebnis

Aus der Darstellung des gesetzlichen Jugend-Wahrnehmungsschutzes und der bis-

herigen Praxis der Jugendschutzstellen bei der Bewertung von Angeboten zu Pro-

dukten mit Suchtpotential ergibt sich, dass Angebote von Internet-Sportwetten

und Online-Casinos nicht per se einem der etablierten Gefährdungsgrade zuge-

ordnet werden könne, sondern dass am ehesten eine differenzierte Qualifizierung

je nach Ausgestaltung des Angebotsinhaltes die große Annäherung an das Gefahr-

stufensystem bringt. Die genannten Online-Glücksspiele sind bei summarischer

Betrachtung gleichsam zwischen der „Stufe 5“ (einfach jugendgefährdend) und

der „Stufe 4“ (entwicklungsbeeinträchtigend „ab 18“) einzuordnen.

Vor diesem Hintergrund liegt nahe, auch hinsichtlich der Maßnahmen zum Aus-

schluss von Jugendlichen einen Konkretisierungsmaßstab zu wählen, der sich zwi-

schen den beiden Gefährdungsstufen und den hierfür jeweils vorgesehenen

Rechtsfolgen bewegt. Das Gesamtmaßnahmenpaket würde mithin vor allem dann

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

69

kohärent mit dem bestehenden gesetzlichen Stufensystem zum Wahrnehmungs-

schutz einhergehen, wenn es zwar noch unterhalb der Anforderungen an ge-

schlossene Benutzergruppen (§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV, „Stufe 5“), indes auch deutlich

oberhalb des bloßen „üblicherweise“ gewährleisteten Wahrnehmungsausschlus-

ses (§ 5 Abs. 1 JMStV, „Stufe 4“) angesiedelt wäre.

Vor diesem Hintergrund muss für ein konsistentes Jugendschutzsystem eine effek-

tive Altersverifikation schon bei der Registrierung des Kunden gewährleistet wer-

den. „Abschreckungsmaßnahmen“, Hinweise und Werbegestaltungsgebote kön-

nen den Maßnahmenkatalog zwar ergänzen. Angesichts der besonderen Gefahren

des Glücksspielbereichs und auch unter dem Aspekt der Glaubhaftigkeit der Ab-

schreckung können diese angebotsgestalterischen Mittel allerdings alleine nicht

hinreichend sein. Daher sollte zur Erreichung eines kohärenten Systems über die

Konstellation des „Zweifelsfalls“ i.S.d. § 2 Abs. 2 JuSchG hinaus eine Verifizierung

des Geburtsdatums des sich erstanmeldenden Kunden in jedem Fall gewährleistet

sein. Dieser Zwischenbefund muss sich auch in den nachfolgend dargelegten Re-

gulierungsmöglichkeiten abbilden.

3. Regulierungsmöglichkeiten für ein Wettbewerbsmodell bei Sportwetten und Online-Casinos

a) Ausschluss von Kindern und Jugendlichen

Die bereits in Deutschland für das Offline-Glückspiel sowie für Mediengewinnspie-

le bestehenden absoluten Teilnahmeverbote für Minderjährige müssen auch im

Bereich der Internet-Sportwetten und Online-Casinos vollumfänglich umgesetzt

werden. Hinsichtlich der Maßnahmen zum Ausschluss von Jugendlichen kommt

zur Bestimmung des allgemeinen Maßstabs vor allem eine Orientierung zwischen

beiden Stufen „Stufe 5“ (einfach jugendgefährdend) und „Stufe 4“ (entwicklungs-

beeinträchtigend „ab 18“) in Betracht. Das Gesamtmaßnahmenpaket kann mithin

zwar einerseits noch unterhalb der Anforderungen an geschlossene Benutzer-

gruppen (§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV, „Stufe 5“) angesiedelt sein, sollte indes anderer-

seits die Kontrollintensität des bloßen „üblicherweise“ gewährleisteten Wahr-

nehmungsausschlusses (§ 5 Abs. 1 JMStV, „Stufe 4“) deutlich überschreiten. Gera-

de hierfür ist m.E. von zentraler Bedeutung, dass durch den Anbieter von Sport-

wetten oder Online-Casinos eine effektive Überprüfung der kundenseitig eingege-

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

70

benen persönlichen Daten daraufhin erfolgt, ob diese Daten einer erwachsenen

Person zuzuordnen sind.222

Die insoweit erforderliche Kontrolle des Teilnahmeausschluss könnte vor dem Hin-

tergrund des genannten allgemeinen Wertungsrahmens insbesondere durch die

nachfolgenden Maßnahmen umgesetzt werden.

b) Kontrolle des Ausschlusses

aa) Überprüfung der einzugebenden Personal-/Reiseausweisnummer

Zunächst ist grundsätzlich denkbar, im Hinblick auf die Alterskontrolle die Über-

prüfung einer von Seiten des Nutzers einzugebenden Personalausweis- oder Rei-

sepassnummer vorzusehen. Aus der eingegebenen Ziffernfolge der Personalaus-

weis- oder Reisepassnummer kann syntaktisch ausgelesen werden, ob der Aus-

weisinhaber bereits volljährig ist. Dieses Modell hat die Kommission für Jugend-

medienschutz bereits im Rahmen der Bewertung „technischer Mittel“ zur Wahr-

nehmungserschwernis nach § 5 Abs. 1 und 3 JMStV für hinreichend erachtet.223

Allerdings bestehen insoweit nicht unerhebliche Möglichkeiten der Umgehung

bzw. des Missbrauchs, welcher einerseits dadurch erfolgen kann, dass sachkundi-

ge minderjährige Nutzer über im Internet verfügbare Tools und Perso-Nr.-

Generatoren eine syntaktisch richtige Personalausweisnummer einer fiktiven er-

wachsenen Person kreieren; andererseits wäre möglich, dass sich Minderjährige

die Ausweisdaten eines Erwachsenen, z.B. eines Elternteils besorgen.

Vor diesem Hintergrund kommt die Überprüfung des Alters anhand einer nutzer-

seitig einzugebenden Personalausweis- oder Reisepassnummer zwar als zusätzli-

che Maßnahme zu effektiveren Alterskontrollmechanismen in Betracht. Sie kann

der Erforderlichkeit einer effektiven Altersüberprüfung indes alleine noch nicht

hinreichend Rechnung tragen.

222 Dies wird ausdrücklich auch im Rahmen des Rahmenpapiers des Europäischen Rates v.

29.10.2009 „Legal framework for gambling and betting in the Member States of the European

Union“, 16571/09, S. 6 f. erwähnt.

223 Für ein geplantes Online-Wissenspiel mit Geldeinsatz erachtete die KJM für den „Ausschluss von

Minderjährigen an der Teilnahme am Online-Spiel“ für ausreichend, dass ein „Persocheck-

Verfahren unter Einbeziehung der Mobilfunknummer und der Kontodaten eingesetzt“ werde;

vgl. KJM-PM 10/2008 v. 10.04.2008, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2008/pm_102008.cfm.

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71

bb) Altersüberprüfung unter Rückgriff auf „Face-to-Face“ geprüfte Datensätze

Um die genannten Umgehungsrisiken des dargelegten „Persocheck“-Verfahrens

insbesondere durch einfache Generierung valider fiktiver Daten zu begegnen, er-

scheint vor allem der Rückgriff auf Datensätze naheliegend, welche bereits durch

einen vormals erfolgten „Face-to-Face“-Abgleich als authentisch verifiziert worden

sind. Unter anderem aus dieser Erwägung heraus wurde z.B. das Modul des Schufa

„Identitätscheck Jugendschutz“ sowohl als Teilkomponente der geschlossenen

Benutzergruppe, als auch als Lösung bei entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten

„ab 18“ von Seiten der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) anerkannt.224

Der „Schufa IdentitätsCheck Jugendschutz“ greift als Grundlage für den Alters-

nachweis einer Person auf einen Schufa-Datensatz zurück, in dem die Geburtsda-

ten fast aller in der Bundesrepublik geschäftlich aktiven Personen abgelegt sind.

Durch den ständigen Informationsaustausch mit den Schufa-Vertragspartnern

werden die Datensätze auf aktuellem Stand gehalten. Im Hinblick auf die für ge-

schlossene Benutzergruppen geforderte Face-to-Face-Kontrolle wird auf bereits

erfolgte Identifizierungen von Kreditinstituten zurückgegriffen, die z.B. bei Konto-

eröffnung mittels Personalausweis durchgeführt wurden. Dabei wurde bei positiv

bestätigter Identität des Verbrauchers ein Vermerk im Datenbestand der Schufa

mit dem sogenannten SCHUFA-Q-Bit gesetzt.225

Hierdurch wird zunächst verhindert, dass Kinder und Jugendliche mit bereits für

sie eingerichteten Konten am Online-Spiel teilnehmen können, da ihre Daten über

das Schufa-Q-Bit Verfahren keine erwachsene Person ausweisen. Als Umgehung

bleibt aus Sicht minderjähriger Nutzer in erster Linie nur die missbräuchliche Ver-

wendung valider Drittdaten eines Erwachsenen (z.B. Name, Anschrift und Konto-

verbindung des Vaters). Für dieses Szenario bedarf es also weiterer Maßnahmen

und Aspekte der Missbrauchsverhinderung.

224 Vgl. KJM-PM 19/2009 v. 16.12.2009, abrufbar unter http://www.kjm-online.de/de/

pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2009/pm_192009.cfm.

225 Vgl. zu weiteren Informationen des Schufa-Jugendschutzmoduls:

http://www.schufa.de/media/teamwebservices/produkteservices/downloads_5/SCHUFA-

IdentitaetsCheck_Jugendschutz.pdf; siehe auch KJM-PM 19/2009 v. 16.12.2009, abrufbar unter

http://www.kjm-online.de/de/pub/aktuelles/pressemitteilungen/pressemitteilungen_2009/

pm_192009.cfm.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

72

cc) Missbrauchsverhinderung

(1) Aufdeckungsrisiko durch Zahlungslast

Aufgrund der Kostenpflichtigkeit von Glücksspielen (Einsatzerfordernis) besteht

faktisch bei Nutzung valider Fremddaten eines Erwachsenen durch einen Minder-

jährigen ein erhebliches Aufdeckungsrisiko. Denn insoweit ist der sich missbräuch-

lich verhaltende Jugendliche gezwungen, ebenfalls Zahlungsdaten der unbefugt

zur Registrierung angegebenen erwachsenen Person zu verwenden (z.B. Kreditkar-

te oder Bankkonto des Vaters). Dies ergibt sich vor allem aus dem Wechselspiel

zum oben beschriebenen Erfordernis der Überprüfung anhand von Datensätzen

wie der Schufa-Daten. Damit dies auch funktioniert, muss allerdings sichergestellt

werden, dass Geld nur über den im Hinblick auf die Altersangabe verifizierten Zah-

lungsweg fließen kann.

(2) Nichtauszahlung von Gewinnen

Weiterhin kann gewährleistet werden, dass keine Auszahlung von Gewinnen an

Kinder und Jugendliche erfolgt, wenn sich herausstellt, dass keine Teilnahme

durch die missbräuchlich angegebene erwachsene Person, sondern den minder-

jährigen Missbrauchstäter erfolgt ist. Auch eine nachträgliche Genehmigung etwa

durch die Eltern kann als „unbeachtlich“ ausgeschlossen werden. Entsprechende

Voraussetzungen können im Rahmen der Teilnahmebedingungen und/oder All-

gemeinen Geschäftsbedingungen geregelt werden.

(3) Weitere „Lichtbild“-Prüfung im Zweifelsfall, spätestens vor Auszahlung von Gewinnen

Ergeben sich für den Anbieter vor Sportwetten oder Online-Casinos Anhaltspunk-

te, die an der Volljährigkeit des jeweiligen Kunden zweifeln lassen, kann gefordert

werden, dass der betreffende Kunde von der Teilnahmemöglichkeit so lange aus-

geschlossen wird, bis er eine erneute Identifizierung z.B. im Wege des PostIdent-

Verfahrens oder durch Zusendung einer deutlichen Kopie eines Lichtbildausweises

durchlaufen hat. Ein Zweifelsfall im Sinne des § 3 JuSchG kann sich dabei insbe-

sondere dann ergeben, wenn die erste Identifizierung [siehe oben aa) und bb)]

keinen validen Datensatz einer volljährigen Person ergeben hat.

Auch ohne Vorliegen eines Zweifelsfalls besteht die Möglichkeit, zur Vermeidung

der schutzzweckintendierten Risiken der Vermögensgefährdung Minderjähriger

und zur erheblichen Absenkung des Teilnahmeanreizes eine Überprüfung einer

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nutzerseitig zu übermittelten Lichtbildausweis-Kopie vorzunehmen, bevor Auszah-

lungen von Gewinnen erfolgen können. Für die Ausweiskopie kann verlangt wer-

den, dass das Lichtbild der registrierten Person und zumindest dessen Vor- und

Nachname deutlich erkennbar sind. In der Praxis dürfte dieses Erfordernis durch

Glücksspielanbieter gut umsetzbar sein, da diese bereits heute zumindest vor ei-

ner Auszahlung eine Lichtbildkopie etwa im Hinblick auf den Betrugsschutz einfor-

dern und zudem aus Gründen der Spielsuchtprävention, wie oben dargestellt,226

ein entsprechendes Vorgehen sogar generell angezeigt ist.

(4) Transparente Bekanntgabe der Maßnahmen

Ergänzend ist sowohl aus Gründen der Transparenz als auch aus generalpräventi-

ven Gründen der Abschreckung Jugendlicher als weitere Maßnahme möglich, auf

die vorstehend genannten Maßnahmen deutlich im Rahmen des Angebotes hin-

zuweisen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Nichtauszahlung von Gewinnen als auch

im Bezug auf das Erfordernis der Lichtbildausweiskontrolle spätestens vor Auszah-

lung von Gewinnen. Im Übrigen wären auch weitere (vor allem an Jugendliche ge-

richtete) Hinweise denkbar wie etwa die Darlegung der hohen Aufdeckungsquote

bei Missbrauch durch Minderjährige und die Bekanntgabe, dass im Falle eines

aufgedeckten Missbrauchsversuch durch Minderjährige in jedem Fall die Erzie-

hungsberechtigte informiert werden.

(5) Zugangsdatenübermittlung

Im Zusammenhang mit jugendgefährdenden und/oder beeinträchtigenden Inhal-

ten, die bereits allein beim „Anschauen“ durch Minderjährige gefährlich sind, wird

zum Teil weitergehend eine persönliche oder postalische Zustellung von Zugangs-

daten zu diesen Angebotsinhalten gefordert.227

Bei Glücksspielinhalten im Internet gestaltet sich die Gefährdungssituation – wie

oben dargelegt – jedoch anders, da in erster Linie nicht schon die reine Wahrneh-

mung der (z.B. pornographischen oder gewaltverherrlichenden) Angebotsinhalte,

sondern vor allem erst die Teilnahme an den Spielen und die Konsequenzen der

Vermögensgefährdung oder die Suchtgefahren des Dauerspielens als gefährdend

226 Siehe oben II. B. 3 e) aa).

227 Vgl. die Ausführungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zu geschlossenen Benut-

zergruppen nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV, abrufbar unter http://kjm-online.de/de/

pub/jugendschutz_in_telemedien/geschlossene_benutzergruppen.cfm.

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anzusehen sind. Den Zugangsdaten allein kommt mithin – anders als bei porno-

graphischen oder sonst jugendgefährdenden Angeboten – keine singuläre Schlüs-

selfunktion zu. Allein mit den übermittelten Zugangsdaten (z.B. Benutzername

und Passwort) eröffnet sich namentlich beim Glücksspiel – anders als bei sexuell

oder gewaltorientiert problematischen Seiten – hiermit noch kein weitergehendes

Gefährdungspotential, da eine Glücksspielteilnahme die Überwindung der bereits

dargelegten weiteren Hürden wie insbesondere die Einzahlung eines Geldbetrages

für Spieleinsätze über einen validen Zahlungsweg voraussetzt, der mit den perso-

nenbezogenen Daten der altersverifizierten Registrierungsprozesse überein-

stimmt.

Daher sind – anders als bei jugendschutzrelevanten Inhalten – vorliegend Miss-

brauchsrisiken aufgrund der Angabe falscher Daten (z.B. Namen und Anschrift des

Vaters des Jugendlichen) gering, wenn die vorstehenden Aspekte zur Miss-

brauchsverhinderung beachtet werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen,

dass die missbräuchliche Verwendung von Erwachsenendaten Dritter aus Sicht des

Missbrauchstäters auch nicht zielführend ist, sofern die für Spieleinsätze und Ge-

winnauszahlungen notwendigen Zahlungsdaten ebenfalls solche der erwachsenen

registrierten Person sein müssen. Ist dies – wie oben dargelegt – sichergestellt und

muss vor Auszahlung von etwaigen Gewinnen ohnehin noch eine Übermittlung

einer Lichtbildausweis-Kopie erfolgen, bedarf es daher meines Erachtens keiner

postalischen Zustellung von Zugangsdaten wie bei den – hinsichtlich ihres Gefähr-

dungspotentials der einfachen visuellen Wahrnehmung anders gelagerten – por-

nographischen oder sonst jugendgefährdenden Angebotsinhalten. Die Zugangsda-

ten können vielmehr auch an die Email-Adresse versandt werden, welche im

Rahmen des Registrierungsprozesses angegeben worden ist.

c) Jugendschutzkonforme Ausgestaltung des Internetangebotes

aa) Kennzeichnung mit dem gesetzlichen Altersstufensystem

Im Rahmen der Konferenz der Regierungschefs der Länder in Berlin am 10. Juni

2010 wurde der 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RfÄndStV) durch alle anwe-

senden Ministerpräsidenten unterzeichnet. Gegenstand des Vertrages ist die No-

vellierung des Jugendschutzes im Rundfunk und im Internet durch den Jugendme-

dienschutz-Staatsvertrag (JMStV), der nun nach der Ratifizierung durch die Lan-

desparlamente am 1. Januar 2011 in Kraft treten soll. Ein zentraler Regelungs-

punkt des JMStV-Neuerung ist § 5 Abs. 1 und 2 JMStV-E. Danach können künftig

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75

Online-Angebote entsprechend der Altersstufen „6, 12, 16, 18 Jahre“ gekenn-

zeichnet werden.228 Wer kennzeichnet, wird durch den JMStV nicht begrenzt, so-

dass die Anbieter auch selbst eine Alterskennzeichnung vornehmen oder sich ei-

ner Selbstkontrolleinrichtung oder eines von diesen zur Verfügung gestellten

Selbstklassifizierungssystems bedienen können.229 Die Kennzeichnung muss des

Weiteren für nutzerseitige Jugendschutzprogramme nach § 11 JMStV erkennbar

und nutzbar sein.230

Vor diesem Hintergrund wäre möglich, für regulierte Sportwetten und Online-

Casinos auch eine „Harmonisierung“ mit den neuen jugendschutzrechtlichen An-

forderungen herzustellen. Insoweit wäre z.B. denkbar, im Rahmen einer neuen

staatsvertraglichen Regelung die Pflicht für alle Internetangebote vorzuschreiben,

ihre Angebote nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 JMStV-E für die Altersstufe „ab 18 Jahren“

in der vorgeschriebenen Weise zu kennzeichnen.

bb) Deutliche Hinweise auf Teilnahme- und Gewinnausschluss

Die jugendschutzrechtliche Analyse hat des Weiteren die Möglichkeit ergeben,

dass im Rahmen des Internetangebotes transparent und deutlich auf den Teil-

nahmeausschluss Minderjähriger hingewiesen wird. Weiterhin hat die Studie der

KJM betreffend Jugendschutz bei Gewinnspielen in Medien gezeigt, dass ein Hin-

weis auf die Unmöglichkeit der Gewinnausschüttung an Minderjährige möglich ist.

Gerade der letztgenannte, bereits zur Missbrauchsverhinderung231 dargelegte Ge-

sichtspunkt erscheint sachgerecht, um Anreize Minderjähriger zur Teilnahme von

vorneherein zu minimieren.

Wie bereits im Zusammenhang mit der Missbrauchsverhinderung dargelegt,232

wäre darüber hinaus ebenfalls denkbar, zur Erhöhung des „Abschreckungseffek-

tes“ gegenüber Minderjährigen im Rahmen des Glücksspielangebotes deutlich da-

228 Die Kennzeichnung ist nicht verpflichtend, da insoweit eine pauschale ordnungsrechtliche Anbie-

terverpflichtung aufgrund der schnellen Veränderbarkeit und Flüchtigkeit vieler Inhalte im Onli-

ne-Bereich weder umsetzbar noch sachgerecht wäre; von den verfassungsrechtlichen Problemen

einer obligatorischen Kennzeichnung ganz abgesehen.

229 Die Kennzeichnung muss indes – neben der Altersstufe – „die Stelle, die die Bewertung vorge-

nommen hat, eindeutig erkennen lassen“, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 JMStV-E.

230 Vgl. hierzu ausführl. die Amtl. Begr. Bayer. LT-Drs. 16/5283, S. 7 ff.

231 Siehe oben II. C. 3. b) cc).

232 Siehe oben II. C. 3. b) cc).

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76

rauf hinzuweisen, dass im Falle der Entdeckung eines missbräuchlichen Teilnah-

meversuchs durch eine minderjährige Person gegebenenfalls eine umgehende

Unterrichtung der Erziehungsberechtigten erfolgt.

cc) Regeln der Werbegestaltung

Des Weiteren können – im Einklang mit bestehenden Jugendschutznormen und

Regelungen zu Gewinnspielen in Medien233 – bei Angeboten von Sportwetten und

Online-Casinos folgende Gesichtspunkte im Hinblick auf die Ausgestaltung von

Werbung berücksichtigt werden:

• Es darf kein unmittelbarer oder mittelbarer Teilnahmeaufruf an Kinder und Ju-

gendliche erfolgen.

• In Anlehnung an die Spruchpraxis der BPjM im Hinblick auf Medieninhalte zu

suchtproblematischen Produkten darf keine Verherrlichung oder Überhöhung

des jeweiligen Glücksspielangebotes erfolgen.

• Bei der Werbung sind Gestaltungsmittel zu vermeiden, welche als besonders

jugendaffin angesehen werden können [z.B. jugendliche Sprache, jugendlich

wirkende Darsteller(innen) etc.].

• Auch die Werbung auf anderen Webseiten (z.B. über sponsored links, Werbe-

banner etc.) ist nur in einem Umfeld neutraler Angebote und mithin deutlich

getrennt von solchen Internetangeboten erlaubt, die sich an Kinder und Jugend-

liche richten.234

233 Vgl. etwa die Werbegestaltungsverbote und -gebote in § 6 JMStV, ferner die Regelungen des §

8a RStV und der einschlägigen Bestimmungen der Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstal-

ten.

234 Vgl. etwa die vergleichbare Regelungsdiktion des „Trennungsgebotes“ in § 5 Abs. 5 JMStV.

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III. Gesamtergebnis

Ein Großteil der Internetangebote im Bereich der Sportwetten und Online-Casinos

wird bisher im bzw. vom Ausland aus angeboten. Diese Angebote sind damit einer

Spielsucht- und Jugendschutzregulierung faktisch nicht oder allenfalls nur schwer

zugänglich. Gleichwohl werden nach bisherigen Berichten diese Angebote in er-

heblichem Umfang auch von deutschen Spielern genutzt. Das derzeitige staatliche

Glücksspielmonopol im Bereich der Sportwetten und Online-Casinos sowie das

Totalverbot im Internetbereich verfehlen daher zu einem bedeutenden Teil den

Zweck der Kanalisierung und Steuerung des Glücksspieltriebes.

Vor diesem Hintergrund hat die Studie auf der Grundlage der bestehenden gesetz-

lichen Regelungen zum Glücksspiel sowie unter Auswertung der in anderen Unter-

suchungen bzw. im Ausland vorgeschlagenen und/oder praktizierten Lösungsan-

sätze untersucht, ob es grundsätzlich möglich ist, in Deutschland im Rahmen eines

Dualen Systems mit lizenzierten privaten Anbietern im Bereich der Sportwetten

und Online-Casinos den Belangen der Spielsuchtprävention und des Jugendschut-

zes (Spielerschutz) hinreichend Rechnung zu tragen, um dadurch mit einem

„Wettbewerbsmodell“ die bisher erfolgende Nutzung der ausländischen Angebote

einzuschränken, die nicht oder nicht ausreichend reguliert sind. Die Studie hat in-

soweit ein breites Spektrum an Lösungsansätzen und Maßnahmen aufgezeigt,

welche einen wirksamen Spielerschutz gewährleisten können. Insbesondere

kommen folgende Maßnahmen in Betracht:

Maßnahmen zur Spielsuchtprävention

Bei den Maßnahmen zur Spielsuchtprävention lassen sich sechs größere Bereiche

unterscheiden, welche durch die Anbieter von Sportwetten und Online-Casinos

umgesetzt und entsprechend legislativ verankert werden können.

• Der erste Bereich betrifft die personellen und organisatorischen Anforderun-

gen an einen Glücksspielanbieter, damit dieser eine effektive Spielsuchtprä-

vention leisten kann (z.B. spezielle Schulung der Mitarbeiter bezüglich Spiel-

suchtprävention, Bestellung eines Beauftragten für ein Spielkonzept).

• Der zweite Bereich umfasst allgemeine Maßnahmen des Glücksspielanbieters

zur Aufklärung der Spieler über die Gefahren der von ihm angebotenen Glücks-

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spiele und zur Verhinderung falscher Erwartungen bzw. Vorstellungen (z.B. Auf-

klärung über Gewinn- und Verlustchancen, exakte Beschreibung des Spielab-

laufs).

• Der dritte Bereich bezieht sich auf den Umfang erlaubter Werbung für Glücks-

spiel (z.B. keine irreführende Werbung, keine individuell zugeschnittene Wer-

bestrategie, Hinweise auf mögliche Suchtgefahren und auf konkrete Hilfsmög-

lichkeiten).

• Der vierte Bereich beinhaltet Selbsthilfemaßnahmen, welche dem Spieler von

seinem Glücksspielanbieter angeboten werden (z.B. Zurverfügungstellung ei-

nes Selbsttests hinsichtlich einer Spielsuchtgefährdung, Ermöglichung des Set-

zens von Summen- und Zeitbeschränkungen, Möglichkeit der Selbstsperre).

• Der fünfte Bereich betrifft die Schaffung einer Infrastruktur für eine Spieler-

überwachung durch den Glücksspielanbieter, sodass dieser effektiv Hilfestel-

lungen leisten und Fehlentwicklungen entgegenwirken kann (z.B. Registrie-

rungszwang bei gleichzeitiger Verifikationspflicht hinsichtlich der Anmeldeda-

ten, Überwachung und Speicherung von Spielvorgängen anhand bestimmter

Parameter zur Ermittlung spielsuchtgefährdender Spieler als sog. „Warnsys-

tem“).

• Der sechste Bereich umfasst schließlich zum einen mögliche generelle Be-

schränkungen des Spielers und des Spiels, die vom Anbieter der Sportwetten

und Online-Casinos selbst vorgegeben werden (z.B. Einsatz- und Spielzeitbe-

schränkungen für alle Spieler, anbieterübergreifende Fremdsperren). Insoweit

ist allerdings zu beachten, dass die Gefahr besteht, dass diese Maßnahmen die

Ziele einer Rückholung der Spieler in die Legalität verfehlen. Jedoch könnte bei

Anzeichen für ein problematisches Spielverhalten aufgrund des zuvor erwähn-

ten Überwachungs- und Warnsystems Alarm ausgelöst und ein abgestuftes

Reaktionssystem in Gang gesetzt werden etwa mit folgenden Eskalationsstu-

fen: 1) manuelle Vorkontrolle durch den Glücksspielanbieter, ob ein Alarm zu-

recht ausgelöst wurde, 2) Pflicht des Spielers zur Durchführung eines Selbsttest,

3) Spielerbeschränkungen durch den Glücksspielanbieter (insbesondere Einsatz-

und Spielzeitlimits) und 4) Sperre durch den Glücksspielanbieter.

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Maßnahmen zum Jugendschutz

Bei den Maßnahmen zum Jugendschutz stehen die beiden Schwerpunktbereiche

des durch eine hohe Kontrollintensität zu gewährleistenden Ausschlusses von

Minderjährigen einerseits und einer jugendschutzkonformen Ausgestaltung des

Spielangebotes und der Werbung andererseits im Mittelpunkt. Dabei kommen vor

allem folgende Maßnahmen in Betracht:

• Von zentraler Bedeutung ist eine effektive Altersverifizierung im Rahmen der

Erstregistrierung des Kunden. Dies kann mit einer Identifizierung des Kunden

durch einen Rückgriff auf bereits gesicherte Datensätze wie die der Schufa er-

folgen, die an die Zahlungsabwicklung anknüpfen. Zur weiteren Erhöhung des

Schutzniveaus ist zusätzlich die Überprüfung einer nutzerseitig einzugebenden

Personalausweis- oder Reisepassnummer implementierbar. Hierdurch wird

i.V.m. der Kostenpflichtigkeit des Angebotes (Spieleinsatz) auch dem Erforder-

nis der Wahrnehmungserschwernis nach § 5 JMStV Rechnung getragen.

• Zusätzlich muss die Gefahr der Umgehung oder des Missbrauchs durch minder-

jährige Nutzer insbesondere durch unbefugte Nutzung von Erwachsenendaten

Dritter verhindert werden, z.B. durch ein erhöhtes Aufdeckungsrisiko aufgrund

der Zahlungslast (Nutzung valider Zahlungsdaten Dritter) sowie durch einen ge-

nerellen Ausschluss der Auszahlung von Gewinnen an Minderjährige. Ergänzt

werden kann dies über eine „Lichtbildausweis“-Kontrolle spätestens vor Aus-

zahlung von Gewinnen. Dies kann durch Übermittlung einer deutlich lesbaren

Kopie des Lichtbildausweises erfolgen, bei der neben dem Lichtbild auch das

Geburtsdatum sowie Vor- und Nachname der (registrierten) Person deutlich er-

kennbar sein müssen.

• Ein weiterer Bereich ist die jugendschutzkonformen Ausgestaltung des Inter-

netangebotes einschließlich der „Abschreckung“ jugendlicher Teilnehmer.

Hierzu ist jedenfalls der deutliche Hinweis auf den Teilnahmeausschluss Min-

derjähriger und auf die Tatsache möglich, dass keine Gewinnausschüttung an

Minderjährige erfolgt. Zur Erhöhung des „Abschreckungseffektes“ im Rahmen

des Glücksspielangebotes kommt der zusätzliche Hinweis in Betracht, dass im

Falle der Entdeckung eines missbräuchlichen Zugangsversuchs durch eine min-

derjährige Person gegebenenfalls eine umgehende Unterrichtung der Erzie-

hungsberechtigten erfolgt.

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Prof. Dr. U. Sieber – Spielsuchtprävention und Jugendschutz in einem „Dualen System“

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• Im Hinblick auf das künftige Jugendschutzrecht kann eine Kennzeichnung des

Sportwetten- bzw. Online-Casino-Angebotes mit „ab 18 Jahren“ nach dem am

01.01.2011 in Kraft tretenden neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag zwin-

gend vorgeschrieben werden (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 JMStV-E).

• Einen weiteren wichtigen Bereich stellt die jugendschutzkonforme Ausgestal-

tung von Werbemaßnahmen dar (keine kinder- oder jugendaffine Gestaltung,

Beschränkung der Werbung auf sachliche Information, keine – auch nur indirek-

ten – Teilnahmeappelle an Minderjährige).

Ob die dargestellten Maßnahmen als hinreichend für einen effektiven Spieler-

schutz angesehen werden, basiert im Wesentlichen auf persönlichen normativen

Wertungen. Nach der vorliegenden Studie ist das Spektrum möglicher Maßnah-

men jedoch so umfassend, dass selbst strengen persönlichen Wertungen über die

Schutzanforderungen Rechnung getragen werden kann. Bei der Festlegung des

Schutzniveaus ist allerdings aufgrund des oben genannte Spannungsverhältnisses

zwischen der „Rückholung“ der Spieler in die Legalität und ihrem Schutz im Inland

auch zu berücksichtigen, dass Schutzmaßnahmen nicht dazu führen sollten, dass

die Spieler zu stark zum Abwandern zu ausländischen Angeboten motiviert wer-

den, wo möglicherweise keine oder nur geringere Schutzmaßnahmen erforderlich

sind und die Spieler dadurch noch schlechter geschützt sind. Zur Verhinderung

dieser Entwicklung kann die regulierte Freigabe von Sportwetten und Online-

Casinos in Deutschland deswegen auch mit einer Erschwerung des Markzugangs

für illegale Anbieter aus dem Ausland einhergehen, um die dann in Deutschland

tätigen gesetzestreuen lizenzierten Anbieter zu stützen.

Auf der Grundlage der hier diskutierten Maßnahmen lässt sich daher ein hinrei-

chender Spielerschutz mit der Schaffung eines Dualen Systems vereinbaren. Die

Gutachtenfrage, ob bei einer Marktöffnung im Bereich der Online-Sportwetten

und der Online-Casinos der Spielsuchtprävention und dem Jugendschutz hinrei-

chend Rechnung getragen werden kann, ist damit grundsätzlich zu bejahen.

Der Gesetzgeber hat einen weiten Spielraum, wie er diesen Spielerschutz festset-

zen will. Aufgrund der gegenwärtig bestehenden globalen Regulierungsprobleme

im Internet entscheidet er mit diesen Festlegungen sowie zusätzlichen flankieren-

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den Maßnahmen allerdings auch darüber, ob die Spieler innerhalb des staatlichen

Schutzbereichs gehalten werden können.

Prof. Dr. Ulrich Sieber