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Nebenmilzen als seltene Ursache einer Raumforderung am Samenstrang

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Page 1: Nebenmilzen als seltene Ursache einer Raumforderung am Samenstrang

Urologe 2013 · 52:252–254DOI 10.1007/s00120-012-2991-6Online publiziert: 14. September 2012© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

A. Kaminsky1 · J. Tetens1 · P. Ortloff2 · B. Düsselberg1 · S. Mussa3 · H. Sperling1

1 Klinik für Urologie, Kliniken Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach2 Institut für Pathologie, Mönchengladbach3 Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Kliniken Maria Hilf GmbH, Mönchengladbach

Nebenmilzen als seltene Ursache einer Raumforderung am Samenstrang

Anamnese

Vorgestellt wurde uns ein 2,-jähriger Junge mit einer in ihrem Ausmaß wech-selnden Schwellung des linken Hodens. Anamnestisch auffällig waren bei dem Knaben in den letzten Wochen neu auf-getretene intermittierende Fieberschübe unklarer Genese und ein reduzierter All-gemeinzustand. Zusätzlich waren in den letzten Tagen auch Erbrechen und Diar-rhöen zu verzeichnen. Ansonsten zeigte der kleine Junge einen altersentsprechen-den Entwicklungs- und einen schlanken Ernährungszustand. Es waren bisher kei-ne Allergien bekannt und keine Operatio-nen durchgeführt worden.

Klinischer Befund

Bei der körperlichen Untersuchung zeig-te sich ein 2,-jähriger Junge in altersent-sprechendem Entwicklungs- und Allge-meinzustand. Es bestand eine noch phy-siologische Phimose. Das Skrotum stell-te sich inspektorisch unauffällig dar. Pal-patorisch war der rechte Hoden orthotop gelegen, der linke Hoden war ebenfalls skrotal gelegen mit einer tastbaren, nicht druckschmerzhaften Raumforderung im Bereich des Samenstrangs unterhalb des linken Leistenringes. Das Abdomen war weich, die Nierenlager beidseits frei.

Diagnostik

Nach der körperlichen Untersuchung er-folgte eine Sonographie des Genitalbe-reichs. Hierbei zeigten sich im B-Mo-de beide Hoden mit einer homogenen Binnenstruktur und skrotal gelegen. Die Nebenhoden stellten sich ebenfalls beid-seits orthotop gelegen dar. Auf der lin-ken Seite zeigte sich eine kleine Hydroze-le testis sowie eine echoarme, glatt beran-dete, rundliche Raumforderung am Sa-menstrang im Bereich des Leistenringes. In der Dopplersonographie stellten sich hyperämische Strömungsverhältnisse im linken Hoden dar.

Eine inkarzerierte Hernie wurde ge-meinsam mit dem allgemeinchirurgi-schen Konsiliarius ausgeschlossen.

Therapie und Verlauf

Unter dem Verdacht auf einen offenen Prozessus bei wechselnden Füllungszu-ständen des Skrotums wurde ein ambu-lanter Operationstermin zur Hodenfreile-gung links für den nächsten Morgen ver-einbart, da der Patient zum Vorstellungs-zeitpunkt schmerzfrei war. Am Folgetag wurde nach entsprechender Vorbereitung und Aufklärung die inguinale Skrotalex-ploration links durchgeführt. Nach Präpa-ration des Samenstrangs und Hervorluxa-tion des Hodens zeigte sich kein offener Prozessus, sondern das in . Abb. 1 wie-dergegebene Bild. Hoden und Nebenho-den waren unauffällig, am Samenstrang anhängend bis zum inneren Leistenringe reichend zeigten sich mehrere bläulich-

Kasuistiken

Abb. 1 8 a, b Intraoperatives Bild der am Samenstrang aufgereihten Nebenmilzen

RedaktionH. Rübben, Essen

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rote, perlschnurartig aufgereihte, rundli-che Strukturen. Es erfolgte zunächst eine partielle Resektion, welche als Schnell-schnitt zu unserer Pathologie geschickt wurde (. Abb. 2). Hierbei ergab sich die Diagnose einer Nebenmilz. Gemeinsam mit den hinzugezogenen allgemeinchir-urgischen Kollegen erfolgte die Resektion der perlschnurartig aufgereihten Neben-milzen bis zum inneren Leistenring. An-schließend wurde der Hoden nach skrotal zurückverlagert. Der intra- und postope-rative Verlauf waren komplikationslos, die Wundheilung verlief primär.

Diskussion

Nebenmilzen treten bei 1–3% der Be-völkerung auf []. Überwiegend sind die-se im Bereich des Milzhilus oder des Pan-kreasschwanzes zu finden. Seltene Loka-lisationen sind der Magen, der Darm, das Omentum majus, das Becken oder auch das Skrotum []. Entwicklungsgeschicht-lich geht eine Nebenmilz im Bereich des Samenstrangs auf eine atypische Fusion der Milzanlage mit der linksseitigen Uro-genitalleiste während der . bis 8. Schwan-gerschaftswoche zurück [1]. Es handelt sich dabei um eine kongenitale Anoma-lie, die ausschließlich auf der linken Seite lokalisiert ist [1] und in den meisten Fäl-len vom unteren Pol der Milz ausgeht [8]. Zwei Ätiologien der Nebenmilzen im Be-reich des Samenstrangs können unter-

schieden werden: skrotale Nebenmilzen ohne Kontakt zur Hauptmilz; hierbei han-delt es sich am ehesten um während der Embryonalphase versprengte Milzzellen in die Nähe der Keimzellen [] und skro-tale Nebenmilzen, die über einen Strang mit der Hauptmilz verbunden sind [, ].

Der Theorie nach kommt es hier in der Frühschwangerschaft (4. bis . Em-bryonalwoche) zu entzündlich beding-ten Adhäsionen zwischen der Organanla-ge der Milz und der benachbarten Uro-genitalleiste []. Die Keimzellen wandern in der weiteren Entwicklung nach kaudal und nehmen das adhärente Milzgewebe mit []. Da die Milz eine intraperitonea-le Lage aufweist, die Rückbildung des Ur-nieren- und Keimdrüsenfeldes aber ret-roperitoneal erfolgt, resultiert daraus ein frei durch die Bauchhöhle verlaufender Strang [8]. Erst später, wenn der Descen-sus testiculorum bereits bis zum inneren Leistenring gediehen ist, lagern sich die Darmschlingen hinter diesen intraperito-nealen Strang [8].

In unserem Fall wurde die Resektion im Bereich des inneren Leistenringes be-endet, wobei der Strang aber weiter nach intraabdominal reichte, so dass von einer Verbindung zur Hauptmilz ausgegangen werden muss.

Bezüglich des auslösenden Momentes dieser atypischen Fusion gibt es bis heute keine sicher bewiesene Ätiologie. Disku-tiert werden Adhäsionen als Folge einer

Abb. 2 8 a, b Gewebe vom Typ der Milz mit fibröser Kapsel, darunter lymphoretikuläres Gewebe mit Sekundärfollikeln der weißen Pulpa und hyperämischen Strukturen der roten Milzpulpa

Zusammenfassung · Abstract

Urologe 2013 · 52:252–254DOI 10.1007/s00120-012-2991-6© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

A. Kaminsky · J. Tetens · P. Ortloff B. Düsselberg · S. Mussa · H. Sperling

Nebenmilzen als seltene Ursache einer Raumforderung am Samenstrang

ZusammenfassungNebenmilzen am Samenstrang sind ein sehr seltenes Erscheinungsbild, daher ist, bei einer skrotalen Raumforderung eine präoperati-ve Diagnostik mit Hilfe der Milzszintigraphie nicht gerechtfertigt. Da sonographisch der Verdacht auf einen Tumor besteht, ist die in-guinale Hodenfreilegung die Therapiemetho-de der Wahl. Man sollte aber immer im Hin-terkopf behalten, dass es solche Seltenhei-ten im Bereich des Samenstrangs gibt und ggf. einen intraoperativen Schnellschnitt be-züglich der Tumorentität durchführen lassen, denn im Fall von Nebenmilzen ist eine Abla-tio testis nicht notwendig.

SchlüsselwörterNebenmilz · Samenstrangraumforderung · Milzszintigraphie · Inguinale Hodenfreilegung

An accessory spleen as a very rare entity causing a spermatic cord tumor

AbstractAn accessory spleen in the region of the sper-matic cord is a very rare entity so that preop-erative screening with splenic scintigraphy is not indicated. Sonographically there will al-ways be the suspicion of a malignant tumor so operative exploration of the testes is the therapy of choice. However, it should always been borne in mind that such rare entities can occur in the region of the spermatic cord and if there is any doubt about the identity of the mass an intraoperative rapid section should be performed because in the case of an accessory spleen ablation of the testes is not necessary.

KeywordsAccessory spleen · Spermatic cord tumor · Splenic scintigraphy · Inguinal testes ablation

lokalen fetalen Peritonitis, eine fehlende Rückbildung des nach Kolliker benannten diaphragmalen Bandes der Urniere sowie eine etwas links von der Mittellinie ange-ordnete Milzentwicklung [8].

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Vereinzelt lässt sich auch eine rein re-troperitoneal gelegen Strangbildung fin-den. Sie entsteht nach der 12. Entwick-lungswoche, wenn die Milz durch die Magendrehung bereits an ihrem endgül-tigen Platz angekommen ist. Wirkt erst zu diesem Zeitpunkt ein Zug des abstei-genden Keimgewebes, kann sich kein schräg durch die Bauchhöhle verlaufen-der Strang mehr bilden, sondern er bleibt rein retroperitoneal [8].

Als Korrelat zu Nebenmilzen im Be-reich des Samenstrangs oder Skrotums beim männlichen Geschlecht können beim weiblichen Geschlecht als Folge der oben genannten Fusion Nebenmilzen im Bereich der linken Adenexe auftreten [4].

Selten können diese ektop gelege-nen Milzen symptomatisch werden, z. B. durch ein Trauma, eine Ruptur [3] oder eine Stieldrehung der Blutversorgung [2]. Dann können die Patienten das Bild eines akuten Abdomens bieten [1].

Diagnostizieren kann man solche Nebenmilzen mit Hilfe einer selektiven Milzszintigraphie unter Verwendung von hitzedenaturierten und mit 99m Techne-tium- markierten Erythrozyten [1].

Letztlich wird sich sowohl palpatorisch als auch sonographisch immer eine tumo-röse Raumforderung im Bereich des Sa-menstrangs oder Skrotums zeigen. Da im-mer der Verdacht auf Malignität im Raum stehen wird und die Milzszintigraphie aufgrund der Rarität des Befunds nicht indiziert ist, ist die Hodenfreilegung die Therapie der Wahl. Differentialdiagno-stisch sollte bei einem linksseitigen Tumor im Bereich des Samenstrangs die Mög-lichkeit des Vorliegens von Nebenmilzen aber in Betracht gezogen werden. Bei in-traoperativen Zweifeln bezüglich Malig-nität anhand des makroskopischen Be-fundes sollte ein intraoperativer Schnell-schnitt angestrebt werden, um eine unnö-tige Ablatio testis zu vermeiden.

Fazit für die Praxis

Nebenmilzen am Samenstrang sind ein sehr seltenes Erscheinungsbild, daher ist eine präoperative Diagnostik mit Hilfe einer Milzszintigraphie nicht gerechtfer-tigt. Bisher sind lediglich 3 Fälle in der Li-teratur dokumentiert. Da sonographisch

immer der Verdacht auf einen Tumor be-stehen kann, ist die inguinale Hodenfrei-legung die Therapiemethode der Wahl. Neben adenomatoiden Tumoren, Hä-mangiomen, Fibromen, Lipomen, Leio-myomen, Neurofibromen, Sarkomen und Lymphomen sollte eine Nebenmilz differentialdiagnostisch bei einer Raum-forderung im Bereich des Samenstrangs grundsätzlich in Erwägung gezogen wer-den.

Korrespondenzadresse

Dr. A. KaminskyKlinik für Urologie, Kliniken Maria Hilf GmbH,Viersener Straße 450, 41063 Mö[email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

1. Paul R, Bielmeier J, Breul J et al (1997) Nebenmilz des Samenstranges. Urologe A 36:262–264

2. Diel R, Tuschick B, Dorner A (1992) Die stielgedreh-te Nebenmilz im Rahmen eines Polysplenie-Asple-nie-Komplexes als seltene Differentialdiagnose des akuten Abdomens. Zentralbl Chir 117:619–622

3. Richmond R, Humphrey P, Nichols WK (1992) Isola-ted traumatic accessory splenic rupture: a case re-port and literature review. Mo Med 89:351–353

4. Vuong PN, Vaury P, Galet B, Baviera E (1989) Ra-te accessoire sur l’ovaire gauche. Discussion pa-thogenique. J Gynecol Obstet Biol Reprod (Paris) 18:753–755

5. Robyn L, Barrett MD, Alicia L et al (1996) Intra-skrotal paratesticular accessory spleen. Ultrasound Med 15:173–174

6. Wick M, Rife C (1981) Paratesticular accessory spleen. Mayo Clin Proc 56:455

7. Dodds WJ, Taylor AJ, Erickson SJ (1990) Radiologic imaging of splenic anomalies. AJR 155:805

8. Hannak H (1966) Über Strangbildungen zwischen Milz und Hoden sowie Nebenmilzen im Skrotum. Chirurg 37:37–40