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Nachhaltigkeitsbericht 2008
Zahlen und Fakten zum Zustand
des Berner Waldes
revidiert nach defi nitiven
LFI-3-Ergebnissen 2010
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern
Amt für Wald
Impressum
Nachhaltigkeitsbericht 2008 – Zahlen und Fakten
zum Zustand des Berner Waldes
revidiert nach defi nitiven LFI-3-Ergebnissen
Herausgeber
Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern
Amt für Wald
Laupenstrasse 22
3011 Bern
Redaktion
Hansruedi Walther, Rudolf von Fischer, Adrian Meier,
Christian Menn, Ulrich Hug, Sonja Stalder
Layout
Tuxa Ayús Pellitero, Sonja Stalder
Grafi ken / Karten
Tuxa Ayús Pellitero, Ulrich Hug,
Christian Menn, Claude Wenger
Bilder
Karin Allenspach (Seite 10)
Tuxa Ayús Pellitero (Seite 22)
Rudolf von Fischer (Seite 14, 25)
Thomas Peter (Seite 18)
Christian Pfammatter (Seite 28)
Ueli Ryter (Seite 26)
Michael Stahl (Seite 3)
Daten Landesforstinventar 1–3
© 2008 Eidgenössische Forschungsanstalt WSL
8903 Birmensdorf
Übersetzung ins Französische
Yves Berger
Korrektorat
Ursula Affolter Eicher (deutsch)
Claude Wenger (französisch)
Aufl age
500 (deutsch), 100 (französisch)
Drucksachen-Nummer
835.25 / 05.08
Bezug
Amt für Wald des Kantons Bern
Laupenstrasse 22
3011 Bern
www.be.ch/wald (unter: Publikationen)
© Amt für Wald, Bern, März 2010
Vorwort
Der Wald im Kanton Bern erfüllt viele Funktionen: Er ist Einkommen für die einen, ein
Ort der Erholung für die anderen. Er schützt uns und unsere Bauten vor Naturgefahren.
Und er ist wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Pfl anzen und Tieren.
Der Wald steht somit in einem Spannungsfeld. Die verschiedenen Ansprüche
können sich gegenseitig konkurrenzieren. Es gilt, ein langfristiges Gleichgewicht
zwischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Ansprüchen zu
fi nden: Wie nutzen wir den Wald heute, so dass er seine Funktionen auch für die
nach uns kommenden Generationen erbringen kann? Entwickelt sich der Berner Wald
nachhaltig?
Der Regierungsrat übernimmt die Verantwortung für die Zukunft und stützt sein
gesamtes Handeln auf die Grundmaxime der Nachhaltigen Entwicklung. Die
Verwaltung hat die dazu nötigen Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen. Der
vorliegende Nachhaltigkeitsbericht stellt eine solche für die Waldpolitik dar.
Der Bericht zeigt, dass vor allem in drei Bereichen grosser Handlungsbedarf besteht:
Im Berner Wald ist zu lange zu wenig Holz genutzt worden, viele Bestände sind
überaltert. Die Schutzwälder müssen intensiv gepfl egt werden, sonst steigt das
Risiko für Schäden. Die übermässigen Stickstoff-Einträge belasten die Gesundheit
des Waldes.
Die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern hat diese Probleme erkannt. Im
letzten Jahr haben wir eine Kampagne lanciert, mit der die Waldbesitzerinnen und
Waldbesitzer aufgerufen werden, mehr Holz zu nutzen. Die Situation der Schutzwälder
haben wir den Berner Bundesparlamentarierinnen und -parlamentariern dargelegt
und um mehr Mittel für die Schutzwaldpfl ege nachgesucht. Im Rahmen des
lufthygienischen Massnahmenplans setzen wir uns in verschiedenen Bereichen für
eine Reduktion der Stickstoff-Emissionen ein. Dasselbe Ziel verfolgen wir mit einem
breit abgestützten Pilotprojekt im Rahmen des Ressourcenprogramms Boden. Dieses
ist auf die Landwirtschaft fokussiert und startet voraussichtlich 2009.
Der Volkswirtschaftsdirektor
Andreas Rickenbacher, Regierungsrat
Vorwort zur revidierten Ausgabe 2010
Im Mai 2008 hat die Volkswirtschaftsdirektion den Nachhaltigkeitsbericht zum Zustand
des Berner Waldes veröffentlicht. Die Analyse beruht im Wesentlichen auf den Daten des
dritten Landesforstinventars. Dabei handelt es sich um eine nationale Studie, die von der
Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) alle zehn Jahre
herausgegeben wird.
Die Ergebnisse der kantonalen Verdichtung der Stichprobenfl ächen waren vor zwei
Jahren noch provisorischer Natur. Inzwischen liegen die defi nitiven Resultate vor. Die
Volkswirtschaftsdirektion hat diese Zahlen studiert und ist zu folgendem Schluss gekommen:
Die Differenzen sind gering und betreffen ausschliesslich das Kapitel „Nutzung“. Die darin
enthaltene Hauptbotschaft des Berichtes ist immer noch gültig:
„Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die nach wie vor hohen Holzvorräte
in den Berner Wäldern weiter reduziert werden. Dafür müsste in den nächsten Jahren mehr
Holz genutzt werden, als heute nachwächst.“
Das Amt für Wald (KAWA) legt Wert auf eine glaubwürdige und nachvollziehbare Information.
In Absprache mit der Volkswirtschaftsdirektion hat sich das KAWA deshalb entschieden,
trotz geringer Änderungen eine aktualisierte Ausgabe des Nachhaltigkeitsberichtes
herauszugeben. Die Zahlen im Kapitel „Nutzung“ sind angepasst worden und entsprechen
den defi nitiven Ergebnissen des dritten Landesforstinventars.
Der stellvertretende Amtsvorsteher
Rudolf von Fischer
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung 7
1 Einleitung 9
2 Ressourcen 10
2.1 Waldfl äche 11
2.2 Waldaufbau nach Altersstufen 12
2.3 Holzvorrat 13
3 Gesundheit und Vitalität 14
3.1 Schadstoffe 15
3.2 Borkenkäferbefall 16
3.3 Wildschäden 17
4 Nutzung 18
4.1 Holznutzung 19
4.2 Zuwachs 20
4.3 Nutzungspotenzial 21
5 Biologische Vielfalt 22
5.1 Totholz 23
5.2 Reservate und naturnahe Wälder 24
6 Schutzwald 26
6.1 Schutz vor Naturgefahren 27
7 Sozioökonomie 28
7.1 Beschäftigte in der Waldwirtschaft 29
7.2 Erfolg in den Holzproduktionsbetrieben 30
7.3 Erholung 31
8 Fazit 32
9 Literatur 34
10 Abkürzungen 35
7
Zusammenfassung
Der vorliegende Nachhaltigkeitsbericht beschreibt und analysiert anhand verschiedener Indikatoren den
Zustand und die Entwicklung des Berner Waldes. Geordnet sind diese Indikatoren nach den sogenannten
„Helsinki-Kriterien“: Ressourcen, Gesundheit und Vitalität, Nutzung, biologische Vielfalt, Schutzwald und
Sozioökonomie.
Aufgrund dieser Resultate wird im Fazit der Handlungsbedarf verschiedener Akteure im Interesse einer
nachhaltigen Waldentwicklung abgeleitet. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht:
Handlungsbedarf
klein mittel gross
Ressourcen x
Waldfl äche x
Waldaufbau nach Altersstufen x
Holzvorrat x
Gesundheit und Vitalität x
Schadstoffe x
Borkenkäferbefall x
Wildschäden x
Nutzung x
Holznutzung x
Zuwachs x
Nutzungspotenzial x
Biologische Vielfalt x
Totholz x
Reservate und naturnahe Wälder x
Schutzwald x
Schutz vor Naturgefahren x
Sozioökonomie x
Beschäftigte in der Waldwirtschaft x
Erfolg in den Forstbetrieben x
Freizeit und Erholung x
9
Regionen nach LandesforstinventarQuelle: LFI
Jura
Mittelland
Voralpen
Alpen
Biel
Bern
Thun
1 Einleitung
Was ist eine nachhaltige Waldentwicklung? Auf diese Frage gibt es eine Antwort, die auf
breiten Konsens stösst: Der Wald muss so gepfl egt und genutzt werden, dass die biologische
Vielfalt, das Produktionspotenzial, die Verjüngungsfähigkeit und die Vitalität erhalten bleiben.
Er muss wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen erfüllen können – auf
lokaler, nationaler und globaler Ebene, gegenwärtig und in Zukunft. Anderen Ökosystemen
sollte dabei kein Schaden zugefügt werden.
Ist die Waldentwicklung im Kanton Bern nachhaltig im Sinne dieser Defi nition? Für diese
Beurteilung soll der vorliegende Bericht eine Grundlage bieten; er richtet sich an Politik und
Öffentlichkeit.
Die Analyse beruht auf eigenen Erhebungen sowie auf Daten der kantonalen Verdichtung
des dritten Landesforstinventars (LFI). Dieses wird gegenwärtig von der Eidgenössischen
Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) erstellt. Der Kanton Bern hat die
bis anhin noch nicht publizierten Zahlen freundlicherweise im Voraus zur Verfügung gestellt
bekommen.
Wie bereits das Titelbild zeigt, ist Nachhaltigkeit ein vielschichtiger Begriff. Die
verschiedenen Aspekte werden im Folgenden nach den sogenannten „Helsinki-
Kriterien“ gebündelt und dargestellt: Ressourcen, Gesundheit und Vitalität,
Nutzung, biologische Vielfalt, Schutzwald, Sozioökonomie. Gewählt wurde
dieses international anerkannte Konzept, weil es die Vergleichbarkeit zu anderen
Nachhaltigkeitsberichten über die Waldentwicklung gewährleistet.
In jedem Kapitel geht es darum, den Zustand und die Entwicklung der Indikatoren
zu beschreiben und einzuordnen. Am Schluss folgt das Fazit: In welchen Bereichen
besteht Handlungsbedarf im Interesse einer nachhaltigen Waldentwicklung? Wo
braucht es neue Ansätze, wo kann die bisherige Waldpolitik fortgesetzt werden?
Viele der folgenden Aussagen werden nach den Regionen im Kanton Bern
differenziert. Eine Hilfe zum besseren Verständnis bietet die nebenstehende
Karte.
10
2 Ressourcen
„Den Wald erhalten“: So lautet die Vorgabe des kantonalen Waldgesetzes. Der
Rückblick auf die letzten 20 Jahre zeigt, dass die Waldpolitik dieses Ziel erreicht hat.
Die Fläche hat leicht zugenommen und liegt heute bei 178 490 Hektaren.
Die Kahlschläge im 19. Jahrhundert zeigen ihre Folgen bis heute: Die Bestände der
anschliessenden Aufforstung dominieren den Altersaufbau und sind jetzt 100 bis
140 Jahre alt. In den Wäldern des Kantons Bern fehlt es an Nachwuchs.
Die Wälder im Kanton Bern bergen überdurchschnittlich grosse Holzvorräte. Der
Sturm Lothar Ende Dezember 1999 hat die Vorräte – gemessen an der gesamten
Menge – nur leicht abgebaut.
Jahr um Jahr: Im Berner Wald liegt das durchschnittliche
Alter der Bäume bei 95 Jahren.
11
Waldanteile und Regionen
Quelle: LFI 3
Anteil an Gesamt- waldfl äche
(%)
Bewaldungs-prozent
(%)
Jura 14 47
Mittelland 25 28
Voralpen 34 35
Alpen 27 24
Kanton Bern 100 30
Entwicklung der Waldfl äche seit 1986
Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3
Wal
dfl ä
che
(10
00
ha)
2.1 Waldfl äche
30 Prozent der Berner Kantonsfl äche sind
bewaldet. Damit liegt der Waldanteil leicht
unter dem Schweizer Durchschnitt (31 %).
Zum Vergleich: In Österreich ist fast die Hälfte
des Landes (47 %) von Wald bewachsen, in
Deutschland sind es ebenfalls 31 Prozent.
Wo liegen diese insgesamt 178 490 Hektaren
Wald im Kanton Bern? Rund ein Drittel (34 %)
fi ndet sich in den Voralpen, über ein Viertel
in den Alpen (27 %), genau ein Viertel im
Mittelland (25 %) und 14 Prozent liegen im
Jura. Gemessen an der Grösse der jeweiligen
Region verfügt jedoch gerade der Jura über
einen sehr hohen Waldanteil (47 %). Unter
dem Berner Durchschnitt liegen die Anteile
im Mittelland und in den Alpen: Im Mittelland
beschränken die Ballungsräume und die
Landwirtschaft die potenzielle Waldfl äche, in
den Alpen sind es vor allem die klimatischen
Bedingungen.
Hauptziel des Waldgesetzes erfüllt
In den letzten 20 Jahren hat der Wald im
Kanton Bern um rund 5 Prozent zuge-
nommen. Diese Tendenz hat sich zwischen
1996 und 2006 deutlich abgeschwächt.
Insgesamt erfüllt die bisherige Waldpolitik das
Hauptziel des kantonalen Waldgesetzes: den
Wald zu erhalten.
Diese Vorgabe äussert sich auch in der
Rodungsstatistik: Seit 1986 sind nur gerade
664 Hektaren Wald bzw. 0,37 Prozent der
gesamten Fläche gerodet und zu mehr als
100 Prozent auf gleichwertigen Standorten
neu angelegt worden. Rodungen sind
grundsätzlich verboten und bedürfen einer
Ausnahmebewilligung.
Konfl iktpunkt: verbuschende Flächen
Wo aber legt der Wald an Fläche zu? Die
Zahlen zeigen, dass sich der Wald vor
allem in den Alpen ausdehnt; dort, wo
sich die Landwirtschaft von
der Bewirtschaftung wenig
ertragsfähiger Böden zurückzieht.
Dieser Prozess wird je nach Ort
und Perspektive unterschiedlich
beurteilt: Die zunehmende
Waldfl äche kann zum Schutz
vor Naturgefahren beitragen;
dabei verändert sich jedoch das
traditionelle Landschaftsbild, was
nicht überall erwünscht ist.
Fest steht aber Folgendes: Laut
kantonalem Waldgesetz gelten
verbuschende Flächen erst ab
einer gewissen Grösse sowie
einem bestimmten Alter der
Büsche und Bäume als Wald. Bis
zu diesem Zeitpunkt bleibt unklar,
bei wem die Aufsicht über diese
Gebiete liegt.
Der Wald nimmt im Kanton Bern knapp ein Drittel der Gesamtfl äche ein. In den letzten
20 Jahren ist die Waldfl äche um 5 Prozent gewachsen. Die Zunahme erfolgt dort,
wo sich die Landwirtschaft von der Bewirtschaftung wenig ertragsfähiger Böden
zurückzieht. Dieses Phänomen lässt sich vor allem in den Alpen beobachten.
12
Flächenverteilung nach Altersklassen
Quelle: LFI 3
Fläc
he (1
00
0 h
a)
2.2 Waldaufbau nach Altersklassen
Der Altersaufbau im Berner Wald ist unaus-
geglichen: Wie die Grafi k zeigt, sind die Al-
tersklassen der 80- bis 140-jährigen Bäume
übervertreten. Diese Tatsache erklärt sich
historisch. Im 19. Jahrhundert wurden die
Berner Wälder stark übernutzt, ab 1870 be-
gann das Aufforsten. Die Bäume dieser Auf-
bauphase dominieren heute die Bestände.
Demgegenüber sind die Altersklassen der
40- bis 80-jährigen Bäume klar untervertre-
ten, diejenigen der 0- bis 40-jährigen Bäu-
me vergleichsweise schwach besetzt. Kurz:
Dem Berner Wald fehlt es an Nachwuchs,
die Generationenfolge ist nicht
gesichert. Es gibt zu viele Wälder,
in denen der gesamte Bestand
ein zu hohes Alter aufweist.
Alte Bestände weniger stabil
Problematisch ist dies vor allem
in den Nutz- und Schutzwäldern.
Diese Bestände sollten ihre Funk-
tion stetig erfüllen können. Des-
halb streben Fachleute dort eine
möglichst gleichmässige Altersverteilung
an, die nach oben begrenzt ist: Überalterte
Bestände verlieren an Holzqualität und Sta-
bilität; sie werden anfälliger auf Sturm und
andere Naturereignisse.
Eine Korrektur ist möglich, indem intensiver
genutzt und die Verjüngung vorangetrieben
wird.
Altholz ist im Naturwald gefragt
Anders verhält sich dies im Wald, der dem
Naturzustand möglichst nahe kommen soll.
Dort stehen Qualitäts- und Stabilitätsfragen
eher im Hintergrund. Stattdessen bieten die
sehr alten Bäume als sogenanntes Altholz
wertvolle Lebensräume für viele Tiere und
Pfl anzen.
Im Berner Wald sind die 80- bis 140-jährigen Bestände übervertreten. Die Frage nach
der idealen Altersstruktur hängt davon ab, welche Funktion ein Baumbestand erfüllen
soll. Im Nutz- und Schutzwald wird eine gleichmässige Altersverteilung angestrebt.
13
Holzvorrat nach Regionen
Quelle: LFI 3
Holzvorrat (m3/ha)
Jura 394
Mittelland 416
Voralpen 470
Alpen 345
Kanton Bern 414
Entwicklung des Holzvorrates seit 1986
Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3
Ho
lzvo
rrat
(m3/h
a)
Kanton Bern
Schweiz
2.3 Holzvorrat
Der Berner Wald birgt nach wie vor überdurchschnittlich grosse Holzvorräte. Der
Sturm Lothar Ende Dezember 1999 und der darauf folgende Borkenkäferbefall haben
die Vorräte – gemessen an der gesamten Menge – nur leicht abgebaut.
Wie aufgezeigt, sind die über 80-jährigen
Waldbestände im Kanton Bern übervertre-
ten. Alte Bäume weisen naturgemäss mehr
Volumen auf als jüngere. Deshalb erstaunt
es nicht, dass der Kanton Bern über einen
vergleichsweise grossen Holzvorrat verfügt:
Pro Hektare zugänglichen Wald fi nden sich
414 Kubikmeter Holz. Im schweizerischen
Durchschnitt liegt diese Masszahl bei 359,
in Österreich bei 325 und in Deutschland bei
320 Kubikmetern pro Hektare.
Innerhalb des Kantons differiert der Holzvor-
rat nach Regionen. An der Spitze stehen die
Voralpen mit 470 Kubikmetern pro Hektare,
gefolgt vom Mittelland mit 416 Kubikmetern
pro Hektare. Der Grund liegt darin, dass die
Bäume je nach geografi scher Lage unter-
schiedlich gute Wachstumsbedingungen
vorfi nden.
Deutliche Schwankungen seit 1986
Der Rückblick auf die letzten 20 Jahre zeigt,
dass der Holzvorrat deutlichen Schwan-
kungen unterworfen war. Zwischen 1986
und 1996 stieg der Vorrat von 409 auf
448 Kubikmeter pro Hektare – analog zum
schweizerischen Mittel, aber auf höherem
Niveau. Gründe dafür waren mangelnde
Nachfrage und tiefe Holzpreise.
Zwischen 1996 und 2006 sank der Vorrat
wieder auf 414 Kubikmeter pro Hektare: Der
Sturm Lothar und der darauf folgende Bor-
kenkäferbefall haben zu überdurchschnittlich
grossen Zwangsnutzungen geführt.
Laubholz: Zunahme wird begrüsst
Wie teilt sich dieser Vorrat auf die Nadel- und
Laubbäume auf? Bei drei Vierteln handelt
es sich um Nadelholz, bei einem
Viertel um Laubholz. Zwischen
1986 und 1996 blieb der Laub-
holzanteil konstant bei 22 Prozent,
seither ist er leicht am Steigen.
Verantwortlich für dieses relative
Ergebnis sind zwei Faktoren: Der
Laubholzvorrat ist tatsächlich ge-
stiegen, und der Nadelholzvorrat
ist zurückgegangen.
Aus ökologischer Sicht wird die
Zunahme von Laubholz begrüsst.
Zum einen nimmt die biologische
Vielfalt zu, zum anderen verbes-
sern Laubbäume die Qualität des
Standortes: Das gefallene Laub
führt dem Boden Nährstoffe zu.
14
3 Gesundheit und Vitalität
Die hohen Stickstoffeinträge belasten den Wald. Der weitaus grösste Teil dieser
Emissionen stammt aus der Landwirtschaft. Der Kanton Bern beteiligt sich an einem
Programm, das die Folgen für den Wald beobachtet und dokumentiert.
Kantonale Erhebungen liefern weitere Daten zur Frage, wie stark der Berner Wald in
seiner Gesundheit beeinträchtigt ist. Näher betrachtet werden der Borkenkäferbefall
sowie die Wildschäden.
Der Borkenkäfer hat sich insbesondere nach dem Sturm Lothar Ende Dezember
1999 und dem Hitzesommer 2003 stark ausgebreitet. Dank einer konsequenten
Bekämpfungsstrategie ist die Situation unter Kontrolle.
Untragbare Wildschäden treten momentan nur lokal auf. Der Verbissdruck wird mit
dem Einwachsen der Lothar-Sturmfl ächen vermutlich wieder ansteigen.
Weniger gut verankert: Die Stickstoff-Emissionen lassen
den Boden versauern. Das Wurzelwerk der Bäume ver-
schlechtert sich, dadurch stehen sie weniger stabil.
15
Jährliche Stickstoff-Emissionen in der Schweiz (%)
Quelle: BUWAL 2004
Verkehr
Industrie und Gewerbe
Haushalte
Landwirtschaft
3.1 Schadstoffe
Eine interkantonale Studie zeigt, dass die hohen Stickstoffeinträge das Gleichgewicht
der Nährstoffe stören, den Boden versauern lassen und sich negativ auf das
Wachstum der Bäume auswirken. Rund 60 Prozent dieser Emissionen stammen aus
der Landwirtschaft.
Der Wald ist von Schadstoffen belastet.
Das zeigen die Ergebnisse einer seit 1984
laufenden Studie, an der sich auch der
Kanton Bern beteiligt. Der Zwischenbericht
von 2004 weist unter anderem auf folgende
Punkte hin:
• Bei über 20 Prozent der Buchen und
Fichten ist die Krone um mehr als
25 Prozent verlichtet. Gemäss einer
internationalen Beurteilungsskala gelten
diese Bäume als „gestresst“.
• Die hohen Stickstoffeinträge im Wald
stören das Gleichgewicht der Nährstoffe,
was sich auf das Wachstum der Bäume
auswirkt.
Bei den Buchenfl ächen hat der Anteil mit
einem Phosphormangel innerhalb von
knapp 20 Jahren von 9 auf 80 Prozent zu-
genommen. Beim Magnesium lauten die
entsprechenden Werte 11 bzw. 50 Prozent.
Bei den Fichten weisen 68 Prozent
der Flächen eine Unterversorgung mit
Phosphor auf.
Der jährliche Stammzuwachs der unter-
suchten Buchen und Fichten ist zwischen
1998 und 2002 um 22 bis 23 Prozent
gesunken.
• Zudem lassen die Stickstoff-Emissionen
den Boden versauern. In kalkfreien
Böden hat der pH-Wert zwischen
1996 und 2005 um 0,1 abgenommen.
Die Basensättigung sank im gleichen
Zeitraum um 5 Prozent. In der Folge
verschlechtert sich das Wurzelwerk der
Bäume, dadurch sind sie weniger gut im
Boden verankert.
Das Dauerbeobachtungsprogramm be-
rücksichtigt über 120 Flächen mit einer
Grösse von 0,25 bis 2 Hektaren.
80 500 Tonnen Stickstoff pro Jahr
Wie das Bundesamt für Umwelt aufzeigt,
gelangen jährlich 80 500 Tonnen Stickstoff in
die Luft. Davon stammen 61 Prozent alleine
aus der Landwirtschaft, weitere
24 Prozent aus dem Verkehr.
16
Käferholz und Befallsherde 1984 bis 2007
Quelle: KAWA
Käf
erho
lz (1
00
0 m
3)
Anzahl B
efallsherde (1
00
0)
3.2 Borkenkäferbefall
Im Sturmholz fi ndet der Borkenkäfer ideale Brutbedingungen: Das zeigt die Zunahme
der Befallsherde nach „Vivian“ und „Lothar“. In der Folge mussten die Eigentümerinnen
und Eigentümer grosse Mengen an Käferholz nutzen. Diese Massnahme trug dazu
bei, dass der Borkenkäferbefall wieder stark gesunken ist.
Borkenkäfer fi nden nach Orkanen in den
grossen Mengen des liegenden Sturmholzes
ideale Bedingungen zur Vermehrung: Nach
dem Sturm Vivian im Februar 1990 nahmen
die Populationen ein erstes Mal zu, danach
beruhigte sich die Lage wieder. Nach „Lo-
thar“ im Dezember 1999 sprang die Zahl der
neuen Käfernester innerhalb eines Jahres
von rund 130 auf über 3800. Der Hitzesom-
mer 2003 verschärfte die Situation zusätz-
lich.
Seither hat der Borkenkäferbefall erneut
deutlich abgenommen. Verantwortlich dafür
sind verschiedene Gründe: Die Waldbesit-
zerinnen und -besitzer bemühten sich, die
befallenen Bäume rechtzeitig zu räumen.
Im Jahr 2002 wurden rund 340 000 Kubik-
meter Käferholz genutzt, im folgenden Jahr
waren es gar 481 000 Kubikmeter. Zudem
behagten die eher kühlen und kurzen Som-
merperioden der letzten Jahre dem Borken-
käfer weniger.
Es muss jedoch davon ausgegangen wer-
den, dass bei einem erneuten Sturmereignis
der Borkenkäferbefall wieder stark zuneh-
men und zu grossen Schäden führen wür-
de.
17
Wildschadengutachten 2008
Quelle: KAWA
tragbare Schäden
kritische Schäden
untragbare Schäden
3.3 Wildschäden
Gegenwärtig treten untragbare Wildschäden im Kanton Bern nur lokal auf: Das Wild
fi ndet auf den Lothar-Sturmfl ächen genug Nahrung. Mit dem Heranwachsen der
jungen Bäume wird das Nahrungsangebot wieder knapper. Die Wildschäden werden
vermutlich zunehmen.
Aus forstlicher Sicht scheint die Wildsituati-
on im Kanton Bern momentan weitgehend
unter Kontrolle zu sein: Untragbare Schäden
treten nur lokal auf.
Der Verbissdruck ist aber nur deshalb be-
schränkt, weil das Wild vielerorts ein breites
Futterangebot fi ndet: Der Sturm Lothar hat
das Kronendach aufgerissen; auf den da-
durch entstandenen Blössen gedeihen Grä-
ser, Kräuter, Sträucher und junge Bäume.
Mehr Wild, weniger Nahrung
Allerdings lassen diese vorteilhaften Lebens-
bedingungen die Wildzahlen ansteigen. Zu-
dem fördert der Kanton seit zwei Jahren die
Ausbreitung des Rothirsches.
Mit dem Einwachsen der Sturmfl ächen
werden sich deshalb mehr Tiere ein kleiner
werdendes Futterangebot teilen müssen.
Der Verbissdruck wird zunehmen, falls die
Wildbestände nicht rechtzeitig angepasst
werden.
Die Forst- und Jagdbehörden des Kantons
Bern beobachten diese Situation aufmerk-
sam und erstellen jährlich ein Gutachten.
Dieses Dokument dient als Grundlage, um
die nötigen Schritte festzulegen. Dazu ge-
hören das Bejagen des Wildes, aber auch
forstliche Massnahmen wie beispielsweise
der Einzelschutz von Jungpfl anzen. Das
Schaffen von Freihaltefl ächen wertet den
Lebensraum des Wildes auf und erleichtert
zugleich das Bejagen.
18
4 Nutzung
Bis zum Sturm Lothar Ende 1999 haben die Waldbesitzerinnen und -besitzer jedes
Jahr ungefähr gleich viel Holz aus dem Wald geholt. Danach führte das Sturmholz zu
wesentlich höheren Nutzungsmengen. Seit 2004 nehmen die Werte zu, weil Nachfrage
und Preise wieder angestiegen sind.
Zwischen 1996 und 2006 ist weniger Holz nachgewachsen als in den vorhergehenden
Jahren. Erklären lässt sich dies wiederum durch den Sturm Lothar und dessen
Folgen.
Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die nach wie vor hohen
Holzvorräte in den Berner Wäldern weiter reduziert werden. Dafür müsste in den
nächsten Jahren mehr Holz genutzt werden, als heute nachwächst.
Gebunden und gestapelt: Die Anteile der verkauften Sor-
timente sind über die Jahre relativ stabil geblieben. 20
Prozent werden als Energieholz umgesetzt.
19
Durchschnittliche Nutzung
Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 31986
– 19961996
– 2006
Durchschnittliche Nutzung pro Jahr (Mio. m3)
1,3 1,85
Durchschnittliche Nutzung pro Hektare und Jahr (m3/ha)
8,3 11,6
Jährliche Holznutzung seit 1986
Quelle: Forststatistik, hochgerechnet auf die ausgewiesene Nutzung gemäss LFI 3
Nut
zung
(Mio
. m
3)
4.1 Holznutzung
Bis zum Sturm Lothar Ende 1999 haben die Waldbesitzerinnen und -besitzer jedes
Jahr ungefähr gleich viel Holz aus dem Wald geholt. Danach führte das Sturmholz zu
wesentlich höheren Nutzungsmengen. Seit 2004 nehmen die Werte zu, weil Nachfrage
und Preise am Steigen sind.
Die Waldbesitzerinnen und -besitzer haben
zwischen 1996 und 2006 mehr Holz genutzt
als in den zehn Jahren vorher: Die durch-
schnittliche Nutzung betrug 1,85 Millionen
Kubikmeter pro Jahr. Bezogen auf die Flä-
che entspricht das einem Wert von 11,6 Ku-
bikmetern pro Hektare. Demgegenüber lie-
gen die Kennzahlen der ersten Periode bei
1,3 Millionen Kubikmetern pro Jahr bzw. bei
8,3 Kubikmetern pro Hektare.
Zwangsnutzungen nach „Lothar“
Wie erklärt sich die Zunahme in der Zeit-
spanne von 1996 bis 2006? Zentraler Faktor
war der Sturm Lothar Ende Dezember 1999:
In den Jahren 2000 und 2001 mussten die
Verantwortlichen rund 3,8 bzw. 2,5 Millionen
Kubikmeter Holz nutzen. Diese Werte liegen
2,5 bzw. 1,2 Millionen Kubikmeter höher als
die durchschnittliche jährliche Nutzung von
1986 bis 1996. Seit 2004 wachsen die Zah-
len, weil Nachfrage und Preise am Steigen
sind.
Sortimente abhängig vom Weltmarkt
Von der jährlichen Nutzungsmenge kommen
nach Abzug der Ernteverluste rund 68 Pro-
zent auf den Markt. Die Anteile der verkauften
Sortimente sind über die Jahre relativ stabil
geblieben: 70 Prozent Stammholz, 20 Pro-
zent Energieholz, 10 Prozent Industrieholz.
Das Stammholz wird von den Sägewerken
weiterverarbeitet; das Industrieholz dient als
Rohmaterial für die Papier-, Zellstoff- und
Plattenindustrie.
Der Rohstoff Holz steht in Konkurrenz zu an-
deren Produkten. Wenn beispielsweise der
Erdölpreis steigt, nimmt die Nachfrage nach
Energieholz zu. Je nachdem wie sich die
Preise dieser Substitutionsprodukte künftig
verändern, können sich die An-
teile der Sortimente verschieben.
20
Durchschnittlicher jährlicher Zuwachs
Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 31986
– 19961996
– 2006
Durchschnittlicher Zuwachs pro Jahr (Mio. m3)
1,8 1,6
Durchschnittlicher Zuwachs pro Hektare und Jahr (m3/ha)
10,8 10,1
Durchschnittlicher jährlicher Zuwachs
Quelle: LFI 1, LFI 2, LFI 3
Zuw
achs
(Mio
. m
3)
4.2 Zuwachs
Zwischen 1996 und 2006 ist weniger Holz gewachsen als in den zehn Jahren vorher:
Der Sturm Lothar hat viele Bäume gefällt, die folgenden Jungpfl anzen sind in der
Statistik noch nicht ausgewiesen. Schwankungen beim Zuwachs sind in nach
Altersklassen unausgeglichenen Wäldern typisch.
Die Baumstämme im Berner Wald haben in
der zweiten Periode weniger an Umfang und
Höhe gewonnen als in der ersten, kurz: Der
Zuwachs hat sich verringert. Der Wert sank
von 1,8 auf 1,6 Millionen Kubikmeter pro
Jahr. Das entspricht einem Minus von rund
11 Prozent.
Wodurch erklärt sich dieser Rückgang? Eine
zentrale Rolle hat auch hier der Orkan Lothar
gespielt. Wie aufgezeigt, mussten die Wald-
besitzerinnen und -besitzer grosse Mengen
an Sturmholz nutzen; die darauf folgenden
Jungpfl anzen haben noch keinen mess-
baren Zuwachs ausgebildet und
erscheinen deshalb nicht in den
Aufnahmen des dritten Landes-
forstinventars.
Wie sich der Zuwachs mittelfris-
tig verändern wird, ist schwierig
abzuschätzen, weil er – wie das
Beispiel Lothar belegt – auch von
unbekannten Faktoren abhängt.
Einen positiven Einfl uss wird aber der Um-
stand haben, dass die gegenwärtigen Jung-
wälder in die wachstumsstarken Altersgrup-
pen gelangen werden.
Längere Beobachtungsreihen zeigen, dass
gewisse Schwankungen beim Zuwachs in
nach Altersklassen unausgeglichenen Wäl-
dern typisch sind.
21
Entwicklung des Vorrates: zwei Szenarios
Quelle: KAWA, basierend auf LFI 3
41410,1
10,1
Jährlicher Zu-wachs(m3/ha)
Vorrat heute (m3/ha)
Jährliche Nutzung(m3/ha)
12,1
414
394
Vorrat in zehn Jahren (m3/ha)
4.3 Nutzungspotenzial
Im Interesse eines gesunden, stabilen Waldes sollten die hohen Holzvorräte in den
Berner Wäldern reduziert werden. Mit einer jährlichen Nutzung von 2 Millionen
Kubikmetern würde der Vorrat innerhalb von zehn Jahren um 20 Kubikmeter pro
Hektare sinken.
Wie aufgezeigt, weist der Kanton Bern viele
überalterte Waldbestände auf. Der Holzvor-
rat ist dementsprechend hoch. Es liegt im
Interesse eines gesunden, stabilen Waldes,
dass hier korrigierend eingegriffen wird.
In der Forstwirtschaft gilt die traditionelle
Regel, dass gleich viel Holz genutzt werden
darf wie nachwächst. So kann das Volumen
des Waldes stetig erhalten bleiben. Für die
gegenwärtige Situation bietet dieser Ansatz
jedoch keine optimale Lösung. Vorüberge-
hend sollten die Waldbesitzer und -besitze-
rinnen mehr Holz nutzen als nachwächst.
Nur so kann Platz geschaffen werden für die
notwendige Verjüngung.
Immer noch über Schweizer Mittelwert
Ein vertretbares Ziel könnte lauten: Redukti-
on der Vorräte um 20 Kubikmeter pro Hek-
tare innerhalb von zehn Jahren. In diesem
Fall müssten die Verantwortlichen jährlich
2,0 Millionen Kubikmeter Holz oder durch-
schnittlich 12,1 Kubikmeter pro Hektare
und Jahr nutzen. Mit 394 Kubikmetern pro
Hektare läge der neue Vorrat immer noch
deutlich über dem gegenwärtigen Schwei-
zer Durchschnitt von 359 Kubikmetern pro
Hektare.
Allerdings muss klar festgehalten werden,
dass diese Zahlen nur Durchschnittswerte
darstellen. Welches der ideale Vorrat für
einen bestimmten Waldbestand ist, hängt
unter anderem von dessen Standort und
Funktion ab.
Kohlenstoffspeicher Wald
Aus klimapolitischer Sicht könnte ein Inte-
resse daran bestehen, möglichst hohe Holz-
vorräte zu haben: Mehr Holz bindet mehr
Kohlenstoff (CO2) aus der Luft.
Dieses Argument ist jedoch kurzsichtig. Wie
erwähnt, verlieren zu vorratsreiche Wälder an
Stabilität, das Risiko für Schäden steigt. Das
gilt in besonderem Masse für die Schutzwäl-
der. Ein Sturm könnte dann den wertvollen
Kohlenstoffspeicher Wald in einem gänzlich
unerwünschten Ausmass reduzieren.
22
Erblüht: Licht liebende Arten wie diese Orchidee profi tie-ren von der Pfl ege heller Laub- und Nadelwälder.
5 Biologische Vielfalt
Im Berner Wald fi nden sich 15 verschiedene Nadel- und 35 Laubbaumarten. Den
Vorrat dominieren jedoch nur gerade drei: die Fichte (49 %), die Tanne (23 %) und die
Buche (18 %).
Der Wald bietet einen Lebensraum für viele Pfl anzen und Tiere. Mehr als ein Drittel der
50 000 in der Schweiz bekannten Arten kommen im Wald und am Waldrand vor.
Die beiden folgenden Indikatoren – das Totholz und die naturnahen Wälder – bilden
wichtige Grundlagen für eine grosse biologische Vielfalt. Ohne Totholz könnten
beispielsweise rund 1300 Käferarten und über 2300 höhere Pilzarten nicht überleben.
Im Berner Wald hat sich der Anteil Totholz seit 1996 fast verdoppelt. Verantwortlich
dafür ist vor allem der Sturm Lothar Ende Dezember 1999.
Von der Berner Waldfl äche sind 2 Prozent als Reservate gesichert. Der Kanton Bern
konzentriert sich vor allem auf den Schutz bedrohter Naturwerte.
23
Totholz: Vergleich 1996 und 2006
Quelle: LFI 2, LFI 31996 2006
Totholz (m3/ha) 9,3 18,1
Anteil am Gesamtvorrat (%) 2,1 4,4
Totholz nach Höhenlage
Quelle: LFI 3
Volu
men
(m3/h
a)
< 800 m ü. M. 800–1200 m ü. M. > 1200 m ü. M.
5.1 Totholz
Seit 1996 hat sich der Totholz-Anteil im Berner Wald fast verdoppelt: Der Sturm Lothar
hat seine Spuren hinterlassen. Je nach Höhenlage variiert dieser Wert stark, weil es im
Berggebiet schwieriger ist, Holz aus dem Wald zu holen.
Zwischen 1996 und 2006 hat sich die Men-
ge Totholz in den Berner Wäldern nahe-
zu verdoppelt: Die abgestorbenen Bäume
– stehend oder liegend – bilden nun ein Vo-
lumen von 18,1 Kubikmetern pro Hektare.
Das entspricht einem Anteil von 4,4 Prozent
am gesamten Holzvorrat.
Wie können diese Zahlen eingeordnet wer-
den? Grundsätzlich ist ein gewisser Totholz-
Anteil im Interesse der biologischen Vielfalt
erwünscht. Bis anhin fehlen jedoch wissen-
schaftliche Grundlagen, um nach Waldtypen
differenzierte Soll-Werte zu defi nieren. Unter
Fachleuten weitgehend anerkannt ist ein
Durchschnittswert von 10 Kubikmetern pro
Hektare.
Der Kanton Bern verfügt somit im Moment
über hohe Totholz-Vorräte. Verantwortlich
dafür ist der Sturm Lothar Ende Dezember
1999 sowie der darauf folgende Borkenkä-
ferbefall. Weil sich jedoch das damals ent-
standene Totholz laufend biologisch abbaut,
wird der durchschnittliche Vorrat in den
nächsten Jahren eher wieder etwas sinken.
Vier Mal mehr Totholz in hohen Lagen
Wo aber fi nden sich die heute vorhandenen
Totholz-Mengen? Wie die Grafi k zeigt: vor
allem in den höheren Lagen. Auf über 1200
Metern über Meer hat es in den Wäldern vier
Mal mehr Totholz als unter 800 Metern über
Meer (32 m3 zu 8 m3 pro ha).
Dafür gibt es eine pragmatische
Erklärung: Im Berggebiet ist das
Totholz weniger gut zu erreichen;
die Erntekosten fallen entspre-
chend höher aus. Deshalb bleiben
abgestorbene Bäume eher im
Wald zurück als in tieferen Lagen.
24
Geschützte Waldfl ächenQuelle: KAWA, BFS GEOSTAT, BAFU
Reservate
Bundesinventare der Auen-, Flach- und Hochmoore
5.2 Reservate und naturnahe Wälder
Der Bund will bis ins Jahr 2030 10 Prozent
der Waldfl äche als Reservate sichern. Hin-
ter diesem Ziel steht der Kanton Bern ge-
genwärtig noch weit zurück: Unter Schutz
stehen erst 2 Prozent der gesamten Berner
Waldfl äche. Bis anhin hat sich der Kanton
darauf konzentriert, die tatsächlich bedroh-
ten Naturwerte zu sichern.
Die eigentlichen Reservate umfassen
1618 Hektaren; weitere 1685 Hektaren Wald
sind über die Bundesinventare der Auen-,
Flach- und Hochmoore geschützt.
14 500 Hektaren Wald werden von ihren
Besitzerinnen und Besitzern seit mindestens
50 Jahren nicht mehr bewirtschaf-
tet oder sind unzugänglich. Die-
sen Flächen fehlt zwar der offi zielle
Status eines Reservats, dennoch
können sie als reservatsähnliche
Wälder bezeichnet werden.
Waldränder und Altholzinseln
Daneben setzt sich der Kanton
auf qualitativer Ebene für die bio-
logische Vielfalt ein. Dazu gehört
Im Kanton Bern sind 2 Prozent der Waldfl äche als Reservate geschützt. Statt einem
Flächenziel hat sich der Kanton bis anhin vor allem dem Schutz bedrohter Naturwerte
gewidmet.
beispielsweise das Aufwerten von Waldrän-
dern sowie das Schaffen von Alt-holzinseln.
Im Weiteren engagiert sich der Kanton für den
Erhalt historischer Bewirtschaftungsformen
wie der sogenannten „Wytweiden“ im Jura.
Diese Waldgebiete umfassen 5 Prozent der
gesamten Waldfl äche im Kanton Bern und
bilden einen wertvollen Lebensraum für Licht
liebende Arten.
Wald naturnah bewirtschaften
Zudem ist der Grundsatz der naturnahen
Bewirtschaftung im kantonalen Waldgesetz
festgehalten und gilt somit für die gesamte
Waldfl äche.
25
Im Kreislauf: Ohne Totholz könnten rund 1300 Käferarten und über 2300 höhere Pil-zarten nicht überleben.
26
6 Schutzwald
Wirksam: Der Wald schützt – zusammen mit Schutz-
bauten – Siedlungen und Strassen vor Naturgefahren wie
beispielsweise Lawinen.
Der Wald stellt eine kostengünstige, aber dennoch wirksame Möglichkeit zum Schutz
vor Naturgefahren dar. Ein Fünftel der Berner Waldfl äche erfüllt eine solche besondere
Schutzfunktion. Der Anteil der stabilen Bestände hat zugenommen.
Auch in einem umfassenderen Sinn trägt der Wald zur Sicherheit einer Region bei:
Der Waldboden beispielsweise ist fähig, grosse Mengen an Wasser zu speichern
und somit die Überschwemmungsgefahr zu reduzieren. Im Kanton Bern dienen rund
61 Prozent der Waldfl äche dem indirekten Schutz der Bevölkerung.
27
Zustand des Schutzwaldes 1996 und 2006
Quelle: LFI 2, LFI 3
1996 2006
stabil
vermindert stabil
labil
6.1 Schutz vor Naturgefahren
Rund 20 Prozent der Berner Waldfl äche schützen den Menschen und seine Bauten vor
Lawinen, Steinschlägen und anderen Naturgefahren. In den letzten zehn Jahren hat
sich der Zustand der Schutzwälder verbessert. Nach wie vor gelten jedoch 5 Prozent
dieser Bestände als labil.
Ein Fünftel der gesamten Waldfl äche hat eine
besondere Schutzfunktion: Diese 35 000
Hektaren schirmen Siedlungen und Stras-
sen vor Naturgefahren ab. Dazu gehören vor
allem Lawinen und Steinschläge, aber auch
Rutschungen und Murgänge. Im Vergleich
zu den Schutzbauten stellt der Wald eine
kostengünstige, aber dennoch wirksame
Möglichkeit der Gefahrenprävention dar.
Allerdings kann nur ein gesunder, stabiler
Wald diese anspruchsvolle Aufgabe dau-
erhaft erfüllen. Fehlende Verjüngung und
überalterte Bestände schränken den Wald in
seiner Schutzkraft ein. Deshalb kommt der
Pfl ege dieser Wälder im Kanton Bern eine
hohe Priorität zu.
Rund 60 Prozent sind stabil
In den letzten zehn Jahren hat sich der Zu-
stand des Berner Schutzwaldes verbessert.
Heute gelten 58 Prozent der Bestände als
stabil, 37 Prozent als vermindert stabil und
5 Prozent als labil. Im Jahr 1996 wurden
noch 49 Prozent als vermindert stabil und
ebenfalls 5 Prozent als labil eingestuft. Ins-
gesamt hat die Stabilität im Wald mit beson-
derer Schutzfunktion auf einer Fläche von
rund 4200 Hektaren zugenommen.
Dieses Ergebnis darf jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass auf einer Fläche von
rund 15 000 Hektaren ein kurz- und mittel-
fristiger Handlungsbedarf bestehen bleibt.
28
7 Sozioökonomie
Mit Mass und Augenmerk: In den letzten Jahren hat die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte deutlich abge-nommen.
Der Wald muss vielfältigen Ansprüchen gerecht werden: Er ist Arbeitsstätte und
Einnahmequelle für die einen, ein Ort der Erholung für die anderen sowie Lebensraum
für Tiere und Pfl anzen.
Der wirtschaftliche Druck der letzten Jahre hat sich auf die Produktivität ausgewirkt:
Heute arbeiten deutlich weniger Beschäftigte in der Waldwirtschaft als noch vor
zwanzig Jahren. Ebenfalls abgenommen hat die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte
und Förster.
Die verbesserte Produktivität und die gestiegenen Holzpreise haben dazu geführt,
dass sich die fi nanzielle Lage der Forstbetriebe etwas erholt hat. Nach wie vor schreibt
aber ein beachtlicher Teil dieser Betriebe rote Zahlen. Die zukünftige Entwicklung des
Holzpreises hängt stark vom Weltmarkt ab.
Vor allem in den grossen Ballungsgebieten ist der Wald ein intensiv genutzter Ort der
Erholung. Gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu, dass auch der Lebensraum
Wald durch die Erholungssuchenden immer stärker belastet wird: Die Umwelt wird
zunehmend mit Abfällen verunreinigt, die Intensität der Freizeitaktivitäten wächst.
29
Entwicklung Holzpreis und Lohnkosten 1980 bis 2006
Quelle: Waldwirtschaft Schweiz, Forstliche Betriebsabrechnung
Jahr Holzpreis (CHF/m3) Lohnkosten (CHF/Std.)
1980 140.– 20.–
1985 112.– 24.–
1990 110.– 36.–
1995 103.– 42.–
2000 68.– 43.–
2005 66.– 47.–
2006 71.– 48.–
Anz
ahl V
ollz
eits
telle
n
Anzahl Vollzeitstellen in der Waldwirtschaft
Quelle: Eidgenössische Betriebszählungen
Vollzeitstellen
Vollzeitstellen in Forstunternehmen
Vollzeitstellen in Forstbetrieben
7.1 Beschäftigte in der Waldwirtschaft
Der wirtschaftliche Druck der letzten Jahre hat sich auf die Produktivität ausgewirkt:
Heute arbeiten deutlich weniger Beschäftigte in der Waldwirtschaft als noch vor
zwanzig Jahren, spezialisierte Unternehmen gewinnen an Bedeutung. Die Zahl der
Unfälle ist rückläufi g. Es fehlt an neu ausgebildeten Forstwarten und Förstern.
Die Zahl der Beschäftigten in der Waldwirt-
schaft ist am Sinken: 1986 gab es noch 953
Vollzeitstellen, im 2005 waren es noch 553.
Nur nach dem Sturm Lothar Ende 1999
nahm das Stellenangebot vorübergehend
etwas zu.
Seit 1995 lassen sich diese Zahlen nach Ar-
beitgeber unterteilen. Die Vollzeitstellen bei
den Forstbetrieben sind in diesem Zeitraum
fast um die Hälfte zurückgegangen, bei den
Forstunternehmen blieb der Wert stabil.
Waldarbeit immer rationeller
Grund für diese Entwicklung ist der wirt-
schaftliche Druck: Der Holzpreis hat sich seit
1980 halbiert, die Lohnkosten haben sich
zwischen 1980 und 2006 mehr als verdop-
pelt. Der Waldwirtschaft blieb nichts anderes
übrig, als ihre Produktivität zu steigern. In
diesem Umfeld haben die Forstunterneh-
men an Bedeutung gewonnen: Sie sind häu-
fi g auf bestimmte Holzernteverfahren spezi-
alisiert und verfügen über die notwendigen
Maschinen, um rationell arbeiten zu können.
Es ist davon auszugehen, dass sich das Ar-
beitsangebot weiterhin von den Betrieben zu
den Unternehmen verlagern wird.
Unfälle nehmen ab
Auf die Arbeitssicherheit wirkt sich dieser
Prozess tendenziell positiv aus. Im Jahr
2006 zählte die Suva-Statistik für den Kan-
ton Bern 156 Betriebsunfälle mit Taggeld-
zahlungen pro 1000 Vollbeschäftigte; 1994
lag dieser Wert noch bei 193 Fällen. Eben-
falls zu diesem Resultat beigetragen haben
die intensivierten Massnahmen zur Unfall-
verhütung sowie die verbesserte Aus- und
Weiterbildung der Beschäftigten.
Weniger Forstwarte und Förster
Abgenommen hat in den letzten
Jahren die Zahl der neu ausgebil-
deten Forstwarte und Förster: Bei
den Forstwarten gelten 25 Absol-
venten im Durchschnitt der letzten
drei Jahre als angemessene Ziel-
grösse; diese ist im 2007 erstmals
nicht mehr erreicht worden.
Die Försterschulen konnten in
den letzten Jahren nur noch ver-
einzelt Abgänger aus dem Kanton
Bern verzeichnen. Allerdings hat
diese Zahl schon immer stark ge-
schwankt.
30
Holzerlöse in der Schweiz 1986 bis 2007
Quelle: Waldwirtschaft Schweiz (Schätzungen: 1986–1990 / 2007)
Ho
lzer
löse
(CH
F/m
3)
7.2 Erfolg in den Holzproduktionsbetrieben
Dank den gestiegenen Holzpreisen und der höheren Produktivität hat sich die fi nanzielle
Lage der Forstbetriebe in den letzten Jahren etwas entspannt. Das darf nicht darüber
hinwegtäuschen, dass nach wie vor ein beachtlicher Teil der Betriebe rote Zahlen
schreibt. Die künftige Entwicklung des Holzpreises hängt stark vom Weltmarkt ab.
Die fi nanzielle Situation der Forstbetriebe hat
sich erst seit Kurzem etwas beruhigt. Vorher
mussten diese Betriebe lange Jahre mit stei-
genden Produktionskosten und sinkenden
Erlösen kämpfen. Seit 1990 schreiben die
meisten rote Zahlen.
Abgenommen haben die Erlöse deshalb,
weil der Holzpreis in den letzten 20 Jahren
drastisch gefallen ist: Für die Forstbetriebe
stellt der Holzverkauf die zentrale Einnahme-
quelle dar.
Konkret sank der Holzpreis zwischen 1986
und 2001 von 112 auf 62 Franken pro Ku-
bikmeter. Dafür verantwortlich waren im We-
sentlichen drei Faktoren: Die Nachfrage auf
dem internationalen Markt nahm ab; die Ver-
arbeitungskapazitäten in der Schweiz waren
zu klein; nach den Stürmen Vivian und Lo-
thar entstand jeweils ein Überan-
gebot an Rohholz.
Holzpreis steigt seit 2004
Seit 2004 steigt der durchschnitt-
liche Holzpreis stetig; heute steht
er bei geschätzten 85 bis 90 Fran-
ken pro Kubikmeter. In den letzten
Jahren hat Holz als alternativer
Baustoff und Energieträger an
Bedeutung gewonnen, die Nach-
frage nimmt zu.
Gleichzeitig haben die Forstbe-
triebe Massnahmen ergriffen, um
ihre Produktivität zu steigern: Vor zwanzig
Jahren haben die Betriebe für die Ernte
eines Kubikmeters Holz drei Arbeitsstun-
den aufgewendet, heute liegt dieser Wert im
schweizerischen Mittel bei 0,5 bis 0,6 Stun-
den.
Der Kanton Bern unterstützt diesen Prozess
mit entsprechenden Anreizen. Im Rahmen
des Projekts „Auriga“ beispielsweise erhal-
ten Betriebe und Waldbesitzer, die eigen-
tumsübergreifend zusammenarbeiten, eine
Anschubfi nanzierung.
Wie die Finanzlage der Forstbetriebe in Zu-
kunft aussehen wird, ist schwierig zu beur-
teilen: Der Schweizer Holzmarkt ist einge-
bunden in die gesamte Weltwirtschaft und
von deren Entwicklung abhängig.
22 Millionen Franken pro Jahr
Die Forstbetriebe erbringen Leistungen im
Auftrag der öffentlichen Hand; entsprechend
werden diese mit öffentlichen Mitteln abge-
golten. Zwischen 1995 und 2007 fl ossen
433 Millionen Franken in die Berner Waldwirt-
schaft, davon dienten 145 Millionen Franken
der Schadensbewältigung nach „Lothar“.
Ohne diese Summe lag der jährliche Durch-
schnitt bei rund 22 Millionen Franken.
Über den gesamten Zeitraum betrach-
tet, wurden die ordentlichen Beiträge wie
folgt eingesetzt: 30 Prozent für Waldpfl e-
ge, 26 Prozent für Strukturverbesserungen,
21 Prozent für Schutz gegen Naturgefahren,
15 Prozent für Forstschutz, 8 Prozent für
Beratung sowie Aus- und Weiterbildung.
31
Nachfrage nach Naherholung
Quelle: LFI 2
mässige Nachfrage
grosse Nachfrage
sehr grosse Nachfrage
7.3 Erholung
Vor allem in den grossen Ballungsgebieten ist der Wald ein intensiv genutzter Ort der
Erholung. Dies bringt für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer Zusatzkosten mit
sich. Eine Studie für die Region Bern nennt die Zahl von rund 420 Franken pro Hektare
und Jahr.
„Das Betreten von Wald“ ist „in ortsüblichem
Umfange“ allen gestattet: So sieht es das
Schweizerische Zivilgesetzbuch vor. Von
diesem Recht macht die Bevölkerung in ih-
rer Freizeit gerne Gebrauch. Vor allem in den
grösseren Ballungsgebieten sind die Wälder
ein intensiv genutzter Ort der Erholung.
Eine 2005 erschienene Studie liefert dazu
genauere Angaben für die Region Bern:
• Im Durchschnitt verbringen die befragten
Waldbesucherinnen und -besucher 311
Stunden pro Jahr im Wald. Jeder Aufent-
halt dauert rund 80 Minuten.
• Rund 50 Prozent der Befragten suchen
nach „innerer Erholung“, mehr als 30 Pro-
zent möchten etwas für ihre Gesundheit
tun.
• Fast zwei Drittel dieser Personen wären
bereit, diesen Nutzen abzugelten: im
Durchschnitt mit 84 Franken pro Jahr.
• Die Kehrseite: Den Waldbesitzerinnen
und Waldbesitzern entstehen jedes Jahr
durchschnittliche Zusatzkosten von rund
420 Franken pro Hektare Erholungswald.
Dazu gehören Mehraufwände für Sicher-
heitsmassnahmen, aber auch Minder-
erträge durch Schäden am Holz und an
Infrastrukturen.
Gesellschaftliche Entwicklungen führen dazu,
dass auch der Lebensraum Wald durch die
Erholungssuchenden immer stärker belastet
wird: Die Umwelt wird zunehmend mit Abfäl-
len verunreinigt („Littering“), die Intensität der
Freizeitaktivitäten wächst.
32
8 Fazit
Welche Schlüsse lassen sich aus den aufgezeigten Resultaten ziehen? Wie gross ist der daraus
abgeleitete Handlungsbedarf? Eine dreistufi ge Rangfolge gibt einen Überblick, angesprochen sind
unterschiedliche Akteure:
Handlungsbedarf gross
• Der Kanton Bern verfügt über zu viele überalterte Bestände. Die Holzvorräte sind entsprechend
hoch. Im Interesse eines gesunden, nachhaltig wachsenden Waldes sollten diese Vorräte
in den nächsten Jahren moderat abgebaut und die Bestände weiter verjüngt werden. Die
gegenwärtige Marktsituation bietet dazu günstige Voraussetzungen.
Der Kanton Bern hat die Waldbesitzerinnen und -besitzer mit einer Kampagne dazu
aufgerufen, diesen Prozess an die Hand zu nehmen. Noch verstärkt müssten diese darauf
achten, ihre Nutzung den waldbaulichen Notwendigkeiten anzupassen. Das Amt für Wald hat
den Forstdienst beauftragt, die Waldbesitzerinnen und -besitzer dahingehend zu beraten.
• Eine kantonsübergreifende Studie zur Waldgesundheit zeigt, dass die hohen Stickstoffeinträge
im Wald das Gleichgewicht der Nährstoffe stören, sich negativ auf das Wachstum der Bäume
auswirken und den Boden versauern lassen. Der Kanton Bern wird sich weiter an diesem
Dauerbeobachtungsprogramm beteiligen und die Entwicklung verfolgen.
Rund 60 Prozent der Stickstoff-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Der Bund fördert
deshalb Projekte, die einen nachhaltigeren Umgang mit Stickstoff und anderen Ressourcen
zum Ziel haben. Das Amt für Wald des Kantons Bern begrüsst es, dass sich das Amt für
Landwirtschaft und Natur in diesem Rahmen für eine Reduktion der Stickstoff-Emissionen in
der Landwirtschaft engagieren will: Das Pilotprojekt „Ressourcenprogramm Boden“ startet
voraussichtlich 2009, ein Modul ist dem Thema „Nährstoffeffi zienz – Emissionsminimierung“
gewidmet.
• Rund 37 Prozent des Waldes mit besonderer Schutzfunktion gelten als vermindert stabil,
5 Prozent als labil. Somit besteht auf einer Fläche von rund 15 000 Hektaren kurz- und
mittelfristiger Handlungsbedarf. Zusätzlich müssen auch die heute als stabil geltenden Flächen
weiter gepfl egt und verjüngt werden. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln können die
Verantwortlichen nicht alle anstehenden Arbeiten zeitgerecht ausführen. Mit zunehmenden
Pfl egerückständen steigt das Risiko für Schäden. Soll dies nicht in Kauf genommen werden,
müssen die Ressourcen aufgestockt werden.
Handlungsbedarf mittel
• Bei der biologischen Vielfalt will der Kanton Bern den eingeschlagenen Weg intensivieren: Er
hat mit dem Bund eine Programmvereinbarung für die folgenden vier Jahre unterzeichnet. Darin
vorgesehen sind unter anderem das Schaffen weiterer Reservatsfl ächen und Altholzinseln
sowie die Pfl ege von Waldrändern.
33
• Die Zahl der neu ausgebildeten Forstwarte und Förster hat abgenommen. Der berufl iche
Nachwuchs muss gesichert werden. Zudem zwingt das sich verändernde Umfeld dazu, über
die heutigen Ausbildungen nachzudenken.
• In den letzten Jahren hat ein Grossteil der Forstbetriebe mit roten Zahlen abgeschlossen.
Hier sind die Betriebe vor allem in ihrer Eigenverantwortung gefordert. Der Kanton engagiert
sich aber für gute Rahmenbedingungen: Er unterstützt Massnahmen zur Verbesserung
der Absatzmöglichkeiten und beschränkt die administrativen Hürden. Ausserdem schafft
der Kanton Anreize für Innovationen: Das Programm „Auriga“ bietet beispielsweise
eine Anschubfi nanzierung für Betriebe und Waldbesitzer, die eigentumsübergreifend
zusammenarbeiten. Der Kanton setzt seine Beiträge gezielt und leistungsorientiert ein: Im
Zentrum steht das Sichern öffentlicher Interessen, Beispiele sind der Schutzwald und die
biologische Vielfalt. Das bisherige Förderkonzept ist jetzt in den Neuen Finanzausgleich des
Bundes eingebettet und angepasst worden. Nun muss sich der neue Ansatz in der Praxis
bewähren.
• Gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass der Lebensraum Wald durch die
Erholungssuchenden immer stärker belastet wird: Die Umwelt wird zunehmend mit Abfällen
verunreinigt („Littering“), die Intensität der Freizeitaktivitäten wächst. Die rechtlichen Grundlagen
sind vorhanden, um diesen Druck in vertretbaren Grenzen zu halten. Allerdings führen diese
Aufgaben bei den Zuständigen – den Förstern – zu Rollenkonfl ikten. Es muss deshalb nach
Lösungen gesucht werden, wie die Waldaufsicht in Zukunft neu organisiert werden kann.
Handlungsbedarf gering
• Die Waldfl äche des Kantons Bern ist in den letzten 20 Jahren um rund 5 Prozent gewachsen.
Die bisherige Walderhaltungspolitik hat sich bewährt und kann fortgeführt werden.
• Die sprunghafte Zunahme der Borkenkäferpopulationen nach „Lothar“ Ende Dezember 1999
hat erkennen lassen, dass bei der Bekämpfung klare Prioritäten gesetzt werden müssen:
Vorrang haben jene Waldgebiete, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht (Beispiel
Schutzwald). Diese Strategie hat sich als geeignet erwiesen und kann weiterverfolgt werden.
• Die Wildschäden sind zur Zeit in weiten Teilen des Kantons tragbar. Allerdings führt das
auf den Lotharfl ächen entstandene Nahrungsangebot zu einer Zunahme der Reh- und
Gämsbestände. Zudem fördert der Kanton Bern die Ausbreitung der Rothirsche. Die
verantwortlichen Behörden beobachten diesen Prozess und leiten falls nötig Massnahmen
ein. Insbesondere im Schutzwald dürfen keine untragbaren Schäden entstehen.
• Die Waldwirtschaft ist eine Branche mit einem vergleichsweise hohen Unfallrisiko. Die
Arbeitgeber und Beschäftigten müssen auf die Arbeitssicherheit sensibilisiert werden.
34
9 Literatur
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BAFU 2007: Waldfl äche, Vorrat und Laubholz nehmen zu – grosse regionale Unterschiede.
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aus den Dauerbeobachtungsfl ächen von 1984 bis 2004, Bericht 2. Schönenbuch. 67 S.
Kaufmann, E. 2007: Drittes Schweiz. Landesforstinventar – Erste Resultate. Abgegebene
Unterlagen zum Vortrag am 8. Seminar für die Holzindustrie und die Waldwirtschaft 2007
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und ausserhalb von Schutzgebieten. Bern. 41 S.
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Volz, R., Stöckli, V. und Walz, A. 2008: Offene Fragen zur Anrechnung der CO2-Bindung in
der Schweiz. Wald und Holz 2/08. S. 41–43
35
10 Abkürzungen
CHF Schweizer Franken
ha Hektare
m3 Kubikmeter
m ü. M. Meter über Meer
Mio. Million
Std. Stunde
BAFU Bundesamt für Umwelt
BFS Bundesamt für Statistik
BUWAL Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (heute: BAFU)
KAWA Amt für Wald des Kantons Bern
LFI Landesforstinventar
LFI 1 Landesforstinventar: Erstaufnahme (1983–1985)
LFI 2 Landesforstinventar: Zweitaufnahme (1993–1995)
LFI 3 Landesforstinventar: Drittaufnahme (2004–2007)
WSL Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft