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34 Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik Sprecherin: Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und DiagnostikSprecherin: Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

An der Universität Leipzig beschäftigen sich mehrere international konkur-renzfähige Arbeitsgruppen mit mole-

kularer und zellulärer Kommunikation unter dem Aspekt der Entwicklung neuartiger The-rapeutika oder Diagnostika. Die eingesetzten Methoden kommen aus den Bereichen der Biotechnologie, Biomedizin und Bioinforma-tik. Ausgehend von evolutionsbiologischen und bioinformatischen Ansätzen werden molekulare und zelluläre Kommunikations-strukturen identifiziert und deren Bedeutung für neuartige Therapiekonzepte entwickelt. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Gewebe-regeneration dar. Von der Zusammenfassung und Fortentwicklung dieser Aktivitäten er-warten wir grundlegende Erkenntnisse über zelluläre Kommunikationen auf der Ebene der Proteininteraktionen und ihre Steuerung auf RNA-Ebene. Diese sollen zum Einsatz kommen bei neuartigen Anwendungen wie z. B. Protein- und/oder Zelltherapeutika. Mit Hilfe von neuartigen nanobioelektronischen und bioanalytischen Techniken sollen Di-agnostikverfahren gestärkt und in klinisch anwendbare Systeme überführt werden. Desweiteren werden zell- und molekularbio-logische sowie proteinchemische und protein-analytische Grundlagen in Hinblick auf eine klinische und biotechnologische Nutzung erarbeitet. Angestrebt wird die reibungs-lose Überführung von klinisch relevanten

Resultaten aus der Grundlagenforschung in klinische Studien sowie eine verbesserte Dia-gnostik, Therapie und Prävention. Im Zentrum dieses Profilbildenden Forschungsbereichs stehen die an der Universität Leipzig und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen vorhandenen vielfältigen Kompetenzen im Bereich der Lebenswissenschaften, die sich unter anderem in der Biotechnologie-/Gen-technologie-Initiative des Freistaates Sachsen manifestiert haben.

Molekulare und zelluläre Kommunikation 36Interview mit der Sprecherin des Profilbildenden Forschungsbereiches „Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik“, Frau Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger

Die feinen Unterschiede 40

Tumorgenese 43

Stammzellen für Sturköpfe 46

Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer Relevanz 49

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Molekulare und zelluläre Kommunikation

Der Titel des Profilbildenden Forschungsbereiches sagt dem Laien wenig. Wie würden Sie einem 10-jährigen Kind erklären, worum es geht?

Ich würde mit dem Kind eine Zwiebel schälen, ein Häutchen abziehen, einen Teil dieses Häutchens unter ein Mikroskop legen und das – zum Beispiel meiner Tochter – zeigen. Dann würde ich sie fragen, was sie dort sieht. Vermutlich würde sie antworten: „Lauter Blasen.“ „Jede Blase ist eine Zelle“, würde ich ihr sagen, und dass aus solchen Zellen jeder Organismus aufgebaut ist – von der Zwiebel bis zum Menschen. Ich würde ihr erklären, dass das kleine Einheiten sind, ohne die man nicht leben kann, in denen Reaktionen ablaufen, in denen Krankheiten entstehen, wenn sie nicht mehr funktionieren.

Und was hat es mit den Profilbildenden Forschungs-bereichen auf sich?

in die die Universität zukünftig investieren will. Diese wurden nicht einfach aus dem Boden gestampft und es geht auch nicht darum, tausend kleine Projekte zu sammeln. Vielmehr hat man geschaut: Wo gibt es hier an der Universität Leipzig Expertise? Wo haben wir kompetente Leute, die besondere Forschungskom-petenz und -erfahrung haben und einen Verbund gründen könnten oder bereits gegründet haben? Gibt es bereits Schwerpunkte? Es ist also eine Strukturierung der Forschung der Universität, mit dem Ziel einer langfristigen Entwicklungsperspektive.

Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

zwei kompetitiv eingeworbene Forschungsverbünde, den Son-derforschungsbereich 610 und das interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik – kurz IZBI. Im Sonderforschungsbereich (SFB) untersuchen wir Proteinzustände mit zellbiologischer und me-dizinischer Relevanz. Wir versuchen Krankheiten und zelluläre Vorgänge auf der molekularen Ebene zu verstehen. Der SFB wurde 2001 nach Vorort-Begutachtung von externen Experten durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft eingerichtet, 2004 evaluiert und für vier Jahre verlängert. Zum zweiten gibt es das interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik – das IZBI, ebenfalls von der DFG gefördert und begutachtet. Weiterhin zählen große Bereiche des biomedizinisch-biotechnologischen Zentrums (BBZ) zum PbF III. Das BBZ ist ein Zentrum der Universität Leipzig, das die anwendungsorientierte Forschung im Bereich Biotechnologie/Biomedizin bündelt und in einem Zentrum vereinigt. Unterstützt wurde das BBZ durch die Biotechnologie-Initiative des Freistaates Sachsen, der nicht nur die Einrichtung von 6 neuen Professu-ren, sondern auch einen Gebäudekomplex der Biocity finanzierte. Hochschullehrer über Fakultätsgrenzen hinweg haben sich im BBZ zu einem Zentrum zusammengeschlos-sen, um gemeinsam Mittel einzuwerben und die kritische Masse zur Schwerpunktbildung zu überwinden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den letzten Jahren innerhalb der Universität die Kompetenz in den Bereichen Biome-dizin, Biotechnologie und Bioinformatik erheblich ausgebaut wurde und sowohl in-terdiziplinär wie auch interfakultär durch eine beträchtliche

Forschungsbereich soll diese Kompetenzen nun bündeln, damit es möglich wird neue Forschungsverbünde strukturiert einzu-werben.

Davon gibt es noch zu wenige?

Ja, das ist ein großes Problem in Leipzig, da die Entwicklung von Profillinien viele Jahre dauert. Ziel der Profilbildenden Forschungsbereiche ist es somit, dass die Universitätsleitung mit diesen Maßnahmen den aktiven Personen an der Universität einen Rahmen bietet, innerhalb dessen sie weitere Aktivitäten initiieren, planen und weiterentwickeln können. Man kann sich einen PbF als einen Pool von Forschern vorstellen, die nicht starr einzelnen Bereichen zugeordnet sind, sondern zum Teil im BBZ und im Sonderforschungsbereich arbeiten oder im IZBI und im Sonderforschungsbereich, oder in allen drei Bereichen. Bei vielen überlappen sich ihre Aktivitäten bereits. Weiterhin gibt es noch den Pool an Wissenschaftlern, die noch nicht eingebunden ist. Aus dieser Mischung sollen sich weitere Initiativen ergeben, damit mehr entsteht, als die drei im Moment bereits bestehenden Säulen.

Zum Beispiel?

Wir versuchen, diese Suppe so zu mischen, dass sich noch mehr Blasen und Türme hervortun. Und je höher die Konzentration

an Kompetenz in dieser Suppe ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich etwas Neues bilden kann und man sich dabei gegenseitig inspiriert. Die regenerativen Therapien sind hierfür ein Beispiel. Die Uni-versität ist mit der Beantragung eines Exzellenzclusters aus die-sem Bereich im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes in die Endrunde gekommen und kann nun einen Antrag auf einen Exzellenzcluster einreichen. Dies ist ein Beispiel, wie Biotechno-logie, Bioinformatik und Biomedizin zusammenspielen können. Einen lockeren Verbund gibt es bereits in Form des RegMedNets. Diese Kollegen bilden die Basis und versuchen, zusammen mit außeruniversitären Einrichtungen, einen tragfähigen Antrag für einen Exzellenzcluster zu entwerfen um für die Initiative auch

Was ist das Besondere an diesem entstehenden Cluster?

Dieses Konzept ist das einzige, das an einer ostdeutschen Universität in der zweiten Runde weiterverfolgt werden darf. Es ist interdisziplinär und verbindet Grundlagen-forschung für die Entwicklung von regene-rativen Ansätzen mit Anwendungsaspekten. So werden zum Beispiel die Materialwis-senschaften – z. B. bei der Entwicklung von Plastiken, Prothesen und Mikrokapseln – mit Ansätzen der Zelltherapie kombiniert,

-heilung des Körpers haben, ergänzt, damit gemeinsam die Regeneration von Geweben

und Organen ex vivo und in vivo gesteigert oder überhaupt erst ermöglicht werden kann. Begleitet wird dieser Prozess durch bildgebende Verfahren, die solch einen Regenerationsprozess beobachten.

Für welche Krankheiten wären diese Ansätze anwend-bar?

Wir haben hier in Leipzig unter anderem Kompetenz in der Neu-roregeneration: Hierbei soll das Wachstum von Nervenzellen ge-steuert und durch Moleküle oder Lichtimpulse, in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Oder im Bereich der Leber-Regenera-tion, in der es bereits Zelltechniken gibt, die diese Regeneration außerhalb des Körpers ermöglichen. Weiterhin werden Moleküle, die das Knochenwachstum stimulieren, charakterisiert und für den Einsatz getestet.

Gehen wir zurück zu den Säulen, die bereits existieren. Sie sagten, der Sonderforschungsbereich beschäftigt sich mit Proteinzuständen. Das klingt zunächst sehr abstrakt. Können Sie das genauer erklären?

Ein Protein, also ein Eiweiß, liegt normalerweise in einer be-stimmten dreidimensionalen Anordnung vor. Man könnte sich das wie eine Feder vorstellen. Eine Feder, die einmal gespannt und einmal entspannt ist. Die meisten Proteine in einer Zelle kennen diese beiden Zustände. Wenn ich von außen irgendein Signal gebe,

Es geht nämlich unter anderem um eine voll-kommen neue Art der Kommunikation. Diese wird abhörsicher sein auch ohne aufwän-dige Verschlüsselungs-systeme.

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dann kann sich der Zustand ändern und die Botschaft wird ins In-nere der Zelle übertragen oder innerhalb der Zelle weitergegeben. Der Sonderforschungsbereich beschäftigt sich mit der Charak-terisierung dieser Zustände bei wichtigen Proteinen, die Signale in die Zelle geben, aber auch bei Tumorerkrankungen eine Rolle spielen können. Wie sieht das aus, wenn ein Protein gespannt oder entspannt ist? Wie kann ich das Protein von dem einen in den anderen Zustand bekommen? Was heißt überhaupt gespannt und entspannt? Und gibt es dann die Möglichkeit, dass einer dieser Zustände mit Krankheiten korreliert oder dieser Wechsel nicht mehr funktioniert oder das Protein in einem Zustand eingerostet ist. Wenn das die molekularen Ursachen für eine Krankheit sind,

Protein wieder in einen anderen Zustand zurückbekommen?

Welche „wichtigen Proteine“ wären das? Und wofür sind sie zuständig?

Wir untersuchen in mehreren Projekten so-genannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren. Diese Proteine sind durch Zellmembran hindurch gespannt wie kleine Stäbchen. Von außen kommt dann zum Beispiel ein Wachstumshormon, dockt an und das Pro-tein leitet dessen Botschaft ins Innere der Zelle. Wenn diese Rezeptoren immer aktiv sind, dann kann Krebs entstehen – denn die Zelle wächst immer weiter. Weiterhin beschäftigen wir uns mit Rezeptoren für verschiedene Peptid-Hormone, die eine Rolle bei Diabetes spielen, bei der Regula-tion der Nahrungsaufnahme, des Calciumstoffwechsels oder bei Bluthochdruck. Wenn solch ein Protein nicht mehr funktioniert – wenn zu viel Hormon da ist oder wenn diese Kommunikation nicht mehr klappt, können Krankheiten entstehen. Wir untersu-chen, wie diese Botschaften nach innen geleitet werden, wie die Signale von außen andocken, wie die Proteine aussehen müssen, damit Signale wie ein Schlüssel ins Schloss passen, wie man diese Proteine herstellen kann und wie man sie aus der Membran herausnehmen kann, um sie genauer zu beschreiben.

Können Sie den Zusammenhang mit dem Tumorwachs-tum noch einmal ausführen?

Wir haben in Projekten festgestellt, dass Hautkrebszellen auf

abspalten können. Diese Abspaltung korreliert mit der Bösar-tigkeit des Tumors. Wie, wann und warum das passiert, weiß man noch nicht. Wenn wir den Abspaltvorgang verstehen und vielleicht verhindern, könnte es irgendwann einmal möglich sein ein Stück weiter im Bereich der Tumordiagnose oder gar Therapie zu kommen. Das ist natürlich ein sehr, sehr weites Ziel, bei dem man vorsichtig sein muss, um keine Hoffnungen zu wecken, die nicht erfüllbar sind. Denn wir wissen ja noch gar nicht, ob das Abspalten die Ursache oder die Folge der Bösartigkeit ist. Ist es nur die Folge könnte man das Protein vielleicht dazu einsetzen,

den Tumor zu charakterisieren – als einen Marker für einen Blut-test etwa. Im Moment kann man nicht sagen, in welche Richtung das gehen wird.

Was genau macht die Arbeitsgruppe, die der Frage nachgeht, was „gespannt“ und „entspannt“ heißt?

Wir versuchen mit spektroskopischen Methoden, die Moleküle abzubilden. Normalerweise kann man sie nicht sehen, weil sie viel zu klein sind und auch unter einem Mikroskop nicht sichtbar wer-den. Also berechnen wir mit der Kernresonanz-Spektrosokopie und mit der Röntgenkristallographie und theoretischen Methoden, wie diese Moleküle ausschauen.

Die zweite Säule des Forschungsbe-reiches ist das IZBI.

Das IZBI ist das interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik. Dort werden – rein rech-nergesteuert – Methoden entwickelt, die für die Modellbildung in der Biologie eine große Rolle spielen. Das sind zum einem Evolutionsaspekte: Wie verändert sich ein Protein im Lau-fe der Evolution? Was ist auf der Ebene der Erbinformation gleich bei Mensch und Affe? Wie kann ich berechnen, wie sich die Erbinformation verändert? Wie nahe verwandt sind bestimmte Organismen? Der zweite Schwerpunkt sind Signalnetzwerke. Wenn ein Signal von außen nach innen in die Zelle geleitet wird, verteilt es sich dort

nicht einfach. Vielmehr gibt es sehr komplexe Schaltmechanis-men in der Zelle, die die Forschung noch nicht versteht. Bislang versucht man, einzelne Wege zu verfolgen. De facto entstehen aber ganze Netzwerke. Und die sollen nun mit mathematischen Verfahren abgebildet werden. Der dritte Schwerpunkt am IZBI ist, Werkzeuge zu entwickeln, um solche Analysen von biologischen Daten schneller vornehmen zu können.

Das heißt, das IZBI könnte in einem zweiten Schritt Ein-zelheiten errechnen, die Sie in Ihren Experimenten nicht so genau sehen können?

Eigentlich ist es umgekehrt. In der Bioinformatik werden Modelle entwickelt – zum Beispiel, wie sich ein Gewebe beim Tumor rein theoretisch ausbreitet. Im Experiment kann man dann schauen: Stimmt die Berechnung? Eventuell muss das Rechenmodell ver-ändert werden, wieder mit dem Experiment abgeglichen werden, etc. um irgendwann Voraussagen treffen zu können.

Die dritte Säule – nach SFB und IZBI – ist das anwen-dungsorientierte BBZ.

Das BBZ ist die dritte Säule, allerdings eine ganz andere Orga-nisationsform. Während SFB und IZBI nach externer Evaluation eingerichtet wurden, bündelt das BBZ als Zentrum der Universität

Ein Einsatz zum Wohle der Gesundheit ist für die meisten Menschen gut nachvollziehbar.Jeder möchte länger leben, jeder möchte gut leben, zumal unsere Gesellschaft immer älter wird.

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

die anwendungsorientierten Teile der Biomedizin und Biotech-nologie in Leipzig. Die Gründung erfolgte auf die Initiative des Freistaates Sachsen, wobei hier die Idee im Hintergrund stand, Wirtschaftsförderung zu betreiben und Firmen aus dem Bereich der Biotechnologie und Biomedizin hier anzusiedeln. Das hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren sehr viel Geld investiert wurde, um ein neues Gebäude zu bauen, um sechs neue Profes-soren zu berufen, deren Projekte möglichst anwendungsorientiert sein sollten. Auf der anderen Seite wurden alle Kollegen an der Universität, die in der Biotechnologie begutachtete Drittmittel und Forschungsprojekte haben, eingeladen, sich in dieses Zentrum einzubringen. Insgesamt sind an dem Zentrum inzwischen über 30 Hochschullehrer mit ihren Arbeitsgruppen organisiert. Jetzt ist die erste Phase der Förderung ausgelaufen und man muss sehen, ob es weitere Zuschüsse geben kann oder ob sich das Zentrum sogar schon selbst trägt.

Welche anwendungsorientierte Projekte gibt es dort?

Ein Beispiel für eine anwendungsorientiert arbeitende Arbeits-gruppe ist die Gruppe von Prof. A. Bader. Er versucht, Knochen- oder Knorpelzellen im Reagenzglas zu kultivieren. Das Ziel seiner Arbeiten ist, künstliche Haut oder künstliche Knochen herzustellen. Das ist natürlich attraktiv für Firmen. Das zweite Beispiel sind die Arbeiten von Frau Prof. Andrea Robitzki. Sie entwickelt mit ihrer Arbeitsgruppe Biosensoren auf Chiptechnik, mit denen man dann feststellen kann, was für Hormone z. B. im Blut in ganz geringen Mengen vorhanden sind, wie sich ein Auge entwickelt, ob eine Schwangerschaftsvergiftung vorliegt, wie sich Tumorzellen von gesunden Zellen unterscheiden und vieles mehr. Dabei verbindet Frau Prof. Robitzki Computertechnologie, moderne Zellbiologie zu dem Gebiet der Nanobiotechnologie.

Gibt es schon Start-up-Firmen?

Die Nachwuchsgruppe des BBZ um Dr. Thomas Greiner-Stöffele hat ihre eigene Firma – C-Lecta – gegründet. Sie arbeitet sehr erfolgreich daran Enzyme mit neuen Eigenschaften herzustellen, die es bisher noch nicht gibt. Diese neuen Eigenschaften richten sich dabei nach den Anwendungen, den Wünschen der Kunden. Die Waschmittelindustrie zum Beispiel benötigt Enzyme, die auch bei hohen Temperaturen eingesetzt werden können.

Wozu braucht die Waschmittelindustrie Enzyme?

der Wäsche sauber ist – dann verdanken Sie das unter anderem den Enzymen im Waschmittel. Diese Proteine funktionieren wie eine Schere, sie schneiden Moleküle klein, so dass sie aus-

Problem ist nur, dass diese Proteine normalerweise keine höheren Temperaturen als 60 Grad aushalten, schließlich sind es Proteine. Dieses Problem versucht die Firma zu lösen – sie will Enzyme herstellen, die hitzestabiler sind. C-Lecta hat ein neuartiges Verfahren entwickelt, um schnell sehr viele veränderte Proteine herzustellen und zu testen. Nur damit ist es möglich, wunschge-

Evolution im Zeitraffer arbeiten zu lassen.

Wenn man aus der Biomedizin Schlagworte wie Stamm-zellforschung hört, gibt es auch Bedenken dagegen. Wie versuchen Sie, dem entgegenzuwirken?

Als erstes sollte man zuhören, anhören, welche Bedenken be-stehen. In der Biomedizin begegnet uns solche Skepsis relativ selten. Ein Einsatz zum Wohle der Gesundheit ist für die meisten Menschen gut nachvollziehbar. Jeder möchte länger leben, jeder möchte gut leben, zumal unsere Gesellschaft immer älter wird. Die Stammzellforschung, die wir hier betreiben, nutzt adulte Stammzellen. Es geht uns darum, wie man diese Stammzellen

somit keine embryonalen Stammzellen braucht. In der gesamten Biomedizin muss man sich allerdings schon fragen: Muss ich alles machen, was ich kann? Darf ich alles machen, was ich kann? Solche Dinge anzusprechen, ist eine wichtige Aufgabe der Forschung.

Welche Zweifel werden an Sie herangetragen?

Was darf ein Mensch? Wann beginnt Leben? Muss man alles wissen, was man wissen kann? Wie weit darf ich gehen? Wo hört überhaupt das auf, was der Mensch verstehen kann? Solche Fragen kann natürlich ein einzelner nie vollumfänglich beantworten. Al-lerdings muss man Möglichkeiten schaffen, darüber zu diskutieren und sich auszutauschen. An der Fakultät für Biowissenschaften,

mit Unterstützung der „Hanns-Martin Schleyer-Stifung“statt, das sich mit Fragen zur Bioethik beschäftigt. Des weiteren ver-anstaltet das Forum Naturwissenschaften-Philosophie-Theologie regelmäßig interdisziplinäre Ringvorlesungen.

Wenn Sie träumen dürften: Wo sollte der Profilbildende Forschungsbereich sich hinentwickeln?

Dass wir in Leipzig international zur Spitze gehören in diesem Bereich. Wir werden alles dafür tun, dass wir einen Excellenz-cluster bekommen, das Gleiche gilt für die Graduiertenschule. Initiativen für Forschungsverbünde gibt es ebenfalls, allerdings müssen wir hier auch in den nächsten Jahren konsequent arbei-ten. Mein Wunsch wäre natürlich, dass es nicht nur für diesen

die Universität als Ganzes noch erfolgreicher wird. Denn nur wenn die gesamte Universität stark ist, wird auch jeder einzelne Bereich stark sein.

Interview: Jana Schlütter

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O hne sie geht nichts in unserem Körper. Nicht einmal eine einzige Zelle kann auf sie verzichten. Ob jedoch zwei Proteine etwas miteinander anfangen können und

was durch ihre Verbindung geschieht, ist durch ihre jeweils ein-zigartige räumliche Struktur festgelegt. Eine Nachwuchsgruppe um Dr. Andrea Sinz analysiert mithilfe der Massenspektrometrie den Aufbau von Proteinen und ihr Zusammenspiel – und damit die Grundlagen des Lebens.

„Vielleicht ist das doch zu abstrakt?“ Dr. Andrea Sinz blickt ihren Besuch fragend an und scheint an der Wirkung eben jener Moleküle zu zweifeln, die sie gerade erklärt hat. Ihre Nachwuchs-gruppe an der Universität Leipzig hat heraus gefunden, wie sich das Protein Adenylatcyclase 8 an Calmodulin anlagern kann. Das Zusammenspiel der beiden Eiweiße ist möglicherweise wichtig für die menschliche Merkfähigkeit. Würde es einen Arzneistoff geben, der die Verbindung zwischen den beiden stärkt, könnte man unser Erinnerungsvermögen erweitern und möglicherweise sogar die Vergesslichkeit von Alzheimer-Patienten mildern. Dank eines Diplomanden von Dr. Sinz – Andreas Schmidt – weiß man zumindest, wo dieser Arzneistoff andocken müsste.

Andrea Sinz versucht derweil, der Merkfähigkeit ihres Besuchers mit Bildern auf die Sprünge zu helfen: Mit großzügigen Strichen malt sie ein Oval mit Delle in den Block. „Erst sieht das Calmodu-lin ungefähr so aus“, kommentiert sie die Zeichnung. „Aber wenn

es Calcium-Ionen bindet, wird es hantelförmig – so eine Helix mit zwei Schleifen an den Enden.“ Könnte das Protein kein Calcium binden und dann mit anderen Proteinen zusammenwirken, wären viele Signalwege des Körpers blockiert – die Muskeln könnten sich nicht zusammenziehen, Nervenreize würden ohne Wirkung verhallen. Alle Lebewesen verlassen sich seit Urzeiten darauf. Selbst Fadenwürmer und Bakterien.

Und bei den Lebewesen, die denken können, kommt die Ade-nylatcyclase 8 ins Spiel. Dass dieses Protein sich irgendwie an die winzige Hantel anlagern muss, war bekannt. Doch wie? „Es umschließt die Hantel in der Mitte“, sagt Sinz und ergänzt die Bilder-Folge um eine weitere Kugelschreiberzeichnung. „Wir konnten mithilfe der Massenspektrometrie und so genannten Cross-Linkern, also Quervernetzern, genau sagen, welche Ami-nosäure des Calmodulins sich an welche Aminosäure der Ade-nylatcyclase 8 anlagert. Wenn man diese Information hat, bleibt für die räumliche Struktur wohl nur eine Möglichkeit: Sie müssen sich umschließen.“

Sehen kann man das nicht. Die Interaktionen, von denen Sinz

muss man mit feinsten Analysenmethoden die räumliche Anord-nung der beteiligten Atome ermitteln – sonst würde ein Medika-ment vielleicht um den Proteinkomplex herumkreisen, aber rein gar nichts Nützliches bewirken. Oder sogar schaden.

Die feinen UnterschiedeJana Schlütter

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„Wir entwickeln Methoden, um das Leben zu verstehen und Krankheiten zu heilen“, sagt Sinz. Wenn man untersuche, welche Proteine in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt im Körper vor-handen sind, dann könne man Rückschlüsse ziehen, wie Krank-heiten entstehen und letztlich auch eingreifen. Vorausgesetzt man kann zusätzlich ihre dreidimensionale Struktur ermitteln. Große, komplexe Molekülverbindungen – wie sie überall im Körper vor-kommen – konnte man allerdings bisher nur schwer analysieren.

Seit sich die Massenspektrometrie verbessert hat, ist das anders: Selbst Riesenmoleküle wie die DNS oder Proteine kann man nun mit der Technik „abwiegen“ und bestimmen.

Etwa 20 solcher speziellen Massenspektrometer wie das an der Universtiät Leipzig gibt es in deutschen Laboren, fünf Gruppen wenden die Technik hierzulande für die Proteinanalytik an. Doch anders als sie können die Doktoranden und Diplomanden um Andrea Sinz nicht nur bestimmen, welches Protein vorliegt, sondern auch welche Wechselwirkungen es eingeht. Sie benutzen dazu eine Methode, die nur drei oder vier Forschergruppen auf der Welt anwenden: eine Kombination aus Massenspektrometrie und der Arbeit mit sogenannten Cross-Linkern, also Quervernetzern zwischen Proteinen.

Doch zunächst müssen die Proteine so gereinigt werden, dass sie überhaupt analysiert werden können. Nicht immer ein angeneh-mer Arbeitschritt, wie die Doktorandin Daniela Schultz leidvoll erfahren musste. Die Agraringenieurin untersucht Annexin – und musste das Protein aus Schweinedarm isolieren. Sie schabte die stinkende Schleimhaut der Därme im Schlachthof aus und reinigte die Eiweiße wochenlang durch verschiedene chromatographische Trennverfahren. Erst dann konnte die eigentliche Arbeit begin-nen. Etwas weniger abstoßend ist dagegen die Gewinnung von Calmodulin: Das Protein kann man besonders gut aus Rinderhirn isolieren.

Das Biotechnologisch-Biomedizinische Zentrum

Im Biotechnologisch-Biomedizinisches Zentrum (BBZ) ist die anwendungsorientierte Grundlagenforschung der Universität Leipzig zur molekularen Zellbiologie, bioorganischen Chemie, Biochemie, Bioanalytik und Bioinformatik gebündelt. Den Grundstein für dieses interdisziplinäre Ausbildungs- und Forschungsnetzwerk legten die 2001 eingerichteten Nachwuchsgruppen – eine davon die Gruppe um Dr. Andrea Sinz. Im Jahr 2003 richtete die Universität darüber hinaus sechs neue Professuren ein. Diese arbeiten über Fakultäts-grenzen hinweg in der BioCity Leipzig zusammen und entwickelten das BBZ gemeinsam zu einer anerkannten Technologieplattform. Der rasche Wissenstransfer in der BioCity zwischen Universität, außeruniversitären Forschungsinstituten und dort angesiedelten Firmen soll insbesondere wirtschaft-liche Anwendungen der Forschungsergebnisse fördern. In einem Fall hat das bereits funktioniert: Aus der Nachwuchsgruppe „Protein-Engineering“ von Dr. Thomas Greiner-Stöffele wurde die Biotechno-logie-Firma c-LEcta. Sie entwickelt neue Enzyme für die Industrie.

Struktur des Proteins Calmodulin. Die Aminosäuren, die mit Adenylatcyclase 8 interagieren, sind blau hervorgehoben.

Nachwuchsgruppe von Andrea Sinz (links)

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Die mühsam gewonnenen Proteine werden dann zusammen mit ihren potenziellen Bindungspartnern und den Quervernetzern in einer wässrigen Lösung aufgelöst, die die Verhältnisse im Körper möglichst naturgetreu simuliert. Dort, wo sich die Aminosäure-Sequenzen der beiden Proteine aneinander lagern, stellen die Quervernetzer eine stabile Verbindung her. „Das ist eine Art molekulares Lineal mit zwei reaktiven Seiten“, erklärt Sinz die Quervernetzer. „Sie können winzige Distanzen von ca. 0,6 bis zu 2,5 Nanometer überbrücken.“

Ob die angestrebte Reaktion schon stattgefunden hat, überprüfen Sinz und ihre Mitarbeiter anschließend im 15-Minuten-Takt mit Hilfe der Gel-Elektrophorese. „Wir entnehmen jeweils einen Teil und lassen die Lösung durch das porenartige Gel durchlaufen“, sagt Sinz. Die angelegte Spannung lasse die Proteine wandern. Und da große Proteinkomplexe dabei langsamer sind als kleine, könne man so abschätzen, ob das angestrebte Makromolekül bereits vorliegt und die Analyse weitergehen kann.

Das eben erst entstandene Makromolekül wird dann durch be-stimmte Enzyme an festgelegten Stellen wieder aufgespalten – bis nur noch Bruchstücke aus wenigen Aminosäuren, sogenannte Peptide, übrig sind. Diese werden weiterhin durch die Querver-netzer mit ihren Bindungspartnern zusammengehalten, lassen sich aber im Ionen-Cyclotron-Resonanz-Massenspektrometer besser analysieren.

Dieses spezielle massenspektrometische Verfahren erlaubt es den Forschern, selbst mit geringsten Probenmengen die Masse von Proteinen und Peptiden exakt zu bestimmen. „Wir können dann sagen: Das muss sich um dieses Bruchstück des Proteins xy handeln. Und kein anderes“, sagt Sinz. „Das geht mit anderen massenspektrometrischen Techniken fast gar nicht.“

Daher sei es auch gerechtfertigt, eine so teure und personell aufwändige Technik wie diese zu benutzen. Das Massenspektro-meter füllt fast einen gesamten Raum aus und sein supraleitender Magnet braucht ständig das Edelgas Helium. Ohne dieses Gerät jedoch ginge es nicht: Denn die Technik erhellt auch, wo sich die Bruchstücke miteinander vernetzt haben – und damit die beiden Proteine.

Für Sinz und ihre Nachwuchsforscher beginnt nach der Arbeit im Labor ein großes Puzzlespiel: Wie kann es sein, dass sich gerade diese beiden Bruchstücke miteinander verbinden? Was heißt das für die dreidimensionale Struktur des Proteinkomplexes? Und je größer der Proteinkomplex, desto schwieriger das Puzzle.

Die vielversprechende Methode hat Andrea Sinz aus den U.S.A. mitgebracht. Die promovierte Pharmazeutin arbeitete mehrere Jahre als Postdoc in den National Institutes of Health in Bethesda bei Washington, D. C. Dort hat sie mit anderen Forschern die Wechselwirkungen zwischen Muskelproteinen analysiert. „Das Zusammenspiel der Bestandteile im Skelettmuskel ist hochkom-plex und verlangte nach neuen analytischen Methoden“, sagt Sinz. Wie das chemische Cross-Linking. Diese Methode wurde zwar

schon in den Siebziger Jahren von Biochemikern entwickelt, doch die Kombination mit der Massenspektrometrie war neu.

Seit Oktober 2001 leitet sie nun die Nachwuchsgruppe der Uni-versität Leipzig im Biotechnologisch-Biomedizinischen Zentrum (BBZ) – und erhielt für ihre technischen Entwicklungen bereits 2004 einen Förderpreis der Deutschen Gesellschaft für Massen-spektrometrie. Für die Anwendung der Technik auf medizinische Fragestellungen folgte im März 2006 der Innovationspreis für Medizinisch-pharmazeutische Chemie von Gesellschaft deutscher Chemiker und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.

Ihr Wissen gibt sie an drei Doktoranden weiter: Christian Ihling, ein Biochemiker, der die massenspektrometrische Methodik verfeinert; die Agraringenieurin Daniela Schultz, die das Pro-tein Annexin analysiert und den Chemiker Stefan Kalkhof, der Laminin untersucht – ein Protein, das für das Grundgerüst des Gewebes und der Blutgefäße, die Basalmembran, von entschei-dender Bedeutung ist. Ein Diplomand, Mathias Müller, dagegen arbeitet an einem neuen Projekt, bei dem Arzneistoffe mit den Quervernetzern an ein Protein gebunden werden. „Das ist schon der nächste Schritt nach unseren Vorarbeiten“, sagt Sinz. Und einer, der besonders interessant für die Pharmaindustrie ist: Denn das betreffende Protein reguliert den Fettstoffwechsel. Weiß man, wo die entsprechenden Hemmstoffe binden, könnte

Systeme bearbeiten die Nachwuchsforscher so, zum Teil auch in Kooperationen mit anderen Gruppen.

Wie zum Beispiel im Falle von Laminin. Dieses Basalmembran-Protein ist wichtig, damit sich das Gefüge zwischen den Zellen bilden kann und sie zusammenhalten. Wie Arbeitsgruppen der englischen University of Southhampton und der Universität Köln mit Hilfe von Tierversuchen feststellten, sterben Mäuse schon im embryonalen Zustand, wenn dieses Protein fehlt. „Der Defekt ist so fatal, dass es dazu nicht einmal ein Krankheitsbild gibt“, erklärt Sinz. „Ohne dieses Eiweiß kann sich gar nicht erst ein lebensfähiger Organismus bilden.“ Umso wichtiger sei das Wissen um die Struktur des Proteins und wie es mit anderen Stoffen zusammenwirkt, um die Membran zu bilden. Bisher blieb dieses Wissen verborgen – das Protein ist so riesig, dass es mit herkömmlichen Mitteln nicht analysiert werden konnte.

„Das ist die Stärke unserer Methode: Sie funktioniert auch bei Proteinen, über die bisher fast nichts bekannt ist“, sagt Sinz. Manchmal müsse man eben Großes erst wieder in feine Teile zerlegen, um die Zusammenhänge zu erfassen. Oder gar die Grundlagen des Lebens zu verstehen.

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

D as Projekt „Tumorgenese“ beschäftigt sich mit Fragen der Tumor-Entstehung -Invasion und -Metastasierung. Es ist das Ziel, zum Verständnis der Tumorgenese aus system-

biologischer Sicht beizutragen, indem genetische, metabolische- und zellbiologische Aspekte in theoretische Modelle integriert

-zieren, um Krankheitsentitäten gegeneinander abzugrenzen und

Die systembiologische Modellierung ist eine moderne Strategie, um zellbiologische Prozesse wie die Selbstorganisation von Ge-weben und somit auch die Tumorgenese zu verstehen. Dabei wird das Verhalten von Zellen, deren Teilung und Bewegung, deren Interaktionen im Zellverbund sowie intrazelluläre Regulations-mechanismen, im Rahmen von Computermodellen simuliert, d. h. nach mathematischen Regeln „nachgespielt“. Die Rechnungen liefern Vorhersagen für das Wachstum und die Morphologie von Zellverbänden, wie etwa invasiv wachsenden Tumoren. Sie erlau-ben es somit, neue Experimente gezielt zu planen. Ein Vergleich der theoretischen Vorhersagen mit experimentellen Ergebnissen und klinischen Befunden ermöglicht die Verbesserung der Vor-hersagekraft des Modells durch iterative Adaption der Modellei-genschaften an reales Verhalten.Die enge Anlehnung an das Experiment erfordert die parallele Entwicklung und Anwendung von Methoden der Messwertbe-

genomische Mikroarraytechniken zur Aufklärung zellulärer Regulationsmechanismen die Modellrechnungen. Ein Teil der benötigten Daten entstammt dabei umfangreichen, medizinischen Verbundprojekten, die molekulare mit klinischen Befunden ver-knüpfen. Zusätzlich werden im Rahmen des Projektes informati-sche Verfahren der mikroskopischen Bildanalyse von Zellen und Geweben entwickelt. Sie ermöglichen die quantitative Analyse von Prozessen der räumlichen Tumororganisation.

Genregulation und Tumorgenese

Microarrays wurde in den vergangenen Jahren erfolgreich in der onkologischen Forschung eingesetzt. Insbesondere bei der

Krankheits-Subtypen, aber auch bei der Tumorprognose hat sich diese Technik als viel versprechend erwiesen. Untersuchungen dieser Art interpretieren abstrakte Gen-Expressionmuster z. B. Hilfe von Cluster-Analysen, wobei die Funktion der regulierten Gene nicht im Vordergrund steht. Darüber hinaus geben mRNA-

Expressionsmuster unter Berücksichtig der Funktionen bekannter Gene tiefere Einblicke in den (patho)physiologischen und meta-bolischen Zustand einer Zelle bzw. eines Gewebes. Allgemein besteht das Ziel darin, neue Erkenntnisse über die regulatorische Architektur von Zellen zu gewinnen.

So wurde ein spezielles Verfahren entwickelt, um in pathologi-schen Situationen veränderte metabolische Prozesse zu identi-

werden Expressionsmuster statistisch daraufhin untersucht, ob sich im pathologischen Zustand eine besondere Anreicherung differentiell exprimierter Gene im Vergleich zur Kontrollsitua-tion zeigt. Für diese Analysen werden Datenbanken wie „Gene Ontology“ verwendet, die die Genfunktion in ihrer Beziehung zu verschiedenen metabolischen oder regulatorischen Wegen, Zellkompartimenten oder anderen Kriterien beschreiben. Die

-didatengenen bei Diabetes eingesetzt.Im Kontext der Tumorgenese wenden wir diese Strategie an, um aus Expressionsdaten Informationen über die regulatori-sche Situation in Tumorzellen in den verschiedenen Phasen der Tumorgenese zu generieren. Ein Problem bei der Anwendung des Gene-Set-Enrichment-Verfahrens auf die Analyse der Ak-tivitäten zellulärer Signalwege bestand bisher darin, dass die Aktivität eines Signalwegs nicht durch eine hohe Expression der Gene gekennzeichnet ist, die für seine Komponenten kodieren, sondern durch die differenzielle Expression solcher Gene, die er steuert. Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren am IZBI eine Methode entwickelt, um Gene, die mit der Aktivität

werden zunächst Zielgene einer Kaskade durch Microarray-

dann anhand der Tumorproben großer Datenbestände überprüft und gegebenenfalls durch weitere Gene ergänzt. Auf diese Weise

diagnostische Charakteristika der Aktivität von Signalwegen in Tumorgeweben darstellen.So konnten z. B. Hinweise auf pathologisch veränderte Signal-wege bei der Knotenbildung im Schilddrüsengewebe gewonnen sowie mit der Aktivität des Tumorsuppressors p53 korrelierende

wurden Methoden der verfeinerten Analyse von Genexpressions-arrays entwickelt, die es gestatten, (mittels einer physikalisch mo-tivierten Korrektur der Oligonukleotidbindung) eine wesentlich bessere Signaldetektion zu erreichen.

Tumorgenese

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Abbildung 1: a) „Stapelbild“: Ausschnitts eines komplett registrier-ten Karzinoms des Gebärmutterhalses. Aufeinan-derfolgende Gewebsschnitte wurden alternierend gefärbt (HE bzw. immunhistochemisch mit einem Antikörper). b) „Jalousiebild“: Virtuelle Schnittebene durch den dreidimensional-rekonstruierten Serienschnitt als ein Beispiel für interaktive Navigationsmöglichkeiten durch den Volumendatensatz. Durch Neigung der Ebene um 1° werden je vier Bilder realer histologi-scher Schnitte durchlaufen. Man erkennt den Tumor abwechselnd als gesättigt violette (HE) und als braune (p16) Strukturen, die sich über die aufeinander folgenden Schnitte hinweg kontinuierlich fortsetzen, was die erreichte hervorragende Rekonstruktionsgüte illustriert.In das Verfahren lassen sich ebenso z. B. gefäßspezi-fi sche Färbungen einbeziehen, womit zugleich Tumo-rinvasion und Vaskularisierung in ihren wechselseiti-gen räumlichen Bezügen analysiert werden können.

Am IZBI werden innovative Verfahren der digitalen Bildverar-beitung für morphometrische Analysen an Gewebspräparaten und an Zell- und Gewebekulturen entwickelt. Diese Verfahren ermöglichen die Aufklärung der räumlichen Tumorinvasion mit

bis zu 500 histologischen Einzelschnitten entwickelt, um Tumore räumlich zu rekonstruieren.Anhand der Rekonstruktionen von Ausschnitten der Tumorinva-sionsfront konnte gezeigt werden, dass die Ausbreitung des Ge-bärmutterhalskarzinoms „per continuitatem“ erfolgt. Anders als

Abbildung 2: Computer-Modell eines invasiv wachsenden Tumors. Der Tumor (blau/gelb) breitet sich in einem mehr-komponentigen Stroma (hell/dunkel rot) infolge von proteolytischem Stromaabbau und Proliferation aus. Aktivierte Tumorzellen an der Invasionsfront (gelb) unterscheiden sich von Tumorzellen im Kern (blau) durch aktivierte gerichtete Zellbewegung. A) Bewegung in Richtung auf das proteolytische Tar-get (hellrote Zellen) B) Ablösung von Tumorzellnachbarn. In beiden Fällen akkumulieren die proteolytisch nicht abbaubaren Stroma-Komponenten (dunkelrot) an der Front. Die unterschiedliche Regulation der Zellbewegung resul-tiert jedoch in einer sehr unterschiedlichen Morpholo-gie des Tumors.

a

b

b

a

Morphometrie von TumorenErgänzend zu den genetischen Studien bedarf es der morpho-logischen Charakterisierung der Tumore. Derzeit vollzieht sich eine technologische Revolution in der Mikroskopie mit der Ent-

z. B in der akustischen Mikroskopie, der Infrarotmikroskopie, oder der Multiphotonen-Fluoreszenzmikroskopie. Damit wird es möglich, zu einer Gewebeprobe verschiedene Bildmodalitä-ten mit komplementärem Informationsgehalt zu gewinnen. Die vergleichende Analyse der Daten stellt große Anforderungen an die Bildverarbeitung.

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

Das Interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik

Vor fünf Jahren wurde an der Leipziger Universität das Interdisziplinäre Zentrum für Bioinformatik (IZBI) unter Beteiligung der Leipziger Max-Planck-Institute gegründet. Wissenschaftlicher Direktor ist Prof. Dr. Markus Löffler. Durch die Arbeit des IZBI wurde ein bioinformatisches Forschungsprofil sowie das Curricu-lum Bioinformatik an der Universität Leipzig etabliert.Thematisch konzentriert sich das IZBI auf zwei For-schungsgebiete:

1. Auf dem Gebiet der genetischen Evolution wer-den Projekte verfolgt, um die genetische Vielfalt und die ihr zu Grunde liegenden evolutionären Beziehungen zwischen den Arten zu analysieren. Die Arbeiten beinhalten die Entwicklung von Me-thoden für vergleichende Genomanalysen und von Modellen, die die Wechselbeziehung zwischen Umwelt und genomischer Evolution beschreiben. Die Ergebnisse liefern darüber hinaus Erkenntnisse über die Funktion ausgewählter Gene bei zellu-lären Regulationsprozessen.

2. Auf dem Gebiet der Gewebsorganisation werden am IZBI Genotyp-Phänotyp Wechselbeziehung bei der Gewebsbildung und –funktion untersucht. Dabei interessieren Mechanismen der räumlichen Gewebsorganisation, die Architektur von Signal-transduktions- und Genregulationsnetzwerken und die Analyse von hochdimensionalen genomischen und molekularen Daten von normalen und patho-genen Geweben. Entsprechend werden Verfahren der mikroskopischen Bildgebung, Computersimula-tionen der Gewebsorganisation, sowie statistische Methoden des Data Minings angewendet.

bisher anhand von einzelnen Gewebeschnitten vermutet, konnten keine makroskopischen vom Tumormassiv abgelösten Tumorin-

Beschreibung der Invasionsmuster wurde die Kompaktheit des segmentierten Tumormassivs bestimmt. Damit konnten erstmals eine reproduzierbare Methode vorgestellt werden, die dieses wichtige morphologische Merkmal erfasst.Die Arbeiten werden in zwei Hauptrichtungen fortgeführt. Zum einen werden weitere Tumorentitäten einbezogen. Zum anderen untersuchen wir, inwieweit die 3D-rekonstruktions-basierte Beschreibunge der Tumorinvasion grundsätzlich auch aus automatisch segmentierten histologischen Einzelschnitten zu gewinnen ist.

Multimodale Charakterisierung von Tumorerkran-kungen Die in der Regel von mehreren experimentellen Partnern und zum Teil im Rahmen von großen Forschungsverbünden erho-benen Daten bedürfen des Managements und der konzertierten Auswertung, für die das IZBI geeignete technologische Plattfor-men (Datenbanken mit integrierten Analyseprogrammen und -algorithmen) entwickelt und zur Verfügung stellt. Die hochdi-mensionale Struktur der Daten erfordert darüber hinaus die An-

das biologische Problem, z. B. bei der genomischen Regulation, adäquat abbilden.Diese Aufgaben sind mit herkömmlichen Software-Werkzeugen nicht durchführbar. Die am IZBI Leipzig entwickelten Lösungen zur Speicherung von Microarray-Datensätzen in einem Data Warehouse sowie die Entwicklung von statistischen Methoden zu deren Analyse sind Antworten auf diese neuen Herausfor-derungen. Für die Integration aller Daten wurde ein Konzept gewählt, bei dem die niedrigdimensionalen klinischen Daten auf herkömmliche Weise in einer Studiendatenbank erfasst werden, während Microarray-Daten im Data Warehouse verwaltet werden. Über eine Kopplung der Datenbanken können alle Daten zusam-

analysiert werden.

Computermodelle der TumorgeneseDie Selbstorganisation von Geweben und somit auch von Tumo-ren ist, wie bereits dargelegt, das Resultat räumlich und zeitlich koordinierter Zellteilung, Zellmigration, Zelldifferenzierung und programmierten Zelltodes und basiert auf komplexen zellulären Wechselwirkungen und Regulationsmechanismen. Ziel einer computergestützten, systembiologischen Modellierung der verschiedenen Phasen der Tumorgenese unter Einbeziehung aller erhobenen Parameter ist das Verständnis grundlegender Organisationsprinzipien. Hierzu entwickeln wir zunächst detail-lierte, Einzelzell-basierte, dreidimensionale Computermodelle wachsender Zellpopulationen mit einigen tausend Zellen. Diese Modelle berücksichtigen zelluläre Wachstumsregulations- und Kontrollmechanismen, die selektiv ein- und ausgeschaltet werden können. Sie ermöglichen somit das Studium der Selbstorgani-sation sowohl intakter Gewebe als auch von Tumorgeweben.

Die Modellzellen sind durch mehrere experimentell zugängige Parameter charakterisiert, deren Variation eine Anpassung des Modells an das jeweils betrachtete Gewebe ermöglicht. Wir fokussieren auf wesentliche allgemeine Aspekte der Gewebsor-ganisation und generieren räumliche Tumormodelle mit einigen Millionen Zellen, die die makroskopische Organisation der Tumore widerspiegeln.Standen bislang vor allem in vitro Systeme, z. B. Tumorsphäroide, im Vordergrund der Untersuchungen, so beschäftigen wir uns zunehmend mit klinisch relevanten Fragestellungen in komplexe-ren Systemen, wie etwa mit Invasionsstrategien des kolorektalen Karzinoms. Einen Schwerpunkt bilden dabei Untersuchungen zur Tumor-Stroma Wechselwirkung und damit verbundenen Regulationsmechanismen in den Tumorzellen.

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E ine Forschgruppe aus dem RegMedNet will mit adulten Stammzellen Schlaganfall-Patienten helfen. Doch zunächst wird die neue Therapie an Schafen getestet.

Das Szenario wiederholt sich täglich irgendwo in Deutschland: Mitten in der Nacht löst sich ein Blutgerinnsel aus einem Blutge-fäß eines älteren Menschen, kreist durch den Körper und bleibt plötzlich in einer Hirnarterie hängen. Ein schwerer Schlaganfall. „Die älteren Herrschaften wachen dann auf, wollen zur Toilette und merken, dass irgendetwas nicht stimmt“, sagt Johannes Boltze, Humanmediziner am Institut für Klinische Immunologie und Transfusionsmedizin der Universität Leipzig. Doch statt den Notarzt zu alarmieren, legen sie sich wieder schlafen – und am nächsten Tag ist es für die derzeit einzig effektive Behandlung bereits zu spät. Die Thrombolyse, ein Verfahren, welches das

vier Stunden sicher einsetzbar.

Allein in Deutschland erleiden etwa 250.000 Patienten einen

Die Patienten sind halbseitig gelähmt, können sich nur schwer ihrer Umwelt mitteilen, sie erblinden oder ändern gar ihre ganze Persönlichkeit – je nachdem, in welcher Hirnregion das Nerven-

gewebe von der Blutversorgung abgeschnitten wurde und wie viele Zellen abgestorben sind.

Derart gravierend müssen die Folgen eines Schlaganfalls nicht sein, meinen Leipziger Forscher um Johannes Boltze. Adulte Stammzellen aus Knochenmark oder Nabelschnurblut könnten Patienten bis mindestens 72 Stunden nach dem Schlaganfall hel-fen, vielleicht auch künftig ein fast normales Leben zu führen. Das konnten sie durch Versuche an Ratten zeigen. Im Moment testen sie die neue Therapie an Schafen – mit „ersten, ermutigen-den Ergebnissen“.

Auch wenn es ihnen die Vierbeiner manchmal nicht leicht ma-chen. Der Test, ob die tierischen Patienten dank der Stammzellen nach einem Schlaganfall wieder ganz auf der Höhe sind, kann leicht zur Geduldsprobe werden. So ein Schaf ist einfach nicht dazu geschaffen, Kunststücke zu erlernen. Und dann möglichst noch auf Abruf vorzuführen, wenn die Therapie erfolgreich war. Nicht, dass es dafür zu dumm wäre. „Nur zu stur“, sagt Johan-nes Boltze lächelnd. Als Wildtier der Steppe geht es freiwillig höchstens von einem Grasbüschel zum nächsten – alles andere bedeutet Gefahr. Wer sich bewegt, wird gesehen, und wer gesehen wird, wird gefressen.

Stammzellen für SturköpfeJana Schlütter

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Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

„Ratten sind da anders“, fügt er hinzu und zeigt zur Demonstration einen kleinen Film. Ein kleines Popcornstück als Anreiz genügte – und schon balancierten sie nach einer gewissen Trainingszeit über

Sprossenwände. Das Erstaunliche: Sie konnten das alles auch nach einem Schlaganfall. Als sei nie etwas gewesen.

Dabei waren ihre Artgenossen, die nicht mit Stammzellen be-

Folgen dieser Krankheit kämpft. Kaum ein paar Schritte konnten sie sich auf dem aufgestellten Stab halten, dann rutschten ihnen die Hinterpfoten weg. Kurz darauf versuchten sie nur noch, sich mit den Vorderpfoten an dem Stab festklammern, um nicht abzu-stürzen. Kraftlos baumelten sie hin und her. Auf einem Laufrad konnten sie sich erst recht nicht halten. Und auf der Sprossenwand drifteten sie stets nach einer Seite ab, statt den direkten Weg nach oben zu wählen.

Warum aber funktionierte die Stammzelltherapie? Als Johannes Boltze und seine Kollegen aus dem RegMedNet, dem Netzwerk für Regenerative Medizin an der Universität Leipzig, mit ihrer Forschung begannen, dachten sie, die Stammzellen würden nur helfen, indem sie abgestorbene Nervenzellen ersetzen. Ein Trugschluss, wie die Praxis bald zeigte. Die Therapie wirkte zu schnell, als dass sich in dieser Zeit neue, funktionstüchtige Nervenzellen bilden könnten. Obwohl sie prinzipiell neue Ner-ven generieren können, scheinen die Stammzellen vielmehr die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren.

Einen ersten Hinweis darauf lieferte die Biologin Doreen Reich. Aus den Zellen eines Tumors des Nervensystems züchtete sie neuronale Netzwerke, denen sie anschließend im Brutschrank den Sauerstoff entzog – ein künstlicher Schlaganfall, bei dem ein Teil der Nervenzellen sofort starb, der andere Teil in den nächsten drei Tagen nach und nach unterging. „Die sterbenden Nerven setzen Substanzen frei, die in anderen Zellen den programmierten Zelltod, die Apoptose, auslösen“, erklärt Boltze den Verlauf. So wird unter anderem auch beim Menschen der vom Schlaganfall betroffene Teil des Gehirns nach und nach größer. Immer mehr Nervenzellen gehen zugrunde.

Jedoch nicht ohne um Hilfe zu rufen. Gab Reich adulte Stammzel-len hinzu, wurden diese von den Nervenzellen in Not regelrecht angelockt, lagerten sich dort an und bewahrten bis zu 80 Prozent der Zellen vor dem sicheren Untergang. Vielleicht ersetzen sie Stoffwechselfunktionen, die die Nervenzellen allein nicht mehr leisten können.

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Boltze und seine Kollegen in ihren Versuchen mit weit über 300 männlichen, spontan hyper-tensiven Ratten. Diese Tiere entsprechen durch einen Gendefekt dem menschlichen Risikoprofil für Schlaganfälle: Sie leiden unter Bluthochdruck, haben erhöhte Blutfettwerte und ihre Ge-fäße sind ähnlich geschädigt wie bei Menschen mit erhöhtem Schlaganfallrisiko.

Nachdem die Ratten drei Wochen Kunststücke gelernt hatten, arbeiteten sich die Forscher in einer Operation mit Mikroskop und Minibohrer zur mittleren Hirnarterie vor und verschlossen sie dauerhaft. Das Ergebnis konnten sie im Magnetresonanzto-mographen (MRT) nachprüfen: Alle Ratten erlitten vergleichbare Schlaganfälle, die denen im Menschen sehr nahe kamen.

Anders als im Reagenzglas kann der Schlaganfall in lebenden Or-ganismen jedoch nicht unendlich viele weitere Zellen schädigen. So genannte Astrozyten, Hilfszellen, denen Sauerstoffmangel nicht so viel ausmacht, bauen zuvor ein dickes Bollwerk um den Kern des Schlaganfalles. Sie mauern ihn innerhalb der ersten Tage regelrecht ein – gewissermaßen eine Narbe im Gehirn. Diese Hirnnarbe hat jedoch einen entscheidenden Nachteil. Auch wenn sie das noch gesunde Hirngewebe schützen kann, erschwert sie letztlich unter anderem die strukturelle Umorganisation, die erforderlich ist, um verlorene Funktionen zu ersetzen .

In den ersten 72 Stunden jedoch können die Stammzellen helfen. In eine periphere Vene gespritzt eilen sie geradewegs dorthin, wo sie am dringendsten gebraucht werden: zu den Nervenzellen im Halbschatten um den Schlaganfall (Penumbra) und entfalten dort eine noch genauer zu erforschende Wirkung. An der äußeren Grenze der Penumbra bildet normalerweise die Hirnnarbe aus. Mit den Stammzellen entsteht jedoch statt einer dicken Mauer um den eigentlichen Schlaganfall nur ein schmaler Saum. Dies ist möglicherweise ein erster Hinweis auf das zugrunde liegende Wirkprinzip.

Regenerative Medicine Network (RegMedNet), Leipzig-Halle

Mit der Gründung des RegMedNet im Jahre 2003 kam es zu einem Zusammenschluss mehrerer For-schungseinrichtungen und Institutionen der Städte Leipzig und Halle. Dabei wurde ein interdisziplinäres Netzwerk verschiedener Arbeitsgruppen aufgebaut, die sich alle mit der Regenerativen Medizin beschäf-tigen. Es entstand eine breite wissenschaftliche Platt-form von Forschern aus der Medizin, Chemie, Physik, den Material- und Biowissenschaften, Veterinärmedi-zin aber auch aus der Bioinformatik, Ethik und den Rechtswissenschaften.Ziel der Regenerativen Medizin ist die Wiederherstel-lung von zerstörten Zellen, Geweben oder Organen. Dies kann zum einen durch die Stimulation von körpereigenen Regenerations- und Reparaturprozes-sen geschehen, zum anderen kommen aber auch künstliche Materialien sowie außerhalb des Körpers gezüchtete Zellen zum Einsatz. Hierbei spielen besonders Stammzellen eine große Rolle. Weitere Informationen unter: http://www.regmednet.uni-leipzig.de

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Während Ratten ohne die neue Therapie 14 Tage nach Schlag-

behandelten Ratten kaum von Gesunden unterscheiden. Die kleinen Restschäden, die sie davontrugen, kann das Hirn mühelos ausgleichen. „Es organisiert sich um“, erläutert Boltze. „Offen-sichtlich unterstützen die Stammzellen dabei.“ Nach 30 Tagen war der Schlaganfall auch im MRT deutlich stärker zurückgegangen als in unbehandelten Tieren.

Trotz dieser positiven Ergebnisse wollten die Forscher jedoch nicht gleich mit klinischen Versuchen am Menschen beginnen. „Schließlich haben Ratten kein besonders hoch entwickeltes Gehirn und sie sind in ihren Verhaltensmustern relativ simpel gestrickt“, sagt Boltze. Und auch diagnostische Methoden wie die Untersuchung im MRT sind bei den kleinen Tieren mitunter problematisch.

Ein Großtiermodell musste her. Ziegen wären gut gewesen, doch ihre Hörner sind so hart, dass die Operation extrem erschwert wäre, sagt Boltze. Primatenexperimente lehnt er aus ethischen Gründen ab. „Wale oder Elefanten wären theoretisch perfekt“, fügt er mit einem Lächeln hinzu. In Zusammenarbeit mit den Veterinärmedizinern sind die Stammzellforscher schließlich auf

die Schafe gekommen. Und entwickelten auf einem Versuchs-gut der Universität Leipzig das weltweit erste Schafmodell für Schlaganfälle.

Begeistert zählt Boltze die Vorteile des Modells auf: Wie Menschen -

che, Stammzellen aus Knochenmark und Nabelschnurblut können relativ leicht gewonnen werden und die Tiere sind groß genug, dass es die Bilder des klinischen MRT exzellente Qualität haben. Außerdem seien die Experimente für Schafe nicht so belastend wie für andere Tierarten. Aufgrund ihres Hirnaufbaus sind beide Körperhälften etwa gleich stark vom Schlaganfall betroffen, sie können auch nach der Operation noch relativ normal weiterleben – auch wenn sie manchmal etwas im Kreis wandern.

Der Nachteil: Sie haben nur wenig Interesse daran, mit ihren menschlichen Untersuchern zu kooperieren. „Da muss man bei den Tests genauer hinschauen und sich etwas einfallen lassen“, gibt Boltze zu. Per Videoüberwachung sollen die Ställe bald stän-dig kontrolliert werden: Sind sie wackelig auf den Beinen? Gehen

Zielbewegungen testen. „Schafe sind überhaupt nicht dumm, sie können unter anderem sehr viele Gesichter, auch menschliche, unterscheiden“, sagt er. „Aber sie sind willensstark und lassen sich auch über Neugier kaum motivieren.“

Die größere Herausforderung für die Forscher war jedoch die Anatomie der Schafschädel. „Wir mussten die anatomischen Verhältnisse erst genau studieren, eine Nutztierneurologie gibt es im großen Maßstab nicht“, erläutert Boltze. Bald stellten sie fest, dass sie nicht einfach einen Katheder in ein Hirngefäß einführen konnten, um einen Schlaganfall zu provozieren. „Und bei der Operation haben wir nun sogar noch weniger Platz als bei den Ratten.“ Beispiels weise sei der Unterkieferfortsatz sehr groß und liegt genau im Operationsfeld. Der einzige Weg da durch ist ein 5 mm Millimeter großer Tunnel.

Doch die Mühe scheint sich zu lohnen. Auch bei den Schafen konnten Boltze und seine Kollegen bereits erste Hinweise sam-meln, dass die neue Therapie die Schlaganfallfolgen deutlich lindert. In etwa fünf Jahren könnten klinische Tests am Menschen beginnen.

„Das ist noch ein weiter Weg und solche experimentellen Thera-pien können am Menschen immer noch scheitern“, sagt Boltze. „Aber vielleicht haben wir hier ja einen Weg gefunden, wie man

-digeres Leben trotz des Schlaganfalls ermöglichen kann.“

Darstellung der Umgebung eines Schlaganfalls im Gewebeschnitt:Blau – NervenzellkerneRot – GefäßeGrün – Astrozyten („Nervenhilfszellen“)

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E inzellige Organismen müssen in der Lage sein, auf Ver-änderungen in ihrer Umwelt zu reagieren. Mittels ver-schiedener Signalwege können sie Informationen aus der

Umwelt aufnehmen, in die Zelle weiterleiten und dort verarbeiten. Im Laufe der Entwicklung vom vielzelligen Organismen bis hin zum Menschen wuchs die Notwendigkeit komplexerer kommu-nikativer und regulatorischer Systeme, um die Aktivitäten der einzelnen Gewebe und Organe aufeinander abzustimmen und den Bedürfnissen des Organismus anzupassen. Eine wichtige Grundlage dieser Systeme ist das Vorhandensein

lokalisierter Empfängermoleküle (Rezeptoren), die über eine Wechselwirkung mit Signalmolekülen einen intrazellulären bio-chemischen Effekt auslösen. Eine Hauptgruppe der chemischen Botenstoffe sind Hormone. Eines dieser Hormone ist das Neuropeptid Y (NPY). Es wird im Gehirn gebildet und bindet an eine Reihe von Rezeptoren, die der großen Klasse der G-Protein gekoppelten Rezeptoren angehören

(weil sie ihr Signal über ein sogenanntes G-Protein in der Zelle weiterleiten). Die Bindung an diese Rezeptoren, von denen im Menschen bisher 4 Subtypen nachgewiesen werden konnten, wird mit unterschiedlichsten Effekten in Verbindung gebracht, u. a. Re-gulation der Nahrungsaufnahme und Magen-Darm-Funktionen, Diabetes, Epilepsie und Angstminderung. Bei dieser Vielfalt der Effekte ist es nicht verwunderlich, dass Fehlfunktionen in der NPY-Bildung, -Reifung, und -Bindung an den Rezeptor und der Signalweiterleitung zu diversen Krankheitsbildern führen kann, wie zum Beispiel krankhafter Fettleibigkeit. Um solche Fehl-funktionen behandeln zu können, ist die Kenntnis der genauen molekularen Mechanismen vonnöten, die der Bildung, Reifung und Wirkung von NPY zugrunde liegen. Ein Beleg dafür, wie wichtig das Verständnis dieser Mechanismen für die Medizin ist, ist die Tatsache, dass ein Großteil der heute verfügbaren ver-

G-Protein gekoppelte Rezeptoren entfalten.NPY wird zunächst als inaktives Vorläufermolekül gebildet und

Protein-Zustände mit zellbiologischer und medizinischer RelevanzJan Stichel

Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik

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anschließend durch ein weiteres Protein, die Prohormoncon-vertase 1, in seine aktive Form überführt. Eine wichtige Rolle in diesem Schritt bildet eine Schleife (Loop) im NPY, die maß-geblich an der Erkennung durch die Prohormonconvertase und in der nachfolgenden Reaktion beteiligt ist. Hier untersuchen wir, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit diese Aktivierung funktioniert. Dazu haben wir zusammen mit ande-ren Arbeitsgruppen des SFB 610 versucht, die dreidimensionale Struktur von NPY und dessen Vorläufer zu bestimmen. Aus den gewonnenen Daten konnte eine Strukturvorhersage erstellt wer-den. Zusätzliche Untersuchungen sollen nun genauere Ergebnisse liefern, welche Bausteine im Bereich der beschriebenen Schleife für die Aktivierung des Hormons verantwortlich sind und ob eine übergeordnete räumliche Struktur notwendig ist.Aber nicht nur im Hormon selbst sind Schleifen wichtig für dessen Eigenschaften, auch die Funktion des Rezeptors wird entscheidend von solchen Strukturen bestimmt. Allgemein be-stimmen diese Loops, von denen drei im Zellinneren und drei

wie z. B. die räumliche Struktur des Rezeptors, die Bindung des Hormons, die Signalweiterleitung ins Innere der Zelle und auch das Einschleusen des Rezeptors mit gebundenem Hormon in die Zelle. Aus diesem Grund stellen diese Loops auch einen Schwer-punkt unserer Forschung dar.Wir arbeiten dabei im Rahmen des SFB 610 mit verschiedenen Arbeitsansätzen: Einerseits tauschen wir komplette Loops und größere Segmente eines Rezeptorsubtyps gegen die entspre-chenden Bereiche anderer Subtypen aus, um Informationen über

erhalten. Auf der anderen Seite tauschen wir einzelne Bausteine dieser Loops aus, um genauere Informationen über Wechselwir-kungen mit dem Hormon oder anderen Bereichen des Rezeptors

zu erhalten. Zudem können wir nicht nur die Bindung des NPY an diese Rezeptormutanten messen, sondern auch deren Fähigkeit zur Signalweiterleitung überprüfen. Mit Hilfe dieser Methoden ist es uns gelungen, einzelne Wechselwirkungen zwischen Rezep-tor und Hormon aufzuklären und diejenigen Aminosäuren des

Protein-Protein-Komplex aus hY5-Rezeptormodell und Neuropeptid YNeuropeptid Y (grün) bindet im Docking an das Rezeptormodell (rot) im Bereich der extrazellulären Loops.Aus dem Komplex lassen sich mögliche Rezeptor-Ligand-Interaktionsstellen identifizieren.

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Sonderforschungsbereich 610

Der Sonderforschungsbereich 610 (SFB 610) ist ein Exzellenznetzwerk bestehend aus Wis-senschaftlern der Universitäten Leipzig und Halle sowie der Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung. Er wird seit 2002 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und erhielt 2005 nach positiver Begut-achtung die Weiterfinanzierung bis 2008. Die Untersuchung von Proteinzuständen und deren Auswirkung auf biologische und medizinische Prozesse ist Schwerpunkt des SFB 610. Bei vielen zellulären Prozessen kommt es zu einer Änderung des Proteinzustandes, das bedeutet das Protein ändert seinen Faltungszustand oder seine Kon-formation. Es können aber auch Modifizierungen oder Dimer- und Oligomerisierungen eintreten. Ein großer Bereich der Projekte des SFBs befasst sich mit diesen Änderungen von Proteinzuständen. Weitere Projekte beschäftigen sich mit der Frage, wie solche Zustände durch die Wechselwirkung von Liganden, Antikörpern und Aptameren beein-flusst werden können und welche Bedeutung die Proteinzustände für Krankheiten haben.

die miteinander interagieren. Erstaunlicherweise variieren diese Bindungspartner im NPY je nachdem, an welchen Rezeptorsubtyp es bindet. Dies lässt vermuten, dass verschiedene Subtypen unter-schiedlich stark verwandt sind. Ebenfalls können so auch kleine Unterschiede im Bindungsverhalten zwischen den verschiedenen Rezeptorsubtypen erklärt werden, die wiederum eine von mehre-ren Grundlagen für die vielen verschiedenen beobachteten Effekte der Rezeptoren sind. Der Austausch größerer Fragmente bis hin zu kompletten Loops gibt uns ebenfalls Hinweise darauf, welche weiteren Bausteine für die Interaktion zwischen Rezeptor und Hormon entscheidend sind und wo die Unterschiede in Bindung und Signalweiterleitung zwi-schen den Rezeptorsubtypen begründet liegt. Hier konnten bisher unterschiedliche Bereiche gefunden werden, deren Austausch die Eigenschaften des Rezeptor nicht verändert, aber auch solche, die nach einem Austausch die Rezeptorfunktion vollständig stören oder sogar das Bindungsverhalten von einem Subtyp zum anderen verschieben. Nach genauerer Betrachtung des ausgetauschten Be-reiches können wir vermuten, dass hier ebenfalls nur ein einzelner Baustein für diesen Effekt verantwortlich ist.Die nach unserer Forschung gewonnenen Ergebnisse können uns helfen, in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern im Sonderforschungsbereich neue und genauere Modelle der Rezeptoren am Computer zu erstellen und so die Struktur, die molekularen Eigenschaften und grundlegende Mechanismen der Bindung des Hormons und der Signalweiterleitung durch den Re-zeptor zu verstehen. Diese Modelle können weiter als Grundlage für die Entwicklung von speziellen Wirkstoffen dienen, die zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden können, die mit Fehlfunktionen in diesem Rezeptor-Hormon-System vor allem im Bereich der Nahrungsaufnahme in Verbindung stehen.

Molekulare und zelluläre Kommunikation: Biotechnologie, Bioinformatik und Biomedizin in Therapie und Diagnostik