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Schwerpunkt: Chronisch-entzündliche Lebererkrankungen Internist 2018 · 59:560–566 https://doi.org/10.1007/s00108-018-0431-4 Online publiziert: 16. Mai 2018 © Der/die Autor(en) 2018 Redaktion M.P. Manns, Hannover T. Herta 1 · J. Verheij 2 · U. Beuers 1 1 Department of Gastroenterology and Hepatology and Tytgat Institute for Liver and Intestinal Research, Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande 2 Department of Pathology, Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande IgG4-assoziierte Cholangitis – klinische Präsentation eines lange übersehenen Krankheitsbildes Die Immunglobulin-G4-assoziierte Cho- langitis (IAC) ist eine autoimmun ver- mittelte entzündliche Erkrankung der Gallenwege, die durch typische histopa- thologische Veränderungen und einen häufig erhöhten IgG4-Plasmaspiegel gekennzeichnet ist [1]. Als histopatholo- gische Veränderungen finden sich eine Infiltration der Gallengangswand mit IgG4 + -B-Lymphozyten und -Plasma- zellen, eine obliterative Phlebitis sowie eine wagenradähnliche storiforme Fi- brose. Die IAC kann mit der Bildung tumorähnlicher Raumforderungen insbesondere im Hilusbereich – sowie mit Strikturen im Verlauf der Gallenwe- ge einhergehen und stellt eine wichtige Differenzialdiagnose zum cholangiozel- lulären Karzinom bzw. zur primär oder sekundär sklerosierenden Cholangitis (PSC bzw. SSC) dar [1, 2]. » Bei später Diagnose oder insuffizienter Therapie sind irreversible Komplikationen möglich In der Regel spricht die Erkrankung sehr gut auf eine Prednisolonbehandlung an, bei protrahiertem Verlauf durch späte Diagnosestellung oder eine insuffiziente erapie kann es jedoch zu irreversiblen Komplikationen bis hin zur Ausbildung einer Leberzirrhose und zum Leberver- sagen kommen [3]. Die IAC ist die hepatobiliäre Mani- festation der sogenannten IgG4-assozi- ierten Erkrankung, einer entzündlich- fibrosierenden Systemerkrankung unbe- kannter Ursache, die sich aufgrund ei- ner Vielzahl möglicher Organbeteiligun- gen klinisch sehr unterschiedlich äußern kann [4]. Zumeist tritt die IAC gemein- sam mit einer Autoimmunpankreatitis (AIP) Typ 1 auf, der pankreatischen Ma- nifestation der IgG4-assoziierten Erkran- kung [1]. Darüber hinaus können in un- terschiedlicher Häufigkeit unter anderem folgende Strukturen betroffen sein: 4 Hypophyse 4 Orbita 4 Speichel- und Tränendrüsen 4 Schilddrüse 4 Lunge 4 Lymphknoten 4 Niere 4 Ureter 4 Prostata 4 Testis 4 Gefäßsystem (Aortitis) 4 Magen 4 Darmtrakt 4 Retroperitoneum (Retroperitonealfi- brose) Die Liste der bekannten Organmanifes- tationen nimmt weiter zu. Sowohl ein zeitgleicher als auch sequenzieller Befall zur IAC wird beobachtet [4]. Epidemiologie Angesichts der Seltenheit der IAC gibt es bisher kaum valide Daten zur Inzidenz und Prävalenz. Es besteht eine ausgepräg- te Koinzidenz von IAC und AIP: Mehr als 50% der Patienten mit AIP haben eine IAC und mehr als 90% der Patienten mit IAC eine AIP [1]. Daher bildet eine landesweite Erhebung aus Japan über die Häufigkeit der AIP aus dem Jahr 2012 in- direkt auch die IAC ab. Die jährliche Inzi- denz der AIP konnte auf 0,9 pro 100.000 Einwohner und die Gesamtprävalenz auf 2,2 pro 100.000 Einwohner beziffert wer- den [5]. Ob diese Zahlen auch für den europäischen Raum zutreffen, ist unbe- kannt. Darüber hinaus ist wahrscheinlich sowohl die IAC als auch die AIP deutlich unterdiagnostiziert, da allgemein verfüg- bare, exakte diagnostische Marker bisher fehlen. Typische Patientenmerkmale Die überwiegende Mehrzahl der Patien- ten sind mit 80–85% Männer im Alter von über 50 Jahren [1], die beruflich über einen längeren Zeitraum (>1 Jahr) en- gen Kontakt mit Lösungsmitteln, Ölpro- dukten, Farbstoffen oder Industriegasen hatten („blue-collar worker“; [6]). Häufig berichten die Patienten über allergische oder atopische Beschwerden (40–60%; [7]). Die klinische Vorstellung erfolgt in der Regel mit Verschlussikterus und Gewichtsverlust, eventuell verbunden 560 Der Internist 6 · 2018

M.P.Manns,Hannover klinischePräsentationeines ......Striktur des Ductus choledochus DD: wie Typ 1, zusätzlich PSC Typ 3: hiläre Striktur/Raumforderung und distale Striktur des Ductus

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Schwerpunkt: Chronisch-entzündliche Lebererkrankungen

Internist 2018 · 59:560–566https://doi.org/10.1007/s00108-018-0431-4Online publiziert: 16. Mai 2018© Der/die Autor(en) 2018

RedaktionM.P. Manns, Hannover

T. Herta1 · J. Verheij2 · U. Beuers1

1 Department of Gastroenterology and Hepatology and Tytgat Institute for Liver and Intestinal Research,Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande

2Department of Pathology, Academic Medical Centre, University of Amsterdam, Amsterdam, Niederlande

IgG4-assoziierte Cholangitis –klinische Präsentation eineslange übersehenenKrankheitsbildes

DieImmunglobulin-G4-assoziierteCho-langitis (IAC) ist eine autoimmun ver-mittelte entzündliche Erkrankung derGallenwege, die durch typische histopa-thologische Veränderungen und einenhäufig erhöhten IgG4-Plasmaspiegelgekennzeichnet ist [1]. Als histopatholo-gische Veränderungen finden sich eineInfiltration der Gallengangswand mitIgG4+-B-Lymphozyten und -Plasma-zellen, eine obliterative Phlebitis sowieeine wagenradähnliche storiforme Fi-brose. Die IAC kann mit der Bildungtumorähnlicher Raumforderungen –insbesondere im Hilusbereich – sowiemit Strikturen im Verlauf der Gallenwe-ge einhergehen und stellt eine wichtigeDifferenzialdiagnose zum cholangiozel-lulären Karzinom bzw. zur primär odersekundär sklerosierenden Cholangitis(PSC bzw. SSC) dar [1, 2].

» Bei später Diagnose oderinsuffizienter Therapie sindirreversible Komplikationenmöglich

In der Regel spricht die Erkrankung sehrgut auf eine Prednisolonbehandlung an,bei protrahiertem Verlauf durch späteDiagnosestellung oder eine insuffizienteTherapie kann es jedoch zu irreversiblenKomplikationen bis hin zur Ausbildungeiner Leberzirrhose und zum Leberver-sagen kommen [3].

Die IAC ist die hepatobiliäre Mani-festation der sogenannten IgG4-assozi-ierten Erkrankung, einer entzündlich-fibrosierenden Systemerkrankung unbe-kannter Ursache, die sich aufgrund ei-ner Vielzahl möglicherOrganbeteiligun-gen klinisch sehr unterschiedlich äußernkann [4]. Zumeist tritt die IAC gemein-sam mit einer Autoimmunpankreatitis(AIP) Typ 1 auf, der pankreatischen Ma-nifestationderIgG4-assoziiertenErkran-kung [1]. Darüber hinaus können in un-terschiedlicherHäufigkeitunteranderemfolgende Strukturen betroffen sein:4 Hypophyse4 Orbita4 Speichel- und Tränendrüsen4 Schilddrüse4 Lunge4 Lymphknoten4 Niere4 Ureter4 Prostata4 Testis4 Gefäßsystem (Aortitis)4 Magen4 Darmtrakt4 Retroperitoneum (Retroperitonealfi-

brose)

Die Liste der bekannten Organmanifes-tationen nimmt weiter zu. Sowohl einzeitgleicher als auch sequenzieller Befallzur IAC wird beobachtet [4].

Epidemiologie

Angesichts der Seltenheit der IAC gibt esbisher kaum valide Daten zur InzidenzundPrävalenz.Esbestehteineausgepräg-teKoinzidenzvon IACundAIP:Mehr als50% der Patienten mit AIP haben eineIAC und mehr als 90% der Patientenmit IAC eine AIP [1]. Daher bildet einelandesweite Erhebung aus Japan über dieHäufigkeit derAIP aus dem Jahr 2012 in-direkt auchdie IACab.Die jährliche Inzi-denz der AIP konnte auf 0,9 pro 100.000Einwohner und die Gesamtprävalenz auf2,2 pro 100.000 Einwohner beziffert wer-den [5]. Ob diese Zahlen auch für deneuropäischen Raum zutreffen, ist unbe-kannt.Darüberhinaus istwahrscheinlichsowohl die IAC als auch die AIP deutlichunterdiagnostiziert, da allgemein verfüg-bare, exakte diagnostischeMarker bisherfehlen.

Typische Patientenmerkmale

Die überwiegende Mehrzahl der Patien-ten sind mit 80–85% Männer im Altervon über 50 Jahren [1], die beruflich übereinen längeren Zeitraum (>1 Jahr) en-gen Kontakt mit Lösungsmitteln, Ölpro-dukten, Farbstoffen oder Industriegasenhatten („blue-collarworker“; [6]).Häufigberichten die Patienten über allergischeoder atopische Beschwerden (40–60%;[7]).

Die klinische Vorstellung erfolgt inder Regel mit Verschlussikterus undGewichtsverlust, eventuell verbunden

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Autoimmunpankreatitis Typ 1 IgG4-assoziierte Cholangitis

Klinischer Verdacht auf eine Pankreaserkrankung Striktur(en) der intra- oder extrahepatischen Gallengänge oder desPankreasgangs, mit:

Typische Bildgebung für AIP + erhöhter IgG4-Serumspiegel

Vorangegangene Resektionoder Biopsie des Pankreas oder

der Gallengänge mit AIP/IAC- typischen Veränderungen

Typische Bildgebung für AIP +eines der folgenden Kriterien:

1. Erhöhter IgG4-Serumspiegel2. Beteiligung weiterer Organe3. Passende Histologie aus FNA

Keine AIP-typische Bildgebung

Ausschluss Pankreaskarzinom

Eines der folgenden Kriterien:

1. IgG4-Serumspiegel >2-fache ONG2. (Histologisch) bewiesene weitere

Organmanifestation der IgG4-assoziierten Ekrankung

Zwei der folgenden Kriterien:

1. Erhöhter IgG4-Serumspiegel2. Klinischer oder radiologischer

Verdacht auf eine weitere Organmanifestation der IgG4-assoziierten Erkrankung

3. Passende Histologie aus FNA

Diagnose einer AIP Diagnose einer IAC

Ansprechen nach 2-wöchiger adäquater Steroidbehandlung:

1. Signifikanter Abfall des IgG4-Serumspiegels

2. Deutliche Rückbildung der Strikturen und/oder Raumforderungen (CT, Ultraschall, MRCP)

Im Falle eines Nichtansprechens auf eine Steroidbehandlung:

1. Steroide ausschleichen!2. Erneute Malignomdiagnostik

Mindestens zwei der folgenden Kriterien:

1. Erhöhter IgG4-Serumspiegel2. Hinweisende Pankreasbildgebung3. Weitere Organmanifestation(en)4. Gallengangsbiopsie mit > 10 IgG4+-

Zellen pro Hauptgesichtsfeld

Zusammen mit folgenden Kriterien nach 4 Wochen adäquater

Steroidbehandlung:

1. Deutliche Rückbildung der Gallengangsstrikturen

2. Leberwerte <2-fache ONG3. Signifikanter Abfall des IgG4-

Serumspiegels und des CA 19-9

Abb. 18 HISORt-Kriterien (Histologie, Bildgebung, Serologie,weitereOrganmanifestationen, Therapieansprechen) zurDia-gnostikeinerAIPund/oder IAC.AIPAutoimmunpankreatitis;CA19-9 „carbohydrateantigen19-9“;CTComputertomographie;FNA Feinnadelaspiration; IgG4 Immunglobulin G4; IAC IgG4-assoziierte Cholangitis;MRCPMagnetresonanzcholangiopan-kreatikographie;ONG obere Normgrenze. (Adaptiert nach [22, 35])

mit Juckreiz [1]. Steatorrhö und/oderDiabetes deuten auf eine Mitbeteiligungdes Pankreas hin. Die Patienten solltenzudem gezielt nach weiteren Organ-manifestationen der IgG4-assoziiertenErkrankung gefragt werden, beispiels-weise nach einer Schwellung im Bereichder Speichel- oder Tränendrüsen undnach urogenitalen Beschwerden [4].

Diagnostik

Klinisch ist die IAC zumeist schwer voneiner malignen bzw. primär oder sekun-där sklerosierenden Erkrankung im Be-reich der Gallenwege bzw. des Pankreasunterscheidbar. Jeder dritte Patient miteiner IAC oder AIP wird vor Diagno-sestellung aufgrund eines Malignomver-dachts einer ausgedehnten viszeralchir-urgischenOperation (Duodenopankrea-tektomie nachKausch undWhipple, He-mihepatektomie) unterzogen, die nichtnotwendig ist [8].

Aus diesem Grund wurden verschie-dene Diagnosealgorithmen entwickelt,von denen die sogenannten HISORt-Kriterien heute als diagnostischer Stan-dard angesehenwerden [1, 9]. Der NameHISORt setzt sich ausdenEinzelkriterienzusammen:4 Histologie (H)4 Bildgebung („imaging“ [I])4 Serologie (S; insbesondere IgG4-

Serumspiegel)4 Weitere Organmanifestationen der

IgG4-assoziierten Erkrankung (O)4 Therapieansprechen („response to

treatment“ [Rt])

Eine Übersicht zum diagnostischen Vor-gehen bietet. Abb. 1. Im Folgenden wer-den einzelne Kriterien sowie neue bio-chemische Marker, die bisher nicht imAlgorithmus verankert sind, näher er-läutert.

Laborparameter

Laborchemisch imponiert in der Regeleine Cholestasekonstellation (alkali-sche Phosphatase, γ-Glutamyltransfera-se und Bilirubin zumeist stark erhöht)mit milder Transaminasereaktion (Ala-nin-Aminotransferase, Aspartat-Ami-notransferase; [2]).

DerIgG4-Serumspiegel istbei75–80%der Patienten erhöht (>140mg/dl). Ererlaubt jedoch nur bei einer Erhöhungüber das 4-fache der oberenNormgrenze(ONG) die Diagnose einer IAC, da diePSC, das cholangiozelluläre Karzinomund das Pankreaskarzinom in 10–15%der Fälle ebenfalls mit einem moderaterhöhten IgG4-Spiegel einhergehen (<4-fache ONG; [10, 11]). Bis zu 60% derPatienten weisen einen Immunglobu-lin-E(IgE)-Serumspiegel oberhalb derNormgrenze auf (>125kU/ml) und biszu 38% eine Eosinophilie im Differen-zialblutbild [7].

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Serummarker wie der Rheumafak-tor und antinukleäre Antikörper (ANA)können ebenfalls positiv sein, wobei dieSensitivität und Spezifität dieser Markerinsgesamt niedrig sind [12]. Der Tu-mormarker „carbohydrate antigen 19-9“ (CA 19-9) ist zur Abgrenzung einesCholangio- oder Pankreaskarzinomsungeeignet, da Patienten mit einer IACzum Teil deutlich erhöhte Serumspiegel>1000 IU/ml (ONG 37IU/ml) aufweisen[2].

Bildgebung und Endoskopie

In der Cholangiographie mit endosko-pischer retrograder Cholangiopankrea-tikographie bzw. Magnetresonanzchol-angiopankreatikographie oder in deri. v.-Kontrastmittel-gestützten Compu-tertomographie können sich Strikturender Gallengänge mit Wandverdickun-gen und proximaler Gangdilatation odermalignomsuspekte Raumforderungenmit lokoregionärer Lymphadenopathiedarstellen [13, 14]. Abhängig von derLokalisation und Ausprägung der Lä-sionen ergeben sich unterschiedlicheDifferenzialdiagnosen, die bildgebendhäufig nicht sicher von einer IAC un-terscheidbar sind (. Abb. 2 und 3). Einindirekter Hinweis für das Vorliegen ei-ner IAC ist eine extrabiliäre Beteiligunginsbesondere des Pankreas. Typisch istein diffus verbreitertes, wurstartig ge-formtes Organ mit ödematösem Aspektdes umgebenden Fettgewebes (Halo)und multifokalen Strikturen des Duc-tus pancreaticus [14]. Es können sichjedoch auch (multi-)fokale karzinomsu-spekte Raumforderungen im Kopf- undSchwanzbereich darstellen.

Histologie

Cholangioskopisch gewonnene Gallen-gangsbiopsate oder ultraschallgestützteLeberbiopsate zeigen oft eine charakte-ristische lymphoplasmazelluläre Infiltra-tion (vor allem IgG4+-B-Lymphozyten/Plasmazellen, CD4+-T-Lymphozytenund eosinophile Granulozyten) mit ob-literativer Phlebitis und insbesonderein fortgeschrittenen Krankheitsstadieneine storiform angeordnete Fibrosierung(. Abb. 4; [15]).

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2018 · 59:560–566 https://doi.org/10.1007/s00108-018-0431-4© Der/die Autor(en) 2018

T. Herta · J. Verheij · U. Beuers

IgG4-assoziierte Cholangitis – klinische Präsentation eines langeübersehenen Krankheitsbildes

ZusammenfassungDie Immunglobulin-G4-assoziierte Cholangi-tis (IAC) ist die hepatobiliäre Manifestationder IgG4-assoziierten Erkrankung, einerautoimmunvermitteltenentzündlich-fibrosie-renden Systemerkrankung, die mit zumeisterhöhtem IgG4-Serumspiegel und typischenhistopathologischen Veränderungen inden betroffenen Organen einhergeht. DieIAC tritt in über 90% der Fälle mit einerAutoimmunpankreatitis (AIP) Typ 1 auf, derpankreatischen Manifestation der IgG4-assoziierten Erkrankung. Patienten miteiner IAC sind zu 80–85%Männer im Alterüber 50 Jahren, die sich mit Ikterus undGewichtsverlust vorstellen. Auffallend häufigberichten sie über einen meist beruflichenKontakt mit Lösungsmitteln, Ölprodukten,Farbstoffen oder Industriegasen („blue-collarworker“). Klinisch sowie bildgebend (biliäreStrikturen oder Raumforderungen) ist eineAbgrenzung zu einer primär oder sekundärsklerosierenden Cholangitis oder einem

cholangiozellulären Karzinom schwierig. DieHISORt-Kriterien (Histologie, Bildgebung,Serologie, weitere Organmanifestationen,Therapieansprechen) sind der Standardal-gorithmus zur Diagnose einer IAC. Der IgG4-Serumspiegel ist diagnostisch aussagekräftig,wenn er über dem 4-fachen der oberenNormgrenze liegt. Die Bestimmung desIgG4/IgG-RNA-Quotienten im Blut mithilfeder quantitativen Polymerase-Kettenreaktionerlaubt eine exakte Diagnosestellung undbefindet sich aktuell in der klinischenErprobung. Die Erkrankung spricht sehr gutauf eine Therapie mit Kortikosteroiden an.Rezidive sind häufig. In der Mehrzahl der Fälleist eine niedrig dosierte Langzeitbehandlungmit Prednisolon oder Azathioprin notwendig.

SchlüsselwörterImmunglobulin G4 · Primär sklerosierendeCholangitis · Cholangiozelluläres Karzinom ·Annexin A11 · Kortikosteroide

IgG4-associated cholangitis – clinical presentation of anoverlooked disease entity

AbstractIgG4-associated cholangitis (IAC) is the hepa-tobiliary manifestation of immunoglobulinG4-related disease, which is an immune-mediated fibroinflammatory systemicdisorder characterised by often elevated IgG4serum levels and typical histopathologicalfindings in affected tissues. IAC is frequently(>90%) accompanied by autoimmunepancreatitis type 1 (AIP), which is thepancreatic manifestation of immunoglobulinG4-related disease. In 80–85% of the casespatients with IAC are male, above 50 years ofage and present with jaundice and weightloss. A remarkable percentage of patientswith IAC has a history of long-term exposureto solvents, oil products and other organicagents representing so-called “blue-collarworkers”. Clinical features and imaging (i. e.strictures or mass-forming lesions in thebiliary tract) may mimic other biliary diseases,such as primary or secondary sclerosingcholangitis and cholangiocarinoma. The

HISORt criteria are used for diagnosingIAC and comprise histologic and imagingfindings, serum IgG4, organ manifestationpattern and response to immunosuppressivetherapy. Serum IgG4 levels are of diagnosticvalue when it is above 4 times the upperlimit of normal. Determination of the bloodIgG4/IgG mRNA ratio using quantitativepolymerase chain reaction (qPCR) is anaccurate diagnostic tool currently underclinical validation. The majority of patientsshow an excellent response to corticosteroidtherapy. Symptom recurrence, however, iscommonmaking long-term treatment withlow-dose prednisolone and/or azathioprinefrequently necessary.

KeywordsImmunoglobulin G4 · Primary sclerosingcholangitis · Cholangiocarcinoma · AnnexinA11 · Corticosteroids

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Typ 1: distale Striktur des Ductus choledochus, häufig einhergehend mit AIP

DD: Pankreaskarzinom, distalescholangiozelluläres Karzinom, chronische Pankreatitis

Typ 2: diffuser intrahepatischer Befall und distaleStriktur des Ductus choledochus

DD: wie Typ 1, zusätzlich PSC

Typ 3: hiläre Striktur/Raumforderung und distale Striktur des Ductus choledochus

DD: wie Typ 1, zusätzlich hilärescholangiozelluläres Karzinom(Klatskin-Tumor)

Typ 4: lediglich hiläre Striktur oder Raumforderung DD: hiläres cholangiozelluläresKarzinom (Klatskin-Tumor)

Abb. 28 Klassifikationder IgG4-assoziiertenCholangitis nachcholangiographischerDarstellungmitdenwichtigstenDifferenzialdiagnosen.AIPAutoimmunpankreatitis;DDDifferenzialdiagnose; PSCprimär sklerosierende Cholangitis

Diagnostisch wichtig ist die Anzahlder IgG4+-Zellen, da auch Biopsate vonPatienten mit einer PSC oder einem cho-langiozellulären Karzinom IgG4+-Zellenenthalten können. Als allgemeiner Kon-sens für das Vorliegen einer IAC gel-ten >10 IgG4+-Plasmazellen im Biopsatbzw. >50 IgG4+-Plasmazellen im Resek-tat pro mikroskopisches Hauptgesichts-feld (400-fache Vergrößerung; [15]).

» Diagnostisch wichtig ist dieAnzahl der IgG4+-Zellen

Dabei zählt aufgrund der ungleichmäßi-gen Verteilung der Zellen das Hauptge-sichtsfeld mit der höchsten Anzahl. Ab-hängig vom Verteilungstyp der IAC zei-gen Biopsien aus dem Bereich der Am-pullaVateri eine ähnlicheSensitivitätundSpezifität wie intraduktale Biopsien [16].

Neue biochemischeMarker

Eine Untersuchung der in Blut undGewebeproben von Patienten mit einerIAC nachweisbaren IgG4+-B-Lymphozy-ten durch „next generation sequencing“(NGS) konnte zeigen, dass es sich umZellen einiger weniger gereifter B-Zell-Klone handelt, die sich weder bei gesun-denKontrollpersonennochbeiPatientenmit einer PSC oder einem cholangio-zellulären Karzinom finden [17]. DieseZellen lassen sich nach erfolgreicher Be-handlung nicht mehr nachweisen, wohlaber im Falle eines Wiederaufflammensder IAC [17, 18].

Die Anwendung des NGS zur Diag-nostik einer IAC ist sehr exakt, jedochkosten- und zeitintensiv und somit nichtpraktikabel. Breiter verfügbar und kos-tengünstiger ist die Bestimmung desIgG4/IgG-RNA-Quotienten im Blut mitder quantitativen Polymerase-Kettenre-aktion (qPCR; [19]).

» Die diagnostisch vielver-sprechende Bestimmung desIgG4/IgG-RNA-Quotienten wirdklinisch erprobt

Dieser Test erreicht eine Sensitivität von94% und Spezifität von 99% und stelltsomit ein sehr vielversprechendes diag-nostischesWerkzeug dar, das aktuell kli-nisch erprobt wird.

Differenzialdiagnostik

Die Abgrenzung der IAC von einer PSC,einer SSC oder einem cholangiozellu-lären Karzinom stellt häufig eine Her-ausforderung dar. Dieser Abschnitt fasstwichtige Unterscheidungsmerkmale zu-sammen.

Primär sklerosierende Cholangitis

SowohldiePSCals auchdie IACtritthäu-figer bei männlichen Patienten auf; diePSC 2-mal häufiger und die IAC 8-malhäufiger beiMännern als bei Frauen. DiePSC ist jedoch in der Regel eine Erkran-kung des jungenMannes (<40 Jahre) undzu 80% mit einer chronisch-entzündli-

chen Darmerkrankung vergesellschaftet[9]. Beides trifft nicht für die IAC zu, diedafür wie bereits ausgeführt in über 90%der Fälle mit einer Pankreasbeteiligungeinhergeht. Etwa 10% der Patienten mitPSCweiseneinenerhöhten IgG4-Serum-spiegel auf, der jedoch nicht das 4-facheder ONG übersteigt [11].

Ein diagnostischer Hinweis für dasVorliegen einer PSC kann der Nachweisvon perinukleären antineutrophilen zy-toplasmatischenAntikörpern(p-ANCA)sein, der bei etwa 40–90% der Patientenmit PSC und unter 10% der Patientenmit IAC positiv ist. Histologisch zeigtsich bei der PSC zumeist ein zwiebel-schalenartiges Fibrosierungsmuster umdieGallengänge,eventuellverbundenmiteiner periportalen Sklerose. Ein wichti-ges Unterscheidungsmerkmal ist darü-ber hinaus das ausgezeichnete Anspre-chen der IAC auf eine Behandlung mitKortikosteroiden, die bei der PSC kei-nen Effekt zeigen, insofern es sich nichtum ein Überlappungssyndrom mit einerAutoimmunhepatitis handelt [9].

Sekundär sklerosierendeCholangitis

Entscheidend für dieDiagnose einer SSCist zunächst eine gründliche Erhebungder Patientenanamnese, die das weiterediagnostische Vorgehen bestimmt. Ana-mnestische Hinweise für eine SSC sindunter anderem [20]4 ein vorausgegangener Aufenthalt auf

einer Intensivstation mit schwererSepsis oder Schock („biliary castsyndrome“) oder nach Lebertrans-plantation („ischemic type biliarylesions“ [ITBL]),

4 eine Operation an den Gallenwegenmit Anlage einer biliodigestivenAnastomose,

4 ein bekanntes „acquired immunode-ficiency syndrome“ oder

4 eine Behandlung mit Chemothera-peutika im Bereich der Gallenwege.

Cholangiozelluläres Karzinom

Die Unterscheidung zum cholangiozel-lulären Karzinom kann sowohl klinischals auch bildgebend und laborchemisch(CA 19-9) ausgesprochen schwierig sein,

Der Internist 6 · 2018 563

Page 5: M.P.Manns,Hannover klinischePräsentationeines ......Striktur des Ductus choledochus DD: wie Typ 1, zusätzlich PSC Typ 3: hiläre Striktur/Raumforderung und distale Striktur des Ductus

Schwerpunkt: Chronisch-entzündliche Lebererkrankungen

Abb. 39 Cholan-giogrammvon Pa-tientenmit einerIAC, das demBild ei-nes Klatskin TumorsBismuth Typ IIIa (a)bzw. einer PSC (b)ähnelt. Alle Läsio-nen zeigten sichnach einer Behand-lungmit Predniso-lonvollständig rück-läufig. (Mod. nach[22])

insbesondere bei Bildung tumorähnli-cher Raumforderungen, eventuell sogarmit lokoregionärer Lymphadenopathiedurch eine IAC. Wie die PSC kannauch das cholangiozelluläre Karzinommit einem erhöhten IgG4-Serumspiegeleinhergehen, der jedoch im Unterschiedzur IAC nicht das 4-fache der ONGübersteigt [10]. Die Bestimmung desIgG4/IgG-RNA-Quotienten mit qPCRerlaubt bei einem Cut-off-Wert >5%als Kriterium für eine IAC eine sichereAbgrenzung zum cholangiozellulärenKarzinom, ist aber bisher nicht routine-mäßig verfügbar [19].

Gelingt die Gewinnung eines aussa-gekräftigen Biopsats mit Nachweis vonTumorgewebe (in der Regel adenokarzi-nomatös), so ist die Diagnose eindeutig[21]. Sind die Untersuchungsergebnissenicht konklusiv und besteht weiterhinder dringende Verdacht auf das Vorlie-geneiner IAC, kanneine kurzzeitigeKor-tikosteroidbehandlung für 2–4 Wocheninitiiert werden. Eine deutliche Regre-dienz der Läsionen demaskiert die IAC(s. Abschn. „Behandlung“). Das cholan-giozelluläre Karzinom spricht nicht oderlediglichminimal auf Kortikosteroide an[21, 22].

Pathophysiologie

Die Pathogenese der IAC ist weitest-gehend unverstanden. Der Name IACbzw. IgG4-assoziierte Erkrankung leitetsich aus dem typischen lymphoplasma-zellulären IgG4+-Infiltrat in befallenenGeweben sowie dem häufig erhöhtenIgG4-Serumspiegel ab. Unter physio-logischen Umständen macht IgG4 den

kleinstenAnteil unter den IgG-Unterein-heiten aus (<5% des Gesamt-IgG; [23]).Dieser Anteil verschiebt sich deutlich imFalle einer chronischen Stimulation desImmunsystems und kann bei Patientenmit einer IgG4-assoziierten Erkrankungmehr als 50% betragen [22, 23]. Unklarist die Rolle dieser IgG4-Antikörper imKrankheitsprozess: Besitzen sie selbstpathogene Eigenschaften oder werdensie kompensatorisch gebildet, um eineIgG1-vermittelte Entzündungsreaktionabzuschwächen?

IgG4-Antikörper besitzen spezielleEigenschaften, die sie von anderen IgG-Subklassen unterscheiden [23]. Durchdie fehlende Bindung an den Komple-mentfaktor C1q und die niedrige Affini-tät zum Fcγ-Rezeptor können sie keineimmunvermittelte Komplementreakti-on auslösen und besitzen eine niedrigeimmunstimulatorische Wirkung. Wahr-scheinlich binden sie zudem an die Fc-Domäne anderer IgG-Subklassen undverhindern dadurch deren aktivierendenEffekt auf verschiedene Immunzelltypen.Darüber hinaus besitzen sie die einma-lige Fähigkeit, eine schwere und eineleichte Kette mit einem anderen IgG4-Molekül zu tauschen (Fab-Arm-Aus-tausch), wodurch sie nicht mehr in derLage sind Immunkomplexe zu bilden.

Eine Injektion des Gesamt-IgG vonPatientenmit einer IgG4-assoziiertenEr-krankung (nicht jedoch vonKontrollper-sonen)ingesundeMäuse löstespezifischeLäsionen in Pankreas und Speicheldrü-senaus,wasdiewichtige pathogenetischeRolle der IgG-Antikörper unterstreicht.Wurde lediglich IgG1 injiziert, entstan-den vergleichbare Läsionen. Bei einer In-

jektion von IgG4 traten diese ebenfallsauf, aber deutlich schwächer. Eine simul-tane Verabreichung beider Antikörperzeigte, dass IgG4 die schädigende Wir-kung von IgG1 deutlich reduzierte [24].IgG4 scheint also tatsächlich eine IgG1-vermittelte Entzündungsreaktion abzu-schwächen, ist jedoch selbst nicht apa-thogen. Dies wird durch die Tatsacheunterstrichen, dass ein Abfall des IgG4-Serumspiegels unter Therapie mit einerklinischenVerbesserung einhergeht [25].

Wie bereits im Abschnitt „Diagnos-tik“ („Neue biochemischeMarker“) aus-geführt, ist ein weiterer wichtiger Bau-stein zum Verständnis des Pathomecha-nismus der Nachweis von IgG4+-B-Zell-Klonen in Blut und befallenen Orga-nen von Patienten mit einer IgG4-as-soziierten Erkrankung. Diese hochspe-zialisierten Klone sind vermutlich fürdie erhöhten IgG4-Serumspiegel verant-wortlich. Sie haben eineAffinitätsreifungdurchlaufen, was vermuten lässt, dasssie eine Autoimmunreaktion gegen einbestimmtes (Auto-)Antigen unterhalten[17]. Eine kürzlich veröffentlichte Stu-die unserer Arbeitsgruppe demaskiertedas Protein Annexin A11 als erstes spe-zifisches Autoantigen der IAC. SowohlIgG4- als auch IgG1-Antikörper von Pa-tienten mit einer IAC/AIP erkennen An-nexin A11 an zwei Epitopen, wobei IgG4die Bindung von IgG1kompetitiv hemmt[26]. Dabei scheint die Expression vonAnnexinA11mitdemEntzündungsmus-ter in betroffenen Organen der IgG4-assoziierten Erkrankung zu korrelieren(https://www.proteinatlas.org).

» Als erstes spezifischesAutoantigen der IAC wurde dasProtein Annexin A11 demaskiert

Warum und unter welchen Umstän-den eine B-Zell-dominierte Autoim-munreaktion gegen Annexin A11 zurEntstehung einer IgG4-assoziierten Er-krankung führt, ist unklar. Eventuellführt eine Langzeitexposition gegen-über umweltschädlichen Substanzen(„blue-collar work“) zu einer Konfor-mationsänderung und somit zu einerimmunstimulatorischen Wirkung vonAnnexin A11. Auch die mögliche Rolle

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Abb. 48 Typische histopathologischeMerkmale einer IAC. Leberresektat eines Patientenmit Typ 2 (a, b) bzw. Typ 4 (c) IAC.aDichtes lymphoplasmazelluläres Infiltrat (grüner Pfeil)mit vereinzelten eosinophilenGranulozyten (*). Angedeutet storifor-mesFibrosierungsmuster (grüner Kreis).bDichtes Infiltratmit IgG4+Plasmazellen (braungefärbt),>50proHauptgesichtsfeldim Resektat. cObliterative Phlebitis (grünerPfeil)

genetischer Faktoren ist bisher ungeklärt[22].

Neben B-Lymphozyten finden sichvermehrt weitere Immunzelltypen wieeosinophile Granulozyten, Makropha-genundvorallemCD4+-T-LymphozyteninbefallenenOrganen [22].Die singuläreRolle dieser Zelltypen ist noch nicht ver-standen. Wahrscheinlich liegt der IgG4-assoziierten Erkrankung ein komplexesZusammenspiel verschiedener Immun-zellklassen zugrunde. RegulatorischeT-Zellen scheinen die Expansion derpathogenen B-Zell-Klone sowie ihrenKlassenwechsel zu IgG4 zu stimulieren[27]. Zudem wirken sie aktivierend aufFibroblasten und unterstützen somitdie typische Fibrosierung in befallenenGeweben [28].

Behandlung

Die IAC spricht im Gegensatz zur PSCoder zum cholangiozellulären Karzi-nom in der Regel ausgezeichnet aufeine immunsuppressive Behandlung an.Bis zu 97% der Patienten zeigen nacheiner 3-monatigen Induktionstherapiemit Prednisolon eine partielle und etwazwei Drittel eine vollständige Remissionder Erkrankung mit Normalisierung derLeberwerte, vollständiger Rückbildungaller Strikturen und Raumforderungen,Verschwinden der IgG4+-B-Lympho-zyten und Normalisierung des IgG4-Serumspiegels [1]. Die Behandlung soll-te unmittelbar nach Diagnosestellungbeginnen. Zumeist wird initial einePrednisolondosis von 30 bis 40mg/Tag

über 4 Wochen verwendet, woran sicheine schrittweise Dosisreduktion (5mgalle 2 Wochen) anschließt [29]. BeiPatienten mit Risikokonstellation fürPrednisolonnebenwirkungen (bekannteOsteoporose, Diabetes mellitus) soll-te eine niedrig dosierte Induktion mit10–20mg/Tag erwogen werden. Diesehat ein vergleichbares Therapieanspre-chen gezeigt [30].

» Trotz des sehr guten An-sprechens auf die Initialtherapieist ein Wiederauftreten der IAChäufig

Trotz des sehr guten Ansprechens dermeisten Patienten auf die Initialtherapiezeigen 30–50% ein Wiederauftreten derIAC, häufig im Zeitraum von bis zu6 Monaten nach Beendigung der Pred-nisolongabe [1]. Aus diesemGrund wirdeine niedrig dosierte Langzeitbehand-lung mit Prednisolon (2,5–5mg/Tag)und/oder Azathioprin (1–2mg/kgKGpro Tag) empfohlen, wobei der notwen-dige Zeitraum bisher nicht eindeutigdefiniert werden konnte; er sollte sichan den Richtlinien für die Autoimmun-hepatitis orientieren [1, 9].

Bei Nichtansprechen auf die Thera-piemuss dieDiagnose überprüftwerden.Bestätigt sich der Verdacht auf das Vor-liegen einer IAC, kann ein Therapiever-such mit dem monoklonalen Antikör-per Rituximab unternommen werden,der selektiv CD20+-B-Zell-Populationen

depletiert (1000mgRituximab i. v. inWo-che 0, Woche 2 und nach 3–6 Monaten;[31]). Im Hinblick auf die hohen Thera-piekosten und das mögliche Nebenwir-kungsprofil sollte Rituximab nach der-zeitiger Studienlage für Patienten ohnesuffizientes Ansprechen auf Prednisolonoder mit absoluten Kontraindikationengegen Prednisolon reserviert bleiben. Ri-tuximab kann unter anderem eine Im-munschwäche induzieren und so latenteVirusinfektionen,beispielsweisemitdemJC-Virus oder Hepatitis-B-Virus, indu-zieren. Des Weiteren besteht das Risikoschwerer Infusionsreaktionen.

Verlauf

Wird die IAC rechtzeitig erkannt undkonsequent behandelt, ist die Lebenser-wartung der Patienten in der Regel nichteingeschränkt [32]. Ob die IAC im Ver-lauf tatsächlichmit einemerhöhtenMali-gnomrisiko einhergeht [33, 34], ist bishernicht eindeutig geklärt undmuss Gegen-stand prospektiver Studien mit adäqua-ter Kontrollgruppe sein. Wichtig ist einengmaschiges Monitoring der Patientenauf mögliche Langzeitnebenwirkungender Kortikosteroidtherapie, wie Diabe-tes, Osteoporose oder opportunistischeInfektionen.

Fazit für die Praxis

4 Die IgG4-assoziierte Cholangitis istdie hepatobiliäre Manifestation derIgG4-assoziierten systemischen Er-krankung. In über 90% der Fälle geht

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Schwerpunkt: Chronisch-entzündliche Lebererkrankungen

siemit einer klinischoft inapparentenAutoimmunpankreatitis Typ 1 einher.

4 Der typische Patient ist männlich,>50 Jahre alt und stellt sich mitschmerzlosem Ikterus, Gewichtsver-lust sowie gegebenenfalls Steatorrhöund/oder Diabetes mellitus vor.Beruflich hatte er oft Kontakt mitLösungsmitteln, Ölprodukten, Farb-stoffen oder Industriegasen.

4 Die Diagnose erfolgt anhand derHISORt-Kriterien.

4 Wichtige Differenzialdiagnosensind die primär und sekundär skle-rosierende Cholangitis und dascholangiozelluläre Karzinom.

4 Die Behandlung mit Prednisolon(20–40mg/Tag für 4 Wochen, an-schließend schrittweise Dosisre-duktion) beginnt unmittelbar nachDiagnosestellung.

4 Das Therapieansprechen ist in derRegel sehr gut, Rezidive sind häu-fig. Eine niedrig dosierte Lang-zeitbehandlung mit Prednisolon/Azathioprin ist bei der Mehrzahl derPatienten notwendig.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. U. BeuersDepartment of Gastroenterology andHepatology and Tytgat Institute for Liver andIntestinal Research, Academic Medical Centre,University of AmsterdamMeibergdreef 9, Rm C2-327, 1105AZ Amsterdam, [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. T. Herta und J. Verheij gebenan, dass kein Interessenkonflikt besteht. U. Beuers:Forschungsunterstützung vondeutschen (DCCV),norwegischen, amerikanischenund südafrikanischenPSC-Patientenstiftungen sowie vonder niederländi-schenMagen-Leber-Darm-Stiftung. VortragshonorarevonAbbVie, Falk Foundation, Gilead, Intercept, No-vartis, Roche, Shire, Zambon. Beratungshonorare vonIntercept, Novartis. Studienunterstützung („investiga-tor-initiated“) vonDr. Falk, Intercept.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vondenAutorendurchgeführten Studien anMenschenoder Tieren.

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