Upload
others
View
17
Download
2
Embed Size (px)
Citation preview
Studiengang Alt-Katholische und Ökumenische Theologie
am Alt-Katholischen Seminar
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Modul 3.3:
Grundlagen alt-katholischer Liturgie
Teil I
Wortgottesdienst
Dozent: Pfarrer Joachim Pfützner, Stuttgart
2/49
INHALT
EINLEITUNG ……………………………………………………………………………………………………………………….… 4
1. DIE ORDNUNG DER HEILIGEN EUCHARISTIE ……………………………………………………………………... 5
1.1 Das Eucharistiebuch 2006 und seine Vorläufer ……………………………………………………. 7
1.1.1 Die Auflagen 1995 und 1998 …………………………………………………………………..…. 7
1.1.2 Die überarbeitete und erweiterte Auflage 2006 ………………………………………. 10
1.1.3 Die Altarbücher 1888 und 1959 ……………………………………………………………..… 13
1.1.3.1 Das Altarbuch 1888 ……………………………………………………………………… 13
1.1.3.2 Das Altarbuch 1959 ……………………………………………………………………… 16
1.2 Feier in Gemeinschaft ………………………………………………………………………………………… 17
1.2.1 Verschiedene Rollen und Dienste …………………………………………………………..… 17
1.2.2 Stellenwert der liturgischen Gesänge ……………………………………………………….. 18
1.2.3 Ein dramaturgisches Gefüge …………………………………………………………………….. 19
1.2.4 Terminologie ……………………………………………………………………………………………. 21
1.2.5 Liturgische Bildung ………………………………………………………………………………..…. 22
2. DER ERÖFFNUNGSTEIL DER EUCHARISTIE ……………………………………………………………………….. 22
2.1 Die Feier der Versöhnung als eigenständige liturgische Feier …………………………….. 22
2.2 Kyrierufe und Gloria …………………………………………………………………………………………... 25
2.3 Einzug und Eingangsgesang ………………………………………………………………………….……. 28
2.4 Gebet des Tages ……………………………………………………………………………………………..…. 31
2.5 Dramaturgie des Eröffnungsteils ……………………………………………………………………….. 32
3. DER WORTGOTTESDIENST DER EUCHARISTIE ………………………………………………………………….. 33
3.1 Die biblischen Lesungen …………………………………………………………………………………….. 33
3.1.1 Grundsätzliches ………………………………………………………………………………………… 33
3.1.2 Der Psalm nach der ersten Lesung ……………………………………………………………. 34
3.1.3 Halleluja und Verkündigung des Evangeliums ………………………………………..…. 36
3.1.4 Prinzipien der Leseordnung ………………………………………………………………………. 38
3/49
3.2 Die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde …………………………..………………………… 43
3.2.1 Glaubensbekenntnis ………………………………………………………………………………….. 43
3.2.2 Fürbitten …………………………………………………………………………………………………… 45
3.2.3 Friedensgruß ……………………………………………………………………….……………………. 48
3.2.4 Dramaturgie des Antwortteils im Wortgottesdienst ..………………………………… 49
4/49
EINLEITUNG
Was ist alt-katholische Liturgie? Woran erkennt man sie? Ist sie überhaupt nötig? Solche
Fragen führen zum Thema der Lehrveranstaltung „Grundlagen alt-katholischer Liturgie“1.
Dabei liegt der Fokus auf dem Untertitel „Besonderheiten alt-katholischer
Liturgieentwicklung“. Besonderheiten alt-katholischer Liturgie fallen aufmerksamen
Beobachterinnen und Beobachtern auf, wenn sie, aus einem anderen kirchlichen Kontext
kommend, die ersten Male einen alt-katholischen Gottesdienst mitfeiern. Da gibt es
beispielsweise anderslautende Antworten, bei denen man sich fragt: Müssen die unbedingt
anders sein? Was macht es für einen Unterschied, ob ich nach den Lesungen in einem alt-
katholischen Gottesdienst antworte: „Gott, dem Herrn, sei Dank“, während man anderswo
„Dank sei Gott“ erwidert2? Oder der Friedensgruß: Warum wird er in manchen Gemeinden
bereits an der Schnittstelle zwischen Wortgottesdienst und Mahlfeier ausgetauscht und in
anderen Gemeinden kurz vor der Kommunion? Oder die Kniebeugen während des
Eucharistiegebetes: Warum fallen sie weg nach den Worten Jesu im Einsetzungsbericht,
während ganz am Ende des Gebetes eine Kniebeuge stattfindet? Besonders aufmerksame
Gottesdienstmitfeiernde entdecken überdies, dass manche Eucharistiegebete keine
Wandlungsepiklese, wohl aber eine Epiklese nach dem Einsetzungsbericht haben, während
es in anderen Eucharistiegebeten wieder nicht so ist.
Warum das so ist und wie es dazu gekommen ist, das sind Fragen nach den Besonderheiten
alt-katholischer Liturgieentwicklung. Ihnen wird in diesem Kurs vor allem nachgegangen.
Dabei steht im Vordergrund die Feier der Eucharistie. Sie ist beschrieben im Gesangbuch
„Eingestimmt“3 und im Eucharistiebuch, das für die Feier der Heiligen Eucharistie im
1 Zur Einführung in die Liturgiewissenschaft siehe: Reinhard Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft,
Stuttgart 20092; Adolf Adam, Winfried Haunerland, Grundriss Liturgie, Freiburg, Neuausgabe 2012; Albert
Gerhards, Benedikt Kranemann, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Darmstadt (WBG) 20133; Liborius Olaf
Lumma, Crashkurs Liturgie. Eine kurze Einführung in den katholischen Gottesdienst, Regensburg 20122.
2 Weitere Beispiele: „Friede mit uns allen“ als Antwort auf den Friedensgruß; „Christus ist gestorben. Christus
ist erstanden. Christus wird wiederkommen“ als Akklamation nach dem Einsetzungsbericht des Eucharistiegebets; „Durch ihn und mit ihm und in ihm wird dir dargebracht, Gott, allmächtiger Vater, in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes…“ bei der abschließenden Doxologie des Eucharistiegebets; „Preis und Dank sei unserm Gott“ als Antwort auf den Entlassungsruf „Gehet hin in Frieden!“ 3 Eingestimmt. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, Bonn 2015
2, S. 14f
(Übersicht) und S. 16-28 (Die Ordnung der Heiligen Eucharistie), im Folgenden auch mit dem Kürzel ES genannt. Die Arbeitsgemeinschaft ökumenisches Liedgut (AÖL) teilt den Gesangbüchern der Kirchen im deutschsprachigen Raum jeweils ein Kürzel zu, das dann auch in wissenschaftlichen Arbeiten benutzt wird. Das gilt für das römisch-katholische Gotteslob (GL) ebenso wie für das Evangelische Gesangbuch (EG). Weitere Abkürzungen lauten: KG = Katholisches Gesangbuch, Gesang- und Gebetbuch der deutschsprachigen Schweiz 1998, RG = Evangelisch-reformiertes Gesangbuch, Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz 1998, CG = Christkatholisches Gesangbuch, Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz 2004, EM = Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Deutschland, Österreich und Schweiz/Frankreich 2002, FL = Feiern und Loben / Die Gemeindelieder, Gesangbuch des Bundes Freier evangelischer Gemeinden und des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten) 2003, JF = Jesus – unsere Freude. Gemeinschaftsliederbuch des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes e.V. 1995. Siehe dazu: Heinrich Riehm, Das Kirchenlied am Anfang des 21. Jahrhunderts, Marburg (Francke Verlag) 2004.
5/49
deutschen Bistum der Alt-Katholiken grundlegend ist4. Wer beide Beschreibungen
miteinander vergleicht, wird dabei Unterschiede und Widersprüche entdecken. In ihnen wird
ein Stück Liturgieentwicklung anschaulich. Die Beschreibung im Gesangbuch „Eingestimmt“
geht auf eine Broschüre zurück, die 1981 zur Erläuterung und Neuordnung der
Eucharistiefeier erschienen ist5. Fünf Jahre später ging sie in das Gesangbuch „Lobt Gott, ihr
Christen“ ein6. Von dort ist sie schließlich für das Nachfolge-Gesangbuch „Eingestimmt“
abgeschrieben worden. Bei der Beschreibung im Eucharistiebuch handelt es sich um eine
Überarbeitung aus dem Jahre 2006. Als aktuellste Veröffentlichung ist sie für diesen Kurs
grundlegend.
1. DIE ORDNUNG DER HEILIGEN EUCHARISTIE
Bereits der offizielle Titel des Eucharistiebuchs verrät etwas über Besonderheiten alt-
katholischen Liturgieverständnisses: „Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der
Alt-Katholiken in Deutschland7. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die
Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung.“ Nach
altkirchlichem Brauch ist jede Ortskirche für die Gestaltung der Liturgie selbst
verantwortlich. Es gibt also nicht „die“ alt-katholische Liturgie, sondern die Liturgie der
niederländischen Kirche oder die der Schweizer Kirche oder eben die der deutschen Kirche.
Die Grundprinzipien aber, nach denen die Liturgie geordnet ist, sind – auch da folgen wir
altkirchlichem Brauch – in allen alt-katholischen Kirchen gleich.
Das zweite, was aus dem Titel hervorgeht: Unsere liturgischen Bücher werden von einer
Liturgischen Kommission erarbeitet. Es handelt sich dabei um eine bischöfliche Kommission,
deren Mitglieder vom Bischof ernannt werden, in der Regel im Einvernehmen mit den in der
Kommission bereits mitarbeitenden Mitgliedern. Davon zu unterscheiden sind die von der
Synode gewählten Kommissionen wie z.B. die Finanz- und die Rechtskommission. Dass die
Mitglieder der Liturgischen Kommission nicht gewählt, sondern vom Bischof ernannt
werden, hängt mit dem ius liturgicum zusammen, das seit frühester Zeit ein bischöfliches
Recht war und das synodal nicht verhandelbar ist. Die von der Liturgischen Kommission
erarbeiteten Bücher werden – das ist die dritte Besonderheit – durch Bischof und
Synodalvertretung herausgegeben und so auch in Kraft gesetzt. Es handelt sich also um
amtliche Texte, die sogar einer Bestimmung der Synodal- und Gemeindeordnung
unterliegen. In Paragraph 89 SGO heißt es:
4 Die Feier der Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Für den
gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben durch Bischof und Synodalvertretung. Bonn 2006, S. 181-208, im folgenden „Eucharistiebuch 2006“ genannt. 5 Die Feier des Gottesdienstes im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, hrsg. von Bischof
Josef Brinkhues, erarbeitet von der Liturgischen Kommission. Als Manuskript gedruckt, Bonn 1981. 6 Lobt Gott, ihr Christen. Gesangbuch des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken für Christen heute. Bonn
1986, S. 12f (Übersicht) und 14-28 (Die Ordnung der Heiligen Eucharistie). 7 Hervorhebungen eigens für dieses Skript.
6/49
Alle Geistlichen haben die Pflicht, die Eucharistiefeier sowie die Spendung der hl. Sakramente
mit der höchsten Sorgfalt und Ehrfurcht zu vollziehen und den Ritus und die Zeremonien nach
den vorgeschriebenen Ritualbüchern genau einzuhalten. Für jede Abweichung von den
vorgeschriebenen Ritualbüchern ist vorher die Genehmigung der Bischöfin oder des Bischofs
und der Synodalvertretung einzuholen.
Was hier so streng gesetzlich geregelt ist, hat natürlich seine Vorgeschichte. Die erste
Bistumssynode 1874 hat bekanntlich eine Reihe von Reformen in Kraft gesetzt, darunter
auch die, dass neue Ausgaben der liturgischen Bücher besorgt werden sollen – als Beispiele
werden Missale, Brevier und Rituale genannt8. Außerdem erklärt die Synode die Einführung
der Volkssprache als liturgische Sprache für wünschenswert9. Dass darüber hinaus noch
festgelegt wird, mit der Herausgabe des Rituale zu beginnen10, dürfte Verwunderung
auslösen: Wäre ein Missale nicht nötiger gewesen? Doch beim Missale war man sich erstens
nicht so sicher, ob eine Bistumssynode überhaupt die Kompetenz dazu hat, die Messe ins
Deutsche zu übersetzen, und zweitens hatte man erkannt, dass es mit einer reinen
Übersetzung der lateinischen Texte nicht getan wäre. Vielmehr sollte in diesem
Zusammenhang auch der theologische Gehalt der Texte überprüft werden, und es sollten
liturgiegeschichtliche Studien betrieben werden, um herauszufinden, welche Texte den
altkirchlichen Geist atmeten und welche nicht11. Das alles konnte nicht hoppla hopp erledigt
werden; es brauchte vielmehr Zeit. Andererseits gab es im Bistum, vor allem unter den
jüngeren Geistlichen und unter einigen Professoren, einen gewissen Durst nach Reformen
besonders der Messe, und so machten sich da oder dort einzelne Geistliche an ihr ganz
persönliches Reformwerk, das dann mehr oder weniger ausgeklügelt und an den einzelnen
Orten auch sehr unterschiedlich ausfiel. Genau das aber wollte man nicht, und so mussten
schon damals Verbote und Regelungen ausgesprochen werden12.
8 Johann Friedrich von Schulte, Der Altkatholizismus. Geschichte seiner Entwicklung, inneren Gestaltung und
rechtlichen Stellung in Deutschland, aus den Akten und anderen authentischen Quellen dargestellt, Gießen 1887, Neudruck durch den Scientia Verlag Aalen, 2002, S. 609. Hans Ewald Keßler, Die Diskussion um die Einführung der deutschen Liturgie bei den Altkatholiken in Deutschland bis zur fünften Synode, Bonn 1966, S. 4 (MS). 9 KeßlerS. 3f.; Schulte, S. 606. Schulte schreibt S. 607: „Die Bonner Unions-Konferenz vom J. 1874 nahm den
Satz an (Bericht S. 16): ‚Wir stimmen überein, dass es im allgemeinen angemessener und dem Geiste der Kirche entsprechender ist, dass die Liturgie in der vom Volke verstandenen Sprache gebraucht werde.‘“ 10
Keßler, S. 9. Wörtlich ist in dem betreffenden Antrag von einer Beschränkung auf das Rituale die Rede. Vgl. auch Schulte, S. 606. 11
Schulte, S. 608. Keßler, S. 9. 12
Keßler, S. 22, zitiert aus einem Schreiben Bischof Reinkens‘ vom 8. Juli 1876, veröffentlicht in den Beschlüssen der 4. Synode, S. 75ff: „Kein Geistlicher und keine Gemeinde darf nach eigenem Ermessen irgendwelche Änderung der Disziplin und Liturgie, zu denen nach kirchlichem Rechte die Genehmigung des Bischofs erforderlich ist, vornehmen. […] Wir verkennen gar nicht die Berechtigung des Wunsches, es möge eine Reform der Mess-Liturgie angebahnt werden; wir dürfen aber im Interesse der Einigkeit und Ordnung nicht dulden, dass in irgendeinem Punkte von Einzelnen eine Reform im Widerspruch mit den Beschlüssen der Synode versucht werde.“ Zum Ganzen der Einführung der Volkssprache in die Liturgie der Eucharistiefeier siehe die vollständige Studie Hans Ewald Keßlers (s.o. Anm. 8). Vgl. auch Sigisbert Kraft, Grundsätze und Ziele alt-katholischer Liturgiereform, in: Ders., Danksagung. Gesammelte Aufsätze zur Liturgie, hrsg. von Matthias Ring und Florian Groß, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2015, 9-29; besonders S. 11f.
7/49
Es gibt für die gesetzliche Regelung aber noch einen zweiten Grund, dem in der auf jeden
Fall lesenswerten Einführung zum Eucharistiebuch13 ein eigenes Kapitel gewidmet ist14. Die
Feier der Eucharistie ist eine Feier der ganzen Kirche und nicht einer einzelnen Gemeinde;
die Gemeinde versteht sich vielmehr als Teil der ganzen Kirche und bringt ihre
Verbundenheit mit der ganzen Kirche z.B. durch das Glaubensbekenntnis zum Ausdruck,
oder durch die Nennung des Bischofs und der Gemeinschaft der Bischöfe im
Eucharistiegebet, oder durch die Leseordnung. In gleicher Weise ist das Eucharistiebuch
Ausdruck der Gemeinschaft unter allen Gemeinden im Bistum.
Ein dritter Grund ist schließlich, dass sich in den liturgischen Texten der Kirche (= lex orandi)
deren Glaube (= lex credendi) spiegelt15. In jüngster Zeit ist dies bedeutsam geworden im
Dialog zwischen der indischen Mar-Thoma-Kirche und den Alt-Katholischen Kirchen der
Utrechter Union16.
1.1 Das Eucharistiebuch 2006 und seine Vorläufer
Wenn man das Eucharistiebuch 2006 aufschlägt, wird als erstes die Titelseite sichtbar, über
die wir gerade ausführlich gesprochen haben. Blättert man diese Seite um, stößt man auf
das Impressum. Dort ist der letzte Abschnitt über das Copyright bedeutsam. Wir erfahren
hier nicht nur, dass das Copyright bei der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums
der Alt-Katholiken in Deutschland liegt17, sondern auch, dass dieses Buch 1995 erstmals
erschienen ist und dass es sich bei der vorliegenden Ausgabe um die „3. überarbeitete und
erweiterte Auflage 2006“ handelt. Die Geschichte des Eucharistiebuchs währt also noch
nicht lange. Aber sie steht selbstverständlich in einer längeren Tradition, über die noch zu
sprechen sein wird.
1.1.1 Die Auflagen 1995 und 1997
Bis das Eucharistiebuch 1995 publiziert werden konnte, musste im deutschen alt-
katholischen Bistum ein langer Weg beschritten werden. Seine erste Station wird im
Amtlichen Kirchenblatt 1971, Nr. 2, greifbar. Darin findet sich eine bischöfliche Verordnung
zur Feier der hl. Eucharistie. Ihr kann man entnehmen, dass es in der zweiten Hälfte der
1960er Jahre – sicher aufgrund der Liturgiereform des 2. Vaticanums – verschiedentliche
private Reformversuche im Bistum gegeben hat, die es nun offiziell zu ordnen galt. 13
Eucharistiebuch 2006, S. XI - XXIV. 14
Ebd. S. XIV f. 15
Zum Axiom „Lex orandi – lex credendi“ vgl. Arno Schilson, Art. Lex orandi – lex credendi in: LThK3 6 (1997),
871-872. 16
Alt-Katholische Kirchen der Utrechter Union, Mar Thoma Syrian Church of Malabar, Dokumentation der Dialogtexte, hrsg. vom Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Bonn 2015, S. 16, 24, 32, 33-37, 42. 17
Deutlich wird das z.B. an dem vielfach geäußerten Wunsch, das Eucharistiebuch auch in einer digitalen Ausgabe zu publizieren, dem die Liturgische Kommission bisher nicht entsprochen hat.
8/49
Entsprechend enthält die Verordnung neben mehrfachen Mahnungen, die in den Ordnungen
der Eucharistiefeier und in den liturgischen Erlassen niedergelegten Anweisungen zu
beachten, eine Zusammenfassung dieser Texte. Kernstück ist jedoch eine im Anschluss an
das Altarbuch 1959 geschaffene „Dritte Ordnung der hl. Messe“, die lediglich ein weiteres
Eucharistiegebet enthält. Seine Besonderheit ist, dass es sich erstmals nicht um eine
Bearbeitung des Canon Romanus handelt, sondern um einen Text, der von Kurt Pursch18, zu
dieser Zeit Liturgiedozent und Vorsitzender der Liturgischen Kommission, auf der Grundlage
der Liturgie Hippolyts (+ 235) entwickelt worden ist19.
Eine zweite Station des Weges hin zum Eucharistiebuch 1995 stellt die 20. Internationale Alt-
Katholische Theologenkonferenz von 1979 dar20. Sie beschäftigte sich mit der Theologie des
Eucharistiegebets und verabschiedete zur Struktur und zu Inhalten neu zu formulierender
Eucharistiegebete einen Konsens21. Darüber wird im Einzelnen noch zu sprechen sein22.
Im gleichen Jahr 1979 erschien in Deutschland eine Sammlung mehrerer Eucharistiegebete,
wie sie in den Kirchen der Utrechter Union und in der Ökumene verwendet wurden23 – die
dritte Station auf dem Weg zum Eucharistiebuch 1995.
Eine vierte Station stellt die verbesserte und erweiterte Ausgabe der 1979 erschienenen
Eucharistiegebete dar, die 1986 herauskam24. Einige Texte wurden entsprechend dem
Konsens der 20. Internationalen Alt-Katholischen Theologenkonferenz von 1979
überarbeitet, andere gegen geeignetere ausgewechselt, neue hinzugefügt25. Die meisten
gingen dann mehr oder weniger überarbeitet in das Eucharistiebuch 1995 ein.
Auch die Ordnung der Eucharistiefeier wurde überarbeitet; dazu erschien 1981 als fünfte
Station die bereits erwähnte handliche Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“26, die im
Wesentlichen das enthielt, was heute in leicht überarbeiteter Form im Gesangbuch
„Eingestimmt“ auf den Seiten 14 und 15 unter der Überschrift „Übersicht“ und auf den
Seiten 16 bis 28 unter der Überschrift „Ordnung der Heiligen Eucharistie“ zu lesen ist.
Außerdem enthält die Broschüre einige rubrizistische Hinweise zur Feier der Eucharistie,
zwei Formulare für eine Bußfeier27, ein Formular eines „Gemeindegottesdienstes ohne
Priester“28 und eine Reihe von liturgischen Gesängen für die Eucharistiefeier29. Diese
18
1914-1991. Weitere biographische Hinweise bei Urs Küry, Die Alt-Katholische Kirche. Ihre Geschichte, ihre Lehre, ihr Anliegen (Die Kirchen der Welt III), Frankfurt am Main (Evangelisches Verlagswerk), 1982
3, S. 527.
19 Siehe dazu auch Sigisbert Kraft, Die Erneuerung der Liturgie in den alt-katholischen und anglikanischen
Kirchen, in: Ders., Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 74. 20
Kraft, Erneuerung, S. 75. 21
Referate und Konsens finden sich in der IKZ 70 (1980), S. 139-229. 22
Siehe Skript Grundlagen II. 23
Eucharistiegebete. Broschüre (MS), hrsg. von der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, mit einem Geleitwort von Bischof Josef Brinkhues, Bonn 1979. 24
Eucharistiegebete. Broschüre (MS), hrsg. von der Liturgischen Kommission des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland, mit einem Geleitwort von Bischof Dr. Sigisbert Kraft, Bonn 1986. 25
Vgl. die Einführung in die Eucharistiegebete 1986, S. 1. 26
Die Feier des Gottesdienstes, s.o. Anm. 5. 27
Übernommen in das Gesangbuch „Eingestimmt“, S. 38-41 (1. und 2. Form der Bußfeier). 28
Übernommen in das Gesangbuch „Eingestimmt“, S. 28-30 (1. Form der Wort-Gottes-Feier).
9/49
Gesänge gingen wenige Jahre später (1986) in das Gesangbuch „Lobt Gott, ihr Christen“30
(offizielle Abkürzung ist „LG“) ein, ebenso wie die Ordnungen und Formulare.
1986 begann in der Liturgischen Kommission die Arbeit an den Präsidialgebeten31. Bisher
hatte man sich entweder an die Gebete des Altarbuchs 1888 oder an die des Altarbuchs
1959 gehalten, sofern nicht der eine oder andere Kollege aus anderen Quellen geschöpft
hatte32. Folgende Grundanliegen waren damit verbunden: Die aus der kirchlichen Tradition
übernommenen Gebete des Tages sollten sprachlich überarbeitet werden, außerdem sollten
für die Sonntage der sogenannten festlosen Zeit33 weitere Gebete des Tages passend zu den
Bibeltexten der Lesejahre geschaffen werden. Und schließlich sollten die Gebete zur
Gabenbereitung und die Gebete nach der Kommunion so gefasst werden, dass sie den alt-
katholischen Vorstellungen über die Eucharistie entsprechen. Nach und nach wurden die
fertig gestellten Orationen zur Erprobung in Form von Kopien veröffentlicht, die in einem
Ringbuch gesammelt wurden. Dieses Ringbuch markiert die sechste und letzte Station auf
dem Weg zum Eucharistiebuch 1995.
Das 1995 dann endlich erschienene Eucharistiebuch ist mit dem Namen Sigisbert Kraft
(1927-2006) verbunden34. Sigisbert Kraft war Pfarrer unseres Bistums, zuerst in Mannheim-
Waldhof, dann in Karlsruhe, wo er später auch Dekan des Dekanats Nordbaden-
Württemberg war. 1985 wurde er zum „Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge“ des
damaligen Bischofs Josef Brinkhues gewählt; nach dessen Emeritierung übernahm er 1986
als achter Bischof die Leitung des Bistums, die er bis zu seiner eigenen Emeritierung 1995
innehatte. Die Übergabe des Eucharistiebuchs an das Bistum war seine letzte bischöfliche
Amtshandlung; er nahm sie während des Weihegottesdienstes für seinen Nachfolger
Joachim Vobbe am 25. März 1995 in Frankfurt vor. Sigisbert Kraft war ein vielseitig begabter
Mensch: Seine Dissertation „Der deutsche Gemeindegesang in der alt-katholischen Kirche“35
weist ihn nicht nur als Liturgiewissenschaftler, sondern auch als Hymnologen aus; außerdem
29
Im Einzelnen waren das die Kyrie-Rufe ES 74 und 97-104, das Gloria ES 108 und 113, das Credo ES 221 und 219, das Sanctus ES 244, das Agnus Dei ES 277, die Kehrverse ES 883, 849, 857, 164, 865, 929, 867 und 185 sowie die Halleluja-Rufe ES 194, 198, 200, 199 und 205. 30
S.o. Anm. 6. 31
Präsidialgebete werden die vom Vorsteher oder von der Vorsteherin zu sprechenden Gebete am Ende des Eröffnungsteils (Gebet des Tages), der Gabenbereitung (Gebet zur Gabenbereitung) und der Kommunion (Gebet nach der Kommunion) genannt. Die Gemeinde bekräftigt diese Gebete mit ihrem „Amen“. 32
Die bischöfliche Verordnung von 1971 (s.o. S. 7) empfiehlt die Publikation Alfred Schilling, Die Orationen der Messe, Essen (Verlag Hans Driewer) 1968. 33
Seit dem Eucharistiebuch 1995 werden diese Sonntage „Sonntage der Lesereihe“ genannt. Das ist allerdings eine unglückliche Bezeichnung, denn sie ist lediglich auf die Leseordnung bezogen, die auf drei jährlich wechselnde Lesereihen – A, B und C – verteilt ist. Ein Bezug zum liturgischen Jahr, entsprechend dem Weihnachts- und Osterfestkreis, ist damit nicht gegeben. Hier erscheint die in der römisch-katholischen Kirche verwendete Terminologie „Im Jahreskreis“ stimmiger. 34
Biographisches ausführlich in: Angela Berlis/Klaus-Dieter Gerth (Hrsg.), Christus spes. Liturgie und Glaube im ökumenischen Kontext. FS für Bischof Dr. S. Kraft, 1994, S. XI-XII. Siehe auch Angela Berlis: https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/119177765/Kraft+Sigisbert+Otto+Franziskus (11.09.2017). 35
Sigisbert Kraft, Der deutsche Gemeindegesang in der alt-katholischen Kirche. Kirchenlied – Messgesang, Karlsruhe (MS) 1976.
10/49
gilt er als Verfasser mehrerer Kirchenlieder36. Ende der 1970er Jahre übernahm er von Kurt
Pursch den Vorsitz in der Liturgischen Kommission, und er wurde auch sein Nachfolger als
Liturgiedozent am Bischöflichen Seminar in Bonn.
Zwischen der ersten Auflage 1995 und der dritten 2006 gab es 1997 eine unveränderte
zweite Auflage des Eucharistiebuchs. Das ist insofern bemerkenswert, als die erste Auflage
den Bistumsbedarf mit seinen zahlreichen Gottesdienststationen und seiner Geistlichkeit,
die ja nicht nur aus den Pfarrerinnen und Pfarrern besteht, im Grunde schon großzügig
abgedeckt hatte. Man hatte dabei vorausschauend auch an die Geistlichen gedacht, die der
Kirche im Lauf der Jahre beitreten würden, und an die Pfarrerinnen und Pfarrer anderer
Kirchen, an die man das Buch in ökumenischer Verbundenheit weitergeben würde.
Trotzdem war die Auflage drei Jahre später vergriffen, die Liste der Bestellungen aber
weiterhin voll. Man musste also schnell reagieren und orderte eine zweite Auflage, die nicht
ganz so hoch war wie die erste, aber doch großzügig bemessen – und auch diese neigte sich
Anfang der 2000er Jahre dem Ende zu, sodass der damalige Bischof Joachim Vobbe bei einer
Bistumssynode bemerkte, das Eucharistiebuch sei ein echter Bestseller; es habe den
Bistumsbedarf bereits mehr als um das sechsfache überschritten.
1.1.2 Die überarbeitete und erweiterte Auflage 2006
Eine unveränderte dritte Auflage wollte man dann aber nicht, sondern die Liturgische
Kommission sah die Zeit gekommen, das Eucharistiebuch zu überarbeiten und auch zu
erweitern. Überarbeitet wurden die Präfationen hinsichtlich der Kantillation37 und einiger
Formulierungen38, weiter die Eucharistiegebete – auch da wurden geringfügige
36
Im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind es „Alle Menschen, höret auf dies neue Lied“ (ES 232) und „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ (ES 611), im Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz sind es überdies noch das Abendlied „Ich bitt dich, Herr, durch deine Macht“ (CG 322), das Lied „Gottes Regenbogen seht, halleluja“ (CG 419) sowie zwei zusätzliche Strophen für das Osterlied „Gelobt sei Gott im höchsten Thron“ (CG 663,5-6). 37
Die Liturgische Kommission wurde hier durch Erwin Bücken SJ beraten (vgl. Impressum zum Eucharistiebuch 2006). 38
Weihnachten I, 1995: „Denn er, dein ewiges Wort, wurde Mensch“, 2006: „Denn dein ewiges Wort wurde Mensch.“ Vom Leiden des Herrn I, 1995: „Er ist für alle gestorben…“, 2006: „Er ist für uns alle gestorben…“ Vom guten Hirten, 1995: In seiner Auferstehung hast du die Macht des Todes bezwungen…“, 2006: „In seiner Auferstehung hast du die Macht des Todes gebrochen…“ Himmelfahrt, 1995: „…und auch wir stimmen ein in den Lobgesang der Engel und Vollendeten“, 2006: „Auch wir stimmen ein…“ 1995: „Dreieinigkeit“, 2006: „Dreifaltigkeit“. 1995: „Danktag für die Eucharistie“, 2006: „Danktag für die Eucharistie – Fronleichnam“. In der gleichen Präfation: 1995: „Du hast ihn zum Haupt einer neuen Menschheit gemacht“, 2006: „Du hast ihn zum Haupt einer neuen Schöpfung gemacht“. 1995: „Wir aber sind Glieder seines Leibes…“, 2006: „In ihm sind wir alle ein Leib…“ 1995: „…wir brechen das Brot und teilen den Becher“, 2006: „…wir brechen das Brot und trinken aus dem einen Kelch“. 1995: „So feiern wir sein Gedächtnis zu deiner Ehre und singen…“, 2006: „So feiern wir sein Gedächtnis und singen…“ 1995: „…das Loblied deiner Herrlichkeit“, 2006: „…das Lob deiner Herrlichkeit“ Letzte Sonntage des Kirchenjahres, 1995: „…dich zu preisen, Gott, unsern Vater“, 2006: „…dich zu preisen, Gott, unser Vater“. 1995: „…damit er dir ein Reich übergebe, ewig und allumfassend: das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“, 2006: „„…damit er dir ein Reich übergebe, ewig und allumfassend: das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Lebens“. 1995: „Darum singen wir mit allen Engeln und Heiligen voller Freude“, 2006: „Darum preisen wir dich mit allen Engeln und Heiligen, die ohne Ende rufen“. Allgemeine
11/49
Textkorrekturen angebracht39, es wurden aber auch Eingriffe aus theologischen und
strukturellen Gründen vorgenommen40; das Eucharistiegebet I wurde sogar völlig neu
Präfation IV, 1995: „der für uns alle gestorben ist, damit wir bei dir in Ewigkeit leben“, 2006: „der für uns alle gestorben ist, damit wir in Ewigkeit leben“. Allgemeine Präfation V, 1995: „Heute begleitest du die Kirche in der Kraft deines Geistes“, 2006: „Heute begleitest du auch die Kirche in der Kraft deines Geistes“. Glaubenszeugen, 1995: „Martyrer“, 2006: „Märtyrer“. Jahreswechsel und Jubiläen: „Wir danken dir, dass du uns in Güte durch die Jahres geleitet hast und du uns immer wieder neu aufnimmst in die Gemeinschaft deiner Liebe durch unsern Herrn Jesus Christus“, 2006: „Wir danken dir, denn in Güte hast du uns durch die Jahre geleitet. Du erneuerst immer wieder deinen Bund der Liebe mit uns durch unsern Herrn Jesus Christus“. Ehe, 1995: „…dich, unsern Vater, zu preisen“, 2006: „…dich, den allmächtigen Vater, zu preisen“. 1995: „…das Geschenk der Liebe“, 2006: „das Geschenk deiner Liebe“. 1995: „…und verheißest ihrem Bund deinen Segen“, 2006: „…und verheißt ihrem Bund deinen Segen“. 39
Eucharistiegebet (EG) II, Abschluss, 1995: „…durch unseren Herrn Jesus Christus. Durch ihn und mit ihm und in ihm…“, 2006: „…durch Jesus, deinen Christus. A Durch ihn und mit ihm und in ihm…“ EG III, 1995: „…mit unserem Bischof N und Erzbischof N…“, 2006: „…mit Erzbischof N und unserem Bischof N…“ EG IV, 1995: „Du hast uns Menschen nach deinem Bild erschaffen“, 2006: „Uns Menschen hast du nach deinem Bild erschaffen“. EG VI, 1995: „Wir preisen dich, Gott, heiliger Vater“, 2006: „Wir preisen dich, heiliger Vater“. 1995: „…die Botschaft des Heiles verkündet“, 2006: „…die Botschaft vom Heil verkündet“. 1995: „…deinen Geist geschenkt, dass er das Heilswerk deines Sohnes unter uns weiterführe und vollende“, 2006: „…deinen Geist geschenkt. Er führt das Heilswerk deines Sohnes unter uns weiter bis zur Vollendung“. 1995: „…er nahm Brot…“, 2006: „…er nahm das Brot…“ EG VII, 1995: „…dich verherrlichen durch Christus, unsern Herrn“, 2006: „…durch Christus, unsern Retter und Erlöser“. EG VIII, 1995: „Er nahm am Abend vor seinem Leiden…“, 2006: „Am Abend vor seinem Leiden nahm er Brot…“. EG X, 1995: „Dein Geist erwecke aus diesen irdischen Gaben, dem Brot und dem Wein, deine unsterbliche Gabe an uns, die Erfüllung aller Hoffnung, die Zuflucht der Schuldigen, das Heil der Kranken, die Auferstehung der Toten: unseren Herrn Jesus Christus“, 2006: „Dein Geist erwecke aus diesen irdischen Gaben, dem Brot und dem Wein, deine unsterbliche Gabe an uns, die Zuflucht der Schuldigen, das Heil der Kranken, die Auferstehung der Toten, die Erfüllung aller Hoffnung, unseren Herrn Jesus Christus“. EG XI, 1995: „…denn du hast uns zum Leben gerufen und willst unser Glück in Jesus, deinem Sohn“, 2006: „…denn du hast uns zum Leben gerufen und du willst unser Heil in Jesus, deinem Sohn“. 1995: „Sooft wir essen von diesem Brot…“, 2006: „Geheimnis des Glaubens…“. 1995: „Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe und gib uns Vertrauen, dass wir einander näher kommen und uns immer besser verstehen. So bitten wir dich, Vater, für deine Kirche…“, 2006: „Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe. Wir, die wir teilhaben an dem einen Brot und dem einen Kelch, bitten dich, Vater, für deine Kirche…“. 1995: „…durch Jesus, deinen Sohn.“ 2006: „…durch Jesus, deinen Christus.“ EG XIII, 1995: „…durch Christus, unsern Herrn.“ 2006: „…durch Jesus, deinen Christus.“ EG XIV, 1995: „Doch du hast uns zu Größerem geschaffen…“, 2006: „Doch du hast uns zu noch Größerem geschaffen…“. 1995: „lebendige Steine“, 2006: „Lebendige Bausteine“. EG XV, 1995: „…nicht Leid und Wehschrei und Not.“ 2006: „…nicht Leid und Wehklage und Not“. EG XVII, 1995: „Gott, unser Vater, weil wir Menschen uns von dir abgewandt hatten, hast du uns durch deinen Sohn, den guten Hirten, zurückgeholt.“ 2006: „Gott, unser Vater, wir Menschen haben uns von dir abgewandt; doch du hast uns durch deinen Sohn, den guten Hirten, zurückgeholt.“ 1995: „…brach das Brot…“, 2006: „…brach es…“. 1995: „…aller Schichten und Gruppen“, 2006: „…aller gesellschaftlichen Schichten und Gruppen“. EG XXIII, 1995: „Erwecke uns am Ende der Zeiten, wenn er kommt und alles neu macht, dann schenke uns (zusammen mit N und) mit allen, die uns vorangegangen sind, das nie endende Leben in deiner Herrlichkeit.“ 2006: „Erwecke uns am Ende der Zeiten, wenn er kommt und alles neu macht, und schenke uns (zusammen mit N und) mit allen, die uns vorangegangen sind…“ 40
EG XIX, 1995: „Lass uns in der Gemeinschaft deines Tisches zu Zeugen deiner Liebe werden. Erwecke deine Kirche zu neuem Leben…“, 2006: „Lass uns in der Gemeinschaft deines Tisches zu Zeugen deiner Liebe werden, gemeinsam mit unserem Bischof N, der Gemeinschaft der Bischöfe, allen Frauen und Männern im apostolischen Dienst und mit deinem ganzen Volk auf Erden. Erwecke deine Kirche zu neuem Leben…“. EG XX, 1995: „Sende auf uns und diese Gaben deinen heiligen, lebenspendenden Geist.“ 2006: „Sende auf diese Gaben von Brot und Wein deinen heiligen, lebenspendenden Geist.“ EG XXI, 1995: „Guter Gott, wir danken dir für Jesus, der in deinem Namen gekommen ist…“, 2006: „Guter Gott, wir danken dir für Jesus Christus, der in deinem Namen gekommen ist…“. EG XXII, 1995: „Bis er wiederkommt, feiern wir das Gedächtnis deines Sohnes. Du hast sein Opfer angenommen. Wir bitten dich: Nimm auch uns an mit allem, was wir dir bringen. Jesus hat sein Leben hingegeben…“, 2006: „Bis er wiederkommt, feiern wir das Gedächtnis deines Sohnes. Jesus hat sein Leben hingegeben …“. 1995: „Mach uns durch deinen Heiligen Geist zu einer Gemeinschaft von
12/49
bearbeitet. Zu den Erweiterungen zählen eine zusätzliche Fassung des Osterlobs41, Texte für
die Gabenbereitung42, eine weitere Präfation für den Gründonnerstag43, eine Auswahl von
Präsidialgebeten für die Eucharistiefeier an Wochentagen im Jahreskreis44 sowie die
Einfügung von Rubriken. Rubriken gab es von Anfang an in den alt-katholischen liturgischen
Büchern; lediglich im Eucharistiebuch 1995 sind sie nicht oder, besser gesagt, nur in
Einzelfällen vorhanden. Stattdessen gab es allerdings in der vorausgehenden, bereits
erwähnten Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“ einige wenige, aber wichtige
Hinweise45. Für die überarbeitete und erweiterte dritte Auflage des Eucharistiebuchs wurde
der Versuch unternommen, die Feier so zu beschreiben, dass genügend Raum für die
konkrete Gestaltung vor Ort bleibt; lediglich Grundzüge sind beschrieben. Leitend waren
dafür mehrere Gründe: Zum einen wird so ein Buch, wie sich herausgestellt hat, nicht nur für
den eigenen Gebrauch geschaffen; es ist vielmehr auch für Außenstehende eine offizielle
Darstellung des Gottesdienstes, so wie er in unseren Gemeinden gefeiert wird46. Zum
anderen haben wir in unserem Bistum doch eine relativ starke Fluktuation: Priester kommen
und gehen, nicht nur hauptamtliche, sondern auch ehrenamtliche. Damit alle hineinfinden in
unsere gewachsene Art Gottesdienst zu feiern und zum Zeichen der Gemeinschaft unter den
Gemeinden des Bistums, die ja schon deshalb notwendig ist, weil Gemeindemitglieder von
einer in die andere Gemeinde wechseln oder besuchsweise an Gottesdiensten anderer
Gemeinden teilnehmen und sich dann auch zurechtfinden sollen, sind in der gebotenen
Zurückhaltung Rubriken notwendig – sie verstehen sich mehr als Hilfe und Unterstützung
denn als Gängelung.
Auch das Eucharistiebuch 2006 ist mit einem Namen verbunden: Joachim Vobbe (1947-
2017)47. Zwar oblag die Arbeit daran wie bei den Vorläuferbüchern der Liturgischen
Kommission, doch nahm Joachim Vobbe als damaliger Bischof großen Einfluss auf deren
Entscheidungen. 1977 kam er ins Bistum, war dann zunächst Pfarrer in Blumberg-
Kommingen und danach in Offenbach am Main, wo er viele Jahre auch Dekan des Dekanats
Hessen war. Im November 1994 wurde er in Koblenz zum neunten Bischof unseres Bistums
Schwestern und Brüdern, wenn wir den Leib und das Blut deines Sohnes empfangen, das eine Brot und den einen Kelch.“ 2006: „Wir bitten dich: Sende deinen lebenspendenden Geist auf diese Gaben herab und heilige sie uns zum Leib und zum Blut deines Sohnes. Wenn wir das eine Brot und den einen Kelch empfangen, verbinde uns zu einer Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern.“ 1995: „Gib uns durch dieses heilige Mahl die Kraft, nach deinem Willen zu leben. Lass uns mit den Gaben der Erde, aus denen Brot und Wein für das heilige Mahl genommen sind, in Ehrfurcht und Verantwortung umgehen. Lass uns mithelfen, dass Gerechtigkeit und Frieden unter uns wachsen. Lass uns einst mit allen, die an dich glauben, für immer bei dir sein…“ 2006: „Gib uns durch dieses heilige Mahl die Kraft, nach deinem Willen zu leben. Lass uns einst mit allen, die an dich glauben, für immer bei dir sein….“ 41
Eucharistiebuch 2006, S. 102-114 (= Osterlob I). 42
Ebd. S. 194f. 43
Ebd., S. 228f (= Gründonnerstag I). 44
Ebd., S. 581-598. 45
Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 9-12. 46
Seit seinem Erscheinen ist das Eucharistiebuch 1995 immer wieder Gegenstand liturgiewissenschaftlicher Untersuchungen inner- und außerhalb der alt-katholischen Kirchen gewesen. 47
Biographisches ausführlich in: Angela Berlis/Matthias Ring (Hrsg.), Im Himmel Anker werfen. Vermutungen über Kirche in der Zukunft. FS für Bischof Joachim Vobbe, Bonn 2007, XII - XIV. Joachim Vobbe ist am 26.07.2017 in Königswinter bei Bonn verstorben.
13/49
gewählt, im März 1995 trat er mit der Bischofsweihe sein Amt an, das er bis zu seiner
Emeritierung aus gesundheitlichen Gründen 2010 innehatte. Auch Joachim Vobbe war ein
vielseitig begabter Mensch, auch ihm verdanken wir einige Lieder in unserem Gesangbuch48.
In einem Fall hat er sich sogar als Melodieschöpfer versucht49. Außerdem verdanken wir ihm
die Texte einiger Eucharistiegebete50.
1.1.3 Die Altarbücher 1888 und 1959
Das Eucharistiebuch 1995 und seine weiteren Auflagen sind in der Tradition zweier
vorausgehender Altarbücher zu sehen. 1888 erschien mit dem Altarbuch „Das Heilige Amt
auf die Feste und Zeiten des Jahres“51 erstmals seit rund tausend Jahren ein nichtlateinisches
katholisches Missale. Die darin verwendeten Texte wurden bereits drei Jahre vorher
veröffentlicht: in einem kleinen, handlichen Buch, das den Titel „Liturgisches Gebetbuch“52
trug. Das zweite Altarbuch in der Geschichte des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in
Deutschland kam 1959 unter dem Titel „Altarbuch für die Feier der heiligen Eucharistie im
Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“ heraus53.
1.1.3.1 Das Altarbuch 1888
Obwohl auch diese Bücher von einer Kommission erarbeitet wurden, sind sie wie ihre
Nachfolger mit jeweils einem Namen verbunden. Beim ersten ist das Adolf Thürlings, der
damals Pfarrer in Kempten war und der auf der 7. Bistumssynode (1881) den Antrag gestellt
hatte, ein allgemeines Gebetbuch mit Formularen eines Morgen- und Abendgebets sowie
der Messe für die verschiedenen Zeiten und Feste des Kirchenjahres herauszugeben und mit
der Arbeit daran eine fünfköpfige Kommission zu beauftragen54. Der Antrag fand die
Zustimmung der Synodalen, und so konnte die von der Synode eingesetzte Kommission drei
Jahre später, 1884, der Synodalrepräsentanz (SR) einen Entwurf vorlegen, der dann auch
48
„Hört, es singen Engelszungen neue Botschaft durch die Nacht“ (ES 334); Weitere Strophen zur Popule-meus-Übertragung „O Du mein Volk, was tat ich dir“ (ES 389,8-10); „Lobt den Herrn, ihr Himmel droben“ – gemeinsam mit Thaddäus A. Schnitker (ES 594); „In deiner Schöpfung birgt sich dein Gesicht“ (ES 636); „Du Sehnsucht, Gottes Schöpfersaat“ (ES 997). 49
„Das Kreuz baut uns ein Vaterhaus“ – ein Text von Joseph Hubert Reinkens (ES 375). 50
Vor seiner Amtszeit als Bischof war Joachim Vobbe lange Zeit Mitglied der Liturgischen Kommission. Aus dieser Zeit stammen die Eucharistiegebete X, XII, XIV des Eucharistiebuchs 1995/2006. 51
Bonn 1888, im Eigenverlag des Bistums. Im Folgenden „Altarbuch 1888“ genannt. 52
Liturgisches Gebetbuch. Nebst einem Liederbuche als Anhang. Mannheim (Verlag von Tobias Löffler) 1885, im Folgenden „Liturgisches Gebetbuch“ genannt. 53
Altarbuch für die Feier der heiligen Eucharistie im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, hrsg. im Auftrag des Bischofs von der Liturgischen Kommission, Bonn (im Verlage des Bistums) 1959, im Folgenden „Altarbuch 1959“ genannt. 54
Schulte (s.o. Anm. 8), S. 610. Außer Thürlings arbeiteten in der Kommission mit: Pfarrer Bauer aus Mannheim, Pfarrer Dr. Watterich aus Baden-Baden, Rechtsanwalt Dr. Stephan aus Worms und Kaufmann K. Zohlen aus Krefeld.
14/49
genehmigt wurde55; die 9. Bistumssynode (1885) hat den entsprechenden Beschluss der SR
bestätigt56. Rechtlich lag damit jedoch noch keine vollständige deutsche Eucharistieliturgie
vor. Das Gebetbuch durfte zwar gedruckt werden, sein Gebrauch in den Gemeinden war
aber nur „empfohlen“57, und zwar deshalb, weil die Verwendung der deutschen Sprache
noch nicht für alle Teile der Messliturgie gestattet war. Dies geschah erst durch den
Beschluss der 10. Bistumssynode (1887), ein Altarbuch herauszugeben und ihm die Texte des
Liturgischen Gebetbuchs zugrunde zu legen, sowie durch die Annahme des daraufhin von
Thürlings vorgelegten Buches58.
Bemerkenswert ist, dass sich das Altarbuch 1888 in einem entscheidenden Punkt vom
Liturgischen Gebetbuch unterscheidet: Während das Liturgische Gebetbuch als Rollenbuch
für die Gemeinde konzipiert ist, soll das Altarbuch als Rollenbuch für den Bischof bzw. den
Priester dienen. Erkenntlich wird das zum Beispiel an der Notensetzung: Im Altarbuch sind
die dem Priester zugeordneten Texte in Noten gesetzt, während der Text für die Gemeinde
ohne Noten erscheint, im Liturgischen Gebetbuch ist dies genau umgekehrt59. 1890 erschien
mit dem „Chor- und Vorsängerbuch zu den Gesängen des liturgischen Gebetbuchs“60 ein
weiteres Rollenbuch, und auch das von der SR in Auftrag gegebene Orgelbuch, ebenfalls
1890 erschienen, darf dieser Konzeption zugerechnet werden61.
Adolf Thürlings62 war nicht nur liturgisch bewandert, sondern auch musikalisch; seine
Dissertation hat er während der Kemptener Zeit (1877) über ein musikwissenschaftliches
Thema geschrieben63. Das Liturgische Gebetbuch enthält deshalb auch über den Auftrag der
Synode hinaus einen Anhang mit dem Titel „Liederbuch vom Reiche Gottes“. Für Thürlings
stellte es eine notwendige Ergänzung zur Gestaltung der Eucharistiefeier dar64. Noch ein
zweites Gebet- und Gesangbuch ist mit dem Namen Thürlings verbunden65, das in seinen
55
Der Beschluss ist u.a. veröffentlicht anstelle eines Vorworts zum Liturgischen Gebetbuch. 56
Wortlaut des Beschlusses bei Schulte, S. 610. 57
Beschluss der altkatholischen Synodal-Repräsentanz vom 1. September 1884, Ziffer 2 (s.o. Anm. 55). 58
Vorwort der Synodalrepräsentanz im Altarbuch 1888. 59
So etwa beim damals noch üblichen liturgischen Gruß vor dem Gebet des Tages, bei Thürlings „Kirchengebet“, genannt: Altarbuch 1888, S. 21. Vgl. dazu Liturgisches Gebetbuch, S. 111. 60
Bonn, im Selbstverlage der Synodalrepräsentanz, 1890. 61
Melodien- und Orgelbuch in 3 Teilen, Bonn, im Selbstverlage der Synodalrepräsentanz, 1890. Band 1 enthält Begleitsätze für das Kyriale, Band 2 für das Antiphonale zu den Tagzeiten und Band 3 für das Liederbuch vom Reiche Gottes – vgl. S. Kraft, Adolf Thürlings – ein Wegbereiter der Liturgiewissenschaft und der Erneuerung des Gemeindegottesdienstes, in: Ders., Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 31-69, hier: S. 58. Zum Liederbuch vom Reiche Gottes s.u. S. 10. 62
Biographisches bei Urs Küry, Die Alt-Katholische Kirche, S. 509f, Angela Berlis, Frauen im Prozess der Kirchwerdung. Eine historisch-theologische Studie zur Anfangsphase des deutschen Altkatholizismus 1850-1890 (Beiträge zur Kirchen- und Kulturgeschichte 6), Frankfurt am Main (Peter Lang, Europäischer Verlag der Wissenschaften) 1998, S. 294, Anm. 282, und Sigisbert Kraft, Gemeindegesang (s.o. Anm. 35), S. 55f sowie Ders., Adolf Thürlings (s.o. Anm. 61), S. 33-37 und 67. 63
Kraft, Gemeindegesang (s.o. Anm. 35), S. 55. Das Thema der Arbeit lautet: „Die beiden Tongeschlechter und die neuere musikalische Theorie“. 64 Adolf Thürlings, das neue liturgische Gebetbuch nebst Anhang, in: Deutscher Merkur 16 (1885), 12 (21. März 1885), S. 90-92; 15 (11. April 1885), S. 117-118; 16 (18. April 1885), S. 125-127; 17 (25. April 1885), S. 133-134; 18 (2. Mai 1885), S. 139-141, erschienen auch als Sonderdruck, München 1885. 65
Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz. Vierte, mit dem umgearbeiteten Gesangbuch verbundene Auflage. Solothurn (Druck und Verlag von Gaßmann, Sohn) 1893.
15/49
Schweizer Jahren entstand. Diese hatten 1887 mit dem Ruf an die christkatholische Fakultät
der Universität Bern begonnen; Thürlings war dort für systematische Theologie (Dogmatik
und Ethik) zuständig, hat aber auch Vorlesungen über liturgische und kirchenmusikalische
Themen gehalten.
Das Altarbuch 1888 (resp. das Liturgische Gebetbuch 1885) enthält im vorderen Teil die
Eigentexte für die Sonn- und Festtage der Advents- und Weihnachtszeit, der Sonntage nach
dem Feste der Erscheinung des Herrn und der Sonntage Septuagesima, Sexagesima,
Quinquagesima, des Aschermittwochs und der Sonntage der Fastenzeit, des
Passionssonntags, des Palmsonntags sowie des Gründonnerstags und Karfreitags. Den
Abschluss dieses Teils bildet die Feier der Osternacht. Dann folgen zunächst die erste und
zweite Ordnung des Hohen Amtes66, und erst dann geht es weiter mit den Eigenfeiern der
Ostersonntage, des Himmelfahrtsfestes und des Sonntags danach, des Pfingstsonn- und
montags sowie des Festes der heiligen Dreifaltigkeit. Schließlich folgen die Sonntage nach
Pfingsten sowie weitere Feste wie das „Tempelfest unseres Herrn“ (2. Februar),
Fronleichnam, Johannes der Täufer, Peter und Paul. Auch Formulare für bestimmte Anlässe
wie Eröffnungsfeierlichkeiten, Dankfeste, Einsegnung einer Ehe usw. sind angefügt.
Hinsichtlich der Wochentage ist geregelt: „Die für den Sonntag vorgeschriebenen Gesänge
und Gebete gelten auch für die darauffolgenden Wochentage, falls nichts anderes bemerkt
ist“67.
In einem kritischen Rückblick über die Entstehung des Altarbuchs 1888 (resp. des
Liturgischen Gebetbuchs 1885) hat Kurt Pursch Aufschluss über die Rolle Thürlings‘
gegeben68. „Sein Hauptverdienst liegt in der musikalischen Gestaltung des Antiphonars und
des Ordinariums nach deutschen Texten innerhalb der Eucharistiefeier (…)69. Die Präfationen
sind – leicht überarbeitet – in Kantillation und Text aus einer Veröffentlichung des
Mannheimer Stadtpfarrers Friedrich Bauer übernommen, ebenso die Akklamationen zu den
Präfationen70. „Die (…) neue Messordnung (…) geht in der überlieferten Fassung
hauptsächlich auf Thürlings zurück“71. Ins Auge fallen hier vor allem die Bearbeitung der
Offertoriumsgebete und des Kanon. Denn gerade diesbezüglich mussten theologisch
fragwürdige Aussagen korrigiert werden, insbesondere solche, die die damals landläufige
Auffassung, die Eucharistiefeier sei eine unblutige Wiederholung des Kreuzesopfers Jesu72,
66
Ausdrücklich beziffert ist nur die zweite Ordnung des Hohen Amtes, die erste wird lediglich „Ordnung des Hohen Amtes“ überschrieben. 67
Altarbuch 1888, S. 1. 68
Kurt Pursch, Zur Neuordnung des eucharistischen Hochgebetes, in: IKZ 58 (1968), S. 251-269 (= I. Teil) und IKZ 59 (1969), S. 1-33 (= II. Teil). Hier: Neuordnung I, S. 255-268. 69
Ebd. S. 256. 70
Ebd. S. 261. Bauer war auch Mitglied der fünfköpfigen Kommission, die die Vorlage für das Liturgische Gebetbuch erarbeitet hat – s.o. Fußnote 54. 71
Ebd. S. 262. 72
Vgl. z.B. die Einleitung „Kurze Lehre von der heiligen Messe“ in: Das Messbuch der Kirche (Missale Romanum), lateinisch und deutsch mit liturgischen Erklärungen. Für die Laien bearbeitet von P. Anselm Schott aus der Beuroner Benediktiner-Kongregation. Zwanzigste Auflage, Freiburg im Breisgau (Herdersche Buchhandlung) 1918, IX.
16/49
zu begünstigen schienen. Schon bei den Bonner Unionsgesprächen hatte man 1874
formuliert:
„Die eucharistische Feier in der Kirche ist nicht eine fortwährende Wiederholung oder
Erneuerung des Sühnopfers, welches Christus ein- für allemal am Kreuze dargebracht hat;
aber ihr Opfercharakter besteht darin, dass sie das bleibende Gedächtnis desselben ist
und eine auf Erden stattfindende Darstellung und Vergegenwärtigung jener Einen
Darbringung Christi für das Heil der erlösten Menschheit, welche nach Hebr 9,11.12
fortwährend im Himmel von Christus geleistet wird, indem er jetzt in der Gegenwart
Gottes für uns erscheint (Hebr 9,24). Indem dies der Charakter der Eucharistie bezüglich
des Opfers Christi ist, ist sie zugleich ein geheiligtes Opfermahl, in welchem die den Leib
und das Blut des Herrn empfangenden Gläubigen Gemeinschaft mit einander haben (1
Kor 10,17).“73
Dem galt es nun Rechnung zu tragen. Das Problem dabei war, dass Papst Pius V., der die
sogenannte „tridentinische Messfeier“ aufgrund der Reformanweisungen des
Tridentinischen Konzils 1570 in Kraft gesetzt hatte, diese als unabänderlich bezeichnet hatte,
weil sie der Einheit in der römischen Kirche dienen sollte74. Vor allem der Kanon wurde
deshalb als heiliger Text angesehen. Folglich hielt man sich bei allem Reformeifer, den die
Alt-Katholiken der ersten Jahre an den Tag gelegt hatten, bei der Eucharistiefeier deutlich
zurück, wollte man doch die Katholizität nicht in Frage stellen – sie einzubüßen hätte
bedeutet, als Sekte angesehen zu werden. Vor diesem Hintergrund gestaltete sich der
Prozess hin zu einem eigenen Missale als eine langwierige und komplizierte Angelegenheit75.
1.1.3.2 Das Altarbuch 1959
Mit dem zweiten Vorläufer unseres Eucharistiebuchs, das ebenfalls von einer kleinen
Kommission erarbeitet wurde76, verbindet sich der Name Kurt Pursch (1914-1991). Kurt
Pursch war damals Pfarrer in Bottrop; später ging er als Pfarrer nach Bonn, wo er auch für
das Bischöfliche Seminar verantwortlich war, als Liturgiedozent wirkte und den Vorsitz der
Liturgischen Kommission übernommen hatte. Notwendig geworden war ein neues Altarbuch
aus vielerlei Gründen. Aufschluss darüber gibt ein „Bericht über die 3. internationale
Studientagung altkatholischer Theologen in Solothurn vom 4.-10. Oktober 1954“77.
Revisionsbedarf wurde demnach hinsichtlich der Gesangstexte des Propriums (Introitus,
73
Bericht über die 1874 und 1875 zu Bonn gehaltenen Unions-Conferenzen. Herausgegeben von Heinrich Reusch. Nachdruck der Ausgabe in zwei Bänden von 1874 und 1875 mit einer Einführung von Günter Eßer (Geschichte und Theologie des Alt-Katholizismus, Reihe A: Quellen, Band 2), Bonn 2002, S. 47. 74
Hans Bernhard Meyer, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft Teil 4), Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 1989, 262-264. 75
Sehr gut dargestellt, wenn auch nur für die Anfänge dieses Prozesses, findet sich diese in einer Seminararbeit des heute in Heidelberg lebenden Alt-Katholiken Ewald Keßler. Siehe oben Anm. 8. 76
Ihr gehörten an: Bischof Johannes Josef Demmel, Prof. Dr. Werner Küppers sowie die Pfarrer Gustav Hüdig, Fritz Kraeling und Kurt Pursch. Vgl. Altarbuch 1959, S. 256. 77
Vgl. den gleichlautenden Artikel von Otto Strub in der IKZ 45 (1955), S, 65-76.
17/49
Graduale, Halleluja, Offertorium,Communio), der Messperikopen (Leseordnung), des
Stufengebets, der Oratio fidelium (Fürbitten), der Offertoriumsgebete, der Präfation, der
Einsetzungsworte, des eschatologischen Ausblicks (im Eucharistiegebet) und der Epiklese
festgestellt78. Im Blick auf ein neu zu schaffendes Altarbuch der deutschen Kirche bestätigt
Kurt Pursch vieles davon, mahnt aber grundsätzlich an, „die Tradition des Abendlandes zu
wahren und nicht mehr als unbedingt nötig die Kontinuität dieser abendländischen
Überlieferung aufzuheben“79. Vor allem der „Kanon“ (das Eucharistiegebet) sei „am besten
so zu belassen, wie er zur Zeit Gregors des Großen gestaltet wurde“80. Pursch hatte deshalb
seine Schwierigkeiten mit der von Thürlings vorgelegten Bearbeitung für das Altarbuch
188881. Dass die „Ordnung des Hohen Amtes“82 als „Erste Ordnung der hl. Messe“83 fast
unverändert ins Altarbuch 1959 übernommen worden war, sei „außerhalb der
Verantwortung der Liturgischen Kommission“ geschehen84.
Purschs Arbeit war, wie einem Aufsatz Sigisbert Krafts zu entnehmen ist, beeinflusst von
Erfahrungen aus der pastoralliturgischen Bewegung von Pius Parsch und von Erkenntnissen
aus Jungmanns „Missarium Sollemnia“85. Pursch selbst erwähnt in seinem Schrifttum auch
Gottlieb Söhngen und Odo Casel86. Kraft bescheinigt ihm, dass das Altarbuch 1959 auch in
römisch-katholischen Kreisen große Beachtung fand87. Vor allem nach der Einberufung des 2.
Vaticanums und der dort erwarteten Liturgiereform sei das Buch für eine Reihe von
deutschen Konzilsvätern als hilfreiches Beispiel für die Feier der katholischen Liturgie in
deutscher Sprache erschienen. Innerhalb des Bistums aber war dem Altarbuch 1959 das
Schicksal beschieden, gegen den „alten Thürlings“ nicht anzukommen88. Trotz bischöflicher
Verordnung wurde es in einer ganzen Reihe von Gemeinden nicht eingeführt. Lediglich aus
der römischen Kirche kommende Priester erkannten darin ein echtes Reformwerk und
benutzten es in ihren Gemeinden, jedoch oft gegen den Willen der Gemeindemitglieder.
1.2 Feier in Gemeinschaft
1.2.1 Verschiedene Rollen und Dienste
Schlägt man im Eucharistiebuch 2006 das Kapitel „Die Ordnung der Heiligen Eucharistie“ auf,
findet man als erstes eine Legende der darin verwendeten Abkürzungen. Aus ihnen wird
78
Ebd. S. 75f. 79
Ebd. S. 70. 80
Ebd. S. 71. 81
K. Pursch, Neuordnung I (s.o. Anm. 68), S. 264-268. 82
Liturgisches Gebetbuch, S. 95-133. 83
Altarbuch 1959, S. 84-93. 84
K. Pursch, Neuordnung I, S. 268. 85
S. Kraft, Erneuerung (s.o. Anm. 19), S. 71-84. Hier: S. 74. 86
Kurt Pursch, Die Probleme des Offertoriums und Versuche zu ihrer Lösung, in: IKZ 46 (1956), 1-27 und 105-130. Hier S. 8, 18. 87
Ebd. (s. Anm. 19). 88
Sigisbert Kraft, Grundsätze und Ziele altkatholischer Liturgiereform, in: Ders. Danksagung (s.o. Anm. 12), S. 20.
18/49
deutlich: Neben dem Priester oder der Priesterin als Leiter oder als Leiterin der
Eucharistiefeier sind noch weitere Diensttuende beteiligt. Für uns heute ist dies eine
Selbstverständlichkeit. Aber das war es nicht immer. Schon die Vorläufer der sogenannten
Tridentinischen Messe kannten als Träger der Feier nur noch den geweihten Amtsträger.
Fast hundert Jahre, bevor die Liturgiereform des 2. Vaticanums im Blick auf die altkirchliche
Praxis anderes regelte, waren in der Eucharistieliturgie des deutschen alt-katholischen
Bistums schon die Mitwirkung eines Diakons, eines Chores, eines Vorsängers (der u.U. auch
anstelle des Chores treten konnte) und eines Vorlesers vorgesehen89. Dabei ist genau
angegeben, wem welche Aufgabe zukommt und wer diese übernimmt, wenn die
vorgesehene Person nicht anwesend ist.
Auch der Gemeinde kommen erstmals seit der Jahrtausendwende wieder liturgische Parts
zu. Damit dies möglich wird, hat Thürlings eigens die Gesänge des Kyrie, Glorias, Credos,
Sanctus und Agnus Dei ins Deutsche übertragen und mit gängigen Choralmelodien versehen.
Alternativ verweist er auf die entsprechenden Liedparaphrasen im „Liederbuch vom Reiche
Gottes“, das dem Liturgischen Gebetbuch angehängt ist. Beim Introitus soll die Gemeinde
die vorgesehenen Psalmverse singen, während die Antiphon Aufgabe des Chores ist90.
Geregelt ist überdies, dass bei festlichen Gottesdiensten, in denen der Chor die
Ordinariumsgesänge übernimmt, der Gemeinde die übrigen Gesänge zustehen91. Diese
sollen durch auf den Tag abgestimmte Lieder oder Liedstrophen ersetzt werden.
1.2.2 Stellenwert der liturgischen Gesänge
Aus der Konzeption des Liturgischen Gebetbuchs als Rollenbuch für die Gemeinde wird auch
der Stellenwert der liturgischen Gesänge deutlich. In erster Linie sollen dazu die
Originaltexte verwendet werden. Thürlings hat deshalb nicht nur eine Gloria-Vertonung
erarbeitet, sondern vier. Für die Gesänge des Sanctus und des Agnus Dei hält er jeweils drei
Versionen bereit. Damit ist für eine gewisse Abwechslung gesorgt, wenn auch nur in
musikalischer Hinsicht und im Blick auf die verschiedenen Zeiten des liturgischen Jahres92.
Kyrie und Credo gibt es dagegen lediglich in einer Vertonung. Über die Liedparaphrasen
äußert sich Thürlings in einem Aufsatz über das neue liturgische Gebetbuch nebst Anhang93.
Entstanden seien diese letztlich aus dem „Protest“ und der „Reaktion“ gegen die
„Romanisierung der abendländisch-katholischen Liturgie“, in der dem „deutsche[n]
katholische[n] Volk (…) die Beteiligung an der Liturgie des Priesters durch die
89
Vgl. die Hinweise im Liturgischen Gebetbuch S. 111 und 137f. 90
Liturgisches Gebetbuch, S. 96. Jedes Formular enthält für den Eingang die vorgesehenen Psalmverse unter Angabe des Psalmtons, in dem sie zu singen sind. Ein Verzeichnis der acht Kirchentöne ist an entsprechender Stelle der Ordnung des Hohen Amtes aufgeführt (ebd. S. 96-98). 91
Ebd. S. 137f. 92
Beim Gloria liegen Melodieversionen vor für die Zeit von Weihnachten bis zum Feste der Erscheinung des Herrn, für die österliche Zeit, für andere Feiertage und für Lob- und Dankämter das Jahr hindurch sowie für die Sonntage das Jahr hindurch. Beim Sanctus und Agnus Dei werden jeweils nur drei Versionen angeboten, wobei die Versionen für die Weihnachts- und die österliche Zeit in eine zusammengefasst sind. 93
Siehe oben, Anm. 64. Im Folgenden wird aus dem Sonderdruck (Sdr.) zitiert.
19/49
Verschiedenheit der Sprache zu sehr beschnitten wurde“94. „Wenn nur einmal jemand sich
die Muße nehmen wollte, diesen kolossalen Wust von Litteratur95 nach seinen Beziehungen
zur offiziellen römischen Liturgie und zu den Arbeiten und Entscheidungen der Sacra
Congregatio Rituum zu sichten und wissenschaftlich zu gruppieren! Man würde über die
Resultate staunen!“96 Thürlings kritisiert hier u.a. jene Lieder, die so etwas wie gesungene
Messandachten97 darstellen. Solche Lieder wurden in der herkömmlichen Liturgie „zum
Gloria“, „zum Credo“ und „zum Sanctus“ gesungen, ja es gab sogar welche, die während des
Eucharistiegebets gesungen wurden, weil dieses vom Priester in Stille zu beten war.
Bekannte Beispiele sind die Schubert- und die Haydn-Messe. Thürlings plädiert dafür, statt
„zum Gloria“ besser „das Gloria“ zu singen und analog mit dem Credo und Sanctus zu
verfahren98. Die von ihm in Fußnoten angegebenen Alternativen zeigen also Notfälle an, die
allerdings nicht abgeschnitten werden dürften99. Als Regel notiert er: Das „zum Ersatz
gewisser Teile der Liturgie“ verwendete Lied muss sich „in derselben Weise einfügen, wie
der durch dasselbe verdrängte Teil“100. Im Klartext bedeutet das: Die liturgischen Gesänge
insbesondere des Glorias, Credos und Sanctus sind nicht durch beliebige andere Lieder
austauschbar. Sie können allenfalls durch eigens dafür vorgesehene Paraphrasen ersetzt
werden101.
1.2.3 Ein dramaturgisches Gefüge
Gemeinschaftlich ist die Eucharistiefeier, weil die Versammelten die Liturgie gemeinsam
vollziehen. Zum Ausdruck kommt dies durch das Zusammenspiel von Leiter oder Leiterin, der
übrigen Dienste und der Gemeinde. Alle übernehmen dabei feststehende Parts, seien es die
für den Sonn- oder Festtag vorgesehenen Gebets- und Lesungstexte, oder die allgemeinen
liturgischen Gesänge und Akklamationen, oder die für den Anlass ausgewählten
thematischen Lieder. Auch Bewegung in Form unterschiedlicher Haltungen (sitzen, stehen,
sich bekreuzigen, den Friedensgruß austauschen) und Prozessionen (zum Eingang, zum
Evangelium, zur Gabenbereitung, zur Kommunion) gehören dazu. Im Zusammenspiel fügen
sich alle diese verschiedenen Parts zu einer dramaturgischen Handlung. Nicht durch eine
94
Sdr. S. 2. 95
Gemeint ist das „katholische deutsche Gebet- und Gesangbuch“, das es seit seinen Anfängen zu einer schier unübersehbaren Flut von Ausgaben gebracht hat. Vgl. Sdr. S. 2. 96
Sdr. S. 2f. 97
Unter „Messandachten“ sind Texte zu verstehen, die in den Zeiten der lateinisch gefeierten Eucharistie den Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesuchern die Möglichkeit eines Mitvollzugs des Geschehens am Altar in Gebetsform zu geben versuchten. 98
Vgl. dazu auch die Ausführungen Sigisbert Krafts in der Einführung des Eucharistiebuchs 2006, S. XX (Kraft hat den Text ursprünglich für das Eucharistiebuch 1995 geschrieben und damals auch als Broschüre veröffentlicht). 99
Sdr. S. 1f. 100
Sdr. S. 4. 101
Hinweise finden sich an den entsprechenden Stellen im Kapitel „Die Ordnung der Heiligen Eucharistie“. Im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind die Liedparaphrasen den jeweiligen liturgischen Orten (vgl. Gesänge zur Eucharistiefeier: Gloria, Credo und Sanctus) zugeordnet. Lieder mit ähnlich lautenden Texten (z.B. 605: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, und 603: Du bist heilig, du bringst Heil) sind dagegen als Gloria- oder Sanctuslied ungeeignet. Ein Vergleich mit dem Original zeigt, dass es sich um völlig andere Texte handelt.
20/49
Aneinanderreihung von aufeinanderfolgenden Einzelelementen kommt diese Wirkung
zustande, sondern durch ihre Bezogenheit aufeinander. Folglich geht es um die Gestaltung
von Teilen der Feier und nicht von Einzelelementen. Solche Teile sind klassisch die Feier des
Wortes Gottes und die des Mahles Jesu. Aber damit ist die Eucharistiefeier als Ganzes noch
nicht erfasst. Die Feier des Wortes Gottes und die Mahlfeier stellen zwar, aufs Ganze
gesehen, die Hauptteile der Eucharistie dar, doch kann die Gesamtfeier so weder beginnen
noch schließen. Deshalb werden die beiden Hauptteile von einem Eröffnungs- und einem
Abschlussteil umrahmt. Bei der Gestaltung der Eucharistiefeier als Ganzes kommt es darauf
an, dass die Hauptteile auch als Hauptteile erfahren werden, während Eröffnungs- und
Abschlussteil nicht mehr, aber auch nicht weniger sind als ein Rahmen. Sie sollen zur
Gottesbegegnung und aus der Gottesbegegnung wieder zurück in den Alltag führen.
Jeder Gottesdienstteil unterliegt aber auch für sich gesehen einer kleinen dramaturgischen
Handlung, d.h. er strebt einem Höhepunkt zu. Im Eröffnungsteil ist dies das Gebet des Tages,
das ja einer direkten Gottesbegegnung gleichkommt. Sie zu erfahren ist das Ziel der ganzen
Versammlung; dazu letztlich haben sich die Liturgiefeiernden zusammengefunden. Um
bereit zu werden für die Gottesbegegnung im Wort, müssen sie zuerst an diese herangeführt
werden. In der Feier des Wortes Gottes ist das Hören des Evangeliums der Höhepunkt.
Seinen Grund findet dies im Prolog des Johannes-Evangeliums, näherhin in dem Satz „Und
das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit
geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh
1,14). Es lohnt sich, den Prolog des vierten Evangeliums einmal im Blick auf die Feier des
Wortes Gottes zu meditieren.
Dramaturgie bedeutet übrigens nicht nur die Steigerung einem Höhepunkt entgegen. Es
kann auch die umgekehrte Richtung umfassen: Vom Höhepunkt wieder zurückzufinden zum
alltäglichen Leben. Anschaulich wird dies beispielsweise in der Evangelienperikope über die
Verklärung Jesu, vor allem in der Fassung des Matthäus-Evangeliums (Mt 17,1-9). Im
Wortgottesdienst erfüllen Credo, Oratio fidelium und Friedensgruß diese Funktion. Sie
werden als Antwortelemente auf das zuvor gehörte Wort Gottes verstanden.
Auf die Gottesbegegnung im Wort folgt nun die Gottesbegegnung im Mahl. Getreu der im
ersten Korintherbrief und im Lukas-Evangelium überlieferten Aufforderung Jesu „Tut dies zu
meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24; Lk 22,19) setzen die Liturgiefeiernden um, was ihnen vom
Mahl Jesu erzählt wird. Es geht darum, das Brot und ebenso den Kelch mit Wein zu nehmen,
darüber die Danksagung zu sprechen, das Brot zu brechen und von beidem zu genießen. Ziel
und Höhepunkt der Mahlfeier ist also die Kommunion. Alle übrigen Schritte führen darauf
hin. Bei der Gestaltung des Mahlteils ist auf diese Linie zu achten. Erfasst werden kann sie
nur, wenn sie nicht durch die Betonung zu vieler Einzelelemente verdeckt wird. Auch der
Mahlteil der Eucharistiefeier hat dramaturgische Elemente, die vom Höhepunkt wieder
zurückführen ins alltägliche Leben. Dazu gehören der Dank, der in der Postcommunio gipfelt,
21/49
und die Rückkehr der Liturgiefeiernden an ihre Plätze102. Es folgt der Abschlussteil, der nur
aus wenigen Elementen besteht, die im Segen ihren Höhepunkt haben.
1.2.4 Terminologie
Wer sich über die Eucharistiefeier verständigen will, benötigt dafür eine entsprechende
Terminologie. Diese wird in den verschiedenen Kirchen unterschiedlich gehandhabt. Das
beginnt bereits mit der Bezeichnung der Feier: In den evangelischen Kirchen hat sich der
Begriff „Abendmahlsgottesdienst“ durchgesetzt, in römisch-katholischen Kreisen ist von der
„Messfeier“ oder der „heiligen Messe“ die Rede, früher wurde hier auch vom „Messopfer“
oder vom „heiligen Amt“ gesprochen, die Orthodoxie benützt die Bezeichnung „Göttliche
Liturgie“, und in unserem Bistum ist der Begriff „Eucharistiefeier“ üblich geworden.
Sigisbert Kraft hat sich in einem Beitrag für das Liturgische Jahrbuch zur Terminologie der
Eucharistiefeier geäußert103. Er plädiert dafür, die ganze Feier nach altkirchlichem Vorbild
und nach der Praxis in vielen Kirchen verschiedener Sprachräume – auch die Kommission
„Faith and Order“ des Ökumenischen Rats der Kirchen macht es so – „Eucharistie“ oder
„Eucharistiefeier“ zu nennen104. Begründung: „Auch das Wort der Heiligen Schrift und seine
Auslegung in der Predigt und das Gebet der Gemeinde haben ‚eucharistischen‘ Charakter
und sind so nur möglich (und eigentlich ‚christlich‘!), weil sie in die Eucharistia der Hingabe
Jesu an den Vater im Heiligen Geist hineingenommen werden“105. Für die Unterteilung
schlägt Sigisbert Kraft die Bezeichnungen „Wortgottesdienst“ und „Herrenmahl“ vor106.
Auch für das zentrale Gebet des im Eucharistiebuch 1995 „Mahl des Herrn“ überschriebenen
Teils der Eucharistiefeier macht Kraft einen Vorschlag, der aus der Terminologie der alten
Kirche kommt. „Von den Namen, die sie verwendet, eignet sich für die Eindeutschung am
besten Prex Eucharistica. Man sollte sich in der deutschsprachigen Christenheit deshalb
allgemein auf das den gemeinsamen Wurzeln gemäße Wort ‚Eucharistiegebet‘ einigen“107.
Unser Bistum ist diesen Vorschlägen in der Praxis gefolgt. Statt „Hochgebet“ oder
„Eucharistisches Hochgebet“108 wird bei uns offiziell vom „Eucharistiegebet“ gesprochen109,
und statt „Abendmahl“110 oder „Heilige Messe“111 sagen und schreiben wir
102
Je nach den gegebenen Umständen, etwa wenn mehrere Kommunionkreise gebildet werden müssen, kann diese Reihenfolge auch umgekehrt werden. 103
Sigisbert Kraft, Gratiarum actio. Überlegungen zur gegenwärtigen ökumenischen Problematik der Eucharistiefeier, neuerdings erschienen in: Ders. Danksagung (s.o. Anm. 12) S. 197-205, vor allem S. 198-202. 104
Ebd. S. 201f. 105
Ebd. S. 201. 106
Ebd. S. 202. 107
Ebd. S. 199. 108
Die Bezeichnungen kommen laut Kraft aus der „pastoralliturgischen“ Phase der katholischen liturgischen Bewegung und wurden von Ludwig Wolker geprägt. Kraft, Gratiarum actio (s.o. Anm. 103) S. 198f. 109
Vgl. die Einführung „Eucharistiegebete“, Bonn 1979 (s.o. Anm. 23), S. 3. 110
vgl. dazu Kraft, Gratiarum actio, S. 199f. 111
Ebd. S. 201.
22/49
„Eucharistiefeier“. Dementsprechend nennen wir unser Altarbuch auch nicht „Messbuch“
oder „Missale“, sondern „Eucharistiebuch“.
Über weitere Begrifflichkeiten wird in den entsprechenden Kapiteln die Rede sein.
1.2.5 Liturgische Bildung
Damit die Eucharistie tatsächlich als Feier in Gemeinschaft erfahren werden kann, ist für alle
Beteiligten, angefangen vom Leiter oder von der Leiterin bis hin zur Gemeinde, eine
regelmäßige liturgische Bildung notwendig. Nur wenn ich um meine Rolle weiß, kann ich sie
auch spielen. Liturgische Bildung ist eine Aufgabe der Erwachsenenbildung112. Ihr
katechetisches Ziel sollte ein immer tieferes Hineinwachsen in die Eucharistiefeier als Ganzes
sein.
2. DER ERÖFFNUNGSTEIL DER EUCHARISTIE
Wesentliche Elemente des Eröffnungsteils sind der Einzug, die Kyrierufe und schließlich das
Gebet des Tages. Andere Elemente wie das Eingangslied, die Begrüßung und das Gloria
lassen sich diesen zuordnen. Die dramaturgische Linie setzt mit dem Einzug ein und erreicht
im Gebet des Tages ihren Höhepunkt. Folglich ist darauf zu achten, dass sich nicht andere
Höhepunkte einschleichen, etwa eine ausführliche und unterhaltsame Begrüßung oder eine
unnötige Vielzahl von Elementen, wie dies durch Einfügen eines Bußaktes und eine
Ausweitung der Kyrierufe plus Gloria geschehen kann. Das Eucharistiebuch 2006 enthält aus
diesem Grund bereits einige Straffungshinweise. Dazu gehört die Bestimmung „Die Kyrierufe
entfallen, wenn sie in der Form der Kyrie-Litanei oder des Kyrie-Liedes als Eröffnungsgesang
verwendet wurden“113. Auch der Satz „Der Eucharistie kann die Feier der Versöhnung
vorangehen“114 gehört mit dazu.
2.1 Die Feier der Versöhnung als eigenständige liturgische Feier
Hintergrund für diese letzte Bestimmung ist zum einen die Bußpraxis der alten Kirche, die
zwar auch in liturgischen Feiern gipfelte, doch wurden diese nicht im Rahmen der
112
Mit der Neuauflage der Veröffentlichung von Thaddäus A. Schnitker, Die sonntägliche Eucharistiefeier, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2013
2, wollte die Liturgische Kommission dazu einen Beitrag leisten. Lange Zeit
hat im Bistum diese Aufgabe auch der von Sigisbert und Erentrud Kraft erarbeitete „Grundkurs Liturgie“ erfüllt, der erstmals 1984 und zuletzt 1998 erschienen ist. Auf seiner Grundlage ist zur Herausgabe des Eucharistiebuchs 1995 die ihm vorangestellte Einführung „Ein neues Eucharistie-Buch“ entstanden, die unter dem Titel „Einführung“ auch in die verbesserte und erweitere dritte Auflage von 2006 übernommen wurde (ebd. S. XI-XXIV). 113
Ebd. S. 184. 114
Ebd. S. 181.
23/49
Eucharistiefeier begangen, sondern in eigenen gottesdienstlichen Versammlungen115.
Lediglich für die Vergebung alltäglicher Verfehlungen fügte man – allerdings verhältnismäßig
spät – spezielle Bußakte in die Eucharistiefeier ein, im Osten vor allem zwischen Anaphorá
und Kommunion, im Westen zu Beginn des Gottesdienstes und am Schluss des
Wortgottesdienstes116. Diese sind aber als Einzelelemente aus ursprünglich eigenständigen
Bußliturgien in die Eucharistieliturgie hinübergewandert. Motiviert dürfte dieser Vorgang
durch die schon bestehende Praxis einer Rekonziliation der Sünder am Gründonnerstag sein,
in die seit dem 10. Jahrhundert auch die restliche versammelte Gemeinde einbezogen
wurde. Da war der Weg nicht mehr weit, diese Übung auch an anderen Tagen zu pflegen,
zumal diese Bußakte anfangs sogar sakramentalen Charakter hatten, was später allerdings
wieder zurückgenommen wurde117. Formal sind sie als Pendant der inneren Bereitung des
Vorstehers und seiner Assistenz zu Beginn der Eucharistiefeier zu werten – nun eben im Blick
auf die Gemeinde. Dabei aber handelt es sich eigentlich um private Vollzüge am Rande der
Eucharistiefeier.
Während die Bußliturgie der Gemeinde am Schluss des Wortgottesdienstes wieder
aufgegeben wurde, wird die innere Bereitung des Vorstehers und seiner Assistenz zu Beginn
der Eucharistiefeier als sogenanntes „Stufen-“ oder „Staffelgebet“ in der tridentinischen
Messfeier weitergepflegt. Elemente dieser ursprünglich auf dem Weg zum Altar verrichteten
Liturgie sind Eröffnung, Psalmrezitation mit Antiphon, Eröffnungsversikel zum Bußakt,
Confiteor und Misereatur (wechselseitig), Lossprechung (deprekativ), Danksagungsversikel,
Abschlussgebete mit Einleitungsversikel. In gekürzter und leicht veränderter Form (mit
anderen Psalmen) findet sich diese Einzugsliturgie auch in der Ordnung des Hohen Amtes
von 1888 (1885) wieder. Anfänglich noch als Privatliturgie des Priesters und Diakons
konzipiert, wird spätestens im Altarbuch 1959 die Gemeinde an diesem Akt beteiligt118.
Damit ist – zumindest für die erste Ordnung der Hl. Messe – die Bußliturgie zu einem
Bestandteil der Eucharistie geworden – und das jedes Mal, wenn sie gefeiert wird119. An
Kommuniontagen ist dagegen schon 1888 vorgesehen, entweder vor Beginn der Eucharistie
oder anstelle der im Altarbuch stehenden Bußliturgie die allgemeine Bußandacht aus dem
Rituale zu verwenden120. Möglich ist aber auch, diesen Teil an die Homilie anzuschließen121.
In diesem Fall wird die Eucharistie zu einem Bußgottesdienst, was zu besonderen Anlässen
115
Alfons Fürst, Die Liturgie der alten Kirche. Geschichte und Theologie, Münster (Aschendorff Verlag) 2008, S. 219-266. 116
Ebd. S. 244. 117
Zum Ganzen vgl. Josef Andreas Jungmann, Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe, Bd. I, Wien (Verlag Herder) 1949
2 und Bd. II, Wien (Verlag Herder) 1949. Hier: Bd. I, S. 608-610. Dort
auch weiterführende Literaturhinweise. 118
Ebd. S. 84. 119
Auch die christkatholische Kirche der Schweiz hat sich 1879 für einen „Gemeindebußakt“ entschieden. Vgl. die Messliturgie im Gebetbuch der christkatholischen Kirche der Schweiz, Bern 1879. 120
Altarbuch 1888, S. 21 (Liturgisches Gebetbuch S. 96). Katholisches Rituale zum Gebrauche der altkatholischen Gemeinden des Deutschen Reiches, Bonn 1877
2, S. 88.
121 Katholisches Rituale, S. 88.
24/49
sicher legitim sein mag. Problematisch wird die Verknüpfung von Bußliturgie und Eucharistie
nur, wenn sie in jeder Eucharistiefeier stattfindet122.
Kurt Pursch hat in der von ihm gestalteten zweiten Ordnung der hl. Messe des Altarbuchs
1959 deshalb eine Korrektur angebracht. Er überschreibt das, was im Altarbuch 1888 noch
mit „Beichte“ überschrieben war, mit „Vorbereitung“ und belässt es bei dem Hinweis: „Der
Priester verrichtet das Stufengebet oder die Bußandacht an den Stufen des Altares zum
Empfange des Sakramentes der Buße aus dem Rituale bzw. dem Gebetbuch nach den dort
angegebenen Formularen“123. Damit ist zum Ausdruck gebracht: Dieser Teil ist noch nicht
Bestandteil der Eucharistiefeier; diese beginnt erst mit dem Eingangsgesang.
Die Liturgische Kommission, die 1981 die Broschüre „Die Feier des Gottesdienstes“
herausgebracht hat, greift die bisherigen Impulse auf, indem sie, bevor die Feier der Hl.
Eucharistie beschrieben wird, den Satz einfügt: „Der Eucharistie kann die Feier der
Versöhnung vorangehen“124. Konsequent erscheint diese in einem eigenen Kapitel. So ist es
dann auch im Eucharistiebuch 1995 und den nachfolgenden Auflagen. Das Buch enthält
keinerlei Formulare für Bußliturgien und signalisiert so, dass diese nicht in die
Eucharistieliturgie hineingehören, sondern ihr bestenfalls vorangestellt werden können125.
Neben dieser liturgiegeschichtlichen Begründung gibt es aber noch eine, die die Gestalt des
Eröffnungsteils als Ganzes betrifft. Diese ist nämlich schon ohne Bußliturgie relativ
umfangreich, wenn man alle Elemente aneinanderreiht:
- Einzug
- Eröffnungsgesang
- Liturgische Eröffnung
- Wort zur Einführung
- Kyrierufe
- Gloria
- Gebet des Tages
Die Bußliturgie würde, selbst wenn es sich um einen kurzen Akt handelte126, dem
Eröffnungsteil noch mehr Gewicht verleihen. Dieses Problem hat nach dem 2. Vaticanum
auch die Liturgieschaffenden der römisch-katholischen Kirche geplagt127. Und deshalb haben
sie neben der klassischen Form A, die die jahrhundertealte Bußliturgie aus dem (privaten)
122
In ES S. 40 wird deshalb auch ausdrücklich gesagt, nicht jede Eucharistiefeier brauche mit einem Bußakt zu beginnen. 123
Ebd. S. 94. 124
Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 17. 125
In ES S. 40 ist trotzdem von der Möglichkeit einer in die Eucharistiefeier integrierten Bußliturgie die Rede. Die Botschaft aber ist: Im Normalfall gehören diese Liturgien nicht zusammen. Werden die Feiern kombiniert, geht auch dann die Bußliturgie der Eucharistiefeier voraus, aber es erfolgen zuvor Orgelvorspiel und (Eröffnungs-) Lied bzw. Kyrie-Ruf. 126
Wie dies ES 37-38 und ES 39-41 anbieten. 127
Johannes H. Emminghaus, Die Messe. Wesen, Gestalt, Vollzug, Klosterneuburg (Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk) 1976, S. 172-177.
25/49
Stufengebet aufnimmt, und der Form B, die, als Doppelversikel gestaltet, an Versen aus
Psalm 51 orientiert ist, die Form C geschaffen, eine Kyrie-Litanei, wie sie die alte Kirche
praktizierte128. Sie kann frei formuliert werden; die im deutschen Messbuch angegebenen
Anrufungen sind als Beispiele zu verstehen. Wie in den beiden vorausgehenden Formen
endet auch die Form C mit einer Vergebungsbitte. Bußakt und Kyrierufe sind hier zu einem
Element vereinigt. Das Problem ist allerdings: Die Kyrierufe sind ursprünglich keine Buß-,
sondern Huldigungsrufe; sie stellen eigentlich einen Lobpreis dar129. Und auf diesen, in der
alten Kirche gewachsenen Charakter legen die alt-katholischen Liturgieschaffenden großen
Wert. Kyrierufe als Bußrufe mit anschließender Vergebungsbitte – das findet sich in keinem
der deutschen alt-katholischen Altarbücher.
2.2 Kyrierufe und Gloria
Gleichwohl kann auch nach dem Eucharistiebuch 1995 und seinen nachfolgenden Auflagen
eine Kyrie-Litanei an die Stelle der schlichten, gegenüber den früheren Altarbüchern auf
sechs Anrufungen reduzierten Kyrierufe treten. Dazu wird auf die entsprechenden Gesänge
im Gesangbuch „Eingestimmt“ verwiesen130. Grundsätzlich wird vom Kyrie (und auch vom
Gloria) gesagt, dass es nach Möglichkeit gesungen wird131. Schaut man sich die Kyriegesänge
im Gesangbuch „Eingestimmt“ näher an, fällt auf, dass sie mal an Christus, mal an Gott und
mal an beide gerichtet sind132. Dieses unterschiedliche Verständnis dürfte seine Wurzel wohl
darin haben, dass zur Zeit Gregors des Großen (590-604) an die Seite des Kyrie eleison auch
ein Christe eleison tritt. Das war allerdings nicht so gedacht, dass das Kyrie eleison nun als
Anrufung an Gott-Vater verstanden werden sollte und das Christe eleison als eine an Gott-
Sohn. Vielmehr steht das Kyrie eleison in der Tradition der Christusanrufungen. So entspricht
es auch schon paulinischer und altchristlicher Ausdrucksweise133. Bei Gregor dem Großen ist
aber nicht nur von dem zusätzlichen Ruf Christe eleison zu lesen, sondern auch davon, dass –
zumindest an gewöhnlichen Tagen – die sonst üblichen litaneiartigen Ausgestaltungen der
Anrufungen weggelassen würden134. Im Ordo Romanus I (8. Jh.) 135 ist diese Form als die
übliche bezeugt, und schon bald bildet sich eine Dreizahl der Anrufungen aus, die dann auch
128
Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Kleinausgabe, Freiburg und Einsiedeln 1978, S.326-329. 129
J. H. Emminghaus, Die Messe, S. 178-181; J. A. Jungmann, Bd. I (s.o. Anm. 117), S. 412-429. 130
Eucharistiebuch 2006, S. 184. 131
Ebd. S. 183. 132
ES 93 ist z.B. an Gott-Vater gerichtet, ES 95 an Gott-Vater und Gott-Sohn. 133
J. A. Jungmann, Bd. I, S. 423. 134
J. A. Jungmann, Bd. I, S. 419f. 135
Die Ordines Romani enthalten Vorschriften für die verschiedensten liturgischen Handlungen, die in der römisch-katholischen Kirche üblich waren. Man unterscheidet zwei Sammlungen: Die erste mit 15 Texten des 8. bis 15. Jh. wurde von J. Mabillon, die zweite mit 50 Texten des 8. bis 10. Jh. von M. Andrieu ediert. Die älteste und wichtigste dieser Quellen, von der viele andere abhängig sind, ist der OR 1 für die päpstliche Messe des 7. Jh.
26/49
trinitarisch gedeutet wird136. Spuren davon finden sich noch in den Kyrie-Rufen ES 73, 75 und
79 sowie in den Hinweisen zu den Kyrierufen ES 77, 78, 80, 81 und 84.
Die altkirchlichen entfalteten Kyrierufe (wie ES 85-107) mündeten immer in ein
abschließendes Gebet137. Durch das Hinzukommen des Glorias Ende des 11. Jahrhunderts ist
dieser Fluss unterbrochen worden. Allerdings dürfte das in dieser Zeit kaum gestört haben,
da die Kyrierufe ja nur noch aus den Anrufungen Kyrie eleison und Christe eleison bestanden.
Schwieriger wird dies, wenn statt der schlichten Anrufungen entfaltete verwendet werden.
Die christkatholische Kirche der Schweiz hat sich deshalb entschieden, das Gloria erst nach
dem Gebet des Tages zu singen, gleichsam als seine lobpreisende Weiterführung138. In der
deutschen Kirche hat man dagegen an der römischen Tradition festgehalten, doch sind
Variationen durchaus denkbar. Wenn die Kyrierufe Huldigungsrufe sind, wirkt das Gloria,
unmittelbar darauf gesungen, wie eine Doppelung. Es bietet sich also an, statt beider
Elemente nur eines zu verwenden. Dies wäre insbesondere dann sinnvoll, wenn die Kyrierufe
als Litanei gestaltet sind. Hier direkt das Gebet des Tages anzuschließen, entspräche guter
altkirchlicher Tradition139. Und angesichts der Tatsache, dass das Gloria verhältnismäßig spät
und auch nur in der römischen Liturgie in die Eucharistiefeier eingegangen ist und dass man
es dann auch nur in Festtagsgottesdiensten verwendete, ließe sich darauf sicher guten
Gewissens verzichten. Aber auch die umgekehrte Form wäre denkbar. Vor allem in der
Weihnachts- und Osterzeit könnte statt der Kyrierufe das Gloria im Vordergrund stehen,
hatte man doch in der jeweils vorausgehenden Bußzeit bewusst darauf verzichtet. Sollte
dieser Verzicht (wie auch der auf Blumenschmuck) Zeichen für eine einfachere Gestalt
gottesdienstlichen Feierns sein, um anschließend umso stärker den Festcharakter erfahren
zu können, bietet es sich an, in diesen Zeiten auch die Kyrierufe schlichter, also ohne
entfaltete Anrufungen zu gestalten.
Entsprechend sähe der Eröffnungsteil der Eucharistie immer wieder anders aus, ohne dass
dies der ihm eigenen dramaturgischen Linie schaden würde:
Bußzeiten Festzeiten Gewöhnliche Sonntage
Einzug Einzug Einzug Eröffnungsgesang Eröffnungsgesang Eröffnungsgesang Liturgische Eröffnung Liturgische Eröffnung Liturgische Eröffnung Wort zur Einführung Wort zur Einführung Wort zur Einführung
Einfache Kyrierufe (ES 72-84) Oder Kyrie-Litanei (je nach Zeit ES 84, 87, 98,
Mal Kyrierufe (vor allem ES 91-97) Mal Gloria (ES 108-124; 951-953)
136
J. A. Jungmann, Bd. I, S. 421f. 137
Vgl. dazu insbesondere die Liturgien der Ostkirche, in denen diese Form bewahrt ist. Auf eine Ektenie folgt immer ein abschließendes, vom Priester zu sprechendes Gebet. 138
Christkatholisches Gesangbuch, Gebet- und Gesangbuch der Christkatholischen Kirche der Schweiz, Basel 2004, S. 130f. 139
Siehe oben S. 25.
27/49
100, 105, 106, evtl. auch ES 91-93, 102 und 103)
Mal beide Gesänge (dann jedoch nur Kyrierufe ES 72-84)
Entweder Gloria (vor allem ES 108-113) Oder Kyrie-Litanei (je nach Zeit ES 86, 88, 89, 99, 101)
Gebet des Tages Gebet des Tages Gebet des Tages
Bei den Kyrierufen ES 70 und 90 handelt es sich um Anrufungen, die für das Requiem und die
Eucharistie am Allerseelentag vorgesehen sind.
Bei den Kyrierufen ES 107 sind entsprechend der liturgischen Zeit einzelne Strophen
auszuwählen, wobei die erste Strophe wegen ihres Einleitungscharakters immer genommen
werden sollte.
Wird die Form beider Gesänge gewählt, kann es hilfreich sein, bei der Auswahl auf die
gleiche Tonart zu achten, also:
- Zum Gloria ES 108, 109 und 110 passen die Kyrierufe ES 72, 75, 78 und 84,
- zum Gloria ES 111 passen die Kyrierufe ES 79 und 80,
- zum Gloria ES 112 passen die Kyrierufe ES 83,
- zum Gloria ES 113 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77 und 81,
- zum Glorialied ES 114 passen die Kyrierufe ES 82,
- zu den Glorialiedern ES 115, 118, 122 und 124 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77
und 81,
- zu den Glorialiedern ES 119 und ES 121 passen die Kyrierufe ES 75,
- zum Glorialied ES 120 passen die Kyrierufe ES 78 und 84,
- zu den Glorialiedern ES 951 und 952 passen die Kyrierufe ES 71 und 80,
- zum Glorialied ES 953 passen die Kyrierufe ES 73, 74, 76, 77 und 81.
Die Kyrierufe ES 66-69 stammen aus der Taizétradition und eignen sich nur in Verbindung
mit frei zu formulierenden Anrufungen140. In Verbindung mit einem sich anschließenden
Gloria sind sie weniger geeignet.
Bei den Glorialiedern ES 114 und 115 sowie ES 951 empfiehlt es sich, diese als Kehrverse zu
verwenden und mit Texten aus dem Gloria-Hymnus, die eventuell auch gesprochen werden
können, zu ergänzen. ES 115 kann außerdem mit ES 953 kombiniert werden; in diesem Fall
140
Beispiele dafür finden sich in: Die Feier der Bestattung im Katholischen Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben von Bischof und Synodalvertretung, Bonn (Alt-Katholischer Bistumsverlag) 2011, S. 180f.
28/49
werden aus ES 953 nur die Verse 1-3 ohne das „Ehre Gott in der Höhe“ und „Friede den
Menschen auf Erden“ genommen.
Die Glorialieder ES 116, 117 und 123 eignen sich am besten in Fällen, in denen keine
Kyrierufe vorausgehen141.
Um die Liturgie des Eröffnungsteils nicht zu überfrachten, aber auch, um Doppelungen zu
vermeiden, wird im Eucharistiebuch 2006 auf die Möglichkeit verwiesen, zum Eingang auch
eine Kyrie-Litanei oder ein Kyrie-Lied zu singen142. In diesem Fall entfallen die Kyrierufe nach
der liturgischen Eröffnung und dem Wort zur Einführung. Konkret sähe das so aus:
- Kyrie-Litanei (an gewöhnlichen Sonntagen ES 91-97, 102-103 und, mit passender
Strophenauswahl, ES 107, ansonsten je nach Zeit ES 85-90, 98-101, 105, 106 und, mit
passender Strophenauswahl, ES 107)
oder Kyrie-Lied (an gewöhnlichen Sonntagen ES 546, 632 und 676, ansonsten je nach
Zeit ES 322, 323, 405, 430, 433, 710)
- Liturgische Eröffnung und Wort zur Einführung (beim Wort zur Einführung sollte
darauf geachtet werden, was in der vorausgegangenen Kyrie-Litanei oder im
vorausgegangenen Kyrie-Lied zur Sprache kam; in allen Fällen handelt es sich um
Gesänge, in denen die Gemeinde sich direkt an Christus oder an Gott, den Vater,
gewandt hat – diese Stimmung sollte durch das Einführungswort nicht zerstört
werden; es ist außerdem zu bedenken, dass, wenn kein Gloria gesungen wird, direkt
auf das Einführungswort das Gebet des Tages folgt)
- Evtl. Gloria
- Gebet des Tages
2.3 Einzug und Eingangsgesang
Das Eucharistiebuch 2006 sieht einen Einzug des Priesters oder der Priesterin mit denen, die
einen besonderen liturgischen Dienst versehen, zum Altar vor143. Unabhängig davon, ob
dieser schlicht oder festlich gestaltet ist, macht er nur Sinn, wenn er durch die Kirche erfolgt.
Darin soll zum Ausdruck kommen: Auch die, die einen besonderen liturgischen Dienst
versehen, kommen aus der im Kirchenraum versammelten Gemeinde; sie sind Teil der
Versammlung. Gehen sie mitten durch sie hindurch, nehmen sie sie gleichsam mit zu dem
Ort, auf den das liturgische Feiern ausgerichtet ist.
In der Eingangsprozession kann, wenn ein Diakon144 mitwirkt, dieser das Evangelienbuch
(Evangeliar) tragen. Nach der Altarverehrung145 legt er es auf den Altar. Dieser Ritus ist schon
141
Bei ES 117 stellt sich die Frage, inwieweit es überhaupt an die Stelle des Gloria-Hymnus treten kann. 142
Ebd. S. 182. 143
Ebd. S. 181. 144
Aus sprachlichen Gründen und Gründen der Übersicht wird im Folgenden nur die männliche oder weibliche Form genannt, nicht aber beide. 145
Die nur von denen gemacht wird, die keinen Gegenstand tragen – vgl. Eucharistiebuch 2006, S. 181.
29/49
im Ordo Romanus I bezeugt. Die Gemeinde ist nicht nur zur Mahlfeier, sondern auch unter
dem Wort versammelt. Die Brotrede des Johannes-Evangeliums legt nahe, auch das Wort
Gottes als Nahrung zu verstehen146. Hier knüpft die altkirchliche Rede vom „Tisch des
Wortes“ an, der uns in der liturgischen Feier gedeckt wird147. Das Auflegen des
Evangelienbuchs auf den Altar bringt dies zeichenhaft zum Ausdruck und lenkt darüber
hinaus die Aufmerksamkeit der Feiernden auf diesen ersten zentralen Punkt des
Gottesdienstes.
Der Eingangsgesang (Introitus) hatte ursprünglich die Funktion, die Eingangsprozession zu
begleiten. Heute erklingt dazu in der Regel ein Orgelspiel. Erst danach stimmt die Gemeinde
in das Eingangslied ein. Für die Auswahl kann es hilfreich sein, um die ursprüngliche Funktion
dieses Gesangs zu wissen. Noch die Altarbücher 1888 und 1959 enthielten für jeden Sonn-
und Festtag eigene Texte für den Eingangsgesang. Das Eucharistiebuch 1995/2006 erinnert
daran, indem es als erste von drei Möglichkeiten für den Eingangsgesang die des Psalms mit
Kehrvers nennt148. Unabhängig davon, wie viele Verse des Psalms gesungen werden, endet
der Gesang immer mit der sogenannten „kleinen Doxologie“ („Ehre sei dem Vater – Gloria
Patri…“) und dem darauf noch einmal folgenden Kehrvers. Auch im Gesangbuch
„Eingestimmt“ ist diese Form berücksichtigt: Unter ES 61-65 werden für gewöhnliche
Sonntage fünf Kehrverse angeboten, ohne dass allerdings auf passende Psalmen verwiesen
wird. Weitere geeignete Kehrverse, besonders für die geprägten Zeiten149, finden sich unter
den Gemeindeversen ES 125ff. Diese Form des Eingangsgesangs bietet sich allerdings nur an,
wenn eine Schola mitwirkt.
Das gilt übrigens auch für die dritte Gestaltungsmöglichkeit des Eingangsgesangs, sofern
dafür eine der Kyrie-Litaneien gewählt wird. In der Regel aber wird von der zweiten
Möglichkeit Gebrauch gemacht, ein Eröffnungslied aus dem Gesangbuch zu singen. Nähere
Angaben sind dazu nicht gemacht, weil die Palette der Auswahlmöglichkeiten in diesem Fall
weit über die vorgesehenen Eingangslieder (ES 51-60) hinausreicht. Betrachtet man in den
alten Altarbüchern die dort angegebenen Introitus-Psalmen und die dazugehörigen
Kehrverse – sie nehmen weitgehend die Introitus-Gesänge des Missale Romanum auf –, zeigt
sich, dass sie die liturgiefeiernde Gemeinde in die Gottesbegegnung führen und sie
gleichzeitig in die Feier des Sonn- und Festtages einstimmen wollen. Für die Auswahl des
Eingangsliedes kann es also hilfreich sein, einen Blick auf die zur jeweiligen Tagesliturgie
gehörenden Introitus-Gesänge zu werfen. Sie finden sich in den entsprechenden Formularen
des römisch-katholischen deutschen Messbuchs150 und seinen Popularausgaben151. In den
geprägten Zeiten empfehlen sich Lieder aus den diesbezüglichen Kapiteln des Gesangbuchs
„Eingestimmt“ (ES 300-461; ES 965-968; Es 974-976; ES 980). An gewöhnlichen Sonntagen
146
Joh 6, insbesondere V 68. 147
Eucharistiebuch 2006, Einführung, S. XVI. 148
Ebd. S. 182. 149
Advents-/Weihnachtszeit und österliche Buß-/Osterzeit. 150
Siehe oben, Anm. 128. 151
Die bekannteste ist das Schott-Messbuch, Freiburg-Basel-Wien (Verlag Herder), das auch im Internet zugänglich ist (http://www.erzabtei-beuron.de/schott/register/ordnung/index.html).
30/49
sind auch Morgenlieder (ES 687-697) möglich. Hingewiesen sei schließlich noch auf die
zahlreichen Psalm-Lieder, die es im Gesangbuch „Eingestimmt“ gibt:
ES 52 (bezogen auf Ps 100)
ES 53 (bezogen auf Ps 95)
ES 361 (bezogen auf Ps 51)
ES 364 (bezogen auf Ps 130)
ES 377 (bezogen auf Ps 130)
ES 426 (bezogen auf Ps 136)
ES 460 (bezogen auf Ps 24,7-10)
ES 556 (bezogen auf Ps 103)
ES 557 (bezogen auf Ps 19)
ES 558 (bezogen auf Ps 138)
ES 559 (bezogen auf Ps 98)
ES 561 (bezogen auf Ps 117)
ES 562 (bezogen auf Ps 99)
ES 566 (Kanon, bezogen auf Ps 107,1)
ES 567 (Kanon, bezogen auf Ps 113,3)
ES 568 (bezogen auf Ps 148)
ES 576 (bezogen auf Ps 118)
ES 583 (Kanon, bezogen auf Ps 117,1)
ES 584 (bezogen auf Ps 108,4-6)
ES 585 (bezogen auf Ps 145)
ES 588 (bezogen auf Ps 98,1-2)
ES 590 (bezogen auf Ps 148)
ES 591 (bezogen auf Ps 92,2-6.9)
ES 599 (Kanon, bezogen auf Ps 47,2b)
ES 611 (bezogen auf Ps 23)
ES 612 (bezogen auf Ps 23)
ES 613 (bezogen auf Ps 23)
ES 614 (bezogen auf Ps 61)
ES 615 (bezogen auf Ps 36,6-7)
ES 616 (bezogen auf Ps 47)
ES 617 (bezogen auf Ps 31)
ES 618 (bezogen auf Ps 139)
ES 620 (bezogen auf Ps 36)
ES 627 (bezogen auf Ps 91)
ES 630 (bezogen auf Ps 130,1-2)
ES 679 (bezogen auf Ps 104)
ES 971 (bezogen auf Ps 95)
ES 972 (bezogen auf Ps 31,6)
31/49
2.4 Gebet des Tages
Das Gebet des Tages152 gilt als Höhepunkt der Liturgie des Eröffnungsteils. Es stellt als
solches zwar keine alt-katholische Besonderheit dar. Wichtig aber ist der oft vernachlässigte
Hinweis, der nach der Gebetseinladung „Lasset uns beten“ eingefügt ist: „Stille“. In der
Einführung des Eucharistiebuchs wird eigens auf den Wert der Stille hingewiesen und als
erstes Beispiel dafür die Stille nach der Einladung zum Gebet des Tages genannt153. Diese
Stille dient „dem persönlichen Beten der Einzelnen“154 – ein wichtiges Moment der
Gemeindebeteiligung, um auch in die persönliche Gottesbegegnung finden zu können. Das
nachfolgende Gebet „sammelt“ schließlich die vielen Einzelgebete zu einem gemeinsamen
Gebet. Es ist deshalb inhaltlich sehr allgemein und sehr weit gefasst und bringt zur Sprache,
was die Einzelnen bei aller Verschiedenheit miteinander teilen können: den Glauben und
den Festanlass – daher die Bezeichnung „Gebet des Tages“. Eine andere Bezeichnung
bezieht sich dagegen auf den „Sammelcharakter“: „Kollekte“.
Bereits Thürlings und Pursch haben die Gebete des Tages aus der gewachsenen Liturgie der
Kirche geschöpft155, sie aber mehr oder weniger frei übersetzt. Das gilt auch für das
Eucharistiebuch 1995 und seine späteren Auflagen. Wer sich ein Bild davon machen möchte,
vergleiche einmal die Übersetzung des römischen Messbuchs mit der des Eucharistiebuchs
1995/2006. Natürlich sind auch diese Texte nicht der Weisheit letzter Schluss, und deshalb
werden sie sicher in einer späteren Neufassung des Eucharistiebuchs wieder neu übersetzt
werden – auch dann mit dem Ziel, die Menschen dieser Zeit in ihrer Sprache, ihrem Glauben
und ihrem Alltag zu erreichen. So hat sich in den letzten Jahren zum Beispiel gezeigt, dass
trotz des Bemühens um eine inklusive Sprache156 das Sprechen von Gott in männlichen
Bildern überwiegt und dass hier Korrekturbedarf besteht. Es ist der Bund alt-katholischer
Frauen (baf), der seit vielen Jahren unermüdlich daran erinnert. In der
Gesamtpastoralkonferenz 2014 wurden den Pfarrerinnen und Pfarrern deshalb Hilfen in die
Hand gegeben, die Gottesanrede in den Gebeten des Eucharistiebuchs vielfältiger zu
gestalten. Und in der gleichen Konferenz ein Jahr später wurde die Initiative eines
wöchentlich erscheinenden Newsletters Liturgie gestartet, in dem Kolleginnen und Kollegen
ein Jahr lang Vorschläge für eine Überarbeitung der Texte des Eucharistiebuchs im Blick auf
den jeweiligen Sonn- und Festtag vorgelegt haben.
Dass die aus der Tradition stammenden Gebete des Tages157 allein nicht reichen, wurde
bereits von der Liturgischen Kommission der 1980er Jahre erkannt. Das Eucharistiebuch
1995 und die nachfolgenden Auflagen enthalten deshalb für die Sonntage im Jahreskreis
152
Eucharistiebuch 2006, S. 185. 153
Eucharistiebuch 2006, S. XXI. 154
Ebd. 155
H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 189-192. 156
Vgl. Eucharistiebuch 2006, S. XXII f. 157
Einen guten Zugang zu den tradierten Orationen bieten die beiden Bändchen von Alex Stock, Orationen. Die Tagesgebete im Jahreskreis, neu übersetzt und erklärt, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 2011, und: Orationen. Die Tagesgebete der Festzeiten, neu übersetzt und erklärt, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet) 2014.
32/49
neben dem aus der Tradition stammenden Gebet des Tages drei weitere Gebete, die sich an
einzelnen Schrifttexten der jeweiligen Lesereihe orientieren. Manche Texte sind dabei sehr
eng auf die entsprechende biblische Grundlage bezogen. Wer es am 3. Sonntag der
Lesereihe A vorzieht, über das Evangelium zu predigen (Mt 4,12-23), wird feststellen, dass
das für die Lesereihe A vorgesehene Gebet des Tages dann nicht passt. In diesem Fall bietet
sich der Text „Zur Auswahl“ an, der eine Übertragung des aus der Tradition stammenden
Gebets ist158. Dieser bezieht sich gewöhnlich zwar nicht auf das Evangelium, aber das muss
auch nicht immer sein. Wer jedoch Evangelium und Auswahlgebet meditiert, wird
entdecken, dass es trotzdem Bezüge gibt. Außerdem ist uns im Eucharistiebuch 2006 im
Unterschied zur ersten Auflage 1995 noch eine Auswahl von Gebeten des Tages gegeben159.
2.5 Dramaturgie des Eröffnungsteils
Mit der von festlichem Orgelspiel begleiteten Eingangsprozession beginnt in der Regel jede
sonntägliche Eucharistiefeier. Die Gemeinde erhebt sich dazu und nimmt dadurch am
Geschehen teil. Diese Beteiligung steigert sich noch im Mitsingen des Eingangsliedes. Die
Versammlung kann auf diese Weise bereits zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen.
Gemeinschaftlich ist auch das Kreuzzeichen zu sehen, das am Anfang der liturgischen
Eröffnung steht. Es erinnert an die Taufe und damit an das, was alle Mitglieder der
Versammlung verbindet. Zusammen mit dem gemeinsam gesungenen Lied soll es den Boden
bereiten für die nun folgende Gottesbegegnung in den Kyrierufen, dem Gloria und – als
Höhepunkt – im Gebet des Tages. Kyrierufe, Gloria und Gebet des Tages sind als jeweils sich
steigernde Elemente gedacht.
Bei festlichen Anlässen erfährt die Eröffnungsliturgie durch die Entfaltung der
Eingangsprozession (Weihrauch, Kreuz, Kerzen) und evtl. auch durch die Mitwirkung eines
Chores eine entsprechende Steigerung. Mitwirkung bedeutet, dass der Chor sich in die
Liturgie einzufügen hat. Er sollte sie nicht ausschmücken oder liturgische Teile durch andere
Gesänge ersetzen. Kyrierufe und Gloria können mit der Gemeinde im Wechsel gesungen
werden. Unerlässlich ist die Beteiligung der Gemeinde am Eingangsgesang. Er trägt am
meisten zur Gemeinschaftsbildung bei. Sinnvoll ist es, wenn bei festlichen Anlässen nach
dem vom Chor und der Gemeinde gesungenen Gloria auch das Gebet des Tages gesungen
wird.
In den Zeiten vor Weihnachten und Ostern sollen die Gottesdienste bewusst etwas
schlichter gestaltet werden, ohne dass sich dabei ihr Feiercharakter verflüchtigt. So ist es
guter Brauch, die Eingangsprozession in Stille zu vollziehen. Erst wenn die Priesterin und die
Assistenz an ihren Plätzen angelangt sind, beginnt die Orgel mit der Intonation des
Eingangsliedes. Auch wenn der Orgel in diesen Zeiten mehr die Aufgabe der
158
Vgl. Römisches Messbuch (s.o. Anm. 128), S. 212. 159
Eucharistiebuch 2006, S. 583-588. Diese sind jedoch in erster Linie für Eucharistiefeiern an Wochentagen gedacht.
33/49
Gesangsbegleitung zukommt, heißt das nicht, dass es gar keine Orgelspiele geben muss. Die
Choralbearbeitung eines Advents-, Buß- oder Passionslieds kann nach der Ansprache oder
zur Gabenbereitung äußerst hilfreich sein. Ebenso kann eine verhaltene Intonation des
Eingangsliedes an den Sonntagen „Gaudete“ (dritter Adventssonntag) und „Laetare“ (vierter
Sonntag der österlichen Bußzeit) die diesen Sonntagen eigene Stimmung zur Geltung
bringen160.
3. DER WORTGOTTESDIENST DER EUCHARISTIE
Elemente des Wortgottesdienstes sind die biblischen Lesungen einerseits und die darauf
Antwort gebenden Teile andererseits. Es geht also um ein dialogisches Geschehen, um Wort
und Antwort. Das sollte in der Gestaltung des Wortgottesdienstes erfahrbar werden. Das
Wort-Antwort-Prinzip ist von daher nicht nach jeder Lesung gegeben. Insofern sind
Bezeichnungen wie „Antwortgesang“ oder „Antwortpsalm“ eher irreführend. Auch das
Halleluja ist im eigentlichen Sinn kein Antwortgesang, weder nach der zweiten Lesung noch
nach dem Evangelium. Wäre es so, und wäre auch der Psalm nach der ersten Lesung ein
Antwortpsalm, würde das Dialogprinzip, so wie es sich schon in den Anfängen der
Eucharistieliturgie entwickelt hat, nicht zum Tragen kommen. Antwort sind demnach das
Glaubensbekenntnis und die Fürbitten. Auch die Ansprache ist hier einzuordnen, nimmt sie
doch Bezug auf das zuvor Gehörte, um es für den Alltag lebendig werden zu lassen.
3.1 Die biblischen Lesungen
3.1.1 Grundsätzliches
Das Eucharistiebuch 1995/2006 sieht für den Wortgottesdienst der Eucharistie drei biblische
Lesungen vor, von denen gewöhnlich eine dem Alten Testament, eine der Briefliteratur des
Neuen Testaments und eine den Evangelien entnommen ist. So hat es bereits die alte Kirche
gepflegt161. Im Vergleich zum römischen Messbuch gibt es den Hinweis „Wo aus pastoralen
Gründen nicht beide [Lesungen] vorgetragen werden können, ist es gestattet, eine von ihnen
auszuwählen“162, nicht. Um zu verstehen, warum in unserer Ordnung der Heiligen
Eucharistie so viel Wert auf die volle Form des Wortgottesdienstes gelegt wird, empfiehlt
sich die Lektüre der entsprechenden Passage in der „Einführung“163. Demnach war es schon
den für die Liturgie Verantwortlichen zu Beginn der Bistumsgeschichte wichtig, nach
altkirchlichem Vorbild den ‚Tisch des Wortes‘ reichlicher zu decken. Was in den ersten
Jahrhunderten selbstverständlich war, ging der Kirche im Laufe des Mittelalters verloren.
160
Am dritten Adventssonntag empfehlen sich zum Eingang die Lieder ES 309, 310, 315 und 601, am vierten Sonntag der österlichen Bußzeit ES 51, 59, 507, 568, 571, 590, 683, 981 und 989. 161
H.B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 119-121 und 176. 162
Ebd. (s.o. Anm. 128), S. 334. 163
Ebd. S. XVI.
34/49
Spätestens seit 1570 wiederholten sich Epistel und Evangelium jedes Jahr; alttestamentliche
Texte spielten mit Ausnahme der Psalmen kaum eine Rolle. Das war auch so, als man der
einen Lesereihe 1877 eine zweite hinzufügte. Und es war nicht wesentlich anders, als 1959
an die Stelle des zweijährigen ein vierjähriger Zyklus trat. Erst mit der Neuordnung der
Eucharistiefeier Anfang der 1980er Jahre wurde die heute bestehende dreijährige Ordnung
mit drei biblischen Lesungen eingeführt. Es war vor allem Sigisbert Kraft, der seitdem die
Gemeinden unermüdlich dazu anhielt, in den Gottesdiensten alle vorgesehenen Texte zu
lesen. „Gemeinden, die es mit ihrem Seelsorger wagen, auf die drei Lesungen zu hören,
Prediger(innen), die sich auch von sperrigen Texten nicht abschrecken lassen, erfahren, dass
sich ihnen neue Zugänge zum Glauben eröffnen“164.
3.1.2 Der Psalm nach der ersten Lesung
Bei alledem wurde allerdings übersehen, dass zum Leseteil des Wortgottesdienstes ebenfalls
seit ältester Zeit ein Psalm gehört, der seinen Platz nach der alttestamentlichen Lesung hat.
Schon Thürlings begriff diesen als ein den Lesungen gleichgestelltes Element, „nur eben in
einer den poetisch-lyrischen Teilen entsprechenden Form“165. Mit anderen Worten: Es
handelt sich bei diesem Psalm um eine weitere alttestamentliche Lesung, die der Gattung
entsprechend jedoch nicht gelesen, sondern gesungen wird. Und dies in erster Linie nicht
von der Gemeinde, sondern von einem Vorsänger oder einer Vorsängerin, im
Eucharistiebuch 2006 „Kantor/in“ genannt166. Konsequenterweise ist als Vortragsort dafür
der Ambo vorgesehen, wie bei den übrigen biblischen Lesungen auch167. Dass der Psalm
inhaltlich Bezug nimmt auf die vorangehende Lesung und auch auf das Evangelium, aus
dessen Blickwinkel die alttestamentliche Lesung ausgewählt ist, charakterisiert ihn allerdings
nicht automatisch zum Antwortpsalm. Vielmehr wird das Thema des Sonn- oder Festtages so
um eine Facette bereichert. Wir haben es also im Wortgottesdienst der Eucharistiefeier in
Wirklichkeit mit vier biblischen „Lesungen“ zu tun, von denen zwei dem Alten und zwei dem
Neuen Testament entnommen sind.
Aus dieser Sicht folgt, dass in der Gottesdienstgestaltung nach den Lesungen keine
Antwortgesänge bzw. Antwortlieder angebracht sind. Diese Praxis hat sich übrigens
hauptsächlich im deutschsprachigen Raum eingebürgert. Infolge der Reformation, die dem
deutschen Kirchenlied erheblichen Auftrieb gab, kamen im 16. Jahrhundert auch katholische
Gesangbücher auf. Dieser Umstand führte dazu, Regeln für deren Einsatz in der Liturgie
aufzustellen. So wurde beispielsweise 1592 auf der Synode von Breslau der Gesang
164
Ebd. 165
Adolf Thürlings, Wie entstehen Kirchengesänge? Rektorrede, gehalten am 73. Stiftungsfeste der Universität Bern, den 17. November 1906, in: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft, Jahrgang VIII, Heft 3 (auch als Sonderdruck erschienen), S. 468. 166
Ebd. S. 181 und 186. In seiner Rektorrede 1906, ebd. S. 469, bezeichnet Thürlings den Kantor als „liturgische Amtsperson“, die als solche „durchaus geschätzt wurde“. 167
Eucharistiebuch 2006, S. 186.
35/49
deutscher Lieder anstelle des Graduale gestattet168. Bekannten Messgesangreihen wie etwa
Michael Haydns „Hier liegt vor deiner Majestät“ nach führten diese Lieder zum Evangelium
hin169. Wo es keine eigens dazu bestimmten Lieder gab, wählte man passende aus dem
Gesangbuch-Repertoire aus. Dieser an sich beliebte Brauch wurde nach dem 2. Vaticanum
lange weitergepflegt, sodass der Psalm nach der Lesung in deutschen
Gemeindegottesdiensten eher ein Randdasein führte.
Thürlings war im Blick auf das Altarbuch 1888 bestrebt, das Graduale von einem Chor oder
einem Vorsänger vortragen zu lassen170. Die Gemeinde habe dabei „nichts anderes zu tun,
als zuzuhören, den Gesang auf sich wirken zu lassen, das Schriftwort in schöner Form in sich
aufzunehmen“171. Gleichzeitig war ihm aber auch bewusst, dass diese „reichen Gesänge“, die
„vielfach von großer Schönheit“ sind, „ihr kirchliches Bürgerrecht, das ihnen ein Jahrtausend
hindurch fast unbestritten war, heute nur mehr mühsam aufrecht erhalten“ können172. Und
so schlägt er alternativ zum Gesang des Kantors „als allgemeine Graduallieder vor der
Predigt“ Gesänge vor wie „Liebster Jesu, wir sind hier“173. Kurt Pursch war demgegenüber
strenger: In beiden Ordnungen der hl. Messe des Altarbuchs 1959 wird auf das Graduale des
Propriums verwiesen, in der zweiten Ordnung wird außerdem beschrieben, wie es zu
gestalten ist. Dabei wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass in jedem Gottesdienst
ein Vorsänger anwesend ist. Knapp dreißig Jahre später wird in „Die Feier des
Gottesdienstes“ erläutert, der Wortlaut der Psalmen bzw. eine Psalmparaphrase (Psalmlied)
sei nach der ersten Lesung unverzichtbar und besonders wichtig, „weil auch an dieser Stelle
der biblische Text zu Wort kommen soll“174. Ähnlich wird um den Psalm in der Einführung
des Eucharistiebuchs geworben: „Vergessen wir dabei auch nicht, dass die Psalmen das
tägliche Gebet Jesu, seiner Jünger(innen) und seiner Mutter gewesen sind“175.
Dass ihr Einsatz sich im deutschen alt-katholischen Bistum trotzdem nur mühsam realisieren
lässt, dürfte weniger mit der Abneigung gegenüber Psalmen zusammenhängen als mehr mit
der Schwierigkeit, für den Vortrag sangeskundige Gemeindemitglieder zu gewinnen.
Ähnliches ließe sich auch über andere Gesänge sagen, die als Wechselgesänge zwischen
einer Kantorin und der Gemeinde gestaltet sind (Kyrie, Gloria, Agnus Dei und allgemeine
Gesänge wie ES 580, 584, 588, 590 usw.). Dabei liegt gerade darin ein Proprium katholischer
Liturgie, das schon in ältester Zeit gewachsen ist176. Das Ziel ist deshalb, dem gesungenen
Psalmvortrag, durch einen Kehrvers von der Gemeinde begleitet, den Vorzug zu geben. Die
168
H. Hucke, Das Kirchenlied, in: Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, hrsg. von Hans Bernhard Meyer, Hansjörg Auf der Maur u.a., Teil 3: Gestalt des Gottesdienstes. Sprachliche und nichtsprachliche Ausdrucksformen, Regensburg (Verlag Friedrich Pustet), 1987, S. 171. 169
Gesang zum Evangelium in der Haydn-Messe: „Aus Gottes Munde gehet das Evangelium, / auf diesem Grunde stehet das wahre Christentum. / Gott selbst ist, der uns lehret, / der nicht betrügen kann. / Wohl dem, der’s gerne höret / und es nimmt willig an.“ 170
Ebd. S. 32 (Liturgisches Gebetbuch S. 137). 171
A. Thürlings, Kirchengesänge (s.o. Anm. 165), S. 472. 172
Ebd. S. 470. 173
Liturgisches Gebetbuch, S. 111. 174
Ebd. S. 10. 175
Eucharistiebuch 2006, S. XVI. 176
A. Thürlings, Kirchengesänge, S. 467-485.
36/49
Liturgische Kommission hat dem Ausdruck verliehen, indem sie den Psalm nach der ersten
Lesung im Lektionar Eigentexte bewusst zum Singen eingerichtet hat177. Dabei wurde
berücksichtigt, dass dies in einer Weise geschieht, die auch ohne besondere Kenntnisse des
Kantorenwesens realisiert werden kann.
Welche Psalmverse jeweils vorzutragen sind, ist außerhalb der Eigenliturgien des deutschen
alt-katholischen Bistums den Lektionaren zu entnehmen. Neben dem Lektionar Eigentexte
werden gewöhnlich die Lektionare (und das Evangeliar) der römisch-katholischen Kirche
verwendet. Auch in den bereits erwähnten Popularausgaben des römisch-katholischen
Messbuchs sind die Psalmverse abgedruckt. Außerdem werden sie seit 2016 im Liturgischen
Kalender des alt-katholischen Jahrbuchs angegeben. Passende Kehrverse wurden von der
Liturgischen Kommission in einer Liste zusammengestellt, die dem Eucharistiebuch 2006 als
Anhang beigegeben ist178. Soll in den Gemeinden ein Kantorenbuch verwendet werden, ist
darauf zu achten, dass es eine alte Ausgabe ist, die sich noch auf das „Gotteslob“ 1975
bezieht. Die neuen Ausgaben, die seit Erscheinen des „Gotteslob“ 2013 publiziert worden
sind, enthalten teilweise Kehrverse, die nicht im Gesangbuch „Eingestimmt“ stehen.
3.1.3 Halleluja und Verkündigung des Evangeliums
Es ist bereits erwähnt worden, dass das Halleluja kein Antwortgesang auf die zweite Lesung
ist. Es ist vielmehr dem Evangelium zuzuordnen. Das wird schon dadurch erfahrbar, dass die
Gemeinde sich dazu erhebt. Auch in schlicht gestalteten Gottesdiensten sollte darauf nicht
verzichtet werden – ebenso wenig wie auf das dazugehörige Zeremoniell179. Dazu tritt der
Priester vor den Altar, auf dem das Evangeliar liegt, und spricht leise ein
Vorbereitungsgebet180. Es ist das einzige Privatgebet, das noch in der deutschen alt-
katholischen Liturgie verblieben ist. Anschließend nimmt er das Buch und zeigt es der
Gemeinde. Das Buch symbolisiert in diesem Augenblick das Wort, das Fleisch geworden ist
und unter uns gewohnt hat, und wir haben seine Herrlichkeit geschaut… (Joh 1,14). Der
Lobpreis des Hallelujas hat im Evangeliar also einen Adressaten. Während die Gemeinde es
singt, trägt der Priester das Buch vom Altar zum Ambo.
Dort setzt sich fort, was mit dem Halleluja begonnen hat. Nach dem liturgischen Gruß, der
zugleich immer auch eine Vergewisserung der Gegenwart Christi inmitten seiner Gemeinde
ist (vgl. Joh 20,19-20), und der Ankündigung, aus welchem Evangelium nun gelesen wird,
177
Lektionar Eigentexte für das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Lesejahre A, B und C. Für den gottesdienstlichen Gebrauch erarbeitet durch die Liturgische Kommission und herausgegeben von Bischof und Synodalvertretung, Bonn 2013, z.B. S. 13. 178
Ebd. S. 601-604. Die Seitenangabe in der Einführung auf S. XVI bezieht sich versehentlich noch auf das Eucharistiebuch 1995. 179
Anders ist dies selbstverständlich in Gruppengottesdiensten. 180
Eucharistiebuch S. 187. Die hier abgedruckte Version gilt für den Segen, um den die Diakonin den Leiter der Feier bittet. Verkündet er selbst das Evangelium, spricht er in abgewandelter Form: „Der Herr sei in meinem Herzen und auf meinen Lippen, damit ich sein Evangelium würdig verkünde. Im Namen des Vaters + und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“
37/49
spricht die Gemeinde Christus, das fleischgewordene Wort, direkt an: „Ehre sei dir, o Herr!“
Und noch einmal am Ende: „Lob sei dir, Christus!“ Unter dem Gesang des Hallelujas trägt der
Priester anschließend das Evangeliar an einen für alle sichtbaren Ort: Was gerade verkündigt
wurde, bleibt in der Versammlung; in ihr will es lebendig und erfahrbar werden, ebenso wie
Christus in ihr verbleiben will (vgl. Mt 28,20).
Ist eine Diakonin anwesend, fällt ihr die Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums zu. Das
Zeremoniell bleibt dabei das gleiche – mit einer Ausnahme: Zu Beginn des
Verkündigungsaktes tritt die Diakonin nicht vor den Altar, sondern vor den Leiter der Feier
und bittet ihn um den Segen. Dies geschieht, während die Orgel das Halleluja intoniert und
die Gemeinde sich erhebt. Auch die Erteilung des Segens ist praktisch gesehen ein privater
Akt zwischen der Diakonin und dem Leiter der Feier.
Bei festlichen Anlässen wird der Verkündigungsakt entsprechend ausgestaltet.
Ministrantinnen mit Leuchtern begleiten die Prozession vom Altar zum Ambo und nach der
Verkündigung vom Ambo an den Aufbewahrungsort des Evangeliars. Dort werden auch die
Leuchter abgestellt. Wenn Weihrauch verwendet wird, gehen die Weihrauchträger der
Prozession jeweils voraus. Das Einlegen des Weihrauchs erfolgt durch den Leiter an dessen
Platz; dies geschieht vor dem Segen für die Diakonin. Die Inzens des Evangeliars erfolgt durch
die Diakonin – nach dem liturgischen Gruß und der Ankündigung, aus welchem Evangelium
gelesen wird.
Während der österlichen Bußzeit gibt es kein Halleluja. Stattdessen wird ein anderer Ruf
gesungen. Im Gesangbuch „Eingestimmt“ finden sich für diesen Fall zwei Möglichkeiten (ES
217 und 218).
Das Halleluja (oder seine Entsprechung in der österlichen Bußzeit) kann von einem
biblischen Vers begleitet werden181. Dieser findet sich in den Lektionaren. Der Vers ist aber
ebenso in den bereits erwähnten Popularausgaben des römisch-katholischen Messbuchs
enthalten. Auch er wird vom Kantor vorgetragen, und auch dies geschieht in der Regel vom
Ambo aus. Der Kantor übernimmt selbstverständlich auch die Intonation des Hallelujas oder
eines anderen Rufs zum Evangelium. Der Inhalt des biblischen Verses stammt in den meisten
Fällen aus dem zu verlesenden Evangelium; er ist gleichsam als Einstimmung gedacht und
soll die Aufmerksamkeit der Liturgiefeiernden wecken. In selteneren Fällen ist er aber auch
anderen biblischen Schriften entnommen, wobei er stets Bezug nimmt auf das zu verlesende
Evangelium.
Manche Halleluja-Rufe im Gesangbuch „Eingestimmt“ sind für eine Kombination mit dem
biblischen Vers nicht geeignet. Das gilt insbesondere für das Halleluja ES 207, das eigentlich
ein Lied ist und im Grunde beides umfasst: Ruf und Vers. Wird diese Möglichkeit gewählt,
sollte die Strophe 1 immer die entsprechend des jeweiligen Feieranlasses ausgewählte
Strophe umrahmen. Nach Verkündigung des Evangeliums wird nur noch die Strophe 1
gesungen. 181
Eucharistiebuch S. 187.
38/49
Für die Gestaltung des Verkündigungsaktes ist die Mitwirkung der Organistin nicht
unerheblich. Soll das Evangelium als Höhepunkt des Wortgottesdienstes erfahren werden,
hat die Orgel hier einen wichtigen liturgischen Part. Nach dem Vortrag der zweiten Lesung
und einer kurzen Zeit der Besinnung ist es Sache der Orgel, den Höhepunkt anzukündigen.
Dies geschieht mit einer festlichen Intonation des Hallelujas, bei der sich die Mitfeiernden
automatisch erheben. Ebenso ist darauf zu achten, dass die Prozessionen nicht in Stille
verlaufen, nur weil das Halleluja bereits gesungen ist. Es liegt in der Verantwortung der
Organistin, die jeweilige Stimmung zu erhalten, indem sie an das gesungene Halleluja einen
festlichen Abschluss anschließt. Dies gilt vor allem nach der Verkündigung, wenn das
Evangeliar zum Aufbewahrungsort übertragen wird.
3.1.4 Prinzipien der Leseordnung
Für die Leseordnung182 gelten zwei Prinzipien: die lectio continua und die Auswahl nach
Themen. Das Prinzip der lectio continua wird an den Sonntagen der Lesereihe angewendet,
das thematische Prinzip an den Sonn- und Feiertagen der beiden Festkreise. Kontinuierlich
gelesen wird vor allem aus den synoptischen Evangelien. Entsprechend gibt es drei
Lesejahre:
A: Matthäus
B: Markus
C: Lukas
Da das Markus-Evangelium kürzer ist als die beiden anderen, wird es zwischen dem 16. und
dem 22. Sonntag durch eine lectio continua des Johannes-Evangeliums unterbrochen.
Eingefügt werden im Anschluss von Mk 6,34 Abschnitte aus Joh 6. Danach geht es mit Mk
7,1ff weiter. Ansonsten kommt das Johannes-Evangelium vor allem in den beiden
Festkreisen zur Geltung.
An den Sonntagen im Jahreskreis ist auch die zweite Lesung eine fortlaufende Lesung. Zum
Vortrag kommen Texte aus den meisten apostolischen Briefen; nicht berücksichtigt sind Tit,
1/2 Petr, 1/2/3 Joh und Jud. Schaut man sich die Texte beispielsweise der zweiten Lesung
genauer an – etwa die Lesungen aus Röm (2.-24. Sonntag der Lesereihe A) –, fällt auf, dass
nur ausgewählte und nicht alle Abschnitte des Briefes zum Vortrag kommen. Genauso ist es
auch mit den Evangelien. Schon in der alten Kirche war die lectio continua keine vollständige
Lesung einer biblischen Schrift, sondern es wurden daraus Abschnitte ausgewählt, die dann
nacheinander an den einzelnen Sonntagen gelesen wurden183.
182
Vgl. Einführung zum Eucharistiebuch, S. XV: „Die gemeinsame Leseordnung, die wir mit ungezählten Schwestern und Brüdern über die Grenzen unserer Kirche hinaus teilen, verbindet uns in einem gemeinschaftlichen Hör- und Lernprozess auf unserem Glaubensweg.“ 183
H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 176.
39/49
Im deutschen alt-katholischen Bistum folgt man in der Regel dem Ordo Lectionum Missae
(OLM) der römisch-katholischen Kirche. Das hat vor allem praktische Gründe. Zum einen
lässt sich so auf die Lektionare und das Evangeliar der römischen Schwesterkirche
zurückgreifen, zum anderen stehen uns dadurch Hilfsmittel zur Gottesdienst- und
Predigtvorbereitung zur Verfügung. Darüber hinaus ist zu sehen, dass sich auch andere
Kirchen das Doppelprinzip – thematische Textauswahl in den Festkreisen, lecito continua an
den Sonntagen der festlosen Zeit – zu eigen gemacht haben. Schon aus diesem Grund
unterscheiden sich die Leseordnungen nur in einem geringen Maß.
Auch an den Wochentagen folgt das deutsche alt-katholische Bistum der Leseordnung der
römischen Schwesterkirche. Sie ist vom gleichen Prinzip geprägt wie die der Sonn- und
Festtage: In den Festkreisen herrscht das thematische Prinzip, in der festlosen Zeit das
Prinzip der lectio continua. Das Johannes-Evangelium ist auch hier den Festkreisen
zugeordnet, während in der festlosen Zeit ausgewählte Abschnitte aus den synoptischen
Evangelien in der Reihenfolge Mk, Mt, Lk nacheinander gelesen werden. Neben dem
Evangelium gibt es an den Wochentagen nur eine Lesung und den Psalm. In der festlosen
Zeit gilt auch für die Lesung das lectio-continua-Prinzip. Wegen der Fülle des Stoffes sind die
Lesungstexte auf zwei Lesejahre verteilt. Die Auswahl des Psalms ist an den Lesungen
orientiert. Dies gilt auch für Texte aus der neutestamentlichen Briefliteratur und aus Apg
sowie Offb.
„Einige Unterschiede im Verlauf des Liturgischen Jahres, aber auch Überlegungen im Hinblick
auf die (Miss-)Verständlichkeit einiger Perikopen haben die Liturgische Kommission 1998
veranlasst, für die betreffenden Sonn- und Festtage andere Texte als die im OLM
verwendeten auszuwählen“184. Diese sind im bereits erwähnten „Lektionar Eigentexte für
das Katholische Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland“ enthalten. Hinsichtlich der ersten
Gruppe, die die Unterschiede im Verlauf des Liturgischen Jahres betrifft, ist zu beachten:
Der Weihnachtsfestkreis endet nicht, wie in der römisch-katholischen (und der
anglikanischen) Kirche am Sonntag von der Taufe des Herrn, sondern nach
altkirchlicher Tradition am Fest der Darstellung des Herrn (2. Februar). Bis dahin
sollte deshalb auch die Weihnachtsdekoration in den Kirchen bestehen bleiben. Bis
dahin werden an den Sonntagen, auch wenn vom dritten Sonntag nach Epiphanie an
die Texte der Lesereihe vorgetragen werden, weiße Paramente verwendet. Die
Sonntage werden bis zum 2. Februar als „Sonntage nach Epiphanie“ bezeichnet.
Wenn nichts anderes vermerkt ist, wird an diesen Sonntagen die Epiphanie-Präfation
gesungen185.
Nach den beiden Weihnachtstagen folgen zwei Sonntage, die als erster und zweiter
Sonntag nach Weihnachten bezeichnet werden. Am ersten wird in der römischen
184
Lektionar Eigentexte (s.o. Anm. 177), S. 9. 185
Eucharistiebuch 2006, S. 217. Weil die Zahl der Sonntage nach Epiphanie unterschiedlich ist und vom 3. Sonntag nach Epiphanie an die Texte der Sonntage der Lesereihe verwendet werden, wird auf diese Präfation nicht eigens hingewiesen.
40/49
Schwesterkirche das Fest der Heiligen Familie gefeiert, das erst im 19. Jahrhundert
eingeführt wurde und eher Frömmigkeitsaspekte im Blick hat – eine liturgische
Tradition liegt ihm nicht zugrunde. Die beiden Sonntage sind deshalb in der alt-
katholischen Leseordnung neu aufeinander abgestimmt worden. Im Zentrum stehen
Texte aus den Vorgeschichten des Matthäus- und Lukas-Evangeliums.
Der 1. Januar wird im deutschen alt-katholischen Bistum als Oktavtag von
Weihnachten und nicht als Hochfest der Gottesmutter Maria begangen. Auch dieses
Fest ist jüngeren Datums – es wurde 1931 eingeführt und zunächst am 11. Oktober
gefeiert. Nachdem das Bistum 2009 in Bonn die Namen-Jesu-Kirche übernehmen
konnte, wird am 1. Januar in Erinnerung an altkirchlichen Brauch auch der
Namensgebung Jesu gedacht und das Patrozinium unserer Kathedralkirche
begangen. Gleichwohl entsprechen die Lesungen dieses Tages dem OLM.
Altkirchliches Verständnis liegt auch der Auffassung zugrunde, im Epiphaniefest
Geburt, Taufe und Weinwunder von Kana als drei Aspekte (tria miracula) der
heilbringenden Manifestation der Gottheit Christi zu sehen186. Schon Thürlings hat
deshalb in Abweichung von der damaligen römisch-katholischen Leseordnung die
ersten beiden Sonntage nach Epiphanie als Entfaltung des Epiphaniefestes
verstanden und dem ersten Sonntag die Feier der Taufe Jesu, dem zweiten aber das
Gedächtnis der Hochzeit zu Kana zugeordnet187. Dieser Brauch besteht seitdem
ungebrochen fort188.
Im Osterfestkreis weichen vor allem die Lesungen der Osternacht vom OLM erheblich
ab. Einzelheiten sind in der Einführung des Lektionars Eigentexte erläutert189.
Bemerkenswert ist, dass alternativ zur Schöpfungserzählung aus Gen 1 auch die
Schöpfungserzählung aus Gen 2 gelesen werden kann (erste Lesung). Neu
aufgenommen ist als zweite Lesung die Geschichte von der großen Flut. Mit ihr sowie
der Erzählung vom Durchzug durch das Schilfmeer (vierte Lesung) und den
Prophetentexten Jes 55 (fünfte Lesung), Ez 36 (sechste Lesung) und Ez 37 (siebte
Lesung) tritt der Aspekt der Taufe als das große Thema der Osternacht stärker in den
Vordergrund. In vielen Texten unterscheidet sich darüber hinaus die Versauswahl von
der des OLM.
Altkirchliche Tradition ist auch der Grund dafür, den Sonntag vom Guten Hirten am 3.
Sonntag der Osterzeit zu belassen, so wie dies viele andere Kirchen der Ökumene
praktizieren. Erst infolge der Liturgiereform des 2. Vaticanums hat die römisch-
katholische Kirche mit diesem Brauch gebrochen und den Sonntag vom Guten Hirten
auf den 4. Sonntag der Osterzeit verlegt. Dabei werden wohl ordnende Gründe eine
Rolle gespielt haben, denn an den ersten drei Sonntagen der Osterzeit werden im
186
Vgl. dazu das Lied 358 im Gesangbuch „Eingestimmt“. 187
Altarbuch 1888, S. 5f (Liturgisches Gebetbuch S. 45 und 47). 188
Altarbuch 1959, S. 28 und 31. 189
Ebd. S. 10.
41/49
OLM ausschließlich Erzählungen über Begegnungen mit dem Auferstandenen
vorgetragen, während das Evangelium vom guten Hirten dann eine Reihe von Texten
aus dem Johannes-Evangelium eröffnet. Im deutschen alt-katholischen Bistum
wurden der dritte und vierte Sonntag der Osterzeit einfach umgetauscht. Die Reihe
der Begegnungserzählungen mit dem Auferstandenen ist somit bei uns
unterbrochen.
Die letzten (drei) Sonntage der Jahresreihe lenken den Blick der Liturgiefeiernden in
besonderer Weise auf die sogenannten letzten Dinge (έ) und die Vollendung
der Schöpfung. Höhepunkt ist dabei der Sonntag vom Wiederkommenden Herrn (=
34. Sonntag). Dieses Thema klang auch in der Leseordnung der tridentinischen Messe
am letzten Sonntag nach Pfingsten an. Ebenso wurde in den 1877 und 1959
erweiterten Leseordnungen daran festgehalten. Im Rahmen der Neuordnung der
Eucharistie in den 1980er Jahren wurde dieser Sonntag dann expressis verbis so
genannt: Sonntag vom Wiederkommenden Herrn. Auch die römisch-katholische
Kirche hat in der Liturgiereform an diesem Brauch festgehalten, ihn aber mit dem
1925 eingeführten Christkönigsfest verknüpft, das anfangs am letzten
Oktobersonntag begangen wurde. Die Alt-Katholiken haben dieses Fest, das wie das
Hochfest der Gottesmutter Maria aufgrund päpstlichen Dekrets anlässlich eines
Konzilsjubiläums eingeführt wurde, nicht übernommen190. Die Leseordnung
unterscheidet sich dort von der römisch-katholischen, wo diese das Königsmotiv
Christi herausstellt.
Statt des Hochfestes Mariä Aufnahme in den Himmel, das aufgrund der
Dogmatisierung der ihm zugrunde liegenden Lehre durch Pius XII. 1950 im
Festkalender der römisch-katholischen Kirche Bedeutung erlangte – gefeiert wird es
in der römischen Kirche bereits seit dem 7. Jahrhundert –, begehen die Alt-Katholiken
am 15. August den Gedenktag vom Heimgang Mariens. Thürlings überschreibt diesen
Tag „Am Feste Mariae, der Mutter unseres Herrn, 15. August, und an anderen
Marientagen“191. Ähnlich ist auch im Altarbuch 1959 allen Marien-„festen“ ein
gemeinsames Formular gewidmet. Hinsichtlich der biblischen Lesungen werden dann
aber die Anlässe Mariä Verkündigung (25. März), Mariä Heimsuchung (2. Juli), Mariä
Heimgang (15. August) und Mariä Geburt (8. September) unterschieden. Das
Eucharistiebuch 1995/2006 beinhaltet nun für jeden dieser Gedenktage ein eigenes
Formular. Der 25. März ist darin allerdings umbenannt in „Verkündigung des Herrn“
und scheidet damit aus der Reihe der Marientage aus192. Gegenüber dem OLM
besteht am 15. August eine andere Textauswahl. Die biblischen Texte für die übrigen
190
Das Christkönigsfest wurde anlässlich der 1600-Jahr-Feier des Konzils von Nicäa eingeführt, das Hochfest der Gottesmutter Maria anlässlich der 1500-Jahr-Feier des Konzils von Ephesus. In beiden Fällen war Pius XI. die treibende Kraft. 191
Altarbuch 1888, S. 50 (Liturgisches Gebetbuch S. 227). 192
Ähnlich hat Thürlings schon das Fest Mariä Lichtmess (oder Reinigung) am 2. Februar in „Tempelfest unseres Herrn“ umbenannt (Altarbuch 1888 S. 49/Liturgisches Gebetbuch S. 217). Im Altarbuch 1959 findet sich schließlich die Überschrift „Fest der Darstellung Jesu“ (ebd. S. 35).
42/49
Gedenktage entsprechen denen der römischen Schwesterkirche und sind im
Liturgischen Kalender unseres Bistums angegeben.
Zur zweiten Gruppe, die die (Miss-)Verständlichkeit einiger Perikopen betrifft, sei auf die
Erläuterungen in der Einführung des Lektionars Eigentexte verwiesen193. Wenn man
insbesondere hinsichtlich der lectio continua das Konzept des OLM betrachtet, erscheinen
die alt-katholischen Vorschläge allerdings bisweilen wenig elegant. So sehr sie auch um ein
besseres Verständnis bemüht sind, so wenig scheinen sie interessiert zu sein am Prinzip der
lectio continua, das durch die Auswahl in einigen Fällen unterbrochen wurde. Besser
gelungen ist dies in der Leseordnung der Wochentage. Hier wurde innerhalb der jeweiligen
biblischen Schrift nach einer alternativen Versauswahl gesucht.
Offiziell publiziert ist die im deutschen alt-katholischen Bistum geltende Leseordnung im
Liturgischen Kalender, der im jeweiligen Alt-Katholischen Jahrbuch erscheint194. Dort sind
auch die entsprechenden Lesejahre sowohl für die Texte der Sonn- und Festtage als auch für
die der Wochentage angegeben195. Außerdem wird für das tägliche Gebet und die
Schriftlesung das „Te Deum“ empfohlen196, ein nach dem Zeitschriftenprinzip als Abo
beziehbares handliches Heft für das „Stundengebet im Alltag“, das seit mehr als zehn Jahren
monatlich von der Benediktinerabtei Maria Laach und dem Verlag Katholisches Bibelwerk
herausgegeben wird197. Das Heft enthält jeweils auch Hinweise auf das alt-katholische
Gesangbuch „Eingestimmt“ und das christkatholische Gesangbuch der Schweiz. Überdies
werden gelegentlich alt-katholische Beiträge abgedruckt198. Auch wenn im Te Deum die
biblischen Texte der Wochen- und der Sonn- und Festtage unter dem jeweiligen Datum
abgedruckt sind, empfiehlt sich der tägliche Blick in den Liturgischen Kalender des Jahrbuchs.
Die dort angegebenen Schriftstellen berücksichtigen die alt-katholische Leseordnung und
kennzeichnen Abweichungen durch das Symbol an Sonn- und Festtagen und durch [ ] an
Wochentagen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht jedes Fest und jeder Gedenktag
des römischen Kalenders in den alt-katholischen Kalender übernommen wurde. In solchen
Fällen wird bei uns die lectio continua fortgesetzt, während sie im römischen Kalender
unterbrochen wird. An den Sonntagen gilt im alt-katholischen Bistum außerdem die eiserne
Regel, dass deren Feier „weder durch Texte von Heiligengedenktagen noch durch
‚Motivmessen‘ oder thematische Gottesdienste ersetzt werden dürfen“199. Im Unterschied
zur Praxis der römisch-katholischen Kirche kann bei uns ein Fest wie das Geburtsfest
Johannes des Täufers (24. Juni) oder ein Apostelfest wie Peter und Paul (29. Juni), nicht
193
Ebd. S. 9-10. 194
Im Internet ist er unter http://www.alt-katholisch.de/information/liturgie/liturgischer-kalender.html abrufbar. 195
Im aktuellen Jahrbuch 2017 finden sich diese Angaben auf S. 4. 196
Ebd. S. 30. 197
Te Deum. Das Stundengebet im Alltag, Klosterverlag Maria Laach, Verlag Katholisches Bibelwerk Stuttgart. Zu beziehen über die Verlage. 198
So z.B. in der Ausgabe September 2017 eine Predigt von Bischof Matthias Ring über Mt 16,13-20, ebd. S. 313-316. 199
Eucharistiebuch 2006, Einführung, S. XVIII.
43/49
einmal das Fest der Verklärung des Herrn (6. August), sollte es auf einen Sonntag fallen, die
Liturgie des Sonntags verdrängen.
3.2 Die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde
In drei Elementen kommt die Antwort der liturgiefeiernden Gemeinde auf das gehörte Wort
Gottes zum Ausdruck: Im Glaubensbekenntnis, in den Fürbitten und im Friedensgruß.
Einschränkend sei allerdings gesagt: Zwei dieser Elemente sind variabel. Das
Glaubensbekenntnis entfällt an Wochentagen200 und der Friedensgruß kann auch innerhalb
des Kommunionteils ausgetauscht werden201. Andererseits sprechen zwei Gründe für die
Praxis, den Friedensgruß an die Stelle nach den Fürbitten vorzuziehen: Erstens ist dieser
Platz der am häufigsten bezeugte202 und zweitens wird so der Kommunionteil entlastet, was
diesem letztlich eine stärkere Transparenz verleiht203.
3.2.1 Glaubensbekenntnis
Das Glaubensbekenntnis hat seinen klassischen Sitz im Leben im Umfeld der Taufe. Von
daher ist es auch trinitarisch strukturiert: Ich glaube an Gott, ich glaube an Jesus Christus
und ich glaube an den Heiligen Geist. In die Eucharistiefeier wurde es zunächst im Osten
aufgenommen; dort ist ein Gebrauch in jeder Eucharistiefeier für das 6. Jahrhundert
bezeugt204. In den Westen kam es noch im selben Jahrhundert über Spanien und das
Frankenreich; auch hier sollte es in jeder Eucharistiefeier gesprochen werden205. In Rom
kannte man diesen Brauch nicht und befand ihn auch nicht für nötig, da die römische Kirche
niemals vom Irrtum berührt worden sei, wie Kleriker Kaiser Heinrich II., als er 1014 nach Rom
kam, erläuterten. Doch schließlich war er es, der Benedikt VIII. dazu bewegen konnte, diese
Haltung zu verändern. Allerdings hielt die Einsicht nicht lange an, denn Zeugnisse aus der
zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts berichten von einer Einschränkung auf die Sonntage und
auf jene Festtage, die im Symbolum erwähnt werden, wobei damit nicht nur Weihnachten,
Ostern und Pfingsten gemeint sind, sondern auch Marien- und Apostelfeste, Allerheiligen
und Kirchweih und später noch die Kirchenlehrer206.
Motiviert ist das Rezitieren des Credos zunächst, um die Gläubigen vor Glaubensirrtümern zu
bewahren. Texte wie das sogenannte Nicänum-Konstantinopolitanum wurden dazu als
200
Eucharistiebuch 2006, S. 189. 201
Ebd. S. 191. 202
Z.B. Iust. 1 apol. 65,1f: „(1) Nachdem wir den so getauft haben, der zum Glauben gelangt ist und sich uns angeschlossen hat, führen wir ihn in die Versammlung derer, die sich Brüder nennen, und verrichten dann in Andacht gemeinsame Gebete für uns selbst und für den Erleuchteten und für alle anderen, die sich all überall befinden (…) (2) Wenn wir die Gebete beendet haben, begrüßen wir einander mit dem heiligen Kuss.“ 203
Siehe Skript Grundlagen II. 204
J. A. Jungmann, Bd. I (s.o. Anm. 117), S. 576f. 205
Ebd. S. 578f. 206
Ebd. S. 579f.
44/49
besonders geeignet empfunden, wobei diese Bezeichnung irreführend ist, denn der uns
geläufige Text findet sich weder in den Konzilstexten von Nicäa noch in denen von
Konstantinopel207. Dagegen tauchen Teile des Textes im Ancoratus des Epiphanios von
Salamis (um 315-403) auf, einer Schrift gegen den Arianismus, und in den Taufkatechesen
Cyrills von Jerusalem (313-386)208. Spätestens aber durch das Hin und Her in der römischen
Kirche kam noch ein weiteres Motiv dazu: das der Feierlichkeit. Doch darf dabei nicht das
Auswahlprinzip quorum in symbolo fit mentio übersehen werden, das immerhin eine innere
Beziehung zum Inhalt des Credos herstellte, sodass am Ende ein gutes Mittelmaß „zwischen
der am Anfang stehenden kämpferischen Beteuerung des rechten Glaubens und der Gott
zugewandten Innerlichkeit des Gebetes“ gewonnen wurde209.
Von dieser Entwicklung her gesehen war das Credo ein Text, den die Gemeinde zu sprechen
hatte. Das war allerdings eine starke Herausforderung, zumal dies im Westen in lateinischer
Sprache zu geschehen hatte. Dabei kannten die hiesigen Gläubigen bereits ein
Glaubensbekenntnis, das einfacher und kürzer war: das sogenannte Apostolische
Glaubensbekenntnis, das ihnen in der Volkssprache geläufig war. Darüber hinaus nun noch
einen weiteren Text auswendig lernen zu müssen, noch dazu in einer fremden Sprache,
erwies sich als schwieriges Unterfangen, sodass sich bald ein Kompromiss abzuzeichnen
begann, nämlich die Gläubigen das ihnen geläufige Symbolum sprechen zu lassen210. Im
Osten war das eben das Nicänum-Konstantinopolitanum und im Westen das Apostolikum211.
Durchsetzen konnte sich diese Lösung jedoch nicht. Erst im 20. Jahrhundert ist es üblich
geworden, das Apostolikum in sogenannten Gemeinschaftsmessen zu sprechen. Auch im
deutschen römisch-katholischen Messbuch wird an erster Stelle das Nicänum-
Konstantinopolitanum genannt; alternativ kann das Apostolikum gesprochen werden212.
Nicht sehr viel anders ist dies in den Altarbüchern 1888 und 1959. Während 1888 für den
Fall, dass das Credo gesungen werden soll, das Apostolikum verwendet wird213, ist 1959
keine Alternative vorgesehen214. Eine Umkehrung erfolgt dann in „Die Feier des
Gottesdienstes“215 und dementsprechend im Eucharistiebuch 1995/2006, wo jeweils zuerst
das Apostolikum und dann das Nicänum-Konstantinopolitanum genannt ist. In „Die Feier des
Gottesdienstes“ ist zudem festgelegt, wann das Glaubensbekenntnis in die Eucharistiefeier
eingefügt werden soll: „An Sonn-, Fest- und Aposteltagen“216.
207
Ebd. S. 569-572. 208
Ebd. Dort sind auch die Texte bei Epiphanios und Cyrill zitiert. 209
Ebd. S. 580. 210
Ebd. S. 582. 211
Laut Jungmann, ebd. S. 582, muss es allerdings offen bleiben, ob das Apostolikum dann in der Volkssprache oder lateinisch gesprochen wurde. Für den Osten ist verschiedentlich die Volkssprache bezeugt. 212
Ebd. (s.o. Anm. 128) S. 341. 213
Ebd. S. 22 (Liturgisches Gebetbuch S. 113-115). 214
Ebd. S. 85f und S. 99. 215
Ebd. (s.o. Anm. 5), S. 20-22. 216
Ebd. S. 10. Dagegen heißt es im Eucharistiebuch 1995/2006: „Das Glaubensbekenntnis entfällt an Wochentagen“ (EB 2006, S. 189).
45/49
Während das Credo im Osten bevorzugt gesprochen wurde, zeichnet sich für den Westen
vom 10. Jahrhundert an eine Entwicklung zum Gesang ab. Mit diesem war aber der Klerus
beauftragt; da und dort beantwortete das Volk den Klerikergesang mit einem
Volksgesang217. Für den Gesang enthalten die Handschriften meist nur eine Melodie – im
Unterschied zu den anderen Gesängen des Ordinariums. Sie ist in der Regel einfach gestaltet
und oft auf zwei Chöre verteilt, die sich gegenseitig zusingen. Allerdings stößt man sich auch
an dieser Aufteilungspraxis, „da jeder den ganzen Glauben bekennen müsse“218. Trotzdem
hat sie sich – zumindest für den Gesang – durchgesetzt. Im Altarbuch 1959 ist ein Gesang
nicht vorgesehen, zumindest gibt es diesbezüglich keine Anweisungen. Aber eine Aufteilung
des zu sprechenden Textes ist vorgesehen – im Unterschied zum Altarbuch 1888. Auch in
„Die Feier des Gottesdienstes“ und folglich im Eucharistiebuch 1995/2006 erscheint das
Nicänum-Konstantinopolitanum in einer Aufteilung zwischen V und A, wobei nicht mehr P
beginnt, sondern A und die Anfangsworte nicht mehr „Ich glaube an den einen Gott“,
sondern „Wir glauben an den einen Gott“ lauten. Diese Umformulierung ist im Osten schon
für die Anfangszeit des Credos in der Eucharistiefeier bezeugt219. Für den Gesang eignen sich
ES Nr. 219-222 oder ein Credolied (ES Nr. 223-226)220.
Nicht allen Liturgiefeiernden geht das Glaubensbekenntnis in den beiden vorgesehenen
Formen leicht von den Lippen. Manche sehen diese Texte als nicht mehr zeitgemäß an oder
verstehen sie schlichtweg nicht. Diesem Umstand dadurch zu begegnen, dass man das
Glaubensbekenntnis weglässt oder durch zeitgemäßere Texte ersetzt, ist nicht im Sinne der
liturgischen Ordnung. Besser ist es, in eigenen Erwachsenenbildungsveranstaltungen
Zugänge zu den beiden überlieferten Texten zu ermöglichen. In der liturgischen Feier
dagegen geht es um den Glauben der Kirche, dem sich die deutschen Alt-Katholiken
gemeinsam mit vielen anderen Kirchen der Ökumene verpflichtet wissen221. Er ist die
Grundlage für das Taufbekenntnis; das Credo der Eucharistiefeier ist als wöchentlich
wiederkehrende österliche Tauferneuerung zu sehen, mit dem die Liturgiefeiernden auf das
Glauben weckende Wort Gottes antworten.
3.2.2 Fürbitten
Während das Credo im Abendland nur an Sonn- und Festtagen in die Eucharistie-Liturgie
eingefügt wird, stellen Fürbitten und Friedensgruß schon seit frühester Zeit die
Antwortelemente auf das gehörte Wort Gottes dar222. Hinsichtlich der Fürbitten gilt das
gleichermaßen auch für andere Gottesdienstformen (z.B. Morgen- und Abendlob). Selbst in
217
Jungmann, ebd. S. 582f, verweist auf Wilhelm Bäumkers Untersuchung „Das katholische deutsche Kirchenlied“; Bäumker hält das vorreformatorische Lied „Wir glauben all‘ an einen Gott“ für ein Antwortlied auf das zuvor von einer Klerikerschola gesungene Credo. 218
Jungmann, ebd. S. 583. 219
Jungmann, ebd. S. 578. 220
Eucharistiebuch 2006, S. 191. 221
Vgl. § 1 SGO. 222
Jungmann, Bd. I, S. 592-605. Zum Friedensgruß siehe auch: Ders., Bd. II (s.o. Anm. 117), S. 389-403.
46/49
der Unterweisung der Katechumenen ist üblich: Zuerst die Unterweisung, dann das Gebet.
Bezeichnet wird dieses Gebet unterschiedlich. Cyprian nennt es communis oratio223 („Gebet
der Gemeinde“ oder auch „allgemeines Gebet“), in ägyptischen Liturgien begegnet der
Terminus „Gebet nach dem Aufstehen von der Homilie“224, Augustinus deutet es mit der
Formel Conversi ad Dominum („Zugewandt zum Herrn“) an, mit der er eine große Anzahl
seiner Predigten abschließt. Vielerorts wird es aber auch nach seinem Stellenwert benannt,
ist es doch laut Justin225 das erste, woran die Neugetauften teilnehmen, wenn sie in die
Versammlung der Gläubigen geführt werden: oratio fidelium (Gebet der Gläubigen). Die
Handhabung, die sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, ist regional unterschiedlich: Mal
wird zunächst für die Katechumenen gebetet, die dann vom Bischof entlassen werden,
während in einem zweiten Gebet in allen anderen Anliegen der Gläubigen gebetet wird, mal
dürfen die Katechumenen während der Oratio fidelium auch bleiben, sich aber nicht daran
beteiligen226.
Vorstellen muss man sich dieses Gebet in seiner ältesten Gestalt ähnlich wie die klassische
Form der Karfreitagsfürbitten227. Demnach fordert der Bischof jeweils zum Gebet auf,
während die Gemeinde respondiert. Später kommt zu den einzelnen Gebetsaufforderungen
jeweils eine Oration hinzu, die ebenfalls vom Bischof gesprochen wird. Die Anweisungen wie
„Steht auf zum Gebet!“ oder „Beuget die Knie! Erhebet euch!“ werden Aufgabe des Diakons.
Daraus entwickelt sich schließlich die Praxis, dass auch die Gebetsaufforderungen vom
Diakon übernommen werden. In der Folge nehmen diese immer mehr die Gestalt einer
Litanei an und werden von der Gemeinde mit einem „Kyrie eleison“ beantwortet. Die
Oration dagegen ist Sache des Vorstehers.
Inhaltlich werden Anliegen aller Art genannt: „Friede in der Welt, Gedeihen der Felder,
Heimatland und Stadt oder das eigene Kloster, die Kranken, die Armen, Witwen und Waisen,
die Reisenden, die Wohltäter der Armen und des Gotteshauses, die Seelenruhe der
Verstorbenen, Verzeihung der Sünden, ein ungestörtes Leben, ein christliches Ende“228.
Nicht auf alle Gebetsimpulse folgt eine Oration des Vorstehers. Deshalb ist diese dann auch
jeweils allgemeiner gehalten, und sie hat eine gewisse gliedernde Funktion. Vielfach sind es
drei Glieder, die begegnen: Bei Augustinus z.B. für die Ungläubigen, für die Katechumenen,
für die Gläubigen oder in Ägypten um den Frieden der Kirche, für Bischof und Klerus, für die
ganze Kirche und die gegenwärtige Versammlung.
223
Cypr. domin. or. 3. 224
Euchologion Serapions 2. 225
Iust. 1 apol. 65,1. 226
In der byzantinischen Liturgie begegnet die Zweiteiligkeit des Fürbittgebets bis heute. Nach dem Gebet für die Katechumenen folgt zunächst mit dem vom Diakon mehrfach vorgetragenen Ruf „Alle Katechumenen, geht hinaus!“ deren Entlassung, erst dann folgt das Gebet der Gläubigen. Vgl. Die Göttliche Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomos. Übersetzt und erläutert von Anastasios Kallis, Münster (Theophano Verlag) 2004, S. 78. 227
Eucharistiebuch 2006, S. 80-84. 228
Jungmann, Bd. I, S. 594f.
47/49
Lange hat es in der abendländischen Kirche nach Lesungen und Predigt kein Fürbittgebet
gegeben. In der römischen Messe ist dies schon seit Mitte des 6. Jahrhunderts der Fall,
„möglicherweise deshalb, weil sich die erwähnte Litanei samt den damit verbundenen
Kyrierufen zum Begleitgesang für Prozessionen weiterentwickelt hat, die u.a. auch vor der
Messfeier stattfanden“229. Allerdings sind Spuren des Gebets erhalten geblieben, etwa in der
Gebetsaufforderung „Oremus“ nach der Predigt oder dem Glaubensbekenntnis, wie sie bis in
die Tridentinische Messe hinein üblich war und so auch in das Altarbuch 1888 übernommen
wurde, oder in den Kyrierufen, wie sie bis zum 2. Vaticanum in der Mailänder Liturgie
gepflegt wurden. In der zweiten Ordnung der Hl. Messe des Altarbuchs 1959 änderte sich
das dann: Hier wird schon einige Jahre vor der Liturgiekonstitution des 2. Vaticanums Raum
gegeben für Fürbitten; es wird aber noch nicht darauf bestanden230. Die Gestalt des Gebets
ist schlicht: Der Priester trägt eine Reihe von Gebetsimpulsen vor, auf die die Gemeinde mit
dem Ruf „Wir bitten dich, erhöre uns!“ antwortet. Fester Bestandteil der Eucharistiefeier
werden die Fürbitten dann in „Die Feier des Gottesdienstes“231. Dort ist geregelt, dass das
Gebet von P eingeleitet und abgeschlossen wird, während die Einzelbitten von Mitfeiernden
gesprochen werden. Nach jeder Bitte soll eine kurze Stille zum Bedenken eingeräumt
werden, dann sind zunächst eine Einleitung und schließlich der Antwortruf vorgesehen. Das
Gesangbuch „Eingestimmt“ gibt als Rollenbuch der Gemeinde drei Beispiele vor232:
V/P Christus, höre uns!
A Christus, erhöre uns!
oder:
V Gott, unser Vater!233
A Wir bitten dich, erhöre uns!
oder:
V Lasset zum Herrn uns beten:
A Herr, erbarme dich! Christus, erbarme dich! Herr, erbarme dich!
Die Beispiele eins und drei setzen voraus, dass das Gebet an Christus gerichtet ist. Erkennbar
wird dies vor allem in der Einleitung und in der abschließenden Oration.
Im Unterschied zur ersten Auflage des Eucharistiebuchs von 1995 ist in der dritten Auflage
von 2006 auch die in der alten Kirche praktizierte Form möglich, dass die Einzelbitten von D
vorgetragen werden. Einige Gemeinden haben diese Möglichkeit zugunsten der 229
H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 177. Meyer verweist hier auch auf eine Untersuchung Paul De Clercks hin (La „prière universelle“ dans les liturgies latines anciennes. Témoignages patristiques et textes liturgiques. LQF 62, Münster 1977), in der die Auffassung Jungmanns, die Interzessionen des Eucharistiegebets seien sozusagen das dorthin abgewanderte Allgemeine Gebet, stark in Frage gestellt wird. 230
Altarbuch 1959, S. 99. 231
Ebd. S. 10 und S. 22f. 232
ES Nr. 7-9. 233
Statt der ausschließlich männlichen Gottesanrede wird heute meist gesagt: „Gott, Quelle des Lebens!“ Vgl. Die Feier der Bestattung, S. 194-197.
48/49
Gemeindebeteiligung dahingehend weiterentwickelt, dass D Einleitung und Schlussoration
übernimmt. Unglücklich an dieser Form ist jedoch, dass D hier eine Leitungsaufgabe
übernimmt, die in der Eucharistiefeier allein B oder P zukommt.
Der Antwortcharakter der Fürbitten auf das gehörte Wort Gottes kommt durch die
inhaltliche Ausrichtung einzelner Fürbitten auf die Lesungen und die Predigt zum Ausdruck.
Auch Einleitung und Schlussoration können darauf Bezug nehmen. Es empfiehlt sich deshalb,
die Fürbitten nach Möglichkeit selbst zu formulieren. Dabei ist in letzter Zeit das Vorbild
ostkirchlichen Betens leitend geworden, wonach die Einzelbitten nur einen Impuls (und nicht
auch eine konkrete Bitte) beinhalten. Formal schließt sich in der Ostkirche dann sogleich die
Antwort der Gemeinde an. Sinnvoll ist es aber, auf den Gebetsimpuls eine Stille folgen zu
lassen, in der die Mitfeiernden persönlich weiterbeten können. Dies entspricht auch der in
den Karfreitagsfürbitten bezeugten römischen Tradition. Erst dann wird die Gemeinde durch
den Einleitungsruf zur Antwort aufgefordert.
3.2.3 Friedensgruß
Nach dem Zeugnis Justins ( um 165 in Rom) „begrüßen“ sich die Eucharistiefeiernden,
sobald sie das Fürbittgebet beendet haben, „mit dem heiligen Kuss“234. Wenn es seit dem
Eucharistiebuch 1995 möglich ist, den Friedensgruß auch an dieser Stelle auszutauschen235,
entspricht das also gut bezeugter altkirchlicher Tradition236. Allerdings ist – z.B. bei
Augustinus237 – auch die Variante eines Austauschs im Kommunionteil schon früh bezeugt.
Das gilt außerdem für die römische Liturgie238. Doch ist dies eher die Ausnahme; die meisten
Liturgien kennen einen Austausch des Friedenskusses nach den Fürbitten, also am Ende des
Wortgottesdienstes. Er gehört damit zu den Antwortelementen auf das gehörte Wort
Gottes. Tertullian (or. 18) nennt den Friedenskuss das signaculum orationis; man solle damit
das gemeinsame Gebet beschließen, selbst wenn man einen Fasttag hält; nur an öffentlichen
Fasttagen entfällt der Kuss, der ja auch ein Ausdruck der Lebensfreude ist239.
Dem Eucharistiebuch nach gehören zur Gestalt des Friedensgrußes eine biblische Einleitung
(fakultativ), der Gruß selbst mit der schon 1888 (1885) geprägten Antwort der Gemeinde
„Friede mit uns allen!“ und der Austausch mit der von D vorgetragenen Aufforderung „Gebt
einander ein Zeichen des Friedens und der Versöhnung“240. Die vorgegebenen vier
Einleitungsbeispiele sollen über ihre Einleitungsfunktion hinaus auch dazu verhelfen, die
234
1 apol. 65,2. Hier zitiert aus H. B. Meyer, Eucharistie (s.o. Anm. 74), S. 101. 235
In „Die Feier des Gottesdienstes“, ebd. (s.o. Anm. 5), S. 12, erfolgt der Friedensgruß noch ausschließlich im Kommunionteil der Feier. 236
J. A. Jungmann, Bd. II, S. 390; J. H. Emminghaus, ebd. (s.o. Anm. 127), S. 267, H. B. Meyer, ebd. (s.o. Anm. 74), S. 118. 237
Serm. 227. 238
OR I, 18. 239
Jungmann, Bd. II, S. 390. Weitere Zeugen: Orig. Hom. in Rom. 10,33; TrAp. Dass der Austausch des Friedenskusses auch entfallen kann, bezeugen außerdem OR ant. und GeVe 40. 240
Eucharistiebuch 2006, S. 191f.
49/49
Gefahr einer weiteren Ansprache zu vermeiden241. Eine weitere Gefahr ist dadurch gegeben,
dass der Austausch des Friedensgrußes in den überschaubaren Gemeinden unseres Bistums
zu einem Fest der Umarmungen ausartet242. In der Einführung zum Eucharistiebuch wird
deshalb darauf hingewiesen, dass es die Gemeinschaft empfindlich stört, „wenn
Unterschiede in der Herzlichkeit des Austausches gemacht oder wenn manche Mitfeiernde
durch allzu intensive Umarmungen überfordert werden“243.
3.2.4 Dramaturgie des Antwortteils im Wortgottesdienst
Der Antwortteil im Wortgottesdienst hat, gemessen an der Verklärungsgeschichte Mt 17,1-9,
die Bedeutung eines Abstiegs in die Lebensrealität. Dem entsprechend kommt den Fürbitten
in diesem Teil besondere Bedeutung zu. Angesichts dessen, was die liturgiefeiernde
Gemeinde in den biblischen Lesungen als frohe und befreiende Botschaft vernommen hat,
hält sie dem Gott des Heils ihre Lebenswirklichkeit und die der Welt hin. Sie tut es im
Bewusstsein der Mitverantwortung, die dem Menschen in der Schöpfung gegeben ist (vgl.
Gen 1,26). Die im Matthäus- und Lukas-Evangelium ausgesprochene Aufforderung „Bittet
und es wird euch gegeben“ (Mt 7,7; Lk 11,9) ist vor dem Hintergrund eines Gottvertrauens
zu sehen, das in den biblischen Lesungen aufgebaut und gestärkt wird. Der Antwortcharakter
der Fürbitten hat also verschiedene Facetten. Zum einen werden darin Themen aus dem
Wortgottesdienst aufgegriffen, was bedeutet: Die Gemeinde geht mit der gehörten
Botschaft um. Zum anderen erfahren sich die Hörerinnen und Hörer als zu verantwortlichem
Handeln Gerufene, dem sie aber nur in tiefer Verbundenheit mit Gott gerecht werden
können.
Geht den Fürbitten das Glaubensbekenntnis voraus, ist dies im Sinne einer
Taufvergegenwärtigung zu sehen. Insbesondere geht es darum, sich der in der Taufe
empfangenen Berufung bewusst zu werden, wie sie im Taufbekenntnis umschrieben ist. Das
Glaubensbekenntnis stellt also den Auftakt in Richtung Fürbitten dar; der Akzent liegt
letztlich auf ihnen.
Ähnliches gilt für den Friedensgruß. Hier ist der Gedanke Tertullians hilfreich, darin die
Besiegelung des vorausgehenden Gebetes zu sehen, d.h. dem Gebet abschließend noch ein
Zeichen hinzuzufügen, das in Richtung Reich Gottes, in Richtung des Schalom, weist. Der
Friedensgruß ist, so gesehen, den Fürbitten zugeordnet; er bringt sie zum Abschluss. So sind
die Fürbitten – in Verbindung mit dem Friedensgruß – das zentrale Antwortelement im
Wortgottesdienst, an Sonn- und Festtagen verstärkt durch das Glaubensbekenntnis. Bei der
Gottesdienstgestaltung gilt es, dies zu beachten.
Joachim Pfützner
241
Vgl. Eucharistiebuch 2006, S. XVI. 242
Vgl. dazu die Beiträge von Stephan Neuhaus-Kiefel, Warum knutscht ihr so gerne? und von Georg Reynders, Friede mit uns allen, in: Christen heute 55 (2011), S. 47f. und die darauf folgenden Leserbriefe S. 69f. 243
Ebd. S. XXI.