M.v. MAGDEBURG Das Fliessende Licht Der Gottheit

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    Mechthild von Magdeburg

    DAS FLIESSENDE LICHT DER GOTTHEIT

    Ausgewhlt und bertragen von

    Sigmund Simon

    Berlin 1907, Oesterheld & Co Verlag

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    IESES BUCH sende ich nun als Boten allengeistlichen Leuten, beiden: bsen und guten. Es istnur ein Bild meiner selber und sagt hold mein

    Heimlichstes aus. Man soll es freundlich annehmen: Gott selber

    spricht die Worte.Eya, Herr! Gott! Wer hat dieses Buch gemacht? - Ich, die ichvon der Gnade, so mir verliehen ward, nicht schweigen konnte,habe es gemacht in meiner Unmacht. Ich kann und will nichtschreiben, aber ich sehe das Herrliche mit den Augen meinerSeele und hre es mit den Ohren meines ewigen Geistes undfhle in allen Gliedern meines Leibes die Kraft des heiligenGeistes.

    Eya, Herr! wie soll es, Dich zu ehren, heien, dieses Buch? - Es

    soll heien: Ein Flieendes Licht Meiner Gottheit, entbrannt inallen reinen Herzen.

    Dieses Buch hob an in der Liebe und in der Liebe soll es auchvollenden. Denn nichts ist also weise noch also heilig noch alsoschn noch also stark noch also vollkommen als die Liebe.

    D

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    Von dem Schreiber dieses Buches

    Ehdenn ich dieses Buch begann, alle meine Lebtage, war ich dereinfltigsten Menschen einer, die je im geistlichen Lebenerfunden wurden, ob Gott gleich manches seiner Worte in

    meine Seele sprach. Von des Teufels Bosheit wute ich nichts.Der Welt Krankheit kannte ich nicht. Auch Verrat geistlicherLeute hatte ich noch nicht erfahren. Nun mu ich sprechen,Gott zu ehren, und damit, was mich selber dieses Buch gelehrthat, fruchtbar werde. In meinem zwlften Jahre, da ich alleinewar, kam der Strom des Heiligen Geistes ber mich, und grtemich ungestm, also, da ich mich von Stund an groertglicher Snde frder nicht ergeben wollte. Der vielliebe Grukam alle Tage zu mir und tat mir ses Weh der Liebe (undnoch wchst und blht alle Tage aller Welt Se undHerrlichkeit).

    Dieses geschah mir vor einunddreiig Jahren. Vom Gttlichenkannte ich nichts denn unseren christlichen Glauben, undmhte mich, mein Herz zu lutern. Gott selber wird Zeugnis frmich ablegen, da mein Wunsch und Wille nie nach denDingen, davon ich in diesem Buche geschrieben habe, stand undda ich Ihn nie, sie mir zu gnnen, bat. Und glaubte auch nie,da Menschen solches geschehen knne und erfuhr dieserDinge nie, alsolange ich bei meiner Sippe und meinen fremden

    Freunden, die mich sehr lieb hatten, war. Ich hatte aber schonlange verlangt, ich mchte, schuldlos, verschmht werden. Dabrachte mich Gottes Liebe an einen Ort, wo niemand meinFreund war, denn alleine ein Mensch. Vor selbigem aber hatteich Angst; ich bangte, er mchte mir die heilige Verschmhungund die lautere Liebe zum Gttlichen stren. Aber Gott htetemeiner, und gab mir so ses Entzcken, so herrlicheErkenntnis und Wunder so unbegreiflich, da ich irdischerDinge nur wenig genieen konnte, und nahm meinem Geist

    sein Lager der Ruhe und geleitete ihn zu der Sphre zwischenHimmel und Luft.

    Da schaute ich mit meiner Seele Augen in himmlischemEntzcken die schne Menschheit Unseres Herren, Jesu Kristi,und er kannte auf seinem herrlichen Antlitz die heiligeDreifaltigkeit, des Vaters Ewigkeit, des Sohnes Werk, des

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    Heiligen Geistes Se, und sah den Engel, dem ich in der Taufebefohlen ward, und sah meinen Teufel.

    Unser Herr sprach: ich will Dir diesen Engel nehmen und willDir zwei Engel wieder geben, so Deiner in diesen Wundern

    hten sollen.

    Da die Seele die beiden Engel ansah, o wie sehr sie in der Demutihrer Schwche erschrak und sich auf die Fe Unseres Herrenbeugte und Ihm dankte und klagte, da sie zu unwrdig wre,so hohe Frsten als ihre Kmmerer anzunehmen. Der eineEngel war von Seraphim, und war ein Brand der Liebe undleuchtete herrlich der trben Seele. Der andere Engel war vonCherubim; er htet der Gaben und befiehlt der Weisheit in derliebenden Seele.

    Dann rief Unser Herr zwei Teufel: groe Meister aus LucifersSchule. Da die Seele die furchtbaren Teufel ansah, erbebte sieein kleines, aber freute sich Unseres Herren und nahm sie gernean. Der eine Teufel geht in schnem Gewand des Engels und istein Betrger. O wie seine List, mich zu verfhren, sich mhte!

    Einstmalen, whrend der Messe, kam er aus der Hhe herniederund sprach: Nun siehe, wie schn ich bin: wolltest Du michanbeten?

    Die Seele antwortete: Man soll alleine Gott anbeten, um allesGute und in aller Not.

    Er sprach: Nun siehe doch hinauf, wer ich sei! und lie micheine schne falsche Klarheit schauen, mit der er manchenKetzer verfhrt hat, und sprach wiederum: Auf dem Thronesollst Du alleine die hchste Jungfrau sein, und ich der schnsteJngling bei Dir.

    Sprach wiederum sie: Es wre nicht weise, wer sich, ob sich ihmgleich das Beste anbte, das Verderbte nhme.

    Da sprach er: Nun Du Dich mir nicht geben willst, sehe ich, wieheilig Du bist, und will Dich, demtig, anbeten.

    Sie sprach: Dir wird nicht Gnade gegeben darum da DuPfuhliges anbetest.

    Da zeigte er ihr, an seinen Hnden und Fen gebildet, die fnfWunden und sprach: Nun siehest Du wohl, wer ich bin. So Du

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    meinem Worte gehorsamst, will ich Dich gro und herrlich vorden Leuten machen, und so Du sie dieser Gnaden berichtest,wirst Du Gutes tun.

    Da sie weiser wrde, hrte die Seele ihm zu, ob seine

    unfruchtbaren Worte sie gleich verdrossen und ungeduldigmachten. Nun sprach sie: Du sagst mir, Du seiest Gott. Nun sagemir: wie heiest Du diesen, der jehund des lebendigen GottesSohn in des wahren Priesters Hnden ist?

    Da wollte er flchten und die Seele sprach: Bei demallmchtigen Gott mahne ich Dich: hre mich nun. Ich weiDeinen Willen wohl. Es sollte mir eine Weile behagen, allenLeuten mein Herz zu sagen. Aber Du wrdest das Spiel, mich zuverderben, spielen und mich strzen in Zweifel und Traurigkeit

    und in Unglauben und in Unkeuschheit und, darnach, in ewigesHerzeleid. Und wolltest darum auch, da ich mich heiligwhnte. Doch, Du uralter Verfhrer, Gott steht bei mir, und Duhast verloren. Da rief er: Wehe ber Deinen Zauber, lamich nun von Dir fahren, ich will Dich nicht mehr beschweren.

    Der andre Teufel, der mir gegeben ward, ist ein Friedensbrecherund ein Meister der heimlichen Unkeuschheit. Selber zu mir zukommen hat Gott ihm versagt. Er sendet mir aber verderbteLeute zu Boten, die mir gute Dinge verkehren und mit Worten

    meiner Ehre nehmen, was sie knnen; und sucht auch guteLeute, wo sie beieinander sind, zu solchem zu reizen, undsprchen sie da etwas bles in unkeuscher Weise, so knnte ichArme nicht ohne Trbsal bleiben. Aber das geschah mir nie.

    Zur Nacht einstmalen, da ich auf meinem Lager ruhte und imersten Schlaf, kam mir selbiger Teufel, kam dahergefahren inder Luft, und schaute die Erde an und ihre Snde. Er war growie ein Riese, er hatte einen kurzen Schweif und eine krummeNase, sein Haupt war ungestalt wie ein Zuber und aus seinemMunde kamen, in schwarze Flamme gehllt, feurige Funken

    gefahren. Der Teufel lachte, hmisch in Zorn und mitfurchtbarer Stimme.

    Da frug ihn die Seele, um was Ding er lache, was er suche undwas er wirke. Antwortete er und sprach: Ich freue mich darum,da ich, nun ich Dich nicht mehr qulen darf, so viele ihrerfinde, die, ob sie gleich Engel scheinen, es gerne fr mich tun

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    und Dich peinigen. Siehe, ich bin geistlicher Leute Kmmererund ich suche an ihnen zweierhand Krankheit, so sie im Nu vonGott scheidet: heilige oder heimliche Unkeuschheit. Wenn einMensch in einem heiligen Leben Gemach seines Fleisches sucht,

    ber seine Notdurft hinaus und mit aller Gier seiner Sinne, sowird er unkeusch, das ist: grob und la und seine Liebe zumGttlichen wird kalt.

    Die andre Krankheit, sprach der Bse, ist verborgener Ha beiunverhohlener Zwietracht, Grund und Wurzel langer Bosheitund Verlust aller Heiligkeit: eine Snde, die mir Frucht bringtund mein Gewinn ist, wo ich sie gewandelt finde.

    Da sprach die Seele: Da hast Du doch von Natur nichts Gutes anDir. Und ntzest du mir doch, nun Du mir Deine List und

    Bosheit verrtst?Antwortete wiederum er: Gott hat mich so fest in seinenHnden, da ich, wie ich mich wende, nichts tun kann, Erwiese mich denn dazu.

    Ich unseliger Mensch! Zehn Jahre htte ich dem Fegefeuergehrt, htte ich mich nicht zur Reue und Beichte gewendet; soschwere Snde hatte ich als junges Kind getan. Nun, Lieber!Herr! Dich zu lieben, will ich gerne noch darin leiden, wenn ichsterbe. Das sprechen nicht meine Sinne, es heiet mich die

    Minne.Als ich zum geistlichen Leben kam und von der Welt Urlaubnahm, sah ich meinen Leib an und fand ihn schwer in Waffenwider meine arme Seele stehen, in groer Flle starker Machtund in einer vollkommenen Natur Kraft. Da sah ich wohl, daer mein Feind war und sah: sollte ich dem ewigen Todentgehen, so mte es an ein Streiten gehen, ich mte michdarnieder schlagen. Und sah nun meiner Seele Waffen an: dasheilige Leiden Jesu Kristi, Unsres Herrn, und grtete mich

    damit.Ich mute nun in whrender Furcht und Zittern sein. MeineFeinde drangen bse mit Schlgen auf mich ein. Da warSeufzen, Weinen, Fasten, Wachen, zur Beichte gehn, mein Herzergrnden, Opfern und das Gttliche ansehn. Dies waren dieWaffen meiner Seele, damit ich den Leib berwand, also, daich whrend zwanzig Jahren, zuerst von Reue und

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    Bekmmernis, mde, wund und krank ward, darnach vonherzlichem Verlangen und von geistlicher Arbeit; und lag dazumanchen Tag in schwerem Siechtum meines irdischen Wesens.

    Und dann kam die gewaltige Liebe und verzckte mich so durch

    ihre Wunder, da ich nicht schweigen durfte. Wurde mir aberAngst, da ich meiner Einfalt dachte, und sprach: Eya, milderGott, we hast Du Dich an mir versehen? Du weit wohl, daich tricht und ein sndiger und geringer Mensch bin, an Leibund an Seele. Diese Dinge solltest Du weisen Menschen gebenund so mchtest Du darum gepriesen werden.

    Da zrnte Unser Herr wider mich Arme und wurde zornig undfrug und gehrte meiner Antwort: Nun sage Mir, bist Du dochMein?

    Ja, Herr, und verleihe es mir.

    Darf Ich denn Dir tun nach Meinem Verlangen?

    Ja, Allerherzensliebster, oh! tu mir! sollte ich gleich zu nichtewerden.

    Da sprach Unser Herr: Du sollst Mir dieser Dinge gehorsamenund Dich hingeben und Du sollst lange wund sein und Ichselber will Deiner pflegen und, was Du bedarfst an Leib und anSeele, das will Ich Dir alles geben.

    Da ging ich arme Bebende, demtig in Scham, zu meinemBeichtiger und sprach ihm von dieser Rede und bat ihn, mich zuunterweisen. Er sprach: ich solle frhlich vollenden. Gott httemich geheien. Gott wrde meiner wahren. Und befahl mir,we ich mich, weinend, schme: befahl mir, einem schlechtenWeibe (mein Herz wei, wie gering ich bin), aus Gottes Herzenund Mund dieses Buch zu schreiben.

    Also ist es aus Gott gekommen, dieses Buch der Liebe, und nichteines menschlichen Herzens Traum.

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    Von fnf Propheten so dies Buch erleuchten (III,20)

    Unser Herr hat mir gelobt, mit fnf Lichtern wolle Er diesesBuch erleuchten.

    MOSES

    tiefes Geheimnis und sein heiliges Tun und tiefeVerschmhung ohne Schuld getragen, seine herrlichen Wunderund seine se Lehre und das erwhlte Liebessprechen, das eroft mit dem Ewigen Gott auf dem hohen Berge hatte: Diesesalles soll Ein Licht sein und will mir Gott geben und hat esgetan, da ich durch aller meiner Feinde bse List ohne Schuldund Scham in Seiner Hut gehen und in Seiner Liebe schwebensoll. Wie es Moses und seine Gesellen im roten Meer taten. UndPharao und seine Freunde sollen uns nicht folgen bis hierher. Oweh! wie sind sie ertrunken in diesem Meer. Eya! Erbarme

    Dich, lieber Herr! da unsre Feinde sich bekehren.KNIG DAVID ist in diesem Buche das andere Licht, Licht mitdem Psalter, darin er uns lehrt und klagt, bittet, vermahnt undGott lobpreist.

    SALOMONIS Wort leuchtend (seine Werke nicht, dieweil erselber verfinstert ist) im Buche canticorum, da die Braut sotrunken khn erfunden wird und der Liebste mit prunkendemWort ihr zuspricht: Du bist sehr schn, meine Freundin, undkein Flecken ist an Dir.

    JEREMIAS leuchtet mit, da er von Unsrer Frau Heimlichemspricht. Denn mir hat Gott vertraut, da er in Christi Glauben,so doch seine fleischlichen Augen nie sahen, lautere Keuschheit,Gre der Liebe und das Martyrium hatte.

    In DANIEL leuchtet Gottes wunderbare Weisheit, wie Er inGnade ihn, den zwischen vielen Feinden, an Leib und Seelespeiste.

    Also ist auch mir Unwrdigen in meinen Bitternissengeschehen. De haben meine Feinde ein kleines gesehen undwollen es nicht dulden und geben mir manche Pein darum.

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    Wie Gott einen Bruder ber dieses Buch unterwies

    Meister Heinrich, Euch wundert der mnnlichen Worte, vondiesem Buche ausgesprochen. Mich wundert, da Euch dewundert. Vielmehr: mich bekmmert und verwirrt, da ich

    sndige Frau schreiben mu, ob ich gleich keinem, wesentlich,das unbegrenzte Wissen und das Entzcken vor dem Bilde desGttlichen aussagen kann in Worten, hilflos und unmchtig vordem unfabar Grenzenlosen des ewigen Daseins. Ich frugden Ewigen Meister, was Er hierzu sprche? Er antwortete:Frage diesen Meister, wie es geschah, da ber die Apostel,nach so langer Gebrechlichkeit, eine groe Khnheit kam, dasie des Heiligen Geistes empfingen. Frage, wo Moses war, als ernichts denn Gott sah. Frage, was es war, davon Daniel, das Kind,sprach.

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    Von der Erkenntnis und vom Genusse

    Liebe ohne Erkenntnis deucht die weise Seele eine Finsternis.Erkenntnis ohne Genu deucht sie eine hllische Pein. Genuohne Tod kann sie nicht anklagen.

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    Von der verbrannten Liebe (VI, 25)

    Eya, lieber Herr, erbarme Dich seiner, der hier verbrannt ist inDeiner Liebe, fern und verloren in Deiner Demut und allenDingen zunichte geworden. Gott spricht: Meine Gottheit hat

    Dich verbrannt, Meine Menschheit hat Dich erkannt, MeinHeiliger Geist hat Dich arm gemacht und Dich geheiligt. Dieviel lieben, schweigen gerne. Die nicht lieben, sind der Liebeferne.

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    Die Wste

    Du sollst die bunten Dinge fliehn. Du sollst das Nichts lieben.Du sollst einsam stehn. Du sollst zu Keinem hingehn. Du sollstin whrender Un-Ruhe sein. Du sollst von allen Dingen frei

    sein. Du sollst die Gefangenen los binden. Die Freien zwingen.Du sollst die Siechen laben. Aber selber sollst Du nichts haben.Du sollst das Wasser der Pein trinken und das Feuer der Liebeaus Holze der Tugenden flammen lassen. Also wohnest Duwahrlich in der Wste.

    Gott spricht: So man Dir Ehre bietet, sollst Du Dich schmen; soman Dich peinigt, sollst Du Dich freuen; so man Dir Gutes tut,sollst Du Dich frchten; so Du wider Mich tust, sollst Du Dichbetrben von Herzen. Magst Du Dich nicht betrben, so sieh,

    wie tief und wie lange Ich durch Dich betrbet war.Du sollst ein Lamm in der Pein sein, eine Turteltaube, eineBraut. Du bist Mein Lamm um Deine Pein. Du bist MeineTurteltaube um Deine Seufzer. Du bist Meine Braut um DeineSehnsucht.

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    Gott und die Seele unterreden sich

    Die Bosheit Deiner Feinde soll Dich schmcken. Die TugendDeines Herzen soll Dich verklren. Deine guten Werke sollenDich krnen. Unser Zweier Liebe soll Dich erhhen. Mein

    wunderbarer Zauber soll Dich heiligen.

    Oh! Viellieber! Unschuldiger Schmach lftet mich. Nachherzlicher Tugend verlangt es mich. Gute Werke habe ich,leider! nicht. Unser Zweier Liebe verderbe ich. Deines schnenZaubers bin ich ganz unwrdig.

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    Gott rhmet sich um die Seele, die vier Snden berwunden hat

    (I, 38)

    Gott rhmet sich im Himmel-Reich der liebenden Seele, die Erauf dem Erd-Reich hat, und spricht: Seht! wie sie gestiegen

    kommt, die Mich verwundet hat. Sie hat den Affen der Weltvon ihr geworfen. Sie hat den Bren der Unkeuschheitberwunden. Sie hat den Lwen des Hochmuts unter ihre Fegetreten. Sie hat dem Wolf der bsen Gier seinen Bauchzerrissen. Seht! nun kommt sie, flchtiger Sohle, wie eingejagter Hirsch, nach dem Bronn, der Ich bin. Sie schwingt sichauf, gleich einem Aar, aus dem Tiefen in die Hhe.

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    Wie der Liebes-Wunde gesunde

    Hat Dich die brennende Liebe verwundtdann ksse Du denselben Mundvon dem Deine Seele ist worden wund:

    so wirst Du zur gleichen Stunde gesund.

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    Von sieben Gaben eines Bruders

    Die Seele ist grund-los in ihrem Verlangen;brennend in der Liebe;anmutig in ihrer Lebendigkeit;

    Spiegel der Welt;zierlicher Gestalt;in Gte hilfreich;gesammelt in Gott.

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    Von siebenhand Vollkommenheiten

    Gerne ungeehrt;gerne ungefrchtet;gerne allein;

    gerne still;gerne unansehnlich;gerne gepriesen;gerne der Creatur gemein.

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    Zwischen Gott und der Seele soll die Liebe sein

    Zwischen Gott und Dir soll die Liebe sein.Zwischen Dingen der Erde und Dir soll Furcht und Zittern sein.Zwischen Snden und Dir soll Ha und Streit sein.

    Zwischen dem Himmel-Reich und Dir soll whrendes Hoffensein.

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    Von siebenhand Gottes-Liebe

    Die wahre Gottes-Liebe hat sieben Wege:

    Die frhliche Liebe tritt auf den Weg.

    Die bange Liebe nimmt Mhsal auf sich.Die starke Liebe gibt sich dem Werke hin.Die liebende Liebe nimmt sich keines Ruhmes an.Die weise Liebe ist erkenntnis-reich.Die freie Liebe lebt unbekmmert,die gewaltige in Seligkeit.

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    Vom lieben und Erkennen

    Die erkennen wollen und wenig lieben, bleiben beimanhebenden Leben stehen; frchte, ob Gott dies wohlgefalle.Andchtige Liebe und schlichtes Erkennen werden groer

    Dinge inne. Andchtige Einhalt ist eine Arztin aller Weisheit.Sie macht, da der Weise sich wie ein Tor ist. Wenn Einfalt desHerzens in der Weisheit seiner Vernunft wohnt, vollendet sichdes Menschen Seele.

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    Unterweisungen

    Nichts kommt an Gre so gleich der bergroen Gottes-Gredenn die sndige Gre meiner Bsheit.

    Das ist grundlos, da Gott den Snder ansieht, als wre er inseinem Willen umgekehrt. Und Gott trgt alle Last, die du umSeine Liebe auf dich nimmst, und so du einen treuen Willenhast, Ihm zu dienen, eile hin zu Ihm, und hte dich zurck zusehen.

    Was mehr wiegt, mu mehr gelten.

    Unser Herr spricht: Meine wunderbare Gabe gibtWunderbares dem Menschen an Seele und an Leibe.

    Kniges Speise sollst Du keinem anrichten, dessen irdische

    Notdurft noch nicht satt ist. So wir in schwere tgliche Sndesinken, erlischt unser schnes Himmel-Blicken.

    Es ist Not, da junge Brder kommen. Denn wenn der Mantelalt ist, ist er auch kalt.

    Da er sich der Gnade enthlt, die von Gott kommt, ist einesgeistlichen Menschen Beichte.

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    Versuchung, die Welt und unser Ende prfen uns

    Niemand wei, wie fest er stehe, er habe denn in Versuchungdes Leibes bestanden.

    Niemand wei, wie stark er sei, es sei denn die Bosheit der Weltbei ihm zu Gaste gewesen. Niemand wei, ob seine Tugendmchtig gewesen sei, es sei ihm denn ein gutes Ende geworden.

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    Du sollst Dein Herz prfen mit demtigen Worten, ohne

    Unterla

    Ich wei Keinen also vollkommen, da es ihm nicht not tte,ohne Unterla sein Herz anzusehen und zu prfen, was

    darinnen wohne und, bekmmert, sein Werk zu schelten, seinganzes Werk. Und soll es tun mit demtigen Worten. Dieseslehrte mich Gottes Stimme, weil mein Werk nie so gut war, daes nicht vollkommener htte sein knnen.

    Dies ist mein Schelten, also schelten wir unsre Schwche: Eya,Du schlechteste aller Kreatur! wie lange willst Du Deinverderbliches Gewhrenlassen in Deinen fnf SinnenHerbergen? Unsre Kindheit war tricht, unsre Jugend wirdangefochten: wie wir berwunden haben Gott ist es offenbar.

    Und mein Alter, oh weh! leider! auch mein Alter mu ichschelten, denn seine Werke sind prunkend und unfruchtbar,und es ist kalt und Gnaden bar. Es ist unmchtig, da es derJugend nicht hat, die brennende Gottesliebe zu tragen. Es istWeh leidig, denn geringe Pein, deren die Jugend spottet, tutihm sehr weh. Doch ist gutes Alter gerne geduldig und gibt esGott anheim.

    Vor sieben Jahren klagte ein betrbter alter Mensch diesenSchaden Unserem Herrn. Da antwortete ihm Gott also: Deine

    Kindheit war eine Gesellin Meines Heiligen Geistes. DeineJugend war eine Braut Meiner Menschheit. Dein Alter ist nuneine Haus-Frau Meiner Gottheit.

    O weh, lieber Herr! was hilft, da der Hund bellet; dieweil derWirt schlft, bricht der Dieb in sein Haus: erweckt aber dochmanchmalen das Gebet des reinen Herzens selbigen totenSnder. O weh, Snder! wie bitter mu man um Dich weinen,denn Du bist ein Mrder Deiner selbst und ein Verderb allerGte, aber Gewinn bist Du ihr auch. Gutem Menschen bistDu groer Gewinn. Wenn er sieht, wie ein anderer bse wird

    oder in Snde fllt, so wird er besorgt und htet sich, da er insolche Not nicht komme. So wird der reine Menschvollkommener durch bse Dinge und nimmt zu an gutenWerken, aber den bsen machen sie rger und rger. Wenn erBilder der Verderbnis sieht, wird er also bse, da er gutemWerk und reinen Menschen absagt, und seine eigene bseKlugheit wird ihm lieb und lieber.

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    Mein lieber Schul-Meister, der dieses Buch in mein armesunweises Herz gesprochen hat, lehrte mich auch dieses: Was derMensch tue ist er nicht wahrhaftig, so sollst Du ihm nichtheimlich sein. Ich kenne einen Feind, so die gttliche Wahrheit

    aus der Menschen Herzen tilgt. So man ihn dort Herbergenlasset und der Mensch ihm seinen Willen hingibt, schreibt erseine lgnerische Weisheit dem Menschen in sein Herz undspricht: Ich bin von Natur zornig und krank. So kannst DuDich nicht frei reden, nicht vor Gott, noch vor DeinemGewissen. Die Gnade wird zu Dir kommen und Dich sanftmtigund stark machen. Ich habe keine Gnade. Dann sollst Du,Gnade-los, den gndigen Gott anrufen mit demtigen Trnenund, heiligen Verlangens, in whrendem Gebete, und derWurm des Zornes wird sterben. Du sollst Dir selber Gewalt tun,

    dann darf nicht Gott noch irgendeiner mit peinlicher GewaltDich berkommen. Der Wurm des Zornes wird zunichte.Wollen wir unfern Zorn und unsre Unvollkommenheit durchGott berwinden und austreiben, so mssen wir, so uns dieSnde versucht, schweigen und verborgen bleiben und vor denLeuten unsre Gebrden frhlich und unbekmmert sein lassen.

    Oh! weh! Arme. Solange wir in Zorne strmen, haben wirnichts Gutes an uns. Und so wir dann wieder zu unserm Herzengehen wollen, mssen wir uns unsrer Verderbnis schmen.

    Denn dann hat der Zorn unsre Kraft verzehrt und unser Fleischdrre gemacht und unsre edle Zeit, damit wir Gott dienensollten, haben wir verloren. O weh! das ist ein ewiger Schade.Aber o weh! die sndigen Trnen reuen mich, die man weint inhochmtigem Zorne. Selbige Trnen machen also finster dieSeele, da es dem Menschen nicht mehr mglich ist, reineDinge rein zu genieen.

    Aber die Trne des Bereuenden ist heilig, also heilig, da eingroer Snder, so er um alle seine Snde eine Reuetrne weinte

    und so bereuend bliebe, nicht in die ewige Hlle kme. Wieklein die tgliche Snde sei, die ein guter Mensch an ihm hatund nicht lassen kann, dieweil er lebt: stirbt er also, ohneBeichte und Bue, so mu er, sei er gleich der Heiligste, einzum bittren Fegefeuer. Denn, Gottes Gerechtigkeit und Zornvor der Snde ist nicht geringer als Sein Erbarmen.

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    Von drei Weisen der Reue und zehenhand Gabe und vom Weg

    der Engel und der Teufel

    Es sind drei Weisen der Reue, dadurch der Snder umkehrenkann zu dem Zeichen, uns, so die Snden zerbrachen, gegeben

    am Kreuze.

    Der ersten: Bereuen der Schuld, ist dreier Hand verliehen.Bitterkeit in dem Herzen, daraus die Snde geflossen ist, Schamin den Sinnen, die der Snde Lust gebt haben, und da derMensch, so sich verbset hatte, nun Beispiel eines reinen Lebensgibt. Diese Reue vershnt den himmlischen Vater mit dersndigen Seele und erlst sie von der ewigen Hlle Pein.

    Die andre Weise ist: in Buetun zu bereuen. Selbiger ist wiederdreierhand verliehen. Harte Mhe und stete Sicherheit und

    herrlicher Sieg ber alle Versuchung. Diese Reue erlst denSnder vom Fegefeuer.

    Die dritte Weise ist Reue der Liebe. Sie hlt allein Gott Treue.Ihr ist leider, da Gott Unehre geschehe, denn ihr Schade oderihr Herzeleid, und wollte lieber mit Leib und Seele zur Hllefahren, ehdenn sie ihren Lieben mit einer Todsnde betrbenwollte. Diese Reue der Liebe heiligt und vollendet denMenschen alsolange er auf dieser Erde ist und im Himmelreichmacht sie ihn herrlich vor Gott.

    Wenn die selige Seele auf dieser Hhe steht, ist ihr Gott ber ihrselber lieb und die Snde auf das hchste leid. Dem Seligen, sodiese drei Weisen der Reue hat, verleiht Gott, hier auf derdunklen Erde ohne La einen Schein und Abglanz Seinesfeurigen Geistes aus der Heiligen Dreifaltigkeit in seinerliebenden Seele zu empfangen, gleich einem schnenSonnenstrahl, der, schwebend, aus der heien Sonne auf einenneuen goldfarbenen Schild scheint. Der Wider-Blick Gottes undder liebenden Seele, der in groer Lust aus ihrer Beider Wesen

    bricht, hat so groe Kraft und so hellen Schein, vor allen, so imHimmelreiche, im Fegefeuer und in der Hlle sind, da diehchsten Engel, Cherubim und Seraphim, in groer Liebeentbrennen, und nieder wandeln in selbigem Schein, und derliebenden entflammten Seele heimlich werden. Das ist der edlenFrsten Weg zu der gefangenen Seele in diesem armen Leibe,denn Gott hat der liebenden Seele und dem Engel Seraphim

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    eine vllige Natur gemacht aus angeborner Keuschheit undbrennender Liebe. Aber die angenommene Keuschheit,geschmckt und durchleuchtet von dem flieenden Feuer dergttlichen Liebe, bleibt den Seraphim. Von selbigen fliet eine

    feurig klare Lust der Liebe hernieder, denn sie flammen auf, sosie lieben. Weil sie ganz in Liebe brennen, bricht aus ihnenedler Glanz. Die Engel, in der Taufe uns gegeben, drfen nichtder brennenden Liebe pflegen, denn Gott hat ihnen nicht dieGlut verliehen. Sie sollen nur unserer Tugend hten.

    Ihre adlige Gegenwart und unseres Gemtes bester Willeheiligen alle unsere Werke und machen unsere Sinne von desTeufels bsem Einspruch und seiner Gewalt frei. Und denstarken, feurigen Glanz, der hochglhend aus der HeiligenDreifaltigkeit in die liebende Seele fliet, frchten die Teufel,also, da ihrer keiner durch die heilige Flamme brechen darf.Da ihnen ein sterblicher Mensch, so er Gott vereint ist, dieWege der Lfte, von Gott ihnen verliehen, zerbrechen kann, istihnen tiefe Schmach. Die Wege, die ihnen ihre Bosheit baut,drfen sie fahren, aber wo sie einer liebenden Seele gewahrwerden, mssen sie unter die Erde fahren. Auch die Luft drfensie nicht besudeln, so sie da Seliger finden, die in Wahrheitohne Todsnde leben. Und mssen sich von der Snde nhren,die sie uns bringen. Und so wir im Glauben in unserm Innersten

    zu Gott aufsteigen, verlieren sie alle ihre Macht und mssen unsfliehen.

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    Von zwei Wesen der Pein, und von vierhand Gabe, und von der

    groen Schar der Snden

    Ich danke Gott aller Gte und klage ber mich selber alsolangeich lebe, denn unverdient gibt Gott nicht die Gabe der Pein.

    Dieweil der Mensch sndigen kann, ist ihm die Pein also notwie die Tugend. Die Pein ist eine wundervolle Gnade, demMenschen von ihm selber durch Gott verliehen. Die Pein aber,die wir von Gott aus Hnden seiner Feinde oder Freundeannehmen, ist also viel edler, als Gott edler ist als alle Pein.Kristus erlste uns durch die Pein, die Er selber auf sich nahmund lehrte uns, wie wir Ihm dienen sollten in Ringen und Pein.Aber das war die Pein, Ihm, den Schuldlosen, von SeinenFeinden auferlegt, dadurch Er uns erlste, und das furchtbareEnde in Schmach, da keiner Sein lieber Freund war, denn eineJungfrau alleine. Maria Seine Mutter, in Wahrheit SeinemInnerlichen Eines, Maria allein stand Seinem ueren Lebenbei.

    Da mich ohne Treue Verdru an meiner Pein berkam, gabGott mir Trost und sprach: Nun siehe, der Pein kann keinerentbehren, denn sie lutert den Menschen von Stunde zuStunde und nimmt ihm seine vielen Snden. O weh! da sahich mit uns gehen einen ungeheuren furchtbaren Zug unsrervielen Snden, also, als wren alle Berge, alle Steine, alle

    Regentropfen, alles Gras, Bume, Laub und Sand lebendigeNaturen und stritten wider uns und wollten uns festhalten, aufda wir nicht zu Gotte aufstiegen. O weh ihrer, die ber alleWorte ist, der furchtbaren, der Snde aus Niedrigkeit geboren.Gegen selbige aber wird uns hier die Pein gegeben, die,schamvoll verborgen, unser armer Leib, trgt. Das Andre, dasBittere der Pein, beschirmt uns vor dem zuknftigen Fall, davorein reines Herz, mit Gottes Geist genhrt, in Furcht erbebt. Dasdritte, das Adlige der Pein, macht uns wrdig Gottes Gnade

    anzunehmen, denn wenn ich allen Trost dieser Erde, meinGemach und meine Notdurft in Furcht und Beben undbekmmerten Herzens empfange, so ist Gott, mich zu trsten,da.

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    Von zwei ungleichen Wegen. Der eine strzt zur Hlle, zum

    Himmel steigt der andre auf

    Reichtum vergnglicher Dinge ist ein verrterischer Gast heilige Armut trgt vor Gott kostbarste Last. Eitelkeit vergit

    ihren Schaden. Treue geht mit Flle der Tugend beladen. Dumpfe Torheit ist ihr selber genge. Weisheit findet nieZiel ihrer Flge. Zorn verzehrt die Seele mit groer Finsternis ser Sanftmut sind alle Gnaden gewi. Hochfart will dasBeste haben. Demut will nicht ruhen gehn sie drfe dennaller Kreatur zu Dienste steh. Leere Ehre ist vor Gott taub undblind Schmach ohne Schuld macht heilig alle Gotteskind.Falschheit hat den schnsten Glanz Vollkommenheit wirdverschmhet ganz. Gier hat einen bsen Mund lieblicheBescheidung ruht in sem Grund. Trgheit verliert reichenSchatz heiliger Flei sucht nicht zu sehr sein Gemach.Untreu gibt immer bsen Rat hohe Treue versumt nie guteTat. Ein wahrhaft Geistlicher darf sich an Keinem rchen gezhmtes Herz will immer Frieden brechen. AndchtigesHerz kann nichts Bses begeh verdorbener Wille willkeinem zu Dienste stehn. Verderbnis hat von Natur einen bsenGrund gttliche Gnade das Antlitz lieblich und einen senMund. Weltliche Herrn sind gerne hochgeacht geistlicheSeele tut weltliches Ansehn in Acht. Heimlicher Ha hat

    hlichen Mund Liebesflle sindt den Gottesfund.Tckischen Trug wirst du dem Hasse nah sehn heiligesErbarmen soll allein bei Gotte stehn. Lge ist auen schn undinnen frchterlich getan des sehen sie ihre Gesellen mitsen Augen an. Die Wahrheit ist verstoen und geht verachtethin dir wird, wenn du sie liebst, gleich Jesu Schmachverlieh. Ha schwlt im Zorne stets und ohne Unterla Liebe brennt unverwundt, wird auch in Pein nicht la. Die bseAbergunst hat Gottes Mildigkeit reines liebevolles Herzfreut sich an aller Seligkeit. Nachrede hat vor Menschen Scheu

    vor Gott schmt sie sich nicht, der doch alle Dinge sieht inSeiner Weisheit Licht. Zweifel ist ein bses Fallen echtesHoffen bewahrt sich allem. Falscher Trost wird nimmer froh die wahre Schuld betrbt ihn so.

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    Unser Herr, da Er mir solches gewiesen hatte, sprach: Wer desdenkt, wie voller Gte Ich bin, hlt fest an Mir. Dazu hilf uns,Herr! Dir zum Ruhme!

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    Von der Rute

    Als ich ins Kloster kam, nicht lange darnach, ward ich alsoheimgesucht von Siechtum, da es meine Schwestern erbarmte.Da sprach ich zu Unserem Herren: Lieber Herr, was willst Du

    mir mit dieser Pein? Antwortete Unser lieber Herr also: AlleDeine Wege sind gemessen, alle Deine Fuspuren sind gezhlt,Dein Leben ist geheiligt, Dein Ende wird frhlich sein, undMein Reich ist Dir sehr nahe. Herr! Da so unvollkommenmein Werk ist: warum ist meine Seele geheiligt? Da sprachUnser Herr: Weil Meine Rute nie von Deinem Rcken kam,darum ist Dein Leben geheiligt.

    deum laudamus, wir preisen Gott, Unseren Herrn, darum da Eralso gut ist.

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    Vom Leiden um Gott

    Eya, lieber Herr! Jesus Christ! Der da ist ein ewiger Gott mitdem ewigen Vater, gedenke meiner. Ich danke, Herr! Dir Deinelieben Gaben, damit Du mich anrhrst ohne Unterla, die mein

    Gebein und meine Adern und mein Fleisch durchdringen.Wenn ich Dir darum, Herr! in andchtiger Dankbarkeit dankenkann, bin ich sicher, und anders nicht. Du kannst wohl michNiedrigen niedrig halten, denn, Herr! was Du mir willst, ist gutund besser denn gut; und manches Ding heit gut und ist nichtso gut wie Deines, das Du mir tust. So Du mich aber anrhrstmit Deiner berherrlichen Se, Seele und Leib mir anrhrstund bezauberst, dann frchte ich mich, ich atmete allzuvielDeiner gttlichen Wollust, frchte mich, weil ich ihrer auf derErde nicht wrdig bin. Darum bitte ich Dich dann fr andereLeute mehr denn fr mich und mchte um Gottes Liebe undkristliche Treue mich meiner Wollust begeben. Darnach frchteich, es mchte der Hochmut in mir aufstehen, der den hchstenEngel aus dem Himmelreiche warf. Ich frchte auch dieSchlange eitler Wrde, die Eva betrog und frchte den Verrat,so Judas von Gotte schlug. Bin ich Gotte treu, so fhrt michmeine Tugend zu Gott, und ich stehe bei Ihm, beschirmt, mitSeiner jung fraulichen Mutter.

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    Von geistlicher Speise

    Nach bittrem Trank bedarf man wohl sanfter Speise. Dasemporstrmende Verlangen und die sinkende Demut und diestrmende Liebe: diese drei Jungfrauen geleiten die Seele hinauf

    gen Himmel, vor Gott, also, da sie ihres Lieben gewahr wird.Sie spricht: Herr! ich klage darum, da Du so sehr angefochtenwirst, von was Du am liebsten auf der Erde hast: vomChristenmenschen. Herr! ich klage Dir, da Deine Freunde sosehr gehindert sind von Deinen Feinden. Lieber Herr! Haben siedie rechte Gte an ihnen, so verzehren sie in Lust alles, wasber sie kommt ohne Snde, und erkennen Gott darin. Darum ruft laut die Pein: Es ist ser, der Mensch sei nach demWillen Gottes ungetrstet, denn da er getrstet sei nachseinem eigenen, und das ist ber allem Gottes-Dienst. GottesWille ist makellos, sehr gemischt mit Fleische ist unser Wille. SoDu leidenschaftlich liebst in Deinem Innerlichen, wird Deinueres Leben gestillet, denn alle uere Arbeit strt deninnewendigen Geist. Da also innewendig der Geist singt, gehtber alle Stimme dieser Erde.

    Die Geduld singt schn und schner als aller Engel Chre, denndie Engel haben keine Geduld, weil sie nicht Pein fhlen. Dieshat uns die Menschheit Unseres Herren verliehen, dazu alleWrde, durch die uns Gott auf dem Erdreich geehrt hat und die

    uns im Himmel verklren wird. Die adligen Mhen UnsresHerren und Seine heilige Pein haben unsre kristlichen Mhenund uns willig angenommene Pein geadelt und geheiligt,gleichwie mit dem Jordan, der Unseren Herren taufte, allesWasser heilig wurde.

    Eya, lieber Herr! Hilf uns, da unser heiliges Verlangenniemalen mde werde, und unsre sinkende Demut sich nicht alsHochmut aufrichte, und da die lohende Flamm der heiligenGottesliebe hier auf der Erde unser Fegefeuer sei, das unsere

    Snde verzehre.

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    Von Gottes Erbarmung, wie Er versucht wird, und von Seiner

    Gerechtigkeit

    Ich hrte und erfuhr so grundlose Erbarmung Gottes, da ichsprach: Herr wie kann dies geschehen? Ist Deine Erbarmung

    Deiner Gerechtigkeit Geno: wie ist Deine Gte also gro? Der Herr antwortete also, sprach ein liebes Wort: Ich sage Dirbei Meiner gttlichen Wahrheit, da ihrer mehr sind in derheiligen Kristenheit, die aus ihrem Leibe zum Himmel fahren,denn die zur ewigen Hlle fahren. Die Gerechtigkeit lasse Ich inihrer Gewalt. Was ihr in Schuld verfllt, benehme Ich ihr nicht.Doch will Ich zum ersten als Vater zu der beladenen Seelekommen, habe Ich des Edlen auch nur ein Kleines von ihrvernommen. Das kommt von der tiefen Versuchung, die Mirnach Meinen Kinden lebt.

    Da sprach die Seele: Eya Viellieber, wollest mir von DeinerVersuchung sagen, auf da mein Verlangen Deiner Lustbegegne.

    Unser Herr antwortete: Nun hre, wie Ich versucht bin. MeineGte und Meine Milde, Meine Treue und Meine Erbarmungzwingen Mich, also, da Ich sie lasse flieen ber die Berge desHochmuts, ber die Tler der Demut, ber die Bsche derEntfremdung und ber die geraden Wege der Reinheit. Und

    noch strker zwingt Mich Meine Gte als den bsen Menschensein zorniges Gemte, und grer ist Meine Ge, rechtigkeit alsaller Teufel Bosheit.

    Da sprach die Seele: Herr, Deine Gerechtigkeit ist so lieblichzusammen mit Deiner lebendigen Wahrheit, da sie mir tiefeFreude gibt ohne Herzeleid, und, wo sie ihr begegnet, freut sichdie Wahrheit.

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    Gottes Erwhlung kann keiner stren. Wahrer Reue gibt Gott

    Gnade und Freiheit vom Fegefeuer

    Ein betrbter Mensch bat mich, ich mchte fr ihn beten, undich tat es, furchtlos. Da erhrte mich Gott und gab mir. Seiner

    zu schauen und Seine Worte zu hren und Seine wahre Stimme.Gott sprach: Es ist kein Lamm so wei und rein, als da seinGewand unbesudelt wre. Aber Ich habe gezeugt, mit dreiZeugnissen habe Ich dessen Zeugnis abgelegt, da MeinerErwhlung keiner wehren darf. Das erste: Ich war barmherzigber alle Schuld. Das andere: Ich habe ihm meine Gnadegegeben. Das dritte: Ich habe seinen bsen Feinden gewehrt, dasie ihm Gewalt taten. Da klagte ich so Seinen Ohren: Herr, erfrchtet noch sehr, Du habest ihm Seine Schuld nicht gnzlichvergeben. Gott antwortete: Das wre unmglich. Dem seineSnde leid ist vergebe Ich sie; den sie mit Jammer reut entshntMeine Gnade. Den sie reut, also, da er eh seinen Leib gbe,denn er tte der Snde frder, diesen, so er stte bleibt, verltseine Schuld und wird ihm nicht mehr zu Pein nach seinemLeibe.

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    Von zweierhand Leuten, so zwei Weisen des Geistes verliehen

    sind. Von Gott und von dem Bsen. Von sieben Weisen der

    Liebe

    Nun will ich euch erzhlen von einer chten geistlichen

    Schwester und von einer weltlichen Begine, so ein Gesprchzusammen hatten. Die geistliche Schwester spricht aus demwahren Licht des Heiligen Geistes, gestillten Herzens; aber ausder Begine spricht Geist ihres Fleisches und, Entsetzen! Lucifer. Zweierhand geistliche Leute sind auf dieser Erde,zweierhand Geist wird aus ihnen geboren. Gott gibt SeinenHeiligen Geist den reinen Geistern, die reinen und beharrlichenWillens leben. Da kommen zwei reine Elemente zusammen: diegroe Flamme des Gttlichen und das flieende Wachs derliebenden Seele. Hast Du da in reines Suchen nach whrenderDemut, so stammst Du auf, als schnes Licht, und strahlst insUnbegrenzte. O! liebende Seele! da wirst Du reich, also, dakein Ding Dich arm machen kann, und verlierst wieder DeinenBesitz und wirst ganz arm. Demut macht reich, in Anmut undZchtigkeit wirst Du adlig und hochgeboren, lieblich und desPreises wrdig wirst Du durch die Liebe und zum Gttlichenerhoben durch Verschmhung. Dessen denke geistlicheSchwester, und Du wirst heilig bleiben, so Du Dich durch keinDing Deiner strengen Zucht rauben lassest.

    Der Teufel gibt auch seinen Geist den Geistern, die in Zorn undbser Gier allem rgsten sind bereit. Sie wissen nicht, wasLiebes Liebe gibt. Ihr Ha macht sie arm und Teufels List, also,da ihnen versagt ist, Gottes Liebe zu erkennen und gehorsamzu sein. Die groe Liebe schwingt sich zu Gott als whrendesLob; sehnschtige Liebe macht reinen Herzen viel se Not; diesuchende ist selig sich selber alleine; die weise macht sich derCreatur gemeine; die glhende Liebe ist noch vermischt mitTraurigkeit; die schweigende Liebe geniet ohne Arbeit: oh!

    was sie stille wirkt, davon der Leib nichts wei! Die lautereLiebe ist in Gott allein stille; sie haben beide einen Willen, undleine Creatur ist so edel, die sie hindern knnte. Dies hat dieErkenntnis aus dem ewigen Buche geschrieben. Gold wird oftmit Kupfer verschndet. Also tun Untreue und Eitelkeit an desMenschen Seele, da sie alle Tugend auslschen. Der unedlenSeele, die so starke Liebe zu zergnglichen Dingen trgt, da sie

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    die Liebe nie erschrack, und da Gottes Liebe nie in ihr sprach:o weh! leider! der ist dieses Leben traurige Nacht.

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    Vom Gerichte, und wie der Mensch sich prfen, und wie er

    weinen soll um sich. Von zwei goldenen Pfennigen und von

    gutem Willen und von Verlangen

    Wer dieses erkannt hat, klage und weine mit mir. Wenn die

    auserwhlten Gotteskinder oft Gottes Leib nehmen undandchtig empfangen, entzndet sich in Scham mein Gewissenund treibt mich, in mein Haus des Gerichts zu gehen. Da kommtmeine Geringheit und rhrt mich an und mein Unflei undspricht mich schuldig, kommt die Niedrigkeit meinesunfruchbaren Lebens und bekmmert mich, die gttliche Angstund geielt mich, und ich, so vor Gericht gestellt, ich kriechehin wie ein kleinkleiner Wurm auf der Erde und verberge michin dem Gras meiner whrenden Versumnis, und sitze da, undschreie auf gen Himmel: Eya, barmherziger Gott! Gnne mir,heute teilzuhaben an der Gnade, so Deine Auserwhltenempfangen haben. Unser Herr antwortete: Nimm zweigoldene Pfennige, gleich schwere, geh damit kaufen. Gelten siegleich viel, so sind sie gleich gut. O weh, lieber Herr! Wiekann mein verderbtes Wesen Deiner Gte gleich sein! Denn ichbin nicht, wie ich es Dir, auf da Du geehrt seiest, wohl gnnte.Ich habe nichts was Dir anstnde, und an keinem Ding dieserWelt hat meine Seele Trost gefunden. Also bin ich verworfenund migetaner ge worden. Und bin nicht wie ich lange

    verlangt habe. Unser Herr spricht: Mit gutem Willen undheiligem Verlangen kannst Du bezahlen was Du willst.

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    Wie ein Mensch sein Herz prfen soll, ehdenn er zu Gottes

    Tische geht

    Ihr wollt unterwiesen sein von mir, die ich ungelehrt bin. Ineuern Bchern findet ihr tausendfach wonach euch verlangt.

    Wenn ich Arme zum Tische meines Herrn gehe, Seines Leibeszu empfangen, so sehe ich das Gesicht meiner Seele im Spiegelmeiner Snden an. In selbigem Spiegel sehe ich mich, wie ichgelebt habe, wie ich lebe, wie ich leben werde. In diesemSpiegel meiner Snden sehe ich nichts denn o weh und o weh!Dann strze ich auf die Erde und verberge mein Gesicht auf derdunklen und weine so ich kann, weil der ewig unbegreiflicheGott also gtig ist, da Er sich in die schmutzige Dunkelheitmeines Herzens neigen will. Und denke, es wre gerecht und

    billiger, man zge an einem Galgen hinauf meinen Leib wieeinen Dieb, der seinem guten Herrn einen edlen Schatz geraubthat, den edlen Schatz der Lauterkeit, den mir Gott in derheiligen Taufe gegeben hat.

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    Von sieben unverborgnen Feinden unserer Seligkeit, so uns

    siebenfachen Schaden tun

    Da wir trge sind und wesenlos und in Bsem wohnen, tut unsschlimmen Schaden, und wenn Du Dich, verlangend, zur Erde

    beugst, raubt sie Dir das gttliche Wort, und manche grausameTode sterben wir, wenn uns der bse Mut unsrer Willkr mitKriege anfllt, und Ha im Herzen teibt den Heiligen Geist aus,und zorniger Mut stiehlt uns unsre Heimlichkeit mit Gott,falsche Heiligkeit kann nie bestehn, lautre Gottesliebe ankeinem vergehn. Flchten wir nicht vor diesen Feinden, sienehmen uns mehr als das Himmelreich; denn: da wir heiligleben, heilig hier das ist ein Vor-Himmelreich. Gnnen wiruns aber diesen Feinden und ihren Listen und ihrer Gewalt, sorauben sie uns die sieben Gaben des Heiligen Geistes undlschen in uns das groe Licht der wahren Liebe zu Gott. Undverbinden uns die Augen der Heiligen Erkenntnis und,geblendet, fhren sie uns in die sieben Todsnden. Und geht derWeg anders wo hin denn in den ewigen Abgrund?

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    Wie der Mensch, der die Wahrheit liebt, bitten soll

    Der Mensch, der die Wahrheit liebt, bittet gerne also: Eya lieberHerr! vergnne und hilf mir, Dich ohne Unterla zu suchen mitallen meinen Sinnen, andchtig, in allen Dingen, denn ich habe

    Dick erkoren ber allen Herren, und habe Dich ber allenFrsten erkoren, meiner Seele Brutigam. Und gib mir, Herr!Dich zu finden in allem meinem Verlangen, brennendem underloschenem. Ich verlange danach, Herr! Deiner zu genieen inaller Deiner Gabe mit strmender Liebe. Gib mir, Herr! Deinenreichen Wieder-Flu, erflle meinen Mund, also, da mir PeinVerschmhung Bitterkeit immer Sanftes tue. Das soll mir durchDeine Gnade immer geschehen; milder Gott, nun gewhr esmir. Hilf mir auch, Herr! da ich meinem Willen absage nachDeinem Verlangen, dann bleibe ich Dir und der Liebe,unerloschen, immer mehr.

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    Willst Du Gott in Wahrheit folgen, mut Du sieben Wege

    gehen

    Wer Gott in ernster Arbeit folgen will, darf nicht stillestehn; ersoll tiefes Verlangen tragen; er soll seiner denken, wie er in der

    Snde ruhte und ob er nun die Tugend besitze und da erwieder fallen knne. Er soll klagen und preisen und stehen, Tagund Nacht. Erwacht die treue Braut, so denkt sie ihres Lieben;versagt er ihr sich dann, so geht es an ein Weinen. Eya! wie sehrdas, geistlich, Gottes Bruten geschieht.

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    Zwischen Gott und der liebenden Seele sind alle Dinge schn

    Wenn die Seele in den ewigen Spiegel sieht so spricht sie: Herr!zwischen Dir und mir sind alle Dinge schn, und zwischen demTeufel und seiner Braut der verdammten Seele sind alle

    Dinge scheulich und furchtbar, und wenn ber selbigeverdammte Seele die Erinnerung an ihren Herrn kommt, dannerschauert sie und alle ihre hllische Pein steht wiederum auf inihr und verzehrt sie.

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    Der Namen des Geistes soll verherrlicht werden. Wie die

    Schwestern beten und bitten sollen vor Gott

    O Namen des Geistes, um wie viel edler bist du, denn alleirdischen Namen. Darum wollte dich auch Jesus Kristus tragen

    und danach die Knige, Kaiser, Frsten und alle adliger Geburt.Die andern Namen werden ausgelscht, alle, aber der Name desGeistes, der geistliche Namen soll verherrlicht werden, so erhier edel getragen wurde. Ja, er soll heilig, wunderbar,geheimnisvoll erhht werden, zu unserem Bruder Jesus undMaria, unserer Schwester, als welche die ersten waren, so,verflucht von der Welt, selbigen Namen trugen. Wie mu ichklagen derer, die den Geist betrgen und mit heiligen Gebrdengehen und wie sehr demtig, und sich vor dem Gesicht derLeute mit schnen Worten schmcken, also, da es ist, als flein ihrem Innerlichen des Heiligen Geistes Flut, aus der es allesalso nach auen herausbrche. Nein! es ist, leider! eine schwereungestme Versuchung, da der Mensch, ob er gleich in seinemInnerlichen des Heiligen Geistes reife Geburt nicht empfindet,sich frechen Herzens, trge, eines guten Wortes anmat. Wie essich alsbald an selbigen Menschen zeigt, da sie uncht undGaukler sind, so sie, die taubenhaften Herzen sein sollten undsanft gleich dem Lamme, zornige Bren und brummende Lwenbei ihren heimlichen Brdern werden.

    So betrgt ihr Leben, schndlich, die Welt und ihre Brder undGott. O weh dir, wste Gier! Wie gram ist dir mein Herz! Denndu nimmst aus meiner lieben Schwester Innerlichem GottesSigkeit und nimmst ihrem ueren Leben Anmut undLieblichkeit, so sie dem wunderbaren Hochzeitsbett derHeiligen Dreifaltigkeit schmcken sollten. Das Innerlichemachst du hart und die Gebrden voller Trotzes und Unlust,also, da, so dir folgsam sind, in Spott und Zweifel verkehrendas Wort von der Seligkeit des Geistes. Nein, liebe Schwester,

    siehe. Du mut, zum ersten, liebevoller verlangender Sinnesein; also wird Dir ein williges Herz und eine offene Seelebereitet, die Gnade zu empfangen. Verlierst Du Dich allzugerne, ohne Not, an die vielen blinden Wnsche Deinesnatrlichen Wesens, wahrlich, so wird Dein hohes Verlangennach Heiligung lau werden, und Dir selber fremd undunbegreiflich Dein Entzcken vor dem Gttlichen, und der

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    atmende Zauber der Sigkeit Gottes wird erbleichen und Dichverlassen. O des Verderbens und der Unzucht, da einesKniges Braut nicht der Lust eines Bades in schlammigemWasser verschmht. Eya, Schwester, wenn Dein Gebet mchtig

    und voller Wahrheit sein soll, so gib Dich gnzlich Gott undsprich: Viellieber mein, Jesus Krist! Diese Stunde ist alleineDein, und der Armen, vom Fieber der Snde geqult, und allerchristlichen und bekmmerten Seelen und nicht mein. Allmeines Herzens Kraft und Mchtigkeit gebe ich Dir, Herr,heute, da Du, wie ich Dich flehe, Viellieber! so gerstet ihnenhelfen wollest. Und gib mir, Herr, da ich in Wahrheit ummich bekmmert sei, zu erkennen bis zum Grunde, wer ichselber sei. Und wenn Du zu Deinem Werke gehst, liebeSchwester, so segne Dich und sprich:

    Hilf mir Jesus, mein Herzenslieb, da ich meine Seele und Sinnetief in Dir verberge, also, da ich der Gier nach dieser Erde ledigwerde. D Schwester, hat Deine Vernunft Dich weise gemacht,so ficht Dich die Gier mit Ungestm an. Bist Du aber in derGnade wissend geworden, so wird Dich daS Bse Deiner Naturnicht mehr verfhren und verraten. Denn in der Gnade, vomGott lichen dem Herzen, das Ihm bereit steht, verliehen, findetman Gewiheit und um alle Dinge zu wissen. O kleine Mhe,vor den Leuten mit der Tugend prahlen. Aber Du gleichst einer

    Schlange Gift so Du die Wahrheit betrgst. Aber so Du DeinHerz rein brennst und luterst und wie ein Geringer gehst,siehe, so machst Du Dich Gott gemein.

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    Von zweierhand armen Leuten: die in Liebe und die in Angst

    arm sind

    Ich habe zweierhand arme Leute gesehen. Die Einen sind ausLiebe arm und frchten nur, es mchte ihnen zu viel dieser

    armen Erde werden. Die andern, die andern sind glcklos undbekmmert in ihrer Armut und laufen unruhig herum undstehen groe Angst aus, wie ihnen ein kleines werde dieserarmen Erde. Dem antwortet Unser Herr und spricht: Demngstlich Armen bin Ich gerecht. Denn, wrde ihnen vielirdischer Dinge, sie wrden nicht Meine Liebe lieben noch, daIch geheiligt bin, erkennen, und darum mu Ich sie mit demHrtesten gewinnen. Den in Liebe Armen gebe Ich mehr als sieverlangen drfen, denn Ich will sie durch die irdischen Dingenicht beschweren und bestecken lassen und will, ihr Herz steheimmer offen wider Mich und Ich knne ohne La undAufenthalt durch was Mein ist leuchten und scheinen.

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    Der Laien Opfer

    So die Laien opfern, sollen sie ihr Opfer vor bsem Geiz wahrengleichwie die Priester ihres vor geschwinder Gier; so ist esbeiden not. Denn der Laie soll sein Opfer mit groer Liebe in

    Gottes milde Hand legen und mit einer lachenden Seele. DerPriester soll es in demtiger Furcht und bebenden Herzen ausGottes Hnden nehmen und sein Tun soll es Gott zu SeinemRuhme wiedergeben. Denn das Gut dieser Erde betrgt dich, sodu es nimmst; aber so du es gibst, macht es dich wunderbar frei.

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    Von Gottes Leib, dem Siechen, dem Verlassenen und der Kraft

    Gottes kann keiner verlieren, es sei denn durch Snde.Umdeswillen konnte ich mit Vernunft und Glauben nichtbegreifen, da einer, so siech und verlassen ist, Gottes Leib

    nicht empfangen knne. Da frug meine Seele, vereint mit Ihmin der Liebe, Unseren Herren, wie es darumwre. Unser Herrantwortete: Du hast wahr. Er kann Meiner nicht verlieren denndurch Snde; aber sein Leib kann, krank, Meinen Leib verlieren. Bei diesen Worten sah ich in der Heiligen Dreifaltigkeit dieseUnterweisung: Wenn wir Gottes Leib empfangen, wird dasGttliche mit unserer schuldlosen Seele Eines, und mit unseremLeibe, mit unserem bsen Leibe vermischt sich GottesMenschheit, und der Heilige Geist findet seine Wohnung inunserem Glauben. Diese selige Einung sollten wir wahrhaftighten.

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    Es ist teuflisch da man sndigt

    Weise Meister wollen wahr haben, es sei menschlich, da mansndigt. Ich habe es immer so gefunden, in aller Versuchungmeines bsen Leibes und in jedem Gedanken meines Herzens

    und in aller Erkenntnis meiner Sinne ich konnte es nieanders finden, denn es sei teuflisch da man sndigt. Die Sndesei klein oder gro, der Teufel ist ihr Geno. Vielmehr:verderblicher denn all unser Menschliches ist uns dieTeuflischkeit, frech gewhlt und angenommen von einem bsenMut unseres freien Willens. Dieses ist menschlich: HungerDurst Hitze Frost Mdigkeit Schlaf Pein Jammer Versuchung.Diese Dinge litt, wahrer Mensch durch uns und um uns, auchKristus. Und wre die Snde alleine menschlich, so mteKristus auch gesndigt haben, weil Er wahrlich Mensch war.Aber Er war ein wahrhaftiger Mensch im Fleische, seineWeisheit gerecht, seine Tugend beharrlich, und der HeiligeGeist hatte diesen Menschen vollendet; und, darber, war Er einEwiger Gott in dem ewig Irrtumslosen und Wirklichen undnicht ein Snder. Und wir werden verworfen sein, und wird niegeschehen, da wir Ihm gleich werden, es sei denn, wir lebtenalso wie Er lebte.

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    Wie die kleine Snde der Vollkommenheit schadet und wie sie

    den Teufel der Seele nahe bringt

    Da sie kleine Snde so gering achten, hindert geistliche Leuteam meisten an ganzer Vollkommenheit. Wahrlich ich sage

    Euch: So ich mich versume mit einem Lachen das keinemschadet, oder mit einer Bitterkeit in meinem Herzen, verborgenvor Allen, oder mit einer kleinen Ungeduld, so ich Schmerzenleide, so werden meine Sinne also stumpf und wird meine Seelealso finster und also kalt mein Herz, da ich elend werde undvoller Jammers und weinen und klagen mu und angstvollbitten und brennend verlangen und, demtig, da ich verberbtsei, bekennen mu: dann erst, dann erst wieder werde ich ArmeGnade finden, also, als krche ein geschlagener Hund wiederzur Kche.

    Noch mehr, wenn ich ein Gebreste an mir habe, unerkannt,unverwandelt, so liegt es, unversumt, gleich einem hellenFlecken auf meiner Seele. O weh wie wild des Rat! Der Teufel,der Teufel so des Fegefeuers pflegt, eilt herbei und will seinGleichnis sehen. Und mich Einsame beginnt zu schaudern, obmeine Seele gleich befreit und erlst wurde von allem Schauder,da sie die Gabe empfing, genannt: die weise Liebe. Und ichstrze in die Knie und umarme die Erde und flstere: innerereinei deu, oder: pster no8ler. Und alsobald bin ich wieder dort,

    in meinem sen Paradies, daraus mich der Flecken vertriebenhatte.

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    Siebzehenhand Hand Snde jagt den Menschen

    Diese Dinge treiben den Menschen weg von Gott, also, da ernicht wieder Gottes werden kann, es sei denn, die HeiligeDreifaltigkeit werde seiner sehr gewaltig. Eitelkeit ist die

    erste Snde, so den Menschen von Gott treibt, und, lassen wirihrer nicht, so steht die Unkeuschheit auf und, sagen wirselbiger nicht ab, die bse Gier. Nach der Gier steht die Trgheitauf und nach der Trgheit die Lge; nach der Lge falscher Eid,nach selbigem der Zorn, nach dem Zorn ble Nachrede undHochmut und Ha und Rache und Bosheit und vermesseneKhnheit und Schamlosigkeit und frecke Klugheit. Und danachsteht der Unglaube auf und spricht: Es ist nicht wie man sagt.

    O weh, nun empfngst du alle Dinge, von Gott gekommen,

    also krank und verdorben, da es ber alle Worte ist.Uns was du selber lehrst, ist so voller Aberwitzes und derLge so ganz vermischt, da, leider, des Heiligen Geisteskeiner in deinen Worten befinden wird. Und deine grundloseSicherheit wird sich. Armer, gegen dich wenden und zumBetrge werden.

    Vollkommene Seele, freue dich. Sieh, du allein bist Gott gleich.Und es ist wohl billig. Trinkest ja mit gttlicher Geduld, ohneSchuld, groe Bitternis in dich. Du wirst von deinen Feinden oft

    betrbt. Also fllt der hllische Reif auf die Himmels-Blume,aber sie blhet doch, herrlich, fr sich, denn ihre Wurzel, dieFestigkeit, ist vom Heiligen Geist alle Zeit grne.

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    Von sieben Dingen des Gerichts. Von Schamhaftigkeit und

    gutem Willen

    Das reinste Entzcken der Sinne und der heiligste Friede desHerzens und der lieblichste Schein der Werke kommt davon,

    da ein Mensch wahrhaftig ist in allem seinem Tun. Undspricht Unser Herr zu mir und lehrt selber mich sieben Dinge,Krone der Seligen, zu Kristo erhht nach dem jngsten Gericht.Wer arm ist und dieser Dinge nicht hat, mu vor Gericht stehenwie ein verkaufter Knecht vor seinem Herren. Denn alle, diesich hier vor der Wahrheit Gottes hinter einer ungestmenLge verbergen, verkaufen diese Tugenden. Das erste ist:gerecht sein. Dieses ist die Unterweisung darber: Seh ich, wiemein Freund meinen Feinden und Gottes Feinben Unrecht tut,so soll ich tapfer meinen Freund schuldig nennen, und hingehenund meinen Feinden beistehen. Das andere ist: barmherzigsein zu denen es not tut. Unterweisung: Ich soll meinem Feindbeistehen, so es ihm not tut, gleich als wre es mein Freund. Dasdritte meinem Freund Treue halten. Unterweisung: Ich soll ihnnicht schelten, es sei denn, er verge seiner Seele. Das vierteist: Den Armen helfen, die, schamhaft, ihre Not verbergen.Unterweisung: man soll die Elenden und Siechen undGefangenen suchen, erfragen und sie sanften Mundes trsten,und sie bitten, ihre heimlich Not auszusagen, auf da man

    ihnen beistehe. O weh ba man die armen Siechen vorbergeht,ohne Seufzen, ohne Thrne, ohne Erbarmen. Aber diegeistlichen Leute sollen wissen, wie Gottes Gerechtigkeit sieschlgt: Wie Gott ihnen fremd wird und Seine seHeimlichkeit ihr hartes Herz verlt. Das fnfte ist: daman, so man bekmmert ist, edel schweige. Unterweisung: also,da man der gierigen Worte, so da aus einem zornigen,herrischen Herzen aufsteigen, keines spreche. Dann findet manGnade sonder Grund bei Gott. Das sechste ist: da man vollerWahrheit sei. Unterweisung: Der Mensch, wahrlich, ist voller

    Wahrheit, den sein Herz und sein ernstestes Gewissen rein undder Schuld ledig spricht, also, da er sich freut, wenn Gott insein Herz sieht, und keine Scham ihn verwirren drfte,mchten es gleich alle Menschen tun. Das siebente ist: Mansei der Lge Feind. Unterweisung: da wir die Lge an allenLeuten schelten und die Lge, so in uns selber lebt, nichtverleugnen. In diesen sieben Dingen sollen wir uns ben und

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    vollkommen werden und, das Werk unserer Heiligung zu vollbringen, dem Willen und der heien Lust unseres armenFleisches und unserer zuchtlosen Sinne absagen, all unsermKranken und Vergiftetem, verwnschter Natur, verderblich

    unserem gttlichen Tage. Aber unsere Seele winkt uns hinwegvon diesem Tode, unsre Seele, hochgeboren, nachVollkommenem hungrig, in dem Gttlichen reif und sgeworden. Unsre Seele denkt der gebenedeiten Stunde, da wirzum Lichte aufstiegen aus Gottes Herzen, aus Seinemabgrndigen Herzen, aus Seinem schweifend grenzenlosenWissen, aus Seinem frhlichen Mute und sen Munde, wir,wunderbar gemischt aus Seele, Sinnen und Leibe, ausBedrftigem, Erfahrendem, Wissendem. Des erinnert sichunsere Seele und fhlt Scham ob unserer gtelosen Gebrden

    und unseres Herzens ohne Treue und, da die wunderbarenGaben, uns aus Gottes Herzen verliehen, in unserem Herzennicht blhen und, die keine Frucht getragen, zu Seinem Herzenzurckkehren. O weh, wie ich Schmerzen ob meiner Schuldleide! O weh des Feindes meiner Vollkommenheit, meineswiderwilligen Leibes.

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    Der Mensch, der sich Gott gbe, wre gleich einem Engel. Von

    der Bosheit des Teufels

    Wer wahrhaft dem Lichte nachginge, das er erkennt, und aufdem Wege, ihm von Gott gewiesen, erfhre unsagbare

    Verzckung, also, da es sein Herz nicht tragen mchte. Undwre, als ein Eugel, in der Liebe mit Gott eines in allen Dingenallezeit, und wrde des Teufels Hlle aber Gottes HimmelReich.Wird aber des Menschen Entzcken an der Tugend kraftlos undmde, so schickt ihm Gott, da Er ihn erwecke, den Teufel, ihnzu versuchen mit den Dingen so die schwersten sind. Aber nurwie zum Spiele leiht Unser Lieber Herr dem Teufel SeineMacht, und wacht des Menschen, da er nicht falle. Aber derTeufel, betrogen, whnt, es sei ihm Freiheit gegeben, denMenschen zu Fall zu bringen, und um deswillen mht er sich,Tag und Nacht.

    O weh mir Armer! Da mir also geschehen ist, zu vielen Malen.Gott hatte mir ein Ding, mich zu begnaden, gewiesen undgelobt, also wundervoll, da ich, durch meine Geringheitbekmmert, zu Seinem Worte nicht Glauben trug und darumauch, leider! keinen Dank. Da kam der Teufel und wollte michqulen. Ich sprach: Was willst Du? Stehest Du nicht, da Gotthier bei mir ist? Wie darfst Du mich peinigen vor SeinemGesichte? Der Teufel sprach: Ich will nun, wie ich je wollte,

    ich will meinen Stuhl setzen neben Seinen Stuhl. Ja ich wollteIhn von Seinem Stuhl in deiner Seele treiben, so ich es knnte,und mich ruhen in Seinem Stuhl, und wollte, HimmelreichParadies Fegefeuer Erde, alle wren Eine Hlle in der EwigenHlle. Ich sprach: Wolltest Du nicht lieber, alle diese Dingewren Ein Himmelreich und auch Dir wrde Gnade gegeben? Da sprach er: Nein, das will ich nimmer tun. Da sprachich: O weh, wie bist Du tiefunselig, da Du vor Gott nichterrtest. Er sprach: Der etwelches Gute an ihm hat, ist nicht

    vllig bse, aber wer sndet vergit die Scham, denn,schamhaft, tte er der Snde nicht. Ich schone Niemandes. Nun der sich mit Tugend wehrt bleibt unbeschwert, und der inGottes Sicherheit steht berwindet, herrlich, all seines HerzensLeid.

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    Wie Schwester Mechthild Gott dankt und Ihn preist und fr

    dreierhand Leute bittet und auch fr sich selber

    Eya, milder Vater, entzcke meine Seele, Gott vomHimmelreich, berstrom, verliere Dich und fliee ihr entgegen,

    Herr, und gib ihr alle Deine Lust und Schne. So wird sie bittendann und herrschen und, Herr, mit Sngen Deine Gte preisen.Und Deines ganzen Wesens Hauch dann gib mir, Eya Herr! imsen Sturme Deiner Liebe, da ich Dich wunderbar geniee,auch Alles so Du milde gibst, und ich Dich nicht mehr schelte,Ser! Herr! da Du mir nichts, damit ich Dich lobpriese,gbest. Amen. Eya Vater aller Gte, ich arme Snderin dankeDir aller Treue zu meinem gequlten Leibe und zu meinerbekmmerten Seele und zu meinem sndigen Herzen undmeinen traurigen Sinnen und meiner Verschmhung durchdiese Welt. Herr! Vater! das gehrt mir an und anderes nicht,also, wie es Deinem lieben Sohne Jesu Kristo angehrte undallen Creaturen. Aber diese waren unverbset und sollenverwandelt werden in das hchste Herrliche, des sie verlangenwollen und knnen.

    Eya, ser Vater, mit allen diesen Dingen preise ich Dich heuteum Deine wnnderbare Treue, die meinen armen Leib undmeine traurige Seele htete. Mit diesen Dingen, groer Gott,danke ich Dir, Herr, aller Deiner milden Gaben, die Du meinem

    Leibe, Herr! je geruhtest zu geben und meiner Seele. Und heuteverlangt es mich, Herr, mich und, denen ich verbunden bin, alleCreaturen, Dich zu preisen in allen Dingen, um alle Dinge, reinund fleckenlos geflossen aus Deinem sen Herzen. Aber mitallen diesen Dingen, Lieb vor allen Lieben, bitte ich Dich, Herr!Dich selber zu ehren, um wahrhaftige Wandelung und umganze Umkehr der armen Snder, die heute in Todsndenliegen. Und bitte Dich mehr, mein geliebtes Lieb! es mchte inallen Vollendeten, so hier ohne Todsnde leben, alle Tugend

    und Sicherheit blhen und fruchtbar sein.Ich bitte Dich, Viellieber! fr alle gequlten Seelen, um unsereSnde ins Fegefeuer gefahren. Ich bitte Dich, Herr, Du mgestbei uns stehen und unsere Snde heilen und uns mit DeinemHeiligen Geist erfllen, und mgest Dich zumalen an diesenbeweisen, so mir Armer, meinem Leibe und meiner Seele, Dichzu lieben, mein Elend tragen helfen.

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    Ich bitte Dich, reicher Gott, Du mgest, um Iesum Deinenarmen Sohn, die Pein meiner geistlichen Armut und die Gallemeiner Bitternis Honig werden lassen im Gaumen meiner Seele.

    Ich bitte Dich, lebendiger Gott! Deine gttliche Weisheit

    bewahre uns, um den ewigen Adel unseres gttlichen Glaubens,vor eitlen Entzckungen. Und festige, Herr! unseren Geist, daer stille liege in Deinem gttlichen Wesen.

    Allen so mich peinigen, meinen Brdern, Herr! gib, ich bitteDich, Ser! Dich zu erkennen und, so geheiligt. Dich zulieben. Der Schuldlosen bitte ich, allmchtiger Gott, erbarmeDich, aber brich, zerstreue, so bse Gewalt ben. Ich bitte Dich,Ewiger Trost! trste Du heute alle Seelen, so bekmmert inFurcht und Zittern von ihrem Leibe scheiden, mit Deinen

    Armen umschliee sie, barmherziger Gott, und fhre sie in dasEwige Leben. Ich bitte Dich, Herr! um Reinheit und Luterungund da Du Allen, so geistlichen Glanz und Gewalt, Dich zulieben, angenommen haben, verleihest, stark im Geiste zu sein,also, da sie, begnadet, gttliche Wahrheit in allen Dingenschauen. Ich bitte Dich, milder Gott! gib mir, dankbar zu seinallezeit Deinen Gaben und bei diesen zu stehen, so um DeineLiebe angstvoll Brden tragen. Ich bitte Dich, heiliger Gott,siehe gndig an die geringe Frucht meines Lebens, und da DuDich ganz meiner Seele gebest und meinem Leibe Deinen

    heiligen Leib, liebe Speise ihm zu sein auf seiner langenWanderung, und da Du meines Leibes und meiner Seele letzteSpeise seiest, so ich meinen Tod sterbe. Und bitte, und bitteDich, Herr! neige zu mir Deine Lust, Deine Herrlichkeit, Deinesvlligen Wesens berstrom, zu der schweren Stunde, da meineSeele mit meinem Leibe, ihn zu verlassen, ringt, stehe bei mir,Herr! also, da meine Feinde zu Schanden werden und von mirgehen, und mir nach whrendem Verlangen Deiner senWollust verliehen ist, ohne La Dich anzuschauen, also, da

    meiner Seele Augen in Deiner Gottheit mssen spielen undDeine se Liebe-Lust aus Deiner gttlichen Brust durch meineSeele schwebe.

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    Also schreibt ein Freund seinem Freunde

    Weil Du Gott liebst ber Deine menschliche Macht; weil DuGott lieb hast mit aller Deiner Seele Kraft; weil Du Gotterkennst mit aller Deiner Seele Weisheit; weil Du Gottes Gabe

    empfangen hast in andchtiger Dankbarkeit: darum sende ichDir diesen Brief.

    Der starke ber-Flu gttlicher Liebe, strmt, ungestm undungestmer, ruh- und mhelos, von Sem voll, unerschpft,also, da unser kleinkleines Fa erfllt wird und berflssig,schumend von Gottes Gabe, so wir es nicht mit unseremEigenwillen verstopfen wollen. Herr! Du bist erfllt und erfllstauch uns mit Deiner Gabe. Du bist gro und wir sind klein: wiesollen wir Dir gleich werden? Herr! Du hast uns gegeben, und

    wir sollen wiederum geben. Die wir ein kleines und niedrigesGef sind: Du hast es erfllet. Man kann ein kleines Fa sooftin ein groes gieen, da das groe voll wird. Das groe ist dasGengen, das Gott an unserm Werke hat. Wir sind, leider! alsoklein, da uns eine kleine Furcht vor Gott oder der heiligenSchrift vllig erfllt und uns unmchtig macht, ein Mehreres inuns aufzunehmen. Dann gieen wir die Gabe wieder aus in dasgroe Fa das Gott ist. Wie sollen wir das tun? Wir sollen es aufdie Snder aus gieen, andchtigen Verlangens, da siegelutert werden; dann wird unser kleines Fa zum andern

    Male voll. Und gieen es wiederum aus auf dieUnvollkommenheit geistlicher Leute, auf da sieleidenschaftlicher sich mhen und vollkommen werden undbleiben. Und so es abermalen sich fllt, gieen wir es auf dieNot der armen Seelen, die Fegefeuer leiden, da Gott, gtig,ihre schwere Pein von ihnen nehme und gieen es, erbarmend,auf die heilige Kristenheit aus, die vielversndete. Unser Herr,Gott, hat uns zuerst geliebt und hat zuerst fr uns sich gemhtund hat Furchtbares um uns gelitten. Das selbe sollen wir Ihm

    wieder geben, so wir ihm gleich sein wollen. Also sprachunser Herr zu einem Menschen: Gib Mir alles was Dein ist, sogebe Ich Dir alles ma Mein ist.

    Gottes Liebe zu entgelten ist sehr se. Seine Mhsal zuentgelten ist uns, leider! oft sehr schwer, denn, was die Liebeinnewendig verzehrt hat, mu, leider! unterweilen der Menschauswendig entbehren. Wie schwer es sei, fragt man mich?

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    aber meine menschliche Vernunft kann es nicht aus sagen.Unser Herr hat viel fr uns gelitten, bis in den Tod, aber uns so bin ich mir selber gering und mu Gott es klagen, da meineTugend also kraftlos ist uns dnkt, leider! ein kleines Leiden

    gro und allzu gro. Die Liebe macht Leiden s, mehr dennman aus sagen kann, und so wir Gott gleich werden wollen,mssen wir siegen ber manchen Streit. Der Sinn und dieSehnsucht Gottes und der liebenden Seele kommen zusammen,gleichwie Sonne und Luft in einem sen Gedrnge sich mit deredlen Gotteskraft vermengen, also, da die Sonne die Klte undFinsternis der Luft berwindet. Nun ward alles Eines in dergttlichen Lust, Eine Sonne, und nichts mehr fhlst Du nun alsSonne. Gott gebe uns und erhalte uns allen diese Liebe. Amen.

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    Wie Gott die Seele ziert mit der Pein

    Wenn die Jungfrauen allezeit gekleidet sind, also, da es demBrutigam wohlgefllt, so tun ihnen nur nochHochzeitsgewnder not, das ist: da die Pein sie erflle mit

    Siechtum Wehtagen Anfechtung und vielem Leiden ihresHerzens. Das sind die Hochzeitskleider der liebenden Seele;aber ihre Werktagskleider, das sind: Fasten Wachen BeichtenSeufzen Weinen Beten, die Snde frchten, harter Zwang derSinne und des Leibes in Gott durch Gott, se Hoffnung undwhrendes Verlangen der Liebe, und ein ehrfrchtiges Herz beiallem Wirken. Dies sind die Werktagskleider des gutenMenschen, die er trgt, wenn er gesund ist. So wir aber siechsind tragen wir die Hochzeitskleider

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    Von dem Weg, um Gott gerne Pein zu leiden

    Gott leitet Seine Kinder, die El auserwhlt hat, wunderbareWege. Das ist ein wunderbarer Weg und ein edler Weg und einheiliger Weg, den Gott selber ging: da ein Mensch Pein litt

    ohne Snde und schuldlos. Auf diesem Wege freut sich dieSeele, die es nach Gott jammert; denn von Natur freut sie sichzu ihrem Herrn, der um Seine Gte mancherhand Pein gelittenhat. Und Sein lieber Herr der Himmlische Vater gab Seinenliebsten Sohn, da Er gepeinigt wrde von den Heiden undgemartert von den Juden, ein Schuldloser. Und ist nun die Zeitgekommen, da etliche Leute, die geistlich scheinen, GottesKinder am Leibe peinigen und martern am Geiste. Denn Er willsie Seinem lieben Sohne gleich machen, der an Leib und Seelegepeinigt ward.

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    In diesen Weg zieht die Seele ihre Sinne und ist frei ohne

    Herzeleid

    Es ist ein kstlicher und ein hoher Weg, darin die getreue Seelewandelt und die Sinne nach ihr zieht, also, wie der Sehende

    dem Blinden tut. In diesem Weg ist die Seele frei und lebt ohneHerzeleid, denn sie will anderes nicht als ihr Herr, der alleDinge ans das beste tut.

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    Wie Du dieses Weges wrdig bist und vollkommen und auf ihm

    bleibst

    Drei Dinge machen einen des Weges wrdig und, da er ihnerkenne und zu ihm komme. Das erste: da der Mensch sich

    selber zu Gott zwingt in aller Meisterschaft und die Gottes-Gnade heilig hlt und willig trgt und allen Dingen seinesmenschlichen Verlangens entsagt.

    Wenn ihm alle Dinge zu Dank geschehen, bleibt der Menschauf dem Wege; das andere.

    Das dritte: alle Dinge in gleicher Weise Gott zu Ehren tun,macht den Menschen vollkommen auf diesem Wege. Denn vorGott will ich meine schlechteste Notdurft zu einem alsoherrlichen Ding machen, als wre ich in der hchsten

    Betrachtung zu der ein Mensch kommen kann. Warum? Nun,tue ich es, Gott zu ehren, aus Liebe, so ist es alles Eines. In derLiebe ist es alles Eines. So ich aber sndige, bin ich auf diesemWege nicht.

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    In der Pein mssen wir umkehren

    Der Liebe Natur ist, da sie zum Beginne berstrmt vonSem; dann wird sie reich in der Erkenntnis und wird, zuletzt,gieriger Sehnsucht voll, so sie verworfen ist. Wahrlich du bist

    ohne Treue, und, leider! in deinem unruhigen Herzen wirdbeiweilen die Liebe zum Gttlichen also siech von bser Seder Eitelkeit und Liebkosungen des Stolzes und von der leidigenTobe-Sucht des Zornes und ungestmem Verlangen nachIrdischem, da ihre Glieder wie gelhmt werden, wie gelhmtalle Kraft ihres Wirkens, so ihres Wesens Wesen ist. Und keinerhat das Himmelreich ganz in seinem Herzen, denn alleine dersich alles Trostes und aller Gnade dieser Welt begeben hat.Denn in der Wollust haben wir uns von Gott abgewendet,darum mssen wir in der Pein umkehren. Gott kann es unsnicht schenken und wir knnen es nicht entbehren. Er gebeuns, da wir Seiner genieen in allem was wir tun lassen undleiden.

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    Niemand kann Gottes Himmel stren

    Eya lieber Herr! Allmchtiger Gott! Wie lange soll ich hierstehn in der Erde meines Fleisches, gleich einem Stecken oderZielSteine, dar wider die Leute rennen werfen und schieen,

    mein Gutes bse zu zerstren? Nun hret diese Antwort:Niemand ist so listig in seinem Hinterhalt, niemand ist so bsein seinem Zorn, da er Meine Himmel, darinnen Ich wohne,zerstren, zerbrechen oder mit Verderbnis anrhren knnte.Aber die Mich heute zu Gast laden und Mich morgen ziehenheien gleichen der Hlle. Wem Ich Fundament bin will Ichauch First und Krone bleiben. Eva, Herr! wer soll mir helfen,also starken Fues zu gehen, da ich nicht falle? Die Furcht sollmich halten, der gttliche Wille soll mich geleiten.

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    In drei Sttten spricht Gott mit der Seele

    In der ersten Sttte Seele spricht der Teufel oft mit der Seele,aber die zweite ist ihm versagt. Des Menschen Sinne sind dieseerste Sttte. Selbige ist Gott, den Teufeln und aller Creatur

    gemein, in sie einzufahren und in ihr zu sprechen, so es ihnengefllt. Die andere Sttte, da Gott mit der Seele redet, ist in derSeele; dahin darf keiner kommen denn alleine Gott. Es ist aberwie eine ungestme, heftige, starke Vereinigung Gottes mit derSeele, wenn Gott in der Seele spricht, und den Sinnen ist, wie esgeschieht, verborgen und stumm die Lust Seiner Rede. Darumwerden sie demtig, also, da sie keine Creatur geringergeachtet sehen mgen als sie selber. Nun soll sich der Menschdenn unter die Teufel demtigen? Ja, und mit solcherLeidenschaft, da ihm sein soll, er habe mit seinem Leben Gottgroe Schmach geboten, und die Snde habe zum Gleichnis desTeufels seine Seele gemacht, und die Snde habe tiefe Wundengeschlagen seiner Seele. Die Seele, so der Heilige Geistumfangen hat, lt sich nicht mehr trsten von Dingen dieserErde. Aller Frhlichkeit dieses Trostes hat sie entsagt. Aberwenn die Seele in ihrem eigenen Willen und Mute gefangen ist,wendet sie sich Irdischem zu und findet ihre Lust daran. Diedritte Sttte, da Gott mit der Seele spricht, ist das Himmel-Reich, da Gottes Wille die Seele berkommt und sie mit Seiner

    Lust entzckt, und Gott die Seele stachelt, also, da es sie SeinesWunders gelsten mu.

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    Von der ordnenden Vernunft und heiligen Furcht, Htern der

    Sinne vor den Dingen der Erde

    O weh ich Arme! ich klage vor Gott, da ich nun rger bin dennvor dreiig Jahren. Die Creatur, die mir mein Elend tragen half,

    drfte nicht also herrlich sein, sollte der arme Leib genesen.Darum mu ich, da sie meinem Fleische nicht ber seine armeNotdurft se schmecke, zwischen die Dinge dieser Erde undmeine Seele zwei harrende Hter setzen. Sie bewahren meineSinne, dieser irdischen Dinge zu ungestm zu begehren oder zuinnig zu genieen. Der eine Hter ist die ordnende Vernunft,die mir gibt, aller Dinge andchtig, wie es Gott wohlgefllt, zugenieen, also, da ich immer ein fremdes Herz habe zu allenDingen, so fremd ein Herz, da, verlre ich gleich alle irdischenDinge, meine Sinne unbekmmert wrden, und mein Herzleicht, und meine Seele also frei, da ich einen Frieden fnde inGott, als htte mir mein liebster Freund meine schwerste Brdeabgenommen. Denn: ein geistlicher Mensch kann vor Gott nichtheien, wem nicht alles irdische Ding wie eine schwere Brdeist. Mein andrer Hter ist eine heilige Furcht, die mit gttlicherWeisheit ber meine Seele wacht, also, da sie den irdischenDingen, so ihr gegeben werden, nicht zulacht. Sondern, sieempfngt sie, als kmen sie zu mir, mich zu versuchen mit Gierund Eitelkeit, die manchen Menschen von hochgepriesenem

    geistlichen Leben so verfinstert haben, da er das Licht desschauenden Lebens und das Feuer der Liebe und den Schmackder Se Gottes, Friede und Barmherzigkeit so ganz verlorenhat, da er selber es nicht wei. Unser Herr sprach: Ja, siesprechen schne Gleichnisse; Dinge der Erde wollen sie liebenund mit Armen umfangen, darum da sie Mir besser dienenknnen; aber sie dienen mehr ihnen selber denn Mir. DerMensch, der sich selber zu Dienste ist, gehrt sich selber, aber jeder Mensch sollte sich selber ein Kristus sein, also, da derMensch Gott lebte und nicht sich selber. Dem Vielseligen, der

    ganz in Gott lebt, ist es alles Eines was er hat, denn gleichwieder Herr Seinen allerliebsten Sohn hernieder aus dem Himmelwarf, auf die Strae, in die fremde Krippe, also wirft Er,gttlicher Macht, Seine erwhlten Freunde in die heilige Armut,aus allem irdischem Trste, auf da es sie hungern mge nachhimmlischem Trste. Mehr als er bekmmert ist um Notdurftder Erde, frchtet ein wahrhaftig heiliger Mensch ihr Glck.

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    Warum? Weil ihm, zu wohnen, das Himmelreich gegeben ist,und als ein Gefngnis diese Welt. Darum sprach Unser Herr:Wer erkennt wie adlig Meine Freiheit ist und sie liebt, gengtsich nicht Mich allein durch Mich zu lieben, sondern in der

    Creatur mu er Mich lieben. So bleibe Ich immer seiner Seelenah.