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Kundenbindung Die klassischen Instrumente zur Kundenbindung müssen an die Smartphone-Ära angepasst und interaktiv angereichert werden. seite 10 State of the Art Social Media sind nur Bei- gemüse? Mitnichten! Eine Kampagne für Maurice Lacroix beweist das Gegenteil. seite 40 Zeitungs-Apps Apps für Tageszeitungen sind heutzutage eine Selbstver- ständlichkeit. Im Werbemarkt ist der Erfolg dagegen aber noch durchzogen. seite 55 PR und Web 2.0 PR im klassischen Sinne ist ein Auslaufmodell. Web 2.0 macht die Kommunikation komplexer & die PR-Ausbil- dung interessanter. seite 61 TALENTE FÖRDERN Sozialunternehmen Brüggli - eine Erfolgsgeschichte MARKETING & KOMMUNIKATION 12/12 CHF 18.- >08

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MK19, marketing + kommunikation

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KundenbindungDie klassischen Instrumente zur Kundenbindung müssen an die Smartphone-Ära angepasst und interaktiv angereichert werden. seite 10

State of the ArtSocial Media sind nur Bei-gemüse? Mitnichten! Eine

Kampagne für Maurice Lacroix beweist das Gegenteil. seite 40

Zeitungs-AppsApps für Tageszeitungen sind heutzutage eine Selbstver-ständlichkeit. Im Werbemarkt ist der Erfolg dagegen aber noch durchzogen. seite 55

PR und Web 2.0PR im klassischen Sinne ist ein Auslaufmodell. Web 2.0 macht die Kommunikation komplexer & die PR-Ausbil-dung interessanter. seite 61

TALENTEFÖRDERNSozialunternehmen Brüggli - eine Erfolgsgeschichte

MARKETING&KOMMUNIKATION

12/12 CHF 18. -

>08

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8 MARKETING Marketing & Kommunikation 12/12

Marketing 12/12

Eine Stunde nach Arbeitsan-tritt stürmen sie durchs Firmen-gebäude, durchsuchen Betriebs- und Büroräume, wühlen in Ma-terialkisten und Aktenstapeln. Keine Ecke wird verschont, kein Blatt bleibt auf dem anderen. Über -all schauen die Mitarbeitenden nach. Fünf Minuten dauert der Spuk, dann sitzen alle erleichtert an ihrem Arbeitsplatz. Jemand hat den Schlüssel zur Tür gefunden, hinter der der listige Entführer den Brüggli-Samichlaus gefan-gen hält. Die morgendliche Suche wird sich so lange wiederholen, bis an der Weihnachtsfeier die passenden Schlüssel ausgelost werden – und der Chlaus endlich befreit werden kann. Dann wer-den die glücklichen Finder auch für ihren Einsatz belohnt.

Sozial, aber marktorientiertDer spielerische Wettbewerb, ini-tiiert und veranstaltet von der internen Kommunikationsabtei-lung, beflügelt die Fantasie, för-dert die Kreativität und stärkt den Gemeinsinn. Vor allem aber wirkt er hoch motivierend und dient damit dem Ziel der Agogik, Men-schen professionell zu führen und zu begleiten, um ihre Talente und Kompetenzen zu fördern. Beim Erlernen von Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz ist Motivation das Schlüsselelement. Für das Brüggli-Management, das sich dem agogischen Grundprin-zip verschrieben hat, ist es Pflicht und Kür zugleich – so wie alle anderen Führungsqualitäten, die ein soziales, aber marktorien-tiertes Unternehmen seinem Ka-der abverlangt.

Erfolgsfaktor ProfessionalitätDass der 1986 gegründete Verein sich so schnell etablieren und zum Musterbeispiel von Sozial-unternehmen avancieren würde, war nicht von Anfang an abzu-

sehen (siehe Interview). Um die Vereinsziele – Menschen mit Be-hinderung und/oder sozialbedürf-tige Menschen weiter zu fördern, ihnen Arbeits-, Verdienst- und Wohnmöglichkeiten zu bieten und sie in Wirtschaft und Ge-sellschaft einzugliedern – zu er-reichen, waren administrative wie organisatorische Hürden zu überwinden. Eine fortwährende Aufgabe, denn neben Aufbau und Pflege des schnell wachsenden Netzwerks zwischen zuständigen Behörden, zuweisenden Sozial-versicherungsträgern und mittler-weile 400 Firmenpartnern, hatten die Vereinsmanager sich in den letzten 25 Jahren allein an fünf IV-Revisionen anzupassen.

Gemeinsam mit den Vereins-mitgliedern setzte das siebenköp-fige Gründerteam mit der ersten spezialisierten Werkstätte für Tex-tilproduktion und Büro-Dienst-leistungen gleichzeitig auch die Wurzeln für den schnellen wirt-

schaftlichen Aufschwung. Die beiden Grundpfeiler der dama-ligen Angebotspalette haben heu-te nichts mehr mit dem Vorstel-lungsbild früherer Behinderten-werkstätten gemein. Denn mitt-lerweile wuchs das Brüggli zu ei-ner tragfähigen Brücke heran, die menschliche mit sozialen und ökonomische mit ökologischen Vi-sionen verbindet. Dass sie Realität werden, lässt sich an der Sozial-bilanz und auch am Betriebsergeb-nis ablesen, das der öffentlichen Hand seit Jahren einen angemes-senen Gewinn beschert.

Worin liegt das Erfolgsgeheim-nis? Zum einen sind es traditi-onelle Tugenden wie unternehme-rische Weitsicht und wirtschaft-liches Handeln, aber auch Inno-vationsgeist und Mut zum Risiko, die das Brüggli-Kader auszeich-nen. Zum anderen ist es die Tat-sache, dass sich beim Schaffen von Lehr-, Aus- und Weiterbil-dungsplätzen alles um den Men-schen dreht. Der soziale Umgang miteinander wird von den Grün-dungsvätern vorgelebt, die heute noch im Betrieb und Verein aktiv sind. Diese Vorbilder prägen den starken kulturellen Kern, mit dem sich alle identifizieren.

Nach aussen manifestiert sich beides in der Authentizität, mit

dem der Sozialbetrieb am Markt auftritt. Dort zählen ausserdem weitere Werte, die das moderne, zukunftsgerichtete Unternehmen mitbestimmen. Neben der ausser-ordentlichen Angebotsvielfalt ba-siert das positive Image von Brügg-li in der Öffentlichkeit vor allem auf einem: auf Professionalität.

Überzeugendes WachstumsprinzipDas wirtschaftliche Wachstum folg te stets einem einfachen, aber überzeugenden Prinzip: Zuerst wer den die eigenen Leistungen professionalisiert und Lehrstel-len und Arbeitsplätze geschaffen, danach wird expandiert. So ent-wickelte sich die Textilwerkstatt von damals zum Industriecenter von heute, an das sich vor- und nachgelagerte Produktionsstufen anschliessen. Die Büro-Services erweiterten sich zur Printagentur, die Druckerei, PR und Grafik in sich vereint.

Nach dem Um- und Ausbau des Hauptgebäudes ergänzte das Restaurant «Usblick» mit seiner riesigen Dachterrasse die Rei-he der Profitcenter, und als bis-lang letztes Start-up kam der Ver-kaufsshop «Pier58» am Hafen hinzu. Alle vier Profitcenter bie-ten eine vielseitige Produkt- und Dienstleistungspalette an. Neben den vier nach aussen gerichte-

VON DORIS GOTTSTEIN

Mit rund 650 Mit-arbeitenden und unterschiedlichen Geschäftsbe-reichen zählt Brüggli heute zu den grössten und modernsten Ausbildungs- und Integrations-institutionen der Schweiz.

sehen (siehe Interview). Um die Vereinsziele – Menschen mit Be-

unterschiedlichen

und Integrations-

Kommuni-kationsleiter Michael Haller

Wo Visionen gelebt werdenTITELSTORY Engagiert und sozial, echt und bodenständig. Um die Vielfalt seiner Angebote in der Öffentlichkeit besser zur Geltung zu bringen, positioniert sich das Sozialunternehmen Brüggli nach 25 Jahren neu am Markt - und schreibt weiterhin Erfolgsgeschichte.

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ten Brüggli-Pfeilern unterstützen mehrere Stabsstellen den schnel-len Aufschwung. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis sich wei-tere «Spin-offs» ergeben, die ih-ren eigenen Erfolgsbeitrag leisten.

«Alles hat klein angefangen und ist dann relativ schnell ge-wachsen», erläutert Kommuni-kationsleiter Michael Haller das Prinzip und nennt Beispiele: Das mehrfach für seine innovativen Produkte ausgezeichnete Indust-riecenter, dessen Eigenmarken «Leggero» und «4pets» europa-weit vermarktet werden, liefert einen Grundstock an planbarer Auslastung. Dazu übernehme man Lohnaufträge. Schulmöbel- und Taschenhersteller sowie Zu-lieferer der Autoindustrie, aber auch Hersteller aus anderen Bran-chen verlassen sich auf Brüggli.

Kommunikation, neu ausgerichtetDieser Grundsatz gilt auch für die Kommunikation. Denn alles, was für die Produktion von Ma-

gazinen, Broschüren und Druck-sachen gebraucht wird, ist bei Brüggli vorhanden. Das gesamte Angebotsspektrum kann «aus ei-ner Hand» geliefert werden. Vor vier Jahren sei die Kommunika-tion institutionalisiert worden, erklärt Haller. «Im Frühjahr 2012 konnten wir ausbauen.»

Mit Predrag Jurisic und Vivi-ane Probst, die die nötige Verstär-kung in den Bereichen Text, Kon-zept und PR brachten, könnten nun auch die Aussenbeziehungen stärker gepflegt werden – mit Er-folg: Bereits werden neben eige-nen Publikationen regelmässig Zeitschriften von A bis Z produ-ziert, für ein Alterspflegezent-rum, aber auch für Berufsverbän-de, die zum Brüggli-Netzwerk ge-hören und mit denen die Aufträ-ge wachsen.

Im Januar wird eine erfah-rene Kommunikationsdesigne-rin dazukommen, und so können nebst den Lehrlingsplätzen für Drucktechnologen, Printmedien-verarbeiter und Polygrafen in der

Druckerei auch Grafiker ausgebil-det werden.

Gesucht: «Brüder im Geiste»Für die neue Positionierung des alten Kerngeschäfts werden auch Strategien und Massnahmen überdacht: «Wir suchen ganz gezielt Brüder im Geiste», sagt Michael Haller und spricht da-bei Firmen und Institutionen an, die gerne mit einem Sozialunter-

nehmen kooperieren und auch dessen Philosophie verinnerlichen können. Zur Zielgruppe gehören Pflege-heime genauso wie Schu-len und öffentliche Einrich-tungen sowie Gaststätten und Handwerksbetriebe in der Mittel- und Ostschweiz, «die solide Kommunika-

tionsleistungen zu einem fairen Preis und mit sozialem Mehrwert suchen».

Dass man auch mit klei-nen Ressourcen und unter er-schwerten Bedingungen etwas bewegen kann, hat Brüggli be-reits im letzten Jahr bewiesen, als ihm der Schweizerische Verband für interne Kommunikation die «Goldene Feder» für das Magazin «Unterwegs» verlieh. �

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KrAFtVoLL ! Ideen auf Achse!

Nur einer der Erfolgsfaktoren: die Vielfalt im Brüggli-Angebot

Alois Schütz, Geschäftslei-tungsmitglied und Centerlei-ter Druckerei von Brüggli

MK Sie sind einer der Gründungs-väter von Brüggli. War das rasche Wachstum absehbar?ALOIS SCHÜTZ Dass es ein Wachs-tum geben würde, davon war auszugehen. Dass es dann aber so schnell gehen würde, das hat auch uns überrascht. Als wir anfingen, waren wir die Ersten im Thurgau, die Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer und/oder körper-licher Beeinträchtigung anboten; das gab es bis anhin nicht. Wir tra-ten also in eine Marktlücke. Es war ein klarer Bedarf ausgewiesen.

MK Welche externen und internen Faktoren führten zu dem lang anhaltenden Erfolg?SCHÜTZ Zum raschen Wachstum führte unter anderem auch, dass

der Arbeitsmarkt für schwächere junge Leute immer kleiner wur-de. Soziale Missstände, familiäre Probleme, Drogenmissbrauch, um einige Stichworte zu nennen, führten zu einer stetig wach-senden Nachfrage nach Ausbil-dungs- und Arbeitsplätzen im geschützten Rahmen. Gleicher-massen trug unsere Innovations-

freude zum Wachstum bei. Wir konzentrierten uns früh auf Ei-genprodukte; das populärste ist der Fahrradanhänger Leggero. Mit solchen Eigenprodukten er-möglichten wir eine grosse beruf-liche Vielfalt.

MK Mit Produktneuheiten eröffnen sich stets neue Berufsfelder. Wie funktioniert dieser Prozess?SCHÜTZ Der Fahrradanhänger Leggero, zum Beispiel, erfordert eine Logistik, ein Einkaufs- und Verkaufswesen, er gibt im Finanz-wesen zu tun, natürlich beson-ders auch in der Mechanik und Montage sowie in der Druckerei, weil für das Produkt ja auch Wer-bung gemacht werden will. So schufen wir also verschiedene

Berufsfelder, und so entstand ei-ne agogische Angebotsvielfalt in Kombination mit ausgeprägter Wirtschaftsnähe, die ziemlich einzigartig ist. Das erklärt, warum wir heute in der Ostschweiz fest verankert sind und zugleich Men-schen aus anderen Landesteilen zu uns kommen.

MK Welche Erfolgsfaktoren sind Ihrer Ansicht nach noch von Bedeutung?SCHÜTZ Wesentlich ist zudem die Vollständigkeit unserer agogischen Leistungen: Abklä-rungen, Integrationsmassnah-men, Ausbildung, Jobcoaching, betreutes Wohnen – wir sind so sowohl für die Zuweisenden als auch unsere Klienten ein inte-ressanter Integrationspartner. Die Grundlagen dazu haben wir schon in den Gründerzeiten ge-legt, indem wir Vielfalt zuliessen und uns mit unseren Eigenleis-tungen absicherten. �

2011 ausgezeichnet mit der «Goldenen Feder» als beste Mitarbeiterpublikation: die Brüggli-Hauszeitung «Unter-wegs» für Mitarbeitende und Kunden.